Netzwerkbeziehungen im System des Zivilrechts [1 ed.] 9783428550081, 9783428150083

Die Arbeit befasst sich mit der rechtlichen Einordnung von Netzwerken. Hierfür wird zunächst das Verständnis von Netzwer

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Netzwerkbeziehungen im System des Zivilrechts [1 ed.]
 9783428550081, 9783428150083

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 465

Netzwerkbeziehungen im System des Zivilrechts Von

Sebastian Weber

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN WEBER

Netzwerkbeziehungen im System des Zivilrechts

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 465

Netzwerkbeziehungen im System des Zivilrechts

Von

Sebastian Weber

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15008-3 (Print) ISBN 978-3-428-55008-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85008-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis zum Mai 2016 berücksichtigt. Mein herzlichster Dank gilt meinem hochgeschätzten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder, der meine persönliche und juristische Entwicklung die letzten Jahre gefördert und geprägt hat. Von ihm stammt die Idee für diese Arbeit. Während meiner Tätigkeit im Landesexzellenzcluster „Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke“ sowie später an seinem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht gab er mir überaus wohlwollend die Möglichkeit, dieses Werk zu verfassen. Seine stetige Unterstützung in allen Belangen hat ganz ausschlaggebend zur Verwirklichung meiner Dissertation beigetragen. Ich werde die lehrreiche und familiäre Zeit bleibend in sehr positiver Erinnerung behalten. Ebenfalls dankbar bin ich Herrn Prof. Dr. Jürgen Oechsler für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die hilfreichen Anregungen. Nicht unerwähnt möchte ich die gute Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen lassen. Dafür schätze ich sie alle sehr. Dank auch an meine Freunde, die mir während der Zeit der Erstellung dieses Buches mit Rat und Tat sowie beständiger Geduld zur Seite standen. Mein ganz besonderer Dank gebührt aber meinen Eltern, deren lieber und aufopferungsvoller Hilfe ich mir seit jeher gewiss sein durfte. Und speziell meiner Mutter danke ich dafür, dass sie die vielen Seiten aufmerksam durchgesehen und nicht nur einmal Korrektur gelesen hat. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Mainz, im Juni 2016

Sebastian Weber

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einleitung  ............................................................................................................... 21 I.

Vernetzung und Recht  ................................................................................. 21

II.

Gang der Darstellung  .................................................................................. 23 1. Teil



Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

27

§ 2 Netzwerke in der Soziologie  .................................................................................. 27 I. Grundlagen  .................................................................................................. 27 II.

Der soziologische Netzwerkbegriff  ............................................................ 28

III. Bedeutung von Netzwerken in der Soziologie  ............................................ 29 1. Allgemeine Bedeutung  ......................................................................... 29 2. Solidarität .............................................................................................. 32 3. Vertrauen ............................................................................................... 33 4. Information ........................................................................................... 33 5. Strukturelle Autonomie  ........................................................................ 34 6. Selbstorganisationsfähigkeit ................................................................. 34 7. Macht durch sozialen Einfluss  ............................................................. 34 IV. Weitere netzwerkbezogene Untersuchungsformen  .................................... 35 V.

Ausgewählte Praxisbeispiele  ....................................................................... 35

VI. Verhältnis Netzwerke und Systeme  ............................................................ 36 § 3 Netzwerke in der Wirtschaftswissenschaft  ............................................................ 39 I. Grundlagen  .................................................................................................. 39 II.

Definition von Wirtschaftsnetzwerken  ....................................................... 40

III. Sinn und Zweck von Wirtschaftsnetzwerken  ............................................. 40 IV. Vorteile von Wirtschaftsnetzwerken  .......................................................... 42 V.

Nachteile von Wirtschaftsnetzwerken  ........................................................ 45

VI. Lösungsmöglichkeiten von Netzwerknachteilen  ........................................ 48 1. Einzelne Lösungsansätze  ...................................................................... 48 a) Verhaltensregeln .............................................................................. 48 b) Aufbau einer kooperativen Kompetenz  .......................................... 48 c) Beteiligungen .................................................................................. 50 d) Ausschlussmöglichkeit ................................................................... 50 2. Ausgewählte kritische Stimmen  ........................................................... 50 3. Fazit ....................................................................................................... 51

Inhaltsverzeichnis

10

VII. Umsetzung der netzwerkbasierten Strategien  ............................................ 52 VIII. Ökonomische Risikoverminderung auf der Grundlage von Netzwerken  .. 53 IX. Arten von Unternehmensnetzwerken  ......................................................... 53

X.

1. Grundlegendes ...................................................................................... 53 2. Ausgewählte Beispiele für Unternehmensnetzwerke  .......................... 54 a) Zulieferindustrie .............................................................................. 54 b) Franchise ......................................................................................... 55 c) Finanz- und Versicherungsbranche  ................................................. 55 d) Bauwirtschaft .................................................................................. 56 e) Medienwirtschaft ............................................................................ 57 Weitere Berührungen von Wirtschaft und Netzwerken  ............................. 57

XI. Ergebnis  ....................................................................................................... 58 § 4 Netzwerke in der Politik  ........................................................................................ 58 I. Begriffsverständnis  ..................................................................................... 58 II.

Gründe für politische Netzwerke  ................................................................ 59

III. Anwendungsbeispiele  .................................................................................. 59 IV. Bedeutung und Konsequenzen politischer Netzwerke  ............................... 60 § 5 Netzwerke in der Geografie  ................................................................................... 61 I.

Gründe und Problemstellung  ...................................................................... 61

II. Lösungswege  ............................................................................................... 62 III. Netzwerkarten in der Raumentwicklung  .................................................... 64 IV. Konkrete Beispiele  ...................................................................................... 64 V.

Abgrenzung der Netzwerke von Kooperationen und Organisationen  ....... 64

1. Kooperation ........................................................................................... 64 2. Netzwerk ............................................................................................... 65 3. Organisation .......................................................................................... 66 4. Stellungnahme ...................................................................................... 67 § 6 Fazit  ........................................................................................................................ 68 2. Teil

Die rechtliche Beurteilung von Netzwerkbeziehungen 72

§ 7 Netzwerkbeziehungen und das Zivilrecht  .............................................................. 72 I. Einführung  ................................................................................................... 72 II.

Der Netzwerkbegriff im Recht  .................................................................... 72 1. Abschnitt

Vertragsrecht 74 § 8 Allgemeine Rechtsgeschäftslehre   ......................................................................... 74 I. Rechtsgeschäft  ............................................................................................. 74 1. Willenserklärung .................................................................................. 74

Inhaltsverzeichnis

11

a) Realakte ........................................................................................... 74 b) Geschäftsähnliche Handlungen  ....................................................... 75 2. Wirksamkeitsvoraussetzungen ............................................................. 75 a) Subjektive Voraussetzungen  ........................................................... 75 aa) Handlungswille  ........................................................................ 75 bb) Erklärungsbewusstsein  ............................................................ 76 cc) Geschäftswille ......................................................................... 77 b) Objektive Voraussetzungen  ............................................................. 77 c) Netzwerkspezifische Beurteilung  ................................................... 78 3. Sonstige Erklärungen ohne Rechtsbindungswillen   ............................ 78 a) Invitatio ad offerendum und das freibleibende Angebot  ................. 78 b) Gefälligkeitsverhältnisse ................................................................. 79 aa) Reine Gefälligkeitsverhältnisse  .............................................. 80 bb) Gefälligkeitsverhältnisse mit Sorgfaltspflichten  .................... 80 cc) Gefälligkeitsverträge ............................................................... 81 dd) Netzwerkbezug  ........................................................................ 81 c) Auskünfte und Ratschläge  .............................................................. 82 aa) Grundlagen  .............................................................................. 82 bb) Netzwerkbezug  ........................................................................ 83 II. Auslegung  .................................................................................................... 83 1. Grundlagen ............................................................................................ 83 a) Einfache Auslegung  ........................................................................ 83 b) Ergänzende Auslegung  .................................................................... 84 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 85 III. Allgemeine Geschäftsbedingungen  ............................................................ 86 1. Grundlagen ............................................................................................ 86 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 86 IV. Hilfspersonen im rechtsgeschäftlichen Bereich  ......................................... 88 1. Grundlegendes ...................................................................................... 88 2. Stellvertretung   ...................................................................................... 89 a) Allgemeines .................................................................................... 89 b) Eigene Willenserklärung  ................................................................. 89 c) Offenkundigkeit .............................................................................. 90 d) Vertretungsmacht ............................................................................ 91 aa) Grundlagen  .............................................................................. 91 bb) Vollmacht und Grundverhältnis  .............................................. 91 cc) Vollmachtsbegründung ............................................................ 91 dd) Umfang der Vertretungsmacht  ................................................ 92 ee) Untervollmacht ........................................................................ 93 ff) Rechtsscheinvollmacht ............................................................ 96 gg) Grenzen der Vertretungsmacht  ............................................... 101

Inhaltsverzeichnis

12

hh) Erlöschen der Vertretungsmacht  ............................................. 102 e) Rechtsfolgen einer wirksamen Stellvertretung  ............................... 104 f) Rechtsfolgen einer unwirksamen Stellvertretung  ........................... 106 3. Wissensvertreter ................................................................................... 107 4. Botenschaft ........................................................................................... 108 5. Mittelbare Stellvertretung  .................................................................... 109 6. Erfüllungsgehilfen ................................................................................ 111 7. Weitere Hilfspersonen  .......................................................................... 112 § 9 Ausgewählte Vertragstypen  .................................................................................... 112 I.

Grundsätzliches zu Verträgen  ..................................................................... 112

II. Kaufvertrag  .................................................................................................. 113 1. Grundlagen ............................................................................................ 113 2. Netzwerkbezug   .................................................................................... 113 a) Netzwerk aufgrund gemeinsamen Kaufgegenstands  ...................... 113 b) Insbesondere Netzwerkbezug aufgrund Gewährleistung  ................ 116 c) Verbundene Verträge iSd. §§ 358 f. BGB  ....................................... 119 III. Werkvertrag  ................................................................................................. 120 1. Grundlagen ............................................................................................ 120 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 121 IV. Reisevertrag  ................................................................................................. 123 1. Grundlagen ............................................................................................ 123 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 124 V. Mietvertrag  .................................................................................................. 125 1. Grundlagen ............................................................................................ 125 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 126 VI. Auftrag  ......................................................................................................... 128 1. Grundlagen ............................................................................................ 128 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 129 VII. Dienstvertrag ............................................................................................... 129 VIII. Geschäftsbesorgungsvertrag ....................................................................... 129 1. Grundlagen ............................................................................................ 129 a) Entgeltliche Geschäftsbesorgung   ................................................... 130 b) Rechte und Pflichten der Parteien  ................................................... 133 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 133 IX. Handelsvertretervertrag  .............................................................................. 133 1. Grundlagen ............................................................................................ 133 2. Netzwerkverbindungen und Handelsvertreter  ..................................... 135 X. Kommissionsvertrag  ................................................................................... 135 1. Grundlagen ............................................................................................ 135 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 138

Inhaltsverzeichnis

13

XI. Treuhandverhältnis  ...................................................................................... 139 1. Grundlagen ............................................................................................ 139 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 141 XII. Maklervertrag .............................................................................................. 141 1. Grundlagen ............................................................................................ 141 a) Entstehung, Rechte und Pflichten  ................................................... 142 b) Handelsmakler ................................................................................ 143 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 144 XIII. Bürgschaft .................................................................................................... 145 1. Grundlagen ............................................................................................ 145 a) Voraussetzungen .............................................................................. 145 b) Rechtsfolgen ................................................................................... 146 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 149 XIV. Vertrag zugunsten Dritter  ........................................................................... 151 1. Grundlagen ............................................................................................ 151 2. Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten  ...................................... 152 a) Deckungsverhältnis ......................................................................... 152 b) Valutaverhältnis ............................................................................... 153 c) Vollzugsverhältnis ........................................................................... 154 3. Rechtsstellung der Beteiligten bei Einwendungen und sonstigen Störungen  .............................................................................................. 155 4. Netzwerkbezug ..................................................................................... 156 XV. Erfüllungsübernahme, Garantievertrag  ...................................................... 156 1. Grundlagen ............................................................................................ 156 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 157 § 10 Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen  ................................................................... 157 I. Gläubigermehrheit  ....................................................................................... 157 1. Grundlegendes ...................................................................................... 157 a) Teilgläubigerschaft .......................................................................... 158 b) Gesamtgläubigerschaft .................................................................... 158 c) Gesamthandsgläubigerschaft .......................................................... 160 d) Bruchteilsgläubigerschaft ............................................................... 161 e) Mitgläubigerschaft .......................................................................... 161 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 162 II. Schuldnermehrheit  ....................................................................................... 162 1. Grundlegendes ...................................................................................... 162 a) Teilschuldnerschaft ......................................................................... 162 b) Gesamtschuldnerschaft ................................................................... 163 c) Schuldnergemeinschaft ................................................................... 167 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 168

Inhaltsverzeichnis

14

III. Schuldbeitritt, Gläubigerbeitritt, Vertragsbeitritt  ....................................... 169 1. Schuldbeitritt ......................................................................................... 169 a) Entstehung ....................................................................................... 169 b) Rechtsfolgen ................................................................................... 169 2. Gläubigerbeitritt .................................................................................... 171 a) Entstehung ....................................................................................... 171 b) Rechtsfolgen ................................................................................... 171 3. Vertragsbeitritt ...................................................................................... 172 a) Entstehung ....................................................................................... 172 b) Rechtsfolgen ................................................................................... 173 4. Netzwerkbezug ..................................................................................... 174 IV. Schuldübernahme, Forderungsübertragung und Vertragsübernahme  ...... 174

V.

1. Schuldübernahme ................................................................................. 174 a) Grundlegendes ................................................................................ 174 b) Voraussetzungen .............................................................................. 174 c) Rechtsfolgen ................................................................................... 176 2. Forderungsübertragung ........................................................................ 178 a) Grundlegendes ................................................................................ 178 b) Voraussetzungen .............................................................................. 179 c) Rechtsfolgen ................................................................................... 180 3. Vertragsübernahme ............................................................................... 183 a) Grundlegendes ................................................................................ 183 b) Voraussetzungen .............................................................................. 183 c) Rechtsfolgen ................................................................................... 184 4. Netzwerkbezug ..................................................................................... 186 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte  ........................................................ 187

1. Grundlagen ............................................................................................ 187 2. Voraussetzungen ................................................................................... 188 a) Leistungsnähe ................................................................................. 188 b) Schutzinteresse des Gläubigers  ....................................................... 189 c) Erkennbarkeit für den Schuldner  .................................................... 190 d) Schutzbedürftigkeit des Dritten  ...................................................... 191 3. Rechtsfolge ............................................................................................ 191 4. Netzwerkbezug ..................................................................................... 193 VI. Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB  ................................................................. 194 1. Grundlagen ............................................................................................ 194 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 194 VII. Drittschadensliquidation ............................................................................. 195 1. Voraussetzungen ................................................................................... 195 2. Rechtsfolge ............................................................................................ 196 3. Netzwerkbezug ..................................................................................... 197

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15

2. Abschnitt Gesellschaftsrecht 198 § 11 Verein  ..................................................................................................................... 198 I. Grundlagen  .................................................................................................. 198 II.

Rechtsfähiger Verein  ................................................................................... 198

1. Grundlagen ............................................................................................ 198 2. Rechte und Pflichten im Innenverhältnis  ............................................. 199 3. Rechte und Pflichten im Außenverhältnis  ........................................... 200 III. Nichtrechtsfähiger Verein  ........................................................................... 201 1. Grundlagen ............................................................................................ 201 2. Rechte und Pflichten  ............................................................................. 201 IV. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 202 § 12 Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)  ......................................................... 204 I. Grundlagen  .................................................................................................. 204 II.

Rechte und Pflichten  ................................................................................... 207

1. Innenverhältnis ..................................................................................... 207 2. Außenverhältnis .................................................................................... 208 III. Gesellschafterwechsel  ................................................................................. 210 IV. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 211 § 13 Bruchteilsgemeinschaft  .......................................................................................... 212 I. Grundlagen  .................................................................................................. 212 II.

Rechte und Pflichten  ................................................................................... 213

III. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 213 3. Abschnitt Sachenrecht 214 § 14 Übereignung  ........................................................................................................... 214 I. Grundtatbestand  .......................................................................................... 214 II.

Hilfspersonen bei der Übereignung  ............................................................ 216

1. Besitzdiener ........................................................................................... 216 2. Besitzmittler .......................................................................................... 217 3. Geheißperson ........................................................................................ 221 III. Weitere Erwerbstatbestände  ........................................................................ 228 1. Übereignung nach § 930 BGB  .............................................................. 228 2. Übereignung nach § 931 BGB  .............................................................. 229 IV. Rechtsfolge der Übereignung  ...................................................................... 229 V.

Erwerb vom Nichtberechtigten  ................................................................... 230 1. Übereignung nach §§ 929 S. 1, 932 BGB  ............................................. 230 a) Hilfspersonen .................................................................................. 231

Inhaltsverzeichnis

16

b) Hilfspersonen und Gutgläubigkeit  .................................................. 232 c) Hilfspersonen und abhandengekommene Sachen   .......................... 236 2. Weitere Tatbestände für einen Erwerb vom Nichtberechtigten  ........... 238 a) Übereignung nach §§ 929 S. 2, 932 BGB  ....................................... 238 b) Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB  ............................... 239 c) Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB  ............................... 240 3. Rechtsfolge eines Erwerbs vom Nichtberechtigten  .............................. 243 4. Erwerb von lastenfreiem Eigentum  ...................................................... 243 5. Netzwerkbezug ..................................................................................... 245 § 15 Pfandrecht  .............................................................................................................. 247 I. Grundlagen  .................................................................................................. 247 1. Vereinbarte Pfandrechte an beweglichen Sachen  ................................ 247 a) Voraussetzungen .............................................................................. 247 b) Rechtsfolgen ................................................................................... 248 2. Vereinbarte Pfandrechte an Rechten  .................................................... 251 3. Gesetzliche Pfandrechte  ....................................................................... 252 II. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 252 § 16 Grundpfandrechte  ................................................................................................... 253 I. Hypothek  ...................................................................................................... 253 1. Voraussetzungen ................................................................................... 253 2. Rechtsfolgen .......................................................................................... 254 II. Grundschuld  ................................................................................................ 257 III. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 258 § 17 Ermächtigung  ......................................................................................................... 259 I. Grundlagen  .................................................................................................. 259 II. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 260 § 18 Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis  ................................................................ 260 I. Grundlagen  .................................................................................................. 260 II. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 261 4. Abschnitt Bereicherungsrecht 262 § 19 Leistungskondiktion  ............................................................................................... 262 I. Grundlagen  .................................................................................................. 262 II.

Leistungsbeziehung in Mehrpersonenverhältnissen  .................................. 265 1. Hilfspersonen ........................................................................................ 265 2. Leistungsketten ..................................................................................... 265 3. Dreiecksverhältnisse ............................................................................. 267 a) Streckengeschäfte ........................................................................... 267 b) Banküberweisungen ........................................................................ 271

Inhaltsverzeichnis

17

c) Abtretung ........................................................................................ 273 d) Zahlung auf fremde Schulden  ......................................................... 275 e) Übernahme fremder Schulden  ........................................................ 276 f) Echter Vertrag zugunsten Dritter  ..................................................... 277 g) Unechter Vertrag zugunsten Dritter  ................................................ 278 h) Anweisungsverhältnisse iSd. §§ 783 ff. BGB  ................................. 278 4. Netzwerkverhältnisse ........................................................................... 278 § 20 Nichtleistungskondiktion  ....................................................................................... 279 I. Arten  ............................................................................................................ 279

II.

1. Eingriffskondiktion .............................................................................. 279 2. Rückgriffskondiktion ............................................................................ 279 3. Aufwendungskondiktion ...................................................................... 279 4. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten  ................................. 280 5. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten  ............................. 280 6. Leistung an einen Nichtberechtigten  .................................................... 280 7. § 822 BGB  ............................................................................................. 281 Vorrang der Leistungskondiktion  ............................................................... 281

§ 21 Rechtsfolgen und Netzwerkbezug  ......................................................................... 282 I.

Grundlagen der Rechtsfolgen  ...................................................................... 282

II.

Rechtsfolgen bei mehreren Beteiligten  ....................................................... 282

III. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 283 5. Abschnitt

Recht der unerlaubten Handlungen 284

§ 22 Ausgewählte deliktische Normen und Netzwerkbezug  ......................................... 284 I.

Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 BGB  .......................................... 284

II.

Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB  .......................................... 286

III. Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB  ...................................................... 287 IV. Schadensersatzpflicht nach § 830 BGB  ...................................................... 287 V.

Schadensersatzpflicht nach § 831 BGB  ...................................................... 288

VI. Schadensersatzpflicht nach § 832 BGB  ...................................................... 289 VII. Schadensersatzpflicht nach § 839 BGB  ...................................................... 290 VIII. Haftung nach § 840 BGB  ............................................................................ 291 IX. Netzwerkbezug  ............................................................................................ 291 6. Abschnitt Arbeitsrecht 293 § 23 Individualarbeitsrecht   ............................................................................................ 293 I. Grundlagen  .................................................................................................. 293 1. Arbeitnehmer ........................................................................................ 293

Inhaltsverzeichnis

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II.

2. Arbeitnehmerähnliche Personen  .......................................................... 296 3. Netzwerkbezug ..................................................................................... 297 Arbeitsverhältnisse unter interner Beteiligung von Dritten  ...................... 298

1. Beteiligung Dritter auf Arbeitnehmerseite  .......................................... 299 a) Mittelbares Arbeitsverhältnis  .......................................................... 299 aa) Grundlagen  .............................................................................. 299 bb) Haftung  .................................................................................... 301 cc) Direktionsrecht ........................................................................ 303 dd) Beendigung  .............................................................................. 304 ee) Umgehung ................................................................................ 305 ff) Zwischenergebnis .................................................................... 306 b) Gruppenarbeitsverhältnis ................................................................ 306 aa) Betriebsgruppe  ......................................................................... 306 bb) Eigengruppe  ............................................................................. 308 c) Netzwerkbezug ............................................................................... 311 2. Beteiligung Dritter auf Arbeitgeberseite  ............................................. 312 a) Arbeitgebergruppe .......................................................................... 312 b) Personengesellschaften ................................................................... 313 c) Gemeinsamer Betrieb verschiedener Unternehmen  ........................ 314 d) Gesamthafenbetriebe ....................................................................... 314 e) Netzwerkbezug ............................................................................... 315 III. Arbeitsverhältnisse unter externer Beteiligung von Dritten  ...................... 316 1. Leiharbeitsverhältnis ............................................................................ 316 a) Grundlagen ...................................................................................... 316 b) Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer  .......... 317 c) Rechtsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer  .......... 317 d) Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und Entleiher  ........................ 318 e) Umgehung ....................................................................................... 319 2. Konzernarbeitsverhältnis ...................................................................... 319 a) Grundlagen ...................................................................................... 319 b) Arbeitsverhältnis ............................................................................. 320 c) Weisung ........................................................................................... 321 d) Arbeitsentgelt .................................................................................. 322 e) Haftung ........................................................................................... 322 f) Beendigung ..................................................................................... 323 3. Netzwerkbezug ..................................................................................... 326 IV. Arbeitsverhältnisse unter dem Einfluss externer Dritter  ........................... 327 1. Haftung .................................................................................................. 327 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 328 § 24 Kollektivarbeitsrecht  .............................................................................................. 329 I. Grundlagen  .................................................................................................. 329

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II. Tarifvertragsrecht  ........................................................................................ 330 1. Grundlagen ............................................................................................ 330 2. Netzwerkbezug ..................................................................................... 331 III. Arbeitskampfrecht  ....................................................................................... 333 1. Grundlagen ............................................................................................ 333 2. Folgen des Arbeitskampfes  ................................................................... 334 a) Grundlagen ...................................................................................... 334 b) Folgen eines Arbeitskampfes im Betrieb des Arbeitgebers  ............ 334 c) Netzwerkspezifische Betrachtung von Arbeitskämpfen im Betrieb des Arbeitgebers  .............................................................................. 336 d) Folgen eines Arbeitskampfes um einen Verbandstarifvertrag  ......... 337 e) Netzwerkspezifische Betrachtung eines Arbeitskampfes um einen Verbandstarifvertrag  ........................................................................ 339 IV. Betriebsverfassungsrecht  ............................................................................ 340

V.

1. Grundlagen ............................................................................................ 340 2. Betriebsrat ............................................................................................. 340 3. Wirkung der verschiedenen Beteiligungsrechte  .................................. 342 4. Betriebsvereinbarung ............................................................................ 343 5. Folgen bei der Missachtung von Beteiligungsrechten  ......................... 344 6. Netzwerkbezug ..................................................................................... 345 Weitere kollektivarbeitsrechtliche Regelungen  .......................................... 346 3. Teil Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen im Wirtschaftsleben 347



§ 25 Charakterisierung der rechtlichen Grundlage bei qualifizierten Netzwerken  ........ 347 I. Ausgangspunkt  ............................................................................................ 347 II. Rechtsgrundlage  .......................................................................................... 348 1. Austauschvertrag .................................................................................. 349 2. Gesellschaft des bürgerlichen Rechts  ................................................... 350 3. Konzern ................................................................................................. 352 4. Gemeinschaftsverhältnis ...................................................................... 353 5. Gemischttypischer Vertrag  ................................................................... 353 6. Netzvertrag ............................................................................................ 353 7. Vertragsverbund .................................................................................... 354 8. Zwischenergebnis .................................................................................. 355 § 26 Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken  ......... 357 I.

Besondere Pflichten  .................................................................................... 357 1. Problemstellung .................................................................................... 357 2. Allgemeine Kooperationspflichten  ...................................................... 358 3. Loyalitäts- bzw. Systemförderpflichten  ............................................... 359

Inhaltsverzeichnis

20

II.

4. Informationspflichten ........................................................................... 360 5. Geheimhaltungspflichten ..................................................................... 361 6. Gleichbehandlungspflichten ................................................................. 362 7. Vorteilsteilungspflicht .......................................................................... 363 8. Risikoteilungspflicht ............................................................................. 363 9. Zwischenergebnis .................................................................................. 364 Dogmatische Begründung  ........................................................................... 366

1. Problemstellung .................................................................................... 366 2. Erfüllungsgehilfenhaftung ................................................................... 367 3. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte  ................................................. 367 4. Drittschadensliquidation ....................................................................... 368 5. Vorvertragliche Haftung  ....................................................................... 369 6. Sonderverbindung wegen Anschlussverhältnisses  .............................. 370 7. Vertragsverbund als Sonderverbindung  ............................................... 371 8. Multilaterale Sonderverbindung  ........................................................... 371 9. Netzvertrag ............................................................................................ 372 10. § 826 BGB  ............................................................................................. 372 11. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche  ....................................................... 373 12. Stellungnahme ...................................................................................... 373 § 27 Außenhaftung  ......................................................................................................... 375 I. Problemstellung  ........................................................................................... 375 II.

Grundlagen für eine Haftung von außenstehenden Personen  .................... 376

III. Grundlagen für eine Außenhaftung von Netzwerkakteuren  ..................... 378 1. Netzvertrag ............................................................................................ 378 2. Rechtsscheinhaftung ............................................................................. 378 3. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte  ................................................. 379 4. Drittschadensliquidation ....................................................................... 380 5. Eigenhaftung Dritter nach § 311 Abs. 3 BGB  ...................................... 380 6. Verbundhaftung .................................................................................... 381 7. Stellungnahme ...................................................................................... 382 4. Teil Zusammenfassung 386 § 28 Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung  .................................................. 386 Literaturverzeichnis  ...................................................................................................... 397 Sachwortverzeichnis  ...................................................................................................... 417

§ 1  Einleitung § 1  Einleitung

I.  Vernetzung und Recht Netzwerke zählen zu den Symbolen der heutigen Zeit.1 In fast jedem Gebiet und auf allen Ebenen kommt der Begriff des Netzwerkes in der einen oder anderen Bedeutung vor.2 Besonders durch die zunehmende Spezialisierung werden Verbindungen immer wichtiger.3 Während sich vor einigen Jahren die Menschen bei dem Begriff „Netzwerk“ zuerst auf die Verbindung von Computern besannen, denken sie heute eher an zwischenmenschliche Beziehungen. Will eine Person ihre Kontakte für den Einlass zu einer geschlossenen Veranstaltung nutzen, spricht man gegenwärtig sogar von „ernetzwerkten Einladungen“.4 Gleichwohl sind Netzwerke im Recht noch weitgehend unerkannt. Es ist deshalb erforderlich, ihre Rolle im Folgenden wissenschaftlich herauszuarbeiten. Die Gründe für die gesteigerte Anerkennung von Netzwerken sind vielfältig. Im Wesentlichen gelten die Konstrukte als besondere Form von sozialer Unterstützung, Gemeinschaftlichkeit, Menschlichkeit, Kreativität und Gleichberechtigung.5 Bekanntestes Beispiel in der Netzwerkforschung sind die Small-World-Experimente. In diesen Studien haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass jeder Mensch einen anderen im Durchschnitt über fünf Mittelsmänner erreichen kann.6 Praktische Anwendung findet die Thematik etwa, wenn jemand zu einer unbekannten Person über einen Vermittler Kontakt aufnehmen will, um ein persönliches Anliegen vorzutragen.7 Ist die Zielperson eine gefragte Persönlichkeit, wird eine mittelbare Kontaktaufnahme erfolgversprechender sein, als eine unmittelbare, da ohne die Verbindung der kontaktaufnehmende Akteur nur ein Beliebiger von vielen ist. Ebenso werden Verbindungen beispielsweise zur Einflussnahme genutzt. Aus juristischer Sicht fragt sich, ob hierbei schon rechtliche Bindungen entstehen und die Beteiligten gegebenenfalls spezielle Pflichten beachten müssen. Netzwerke haben unterschiedliche Bedeutungen in den einzelnen Gebieten. Während die persönlichen Beziehungen eher Gegenstand soziologischer Analysen 1  Bachinger/Pechlaner/Widuckel, Vorwort S. V; Straus, in: Gläubiger, Schuldner, Arme, S. 11. 2  Bommes/Tacke, in: Qualitative Methoden und Netzwerkanalyse, S. 37. 3  Schwark, JuS 1980, 777. 4  Kolosowa, Spiegelonline 15.01.2013. 5  Straus, in: Gläubiger, Schuldner, Arme, S. 11, 16 ff. m. w. N. 6  Straus, in: Gläubiger, Schuldner, Arme, S. 11, 13 f. m. w. N. 7 Vgl. Stauffer, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 219 ff.

§ 1  Einleitung

22

sind, gehen instrumentelle Aspekte, etwa die Verwendbarkeit von Kontakten zur Erreichung bestimmter Ziele, über die klassischen Felder der Soziologie hinaus und sprechen auch andere Fachrichtungen an.8 Der Ursprung eines Netzwerkes ist das Netz. Aus der Reihe von technischen Beispielen führen viele das Spinnen- und das Fischernetz an, die aus Fäden bestehen und durch deren Verknüpfung ihre Wirkung herleiten.9 Dieses Ergebnis kann ebenso bei der Verbindung von Personen entstehen. Aus der Zusammenarbeit verschiedener sich ergänzender Interessenvertreter gilt sogar ein Resultat als erreichbar, welches die Summe der Einzelleistungen übersteigt. Der Grund für die Entstehung von Netzwerken muss also in der Möglichkeit zur Steigerung der Optionen gesehen werden.10 Die Allgemeinheit trägt dem Umstand überdies mit der Feststellung Rechnung, Beziehungen seien das halbe Leben. Fraglich ist jedoch, unter welche Rechtsformen solche Verbindungen zu fassen sind. Gibt es besondere Regelungen bzw. Bräuche oder genügt die traditionelle Anwendung von Vertragsbzw. Gesellschaftsrecht? Gleichzeitig bergen alle Arten der Zusammenarbeit Gefahren. Netzwerkintern zählen hierzu beispielsweise das Ausbleiben von Synergieeffekten und Behinderungen, wenn sich die verbundenen Interessenvertreter nicht wie beabsichtigt ergänzen. Andererseits kann das Zusammenwirken monopolartig zum Nachteil von Dritten ausgenutzt werden.11 Auch vor diesem Hintergrund erwächst ein Bedürfnis nach der Festlegung von Rechten und Pflichten der einzelnen Beteiligten, um die Chancen angemessen zu nutzen. Netzwerkverbindungen entstehen dabei in jedem Bereich und in jeder Situation. Es gibt keine Begrenzung auf ein bestimmtes Gebiet oder gar auf die Wissenschaft.12 In jüngerer Zeit kommt noch der gesellschaftliche Wandel hinzu. Dies zeigt sich an der Wirtschaft. Durch den Kampf um Kunden und Märkte suchen die Unternehmen permanent nach Verbesserungen. Angesichts der neuen Herausforderungen geraten bestehende Fertigungs- und Vertriebskonzepte an ihre Grenzen. Um Wettbewerbsvorteile zu erlangen, wird dabei neben der Spezialisierung zunehmend auf die Kostensenkung gesetzt.13 Diese Maßnahmen führen zum Bruch gefestigter Strukturen. So können die Auslagerung bestimmter Produktionsstufen oder andere Arten der Umstrukturierung neue Organisationsformen schaffen. Gerade im wirtschaftlichen Umfeld gilt dies sowohl innerhalb von Unternehmen als auch zwischen solchen. Dieser Wandel zerstört existierende Verbindungen und macht eine Anpassung des gesamten Betriebsablaufes erforderlich. Die hiermit Holzer, S. 8. mit dem Vergleich zum Fischernetz: Payer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 5. 10  Tacke, Soziale Systeme 6 (2000), S. 291, 317. 11  Jansen, S. 11; Holzer, S. 22. 12  So schon Weber, in: (Un)wirtschaftliche Haushaltsführung, S. 197. 13  Lange, S. 33. 8 

9  Ebenso

§ 1  Einleitung

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einhergehende Arbeitsteilung begünstigt sodann die Bildung von zusätzlichen bzw. erweiterten Netzwerken. Gleichzeitig entstehen neue Risikoverteilungen, bei denen jeder Beteiligte danach strebt, möglichst viel Gefährdungspotential auf die anderen zu übertragen. Zu untersuchen ist insoweit, ob das Recht derartige Veränderungen in einer Beziehung anerkennt oder ob möglicherweise neue Regeln zu schaffen sind. Die skizzierten Neuerungen führen zu einer Beteiligung der verschiedensten Personen. Beispielsweise werden im Vertrieb Waren häufig nicht mehr allein zwischen Käufer und Verkäufer ausgetauscht. Vielmehr erbringen Dritte für die eine oder andere Seite Tätigkeiten. Bei einer solchen Vermarktungsform ergeben sich vor allem Herausforderungen sowohl im schuldrechtlichen Bereich als auch im Zusammenhang mit der sachenrechtlichen Umsetzung. Trotz der netzwerkbedingten Vorteile bleiben nicht immer alle Beziehungen aufrechterhalten. Gründe gibt es hierfür viele. Häufig wird eine Person unzufrieden sein, weil sie eine bessere Alternative hat. Insofern können gesteigerte Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung entstehen, wenn mehrere Akteure bei der Begründung beteiligt waren. Gerade in derartigen Fällen verfolgen Personen zuweilen mit einer Handlung Ziele gegenüber verschiedenen Beteiligten, sodass schon die Bestimmung des jeweiligen Leistungsempfängers ein Problem darstellt. Schließlich soll die Korrektur Unbilligkeiten ausgleichen. Zusätzlich zu herkömmlichen Verbindungen können Beziehungen zwischen Akteuren durch Handlungen und Ereignisse entstehen. Insbesondere dann, wenn keine vertragliche Grundlage existiert, gewinnt die rechtliche Einordnung erheblich an Bedeutung für die juristische Beurteilung. Generell soll mit der vorliegenden Arbeit anhand von ausgewählten Vernetzungserscheinungen ein Überblick vermittelt werden, ob und inwieweit das überkommene Zivilrecht in der Lage ist, auf diese Gegebenheiten zu reagieren.

II.  Gang der Darstellung Für die rechtliche Inblicknahme von Netzwerken ist deren Charakterisierung in den verschiedenen Erscheinungsformen mit den jeweiligen Rahmenbedingungen herauszuarbeiten. Hierfür wird zunächst das Verständnis von Netzwerken in der Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften, der Politik und der Geographie analysiert (§§ 2 ff.). Neben der Begriffsbestimmung sollen dabei vor allem die spezifischen Merkmale in dem jeweiligen Fachgebiet eine besondere Beachtung erhalten. Schon an dieser Stelle sei vorweggenommen, dass es das „eine“ Netzwerk richtiger Auffassung nach nicht gibt. Vielmehr versucht die Arbeit mit den ausgewählten Fachrichtungen das große Verbreitungsspektrum mit den unterschiedlichen Verbindungsintensitäten zu verdeutlichen und Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Sodann wird geprüft, ob Netzwerkbeziehungen in der Rechtsordnung Berücksichtigung finden (vgl. §§ 7 ff.). Hierfür sind zunächst die Regelungen im Recht systematisch zu ordnen und danach auf ihre Anwendbarkeit zu prüfen. Zu diesem Zweck bietet sich die Vorgehensweise nach dem Prüfungsschema für Ansprüche

24

§ 1  Einleitung

an. Neben der Vermeidung von Wertungswidersprüchen kann hiermit dem Postulat der Privatautonomie anschaulich und umfassend Rechnung getragen werden. Folglich sind zunächst die wesentlichen rechtsgeschäftlichen Regelungen und später vor allem die Normierungen im Vertrags-, Gesellschafts-, Sachen-, Bereicherungs- sowie Deliktsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches auf ihre Tauglichkeit zur Beurteilung von netzwerkartigen Erscheinungen zu untersuchen. Im Anschluss wird das Arbeitsrecht mit seinen vielfältigen normativen Einflüssen exemplarisch betrachtet. Abschließend erfolgt eine rechtliche Einordnung von wirtschaftlichen Organisationsformen mit einer besonders intensiven Netzwerkorientierung. Die juristische Beurteilung beginnt mit der Frage, ob und inwieweit Beziehungen zwischen Netzwerkakteuren dem Vertragsrecht unterliegen. Voraussetzung ist zunächst die Erfüllung rechtsgeschäftlicher Merkmale. Hierbei wird dargestellt, welche Handlungen im Rahmen einer solchen Beziehung zwischen den Beteiligten rechtsgeschäftliche und welche rechtsgeschäftsähnliche Folgen auslösen. Die Betrachtung umfasst neben den verschiedenen Eigenschaften auch den Umfang der Rechtsfolgen (dazu unter § 8 I.). Im Anschluss an die prinzipielle Differenzierung sollen die juristischen Reaktionen auf die Netzwerkausrichtungen im allgemeinen Vertragsrecht vorgestellt werden. Solche kommen schon bei allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Auslegung von Willenserklärungen infrage. In diesen Fällen haben die Gestaltungen des Sachverhalts einen hohen Stellenwert, sodass gegebenenfalls regelabweichende Interessenlagen Beachtung finden. Eine besondere Gelegenheit bietet ebenfalls die Anerkennung von Hilfspersonen im allgemeinen rechtsgeschäftlichen Bereich. Hier gilt es herauszuarbeiten, ob beispielsweise die Botenschaft und die Stellvertretung in der Lage sind, mehrpolige Personenverhältnisse adäquat zu erfassen. Vorteilhaft könnte an der Gestaltung sein, dass jede Person ihre rechtliche Selbstständigkeit beibehält und trotzdem eine erweiterte Handlungsfähigkeit gewährleistet wird. Weiterhin sind die besonderen Vertragstypen auf ihre Fähigkeit zur Berücksichtigung der Netzwerkorientierung zu prüfen. Zu dem Zweck werden die einzelnen Regelungen ausgewählter Formen auf ihren Netzwerkbezug untersucht. Eine wesentliche Herausforderung stellt hierbei bereits die bipolare Ausgangslage bei den meisten gesetzlichen Normierungen dar. In der Arbeit ist also zu klären, ob schon dieser Umstand gegen eine Netzwerkanerkennung im vorliegenden rechtlichen Bereich spricht. Die Darstellung beginnt mit dem Kaufvertrag nach §§ 433 ff. BGB (§ 9 II.). Diese Vertragsform zählt zu jenen, die grundsätzlich den Austausch zwischen zwei Personen vor Augen haben. Eine Abweichung erfährt die vorgeprägte Gesetzeslage beispielsweise dann, wenn mehrere Kaufverträge über einen Gegenstand hintereinander geschaltet sind und eine direkte Lieferung vom ersten Verkäufer zum letzten Käufer erfolgen soll oder unter bestimmten Umständen der Kaufpreis über einen Dritten finanziert wird. Auf ähnlich gelagerte Fragen gilt es in den Bereichen der Werk- und Mietverträge einzugehen (dazu § 9 III ff.). Hier existieren gleichfalls Situationen, in denen

§ 1  Einleitung

25

eine Verkettung mehrerer Beziehungen zwischen verschiedenen Beteiligten auf demselben Vertragsgegenstand beruhen kann. Neben den gegenständlichen Hintergründen fragt sich weiterhin, ob das Recht Verbindungsverknüpfungen auch im Tätigkeitsbereich anerkennt. Zu dem Zweck werden im Folgenden vorrangig das Auftragsrecht sowie der Geschäftsbesorgungsvertrag nebst den Handelsvertreter- und Kommissionsverhältnissen betrachtet (vgl. § 9 VI ff.). Ebenso sind die Treuhandverhältnisse, das Maklerrecht und das Bürgschaftsverhältnis sowie die Normierungen für den Vertrag zugunsten Dritter für die Beurteilung heranzuziehen (§ 9 XI ff.). Während die ersten Regelungstypen vom Titel gesehen neutral formuliert sind, lässt sich bei letzteren schon aus dem Blickwinkel zumindest ein Bezug zu Dritten erahnen. Weiterhin geht die Arbeit auf eine Reihe von Vorschriften im Recht ein, die grundsätzlich für alle Verträge gelten und eine generelle Anpassung der standardisierten Typen ermöglichen. Dabei wird mit den Regelungen zu Personenmehrheiten sowohl auf Gläubiger- als auch auf Schuldnerseite bei Vertragsschluss begonnen. Sodann sind die Formen des Schuld-, Gläubiger- und Vertragsbeitritts darzustellen, die den personellen Erweiterungen nach dem ursprünglichen Vertragsschluss Rechnung tragen. Berücksichtigung finden zudem die Schuldübernahme, Forderungsübertragung und Vertragsübernahme (dazu § 10 I ff.). Letztere Möglichkeiten sind vor allem wegen der Dynamik von Netzwerken interessant. Schließlich wird auf den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, die Drittschadensliquidation und die Haftung von Dritten nach § 311 Abs. 3 BGB eingegangen (vgl. § 10 V ff.). Auch diese juristischen Konstrukte lassen gewisse Fähigkeiten zur Beurteilung von Verbindungen zwischen mehreren zusammenhängenden Akteuren vermuten. Ferner erfolgt eine Sichtung des Gesellschaftsrechts. Im Gegensatz zum Vertragsrecht sind die Normierungen für den Verein, die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und die Bruchteilsgesellschaft gerade auf die juristische Handhabung von Mehrpersonenverbindungen ausgerichtet (§§ 11 ff.). Eine Eignung zur Beurteilung von netzwerkartigen Verhalten scheint also grundsätzlich vorzuliegen und macht die exemplarische Betrachtung des Sondergebietes erforderlich. Ebenso ist das Sachenrecht auf eine Anerkennung von netzwerkorientierten Beziehungen zu überprüfen (dazu §§ 14 ff.). Diesem Rechtsgebiet kommt für die Zuordnung von Gegenständen eine herausragende Rolle zu. Einzugehen gilt es hierbei insbesondere auf die Übereignungsmöglichkeiten. Eine gute Gelegenheit für die Berücksichtigung von verbindungstechnischem Verhalten bietet dabei die fehlende Verpflichtung einer direkten Übertragung des Eigentums vom Veräußerer auf den Erwerber. Insoweit kann also in bestimmten Situationen eine Beteiligung von weiteren Personen Beachtung finden. Neben den Fällen der berechtigten Veräußerung wird zudem gefragt, ob Netzwerkverbindungen beim gutgläubigen Erwerb eine Rolle spielen. Zusätzlich zu den Grundkonstellationen bedürfen insofern vor allem die spezifischen Voraussetzungen im Lichte von Mehrpersonenbeziehungen der Untersuchung.

26

§ 1  Einleitung

Außer den Formen der Eigentumsübertragung sind die Sicherungsmöglichkeiten für Forderungen zu betrachten. Auch diesbezüglich lässt sich fragen, ob die Rechtsordnung eine Netzwerkorientierung erfasst. Zu dem Zweck werden die verschiedenen Pfandrechtsnormierungen auf die Beteiligungsmöglichkeiten von weiteren Personen neben dem Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer durchgesehen (§§ 15 f.). Weiterhin geht die Arbeit darauf ein, inwieweit das Recht Unbilligkeiten und Rückabwicklungen von netzwerkartigen Beziehungen bewältigt. Dieser Bereich ist wesentlicher Bestandteil des Bereicherungsrechts (vgl. §§ 19 ff.). Die speziellen Ansprüche unterteilen sich dabei in Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen. Während die Leistungskondiktionen die Rückabwicklung von vertraglichen Beziehungen zum Gegenstand haben, befassen sich die anderen Kondiktionen mit der Korrektur sonstiger Unbilligkeiten. Neben den vertraglichen Sachverhalten unter Beteiligung von mehr als zwei Personen, sei es als Vertragspartner oder Dritter, gilt es ferner auf sachenrechtliche Verwerfungen einzugehen. Im letzteren Fall entstehen Unbilligkeiten vor dem Netzwerkhintergrund, weil beispielsweise der Gesetzgeber den Verkehrsschutz gewährleisten will. Im Anschluss an die bereicherungsrechtliche Analyse werden die deliktischen Vorschriften auf ihre Beurteilungsfähigkeit geprüft (dazu § 22.). Im Deliktsrecht geht es um rechtswidrige Handlungen. Diese können, müssen aber nicht im Zusammenhang mit einem oder gar mehreren Vertragsverhältnissen stehen. Insofern erwächst das gesteigerte Bedürfnis für das Rechtsgebiet. Dies gilt ebenso für netzwerkorientierte Handlungsweisen, die nicht zwangsläufig auf einem Vertrag beruhen. Demzufolge widmet sich der Abschnitt den einzelnen Arten der Anerkennung und Reaktion von Verbindungen mit verschiedenen Akteuren im Deliktsrecht. Ferner ist das Arbeitsrecht mit den vielfältigen gesetzlichen Einflüssen neben dem BGB auf seine Netzwerkausrichtung zu charakterisieren (§§ 23 f.). Schon im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellt sich die Frage, ob weitere Personen Berücksichtigung finden. Festzuhalten gilt aber auch hier, dass, wie bei den anderen tätigkeitsbezogenen Austauschverträgen, zwischen beiden Personen grundsätzlich eine bipolare Vertragsart vorliegt. Dessen ungeachtet hat beispielsweise ein Arbeitnehmer von vornherein keine Rechtspflicht, dass dieser die Arbeitsleistung allein und nicht mit anderen anbietet. Ebenso muss er seine Leistung nicht nur gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber erbringen. Zusätzlich gewährleistet der Gesetzgeber unter anderem das Tarifvertrags-, Arbeitskampf- und Betriebsverfassungsrecht. Auch insoweit können gegebenenfalls Folgen entstehen, die nicht auf den bipolaren Bereich begrenzt sind. Schließlich werden spezielle Handlungsformen juristisch betrachtet, die nach wirtschaftswissenschaftlicher Sicht eine besonders hohe Netzwerkorientierung aufweisen. Im Gegensatz zu den vorstehenden Ausführungen geht es hierbei vor allem um die erforderlichen dogmatischen Grundlagen für eine angemessene rechtliche Beurteilung (dazu die §§ 25 ff.). Den Abschluss findet die Arbeit mit einer Zusammenfassung der aufgezeigten Ergebnisse (§ 28.).

1. Teil

Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen 1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

Netzwerke finden wegen ihrer weiten Verbreitung mittlerweile in allen Sachgebieten Beachtung.1 Sie gelten heute als weitere Handlungsebene „neben“ oder „über“ den individuellen und korporativen Akteuren.2 Trotzdem fehlt es an einer allgemeingültigen Definition.3 Gemeinsam haben die vielfältigen Beispiele regelmäßig eine Verknüpfung von Akteuren. Akteure können dabei Menschen, Unternehmen und sogar Staaten sein.4 Mit einer rein oberflächlichen Betrachtung ist allerdings noch nicht viel gewonnen. Um das Netzwerk genauer zu bestimmen, bedarf es daher der Klärung des Begriffes in den verschiedenen Disziplinen.

§ 2  Netzwerke in der Soziologie I. Grundlagen Soziologie ist die Lehre von der Gesellschaft (societas). Sie befasst sich mit sozialen Erscheinungen und deren Beziehungen.5 Im Unterschied zu den Humanwissenschaften, wie Medizin und Psychologie, die den einzelnen Menschen zum Gegenstand haben, sind in der Soziologie die allgemeinen gesellschaftlichen Ordnungen und ihre Verbindungen zur Umwelt Forschungsgegenstand. Demzufolge ist es die Aufgabe der Soziologie, gesellschaftliche Phänomene zu beobachten, systematisch zu beschreiben und zu erklären.6 Diese Forschung wird mit dem Ziel betrieben, soziale Regelmäßigkeiten aufzudecken und damit entsprechende Verhaltensweisen für die Zukunft vorherzusagen und steuern zu können.7 Die Soziologie bedient sich dabei einer Reihe von Leitvorstellungen und Thesen. Im Vergleich zur Philosophie bemühen sich die Soziologen allerdings, die Behauptungen empirisch abzusichern. Verallgemeinerungen gehen also nur soweit, wie sie durch entsprechende Daten nachvollzogen werden können. Bauer-Wolf/Payer/Scheer, Vorwort S. VI. Jansen, S. 11. 3  Schindler, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 99. 4  Hollstein, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 11, 14. 5  Runkel, S. 3 ff. 6  Abels, S. 69. 7  Raiser, S. 3.

1 

2 

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1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

Netzwerkartiges Denken begann8 in der Soziologie im Wesentlichen mit Georg Simmel (1858-1918).9 Im Zentrum seiner Arbeit standen die Wechselwirkungen. Die Formen der Vergesellschaftung sollten auf ihre Wechselwirkungen und nicht wie bisher auf ihre Inhalte untersucht werden. Die Analyse bezog sich auf relationale Merkmale der Beziehungen zwischen den Individuen. Dabei betrachtete er den Zusammenhalt sowie die Über- und Unterordnung innerhalb von Zweier- und Dreiergruppen. In einer seiner Untersuchungen geht es sogar um die „Kreuzung sozialer Kreise“.10 Hierbei kam er zu der Erkenntnis, dass durch die Geburt eine soziale Startposition in der Familie festgelegt werde. Diese äußerliche Standesposition soll danach im Laufe der Entwicklung mit inhaltlichen Beziehungen, wie Neigungen und Tätigkeiten, zu anderen Persönlichkeiten „durchsetzt“ werden. Infolgedessen könne es zu einer Kreuzung sozialer Kreise kommen. Schon Simmel erkannte also eine gesellschaftliche Gruppenbildung, die er als „Kreise“ bezeichnete. Heute würde man zu den Kreisen höchstwahrscheinlich Netzwerke sagen. Innerhalb der Kreise soll eine Verbindung durch „soziale Fäden“ bestehen.11 Neben den Eigenschaften der Kreise wurde auch das Verhältnis zwischen diesen begutachtet. Nach Simmel bewegen sich die Personen in verschiedenen, zum Teil gegensätzlichen Kreisen. So komme es beispielsweise vor, dass ein wettbewerbs­ orientierter Kaufmann, der im Konkurrenzkampf zu anderen stehe, privat einem geselligen Verein beitrete. Nach Simmel untersuchten eine Reihe von Soziologen und Vertreter von verwandten Wissenschaften wie etwa Ethnologen gesellschaftliche Beziehungen. Hierbei ging es ebenso um die Einbettung von Personen in ihre Umwelt.12

II.  Der soziologische Netzwerkbegriff In der Soziologie wird vor dem Hintergrund einer grafischen Abbildung ein Netzwerk als „eine abgegrenzte Menge von Knoten oder Elementen und der Menge der zwischen ihnen verlaufenden sogenannten Kanten“ definiert.13 Die Knoten bzw. Elemente symbolisieren dabei die Akteure, die wiederum natürliche oder juristische Personen und gegebenenfalls sogar Objekte sowie Ereignisse sein können. Teilweise verwenden Soziologen für Akteure auch pauschal den Begriff „soziale Adressen“.14 Als Kanten sind schließlich die Verbindungen zwischen den Knoten zu verstehen. 8  Für einen ausführlicheren Überblick zur Entwicklung der Netzwerkforschung Holzer, S. 29 ff. 9  Jansen, S. 37. 10  Simmel, S. 100 ff. 11  Simmel, S. 103. 12  Schnegg, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 21 ff. m. w. N. 13  Jansen, S. 58. 14  Bommes/Tacke, in: Qualitative Methoden und Netzwerkanalyse, S. 37, 43 f.

§ 2  Netzwerke in der Soziologie

29

III.  Bedeutung von Netzwerken in der Soziologie 1.  Allgemeine Bedeutung Bedeutung haben Netzwerke heutzutage vor allem als Institutionen, die aus den Strategien der beteiligten Akteure hervorgehen.15 Die sozialwissenschaftliche Analyse von Netzwerken konzentriert sich hierbei vorwiegend darauf, inwieweit Netzwerke soziales Kapital bzw. soziale Ressourcen generieren. Nach Auffassung einiger Sozialwissenschaftler können nämlich Handlungsmöglichkeiten nicht nur durch materiellen Kapitaleinsatz oder mittels eigener Fähigkeiten entstehen, sondern ebenso aus Netzwerken aufgrund sozialer Unterstützung von verbundenen Personen.16 Der Begriff „soziales Kapital“ wird daher auch als das gesamte Sortiment an gesellschaftlichen Mitteln verstanden, auf die ein Individuum zurückgreifen kann, um Hilfe zu erreichen.17 Im Gegensatz zu sonstigen Betätigungsfeldern in der Soziologie ist schon die Struktur eines Netzwerkes Gegenstand der Untersuchung.18 Durch die formale Beschreibung der Eigenschaften sollen Handlungen nachvollzogen und vorhergesagt werden. Die Beurteilung bezieht sich auf das Netz als solches und die einzelnen Akteure. Demzufolge sind zwei Ebenen zu analysieren. Unterschieden wird dabei die Mikro- und die Makroebene. Während die Mikroebene die Stufe ist, auf der sich die einzelnen Akteure bewegen, gilt als Makroebene das Netzwerk als übergeordnetes Gebilde.19 Einige Soziologen nehmen an, bei Ergänzung entstehe durch den Verbund etwas, was die Summe seiner Akteure übersteige. Dem Verbund schreiben sie sodann auch Eigenschaften zu20, welche die einzelnen Akteure nicht haben können. Auf der höheren Stufe, der Makroebene, spielen Fragen eine Rolle, wie ein Staat auf Überschuldung oder Arbeitslosigkeit reagieren soll oder ein Unternehmen auszurichten sei, um Gewinne und Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern.21 Durch die Erforschung der individuellen Perspektiven (Mikroebene) kann hingegen etwa der Gewerkschaftsbeitritt einer Person erklärt werden. Allein die Analyse auf der unteren Ebene liefert jedoch keine Begründung, warum überhaupt eine soziale Bewegung, wie gerade eine Gewerkschaft, zustande gekommen war und Zuspruch erhalten hatte. Inwieweit bei der Netzwerkforschung die Mikro- oder Makroebene den entscheidenden Einfluss hat, ist nicht abschließend geklärt. Das Meinungsspektrum reicht von der überwiegenden Berücksichtigung der Makroebene über eine kombinierte Auswertung bis hin zur dominierenden Maßgeblichkeit der Mikroebene. Jansen, S. 271. Holzer, S. 14 f. m. w. N. 17  Coleman, in: Die Institutionalisierung von Lehren und Lernen, S. 99. 18  Hollstein, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 11, 14. 19  Trezzini, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 193, 194. 20  Zum Teil auch als „emergent“ bezeichnet. 21  Jansen, S. 14. 15  16 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

30

Nach dem kombinierten Ansatz wird die Absicht der einzelnen Individuen durch Struktur, Zwänge und Chancen erklärt, die sogenannte Situationslogik. Das absichtliche Handeln der Akteure wiederum ist die Ursache für Eigenschaften und Dynamik auf der Systemebene (Aggregationsregel). Im Unterschied zu abweichenden Forschungserhebungen, bei denen in der Regel individuelle Merkmale von Personen gesammelt werden, kommt es hier auf Punkte an, die eine relationale Ordnung verdeutlichen. Im Mittelpunkt steht also nicht das Individuum selbst, unabhängig oder als Summe von anderen Beteiligten. Vielmehr sind die Beziehungen zu den verbundenen Akteuren und deren Struktur für die Auswertung erforderlich. Die soziale Struktur kann damit bei der Auswertung Berücksichtigung finden und dient als Erklärungsvariable. Zudem wird diese Theorie um die Tatsache der Wechselwirkung verfeinert. Wechselwirkung meint den Austausch zwischen Mikro- und Makroebene. Auf den ersten Blick scheint es so, als würden nur die Akteure auf die Makroebene Einfluss nehmen. Bei näherem Hinsehen offenbart sich jedoch ebenso der umgekehrte Weg, wonach auch das Umfeld in Form der bestehenden Sozialstruktur Auswirkungen auf den einzelnen Akteur hat.22 So kann beispielsweise eine überschuldete Person in einem materiell gut konstituierten Umfeld besser ihre Schulden abbauen als in einem Kreis von genauso finanziell Notleidenden. Überdies erlangen Forderungen nach Entgelterhöhungen prinzipiell mit gewerkschaftlicher Hilfe größere Bedeutung und eine bessere Durchsetzbarkeit. Neben der Entstehung von Netzwerken sind in der Soziologie besonders die Folgen von derartigen Verbindungen interessant. Dabei setzen die Untersuchungen vielfach schon in einer Art lokalen Analyse bei der kleinsten Einheit an. Eine solche Einheit ist die Beziehung zwischen zwei Akteuren bzw. Elementen, eine sogenannte Dyade.23 Betrachtet werden verschiedene Eigenschaften. Das Augenmerk reicht von der Einstellung der Akteure zueinander bis zur Verteilung bestimmter Dyaden im Gesamtnetzwerk (Dyadenzensus). Ein wesentlicher Umstand für die Einschätzung eines Netzwerkes und ihrer Akteure ist die Macht in Form von Einfluss, Prestige und Zentralität. Eine Steigerung erfährt beispielsweise der Status des Akteurs in Netzwerken, bei denen es um Einfluss geht, durch die Anzahl und Mächtigkeit der mit ihm verbundenen Akteure sowie die Wichtigkeit der kontrollierten Ressourcen und den Grad der Schwierigkeit, diese außerhalb der Verbindung zu erlangen.24 Dagegen wird die bloße Verfügungsbefugnis über knappe Ressourcen eher als negative Macht bzw. als strukturelle Autonomie angesehen. Zum Beispiel muss unter mehreren Bewerbern für einen Arbeitsplatz eine Auswahl stattfinden. Dem Wahlberechtigten kommt eine Machtposition zu. Im Gegensatz zu Einflussnetzwerken steigt im letzten Fall (sogenannte Tauschnetzwerke) und auch bei VerhandJansen, S. 15 ff. m. w. N. Hennig, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 465, 473. 24  Jütte, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 199, 206 f. 22  23 

§ 2  Netzwerke in der Soziologie

31

lungsnetzwerken die Macht des Hauptakteurs mit der Ohnmacht der verbundenen Personen. Der Mangel an Alternativen und das Bedürfnis der anderen Netzwerkbeteiligten schwächt deren Position.25 Neben der Ermittlung von einzelnen Merkmalen zur Beschreibung und Vergleichbarkeit von Netzwerken nimmt in der Soziologie die Bestimmung des sozialen Kapitals eine zentrale Bedeutung ein. Unter dem auch als soziale Ressource bezeichneten Begriff versteht man eine Verbreiterung der Handlungsmöglichkeiten. Wegen der Mitgliedschaft in einem Netzwerk hat der jeweilige Akteur also Chancen, durch andere Akteure in verschiedenster Weise unterstützt zu werden. Die Hilfe kann dabei sowohl materieller als auch immaterieller Art sein und auf unmittelbarem oder mittelbarem Weg erfolgen. Akteure in Netzwerken können etwa in den Genuss von ökonomischem Kapital, Humankapital, Informationen, Macht, Solidarität oder Vertrauen kommen, um nur einige Beispiele zu nennen.26 Bei der Analyse des sozialen Kapitals eines Akteurs wird besonders auf die strukturelle Einbettung von diesem abgestellt. Es erfolgt also eine Betrachtung der Verbindungen zu den anderen Netzwerkmitgliedern. In soziologischen Gutachten unterscheiden die Verfasser dabei hauptsächlich starke und schwache Beziehungen (strong und weak ties). Während schwache Verbindungen eher zwischen Akteuren mit anderen Interessen und unregelmäßigem Kontakt vorkommen, sind starke Verbindungen durch gleiche Interessen, die längere Dauer und höhere Frequenz der Beziehung, die emotionale Intensität, die Intimität sowie den Austausch von Leistungen gekennzeichnet. Schwache Beziehungen stellen demnach in der Regel Außenbeziehungen her, indem sie lokale Schranken überbrücken.27 Dagegen bestehen starke Beziehungen häufig zu Personen aus dem näheren Umfeld. Eine beliebige Vergrößerung ist somit wegen der zeitintensiven Pflege ausgeschlossen.28 In der Netzwerkforschung wird sogar von einer relativen Stärke der schwachen Verbindungen ausgegangen.29 Bei der Betrachtung einer Arbeitsplatzsuche wurden beispielsweise verschiedene Möglichkeiten gegenübergestellt. Im Ergebnis war die Suche mit Hilfe von persönlichen Kontakten erfolgreicher als mit Annoncen oder (Initiativ-)Bewerbungen. Die meisten und besten Stellen beruhten dabei nicht auf der Empfehlung von Freunden oder anderen starken Verbindungen, sondern auf den sogenannten weak ties. Eine dauerhafte und hochfrequenzierte Beziehung sowie emotionale Nähe bis hin zu Intimität zwischen zwei Akteuren bot in der Regel nur Zugang zu bereits bekannten Informationen. Fruchtbare Hinweise waren im Gegensatz dazu von Personen zu bekommen, die sich in Kreisen bewegten, die sich von denen des Ausgangsakteurs unterschieden.30 Jansen/Diaz-Bone, in: Soziale Netzwerke, S. 71, 78; Jansen, S. 163 ff., 178. Marx, in: Knoten und Kanten, S. 95, 96 ff.; Holzer, S. 21. 27  Holzer, S. 17; Schweizer, in: Netzwerkanalyse, S. 1, 16. 28  Häußling, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 63, 74; Jansen, S. 106 f., 207 ff. 29  Granovetter, American Journal of Sociology 78 (1973), 1360 ff. 30  Holzer, S. 16 ff. m. w. N. 25 

26 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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Nach den bisherigen Ergebnissen der Netzwerkforschung können Verbindungen verschiedene Arten von sozialer Ressource verwirklichen. Wesentliche Punkte sind dabei Solidarität, Vertrauen, Information, strukturelle Autonomie, Selbstorganisationsfähigkeit und Macht durch sozialen Einfluss. 2. Solidarität Den sogenannten strong ties wird beispielsweise die Grundlage für Solidarität zugeschrieben. Die starken Verbindungen führen zu einem intensiven Gruppenbezug. Das ausgeprägte Zusammengehörigkeitsbewusstsein begünstigt wiederum soziale Schließungsprozesse.31 Als positives Beispiel können hier privat organisierte Kreditsysteme von Einwandererfamilien in den USA vorgebracht werden, die Existenzgründungen aus der eigenen Ethnie unterstützen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Darlehensvergaben funktioniert das System nicht ausschließlich mit materiellen Sicherheiten. Vielmehr erfolgt die Bereitschaft zur Auszahlung und spätere Rückzahlung durch starke Beziehungen zwischen den Akteuren. Infolge der mitunter häufigen und engen Verbindungen wird Vertrauen geschaffen und es bedarf keiner besonderen Kontrollsysteme. Die Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft verbessert auch die Transparenz unter den Parteien, die die Beurteilungsfähigkeiten deutlich erhöht. Hinzu kommen die vermehrten Sanktionsmöglichkeiten von Abweichlern, wenn vereinbarte Pflichten nicht erfüllt werden.32 Auf einem ähnlichen Hintergrund basiert das Konzept der indischen Grameen-Bank für Gruppendarlehen. Diese bietet unter anderem (Mikro-)Kredite Personen an, die sich zu kleineren Gruppen mit mindestens fünf Personen zusammenschließen und füreinander bürgen. Zu Beginn erhalten jedoch nur zwei Kreditnehmer Geld. Eine Auszahlung des Kredites an weitere Personen erfolgt erst, wenn die beiden bereits bedachten Gruppenmitglieder ihren persönlichen Kredit über einen längeren Zeitraum regelmäßig zurückgezahlt haben.33 Die starken Verbindungen rufen mitunter aber auch negative Folgen hervor. So kann die Sanktionierung wegen ungetilgter Kredite zu einem Zerwürfnis im persönlichen Bereich führen. Vor allem bei unverschuldeten Rückzahlungsschwierigkeiten erscheint dies als gravierender Nachteil gegenüber dem herkömmlichen Vergabeverfahren, weil der Schuldner im schlimmsten Fall jede persönliche Rückzugsmöglichkeit verliert. Zudem verhindert eine stark solidarisch aufgestellte Gruppe den dynamischen Entwicklungsprozess. Durch nach außen geschlossene Gruppen erfolgt keine oder nur eine sehr geringe Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen. So führte beispielsweise die intensive Abstimmung der Kohle-, Stahl- und Energieunternehmen im Ruhrgebiet zu vernachlässigten Modernisie-

Nollert, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 157, 160 f. Jansen, S. 28; für die Arbeitslosigkeit Sattler/Diewald, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 701, 705 ff. 33  Felder-Kuzu, S. 41 f. 31 

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§ 2  Netzwerke in der Soziologie

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rungsprozessen. Damit wurden im Ergebnis Chancen verpasst, die sich in anderen Branchen ergeben hatten.34 3. Vertrauen In der Soziologie wird auch der Respekt vor allgemeingültigen Normen als Ausdruck von sozialem Kapital angesehen. Die guten Sitten, das ehrbare Verhalten eines Kaufmanns, die Redlichkeit des Gegenübers sollen etwa Vertrauen im Umgang mit anderen Personen schaffen. Aus den schwachen Verbindungen zu jedermann erwächst allen Akteuren ein Mindestmaß an Vertrauen, das sie erst handeln lässt. Ohne diese Basis würde keine Kooperation eingegangen werden.35 Ein gewisses Maß an Sicherheit auf Mikro- und Makroebene ist also für ein gedeihliches Zusammenleben unabdingbar. Für eine Kooperation gilt die Vertrauenswürdigkeit als entscheidendes Merkmal. Vertrauen wird im Wesentlichen durch Vorerfahrungen geprägt. Die Wahl bekannter Partner verringert daher die Unsicherheit. Manche behaupten sogar, die Stellung eines Akteurs ersetzt die Vorerfahrungen. „Je höher die gemeinsame Zentralität der potentiellen Partner, desto größer die Chance der Entstehung eines neuen ties“.36 4. Information Besonders aus schwachen Verbindungen folgt Sozialkapital in Form von Informationen. Gerade die Beziehung zu weiter entfernten Personen lässt den Akteur an Wissen teilhaben, das ihm durch die Bewegung in seinem näheren Umfeld verborgen geblieben wäre. Im Gegensatz zu schwachen Verbindungen sind starke für den Informationsaustausch ungeeignet, da bei engeren Beziehungen weitgehende Transparenz vorliegt. Dies deckt sich auch mit der Grundlage von starken Verbindungen, die in der Regel nur bei größter Übereinstimmung von Interessen und Tätigkeiten entstehen.37 Daneben können Informationen aufgrund von Zentralität und Prestige gewonnen werden. Zentral ist der Akteur, der die meisten direkten und kürzesten indirekten Verbindungen hat, um alle Netzwerkbeteiligten zu erreichen. Aufgrund einer strategisch herausragenden Stellung im Netzwerk oder wegen hohem Ansehen kann die Verbindung zu anderen Akteuren den frühen Zugang zu Neuigkeiten und Innovationen bedeuten.38

Heidenreich, in: Soziale Netzwerke, S. 161, 168 f.; Jansen, S. 29. Kesselring, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 333, 347. 36  Jansen, S. 271 f. 37  Avenarius, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 99, 103 ff. 38  Jütte, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 199, 209. 34  35 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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5.  Strukturelle Autonomie39 Mit der Möglichkeit Informationen zu bekommen, ist auch die strukturelle Autonomie innerhalb von Netzwerken eng verwandt. Diese weitere Form von sozialem Kapital beruht auf der Nutzung des Erreichbarkeitsdefizits von Akteuren zwischen denen keine Verbindung besteht, die aber beide Beziehungen zu einem (gemeinsamen) dritten Akteur unterhalten. Durch die strukturelle Schwäche (das sogenannte strukturelle Loch) zwischen den beiden unverbundenen Personen erwächst der Dritte in eine Maklerposition, die ihm eine Ausnutzung für seine eigenen Zwecke ermöglicht. Diese Handlungsmöglichkeit eröffnet dem Dritten neue Chancen, weil er aufgrund seiner Vermittlerleistung am Gewinn des Endvertrages partizipieren kann und eine gewisse Steuerungsfähigkeit besitzt.40 Zum anderen birgt die Tätigkeit aber auch Risiken. Vermittler arbeiten auf der Basis von weak ties. Da also keine starken Verbindungen zwischen den Beteiligten bestehen, ist aufgrund der Abhängigkeitsproblematik die Umgehungsmotivation bei den übrigen Handelnden hoch. Die strukturelle Autonomie eines Akteurs kann natürlich auch dazu führen, dass die anderen ihn als Verräter ansehen.41 6. Selbstorganisationsfähigkeit Neben der Organisation von Akteuren mit starken Beziehungen lässt sich auch zwischen den übrigen Netzwerkverbindungen eine gewisse Koordination finden. Diese Steuerung dient dem Selbstschutz. Ist die Verbindung für beide vorteilhaft und bestehen für keinen Akteur bessere Alternativen, dann haben Dritte außerdem keine Ausnutzungsmöglichkeit.42 7.  Macht durch sozialen Einfluss Neben Macht durch Ausnutzung von strukturellen Löchern ist in der Soziologie auch Macht aufgrund sozialer Akzeptanz anerkannt. Diese weitere Form von sozialem Kapital dient weniger zur Wahrnehmung von gewinnorientierten Chancen als vielmehr zur Festigung von (meist seit Kurzem) begründeten strukturellen Positionen. Mit Macht aus sozialem Einfluss wird Loyalität und eine kollektive Identität aufgebaut. Diese Eigenschaften sind vor allem zu Beginn an einem neuen Arbeitsplatz oder bei einer neuen Tätigkeit nötig, wenn eine gewisse Abhängigkeit von anderen Personen, wie Kollegen oder Kunden, herrscht. Damit zeigt sich, dass diese Form von Macht nur aus starken Verbindungen entstehen kann. Eine langfristige Zusammenarbeit zwischen zwei Akteuren erfordert mehr als nur zielorientiertes Handeln. In derart engen Beziehungen bedarf es einer Scheidegger, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 145 ff. Holzer, S. 47 ff. m. w. N. 41  Engelbrecht, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 243, 257. 42  Jansen, S. 30 f. 39 

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§ 2  Netzwerke in der Soziologie

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Kooperationsfähigkeit, die allgemein als „Achtung“ und „Respekt“ bezeichnet wird.43

IV.  Weitere netzwerkbezogene Untersuchungsformen Neben Netzwerken und seinen Akteuren werden auch zusammenhängende (Teil-)Gruppen mitsamt ihrem Umfeld analysiert. Teilgruppen sind etwa Cliquen, die sich um einen Kontext, wie Familie, Hobbys oder Beruf, bilden. Demzufolge wird unter einer Clique umgangssprachlich wie soziologisch eine überschaubare Zahl von Akteuren mit direkten und engen Beziehungen untereinander sowie einer Abgrenzung zum Umfeld verstanden.44 Manche sehen in einer Clique zudem eine soziale Gruppe, weil der vorherrschende soziale Einfluss zu einem Konsensdruck mit der Tendenz zur gegenseitigen Angleichung führe. Diese Beeinflussungsprozesse ermöglichen wiederum kollektive Aktionen und einen verstärkten Informationsaustausch. Die Zugehörigkeit zu einer Clique darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Akteure meist mehreren Cliquen angehören.45

V.  Ausgewählte Praxisbeispiele Die Bedeutung von Netzwerken zeigt der Versuch, in einer amerikanischen Firma eine gewerkschaftliche Interessenvertretung zu installieren. Es handelte sich bei der Firma um ein junges Softwareunternehmen mit insgesamt 36 Mitarbeitern. Die drei geschäftsführenden Gründer waren gegen eine solche Interessenvertretung, weil sie wirtschaftliche Nachteile befürchteten. In der Belegschaft befanden sich Befürworter und Gegner des Vorhabens. Trotz der anfänglich scheinbaren Mehrheit für das Vorhaben, scheiterte der Plan letztlich an der Zustimmung der Mitarbeiter. Der Grund lag in der Stellung der Akteure im Netzwerk. Vor allem die Befürworter hatten weniger zentrale Stellungen im Freundschaftsnetzwerk, was zu einem geringeren (informellen) Einfluss innerhalb der Belegschaft führte. Hinzu kam die nicht dauerhafte Einbindung des zentralsten Akteurs in das Vorhaben, der obendrein einer Clique mit Befürwortern und einer mit Gegnern angehörte. Gerade die Mitgliedschaft in zwei gegensätzlichen Teilgruppen mit den jeweiligen Erwartungen der Mitglieder führte zu einer Enthaltung dieses Akteurs. Im Ergebnis fehlte dem Plan eine ausreichende Grundlage und es wurde von der Belegschaft mehrheitlich keine gewerkschaftliche Interessenvertretung gewählt.46 Ein weiteres Praxisbeispiel ist der Arbeitsmarkt. Nach dem neoklassisch-ökonomischen Modell sind dauerhafte Entgeltabweichungen und unbesetzte Stellen bei

Jansen/Diaz-Bone, in: Soziale Netzwerke, S. 71, 77; Jansen, S. 31 f. Täube, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 397 ff. 45  Jansen, S. 193 ff. 46  Holzer, S. 60 ff. 43 

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gleichzeitiger Arbeitslosigkeit grundsätzlich nicht möglich.47 Dennoch gehören beide Erscheinungen schon seit Langem zur Wirklichkeit. Die soziologische Forschung hat dieses Phänomen damit begründet, dass die am Arbeitsmarkt tätigen Akteure nur eine begrenzte Informationsverarbeitungsfähigkeit besitzen, Informationen Kosten nach sich ziehen und zudem ein gewisses Vertrauen sowohl bei der Stellenvergabe als auch bei der Aushandlung der Arbeitsbedingungen eine Rolle spielt.48 Zu dieser Beobachtung passen die obigen Erkenntnisse für den Prozess der Stellensuche, welche die „starke“ Bedeutung der schwachen Verbindungen hervorheben.49 In der Mehrzahl der Fälle sind Personen mit ihrer neuen Stelle zufrieden, wenn diese über einen arbeitsbezogenen Kontakt und nicht über eine Freundschafts- oder Familienbeziehung zustande gekommen ist. Zwar herrscht bei starken Verbindungen zwischen Freunden und der Familie große Hilfsbereitschaft, aber aufgrund des gleichen Umfelds gibt es wenige wertvolle und neuartige Informationen. Weiterhin können entfernte Akteure neben den relevanten Informationen auch glaubwürdiger und objektiver vermitteln. Derartige Personen haben damit gegenüber Akteuren ohne „schwache“ Verbindungen den Vorteil, über weitreichendere Vermittlungschancen zu verfügen.50

VI.  Verhältnis Netzwerke und Systeme Die Soziologie befasst sich neben Netzwerken unter anderem auch mit Systemen als Form der zwischenmenschlichen Verbindung. Systeme sollen nach der sogenannten Systemtheorie gesellschaftliche Bereiche sein wie die Wirtschaft, das Recht und die Religion.51 Ferner hat jedes System eine spezifische Kommunikation mit eigenen Mitteilungen und Informationen. Im Ergebnis werden daher Systeme als Sinnzusammenhänge bezeichnet, in denen sich Menschen in besonderer Weise kommunikativ aufeinander beziehen.52 Die diesbezügliche Einordnung von Netzwerken und das Verhältnis zu Systemen sind noch nicht entschieden. Das Spektrum der Positionen reicht von einer Gleichstellung bis zur vielfältigen Unterscheidung.53 Ein bedeutender Vertreter der Systemtheorie ist Niklas Luhmann. Nach ihm seien im Rahmen der Systemtheorie insbesondere Interaktion, Organisation und Gesellschaft zu trennen.54 Trotz der Sesselmeier/Funk/Waas, S. 65 ff. Jansen, S. 240 ff. 49  Straus, in: Gläubiger, Schuldner, Arme, S. 11, 14. 50  Kropp, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 635, 636 ff. 51 Vgl. Luhmann, Soziologische Aufklärung, Band 1, S. 204; ders., Soziologische Aufklärung, Band 2, S. 198; ders., Die Religion der Gesellschaft; ders., Das Recht der Gesellschaft. 52  Luhmann, Soziologische Aufklärung, Band 1, S. 115; Baer, § 4, Rn. 94 ff. 53 Vgl. Holzer, in: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie, S. 155, 156 ff. m. w. N.; derselbe, S. 94 ff.; vgl. Holzer/Fuhse, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 313, 315 ff. 54  Luhmann, Soziale Systeme, S. 16. 47 

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§ 2  Netzwerke in der Soziologie

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Tatsache, dass Netzwerke von Luhmann weitgehend nicht berücksichtigt wurden,55 lassen sich allerdings vereinzelt in seinen Werken netzwerkorientierte Ansätze finden. Danach sollen etwa Netzwerke die Verknüpfung von verschiedenen Organisationen auf allen Ebenen mit den Kontakten ermöglichen.56 Weiterhin werden Netzwerke auch als echte Emergenzphänomene bezeichnet.57 Ausgehend vom Beispiel der Transaktionskostenökonomie befinde sich das Netzwerk jenseits der klassischen Formen Organisation und Markt, quasi als Form einer weiteren (dritten) Ordnung. Eine Organisation habe durch die Verknüpfung von Mitgliedschaft und Norm sowie der von Kollektiv und Entscheidung einen selbstreproduktiven dynamischen Zustand erreicht. Gegenüber einfachen Interaktionen gelte die Organisation als ein Gebilde, das aus diesem Grund einer höheren (zweiten) Ordnung angehöre. Ebenso sei der formalisierte (Tausch-)Vertrag eine Weiterentwicklung sozialer Kooperationsbeziehungen, die auf unterster Ebene mit bloßer informeller Interaktion beginne. Durch die Abgabe und den Zugang der korrespondierenden Willenserklärungen erhalte die Beziehung einen selbstkonstituierenden Zustand, da der Vertrag für beide Parteien verbindliche Pflichten und Rechte begründe. Ein Netzwerk an sich soll wiederum auf den bestehenden Strukturen aufbauen. Es stehe folglich nicht nur zwischen ihnen, sondern auf einer gesonderten höheren Ebene. Eine weitere Auffassung begreift das Netzwerk als eine Art Selbstbeschreibungsform von Organisationen.58 Beschrieben werden sollen danach nur die Interna und nicht die Außenbeziehungen einer Organisation. Mitunter setzen einige Stimmen Systeme auch den Netzwerken gleich. Beide Erscheinungen dienten der Kommunikation, man könne zwischen ihnen und der Umwelt unterscheiden und sie reproduzierten sich selbst, sogenannte Autopoiesis.59 Andere60 wiederum sehen in einem Netzwerk ein heterarchisches Ordnungsprinzip, das auf den ersten Blick ungeordnet und chaotisch erscheine. Im Gegensatz zum traditionellen Verständnis sollen keine hierarchischen Verhältnisse herrschen. Eine Verbindung bestehe zwischen jedem Beteiligten, sodass das Netzwerk ebenso störanfällig wie robust sei. Ferner wird behauptet, ein Netzwerk sei eine Form organisationsinterner Kopplung.61 Danach soll das Netzwerk ein Teil des Organisationssystems sein und sich nicht zwischen den Systemen befinden oder gar ein eigenes bilden. Wieder andere begreifen Netzwerke als eine Art „Kontakt-“ oder „Zwischensystem“.62 Anknüpfend an Luhmanns Einschätzung, Netzwerke seien eine System-zu-System-BezieKämper/Schmidt, in: Soziale Netzwerke, S. 211, 217 f. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 385. 57  Teubner, in: Emergenz, S. 189, 193 ff. 58 Vgl. Kämper/Schmidt, in: Soziale Netzwerke, S. 211, 223 f. mit dem Verweis auf einen unveröffentlichten Beitrag von Veronika Tacke. 59  Fuchs, S. 191 ff. (Kapitel 5 und 6). 60  Baecker, S. 177. 61  Kämper/Schmidt, in: Soziale Netzwerke, S. 211, 227 ff., 234. 62 Vgl. Holzer, S. 95. 55 

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1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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hung,63 werden auch hier Netzwerke als Verknüpfungstechnik betrachtet. Derartige Kontaktsysteme sollen entstehen, wenn die gleichen Akteure aus verschiedenen Gründen zusammenkommen und hierbei in wechselnde Abhängigkeiten voneinander geraten, weil von Zeit zu Zeit jede Seite der anderen unterliege oder auf ihre Kooperation angewiesen sei.64 Manche betrachten Netzwerke auch als Gebilde, die für die Suche nach Problemlösungen auf (verbundene und bekannte) Adressaten zurückgreifen (sogenanntes Primat der Adressen).65 Im Gegensatz dazu herrsche bei Systemen das Primat der Problemstellung – sie würden sich über einer Aufgabe konstituieren und suchten sodann Akteure. Systeme sollen sich also von Netzwerken unterscheiden. Letztere würden nicht aus sozialen Systemen hervorgehen, sondern seien als parasitäre Formen der Strukturbildung zu verstehen. Auch dienten Netzwerke nicht der Systembildung. Ihre Herausforderung soll vielmehr in der Vermeidung von Systemen liegen.66 Bei der Unterscheidung von System und Netzwerk müsse also danach gefragt werden, ob die Teilnahme des Akteurs hauptsächlich über sozialstrukturelle Positionen und Bindungen (Netzwerk) oder primär über (kommunikative) Sinnbezüge (System) erfolge.67 Neben den eben vorgestellten Idealtypen seien natürlich auch Mischformen denkbar. Bildlich gesprochen sei der Ausgangspunkt für ein Netzwerk jedoch immer ein individuelles Adressbuch.68 Es scheint vorzugswürdig, Netzwerke nicht pauschal mit Systemen gleichzusetzen. Netzwerke sind nicht auf die Verbindung zwischen Systemen oder Akteuren begrenzt. Vielmehr muss die Gesamtheit der Akteure mitsamt den einzelnen Verbindungen als Netzwerk verstanden werden.69 Gewiss sind Systeme nicht nur durch eine starre Grenzziehung zwischen Außen- und Innenwelt definiert, da auch offene Systeme existieren. Im Gegensatz zu Netzwerken ist allerdings die Unterscheidung zur Umwelt beim idealtypischen System eher die Regel als die Ausnahme.70 Trotz alledem darf nicht abgestritten werden, dass in Netzwerken auch Bereiche existieren, etwa die Cliquen, die mit dem restlichen Netzwerk weniger intensiv verbunden sind. Die mitunter anzutreffende Leugnung hierarchischer Strukturen in Netzwerken scheint jedoch fragwürdig. Durch das Innehaben einer Maklerposition oder teilweise auch der Zentralität eines Akteurs im Netzwerk können Abhängigkeiten entstehen, die wiederum Hierarchien begründen. Im Unterschied zu Systemen sind jedoch vom Grundsatz her Netzwerke nach dem heterarchischen Ordnungsprinzip angelegt. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 407 ff. (410). Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 75. 65  Tacke, Soziale Systeme 6 (2000), S. 291, 298. 66  Tacke, Soziale Systeme 6 (2000), S. 291, 317. 67  Bommes/Tacke, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 37, 42. 68  Holzer, S. 94 ff., 102 ff.; Tacke, Soziale Systeme 6 (2000), S. 291, 302 ff. 69 Ähnlich Holzer, in: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie, S. 155, 157, 162 der ein Netzwerk als eine Vielzahl von Kontaktsystemen beschreibt. 70 Vgl. Holzer/Fuhse, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 313. 63 

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§ 3  Netzwerke in der Wirtschaftswissenschaft

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§ 3  Netzwerke in der Wirtschaftswissenschaft I. Grundlagen Selbst im wirtschaftlichen Bereich nutzen die Beteiligten die persönlichen Beziehungen zwischen den Akteuren, um beispielsweise Informationen zu sammeln und Konsens zu erzielen. Zusätzlich zur gewöhnlichen personalen Nutzung findet die Netzwerkorientierung in der Ökonomie jedoch ausgeprägt als strukturelles Organisationsprinzip Anwendung.71 Aus historischer Sicht werden in diesem Zusammenhang schon die Zünfte als ein klassisches Netzwerk im wirtschaftlichen Bereich vor der industriellen Revolution angesehen. Derartige Gebilde waren in der Regel lose Vereinigungen von selbstständigen Handwerkern. Sie kombinierten auf der einen Seite Wettbewerb sowie Kooperation und teilten sich andererseits die Innovationen.72 Aber auch bei der Betrachtung der Wirtschaft in seiner Gesamtheit bleiben allgemeine Netzwerkstrukturen nicht verborgen. Neben knappen und ungleich verteilten Ressourcen73 führen vor allem arbeitsteilige Produktionsweisen zu dauerhaften Beziehungen zwischen den Beteiligten. Anders als in der Vergangenheit, in der sich die Bevölkerung selbst versorgte, wird heutzutage nicht ausschließlich für den eigenen Konsum erzeugt. Vielmehr findet zunehmend eine Zerlegung der einzelnen Wertschöpfungsstufen statt, sodass eine Spezialisierung mit einhergehenden Kostenvorteilen entsteht.74 Gerade mit dem vorherrschenden kapitalorientierten Wirtschaftssystem liegt folglich ein großes ineinander verflochtenes Netzwerk vor.75 Einige unterscheiden in diesem Zusammenhang sogar drei Zonen, nämlich Zentrum, Semiperipherie und Peripherie.76 Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen soll das Zentrum über den Export von Industrie- sowie den Import von Agrarprodukten und die Peripherie durch umgekehrten Ex- und Import gekennzeichnet sein. Die Semiperipherie bilde einen Übergangs- bzw. Vermittlerbereich zwischen den beiden anderen Zonen. Die Vernetzung ist allerdings nicht auf die internationale Wirtschaft begrenzt. Selbst in einem Hochindustrieland wie Deutschland gibt es Gebiete mit hoher Industrieproduktion und andere ländliche Gegenden mit einem hohen Anteil an der Urproduktion. Zusätzlich zur lokalen Teilung der verschiedenen Produktionen kann auch eine Aufspaltung der einzelnen Herstellungsstufen eines bestimmten Produktes festgestellt werden. Was mit der Just-in-time-Lieferung seinen Anfang nahm und sich über die Auslagerung ganzer Betriebsteile77 erstreckte, ist heute die externe Dienstleistung. Die Dienstleistung lässt sich dabei in allen Bereichen und Ebenen Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 359, 362. Deakin, KritV 2006, 150. 73  Cezanne, S. 2 ff. 74  Baßeler/Heinrich/Utecht, S. 22. 75  Schmidt/Wittek, in: Netzwerkanalyse Ethnologische Perspektiven, S. 185 ff. 76  Hopkins/Wallerstein, in: Kapitalistische Weltökonomie, S. 151, 152, 156. 77  Vgl. bspw. Blöse, S. 1 ff.; Bravard/Morgan, S. 1. 71 

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1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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eines Betriebes finden. Sie beginnt bei der Beschäftigung von Leiharbeitern in der Produktion und reicht bis zur Strategieberatung der Unternehmensleitung. Demzufolge durchzieht eine vielfältige Netzwerkorientierung mittlerweile alle Branchen und Funktionsbereiche.

II.  Definition von Wirtschaftsnetzwerken Mit der Arbeitsteilung, speziell im Fall der Aufgliederung der Wertschöpfungskette, können zwischen den beteiligten Akteuren besondere Verbindungen entstehen. Vielfach werden Beziehungen als wirtschaftliches Netzwerk qualifiziert, falls die formal unabhängigen Akteure bzw. Wirtschaftssubjekte deutlich kooperativer zusammenarbeiten, als dies für eine herkömmliche Austauschbeziehung der Fall ist.78 Unternehmensextern liegt ein solches (Organisations-)Wirtschaftsnetzwerk etwa dann vor, wenn ein Lieferant das Lager des Abnehmers bewirtschaftet oder die Produktentwicklung unter Einbeziehung des Abnehmers geschieht.79 Diese Beschreibung zeigt, dass im Vergleich zu rein kooperativen Marktbeziehungen der Schwerpunkt weniger auf dem Wettbewerb als vielmehr auf der Kooperation liegt. In Abgrenzung zu hierarchischen Koordinationen zeichnen sich Netzwerke vorwiegend durch vom Markt vorgegebene Flexibilität und Einsatzbereitschaft aus.80 Vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit der Markt (d. h. Fremdfertigung) und die Hierarchie (d. h. Eigenfertigung) als alternative Kooperationsformen angesehen wurden,81 soll sich die Netzwerkinstitution zwischen beiden Bereichen befinden. Im eben genannten Fall der Produktentwicklung verdeutlicht dies, dass der Lieferant den Kunden in seine Leistungserstellung einbezieht, so die Probleme des Kunden löst und damit im Idealfall eine verbesserte Marktstellung erlangt. Die Leistung wird folglich nicht mehr herkömmlich allein im Unternehmen erstellt und später dem Kunden übergeben, sondern sie entsteht aus der Zusammenarbeit beider Seiten.82

III.  Sinn und Zweck von Wirtschaftsnetzwerken Eine zunehmende Bedeutung erlangt die wirtschaftliche Netzwerkorientierung bei der Unternehmensorganisation. Nach wohl überwiegender Auffassung gelten Unternehmen als erfolgreicher, wenn sie auf Netzwerke setzen. Netzwerke sind dabei innerhalb von Organisationen bzw. Unternehmungen genauso zu verorten Siebert, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 8. Sieber, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 215, 225 f. 80  Siebert, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 10. 81 Vgl. Williamson, S. 4 m. w. N. (vor dem Hintergrund der Transaktionskosten bei den verschiedenen Organisationsformen); Reiß, Die Unternehmung 50 (1996), 195; Semlinger, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 29, 42 f.; kritisch Deakin, KritV 2006, 150, 152. 82 Vgl. Lange, S. 36 f., 41 ff., 54 ff. 78 

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§ 3  Netzwerke in der Wirtschaftswissenschaft

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wie zwischen ihnen.83 Durch den Austausch von materiellen und immateriellen Ressourcen sollen auf schnellem Wege konkrete Aufgaben gemeinsam besser gelöst werden als mit herkömmlicher hierarchischer Arbeitsweise.84 Die Bestimmung von Netzwerken besteht dabei in der Sammlung von Informationen innerhalb und über die Grenzen von Organisationen hinweg, der Verbreitung von Sichtweisen, der Erzielung eines Konsenses sowie der Ausübung von Einfluss.85 Während sich Unternehmen früher auf die Verbesserung von materiell-technischen Betriebsmitteln konzentrierten, rücken heute verstärkt immaterielle Wettbewerbsfaktoren auf. Hinzu kommt, dass größere und technologieintensivere Unternehmen mehr Forschung und Entwicklung betreiben müssen, um ihre Position halten zu können, was zunehmend schwerer fällt. Als ein weiterer wesentlicher Sinn und Zweck von Netzwerken gilt also die Gewinnung von Wissen. Dieses Wissen kann in erlernten handwerklichen Fähigkeiten oder in anderen Formen von intellektuellem Kapital bestehen. Viele Bereiche im heutigen Wirtschaftsleben benötigen zudem weniger physische Ressourcen, jedoch umso mehr Know-how, sodass ein gesteigertes Bedürfnis an letzterem vorherrscht. Dabei genügt nicht nur die detaillierte Bildung für die eigene Ausführung. Stattdessen ist ferner das Wissen über die Kenntnisse der beteiligten Personen vor und nach der eigenen Tätigkeit erforderlich. Dieses Wissen kann allerdings nicht beliebig erworben werden. Erst recht gibt es keine Möglichkeit der Anordnung durch Vorgesetzte oder andere Autoritäten. Vielmehr sind Fähigkeiten in Menschen gebunden, die sie mitunter durch jahrelange Erziehung, Ausbildung und Erfahrung erworben haben. Diese Talente sind nur begrenzt verfügbar und meist gebunden bzw. bindungsunwillig, weil sie regelmäßig selbstständig genügend Aufträge bekommen können.86 Auch die wachsenden Flexibilitätsanforderungen von Kundenseite, bis hin zur Einbeziehung der Kunden in die Entwicklung,87 und der größere Wettbewerb machen es erforderlich, die Organisation anzupassen.88 Speziell die Nachfrage auf dem Markt bestimmt, was produziert wird. Auf dem Markt können allerdings nur diejenigen Anbieter bessere Preise erzielen, die mit innovativen und qualitativ hochwertigen Produkten die Bedürfnisse der Nachfrager am besten befriedigen.89 Gleichzeitig verursachen solche Produkte jedoch eine erhöhte Kostenlast. Diese Tatsache und die Entwicklungen der Wettbewerber zwingen die Unternehmen wiederum, innerhalb kurzer Zeit in hohen Stückzahlen zu produzieren. Wegen der Komplexität vieler neu entwickelter Produkte reicht jedoch oft die eigene Kompetenz nicht aus und es werden weiterhin zur Kostensenkung ein- oder wechselseitiSydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 375. Charan, Harvard Business manager 3/1992, S. 105, 113. 85  Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 359, 362. 86  Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 252 ff. 87  Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 375 ff. 88  Aderhold, S. 149 f. 89  Siebert, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 15 ff. 83 

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ge Beziehungen eingegangen, um das erwähnte fehlende Know-how sowie materielle Ressourcen zu gewinnen. In zeitlicher Hinsicht ist darüber hinaus ebenso eine kurzfristige Lieferung erforderlich, um den entstehenden Wettbewerbsvorteil nicht nachträglich zu verringern. Als Schlüssel gilt die Nutzung von überbetrieblichen Produktionszusammenhängen. Neben strategischen und dynamischen Netzwerken sollen gerade die mit einem hohen Verbindlichkeitsgrad ausgestatteten Produktionsnetzwerke eine zwischen den herkömmlichen Produktionsabläufen liegende Rationalisierungsmaßnahme bilden.90 Dies verdeutlicht, dass auch Geschwindigkeit eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Netzwerken spielt. Im Ergebnis führt die Umsetzung eines solchen Netzwerkkonzepts zu einer strategischen Neuausrichtung des Unternehmens, an deren Ende die Spezialisierung steht.91

IV.  Vorteile von Wirtschaftsnetzwerken Mit der netzwerkorientierten Zusammenarbeit von Wirtschaftssubjekten sind viele Vorteile verbunden.92 Wird das Netzwerkkonzept richtig umgesetzt, kommt es primär aufgrund der Spezialisierung zu Effizienzsteigerungen.93 Gerade die Kompetenzbündelung führt in einem Netzwerk dazu, dass die Ausübung der Tätigkeit nur durch den erfolgt, der die Aufgabe am besten ausführen kann. Sofern keine anderen Präferenzen bestehen, herrscht ein Elitenprinzip, sodass nur die Fähigsten auf dem jeweiligen Gebiet als (Netzwerk-)Partner zusammenarbeiten.94 Zudem können Effizienzsteigerungen durch die Verbindung zu neuen Unternehmen entstehen, wenn etwa der neue Akteur bestimmte Kompetenzen besser ausübt als bisherige Netzwerkpartner. Meist führt im Bereich der Entwicklung beispielsweise wegen der Nutzungsmöglichkeit von (Grundlagen-)Wissen die Verbindung zu einem in dem gesuchten Bereich forschenden Akteur schneller zum Erfolg als der Aufbau einer eigenen Abteilung. Ein weiterer Vorteil liegt im Flexibilitätspotential. Die Konzentration auf die Kernkompetenz führt zum Freiwerden von technischen, organisatorischen und personellen Unternehmensressourcen.95 Zum einen kommt es zu einer geringeren Bindung von Betriebsmitteln und Fachkräften für Nebenarbeiten und zum anderen bleiben die in diesen Randbereichen verwendeten finanziellen Mittel mitunter für andere (Haupt-)Zwecke frei verfügbar. Der Abbau doppelter Kompetenzen und Kapazitäten erspart also meist hohe Gemeinkostenumlagen auf das Endprodukt, sodass dieses günstiger angeboten werden kann. Durch die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Arbeiten entsteht ferner ein Gewinn an Bieber, in: ArBYTE Modernisierung der Industriesoziologie?, S. 271. Aderhold, S. 151. 92  Teubner, S. 37 ff. 93 Vgl. Hergenröder, RdA 2007, 218, 219. 94  Reiß, Die Unternehmung 50 (1996), 195, 198. 95  Sydow, Strategische Netzwerke, S. 110. 90  91 

§ 3  Netzwerke in der Wirtschaftswissenschaft

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Handlungsautonomie.96 Unternehmerische Flexibilität ist dabei nicht auf den gegenwärtigen Moment im Sinne von Improvisieren begrenzt. Vielmehr drückt es alle zukunftsgerichteten Überlegungen aus, die der „langfristigen Schaffung und Sicherung von Handlungsspielräumen zur Begegnung von Risiken und Wahrnehmung von Chancen“ dienen.97 Die Begrenzung des Handlungsbereichs verwirklicht demnach eine sachgerechte Risikoverteilung, weil potentielle Probleme je nach Kernkompetenzbereich am ehesten beherrschbar sind. Darüber hinaus verdeutlicht die Betrachtung, dass eine sinnvolle Beschränkung der Unternehmenstätigkeit nicht nur vor Gefahren schützen kann, sondern ebenso der Verwirklichung von ökonomischen Chancen dient. Nur durch ausbaufähige Handlungsmöglichkeiten sind unerwartet auftretende Geschäftsmöglichkeiten konsequent aufgreifbar, sodass außerplanmäßiger Gewinn nicht entgeht. Zusätzliche Vorteile werden der Abschöpfungsmöglichkeit von Regelungsarbitragen und dem Ausgleich von Beschäftigungsschwankungen zugeschrieben. Sind beispielsweise an einem Netzwerkverbund mehrere Unternehmen im Anwendungsbereich verschiedener Tarifverträge mit ungleichen Entgeltvereinbarungen beteiligt, erlaubt dies die Abschöpfung von Regelungsarbitragen bei der Fertigungsverlagerung.98 Entsprechendes gilt im Fall von Beschäftigungsschwankungen innerhalb eines Netzwerkes.99 Diese Auffangfunktion zeigt sich etwa bei Aufträgen, die die Kapazitätsleistung eines Netzwerkpartners überschreiten, sowie im Fall von defekten Betriebsmitteln. Durch die Kooperation der Unternehmer in einem Netzwerk entstehen noch weitere Chancen. Jeder Beteiligte lernt beispielsweise aufgrund der gemeinsamen Aktivitäten die (Kern-)Kompetenz des anderen kennen (sogenanntes interorganisationales Lernen) und kann daraufhin die Fähigkeiten des Netzwerkpartners sowohl besser einschätzen als auch gezielter nutzen. Infolgedessen erwächst den Personen wertvolles Prozesswissen, welches wiederum bei einer Zusammenarbeit eine wirksamere Abstimmung mit dem eigenen Handeln ermöglicht.100 Daneben führen die im Zuge von Spezialisierungen geschaffenen Handlungsmöglichkeiten zu Innovationen. Vielfach kommen neue Technologien und Maschinen mit einem höheren Automatisierungsgrad zum Einsatz, um entsprechende Freiräume zu gewinnen.101 Ein weiterer potentieller Vorteil bei wirtschaftlichen Netzwerken ist das Vertrauen der Akteure untereinander. Ein kooperatives Verhalten in dem Sinne bedeutet, dass jeder Beteiligte die Gewissheit hat, dass eine den Geschäftspartner betreffende Frage so geregelt wird, als ob es seine eigene wäre. Die Ziele des UnHauschildt/Leker, ZfbF 42 (1992), 963, 965. Meffert, ZfbF 37 (1985), 121, 122. 98  Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 388. 99  Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, S. 270. 100  Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 240 f. 101  Sydow, Strategische Netzwerke, S. 110. 96 

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ternehmensnetzwerkes müssen also mit den Zielen der beteiligten Unternehmen kompatibel sein. Als Folge dieser Prämisse sollen alle erfolgsrelevanten Informationen dem betreffenden Akteur zur Verfügung gestellt und keinesfalls eigene Vorteile auf Kosten von Partnerunternehmen realisiert werden. Weil sich daraufhin die Netzwerkunternehmen keines Missbrauchs innerhalb des Verbundes sicher sein können (eine Art blindes Vertrauen102), bedarf es zudem keiner zeitintensiven und kostenerhöhenden Schutzmaßnahmen. Dieser Schutz, beispielsweise vor Ideenabfluss oder Finanzierungsschwierigkeiten, führt wiederum zu Wettbewerbsvorteilen.103 Die Kenntnis und verlässliche Erreichbarkeit der Netzwerkpartner untereinander senkt zudem die Koordinierungskosten (zum Beispiel Such-, Informations-, Entscheidungs- und Kontrollkosten)104 der Personen. Sobald sich zukünftige Beziehungen anbahnen, also Vertrauen entsteht, steigt ferner die Bereitschaft der Beteiligten zur Kooperation und zur Reglementierung von unkooperativen Akteuren. Eine Beeinflussung erfährt das Vertrauen außerdem durch die Gleichheit und Reputation der Akteure. Je mehr diese auf gemeinsame positive Erfahrungen aufbauen können, desto harmonischer ist die Zusammenarbeit. Ebenso hat eine qualitativ hochwertige Tätigkeit vorteilhafte Auswirkungen bei wiederholter Zusammenarbeit.105 Mit der Reduzierung des opportunistischen Verhaltens erfolgen auch eine Förderung des Wissensaustauschs und die Entstehung neuer Ideen.106 Im Vergleich zur vollständigen Eingliederung eines Unternehmens in ein anderes behält ein Netzwerkakteur regelmäßig seine rechtliche Selbstständigkeit. Aufgrund dessen kann jedes Unternehmen seinen Aktionspartner selbst frei wählen. Dies hat den Vorteil, dass Vertrauen nachträglich weniger missbraucht wird, weil wettbewerbliche Leistungsanreize grundsätzlich gewahrt bleiben.107 Die weniger intensive Verbindung zwischen Netzwerkunternehmen ermöglicht es also flexibel auf variable Ressourcen und unsichere Umgebungen zu reagieren. Eine partnerschaftliche Netzwerkbeziehung ist zudem kostengünstiger und im Fall der Inkompatibilität oder bei Zweckerreichung leichter umkehrbar als etwa eine Fusion der beiden Akteure. Wie eben gesehen, hat die relativ gute Anpassungsfähigkeit von Netzwerken positives Potential. Manche behaupten sogar, dass der Grund für Flexibilität, an deren Reaktionsende meistens die Schaffung neuer Verbindungen steht, in der besonderen Eignung von Netzwerken zur Informationsverbreitung und Interpretation liege. Werde der Umgang mit Informationen im Netzwerk mit dem im Markt und Hierarchie verglichen, soll in letzteren beiden höchstens eine Form der VerarbeiReiß, Die Unternehmung 50 (1996), 195, 203. Siebert, Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 12. 104  Aderhold, S. 161. 105  Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 255 f. 106  Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 9 f. 107  Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, S. 270. 102  103 

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tung ohne Deutung stattfinden. Die Kontrolle der Informationen im Markt und der Hierarchie verhindere eine Interpretation auf der Grundlage von Erfahrungen.108 Hinzu kommt bei vernetzten Unternehmen, dass sie trotz ihrer Selbstständigkeit nach außen als ein (Gesamt-)Unternehmen auftreten können. Neben den Bereichen Forschung, Entwicklung und Produktion kann dieses Auftreten besonders im Bereich der Materialbeschaffung erhebliche Kosteneinsparungen zur Folge haben. Aufgrund des erhöhten Nachfragevolumens und des umfassenderen Angebots erhalten die Unternehmen Zugang zu Ressourcen und Märkten, die jeder für sich unter Umständen nicht erschließen könnte.109 Daneben entstehen wegen der Nachfragebündelung Kostenvorteile in Form von Mengenrabatten.110 Wie im letzteren Punkt deutlich wurde, fördern Netzwerke überdies die Wettbewerbsfähigkeit von kleineren Firmen. Gerade diese Chance eröffnet den Firmen zudem die Möglichkeit, Nachteile von Großunternehmen zu vermeiden. Gleichzeitig ermöglicht die wirtschaftliche Netzwerkstruktur, die Schwächen von Großunternehmen zu vermeiden. Fällt es doch Großorganisationen schwerer auf Wettbewerbsänderungen im Markt schnell zu reagieren, zumal gegenüber Innovationen, die zu Veränderungen in der Produktion oder gar zu anderen Produkten führen, mit Ablehnung reagiert wird. Die Stärke großer Organisationen liegt also grundsätzlich in der Wiederholung gleichmäßiger Abläufe. Ändern sich allerdings die Umweltbedingungen, wandeln sich die einstigen Stärken zu Schwächen und es entsteht oft Unzufriedenheit bei den Kunden sowie den anpassungsfähigen Beteiligten. So ist die Verkleinerung der Organisationen in manchen Wirtschaftsbereichen nicht verwunderlich. Ein untersuchtes Beispiel dafür bildet etwa die italienische Textilindustrie, die verstärkt auf kleineren Unternehmen aufbaut.111

V.  Nachteile von Wirtschaftsnetzwerken Auch bei netzwerkorientierten Handlungen im wirtschaftlichen Bereich gibt es potentielle Nachteile. So lassen sich aus jeder oben genannten Chance Risiken ableiten, die sich verstärken, wenn Beteiligte nur ihre eigenen Vorteile verfolgen. Beschränkt sich beispielsweise ein Unternehmen auf bestimmte Fertigungsbereiche, entsteht die Gefahr von Abhängigkeiten. Ein hoher Spezialisierungsgrad kann zur Folge haben, dass Produkte allein nicht mehr marktfähig sind, weil etwa nur Komplettlösungen nachgefragt werden. Die Konzentration auf die Kernkompetenz führt also zu einer Gesamt- bzw. Gruppenkompetenz. Kein einzelner Akteur ist wiederum in der Lage, die Kompetenzen von allen Netzwerkakteuren in kurzer Zeit bereitzustellen, sodass ein latenter Zwang auf jeden einzelnen Betei-

Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 255. Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 388. 110  Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 9. 111  Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 245 f. 108 

109 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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ligten herrscht.112 Die aufgrund der Spezialisierung herausgearbeitete Kernkompetenz bewirkt trotz des möglichen internen Wissensaustausches zudem in der Regel eine relative Detailunwissenheit in den übrigen Bereichen. Kommt es dann zu Problemen beim Netzwerkprodukt, kann dies zu gegenseitigem Misstrauen führen. Konsequenzen dieses Argwohns können Risikoabschläge beim Einkauf der übrigen Komponenten ohne Unterscheidung nach Qualität der Produkte und Dienstleistungen sein. Im Endeffekt führt eine solche Vorgehensweise meistens zur Verschlechterung sogar der qualitativ höherwertigen Zulieferprodukte, weil selbst diese Hersteller zu kostengünstigeren Produktionsprozessen genötigt werden.113 Nicht auszuschließen sind Probleme im Rahmen der Aufgaben- und Risikoverteilung auch infolge einer Zurechnung von Verantwortlichkeiten, wenn etwa nach außen ein Netzwerkunternehmen für die Schadensverursachung eines anderen Netzwerkbeteiligten haften muss. Außerdem kann diese Art der Arbeitsteilung zu den am Netzwerk beteiligten Unternehmen eine Ressourcenabhängigkeit begründen. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn Gebäude, Fahrzeuge, Maschinen, Mitarbeiter oder Ein- und Verkauf an Netzwerkpartner ausgelagert wurden und das auslagernde Unternehmen auf die Nutzung dieser Produktionsmittel, Arbeitskräfte und Beziehungen angewiesen ist.114 Zudem vermittelt den beteiligten Akteuren allein die Netzwerkverbindung im Vergleich zu klassischen Vertragsformen geringe materielle und soziale Sicherheiten.115 Die vorrangige nachfragebedingte Leistungsorientierung mit entsprechenden punktuellen Verträgen berücksichtigt beispielsweise bei einem Subunternehmer bestehend aus einem Mann weniger die schutzbedürftige Situation des Vertragspartners als ein Arbeitsvertrag. Als größte Gefahr in einem solchen Verbund muss jedoch die mitunter vorherrschende Offenheit des Netzwerkes angesehen werden. Gerade im wirtschaftlichen Bereich ist Planungssicherheit erforderlich, um die langfristigen Dispositionen erwirtschaften zu können. Der Umstand einer heterogenen Mitgliederstruktur kann aber dazu führen, dass einzelne Akteure ihre Verpflichtung gegenüber anderen nicht so ernst nehmen, als es erforderlich wäre, ganz ausfallen oder ihre Stellung als Drohkulisse gegenüber den anderen Beteiligten ausnutzen. Zudem besteht die Möglichkeit der Teilhabe von neuen Akteuren am Netzwerk mit der Folge eines gewissen Binnendrucks auf die übrigen Netzwerkpartner. Schon der Umstand einer solchen Gefahr führt zu Planungsunsicherheiten und verhindert regelmäßig notwendige Investitionen. Insofern hat eine Einbuße der strategischen Autonomie auch Nachteile. Die Offenheit des Netzwerkes birgt zudem die Gefahr des unkontrollierten Wissensabflusses.116 Sieber, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 215, 220. Siebert, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 20. 114  Aderhold, S. 153. 115  Reiß, Die Unternehmung 50 (1996), 195, 200. 116 Vgl. Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 387 ff. 112  113 

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Bei aller Freude über eine besondere Form der Zusammenarbeit, darf freilich nicht außer Acht bleiben, dass sich die Aktivität für beide Seiten lohnen muss. Werden Produkte ausschließlich für den Abnehmer entwickelt und ohne nutzbare Synergieeffekte produziert, sind die Kosten in der Regel nicht niedriger als bei dessen Selbstanfertigung.117 Die Netzwerkorientierung führt also nicht automatisch zu Erfolgen. Einen weiteren Nachteil von Netzwerken sieht die Literatur darin, dass Innovationen aufgrund der Abhängigkeit zu bestimmten Abnehmern nicht so hoch vergütet werden wie auf dem freien Markt. Ferner können Exklusivitätsvereinbarungen einer Gewinnmaximierung entgegenwirken und damit Kapitalreserven für absatzschwache Zeiten verhindern. Insbesondere in der automobilen Zulieferindustrie kommt es vielfach zu keinem garantierten Abnahmevolumen, sondern nur zu einer Quote vom eigenen Bedarf.118 Für den Zulieferer erwächst daraus die Gefahr, dass sich seine getätigten Investitionen nicht amortisieren. Teilweise kaufen die Abnehmer obendrein die für den Auftrag benötigten Investitionsgüter auch selbst. Die Zulieferer verstehen dies jedoch als Verstärkung der Drohkulisse ihnen gegenüber, da dies den Abnehmern infolge der Inhaberschaft über die Produktionsmittel noch schneller und einfacher den Zuliefererwechsel ermöglicht.119 Netzwerke erhalten ihre Kraft durch viele und unterschiedliche Mitglieder. Wächst die Anzahl oder auch die Vielfalt der Beteiligten, führt dies regelmäßig zu erhöhten Koordinationskosten. Außerdem erschwert eine solche Entwicklung die strategische Steuerung der einzelnen Beteiligten, weil ein Konsens von mehr Akteuren getragen werden muss. Unter Umständen kann dieser Prozess besonders bei Netzwerkmitgliedern mit ähnlicher Kernkompetenz bis zu einem Verlust des ursprünglich angestrebten Tätigkeitsschwerpunktes führen.120 Gefährlich an Wirtschaftsnetzwerken ist auch die Abschottungstendenz. Mit der Kooperation von verschiedenen Unternehmen geht zum einen die Ausgrenzung von unbeteiligten Firmen einher. Zum anderen können gegenseitige Absprachen zwischen den Netzwerkunternehmen getroffen werden, um Marktmacht auszuüben. Gerade letztere Besorgnis veranlasste verschiedene Länder schon früh zu strengen Anti-Kartellgesetzen. Sie befürchteten eine Einschränkung des Wettbewerbs infolge von Monopolbildungen der Netzwerkunternehmen. Was in der Vergangenheit noch sinnvoll erschien, ist heute allerdings nur noch bedingt nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund der globalen Weltwirtschaft sind nationale Monopole kaum noch denkbar. Vielmehr benachteiligen die Beschränkungen bei der Zusammenarbeit die inländischen Firmen, weil sie an kollektiver Forschung und Entwicklung gehindert sind.121 Semlinger, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 29, 44. Baur, S. 196 ff. 119  Semlinger, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 29, 59. 120  Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 389. 121  Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 244. 117 

118 

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VI.  Lösungsmöglichkeiten von Netzwerknachteilen Zur Vermeidung von wirtschaftsnetzwerkbedingten Nachteilen werden einige Vorsichtsmaßnahmen empfohlen. Hierbei sind vordergründig gegenseitige Annäherungen, systematische Einflussnahmen und wechselseitige Abhängigkeiten zu nennen.122 1.  Einzelne Lösungsansätze a) Verhaltensregeln Für die gegenseitige Annäherung bzw. Beeinflussung scheint die Aufstellung von Verhaltensregeln am besten geeignet zu sein. Zu den Regeln sollte beispielsweise die Beachtung von gegenseitiger Nichtausbeutung, der Ausschluss von Konkurrenz zwischen den Netzwerkfirmen, eine gegenseitige Bevorzugung gegenüber Dritten bei Abschlüssen gleichwertiger Verträge untereinander, die Gewährleistung von Flexibilität bei Geschäftsabschlüssen mit externen Firmen, die jederzeitige Eintrittsmöglichkeit neuer Netzwerkfirmen, die Zusicherung des Austritts und der Ausschluss des Netzwerkunternehmers bei Nichtbeachtung der Regeln gehören.123 Ebenso ist die Verabredung von Zielen und Werten zwischen den Netzwerkpartnern zu nennen.124 Zum Spektrum dieser Ziele zählen etwa einheitliche Standards für Liefertermine, Preisgestaltung, Qualitätsanforderungen und im weiteren Sinne die Wesensbestimmung des Netzwerkes. b)  Aufbau einer kooperativen Kompetenz Einen konkreten Lösungsansatz für das Gelingen eines Netzwerkes bietet ferner der Aufbau einer kooperativen Kompetenz. Erforderlich sind dazu beziehungsspezifische Investitionen in das Netzwerk, die Umsetzung gemeinsamer Lernroutinen, der Austausch komplementärer Ressourcen und die Installation einer sogenannten Netzwerk-Governance.125 Als beziehungsspezifische Investition bezeichnet man die Spezialisierung jedes Netzwerkbeteiligten auf einzelne Leistungs- bzw. Wertschöpfungsstufen, die später mit den Fertigungsergebnissen aller zu einer Gesamtleistung des Netzwerkes zusammengefasst werden. Bei einer idealen Ergänzung entstehen Wettbewerbsvorteile. Spezialisierungen lassen sich auf vielfältigen Gebieten erreichen. Neben örtlicher Nähe, die zum Beispiel hilft Transportkosten zu sparen, ist auch eine Abstimmung der Produktionsanlagen und Mitarbeiter untereinander sehr vorteilhaft. Dies schafft ein Umfeld von hoher Qualität bei niedrigen Kosten. Reiß, Die Unternehmung 50 (1996), 195, 202 f. Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, S. 272 f. 124 Vgl. Enders/Wehner, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 295, 302 ff. 125  Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 19. 122  123 

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Weitere Wettbewerbsvorteile entwickeln sich bei einer gemeinsamen Lernroutine. Durch die Zusammenarbeit der Netzwerkakteure entsteht gleichzeitig ein Austausch von Wissen. Je selbstverständlicher dieses Wissen bereitgestellt, abgerufen und verarbeitet wird, desto leichter fallen Problemlösungen und neue Entwicklungen bilden sich heraus. Ebenso sollte bei den sonstigen Ressourcen ein Austausch zwischen den Netzwerkpartnern stattfinden, wenn sie sich ergänzen. Mit der Kumulation komplementärer Ressourcen kann ein gemeinsamer Nutzen hervorgehen, der größer ist als die Summe der einzelnen Erfolge. Unabhängig davon, ob strategische, organisationale oder sonstige Ressourcen geteilt werden, bleibt das Ziel die Generierung von Mehrwerten und Wettbewerbsvorteilen. Schließlich empfiehlt sich die Installierung einer Netzwerkführung für die Erzielung zusätzlicher Vorteile. Unter Führung verstehen die Ökonomen bei Netzwerken eine angemessene Koordination der relativ selbstständigen Netzwerkakteure. Durch ein zweckdienliches Management können infolge von Koordination die Kosten zusätzlich gesenkt und Vorteile, wie Effizienz, weiter ausgebaut werden. Eine Führung hat also die Aufgabe, das opportunistische Verhalten der einzelnen Netzwerkbeteiligten zugunsten der Netzwerkgemeinschaft zu begrenzen. Neben den Faktoren Geld, Macht und Wissen gilt die Schaffung von Vertrauen zwischen den Beteiligten als ein entscheidendes Kriterium für oder gegen ein Netzwerk.126 In Anbetracht der Art des Netzwerkes hat die Führung zudem die Aufgabe die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten gegebenenfalls mit Hilfe von Regeln den anderen Netzwerkakteuren bewusst zu machen und ihnen bei einer zielorientierten Lösung behilflich zu sein.127 Inkompatible Beteiligte stellen den Netzwerkerfolg infrage und sollten daher ausgeschlossen bleiben bzw. das Netzwerk verlassen. Je unterschiedlicher die Beteiligten sind, desto schwieriger gestaltet sich dieses Vorhaben. Neben konkurrierenden Privaten stellt sich vor allem eine Beteiligung öffentlicher Personen als herausfordernd dar. Öffentliche Stellen haben zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Aufgabenbeschreibung häufig einen anderen Erwartungshorizont und eine andere Arbeitsweise als private Marktteilnehmer. Eine leitende Netzwerkinstitution kann in solchen Fällen als Vermittler fungieren. Für eine erfolgreiche Vermittlung bedarf es weiterhin einer allseitigen Offenheit und der Fähigkeit jedes Betroffenen, seinen eigenen Standpunkt zu relativieren. Aufgrund der ständigen Entwicklung gilt es ebenso als unzureichend, die Regeln und Ziele des Netzwerkes und ihrer Beteiligten einmalig zu definieren. Vielmehr ist permanente Erneuerung erforderlich.128 Letzteres geschieht am effektivsten, wenn alle Netzwerkpartner aktiv am Entscheidungsprozess teilhaben. Hierbei sollte zudem Klarheit herrschen, dass auch über verbindliche und nicht nur informelle Kriterien Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 19. Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 392 ff.; Sydow, Strategische Netzwerke, S. 81 f. 128  Widuckel, in: Regionen und Netzwerke, S. 29, 30 ff. 126 

127 Vgl.

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eine Entscheidung erfolgt. Bei rein informellen Einigungen findet eine zu leichte Revidierbarkeit statt.129 c) Beteiligungen Weitere Möglichkeiten Nachteile zu minimieren, sind etwa überkreuzende Kapitalbeteiligungen zwischen Netzwerkfirmen oder Investitionen in ein gemeinsames Projekt. Durch die Bindung von Ressourcen entsteht eine Gemeinschaft, die auf die Verwirklichung eines beiderseitigen Ziels gerichtet ist. Dies schafft Vertrauen und verhindert einen spontanen Abbruch der Verbindung. Ebenso kommen eine einseitige Unternehmensbeteiligung oder andere finanzielle Vergünstigungen eines größeren Unternehmens an einer kleineren Firma in Betracht, wenn deren Innovativität gefördert oder gesichert werden soll. Um die Kreativität und Schnelligkeit der kleineren Firma zu erhalten, sollte die Unterstützung allerdings nach überwiegender Auffassung limitiert sein. Besonders Übernahmen oder andere als diktatorisch empfundene Maßnahmen wirken auf die Innovativität in der Regel kontraproduktiv.130 d) Ausschlussmöglichkeit Die aufgeführten Maßnahmen sind jedoch nicht unbeschränkt wirksam. Bei komplexen Netzwerken mit einer Vielzahl von Beziehungen ist eine dauerhafte Ausgewogenheit selbst mit entsprechenden Regeln kaum zu gewährleisten. Zudem kann ein Problem zwischen zwei Netzwerkakteuren auf andere Beteiligte übergreifen und das gesamte Netzwerk destabilisieren. Aus dem Grund wird als Lösung vielfach eine Ausschlussmöglichkeit auf demokratischer Grundlage gefordert.131 2.  Ausgewählte kritische Stimmen Manche Stimmen sehen die den Netzwerken zugesprochenen Vorteile kritisch. Probleme bereitet schon die Prämisse „dass eine dem Geschäftspartner betreffende Frage so geregelt wird, als ob es seine eigene wäre“. Neben der relativen Unbestimmtheit dieses Leitgedankens an sich seien besonders die Fähigkeiten und das Niveau des anderen Netzwerkpartners in der Regel nicht vollumfänglich bekannt. So könne beispielsweise der vom Partner aufgrund seiner begrenzten Kenntnisse als unwichtig empfundene Umstand beim ausführenden Akteur ein Dreh- und Angelpunkt sein. Dementsprechend wurde auch die Annahme, die Unternehmen primär als „korporative Akteure“ versteht, die in der Lage seien, „ziel- und gleichgerichtet“ zu agieren, ohne deren interne Verfolgung eigener Interessen zumindest theoretisch mit einzukalkulieren, kritisiert. Die gegenwärtigen Modelle ließen außer Acht, dass die Unternehmen alle für sich Informationen erfassen und Widuckel, in: Regionen und Netzwerke, S. 29, 36. Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 240. 131  Zum Ganzen Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, S. 272 f. 129  130 

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nach einer eigenen Logik verarbeiten würden. Zu beachten seien hierbei ferner die unterschiedlichen Wahrnehmungsstrukturen und Wirklichkeitskonstruktionen.132 Weiterhin bemängeln manche die Beurteilung des Netzwerkes vor dem Hintergrund eines idealen Marktes und einer einwandfreien Hierarchie, weil es diese Formen in der Realität nicht gebe. Im Wesentlichen erfülle kein Betrieb einen dieser Idealtypen, sodass alle Firmen Netzwerkunternehmen seien und im Endeffekt eine Unterscheidung sinnlos wäre.133 3. Fazit Im Ergebnis überzeugt die Kritik nicht. Einem Leitgedanken ist die Festlegung von Grundsätzen immanent, sodass die Umsetzung Sache des Einzelfalls bleibt. Insoweit verbietet sich eine detaillierte Formel, in der bestimmt wird, was als wichtig und unwichtig gilt, ob ein Akteur korporativ, einheitlich, geschlossen usw. agiert oder nicht. Zudem muss die Kritik an den Modellen von Markt und Hierarchie zurückgewiesen werden, da Modelle nur der Verdeutlichung von bestimmten Merkmalen dienen und insoweit keine abschließende Erklärung abliefern können. Im Zusammenhang mit den beiden Modellen Markt und Hierarchie liegt es nahe, einen erfolgreichen Marktteilnehmer als einen unfähigen Netzwerker und umgekehrt anzusehen. Im Markt herrscht schließlich die Strategie, die weitgehendste Forderung zu stellen, während im Netzwerk regelmäßig langfristige Verpflichtungen und Vertrauen das Ziel bilden. Setzten erfolgreiche Marktteilnehmer ihr Wesen im Netzwerk um, würden sie – bildlich ausgedrückt – als „kleinliche und nicht vertrauenswürdige Gauner“ angesehen und erfolgreiche Netzwerkakteure auf dem Markt als „naive und törichte“ Händler.134 Bei näherer Betrachtung ist aber auch diese These nicht haltbar. Auf dem Markt kommt ein Geschäft nur durch Angebot und Nachfrage zustande. Nimmt allerdings ein Anbieter seine Interessen übermäßig in Anspruch, erfolgt erst gar kein Geschäftsabschluss. Andererseits herrscht bei lebensnaher Betrachtung in einem Netzwerk auch keine völlige Harmonie. Schließlich befindet sich ein Netzwerk nicht in einer isolierten Welt und einzelne Akteure müssen unter Umständen sogar mit besseren Personen konkurrieren, sodass ein Binnendruck entsteht. Der Abnehmer wird demnach gegenüber dem verbunden Netzwerkzulieferer seine Interessen wie auf einem Markt geltend machen, wenn ein externer Zulieferer günstigere Produkte liefert, um nicht selbst Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Die Anpassung an den (externen) Wettbewerb gilt als eine der entscheidenden Faktoren für den Erfolg von Wirtschaftsclustern.135 Die Frage ist nur, wie opportunistisch die Durchsetzung der eigenen Interessen erfolgen muss. Von einmaligen (kleineren) Geschäften abgesehen, führt ebenso auf dem Markt eine übersteigerte Inanspruchnahme Pohlmann, in: Der Wandel der Wirtschaft, S. 263, 266 ff. Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 216 ff. 134  Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 222. 135  Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 10. 132 Vgl. 133 

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von eigenen Vorteilen dauerhaft zu einem schlechteren Ruf und damit zu weniger Umsatz. Im Übrigen können arglistige Täuschungen und Drohungen selbst bei einmaligen Geschäften Rückabwicklungen nach sich ziehen. Zustimmung verdient jedoch die These, dass der herkömmliche Markt im Vergleich zum Standardnetzwerk mehr koordiniert als integriert.136 Insoweit spielt sicher der zeitliche Umstand – Netzwerke sind oft auf Dauer angelegt – eine entscheidende Rolle.

VII.  Umsetzung der netzwerkbasierten Strategien Ein flexibles und netzwerkorientiertes Unternehmen zeichnet sich durch eine spezielle Unternehmensausrichtung, flache Hierarchien, partizipativen Führungsstil sowie den Einsatz von qualifiziertem Personal mit breit gefächertem Aufgabenzuschnitt aus. Gerade in Kleinbetrieben werden diese Merkmale am ehesten umgesetzt. Mit ihren kurzen Entscheidungswegen, der organisatorischen Nähe von Entscheidung und Aktion, dem Qualitätsniveau und dem breiten Aufgabenzuschnitt besitzen sie sowohl die nötige passive Beugsamkeit als auch die erforderliche aktive Beweglichkeit.137 Einige verneinen jedoch eine Gleichsetzung des Netzwerkes mit einem dezentral geführten Unternehmen. Im Unterschied zum Netzwerk könne die auf Autonomie organisationaler Subsysteme setzende Unternehmensführung jederzeit hierarchisch wieder zurückgenommen werden.138 Ebenso als kennzeichnend gilt der flexible Umgang mit dem Personalbestand. Hierzu zählt etwa die flexible Lohnpolitik. Nur eine anpassungsfähige Gestaltung der entgeltlichen Arbeitszeit ermöglicht es, den Druck auf das Unternehmen wegen verschlechterter Ertragslage zu kompensieren.139 Will das Unternehmen allerdings einen qualifizierten Personalbestand behalten, darf die flexible Lohngestaltung nicht nur Kürzung heißen. Vielmehr muss in ertragsstarken Zeiten ein Unternehmen die Leistungsträger auch am Erfolg teilhaben lassen. Eine weitere Herausforderung stellt die Weisungsgebundenheit der Mitarbeiter dar. So haben Großunternehmen bei Übernahmen und Mehrheitsbeteiligungen von kleineren Firmen mit späterer Eingliederung häufig die Erfahrung gemacht, dass der ursprünglich bestehende innovative Geist der assimilierten Firma verloren geht. Aus dieser Erfahrung lernend ist später die Erkenntnis entstanden, dass Flexibilität und Innovativität einen Raum für Entfaltung voraussetzen.140 Um Flexibilität auf der Personalebene zu gewährleisten, bedarf es also entsprechend dem obigen Erfahrungssatz eines Handlungsfreiraums auch für die Mitarbeiter. Dies gilt es bei der Erteilung von Weisungen zu berücksichtigen. Um Missbrauch wegen relativ unbestimmten Weisungen zuvorzukommen, empfiehlt sich jedoch die VerPowell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 222 ff. Semlinger, Internationales Gewerbearchiv 36 (1988), 229, 230 ff. 138  Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 388. 139  Aderhold, S. 153. 140  Sydow, Strategische Netzwerke, S. 111. 136  137 

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einbarung von Zielvorgaben. Auf diese Weise kann die nötige Elastizität für den Handlungsspielraum erhalten bleiben. Der Arbeitnehmer soll demzufolge quasi als „interner Unternehmer“ handeln. Ein gutes Beispiel für die Umsetzung dieser Vorgaben lässt sich im Verlagswesen finden. Hier geht der Trend zu persönlichen Beziehungen und individuellen Lösungen für die Autoren. Da dies besonders in großen Verlagshäusern problematisch ist, werden den einzelnen Editoren größere Freiräume eingeräumt. In diesen Bereichen können sie näher mit den Schriftstellern zusammenarbeiten und sich auf eigene Beurteilungen verlassen ohne die Zustimmung der Vorgesetzten einholen zu müssen. Teilweise gründen größere Häuser sogar Tochtergesellschaften, um eine individuellere Betreuung ihrer Autoren zu erreichen. Diese sogenannte „Boutique-Operation“ ermöglicht einerseits Intimität kleiner Gesellschaften ohne Komiteesitzungen und Bürokratie und andererseits durch das (Mutter-)Unternehmen bessere Voraussetzungen bei der Finanzierung, der Distribution, dem Verkauf und ähnlichem.141 Dass diese Ziele aber auch schon auf breiter Front in den Alltag Einzug gefunden haben, zeigt sich anhand der wachsenden Zahl von befristeten Arbeitsverträgen, Teilzeitarbeit, Personalüberlassungsverträgen, Verträgen mit hohem erfolgsabhängigen Vergütungsanteil und Verträgen mit Subunternehmern.

VIII.  Ökonomische Risikoverminderung auf der Grundlage von Netzwerken Vor allem bei der Auslagerung von riskanten aber dennoch benötigten Unternehmensbereichen können Netzwerkstrategien helfen, das Problempotential gering zu halten.142 In der Regel geschieht in so einem Fall die Umgestaltung in der Form, dass der Betrieb des betreffenden Unternehmensbereichs in einem selbstständigen Unternehmen mit finanzieller Beteiligung des Mutterunternehmens stattfindet. Um jedoch die Attraktivität und Überlebensfähigkeit, der im Mutter­unternehmen für zu risikoreich gehaltenen Einheit zu gewährleisten, wird dem Tochterunternehmen außerdem die Tätigkeit am Markt zugesichert. Gleichzeitig soll die Beteiligung aber auch Einflussmöglichkeiten garantieren. Das hierdurch entstehende Beziehungs- und Einflussgeflecht hilft damit Risiken auszulagern und gleichzeitig Geheimhaltungsprobleme zu vermeiden, die infolge der Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen entstehen können.

IX.  Arten von Unternehmensnetzwerken 1. Grundlegendes In letzter Zeit hat sich ein weitreichendes Spektrum von Unternehmensnetzwerken herausgebildet. Diese Entwicklung beruht vor allem auf den unterschiedli141  142 

Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 229. Meffert, ZfbF 37 (1985), 121, 122.

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chen Zielen und den verschiedenen Akteuren am Netzwerk. Gerade die rechtliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der involvierten Akteure führte zu diversen Kooperationsformen. Neben dem bereits erwähnten organisatorischen Netzwerk zwischen Herstellerfirma und Zulieferern sind auch andere Formen, wie Joint Ventures, überbetriebliche Forschungsvorhaben, Lizenzverträge, Kapitalbeteiligungen, Abnahmegarantien, Just-in-time-Lieferungen oder sonstige Allianzen mit strategischer, dauerhafter Ausrichtung anzuführen.143 Dies zeigt wiederum, dass jenseits von Markt und Hierarchie weitere Kooperationsmöglichkeiten existieren. Sie verbinden wettbewerbliche und unternehmenstypische Verhaltensweisen, indem sie auf der einen Seite sich auf die jeweilige Kernkompetenz konzentrieren und damit ihre Effizienz steigern und auf der anderen Seite den beteiligten Netzwerkpartnern Vertrauen entgegenbringen. Dies heißt aber nicht, dass überhaupt kein Wettbewerb zwischen den Beteiligten erfolgt. Vielmehr bedeutet Vertrauen insofern, dass keine Vorteilsrealisierung durch die Ausnutzung von Partnerunternehmen geschieht. Wegen der Netzwerkformen kommt es folglich zu einer Verfestigung alternativer Marktbeziehungen und zum Verschwimmen traditioneller Organisationsformen.144 Aus den Beispielen folgt, dass nicht ganze Unternehmen Teil des Netzwerkes sein müssen. Vielmehr genügt schon jede Kompetenzeinheit, so auch Betriebsteile etwa in Form von Forschungseinrichtungen. Selbst bei der Intensität der Kooperation werden nicht allzu hohe Anforderungen gestellt. Eine Kooperation soll sogar im Rahmen von strategischen Unternehmensnetzwerken zustande kommen. Zwar besteht hierbei regelmäßig ein Überunterordnungsverhältnis zwischen fokalen145 und den anderen beteiligten Unternehmen, dies aber immer vor dem Hintergrund einer angestrebten Besserstellung gegenüber nicht involvierten Unternehmen.146 2.  Ausgewählte Beispiele für Unternehmensnetzwerke a) Zulieferindustrie Als typisches Beispiel für ein Unternehmensnetzwerk führen viele die Automobilindustrie an. Hier arbeitet eine Vielzahl von Zulieferunternehmen mit dem nach außen auftretenden Automobilhersteller, wie VW oder BMW, zusammen. Selbst in dem Bereich der Zulieferer gibt es einige, die einzelne Teile liefern, und andere, welche die Hersteller mit ganzen Baugruppen versorgen und ihrerseits auf andere Zulieferer zurückgreifen. Während die Unternehmen sich in der Vergangenheit hauptsächlich auf dem Zuliefermarkt versorgten, geschieht dies heute immer öfter auf der Grundlage eines Zuliefernetzwerkes. Der Unterschied liegt darin, dass Siebert, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 9. Reiß, Die Unternehmung 50 (1996), 195, 196. 145  Fokale Unternehmen sind zentrale Unternehmen in einem strategischen Netzwerk, die insbesondere für die Auswahl von neuen Unternehmen, die Koordinierung und Evaluierung zuständig sind. 146  Aderhold, S. 156. 143 

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es auf dem Markt um den Besitzwechsel eines fertigen Produktes geht, während das Netzwerk auf eine enge Zusammenarbeit abzielt, die häufig schon in der Entwicklung beginnt. Wo es früher galt kurzfristig Zeit zu gewinnen, um Kapazitätsengpässe zu überbrücken, entwickelt heutzutage zunehmend der Zulieferer ein Produkt speziell für und nach den Wünschen des Abnehmers. Um Risiken möglichst ausschließen zu können, tätigen die Partner untereinander zum Teil sogar mehrmals täglich Informationsabfragen.147 Gemeinsames Ziel der Beteiligten ist dabei die Herstellung und Vermarktung eines wettbewerbsfähigen Produktes. Zur Erreichung dieses Ziels bestehen zwischen den Unternehmen eine Fülle von Verbindungen. In der Regel werden aus Kostengründen mitunter auch ganze Produkte gemeinsam entwickelt.148 b) Franchise Auch außerhalb der Automobilindustrie existieren eine Reihe von Unternehmensnetzwerken. Als häufig praktiziertes Beispiel für die Umsetzung wirtschaftlicher Netzwerke gilt das Franchisesystem. Der Franchisegeber erteilt dabei dem Franchisenehmer das Recht, ein bestimmtes Geschäftskonzept gegebenenfalls mit Marken(-namen) und Patenten nutzen zu dürfen.149 Als Gegenleistung muss der Franchisegeber ein Entgelt zahlen und bestimmte Regeln beachten. Besonders bekannte und erfolgreiche Franchisefirmen sind etwa McDonalds, Hallo Pizza, Benetton oder Fressnapf. Der Erfolg beruht im Wesentlichen auf den zuvor dargestellten Vorteilen von Netzwerken. Aufgrund vieler Franchisenehmer entstehen Mengenrabatte und Kostenvorteile beim Einkauf und bei sonstigen Ausgaben, wie zum Beispiel der Werbung.150 Trotz der rechtlichen Selbstständigkeit des Franchisegebers und der Franchisenehmer herrscht eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen allen Akteuren. Verkauft beispielsweise ein Franchisenehmer schlechte Produkte, geraten auch die anderen Franchisenehmer unter Verdacht, wenn sie ihre Produkte unter dem gleichen Namen anbieten. Ebenso bleibt der Franchisegeber in derartigen Fällen nicht unverschont. Früher oder später werden die Umsätze sinken und der Ruf leiden, was wiederum Rückschlüsse auf die Attraktivität der Lizenzen sowie auf das damit verbundene Entgelt hervorruft.151 c)  Finanz- und Versicherungsbranche Im Bereich der Finanz- und Versicherungsbranche zählt die MLP AG zu den besonders gelungenen Netzwerkunternehmen. Hier arbeiten über 700 rechtlich Semlinger, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 29, 40. Siebert, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 14. 149  Vgl. zur Franchisevereinbarung EG-Verordnung 4087/88 vom 30.11.1988, ABlEG L 359, S. 46. 150  Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Franchisegeber und -nehmer vergleiche beispielsweise Böhner, KritV 2006, 227, 229 ff. 151  Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, S. 260 ff. 147 

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selbstständige Vermittler in einzelnen Geschäftsstellen von circa 20 Personen unter Führung der MLP AG zusammen. Das Netzwerk wird einerseits aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit der Vermittler und zum anderen durch die organisatorische und wirtschaftliche Abhängigkeit von der MLP AG deutlich. Im Gegensatz zu anderen Finanzdienstleistern sind die einzelnen Vermittler nicht auf eine bestimmte Produktsparte, wie Altersvorsorge oder Unfallversicherung, spezialisiert. Vielmehr verkauft entsprechend der Vertriebsphilosophie ein Berater alle Produkte für eine bestimmte Personengruppe, also entweder Mediziner, Juristen oder Wirtschaftswissenschaftler. Um ein angemessenes Niveau zu gewährleisten, erhalten die MLP-Berater zudem von der MLP AG eine Schulung. Erst nach Absolvierung des spezifischen Bildungsprogramms, das in Abständen erneuert und erweitert werden muss, dürfen die Vermittler ihre Tätigkeit in dem jeweiligen Gebiet aufnehmen bzw. beibehalten. Die Abwicklung der vermittelten Verträge erfolgt schließlich über die MLP AG. Der Netzwerkcharakter dieser Organisation offenbart sich obendrein im Bereich der Wissensverwaltung. Neben der anfänglichen Schulungsphase sind neue Berater gehalten, mit erfahrenen Kollegen aus der Geschäftsstelle zusammenzuarbeiten, um zusätzlich zum arbeitsspezifischen Fachwissen auch eine soziale Integration in das Geschäftsstellenteam zu erhalten. Während herkömmliche Versicherungsberater mehr oder weniger nur Verkäufer sind, bezieht MLP seine fachlich bewährten Vermittler in die Entwicklung neuer Beratungs- und Produktkonzepte ein. So wird beispielsweise die Vorbereitung und Abhaltung von Schulungen zusätzlich zum eigenen verbesserten Zugang zu neuem Wissen auch mit Gratifikationen und verbesserten Aufstiegschancen innerhalb des MLP-Netzwerkes gefördert. Hiermit erklärt sich zudem, dass die MLP-Berater circa 80 Prozent ihres Neugeschäfts mit Produkten tätigen, die im MLP-Netzwerk eine Entwicklung und eine Abstimmung auf die jeweiligen Kundenprofile erfahren haben.152 Der Umgang mit Wissen, insbesondere die Einarbeitung bzw. Einführung der Berufsanfänger, zeigt, dass trotz rechtlicher Selbstständigkeit eine wechselseitige Kooperation innerhalb des MLP-Netzwerkes besteht. Neben der von vornherein organisierten Vernetzung zwischen der MLP AG, den Geschäftsstellen und einzelnen Berater bilden sich auch eine Reihe von Verbindungen zwischen letzteren und den Geschäftsstellen untereinander. Besonders beim Aufbau von Geschäftsstellen sieht selbst die zentrale MLP AG solche Patenschaften gern.153 d) Bauwirtschaft Sogar im handwerklichen Bereich wird schon seit längerer Zeit netzwerkorientiert gehandelt. Beispielsweise zeigen Untersuchungen im Baugewerbe eine dauerhafte Zusammenarbeit von bestimmten Generalunternehmern mit ausgewählten Subunternehmern. Die Arbeit ist mitunter so stabil, dass die Unternehmen prak152  153 

Sydow/van Well: in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 143, 148 ff. Sydow/van Well: in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 143, 172.

§ 3  Netzwerke in der Wirtschaftswissenschaft

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tisch als eine Art „Quasi-Firma“ auftreten. Als bemerkenswert gilt an der Tatsache, dass die Kooperationen trotz rechtlicher Selbstständigkeit der einzelnen Firmen und konkurrierender Angebote von anderen (Sub-)Unternehmen ohne hierarchische Organisation funktionieren.154 e) Medienwirtschaft Auch in anderen Wirtschaftsbereichen haben sich Netzwerke herausgebildet. Besonders in schnelllebigen Branchen entwickeln sich Netzwerke meist ohne das Bewusstsein der Akteure. In Musik- und Filmunternehmen schließen die Personen beispielsweise nur kurzfristige Verträge, weil die Finanzierung in der Regel lediglich für ein Projekt erfolgt. Demnach müssen die am Erfolg Beteiligten sehr mobil sein. Außerdem ist nicht jede Realisierung gewinnbringend, sodass es oft insolvenzbedingt zu Verwerfungen kommt. Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass es trotz der Unsicherheit und Dynamik eine beachtliche Stabilität in diesen Bereichen gibt. Zwar wechseln ständig die Studios und Produktionsfirmen, die dahinter stehenden Personen sind jedoch immer die gleichen. Auf der Grundlage von Vertrauen und Erfahrungen werden wiederholt zwischen den teilnehmenden Akteuren Verträge geschlossen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Auch in solchen Bereichen zeichnet sich also eine – wenn auch weitgehend unsichtbare – wirtschaftliche Netzwerkstruktur ab.155

X.  Weitere Berührungen von Wirtschaft und Netzwerken156 Neben der Verwendung von Netzwerken als Organisationsform macht sich die Wirtschaft (soziale) Netzwerkstrukturen ebenso in weiteren Bereichen zunutze. Zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen setzen beispielsweise Fachhändler auf den persönlichen Verkauf. Hierdurch sollen vorrangige Bindungen und Rückkopplungen zwischen den Vertragsparteien zustande kommen.157 Die Nutzung eines anderen Netzwerkes erfolgt bei Partyverkäufen. Bei solchen Feierlichkeiten lädt eine Privatperson Freunde und Bekannte zu einer Vertriebspräsentation nach Hause ein, in deren Anschluss diese Produkte verkauft werden.158 Im letzteren Beispiel nutzt der Verkäufer die sozialen Netzwerkstrukturen der veranstaltenden Privatperson, um (Kauf-)Verträge abzuschließen. Die gegenseitige Verflechtung von Akteuren spielt zudem in der Werbung eine große Rolle. Um Produkte oder Dienstleistungen abzusetzen, werden mit Personen Verträge geschlossen, die eine Art „Türöffner“ zur Zielgruppe des beworbenen Produktes sind. Diese Strategie verfolgen zum Eccles, Journal of Economic Behavior and Organization 2, 335 ff. Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 230 f. 156  Für weiterführende Anwendungen Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 415 ff. 157  Olbrich, S. 209. 158  Olbrich, S. 255. 154  155 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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Beispiel Designer, wenn sie mit Stars das Tragen ihrer Kleider vereinbaren. In dieselbe Kategorie fallen Auftritte anerkannter Experten als Verwender von bestimmten Produkten.159 In diesen Fällen soll zum einen eine Übertragung der Bekanntheit und Glaubwürdigkeit der Person auf das Produkt stattfinden. Zugleich nutzen die Beteiligten aber auch Verbindungen der bekannten Person, um Kontakte dieser für den Vertrieb des Produktes zu erschließen. Die bekannte und in der Regel vertraglich gebundene Person befindet sich also in einer Art Gatekeeperbzw. Maklerposition.

XI. Ergebnis Die Darstellung hat gezeigt, dass die Anlässe und Bedingungen, aus denen Netzwerke entstehen, sehr unterschiedlich sind. Selbst bei wirtschaftlichen Netzwerken gilt die Reduzierung der (kurzfristigen) Kosten nur als eine von vielen Ursachen. Neben den aufgezählten Vorteilen kommen ebenso politische bzw. lokale Gegebenheiten als Grund für eine Netzwerkorientierung infrage. Die japanische „Keiretsu“, eine Verbindung von Unternehmen anfänglich auf informeller Basis, hat sich etwa entwickelt, weil die alliierten Besatzungsmächte die Unternehmensholding in Form der „Zaibatsu“ aus der Zeit der Industrialisierung, eine Art Holdinggesellschaft im Familienbesitz, verboten hatten. In der nördlichen Zentralregion Italiens entstanden die Handelsgruppen kleinerer Unternehmen dagegen, weil gut ausgebildete Personen nur eingeschränkten Zugang zu Arbeitsstellen erhielten und so eigene Firmen gründeten. Die Beschränkungen sind bei letzterem Fall zum einen auf die Macht der Gewerkschaften und zum anderen auf die Rigidität der bestehenden Unternehmen zurückzuführen.160 Nicht zu übersehen ist jedoch die Häufigkeit von Netzwerken in der Wirtschaft in Bereichen mit intensivem Wettbewerb gepaart mit einer Form von Ressourcenknappheit, deren Aufbau nach Umbrüchen beginnt. Netzwerke sind also das Ergebnis von Anpassungen an historische, soziale und ökonomische Bedingungen.

§ 4  Netzwerke in der Politik I. Begriffsverständnis Ein weiteres bekanntes Feld von Netzwerken findet sich in der Politik. Während politische Entscheidungen auf den Bürger grundsätzlich den Eindruck machen, sie beruhten allein auf staatlicher Autorität, kann dies bei näherer Betrachtung jedoch nur noch mit Einschränkungen gelten. Netzwerke sind dabei vor allem in der Entstehungsphase von derartigen Entscheidungen gegeben und bestehen immer öfter 159  160 

Olbrich, S. 199. Powell, in: Organisation und Netzwerk, S. 213, 251.

§ 4  Netzwerke in der Politik

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aus staatlichen und privaten Akteuren. Im Rahmen der Politikwissenschaften wird unter (sozialen) Netzwerken „eine spezifische soziale Beziehung zwischen einer klar umrissenen Akteurszahl“ verstanden, die in der Regel bei der politischen Entscheidungsfindung vorzufinden ist.161

II.  Gründe für politische Netzwerke Die Ursachen für die Bildung von Netzwerken im politischen Bereich sind vielfältig. Einer der Hauptgründe liegt in den komplexen Sachverhalten, die die Erfahrungen und Fähigkeiten der befassten staatlichen Organe übersteigen. Des Weiteren trägt die Gesetzgebung zur Entstehung bei. Beispielsweise setzt schon das Baugesetzbuch bei bestimmten Bauplanungen die Beteiligung der Öffentlichkeit und die Mitwirkung von anderen staatlichen Stellen neben der Genehmigungsbehörde voraus (vgl. §§ 3 ff. BauGB). Aber auch bei sonstigen Gesetzen und Entscheidungen wird zum Teil Betroffenen die Möglichkeit zur Mitwirkung gegeben. Hinzu kommt, dass viele staatliche Beschlüsse einer Mehrheit bedürfen und die bestimmenden Stellen meist mit Vertretern verschiedener Interessengruppen besetzt sind. In der Regel verfügen diese Interessengruppen (zum Beispiel Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Ärztekammern) sogar über eine eigene Machtbasis. Dies baut sie zu beständigen und souveränen Akteuren auf, weil sie Problemlösungen ermöglichen bzw. einen solchen Eindruck erwecken.162 Im Ergebnis sollen damit tragfähige Demokratieentscheidungen zustande kommen.163

III. Anwendungsbeispiele Im politischen Bereich lassen sich an vielen Stellen Netzwerke finden. Organisatorisch beginnt dies schon beim Staatsaufbau. Bei genauerem Hinsehen ist auch in diesem Fall das Netzwerk die geeignetere Form der Wiedergabe. Der föderale Aufbau der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet zwischen Bund und Ländern. Die neben den verschiedenen Gesetzgebungszuständigkeiten teilweise bestehenden Zustimmungserfordernisse des mit Vertretern aus den Ländern besetzten Bundesrates zeigen exemplarisch die Verbindungen zwischen dem Bund und den einzelnen Ländern. Mit dem Zusammenwachsen von Europa wurden die nationalen Verbindungen ebenso durch solche zu Institutionen der Europäischen Gemeinschaft sowie zu den Gemeinschaftsmitgliedern erweitert.164 Darüber hinaus existieren ferner Netzwerkverbindungen in vielfältigen Formen sowohl zu den einzelnen Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaft als auch zwischen ihnen.

Aderhold, S. 135. Mayntz, Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 24 (1993), 39, 41. 163 Vgl. Winter, S. 348. 164  Aderhold, S. 137; a. A. Benz, in: Netzwerke und Politikproduktion, S. 185, 186. 161 

162 

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1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

Neben der Entstehung staatlicher Handlungen spielen politische Netzwerke auch bei der schon erwähnten Akzeptanz eine wichtige Rolle. Zwar ist die formale Entscheidung über einen staatlichen Hoheitsakt immer der jeweiligen staatlichen Stelle zugewiesen, jedoch müssen derartige Akte in der Öffentlichkeit eine gewisse Anerkennung erfahren, um langfristig Bestand zu haben.165 Ebenso bedürfen staatliche Entscheidungen in der Phase nach der Verabschiedung der Unterstützung von privaten Akteuren, wie beispielsweise Gewerkschaften, Kirchen oder anderen Organisationen, die Einfluss auf die breite Bevölkerungsmasse haben. Vor dem Hintergrund ist des Weiteren auf die Besonderheiten durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG hinzuweisen. Danach kann der Staat aufgrund eines Antrages einer Tarifvertragspartei unter bestimmten Voraussetzungen einen Tarifvertrag zudem für die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für anwendbar erklären, der infolge einer Aushandlung von nichtstaatlichen Vertragsparteien zustande kam. Ferner existieren in der Politik zahlreiche andere Netzwerke, insbesondere zwischenmenschliche Netzwerke auf persönlicher Ebene. Insoweit soll hier nur ein kurzer Einblick gegeben werden.

IV.  Bedeutung und Konsequenzen politischer Netzwerke Unabhängig davon, ob mangelhafte Kompetenz, gesetzliche Vorgabe oder andere Bedürfnisse ursächlich für das jeweilige Netzwerk in der Politik sind, kommen Entscheidungen mehr oder weniger aufgrund eines Aushandlungsprozesses zustande. Damit kann der Staat nicht mehr als alleiniger Akteur gelten.166 Aus dem Grund sehen viele diese Netzwerke als eine neue politische Entscheidungsform an, die hauptsächlich durch Verhandlungen zwischen gleichwertigen Akteuren eine Prägung erfahren hat.167 Im Gegensatz zu reinen Tauschbeziehungen sollen diese Aushandlungsprozesse obendrein nicht mit Akteuren besetzt sein, die rein egoistische Kosten-Nutzen-Motive verfolgen, sondern ein gemeinsames Resultat im Auge haben.168 Ebenso wie bei wirtschaftlichen Netzwerken wird auf eine Stellung der politischen Netzwerke zwischen Verträgen mit staatlicher Beteiligung und einseitiger hierarchischer Hoheitsentscheidung hingewiesen.169 Diese Handlungsform verwirkliche wiederum gleichzeitig die Vorteile von Markt und Hierarchie. Zum einen soll die Vielzahl der Beteiligten mit ihren Erfahrungen und Fähigkeiten die Winter, S. 348. Winter, S. 344. 167  Jansen/Schubert, in: Netzwerke und Politikproduktion, S. 9, 10. 168  Aderhold, S. 143 f. 169  Schneider/Kenis, in: Organisation und Netzwerk, S. 9, 17; a. A. Benz, in: Netzwerke und Politikproduktion, S. 185, der im Netzwerk nicht alle positiven Eigenschaften von Markt und Hierarchie verwirklicht sieht. Vielmehr seien Netzwerke auf bestimmte Leistungen spezialisiert, was zulasten anderer gehe. 165 Vgl.

166 Vgl.

§ 5  Netzwerke in der Geografie

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Ausgewogenheit und sonstigen Vorteile des Marktes ermöglichen und zum anderen könne die koordinierte Durchsetzung einer einmal getroffenen Entscheidung die Überlegenheit der Hierarchie erreichen. Gerade das Zusammenwirken von verschiedenen privaten und öffentlichen Akteuren schafft aber auch Probleme. Staatliche Aufgaben sind in der Regel an eine demokratische Legitimation gebunden. Werden diese Aufgaben allerdings teilweise oder ganz von (privaten) Dritten durchgeführt, kann die demokratische Legitimierung unterbrochen sein170 und es entfallen mitunter gesetzliche Zwangswirkungen. Beispielhaft sei insoweit auf das Wegfallen eines Anschluss- und Benutzungszwangs im Rahmen der Gemeindeordnungen verwiesen. Nehmen etwa private Betreiber im Rahmen eines Public-private-Partnership-Projekts die Abwasserentsorgung ohne hinreichende kommunale Einflussmöglichkeiten vor, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen hoheitlichen Zwang nicht gegeben.171 Probleme bereitet die Einflussnahme auf die demokratische Legitimierung ferner bei den oben erwähnten Gremien, die mit außerstaatlichen Vertretern besetzt sind und damit einer gewissen Abhängigkeit unterliegen. Darüber hinaus bestehen Legitimationsgefahren, wenn arbeitgebernahe oder gewerkschaftliche Berater für staatliche Stellen Konzepte erstellen, wie es beispielsweise bei der Ausarbeitung der Harz-IV-Gesetze der Fall war. Unter Umständen geht die Abhängigkeit sogar soweit, dass der staatlichen Stelle die Fähigkeit zur Beurteilung der komplexen Materie ganz fehlt und sie der externen Aufklärung zwingend bedarf.

§ 5  Netzwerke in der Geografie Ein weiterer ausgewählter Bereich, in dem Netzwerke Bedeutung erlangt haben, ist die Raumentwicklung in der planerischen Geografie. Strukturprobleme gepaart mit einer relativ guten Transparenz für die Bevölkerung zwingen selbst öffentliche Stellen immer mehr zu Veränderungen. Während früher etwa einzelne Unternehmen, Zentren, Projekte und deren Entwicklung im Blickfeld der Raumplaner standen, rückt heute der Fokus mehr auf das Beziehungsgefüge als Ganzes.172

I.  Gründe und Problemstellung Um Arbeitslosigkeit und andere gesellschaftliche Probleme zu beseitigen, zu vermeiden oder zumindest zu lindern, beabsichtigen die Verantwortlichen in der Raumplanung, sich die den Netzwerken nachgesagten Vorteile zunutze zu machen. Hier geht es vor allem um Wissen, Kapital und schließlich um Innovationen. Weitgehende Einigkeit herrscht auch in der Raumplanung darin, dass Wissen gebunden Aderhold, S. 136. BVerwG vom 6.4.2005 - 8 CN 1/04 -, NVwZ 2005, 1072. 172  Scheer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 1. 170  171 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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ist und in der Regel nur mit persönlichen Kontakten zugänglich gemacht werden kann. Innovationen entstehen allerdings erst durch das Zusammenwirken von sich ergänzenden Wissensbeständen.173 Bei der Regionalentwicklung versuchen die Planer also herauszufinden, welche Voraussetzungen nötig sind, damit Personen Verbindungen eingehen, um Innovationen zu generieren und somit eine Region wirtschaftlich und gesellschaftlich nachhaltig voranzubringen.174 Insbesondere die Globalisierung und die lokale Freizügigkeit der Bevölkerung zwingen alle Beteiligten neben größeren Kostensenkungen, Innovationen, Marketingmaßnahmen, stärkerer Konzentration auf Kernkompetenzen auch zu höchster Flexibilität und Schlankheit bei gleichzeitiger finanzieller, marktbezogener und logistischer Stärke.175

II. Lösungswege Nach wie vor gelten für die Beurteilung des Entwicklungsstandes einer Region im Wesentlichen die Arbeitsplätze, die technischen, wissensbasierten, kulturellen und sozialen Infrastrukturen sowie die Humanressourcen als entscheidende Faktoren. Um diese nachhaltig zu entwickeln, ist nach heutiger Auffassung eine Fokussierung auf einen einzelnen Akteur oder der statische Wettbewerb um Ressourcen176 nicht ausreichend. Vielmehr soll die wirtschaftliche Infrastruktur gestärkt werden, um bestehenden Unternehmen, Neuansiedlungen und Gründern günstigere Standort- und Wettbewerbsbedingungen zu verschaffen sowie ihnen mehr Flexibilität zu ermöglichen.177 Zur Erreichung dieser planerischen Zielsetzung herrschen verschiedene Positionen. Beispielsweise gibt es Vorschläge, die ohne lokale Rücksichtnahme auf die Homogenität der Akteure nebst Spezialisierung abzielen (sogenannte Cluster). Andere sehen dagegen gerade die Region und die Heterogenität der Beteiligten für die Erstellung eines lokalen Produktsystems als Lösung der Probleme (sogenannte innovative Milieus).178 Neben wirtschaftlichen Herausforderungen kann die netzwerkorientierte Regionalplanung auch bei kulturellen, bildungspolitischen und ökologischen Fragestellungen weiterhelfen. Dies geht zum Teil so weit, dass über die Stärken der Netzwerkakteure das Wahrnehmungsbild einer Region gezielt gesteuert wird.179 Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 8. Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 4. 175  Scheer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 1, 2; Bachinger/Pechlaner/Widuckel, Vorwort S. V. 176  Bachinger/Pechlaner/Widuckel, Vorwort S. V. 177 Vgl. Scheer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 1, 1 ff. 178  Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 12 m. w. N. und weiteren Beispielen. 179  Widuckel, in: Regionen und Netzwerke, S. 29, 33 f. 173 

174 Vgl.

§ 5  Netzwerke in der Geografie

63

Insgesamt entsteht durch die Vernetzung eine Kräftebündelung, die im besten Fall zu einem Mehrwert führt.180 Die Beteiligten erwarten diesen Mehrwert auch. Er kann, wie oben bereits erwähnt, etwa in höherer Flexibilität, Zugang zu Ressourcen und Märkten, Kostensenkung, Effizienz- und Effektivitätsvorteilen sowie in der Steigerung des Know-hows liegen.181 Die Ausführungen setzen allerdings voraus, dass eine Region mit einem Netzwerk bzw. mit einem Teil eines solchen vergleichbar ist. Durch diese Unvollkommenheit der Netzwerke sollen Möglichkeitsräume entstehen, die innovatives Handeln der Akteure fördern und neue Lösungen hervorbringen.182 Wie oben schon festgestellt, sieht die Regionalplanung ihre Aufgabe dabei in der Schaffung von Rahmenbedingungen, die eine Vernetzung der regionalen Akteure fördert. Zur Erreichung dieses Ziels kann unter anderem ein Regionalmanagement aufgebaut werden. Dieses Management dient in den Fällen regelmäßig der Unterstützung der einzelnen Beteiligten bei ihrer Selbstorganisation. Neben der Förderung einer Netzwerkleitung beinhaltet die Stellung aber vor allem Vermittlungstätigkeit zwischen den Akteuren, sodass Vertrauen, Reputation, Fairness, Reziprozität und all die sonstigen Netzwerkvorteile entstehen.183 Gerade bei Regionalnetzwerken sind regelmäßig Akteure mit verschiedensten Interessen und vielfältiger Herkunft beteiligt. Eine Herausforderung stellt selbst in dem Zusammenhang schon die Verbindung von privaten und öffentlichen Akteuren dar. Während Hoheitsträger unter Umständen eine strenge Bindung an Kompetenzverteilungen, Ermächtigungsgrundlagen und Verwaltungsvorschriften haben, herrscht bei privaten Wirtschaftsunternehmen weitgehende Freiheit bei der Anpassungsfähigkeit. Letztere hängen allerdings in der Regel von den Entwicklungen der (volatilen) Märkte ab, die häufig kurzfristige Anpassungen abverlangen, um kapitale Schäden zu verhindern. Von wesentlicher Bedeutung ist daher eine Abstimmung.184 Eine entscheidende Rolle für das Gelingen spielt ebenso, dass die Netzwerkpartner bei ihrer Tätigkeit auf Strukturen und Regeln zurückgreifen können, ohne diese durch den Einsatz von materiellen Ressourcen und erheblicher zeitlicher Verzögerung selbst entwickeln zu müssen.185 Die Kunst des erfolgreichen Netzwerkens liegt demnach vor allem in der Verbindung von Kooperationsfähigkeit, Kooperationsmanagement und Netzwerksteuerung.186

Bachinger/Pechlaner/Widuckel, Vorwort S. VI. Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 15. 182  Bauer-Wolf/Payer/Scheer, Vorwort S. V. 183  Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 21 ff. 184  Widuckel, in: Regionen und Netzwerke, S. 29, 30. 185  Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 22. 186  Bauer-Wolf/Payer/Scheer, Vorwort S. VI. 180  181 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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III.  Netzwerkarten in der Raumentwicklung Netzwerke in der Raumentwicklung können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Regionalplanerische Kategorien sind etwa der räumliche Umfang, die Zielsetzung und die Beziehungsqualität.187

IV.  Konkrete Beispiele Als gelungene Beispiele für eine erfolgreiche Vernetzung gelten vor allem Wirtschaftsstandorte. In Baden-Württemberg ist das etwa das Gebiet Stuttgart, wo der Maschinenbau, die Automobilindustrie und die Elektrotechnik als Industriedistrikt vernetzt sind. Ebensolche Beispiele gibt es in Napa Valley (USA) für Wein, in Houston (USA) für die Verarbeitung von Erdölprodukten sowie in Emilia Romagna (Italien) für die Leder-, Textil-, Keramik- und Möbelindustrie.188

V.  Abgrenzung der Netzwerke von Kooperationen und Organisationen Häufig verwenden Personen die Begriffe Kooperation, Netzwerk und Organisation für die gleichen sozialen Phänomene. Nach Payer189 sind allerdings vor allem im Bereich der Regionalentwicklung die Formen zu unterscheiden. 1. Kooperation Eine Kooperation wird nach der Auffassung angenommen, wenn mindestens zwei Akteure zum Zweck einer besseren Zielerreichung gemeinsam handeln würden.190 Charakteristisch soll zum einen die Klarheit über die beteiligten Partner ohne Rücksicht auf Komplexität und Anzahl der Akteure sein. Zudem beruhe die Grundlage für die gemeinsame Handlung auf Annahmen und Erwartungen, die im Gegensatz zu einem Vertrag offen und nicht vor Gericht eingeklagt werden könnten. Als ein weiteres Merkmal für Kooperationen gelte die starke Wechselseitigkeit. Jeder Beteiligte bringe danach bestimmte Fähigkeiten zur Erreichung des angestrebten Ziels ein. Die Beteiligung erfolge aber nicht vollständig bis zu einer Fusion. Vielmehr sollen sich die Akteure nur partiell einbringen (sogenannte partielle Kopplung) und im Übrigen ihre Eigenständigkeit bewahren. Daraus folge schließlich eine eigene Dynamik des Verbundes, die von den Handlungslogiken der Kooperationspartner losgelöst sei (sogenanntes neues soziales System). Zu den Beispielen für solche Kooperationen zählten Gemeinden oder andere Personen, die Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 4 ff. Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 10 m. w. N. 189  Payer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 5, 5 ff. 190  Ähnlich, vor allem für den wirtschaftlichen Zusammenhang Aderhold, S. 167 ff. 187 

188 

§ 5  Netzwerke in der Geografie

65

eine Arbeitsgemeinschaft zur Erstellung von Konzepten für die Wirtschaftsförderung oder für die Bewältigung von Problemen gründen würden. Konkret nennt Payer eine Bietergemeinschaft zwischen einem Planungsbüro und einem Beratungsunternehmen zur gemeinsamen Erarbeitung eines ausgeschriebenen Entwicklungskonzepts für eine Region.191 2. Netzwerk Im Gegensatz zur Kooperation liege ein Netzwerk dann vor, wenn die Abgrenzung zwischen beteiligten und unbeteiligten Personen nicht eindeutig erfolgen könne. Es bestehe weder eine Mitgliedschaft noch ein starkes Eingebundensein. Netzwerke zeichneten sich vielmehr durch fehlende Grenzen und Offenheit aus. Im Vergleich zu einer Kooperation gehe es weniger um die Erreichung eines Ziels als vielmehr um die potentielle Erreichbarkeit der Netzwerkpartner untereinander. Letztere Tatsache soll in Anlehnung an Straßen und Schienen unter anderem dazu führen, dass Netzwerke als soziale Infrastruktur bezeichnet würden. Kern eines Netzwerkes seien folglich die bestehenden Beziehungen sowie die Potenz, neue zu bilden. Auch die Verbindung zwischen den Beteiligten sei bei Netzwerken loser und unverbindlicher als bei Kooperationen. Hauptsächlich gehe es in Netzwerken wegen der vieldeutigen Absichten der verschiedenen Beteiligten weniger um klare Ergebnisse als vielmehr um einen Raum für Möglichkeiten. Unter diesen Voraussetzungen sollen neue Verbindungen mit beliebiger Intensität192 entstehen können – ohne es zu müssen. Selbst ein ganzes Netzwerk könne aus verschiedenen Formen des Zusammenwirkens hervorgehen. Denkbar sei sowohl, dass Kooperationen wegen gemeinsamer Ziele der Kontaktpersonen sich aus Netzwerken entwickeln, als auch, dass Netzwerke aus Kooperationen entstehen würden. Letztere Alternative soll neben dem bloßen Kennenlernen anlässlich einer mehr oder weniger zufälligen Zusammenarbeit auch durch Wachstum einer Kooperation möglich sein. Erweitert sich eine Kooperation über eine bestimmte Anzahl193 von Teilnehmern hinaus, obwohl sich die Beteiligten bzw. die daraus entstandenen Teilkooperationen noch immer aufeinander beziehen, soll aus der ursprünglichen Kooperation ein Netzwerk erwachsen. Einen weiteren Unterscheidungspunkt bilde die zeitliche Perspektive. Während Kooperationen wegen ihrer konkreten Zielorientierung kurz- und längerfristig angelegt seien, sollen Netzwerke aufgrund ihrer höheren Komplexität schon mehr Zeit bei der Entstehung brauchen und längerfristig bis dauerhaft zugeschnitten sein. Auch in der Regionalentwicklung unterscheidet insbesondere Payer Netzwerke beispielsweise nach dem Grad der Offenheit, der Art der Entstehung, der Machtverteilung, dem räumlichen und zeitlichen Ausmaß, der thematischen OriPayer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 5, 6 ff. Bis hin zu einer (ergebnisorientierten) Kooperation. 193  In der Regel zehn Akteure. 191 

192 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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entierung, dem Ort in der Wertschöpfungskette und dem Bezug zu Organisationsgrenzen.194 Offenheit in dem Sinne bedeute, dass das Netzwerk grundsätzlich von jedem Interessierten genutzt werden könne. Demnach sei für die Beteiligten auch das Wort Benutzer und nicht Mitglieder zu verwenden. Unabhängig davon behinderten manchmal sprachliche, kulturelle, technische oder andere Barrieren den Zugang. Ferner habe der Punkt Machtverteilung eine besondere Bedeutung. Auch das Maß an Einfluss sei nicht in jedem Netzwerk gleich. Es werde hauptsächlich nach hierarchischen und heterarchischen Netzwerken unterschieden. Vor allem bei hierarchischen Formen könne sich eine Führung von einem oder mehreren zentralen Akteuren abzeichnen. In solchen Fällen gebe häufig die fokale Person die strategische Richtung für die Entfaltung der Netzwerkpotentiale vor und koordiniere. Mitunter würden derartige Aufgabenverteilungen sogar formell-vertraglich in Dienstleistungsverträgen geregelt. Beispielhaft sei an der Stelle auf die Wirtschaftsnetzwerke in der Automobilindustrie, Luftfahrt, Telekommunikation, Biotechnologie und Finanzdienstleistung hingewiesen, die auf wachstumsintensiven Märkten mit hohen Entwicklungs- und Markterschließungskosten tätig würden.195 3. Organisation Weiterhin unterscheidet Payer Netzwerke von Organisationen in der Regionalentwicklung.196 Im Gegensatz zur weitreichenden Offenheit von Netzwerken sollen sich Organisationen zu ihrer Außenwelt strikt abgrenzen. Die klare Grenzziehung sei für Organisationen auch unverzichtbar, um dauerhaft bestehen zu können. Ein weiterer Unterschied zeige sich bei der Zielorientierung. Während bei Netzwerken die Ziele der einzelnen Nutzer im Vordergrund stehen würden, seien bei der Organisation vorwiegend nur ihre eigenen maßgeblich. Diese Linie setze sich zudem bei der Arbeitsteilung fort. Während in der Organisation eine planmäßige Arbeitsteilung für deren Ziele verbindlich vorausgesetzt werde, bestehe bei Netzwerken lediglich eine lose Kopplung für netzwerkbezogene Zwecke. Aufgrund dieser besonderen Schwerpunktsetzung auf das Ziel eröffne dies eine weitgehende Austauschbarkeit der Mitarbeiter einer Organisation. Ein Wechsel der Nutzer soll hingegen bei Netzwerken weniger in Betracht kommen, da das Netzwerk gerade von den spezifischen Fähigkeiten seiner Akteure abhänge. Bei Netzwerken liege stattdessen der umgekehrte Fall der Organisation vor – es herrsche eine lose Kopplung bei Netzwerkzielen und eine starke zwischen den Akteuren. Im Gegensatz dazu stehe die Kooperation. Infolge der teilweisen Einbringung kennzeichne sie Payer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 5, 14 ff. Payer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 5, 11 ff. 196  A. A. für die Rechtswissenschaft Druey, KritV 2006, 163, 169 f., der soziale Netzwerke mit Organisationen gleichsetzt. Derartige Netzwerke seien ein bloßes Wirkungs-Potenzial, welches in der Kategorie der menschlichen Zweckgebilde den Organisationen zugeordnet werden müsse. Sie seien auf Leistung angelegt, lassen sich jedoch wegen ihrer dauerhaften Existenz von den verschiedenen Leistungsvorgängen theoretisch trennen. 194 Vgl. 195 

§ 5  Netzwerke in der Geografie

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eine festere Beziehung zu den Beteiligten und zu den Aktionen. Unabhängig von der Abgrenzung der sozialen Formen untereinander sei auch in Netzwerken eine gewisse Organisation notwendig. Dabei meint Payer jedoch weniger den institutionellen Begriff der Organisation als vielmehr die prozessbezogene Handlung des Organisierens. Schon in der Kopplung der Akteure untereinander liege eine gewisse Art von Abstimmung und Koordination.197 4. Stellungnahme Die von Payer beispielhaft angeführten Wirtschaftsnetzwerke in der Automobilindustrie, Luftfahrt, Telekommunikation, Biotechnologie und Finanzdienstleistung zeigen, dass seine Abgrenzung zwischen Netzwerken, Kooperationen und Organisationen nicht unproblematisch ist. Schon die für Netzwerke als charakteristisch angeführte lose Kopplung zwischen den Netzwerkakteuren erscheint fraglich. Gerade Wirtschaftsunternehmen, wie Automobilhersteller, die beispielsweise just in time produzieren oder mit einem Zulieferer bestimmte Einbauteile entwickeln, werden sich eher fest binden, als eine lose Kopplung einzugehen. Schließlich gilt der verlässliche Empfang etwa von Teilen eines Zulieferers für die eigene Fertigungsproduktion eines Automobilherstellers wegen der Auslastung als sehr wichtig. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch die überwiegend monopolare Bestimmung der Ziele wenig. Vor allem bei einer solchen engen Zusammenarbeit scheint es neben der Verwirklichung von individuellen Zielen ebenso um die Herbeiführung des gemeinsamen Zwecks zu gehen. Mitunter wird sogar im Rahmen der Regionalplanung behauptet, Netzwerke würden ein gemeinsames Ziel der Akteure anstreben. Dieses sogenannte „Netzwerkziel“ soll neben der Einschätzung von Kosten und Nutzen zudem der Motivation der Netzwerkakteure dienen.198 Weiterhin erweckt die obige These, Netzwerke seien durch unverbindliche Beziehungen gekennzeichnet, Zweifel. Selbst Payer erwähnt in seinem Aufsatz, dass Netzwerke hierarchisch geführt werden können. Hierbei soll sogar eine Aufgabenverteilung mittels eines formellen Dienstleistungsvertrages möglich sein (s. o.). Eine solche Art der Beziehung ist jedoch alles andere als unverbindlich. Ebenso schwer lassen sich die Ausführungen zur Kooperation nachvollziehen. Eine Kooperation soll im Gegensatz zu einem Vertrag offen sein und als konkretes Beispiel wird eine Bietergemeinschaft für die Erstellung eines regionalen Entwicklungskonzepts genannt. Gerade solche Bietergemeinschaften sieht die Rechtsprechung regelmäßig als Gesellschaften des bürgerlichen Rechts an.199 Eine Offenheit ohne rechtliche Bindung fehlt also häufig. Aber auch andere Positionen erschüttern die von Payer herausgearbeitete Abgrenzung. Zum Beispiel werden (Regional-)Netzwerke aufgrund ihrer BeziehungsPayer, in: Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz, S. 5, 18 ff. Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 5. 199 Palandt/Sprau, § 705 BGB, Rn. 37 m. w. N. 197  198 

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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qualität in „co-operative“, „co-ordinative“ und „collaborative Networks“ unterteilt. „Co-operative Networks“ sollen solche sein, die im Wesentlichen dem Informationsaustausch dienten. Zu sonstigen Veränderungen komme es nicht. Bei den „Co-ordinative Networks“ finde dagegen zusätzlich eine Handlungsabstimmung zwischen den Beteiligten statt, um Effizienzgewinne erzielen zu können. Während Änderungen bei der Struktur inbegriffen seien, blieben sie aber noch unabhängig. Schließlich seien die „Collaborative Networks“ zu nennen. Hier entstehe ein Gesamtnetzwerk mit einer gemeinsamen Netzwerkleistung. Jeder Netzwerkakteur spezialisiere sich und gebe zugunsten anderer Beteiligter sogar bestimmte Verfahrensweisen auf. Neben strukturellen Anpassungen komme es mitunter in dem Fall sogar zu Abhängigkeiten.200 Die insbesondere von Payer herausgestellten Abgrenzungskriterien „Offenheit“ und „Unverbindlichkeit“ sind also der Lebenswirklichkeit nicht angemessen.

§ 6  Fazit Netzwerke kommen in vielen Bereichen vor. Ebenso unterschiedlich wie die Gebiete ist ihre Interpretation. Mal werden sie wörtlich und technisch, mal im übertragenen Sinne und ein anderes Mal weit oder eng verstanden.201 In der Soziologie definiert man beispielsweise ein (soziales) Netzwerk vor dem Hintergrund einer graphischen Abbildung als „eine abgegrenzte Menge von Knoten oder Elementen und der Menge der zwischen ihnen verlaufenden sogenannten Kanten“.202 Die Soziologen möchten hierbei zum einen die Akteure mit ihren Verbindungen beschreiben und zum anderen Folgen ableiten, um auch zukünftiges Verhalten vorherzusagen (vgl. § 2 III.). Im Vordergrund steht die persönliche Beziehung. Die Wirtschaftswissenschaftler sehen dagegen ein Netzwerk mehr als ökonomische Organisationsform. Arbeiten danach formal unabhängige Wirtschaftssubjekte deutlich kooperativer zusammen als bei einer herkömmlichen Austauschbeziehung, kann die Beziehung als wirtschaftliches Netzwerk qualifiziert werden.203 Ein solches Wirtschaftsnetzwerk soll etwa vorliegen, wenn ein Lieferant das Lager des Abnehmers bewirtschaftet oder die Produktentwicklung unter Einbeziehung des Abnehmers geschieht.204 Eine ähnliche organisationsbezogene Bestimmung des Netzwerks erfolgt in anderen Bereichen. Im Rahmen der Politikwissenschaften etwa beschreiben die Vertreter ein Netzwerk als eine spezifische soziale Beziehung zwischen einer klar umrissenen Akteurszahl, die in der Regel bei der politischen Entscheidungsfindung vorkommt (dazu § 4 I.).205 Ebenso nehmen die Beteiligten Bachinger/Pechlaner, in: Regionen und Netzwerke, S. 3, 6. Kielmansegg, in: Netzwerke, S. 83, 85. 202  Jansen, S. 58. 203  Siebert, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 7, 8. 204  Sieber, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 215, 225 f. 205  Aderhold, S. 135. 200  201 

§ 6  Fazit

69

das Netzwerk in der Regionalentwicklung als Organisationseinheit wahr. In diesem Bereich verstehen sie es als offene Einheit, die eine starke Bindung zwischen den Akteuren aber weniger zu einem bestimmten Ziel hat und damit der Erreichbarkeit in Form einer sozialen Infrastruktur dient (vgl. § 5.). Die Arbeit sieht das Netzwerk hauptsächlich als Metapher für den Verflechtungscharakter von mehreren Beziehungen. Hierbei beruhen die Ausführungen auf einem weiten Begriffsverständnis.206 Im Folgenden wird unter einem Netzwerk primär der Verbund von mindestens drei verschiedenen Akteuren verstanden, der sich vor einem bestimmten Hintergrund bildet.207 Eine Begrenzung auf den rein sozialen Bereich ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt trotz anderer Ansätze nicht. Nach der hier zugrundeliegenden Auffassung ist ein Netzwerk als Kommunikationsbeziehung bzw. -plattform zwischen verschiedenen Beteiligten gedacht. Je nach Hintergrund erfahren diese Kommunikationswurzeln eine Ergänzung durch weitere Beweggründe. Derartige zusätzliche Gründe sind beispielsweise ökonomischer und politischer Art. Ebenso besteht die Möglichkeit zur Vorteilsverfolgung. Diese Vorteile können zum einen dem Netzwerk in seiner Gesamtheit und zum anderen den einzelnen Akteuren zugutekommen. Auf Einschränkungen, wie eine interne Widersprüchlichkeit,208 wird dagegen zum Zweck einer angemessenen Beurteilungsfähigkeit der vielfältigen Lebenssachverhalte verzichtet.209 In Anlehnung an die oben genannten Beispiele können Netzwerke mitunter einem hierarchischen Aufbau folgen, geschlossen sein oder sogar sich zur Erreichung bestimmter Ziele bilden. Denkbar sind zudem rechtsverbindliche Beziehungen.210 Dagegen entstehen durch die Kontaktaufnahme einer Person mit einem Netzwerkakteur zumindest nicht ohne weiteres Hauptleistungspflichen 211, weil es regelmäßig schon an einer dementsprechenden Erwartung aller Beteiligten fehlt. Die Feststellung zeigt, dass das Netzwerk von seiner Urform als ein Erreichbarkeits- und Austauschforum dient. Der ureigenste Zweck bleibt in der Regel so206  Ebenfalls für ein weites Verständnis vgl. Glückler/Nèmeth/Beauregard, DB 2011, 2701; Teubner, S. 9, 106; Hergenröder, in: Gläubiger, Schuldner, Arme, S. 141, 145. 207  Ähnlich für den Bereich der Managementforschung Wald, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 627. 208 Vgl. Teubner, S. 208 ff. 209  Für die Ablehnung eines Hauptzwecks und die Annahme disparater Individualziele, Hergenröder, in: FS Kreutz, S. 657. 210 Vgl. Holzer, in: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie, S. 155, 157 f., der Erwartungen jedoch innerhalb der jeweiligen Beziehungen und weniger dem Netzwerk zugeordnet sieht. 211 Daneben ist insbesondere an die nichtleistungsbezogenen Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB zu denken. Diese entstehen kraft Gesetzes laut § 311 Abs. 2 BGB schon bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), der Anbahnung eines Vertrages, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut (Nr. 2) und durch ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3).

1. Teil: Netzwerke im Blickwinkel ausgewählter Wissenschaftsdisziplinen

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gar bei speziellen Netzwerkformen zumindest als Teil- und Nebenaspekt erhalten. Weiterhin ist ein Netzwerk erst anzunehmen, wenn sich ein einigermaßen stabiles und erwartbares Beziehungsmuster heraus kristallisiert hat.212 Allerdings müssen für die Entstehung schon flüchtige Kontakte genügen.213 Aus der obigen Bestimmung des Netzwerkes können zudem einzelne Negativmerkmale abgeleitet werden. Zunächst gilt ein Einzelner wegen der notwendigen Verbindung zwischen Personen nicht als Netzwerk. Ebenso sind zwei Personen als Sinnbild für eine (einfache) Beziehung nicht ausreichend.214 Erst durch die Beteiligung von drei Personen kann das Beziehungskonstrukt im Vergleich zur einfachen Beziehung auch eine übergeordnete Bedeutung erhalten. Damit geht eine gewisse Dynamik bei Entscheidungen einher.215 Schließlich erfordert die Abgrenzung zur Umwelt einen speziellen Hintergrund. Andernfalls würde infolge der mittelbaren Verbindung zwischen allen Personen ein einzelnes weltweites Netzwerk bestehen. Diese Betrachtung trüge jedoch den tatsächlichen Lebenssachverhalten nicht angemessen Rechnung. Keine Zustimmung verdient dagegen die Beschränkung des Netzwerkes auf den rein sozialen Bereich. Konsequenz dieser These wäre der Zerfall eines Netzwerkes, wenn ein Vertrag zwischen zwei Netzwerkbeteiligten zustande käme. Dies ist jedoch mit dem allgemeinen Verständnis nicht vereinbar. Selbst die netzwerktechnische Analyse von klassischen Familien würde ein solcher Ansatz verhindern. Schließlich gibt es auch hier verschiedene rechtliche Verpflichtungen, insbesondere Unterhaltsverpflichtungen, zwischen den einzelnen Beteiligten. Die soziale Verbindung und die rechtliche Verpflichtung schließen sich nicht aus. Folglich können sich auf dieser Plattform zwischen einzelnen Akteuren spezielle Organisationsformen herausbilden,216 die unter entsprechenden Bedingungen eine Wechselwirkung zum gesamten Netzwerk entfalten. Zu den einfachen sozialen Kommunikationsverbindungen treten dann in einzelnen Bereichen verbindliche Beziehungen. Je nach Netzwerktyp muss diese spezifische Weiterentwicklung der Verbindungen aber nicht zwangsläufig umfassend und zwischen allen Netzwerkbeteiligten erfolgen. Neben der Tatsache, dass ein Netzwerk aus mehreren Personen besteht, die sich vor einem Hintergrund zumindest kommunikativ austauschen, definiert es sich Holzer, S. 9. Holzer, S. 9, der beispielsweise soziale Beziehungen zwischen einem Bäcker und seinen Kunden sowie Ärzten und Patienten nicht als Netzwerk anerkennt. 214  Ebenso in die Richtung Holzer, S. 103, der empfiehlt von einem Netzwerk zu sprechen, wenn indirekte Kontakte relevant werden. A. A. zum Beispiel Diaz-Bone, S. 5, der aber auch erst bei der Beteiligung von drei Personen von einer gehaltvollen Netzwerkstruktur ausgeht. 215 Vgl. Glückler/Nèmeth/Beauregard, DB 2011, 2701, 2702; Teubner, S. 28. 216 Weitergehend Teubner, S. 9. Er vertritt, ein (gesamtes) Netzwerk könne juristisch als Konzern, Personengesellschaft, Vertrag oder Sonderverbindungen eingeordnet werden. Dementsprechend sei auch eine Übernahme des Begriffes Netzwerk als Rechtsterminus ausgeschlossen. 212 

213  A. A.

§ 6  Fazit

71

selbst. Danach kann ein Netzwerk aufgrund autonomer Gestaltungsmacht beispielsweise offen oder geschlossen,217 streng zielorientiert oder generalisiert sein. Die Bestimmung der Eigenschaften übernehmen, je nach Art des Netzwerkes, die Akteure in ihrer Gesamtheit, eine Akteursgruppe oder ein einzelner (mächtiger bzw. zentraler) Akteur. Ob und inwieweit die bekannten rechtlichen Konstruktionen Netzwerke bzw. netzwerkorientierte Beziehungen berücksichtigen, soll das Thema der folgenden Ausführungen sein.

217  Nach diesseitiger Auffassung spricht die Offenheit mancher Netzwerke nicht pauschal gegen eine juristische Berücksichtigung. Eine gegenteilige Auffassung widerspräche der umfassenden Beurteilungsfunktion des Rechts. Vgl. für die kritische Haltung Druey, KritV 2006, 163, 167; Holzer, in: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie, S. 155, 157 f.

2. Teil

Die rechtliche Beurteilung von Netzwerkbeziehungen 2. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von Netzwerkbeziehungen

§ 7  Netzwerkbeziehungen und das Zivilrecht I. Einführung Netzwerke treten in den verschiedensten Gebieten und Ebenen in der einen oder anderen Form auf.1 Allerdings erkennen viele Netzwerkstrukturen nicht oder sind sich der Konsequenzen noch immer nicht bewusst.2 Neben der offensichtlichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Netzwerkverbindungen ist fraglich, ob und inwieweit diese im Recht Berücksichtigung finden. Trotz weitreichender Übereinstimmungen zwischen vielen sozialen und betriebswirtschaftlichen Erscheinungen mit rechtlichen Konstruktionen kann es jedoch nicht zu einer pauschalen Übertragung kommen.3 Bei jeder Wissenschaft erfolgt die Bestimmung vor dem spezifischen Hintergrund der jeweiligen Disziplin. Ausschließlich fachbezogene Beurteilungen sind somit für eine Übernahme zu eng. In der Rechtswissenschaft ist ferner eine Beachtung aller Wirkzusammenhänge erforderlich.4

II.  Der Netzwerkbegriff im Recht In den Rechtswissenschaften hat sich bisher keine einheitliche Definition für ein Netzwerk herausgebildet. Zwar wurden schon einzelne Konstellationen in Erwägung gezogen. Hierbei ging es beispielsweise um mehrere Personen, die durch ein geschäftliches Projekt (vertraglich) miteinander verbunden waren.5 Eine verbindliche Bestimmung des Netzwerkbegriffs unterblieb jedoch. Vielleicht kommt es dazu auch nie, weil der Begriff des Netzwerkes kein Rechtsterminus ist.6 In der Vergangenheit diente der Netzwerkgedanke bei juristischen Arbeiten in der Regel nur der bildlichen Beschreibung von Beziehungen zwischen Personen. Heutzutage geht die Verwendung des Begriffes allerdings weiter. Probleme bereiBommes/Tacke, in: Qualitative Netzwerkanalyse, S. 37. Teubner, S. 20 f. 3  Druey, KritV 2006, 163, 168; Lange, S. 629, Rn. 1436; für eine empirische Reflexion mit den Nachbarwissenschaften Hergenröder, in: FS Kreutz, S. 657, 662 f.; ders., in: Gläubiger, Schuldner, Arme, S. 141, 146. 4 Vgl. Teubner, S. 24. 5  Vgl. beispielsweise Brownsword, KritV 2006, 131, 132 m. w. N. 6  Druey, KritV 2006, 163, 165; Hergenröder, in: FS Kreutz, S. 657, 660 m. w. N. 1 

2 Vgl.

§ 7  Netzwerkbeziehungen und das Zivilrecht

73

ten dabei die unterschiedlichen Interpretationen in den verschiedenen Fachgebieten und die häufig flexible Verwendung in der Alltagssprache.7 Dieser Umstand hat auch Auswirkungen auf die Rechtswissenschaft, weil sie für sich die Beurteilung verschiedenster Lebenssachverhalte in Anspruch nimmt. Für eine anwendbare rechtswissenschaftliche Begriffsbestimmung bedarf es also einer umweltsensiblen Vorgehensweise, um einerseits die Chancen und andererseits das Schadensrisiko angemessen zu berücksichtigen.8 In der Rechtswissenschaft muss ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt werden.9 Nur so kann sie ihrer originären Aufgabe in jeder Situation genügen. Folglich ist unter einem Netzwerk ein Verbund von mindestens drei verschiedenen Akteuren zu verstehen, der sich vor einem bestimmten Hintergrund bildet.10 Besonders im Zivilrecht stellt sich die Frage, wie netzwerkorientierte Beziehungen rechtlich angemessen beurteilt werden können. Weder im Bürgerlichen Gesetzbuch noch in Sondergesetzen gibt es individuelle Normen über einen allgemeinen „Netzwerkvertrag“, Spezialregelungen für eine „Netzwerkgesellschaft“ oder ganz allgemeine Vorgaben für eine „Netzwerkbeziehung“. Lediglich in Einzelfällen, wie bei verbundenen Verträgen gem. § 358 BGB, sind partielle Vorschriften für netzwerkorientierte Organisationsformen zu finden.11 Dennoch ist allgemein anerkannt, dass die in der Wirtschaft und den anderen Bereichen tätigen Personen innerhalb von Netzwerkstrukturen nicht in einem rechtsfreien Raum agieren. Gerade die materielle Bedeutung zwingt zu einer ausgewogenen Regulierung. Bei privatautonomen Verbindungen kommt vorrangig eine vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Beurteilung infrage.

Bauer-Wolf/Payer/Scheer, Vorwort S. V. Teubner, S. 9. 9 Ebenfalls für ein weites Verständnis vgl. Glückler/Nèmeth/Beauregard, DB 2011, 2701; Teubner, S. 9, 106. 10  Ähnlich für den Bereich der Managementforschung Wald, in: Handbuch Netzwerkforschung, S. 627. 11  Teubner, S. 10. 7 

8 

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

74

1. Abschnitt

Vertragsrecht 2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

§ 8  Allgemeine Rechtsgeschäftslehre I. Rechtsgeschäft Für eine vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Bewertung müssen Netzwerkverbindungen einen rechtsgeschäftlichen Charakter haben. 1. Willenserklärung Zu den grundlegenden Voraussetzungen für eine rechtsgeschäftliche Verbindung zählen Willenserklärungen der Akteure.12 Als solche Erklärung werden private Willensäußerungen verstanden, die auf die Erzielung einer Rechtsfolge gerichtet sind.13 Willenserklärungen unterscheiden sich von Realakten und geschäftsähnlichen Handlungen. Nur durch sie können Privatpersonen Rechtsgeschäfte begründen, ändern oder beenden.14 a) Realakte Realakte sind rein tatsächliche Handlungen. An sie knüpft die Rechtsordnung eine Rechtsfolge unabhängig davon, ob der Handelnde einen Willen dazu hatte oder nicht. Sie führen einen tatsächlichen Erfolg herbei.15 Willenserklärungen lösen dagegen lediglich einen Rechtserfolg aus. Im Gegensatz zu Realakten kommt es zu einem derartigen Rechtserfolg nur, wenn ein entsprechender Wille vorliegt bzw. wenn der Empfänger einen solchen Willen annehmen konnte. Malt A beispielsweise auf eine Leinwand ein Bild, obwohl diese B gehört, liegt keine Willenserklärung von A vor. Selbst ohne den Willen von A erwirbt er aber gem. § 950 BGB kraft Gesetzes Eigentum.16, 17 Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 1. BGH vom 17.10.2000 - X ZR 97/99 -, NJW 2001, 289, 290; Brox/Walker, AT, Rn. 82; Palandt/Ellenberger, vor § 116 BGB, Rn. 1; Medicus, AT, Rn. 174 f., 195, 202 ff. 14 Vgl. Wolf/Neuner, S. 311 ff. 15 MünchKomm/Armbrüster, vor § 116 BGB, Rn. 14. 16  Brox/Walker, AT, Rn. 94. 17  Realakte kommen zudem beim Besitzerwerb bzw. -verlust vor. Als Beispiele sind etwa die Erlangung der tatsächlichen Gewalt gem. § 854 Abs. 1 BGB, die Aufgabe oder der Verlust der tatsächlichen Gewalt nach § 856 BGB, die Aneignung nach § 958 BGB oder das Ansichnehmen eines Fundes nach § 965 BGB zu nennen. Vgl. im Übrigen MünchKomm/ Armbrüster, vor § 116 BGB, Rn. 14. 12 Vgl. 13 

§ 8  Allgemeine Rechtsgeschäftslehre

75

b)  Geschäftsähnliche Handlungen Unter geschäftsähnlichen Handlungen werden Willenserklärungen oder Mitteilungen verstanden, für die das Gesetz Rechtsfolgen vorsieht, ohne dass diese von der handelnden Person beabsichtigt sein müssen.18 Im Unterschied zu Realakten drückt eine geschäftsähnliche Erklärung eine Willensäußerung oder zumindest eine Vorstellung aus. Die Besonderheit im Vergleich zur Willenserklärung liegt dagegen beim Willen zur Herbeiführung der Rechtsfolge. Während bei einer Willenserklärung der Wille des Erklärenden auch auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet sein muss, tritt bei einer geschäftsähnlichen Handlung die Rechtsfolge selbst ohne einen darauf abzielenden Willen ein.19 Wegen der größeren Ähnlichkeit der geschäftsähnlichen Handlungen mit den Willenserklärungen finden die Regeln für Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen überwiegend entsprechend Anwendung.20 Die klassischen Beispiele für eine solche Handlung sind die Mahnung iSd. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB und die Mängelanzeige nach § 377 HGB.21 2. Wirksamkeitsvoraussetzungen Steht fest, dass die Verbindung zwischen den Netzwerkbeteiligten nicht auf einen bloßen Realakt oder eine geschäftsähnliche Handlung zuzuführen ist, müssen zudem die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Willenserklärung vorliegen. Die Voraussetzungen gliedern sich in einen subjektiven und einen objektiven Tatbestand. a)  Subjektive Voraussetzungen Bestandteile des subjektiven Tatbestandes sind der Handlungswille, das Erklärungsbewusstsein und der Geschäftswille. Während das Fehlen des objektiven Tatbestandes schon zur Unwirksamkeit der Willenserklärung führt, herrschen bei den subjektiven Voraussetzungen weniger strenge Anforderungen. Zwingend erforderlich ist hier lediglich der Handlungswille. Im Übrigen muss das Erklärungsbewusstsein nur eingeschränkt vorliegen.22 aa) Handlungswille Der Handlungswille ist gegeben, wenn eine bewusste Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Willenserklärung vorliegt. Die ausdrückliche oder konkludente Erklärung muss also vom Willen des Erklärenden gesteuert sein. UnwirkBrox/Walker, AT, Rn. 95. Wolf/Neuner, S. 313, Rn. 8; Rüthers/Stadler, § 16, Rn. 29. 20 MünchKomm/Busche, § 133 BGB, Rn. 48; Brox/Walker, AT, Rn. 95. 21  Wolf/Neuner, S. 313, Rn. 9 mit weiteren Beispielen. 22  Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 6.

18 

19 

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

76

sam sind danach Erklärungen, die auf einem unbewussten Verhalten 23 beruhen oder auf unmittelbarem körperlichen Zwang.24, 25 bb) Erklärungsbewusstsein Als Erklärungsbewusstsein bezeichnen die Juristen das Verständnis des Erklärenden, dass seine Handlung irgendwie rechtserheblich ist. Der Wille muss sich dabei noch nicht auf ein konkretes Rechtsgeschäft richten. Als ausreichend gilt vielmehr schon, dass der Handelnde weiß, etwas rechtlich Erhebliches zu erklären und sich hierdurch zu binden.26 Die Bestimmung der Voraussetzung erfolgt auf der Grundlage des objektiven Empfängerhorizonts.27 Schwierigkeiten bereiten Mängel beim Erklärungsbewusstsein. Streitig sind vor allem Fälle, in denen der Handelnde keine rechtserhebliche Erklärung abgeben will, der scheinbare Erklärungsempfänger aber von einer wirksamen Erklärung ausgehen konnte und der Handelnde dies hätte erkennen können. Für die Wirksamkeit einer Willenserklärung28 in einer solchen Situation sind nach überwiegender Position zwei Voraussetzungen nötig. Zum einen muss der Handelnde die nach den Umständen des Einzelfalls im Rechtsverkehr zumutbare und gebotene Sorgfalt bei der Abgabe der Erklärung missachten. Dies setzt eine Verantwortung für die scheinbare Willenserklärung voraus. Zum anderen ist ein Vertrauen des Erklärungsempfängers auf die Wirksamkeit der vermeintlichen Willenserklärung erforderlich. Dieses Merkmal entfällt, wenn der Erklärungsempfänger den Mangel beim Erklärungsbewusstsein des Handelnden kennt. Nur bei kumulativem 23  Unbewusstes

Verwalten liegt beispielsweise bei Aussagen unter Hypnose, Reflexbewegungen oder Handlungen im Schlaf vor. 24  Ein Beispiel hierfür ist etwa das Führen der Hand des Erklärenden bei einer Vertragsunterzeichnung durch einen Dritten, also Gewalt im Sinne von vis absoluta. Gewalt in Form von vis compulsiva, etwa durch arglistige Täuschung oder Drohung, genügt dagegen nicht. Im letzteren Fall ist nur eine Anfechtung gem. § 123 BGB möglich. 25  Brox/Walker, AT, Rn. 84; MünchKomm/Armbrüster, vor § 116 BGB, Rn. 22. 26  Brox/Walker, AT, Rn. 85; Köhler, AT, § 6, Rn. 3; Wolf/Neuner, S. 351 f. 27  Brox/Walker, AT, Rn. 137. 28  Ob eine Willenserklärung in einem solchen Fall wirksam ist oder nicht, war zumindest in der Vergangenheit streitig. Nach der Willenstheorie ist das Erklärungsbewusstsein für die Wirksamkeit einer Willenserklärung notwendig und es soll vorrangig auf den subjektiven Willen des Erklärenden abgestellt werden. Danach wäre in einem solchen Fall keine Willenserklärung gegeben. Die überwiegende Meinung folgt jedoch der Erklärungstheorie. Bei dieser Theorie steht der Erklärungsempfänger im Vordergrund. Zwar habe nach dem BGB der Erklärende die Wahl der Art und Weise der Erklärungshandlung, dies begründe jedoch für ihn auch eine Verantwortung. Teil dieser Verantwortung sei die Übernahme des Erklärungsrisikos. Danach müsse sich der Erklärende ein Verhalten zurechnen lassen, das sich für den Erklärungsempfänger als Willenserklärung darstelle, auch wenn der Erklärende selbst kein Erklärungsbewusstsein gehabt habe. Vgl. BGHZ 91, 324; 109, 171, 177 m. w. N.; BGH vom 19.9.2002 - V ZB 37/02 -, NJW 2002, 3629; Palandt/Ellenberger, vor § 116 BGB, Rn. 17; Wolf/Neuner, S. 352, Rn. 21 ff. m. w. N.

§ 8  Allgemeine Rechtsgeschäftslehre

77

Vorliegen beider Voraussetzungen gilt der potentielle Erklärungsempfänger nach überzeugender Auffassung als schutzwürdig und der Handelnde muss die Willens­ erklärung gegen sich gelten lassen. In diesem Fall kommt allerdings für den Handelnden eine Anfechtung infrage.29 cc) Geschäftswille Als Geschäftswille wird der Wille des Handelnden zur Herbeiführung einer ganz bestimmten Rechtsfolge bezeichnet.30 Dies ist also die Absicht des Erklärenden, ein konkretes Geschäft abschließen zu wollen. Während für die Unterstellung des Erklärungsbewusstseins schon die Vorstellung reicht, irgendeine rechtlich relevante Erklärung abzugeben, genügt für den Geschäftswillen nur die Deckungsgleichheit zwischen objektiver Erklärung und Vorstellung.31 Der Geschäftswille gehört jedoch nicht zu den zwingend notwendigen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Willenserklärung.32 b)  Objektive Voraussetzungen Unter dem objektiven Tatbestand wird die tatsächliche Willensäußerung verstanden. Für die Wirksamkeit einer Willenserklärung bedarf es also der Kundgabe eines Rechtsbindungswillens. Der Grund hierfür liegt darin, dass nicht der innere Wille, sondern nur der äußerlich erkennbare Wille geeignet ist, einen Rechtserfolg zu erreichen.33 Die Abgabe der Erklärungen kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent geschehen. Eine konkludente Willenserklärung liegt insbesondere dann vor, wenn eine Person mit ihrem Verhalten unmittelbar einen nichterklärungstechnischen Zweck verfolgt, aber mittelbar eine Erklärung zum Ausdruck bringt. Einige sprechen in dem Zusammenhang ferner von einer Erklärung mittels schlüssigen Verhaltens.34 Eine Rolle spielt diese Erklärungsform zudem bei Netzwerkverbindungen. Vielfach wird der Erklärungsinhalt insbesondere wegen der häufig rechtsunkundigen Netzwerkakteure und nicht spezifisch bestimmter Verbindungen nur aus den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln sein.35

Medicus, AT, S. 246 f., § 40, Rn. 605 ff.; Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 10 f. Wolf/Neuner, S. 353, Rn. 25. 31  Brox/Walker, AT, Rn. 86; Köhler, AT, § 6, Rn. 3. 32  Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 12; Schack, S. 69, Rn. 203; Erman/Arnold, vor § 116 BGB, Rn. 18. 33  Brox/Walker, AT, Rn. 83. 34  Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 3. 35 Vgl. Medicus, AT, S. 138, § 25, Rn. 334. 29 

30 

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

78

c)  Netzwerkspezifische Beurteilung Die Wirksamkeitsvoraussetzungen für Willenserklärungen gelten allgemein. Sind sie bei Netzwerkakteuren gegeben, kommt es zur rechtsgeschäftlichen Erheblichkeit. Zudem macht es hierbei keinen Unterschied, ob es sich um Willenserklärungen zwischen Netzwerkbeteiligten oder um solche eines Netzwerkakteurs gegenüber Dritten handelt. Durch eine Netzwerkbeteiligung bleibt es einem Netzwerkpartner grundsätzlich selbst überlassen, ob und in welcher Form er Erklärungen gegenüber anderen Personen abgibt und welche Gedanken er sich hierbei darüber macht. 3.  Sonstige Erklärungen ohne Rechtsbindungswillen Neben Realakten und geschäftsähnlichen Mitteilungen gibt es weitere Erklärungsformen, die bei der Abgrenzung von Willenserklärungen zur Begründung eines Rechtsgeschäfts eine besondere Position einnehmen. Letztere unterscheiden sich von rechtlich erheblichen Willenserklärungen vor allem durch den Rechtsbindungswillen. Als Rechtsbindungswille wird der objektive Wille des Erklärenden bezeichnet, eine Rechtsfolge herbeizuführen.36 Die Ermittlung erfolgt anhand einer Gesamtbetrachtung. Entscheidend ist, ob und welche beabsichtigte Rechtsfolge der Erklärende gegenüber dem Erklärungsempfänger geäußert hat und wie dieser sie verstehen durfte. Anhaltspunkte für einen solchen Bindungswillen bilden dabei die Art der Tätigkeit, der Grund und Zweck, die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung für die Beteiligten, die bestehende Interessenlage sowie der Wert gegebenenfalls anvertrauter Sachen.37 Hierbei werden je nach Intensität verschiedene Arten unterschieden. Klassische Beispiele sind die invitatio ad offerendum, das freibleibende Angebot und die einzelnen Gefälligkeitsverhältnisse. a)  Invitatio ad offerendum und das freibleibende Angebot Als invitatio ad offerendum wird eine Aufforderung zur Abgabe einer Willenserklärung verstanden.38 Eine solche Aufforderung ist damit lediglich die Anzeige einer generellen Vertragsbereitschaft des Anbieters, jedoch kein erkennbarer Wille, einen verbindlichen Vertrag abzuschließen. Solche unverbindliche Äußerungen sind in der Regel in Warenauslagen von Einzelhändlern, in Anzeigen von Versandhauskatalogen, im Internet, in Speisekarten oder dergleichen zu finden. Gerade bei derartigen Angeboten an eine Vielzahl von Personen müssen die Erklärungsempfänger erkennen, dass es sich nicht um annahmefähige Angebote handelt. VielMedicus, AT, S. 85, § 18, Rn. 191; Wolf/Neuner, S. 315, Rn. 18. BGH vom 21.7.2005 - I ZR 312/02 -, NJW-RR 2006, 117, 120; Palandt/Sprau, vor § 662 BGB, Rn. 4; Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 16 f. 38 Palandt/Ellenberger, § 145 BGB, Rn. 2. 36 

37 

§ 8  Allgemeine Rechtsgeschäftslehre

79

mehr will der Anbieter in derartigen Fällen einen verbindlichen Vertragsabschluss erst eingehen, wenn er die Möglichkeiten zur Beurteilung der Solvenz des potentiellen Vertragspartners und seiner eigenen Leistungsfähigkeit hatte. Andernfalls könnte es wegen der unkalkulierbaren Risiken zu eigenen und fremden Schäden kommen.39 Als ein weiteres Beispiel für eine Erklärung ohne bzw. mit eingeschränktem Rechtsbindungswillen gilt das freibleibende Angebot. Die genaue Begründung ist allerdings noch nicht abschließend geklärt.40 In der Praxis werden solche Angebote mit sogenannten Freiklauseln oft benutzt, wenn sich die zu verkaufenden Waren noch nicht im Besitz des Verkäufers befinden oder er den Preis im Zeitpunkt des Angebots nicht mit Sicherheit kennt.41 Die Konstellationen der invitatio ad offerendum und das freibleibende Angebot können bei einzelnen Geschäften zwischen Netzwerkakteuren zu anderen Netzwerkpartnern oder Dritten eine Rolle spielen. Als Beispiele sind hier zum einen standardisierte Angebote zur Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft und zum anderen Verbindungen zu nennen, bei denen vorwiegend erst ein Konzept(-entwurf) existiert. Letztere Verbindungen entstehen etwa, wenn ein Automobilhersteller bei verschiedenen bisher unbekannten Zulieferern konkrete Pläne für die Entwicklung und Lieferung bestimmter Fertigungsteile abfragt. Insoweit lassen sich jedoch keine Besonderheiten bei der Beurteilung erkennen. b) Gefälligkeitsverhältnisse Weitere Erklärungen ohne bzw. mit eingeschränktem Rechtsbindungswillen sind solche zur Begründung von Gefälligkeitsverhältnissen. In der juristischen Literatur werden im Wesentlichen reine Gefälligkeitsverhältnisse, Gefälligkeitsverhältnisse mit Sorgfaltspflichten und Gefälligkeitsverträge unterschieden.42

39 MünchKomm/Busche,

§ 145 BGB, Rn. 10 ff. allem in der Vergangenheit sollte in einem solchen Fall die Erklärung nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots darstellen. Geht dem Erklärenden jedoch darauf ein verbindliches Angebot zu, dann hat er gegenüber dem Anbietenden eine Erklärungspflicht. Schweigt der Annehmende, kann dies eine Annahme bedeuten, vgl. RG vom 1.2.1926 - 545/25 IV -, JW 1926, 2674 f. Andere sehen in solchen Erklärungen dagegen ein verbindliches Angebot iSd. § 145 BGB, dessen Freigabeklausel als Widerrufsvorbehalt ausgelegt werden muss. Danach soll die Erklärung bis zur Annahme des Gegners widerrufbar sein, vgl. Erman/Armbrüster, § 145 BGB, Rn. 17. Wieder andere werten eine derartige Erklärung stets als einen Antrag unter Ausschluss der Bindungswirkung, der auch nach Zugang der Annahmeerklärung noch unverzüglich widerrufbar ist. Vgl. zum Streitstand mit weiteren Nachweisen BGH vom 8.3.1984 - VII ZR 177/82 -, NJW 1984, 1885. 41  BGH vom 2.11.1995 - X ZR 135/93 -, NJW 1996, 919; Palandt/Ellenberger, § 145 BGB, Rn. 4. 42  Die Rechtsprechung differenziert dagegen hauptsächlich zwischen (Gefälligkeits-) Verträgen und reinen Gefälligkeiten, vgl. BGHZ 21, 102, 106. 40  Vor

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

80

aa)  Reine Gefälligkeitsverhältnisse Reine Gefälligkeitsverhältnisse sind Verbindungen, bei denen sich die Beteiligten zu keiner Leistung verpflichten und auch keine Sorgfaltspflichten beachten wollen. Im Gegensatz zu rechtlich erheblichen Willenserklärungen haben Erklärungen zur Begründung solcher Beziehungen also einen völlig unverbindlichen Charakter. In der Regel kommt es zu derartigen Erklärungen beispielsweise bei Einladungen zu gesellschaftlich-sozialen Anlässen, Freizeitveranstaltungen oder anderen außerrechtlichen Geltungsgründen, wie Freundschaft, Kollegialität oder Nachbarschaft.43 Ein Geburtstagskind will erkennbar weder auf Erfüllung zur Durchführung der Geburtstagsfeier noch auf Ersatz eines Schadens im Fall einer Absage haften.44 Ungeachtet dessen bedarf es in jedem Einzelfall der Beachtung der Gesamtumstände.45 Die Tatsache einer unentgeltlichen Leistung des einen Vertragspartners genügt dagegen allein nicht, was die Regeln über den Auftrag nach §§ 662 ff. BGB bestätigen. Neben einem gesellschaftlich-sozialen Beweggrund ist demnach eher von einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen, wenn die Verbindung keine bzw. unwesentliche wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung hat. Bei Eintritt einer unerwarteten Wendung darf also im Wesentlichen kein Schaden entstehen, weil die beteiligten Rechtsgüter einen geringen Wert haben und im Übrigen alle Beteiligten erkennbar von dieser Wertung ausgegangen sind.46 bb)  Gefälligkeitsverhältnisse mit Sorgfaltspflichten Während die Rechtsprechung vorwiegend zwischen Gefälligkeit und Rechtsgeschäft unterscheidet,47 werden in Teilen der Literatur zudem Gefälligkeitsverhältnisse mit Sorgfaltspflichten48 als weitere Kategorie genannt. Diese sollen dann vorliegen, wenn beide Erklärungsempfänger trotz nachvollziehbarer Annahme einer Gefälligkeit von einem eingeschränkten Rechtsbindungswillen, der die Übernahme von Sorgfaltspflichten umfasse, ausgehen können.49 Voraussetzung sei, dass die beteiligten Erklärungsempfänger ein Schutzbedürfnis erkennen und billigen. Weiterhin verlange die Annahme einer Rechtspflicht und die hieraus folgende Über-

43 Palandt/Grüneberg,

vor § 241 BGB, Rn. 7. von fehlenden vertraglichen Schadensersatzansprüchen bleiben jedoch die sonstigen Ansprüche auf Schadensersatz, etwa im Bereich des Deliktsrechts, bestehen, vgl. BGH vom 2.7.1968 - VI ZR 135/67 -, NJW 1968, 1874, 1875; vom 14.11.1991 - III ZR 4/91 -, NJW 1992, 498. 45  Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 17. 46  Vgl. Erman/Armbrüster, vor § 145 BGB, Rn. 7. 47  Oechsler, Rn. 756. 48  Zum Teil werden Gefälligkeitsverhältnisse mit Sorgfaltspflichten auch als Gefälligkeitsverhältnisse mit rechtsgeschäftlichem Charakter bezeichnet. 49  Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 18. 44  Unabhängig

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nahme des Schadensrisikos die Zumutbarkeit für den Handelnden.50 Es würden jedoch keine Bindungen wie bei einem gewöhnlichen Vertrag herrschen. Die den Gefälligkeitsverhältnissen mit Sorgfaltspflichten zugrunde liegenden Erklärungen stünden damit zwischen den Erklärungen zur Begründung reiner Gefälligkeitsverhältnisse und den gewöhnlichen (rechtserheblichen) Willenserklärungen.51 Als Beispiel führt die Literatur etwa eine Fahrgemeinschaft zum Arbeitsplatz gegen Kostenbeteiligung an. Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage kommen zwar keine Ansprüche auf Leistung jedoch Schadensersatzansprüche wegen Sorgfaltspflichtverletzungen in Betracht.52 Neben einer rechtsgeschäftlichen Grundlage wird auch eine gesetzliche nach § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB für diese Beziehungen diskutiert.53 cc) Gefälligkeitsverträge Im Gegensatz zu reinen Gefälligkeitsverhältnissen sind Gefälligkeitsverträge rechtlich bindende Verträge. Der Unterschied zu gewöhnlichen Verträgen besteht darin, dass keine Gegenleistung geschuldet wird, sogenannte einseitig verpflich­ tende Verträge. Einige bezeichnen den Gefälligkeitsvertrag auch einfach als unentgeltlichen Vertrag. In diese Kategorie gehören etwa die Schenkung (§§ 516 ff. BGB), die Leihe (§§ 598 ff. BGB), der Auftrag (§§ 662 ff. BGB) und die Verwahrung (§§ 688 ff. BGB).54 Zur Begründung derartiger Verträge sind rechtlich erhebliche Willenserklärungen notwendig. Diese Willenserklärungen müssen im Vergleich zu den Erklärungen für die Begründung von Gefälligkeitsverhältnissen zudem einen erkennbaren uneingeschränkten Rechtsbindungswillen haben. Demnach folgt die Stellung zwischen Gefälligkeitsverhältnis und zweiseitigem Vertrag lediglich aus der fehlenden Gegenleistungspflicht für den einen Vertragspartner. Neben der einseitigen Hauptleistungspflicht herrscht im Übrigen, jedoch eine gewöhnliche rechtliche Bindung, insbesondere im Bereich der Nebenpflichten.55 dd) Netzwerkbezug Unabhängig von wirtschaftlichen und sozialen Umfeldern muss ebenso bei Beziehungen zwischen Netzwerkakteuren geprüft werden, ob und inwieweit die Verbindungen rechtlich erheblich sind. Als problematisch gilt dies innerhalb von Netzwerken vor allem, weil sich bei einem Netzwerk häufig die Verbindungen zwischen den einzelnen Akteuren unterscheiden. Zudem sind abweichende Entwicklungen der einzelnen Verbindungen möglich. Beispielsweise kann eine vertragliche 50 Vgl. BGH vom 14.11.1991 - III ZR 4/91 -, NJW 1992, 498; vom 16.5.1974 - II ZR 12/73 -, NJW 1974, 1705, 1706. 51  Schmidt, AT, Rn. 291. 52  Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 18; Wolf/Neuner, § 28, Rn. 21. 53  Schwerdtner, NJW 1971, 1673, 1674 f.; vgl. Oechsler, Rn. 755 m. w. N. 54  Schmidt, AT, Rn. 286; Rüthers/Stadler, § 17, Rn. 19. 55 Vgl. Schmidt, AT, Rn. 286 f.

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Verbindung zwischen den fiktiven Netzwerkakteuren A und B rein unverbindlich zu qualifizieren sein, weil ihre gemeinsamen geschäftlichen Verbindungen ihren Zweck erreicht haben, während sowohl A als auch B jeweils für C Entwicklungsarbeit leisten und sich damit in vertraglichen Beziehungen befinden. Ebenso sind Verhältnisse mit teilweiser rechtlicher Verbindlichkeit vorstellbar, sodass zumindest Schutz- und Sorgfaltspflichten für die jeweiligen Netzwerkakteure erwachsen. c)  Auskünfte und Ratschläge aa) Grundlagen Bei der Aufnahme von Beziehungen oder währenddessen kommt es häufig zu Auskünften und Ratschlägen. Auch in solchen Fällen ist zu klären, ob die Empfehlungen erkennbar gedacht sein sollten, um Rechtsfolgen auszulösen – also auf einem Rechtsbindungswillen beruhen und somit als Willenserklärung zu werten sind. In der Regel dienen derartige Erklärungen jedoch nur der Bekanntgabe von Überzeugungen oder Ereignissen, sodass keine Willenserklärungen samt Rechtsgeschäft vorliegen. Zudem stellt etwa § 675 Abs. 2 BGB klar, dass ein Schaden durch einen Rat oder eine Empfehlung nicht zum Ersatz verpflichtet, es sei denn, es liege ein Vertragsverhältnis, eine unerlaubte Handlung oder eine sonstige gesetzliche Bestimmung vor, die dies anordne.56 Ob ein Vertragsverhältnis besteht, muss nach den oben genannten Indizien für die Bestimmung des Rechtsbindungswillens ermittelt werden. Hiervon ist auszugehen, wenn die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung darauf schließen lassen, dass beide Teile die Auskunft oder den Ratschlag zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben.57 Hat die ratsuchende Person zudem der Auskunft erkennbar erhebliche Bedeutung zugemessen und will sie diese offenkundig als Grundlage für eine wesentliche Entscheidung berücksichtigen, stellt dies ein starkes Indiz für einen Bindungswillen dar.58 In der Regel wird ein derartiger Wille bei besonders sachkundigen oder selbst wirtschaftlich interessierten Auskunftspersonen anzunehmen sein.59 Beratungsverträge entstehen häufig bei entsprechenden Auskünften von Unternehmensberatern, Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern, Architekten und Sachverständigen.60

56 Palandt/Sprau,

§ 675 BGB, Rn. 33. BGH vom 17.5.1990 - IX ZR 85/89 -, NJW 1991, 32. 58  BGH vom 16.10.1990 - XI ZR 165/88 -, NJW 1991, 352. 59  BGH vom 15.6.1993 - XI ZR 111/92 -, NJW 1993, 3073, 3075; BGHZ 140, 111, 115. Einem Auskunftsvertrag steht es zudem nicht entgegen, wenn zwischen den beteiligten Personen später gar kein Vertrag zustande kommen soll, vgl. BGHZ 7, 371, 375. 60 Palandt/Sprau, § 675 BGB, Rn. 48 ff. 57 Vgl.

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bb) Netzwerkbezug Bei Netzwerken hat das Sozialkapital große Bedeutung erlangt. Wie schon oben erwähnt, beschreiben Soziologen die Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Ressourcen als soziales Kapital, die mit sozialen Beziehungen verbunden sind.61 Dies trifft insbesondere auf Wissen und Einfluss der Netzwerkakteure zu. Hierin soll der Schlüssel zu Innovationen samt Wettbewerbsvorteilen liegen. Vor allem den schwächeren Verbindungen weist man in der Soziologie die größeren Chancen auf Informationsgewinne zu, weil aufgrund des weniger intensiven Kontakts eine geringere Transparenz herrsche (s. § 2 III.). Auch in der Wirtschaft sind Informationen und Kontakte von bedeutendem Wert. Neben dem Bereich der Marktforschung sei vor allem an die Vergabe von (Bau-)Aufträgen im nicht ausschreibungspflichtigen Bereich erinnert. Ähnlich verhält es sich bei der Arbeitsplatzsuche. Hier spielen nicht zuletzt persönliche Beziehungen, der Austausch von Erfahrungen und Vertrauen eine entscheidende Rolle. Da letztere Verbindungen allerdings eher loser sind, kommt es häufig zu keiner (detaillierten) Regelung der Beziehungen. Es stellt sich also immer wieder die Frage, wie Auskünfte, Ratschläge und ein solcher Informationsaustausch rechtlich zu handhaben sind. Nötig ist folglich in jedem Einzelfall die Bestimmung des Rechtsbindungswillens mit dessen Reichweite. Liegt eine verbindliche Auskunft oder dergleichen vor, können Schadensersatzansprüche bei falschen Auskünften oder Beratungen innerhalb von Netzwerkverbindungen entstehen.

II. Auslegung 1. Grundlagen Zu den grundlegenden Institutionen im Recht zählt die Auslegung. Diese schafft die notwendigen Voraussetzungen für eine privatautonome Gesellschaftsordnung. Neben der Anwendung auf Gesetze spielt sie vor allem bei Erklärungen und Rechtsgeschäften eine bedeutende Rolle. Inhaltlich geht es um die Ermittlung des Willens bei nicht eindeutiger Ausgangslage. Möglich sind die einfache und die ergänzende Auslegung.62 a)  Einfache Auslegung Mit der einfachen Auslegung soll der hinter der Erklärung stehende Wille der entäußernden Personen ermittelt werden. Nur so kann der Einzelne seine Lebensverhältnisse selbst gestalten und die grundgesetzlich gewährleistete Privatautonomie verwirklichen. Den Ausgangspunkt bildet prinzipiell die objektive Bedeutung 61  Coleman, in: Die Institutionalisierung von Lehren und Lernen, S. 99; Holzer, S. 14 f. m. w. N. 62  Brox/Walker, AT, Rn. 124.

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der Erklärung.63 Ergänzend zum eigentlichen Wortlaut sind sodann die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, § 133 BGB. Neben der Erklärung selbst bedürfen daher insbesondere Äußerungen gegenüber anderen Personen, Vertragsverhandlungen, Geschäftsbräuche und Verkehrssitten der Beachtung. Ebenso sind die Interessenlage des Erklärenden sowie gegebenenfalls die des Erklärungsempfängers einzubeziehen. Eine nur auf die Interessen des Erklärenden abstellende Auslegung gilt ausnahmsweise als zulässig, wenn keine andere schutzbedürftige oder schutzwürdige Person beteiligt ist, so etwa bei Testamenten.64 Eine andere Handhabung herrscht beispielsweise für empfangsbedürftige Erklärungen. Hier werden neben dem Rechtskreis des Erklärenden außerdem die Interessen des Empfängers berührt. In dem Zusammenhang muss bei der Auslegung auch seine Situation und Einstellung auf die Rechtslage Berücksichtigung finden. Sollte sich eine Abweichung zwischen der Erklärung und dem Willen des Erklärenden ergeben, verdient daher grundsätzlich der Vertrauensschutz des Empfängers gegenüber dem Erfolgsinteresse des Erklärenden Vorrang. Ein solcher Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers entfällt allerdings, wenn er den wirklichen Willen des Erklärenden erkannt hat oder bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können. Insbesondere im letzteren Fall besteht eine Pflicht zur Rücksichtnahme, die bei Anhaltspunkten entsprechende Ermittlungen und Nachfragen gebietet.65 b)  Ergänzende Auslegung Als weitere Form gilt die ergänzende Auslegung. Inhaltlich werden bei dieser Auslegung Willenserklärungen und Vereinbarungen nicht nur gedeutet, sondern vielmehr „zu Ende gedacht“. Voraussetzung ist eine Lücke im Rechtsgeschäft und keine Möglichkeit, diese mithilfe von dispositiven Regeln zu schließen. Eine solche Lücke liegt vor, wenn bei Vertragsschluss ein bestimmter Umstand nicht oder falsch berücksichtigt wurde. Keiner Beachtung bedarf es, ob die Lücke durch die ursprüngliche Annahme einer fehlenden Regelungsbedürftigkeit oder einfach infolge von Unkenntnis entstand. Eine solche Sachlage existiert allerdings nicht, wenn alle Beteiligten die streitige Frage erkannten, für regelungsbedürftig hielten, aber bewusst darauf verzichteten. Die Ausfüllung der Lücke erfolgt auf der Grundlage des hypothetischen Parteiwillens. Als maßgeblich gilt hierbei, was die Beteiligten gewollt hätten, wenn sie an den nicht berücksichtigten Umstand gedacht hätten. Neben der Verkehrssitte sowie den Geboten von Treu und Glauben iSd. § 157 BGB sind für die Ermittlung vor allem die im Vertrag getroffenen Wer63  Während bei der natürlichen Auslegung der wirkliche (subjektive) Wille ermittelt wird, erhält man bei der normativen Auslegung die objektive Bedeutung der Erklärung. Letztere Auslegung trägt vor allem der Situation des Erklärungsempfängers Rechnung, dem es nicht immer möglich sein wird, den wirklichen Willen zu erkennen. Im Übrigen spricht der hinter den §§ 119, 157 BGB stehende Rechtsgedanke für eine normative Auslegung, vgl. Brox/Walker, AT, Rn. 130 ff. 64  BGHZ 80, 246, 249; 86, 41, 45; Palandt/Ellenberger, § 133 BGB, Rn. 13. 65  Brox/Walker, AT, Rn. 125 ff.

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tungen der Parteien heranzuziehen. Es entscheiden die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Motive, Verkehrssitten, Interessenlagen und regelmäßig der Vertragszweck.66 Eine vom Parteiwillen abweichende und sowohl dem Vertragstypus als auch dem Vertragszweck nicht gerecht werdende Auslegung, wäre mit der Privatautonomie unvereinbar und würde der Verwirklichung eines fremden Willens dienen.67 2. Netzwerkbezug Die Auslegung hat auch in Netzwerkbeziehungen eine hohe Bedeutung. Bei Personennetzwerken muss vielfach schon geklärt werden, zwischen welchen Beteiligten und inwieweit rechtlich erhebliche Beziehungen existieren. Dies geschieht regelmäßig durch Auslegung der Erklärungen zwischen den involvierten Akteuren. Neben den allgemeinen Umständen des Einzelfalls sind vor allem die Interessen und Erwartungen der Personen zu beachten. Während Netzwerke mit einem sozialen Kontext eher ohne vertragsrechtliche Beziehungen zwischen den Akteuren bestehen, ist eine festere rechtliche Bindung bei solchen mit wirtschaftlichem Hintergrund wahrscheinlicher. Gerade bei wirtschaftlich handelnden Akteuren kann es erkennbar für alle Beteiligten zu erheblichen Konsequenzen kommen. Bei der Auslegung von Vereinbarungen zwischen Netzwerkakteuren im wirtschaftlichen Bereich gestattet es jedoch auch die mindestens mittelbare Verbundenheit nicht, pauschal alle Netzwerkbeziehungen zu berücksichtigen. Vielmehr darf für die Auslegung einer vertraglichen Regelung zwischen zwei Netzwerkakteuren nur dann eine Vereinbarung mit einem verbunden Dritten herangezogen werden, wenn beide bei Abschluss des auslegungsbedürftigen Vertrages von der Vereinbarung mit dem Dritten Kenntnis hatten.68 Neben der deutenden Interpretation findet die ergänzende Auslegung im Rahmen von Netzwerkbeziehungen Anwendung. Diese spielt vor allem bei der Bestimmung der einzelnen Rechtspflichten eine Rolle. Verbinden sich verschiedene Personen beispielsweise um Wettbewerbsvorteile durch den Einkauf mit Mengenrabatten zu erzielen, muss grundsätzlich eine entsprechende Weiterleitungsverpflichtung der Vorteile selbst bei nicht ausdrücklicher Vereinbarung untersucht werden.69 Dies gilt erst recht, wenn den Vorteilen keine eigenen Risiken gegenüberstehen.70 Nur wegen der Wettbewerbsvorteile hat eine Person das Bedürfnis sich mit einer anderen zu verbinden. Erfolgt eine wesentliche Minderung der Vorteile oder entfallen sie vollständig, existiert kein Grund für die Verbindung. Der Netzwerkakteur könnte ebenso allein handeln oder eine Verbindung mit anderen Personen wählen. Diese Interessenlage ist regelmäßig auch für die verbundenen Brox/Walker, AT, Rn. 138 ff. Vgl. MünchKomm/Busche, § 157 BGB, Rn. 47 f. 68  BGH vom 2.2.1999 - KZR 11/97 -, NJW 1999, 2671, 2675. 69  Teubner, S. 143 ff. 70  Böhner, KritV 2006, 227, 235. 66  67 

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Partner erkennbar. Nicht grundlos werden in der Praxis Vorteilsabschöpfungen gegenüber den Verbundpartnern geheim gehalten und unter Umständen verschleiernd etwa als Bearbeitungskosten oder Werbekostenzuschüsse bezeichnet.71 Ein darauf aufbauendes Vertrauen eines Netzwerkakteurs gilt nur dann als nicht schutzwürdig, wenn eine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde. Ebenso verhält es sich mit den sonstigen oben aufgezählten wirtschaftlichen Netzwerkvorteilen, sofern entsprechende Erwartungen bestehen. Hiergegen sprechen auch nicht potentielle Netzwerknachteile, wie etwa Machtmissbrauch von Personen in Maklerpositionen oder in einem hierarchischen Netzwerk. Schließlich verbinden sich Personen zur Verwirklichung der Vorteile und nicht wegen möglicher Nachteile. Im Übrigen setzen sogar wirtschaftliche Betrachtungen eine wohlwollende Umgangsform zwischen den Parteien voraus, nachdem jeder bei Fremdberührung so zu handeln habe, als wäre das Problem sein eigenes (vgl. § 3 IV.). Grundsätzlich ist daher bei der deutenden und ergänzenden Auslegung von einem rücksichtsvollen und partnerschaftlichen Umgang zwischen den Netzwerkbeteiligten auszugehen, falls im Einzelfall keine abweichenden Anhaltspunkte für den Empfänger erkennbar sind.

III.  Allgemeine Geschäftsbedingungen 1. Grundlagen Vereinbarungen können ebenfalls unter Zuhilfenahme von allgemeinen Geschäftsbedingungen zustande kommen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Vertragsschluss zumindest teilweise mit vorformulierten Erklärungen geschieht. Hiermit will der Verwender seine spezifischen Interessen möglichst umfassend wahren. Neben Vereinfachungseffekten existiert aber die Gefahr einer einseitigen Interessenwahrnehmung durch den Verwender der Klauseln. Im Raum steht die Befürchtung, dass er sich von eigenen Verpflichtungen freizeichnet und alle Risiken auf den Geschäftspartner überwälzt. Hat der Verwender zudem eine monopolartige Stellung, herrscht gegenüber dem Partner ein Zwang zur Annahme. Einige nehmen die allgemeinen Geschäftsbedingungen auch schlicht nicht wahr oder verkennen sie in ihrer Bedeutung. Aus den Gründen sieht der Gesetzgeber in den §§ 305 ff. BGB eine besondere Rechtskontrolle vor.72 2. Netzwerkbezug Die Beurteilung von allgemeinen Geschäftsbedingungen hat selbst keinen spezifischen Netzwerkbezug. Allerdings gibt es punktuelle Berührungsstellen. Im weiteren Sinne beginnt dies schon bei der Klassifizierung der Klausel als allgemeine Geschäftsbedingung. Gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB müssen diese unter anderem 71 Eingehend auf Franchisebeziehungen Weber, in: Gesellschaftliche Teilhabe trotz Schulden, S. 165, 177 f. 72  Brox/Walker, AT, Rn. 219 ff.

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vorformuliert sein. Hierfür genügt neben der eigenen auch die Vorformulierung eines Dritten, wie etwa einem Interessenverband.73 Sogar die Vorformulierung kann also von anderen Personen erfolgen. Eine gewichtigere Rolle spielt die AGB-Kontrolle bei rechtlichen Vereinbarungen zwischen Netzwerkakteuren. In der Vergangenheit wurde dies vor allem bei Konflikten zwischen Franchisepartnern deutlich. In standardisierten Verträgen räumte beispielsweise der Autovermieter Sixt seinen Franchisenehmern die Option ein, „…zu den in den Großabnehmerabkommen vereinbarten Konditionen Fahrzeuge zu beziehen, soweit die Hersteller dies zulassen…“.74 Ebenso sicherte etwa Apollo-Optik seinen Franchisenehmern zu, sie würden „…Vorteile, Ideen und Verbesserungen zur Erreichung optimaler Geschäftserfolge an den Partner weiter [-geben]…“. Ferner gab Apollo an seine Vertragspartner Rabattstaffeln aus.75 Neben den Verträgen mit den Franchisenehmern vereinbarten die Franchisegeber allerdings direkt mit den Lieferanten der Franchisenehmer und ohne deren Kenntnis Werbekostenzuschüsse bzw. Differenzrabatte (kick-backs). Als die Franchisenehmer von den zusätzlichen Zahlungen erfuhren, beanspruchten sie diese gegenüber ihrem Franchisegeber. Auch insofern gelten die §§ 305 ff. BGB für die Vertragsbedingungen als Kontrollmaßstab. Auf der Grundlage der Vertragsauslegung wurde von der Rechtsprechung nach den Gegebenheiten prinzipiell ein Anspruch der Franchisenehmer bejaht. Gerade bei Formularvertragsklauseln ist auf die Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden abzustellen. Sie sind also einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise daran beteiligten Kreise verstanden werden.76 Weiterhin gehen Zweifel im Rahmen der Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Problematisch war jedoch bei den oben angesprochenen Franchiseverträgen mit der Firma Sixt vor allem das Weitergabeverbot („…soweit die Hersteller dies zulassen…“). Während das Berufungsgericht in der Weitergabebeschränkung eine unangemessene Regelung (§ 307 Abs. 2 BGB) und einen Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) sah,77 blieb diese Vereinbarung vom BGH unbeanstandet. Der Herstellervorbehalt sei laut BGH nicht willkürlich, weil die Entscheidung nur mit dem Hersteller und nicht allein vom Franchisegeber abhinge. Aufgrund einer fehlenden Verpflichtung des Franchisegebers zur Eröffnung von Einkaufsquellen könne erst recht die Vorenthaltung von Vorteilen aus dieser

73 MünchKomm/Basedow,

§ 305 BGB, Rn. 14. BGH vom 2.2.1999 - KZR 11/97 -, NJW 1999, 2671. 75  BGH vom 20.5.2003 - KZR 19/02 -, BB 2003, 2254. 76  BGH vom 25.6.1992 - IX ZR 24/92 -, NJW 1992, 2629; vom 9.5.2001 - VIII ZR 208/00 -, NJW 2001, 2165, 2166. 77  OLG München vom 27.2.1997 - U (K) 3297/96 -, BB 1997, 1429, 1433 f. 74 

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Quelle keine unangemessene Benachteiligung sein.78 Dagegen wird von anderer Seite vor allem § 307 Abs. 2 Ziff. 2 BGB geltend gemacht.79 Nach § 307 Abs. 2 Ziff. 2 BGB benachteilige eine Klausel im Zweifel unangemessen, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergäben, so eingeschränkt würden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei. Dies erfordere die Bestimmung eines Leitbildes, welches sich wiederum am vereinbarten Vertragstyp, dem allgemeinen Sinn des Vertrages und dem spezifischen Zweck des Vertragsschlusses ergebe. Letztlich müsse hierbei der Wirklichkeit entsprechend Rechnung getragen werden.80 Festzustellen ist, dass gerade bei Netzwerken im Geschäftsleben die vertragliche Verbindung insbesondere wegen der Erlangung von wirtschaftlichen Verbindungsvorteilen erfolgt (vgl. § 3 IV.). Verhindern allerdings bestimmte Klauseln die Erreichung dieser Vorteile, bleibt der spezifische Zweck des Vertragsschlusses unerreichbar, sodass eine entsprechende Klausel unangemessen benachteiligt. Klauseln, die eine ungehinderte Abschöpfung von Einkaufsvorteilen durch Franchisegeber ermöglichen, können etwa unangemessen sein, weil sich die wirtschaftlich sinnvoll gedachte vertragliche Franchiseverbindung für den Partner als aussichtslos herausstellt.81 Verstärkt wird ein solcher Verdacht, wenn der Franchisenehmer zum Einkauf bei bestimmten Händlern verpflichtet ist und eine Umsatzgarantie besteht.82 Unabhängig vom hier vertretenen Standpunkt müssen jedoch prinzipiell abweichende Regelungen möglich sein. Besonders Individualvereinbarungen ermöglichen die Berücksichtigung der speziellen Vorstellungen der Vertragspartner.83 Einige halten es im umgekehrten Fall sogar für zulässig, eine gewöhnliche Beziehung unter Netzwerk-Regeln zu stellen.84

IV.  Hilfspersonen im rechtsgeschäftlichen Bereich 1. Grundlegendes Prinzipiell handelt jede Person für sich selbst und ist ebenso verpflichtet wie berechtigt, die Konsequenzen der Tätigkeit allein zu tragen. Jedoch besteht in der BGH vom 2.2.1999 - KZR 11/97 -, NJW 1999, 2671, 2676. Böhner, KritV 2006, 227, 242 ff. 80 Staudinger/Coester, § 307 BGB, Rn. 268 ff. Zum Teil wird auch versucht die Angemessenheit unter dem Einfluss der Verhandlungsstärke der involvierten Akteure zu beurteilen. Zu ermitteln ist danach, ob ein Verhandlungsungleichgewicht bestand und dies die überlegenere Partei unzulässig ausgenutzt hat, Brownsword, KritV 2006, 131, 138 ff. 81 Eingehend Weber, in: Gesellschaftliche Teilhabe trotz Schulden, S. 165, 180 ff. 82 Vgl. Böhner, KritV 2006, 227, 231, 251 f.; a. A. für das GWB BGH vom 11.11.2008 - KVR 17/08 -, GRUR 2009, 424 mit kritischer Anmerkung von Oechsler, in: LMK 2009, 276152. 83  So schon Weber, in: Gesellschaftliche Teilhabe trotz Schulden, S. 165, 179. 84  Brownsword, KritV 2006, 131, 132. 78 

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heutigen Form des netzwerkorientierten Zusammenlebens vielfach das Bedürfnis nicht jede Handlung persönlich zu erbringen und Hilfspersonen einzuschalten. Zum Teil kann es in einer modernen Wirtschafts- und Sozialordnung sogar erforderlich sein, andere Personen mit besonderer Sachkunde und Vertrauenswürdigkeit oder allein aus Gründen der Arbeitsteilung mit der Wahrnehmung eigener Interessen zu betrauen. Neben rein tatsächlichen Besorgungen gehören dazu auch rechtsgeschäftliche Erklärungen. Bei juristischen und geschäftsunfähigen Personen ermöglicht sogar erst die Tätigkeit von anderen die Teilhabe am Rechtsverkehr.85 All diese Formen erweitern den Wirkungskreis und die Beziehungen einer Person erheblich. Es entstehen zwischen den Beteiligten verschiedene verflochtene Verbindungen, die als Netzwerk anzusehen sind. Je nach Konstellation hat dies im rechtlichen Bereich unterschiedliche Konsequenzen und bedarf der spezifischen Beurteilung. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Handlungen von Dritten neben der eigenen Beziehung auch in einer zwischen fremden Akteuren Wirkungen auslösen. Vor allem für die Ausdehnung der rechtsgeschäftlichen Beziehungen sieht das Gesetz zum Beispiel die Institutionen Stellvertretung und Botenschaft vor. 2. Stellvertretung a) Allgemeines Das Musterbeispiel für die Erweiterung der rechtlichen Beziehungen einer Person ist das Institut der Stellvertretung. Gesetzlich wird es in den §§ 164 ff. BGB geregelt. Danach kann eine Person für eine andere rechtsgeschäftliche Erklärungen86 abgeben oder entgegennehmen, wenn sie Vertretungsmacht hat und nach außen erkennbar als deren Vertreter auftritt, § 164 BGB. Als Grundvoraussetzung gilt hierfür zudem die rechtliche Zulässigkeit der Stellvertretung, welche aber in der Regel vorliegt.87 b)  Eigene Willenserklärung Im Unterschied zur Botenschaft muss der Stellvertreter eine eigene Willenserklärung abgeben und nicht nur eine fremde überbringen. Die Bestimmung erfolgt wie bei Willenserklärungen üblich nach den äußeren Erklärungsumständen. Dabei zählt nur das objektiv erkennbare Verhalten der Hilfsperson gegenüber dem Erklärungsempfänger und nicht die Vorgabe des Hintermannes gegenüber seiner Rüthers/Stadler, § 29, Rn. 1 ff. Die Stellvertretung ist grundsätzlich sowohl bei gegenseitigen als auch bei einseitigen Erklärungen anwendbar. Dies gilt ebenso bei rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen, wie Mahnungen oder Fristsetzungen. 87  Eine Ausnahme bilden etwa höchstpersönliche Rechtsgeschäfte vor allem im Familien- und Erbrecht. Unzulässig ist die Stellvertretung daher z. B. bei der Eheschließung (§ 1311 BGB), der Testamentserrichtung (§ 2064 BGB) und dem Erbvertrag (§ 2274 BGB), vgl. Palandt/Ellenberger, vor § 164 BGB, Rn. 4 mit weiteren Beispielen. 85  86 

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Hilfsperson. Ist also eine (relativ selbstständige) Erklärung von einer Person mit einer gewissen Entscheidungsfreiheit zu erkennen, liegt eine Stellvertretung vor. Muss der Erklärungsempfänger dagegen von einer inhaltlich festgelegten und fremden Erklärung ausgehen, darf die Hilfsperson nur als Bote eingruppiert werden.88 Gerade diese Unterscheidung hat rechtliche Konsequenzen. Dies zeigt sich schon bei der Geschäftsfähigkeit. Während ein Vertreter gem. § 165 BGB zumindest bedingt geschäftsfähig sein muss, besteht bei einem Boten keine derartige Anforderung. Abweichungen herrschen auch bei der Anfechtung. Im Gegensatz zur Stellvertretung kann der Geschäftsherr eines Boten eine unbewusste Falschübermittlung der Willenserklärung durch den Erklärungsboten nach § 120 BGB anfechten. Diese Ungleichbehandlung setzt sich bei der maßgeblichen Person für die Kenntnis fort. Bei der Stellvertretung ist für die Kenntnis in der Regel auf die Person des Vertreters abzustellen, vgl. § 166 Abs. 1 BGB. Dagegen entscheidet trotz Tätigkeit eines Boten nur die Kenntnis des dahinter stehenden Geschäftsherrn. Ein weiteres Beispiel für die unterschiedliche Handhabung lässt sich im Rahmen des Zuganges von Willenserklärungen finden. Während verkörperte Erklärungen gegenüber einem passivlegitimierten Vertreter schon dann wirksam werden, wenn sie in seinem Machtbereich gelangen und mit dessen Kenntnisnahme zu rechnen ist, kommt es dazu bei einer Tätigkeit eines Empfangsboten erst mit der Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnis durch den Geschäftsherrn.89 c) Offenkundigkeit Neben der Abgabe einer eigenen Willenserklärung verlangt das Institut der Stellvertretung die erkennbare Mitteilung, im fremden Namen zu handeln. Dies soll den Beteiligten kenntlich machen, dass die Rechtsfolgen der Erklärung nicht der Vertreter, sondern der Vertretene tragen will. In jedem Fall kann diese Offenlegung bei einer ausdrücklichen und konkludenten Erklärung geschehen. Außerdem erlaubt § 164 Abs. 1 S. 2 BGB zur Wahrung die sichtbare Fremdbezogenheit aus den Umständen. Von dem Prinzip gibt es jedoch Ausnahmen. Eine ist beispielsweise bei den sogenannten Geschäften „für den, den es angeht“ gegeben. Dies sind in der Regel Bargeschäfte des täglichen Lebens, bei denen der Vertragspartner wegen des sofortigen Leistungsaustauschs und der Bereitschaft, mit jedem Erfüllungsfähigen Geschäfte zu machen, kein schutzwürdiges Interesse an der Offenlegung hat.90

Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 2. Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 3. 90  Medicus/Petersen, BR, Rn. 90. 88  89 

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d) Vertretungsmacht aa) Grundlagen Ferner gehört die Vertretungsmacht zu den Voraussetzungen der Stellvertretung. Sie kann auf verschiedenen Ausgangspunkten beruhen. Infrage kommen insbesondere gesetzliche und gewillkürte Grundlagen. Die gesetzliche Vertretungsmacht folgt unmittelbar aus einer Norm. Hierzu zählen auch die Konstellationen der organschaftlichen Vertretung. Die häufigsten Fälle sind etwa die Vertretungsmacht für die Eltern aus § 1629 Abs. 1 BGB und die für die Organe einer juristischen Person, wie § 26 Abs. 2 BGB, § 35 GmbHG, § 78 AktG. Dagegen spricht man von einer gewillkürten Vertretungsmacht, wenn sie aus einem Vertrag hervorgeht, wie beispielsweise einem Auftrag, einem Geschäftsbesorgungsvertrag oder Dienstvertrag.91 bb)  Vollmacht und Grundverhältnis Besonders im Fall der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht bedarf es der Unterscheidung von Vollmacht und Grundverhältnis. Während letzteres die Rechte und Pflichten zwischen Vertreter und Vertretenen regelt (Innenverhältnis), betrifft die Vollmacht das Außenverhältnis gegenüber dem Dritten. Die sogenannte Vollmacht ist abstrakt und grundsätzlich vom Grundverhältnis zu trennen. Demzufolge bleibt eine wirksam erteilte Vollmacht in der Regel auch dann erhalten, wenn das für sie kausale Rechtsgeschäft unter einem Nichtigkeitsmangel leidet. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Liegt beispielsweise ein Verbund zwischen der Bevollmächtigung und dem Kausalverhältnis zu einem einheitlichen Geschäft im Sinne des § 139 BGB vor, kommt es bei Nichtigkeit des Grundverhältnisses ebenso zur Rechtsunwirksamkeit der Vollmacht. Andere Verknüpfungen existieren beim Umfang und der Beendigung.92 cc) Vollmachtsbegründung Die Vollmacht kann unmittelbar gegenüber dem Vertreter als Innenvollmacht (§ 167 Abs. 1, 1. Alt. BGB) oder direkt gegenüber dem künftigen Vertragspartner bzw. den sonstigen Erklärungsempfänger als Außenvollmacht (§ 167 Abs. 1, 2. Alt. BGB) erteilt werden. Damit erfordert eine wirksame Vollmachtsbegründung nicht die unmittelbare Einbeziehung aller Beteiligten. Ausreichend ist vielmehr bereits eine einseitige (empfangsbedürftige) Erklärung gegenüber dem Vertreter, die rechtliche Wirkung gegenüber einer nicht zwingend unmittelbar involvierten Person entfaltet. Im Fall der Innenvollmacht erzeugt also schon eine bipolare Verbindung beziehungstechnische Konsequenzen bei zunächst außenstehenden Personen. Vor allem bei Gattungs- und Generalvollmachten, insbesondere der Prokura iSd. § 49 HGB, kommt diese Situation vor. 91  92 

Rüthers/Stadler, § 29, Rn. 2. Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 16.

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dd)  Umfang der Vertretungsmacht Während sich der Umfang einer gesetzlichen Vertretung regelmäßig aus speziellen hoheitlichen Normen ergibt, besteht bei einer rechtsgeschäftlichen Vertretung ein größerer Freiraum. Im Wesentlichen wird zwischen Spezial-, Gattungs- und Generalvollmacht unterschieden. Das Recht zur Festlegung des Umfanges einer Vollmacht hat grundsätzlich der Vollmachtgeber. Wie jede Willenserklärung unterliegt auch die Erteilung der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht der Auslegung. Die Deutung geschieht auf der Grundlage des objektiven Empfängerhorizonts nach den allgemeinen Regeln gem. §§ 133, 157 BGB. Bei einer Außenvollmacht entscheidet, wie ein objektiver Dritter in der Person des potentiellen Vertragspartners die Vollmachtserteilungserklärung verstehen durfte. Dagegen bestimmt sich der Umfang einer Innenvollmacht nach der Erklärung des Vollmachtgebers gegenüber dem Vertreter. In dem Fall ist zu fragen, wie ein objektiver Dritter in der Person des Vertreters die Erteilungserklärung auffassen musste. Hierbei sind auch das Grundverhältnis und der damit verfolgte Zweck mit einzubeziehen. Selbst Weisungen innerhalb des Grundverhältnisses können den Umfang der Vollmacht begrenzen, wenn sie nicht nur im Innenverhältnis das rechtliche Dürfen beeinflussen sollen.93 Ein Überschreiten führt nicht zu der Bindung des Vertretenen an das abgeschlossene Geschäft. Vielmehr handelt der Vertreter ohne Vertretungsmacht.94 Damit wird die oben festgestellte Drittwirkung – insbesondere bei der Innenvollmacht – weiter verdeutlicht. Eine Ausnahme von der freien Bestimmung des Vollmachtsumfangs durch den Vollmachtgeber bilden etwa gesetzliche Regelungen, welche die Reichweite einer Vollmacht festlegen. Als Beispiele sind hier die Prozessvollmacht (§§ 80 ff. ZPO), die Handlungsvollmacht und die Prokura anzuführen. Während § 49 HGB den Prokuristen die Befugnis für alle gerichtlichen sowie außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen einräumt, die ein Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, erklärt § 50 HGB Beschränkungen gegenüber Dritten für unwirksam. Unabhängig von der Einschränkung beim Außenverhältnis kann aber eine Begrenzung im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenen erfolgen. Eine Miss­ achtung durch den Vertreter führt dann zu Schadensersatzansprüchen gegen ihn. Sinn und Zweck der Bestimmung des § 50 HGB ist die Gewährleistung des Verkehrsschutzes. Ohne diese Verallgemeinerung käme es zu Ungewissheiten samt Nachforschungsbedürfnissen über den Umfang, sodass Sicherheit und Leichtigkeit des (kaufmännischen) Rechtsverkehrs beeinträchtigt wären.95 93  Ob eine Bestimmung im Grundverhältnis ausschließlich dieses und damit nur das rechtliche Dürfen oder zudem die im Außenverhältnis bestehende Vollmacht beeinflusst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Je strenger die Weisung im Grundverhältnis, desto mehr spricht gegen eine unbeschränkte Vollmacht im Außenverhältnis. 94  Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 23; Brox/Walker, AT, Rn. 551; Medicus, AT, S. 387, Rn. 932; MünchKomm/Schubert, § 177 BGB, Rn. 11; Palandt/Ellenberger, § 164 BGB, Rn. 13. 95 MünchKomm/Krebs, § 50 HGB, Rn. 1.

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ee) Untervollmacht Eng mit dem Umfang der Vertretungsmacht verbunden ist die Möglichkeit zur Untervollmacht. Primär wird als Untervollmacht die Vollmacht eines Stellvertreters verstanden, die er einem weiteren Vertreter im Namen des Vertretenen erteilt, sodass auch dieser für letzteren handeln kann. Die Befugnis des Hauptvertreters dafür liegt regelmäßig vor, wenn der Vertretene kein erkennbares Interesse an einer persönlichen Vertretung durch seinen ursprünglichen Bevollmächtigten hat.96 Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine solche Unterbevollmächtigung sind zum einen die wirksame Bevollmächtigung des Hauptbevollmächtigten und zum anderen die korrekte Vollmachtserteilung an den Unterbevollmächtigten. Der Umfang der Untervollmacht darf gleich oder geringer, aber nicht weiter als der Umfang der Hauptvollmacht sein.97 Andernfalls handelt der Unterbevollmächtigte wie ein gewöhnlicher Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 177 BGB. Der Unterbevollmächtigte braucht beim Handeln für den Vertretenen seine Stellung als Untervertreter nicht zu offenbaren. Vielmehr muss nur erkennbar sein, dass der Unterbevollmächtigte für den Vertretenen auftritt, sodass das Rechtsgeschäft unmittelbar für und gegen diesen wirkt.98 Besteht eine der beiden Vollmachten nicht, haftet der Untervertreter nach grundsätzlich § 179 BGB. Ebenso haftet der Hauptbevollmächtigte, wenn dessen Vollmacht vom Hauptvollmachtgeber unter einem Wirksamkeitsmangel leidet.99 Zu der Haftung des Vertreters nach § 311 Abs. 2 BGB kommt es regelmäßig nicht, da prinzipiell nur der Vertragspartner in den Anwendungsbereich fällt. Eine Ausnahme ist allerdings bei besonderem Vertrauen gegeben, was jedoch spezielle Umstände erfordert.100 Neben der unmittelbaren Vertretung des (Haupt-)Vertretenen durch den Untervertreter gibt es Fälle der mittelbaren bzw. gestuften Untervertretung.101 Viele bezeichnen auch sie als Untervollmacht. Hierbei bevollmächtigt der Hauptvertreter den Untervertreter nicht im Namen des Hauptvertretenen, sondern im eigenen Namen für ihn zu handeln. Der Untervertreter wird in einem solchen Fall also für den Hauptvertreter in seiner Position als Vertreter des Hauptvollmachtgebers 96  Ob der Vertreter die Befugnis zur Erteilung einer Untervollmacht hat, bestimmt sich in erster Linie nach der Willensäußerung des Vollmachtgebers. Nachrangig sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Dabei entscheidet das Interesse des Vertretenen oder ein aus der Sachlage folgendes Bedürfnis. Beruht die Vollmacht auf einem besonderen Vertrauen, spricht dies gegen eine Möglichkeit zur Erteilung einer Untervollmacht. Liegt dagegen kein Interesse an einer persönlichen Wahrnehmung der Angelegenheit oder eine besondere Verknüpfung von Hauptvollmachtgeber und Hauptvollmachtnehmer vor, wird die Befugnis zur Erteilung einer Untervollmacht bestehen, vgl. BGH vom 15.12.1958 - II ZR 110/57 -, WM 1959, 377. 97  Köhler, AT, § 11, Rn. 58. 98  Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 25. 99  Brox/Walker, AT, Rn. 548 f. 100  Petersen, Jura 1999, 401, 404. 101  Petersen, Jura 1999, 401.

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tätig, sogenannter Vertreter des Vertreters. Gibt der Unterbevollmächtigte also eine Erklärung für seinen Vollmachtgeber ab, treffen die Rechtsfolgen ebenso den Hauptvollmachtgeber. Die Konsequenzen der Handlungen gehen folglich durch den Hauptvertreter hindurch und wirken schließlich sowohl für als auch gegen den Hauptvollmachtgeber.102 Der wesentliche Unterschied zu der erstgenannten Konstruktion der Unterbevollmächtigung ist die rechtlich vollwertige Einschaltung einer Zwischenperson. Der Hauptvertreter hat in dieser Konstellation nicht nur die Stellung einer einfachen Hilfsperson. Vielmehr treffen ihn die Wirkungen des Rechtsgeschäftes selbst, wenn auch wegen der Weiterleitung zum Hauptvollmachtgeber unter Umständen nur für eine juristische Sekunde.103 Bedeutung erlangt diese Unterscheidung jedoch erst, wenn rechtliche Mängel innerhalb einer Vertreterverbindung vorkommen. Schwierigkeiten bereitet hierbei vor allem eine fehlende bzw. unwirksame Hauptvollmacht, sofern der Hauptvertretene die trotzdem vorgenommene Tätigkeit nicht genehmigt. Hierfür existiert ein breites Meinungsbild. Ist lediglich die Hauptvollmacht unwirksam, haftet nach einer Position ausschließlich der Hauptvertreter. Der Untervertreter soll entsprechend seiner Behauptung immer nur für die Untervollmacht nach § 179 BGB einstehen.104 Nach der Gegenauffassung muss sich der Unterbevollmächtigte immer nach § 179 BGB verantworten. Dies soll sogar dann gelten, wenn bloß die Hauptvollmacht an einem Wirksamkeitsmangel leide. Begründet wird der Standpunkt damit, dass die Untervollmacht von einer wirksamen Hauptvollmacht abhänge und der Untervertreter für das Vertrauen des Geschäftspartners in das wirksame Vertretergeschäft einstehen müsse.105 Andere führen weiterhin an, § 179 BGB schütze den handelnden Vertreter nicht vor einem bestimmten Unwirksamkeitsgrund, sondern trage einem solchen Umstand und der fehlenden Kenntnis des Untervertreters nur durch die Haftungsbegrenzung in der Regelung des § 179 Abs. 2 BGB Rechnung.106 Ein vermittelnder Standpunkt differenziert etwa nach der Offenlegung der Vertretungsverhältnisse. Er unterscheidet den Unterbevollmächtigten, der unmittelbar im Namen des Hauptvollmachtgebers agiert, von dem, der in Vertretung des Hauptvertreters im Namen des Hauptvollmachtgebers, also als Vertreter des Ver102  BGHZ 32, 250, 254. Diese Auffassung unterliegt jedoch vor allem der Kritik aus der Literatur. Danach widerspreche eine solche Sichtweise grundlegenden stellvertretungsrechtlichen Grundsätzen, weil allein der Hauptvollmachtgeber taugliches Zurechnungsobjekt sei, vgl. Siebenhaar, AcP 162 (1963), 354, 369 ff.; Gerlach, S. 106 ff.; Petersen, Jura 1999, 401 m. w. N. 103  A. A. Wolf/Neuner, AT, § 50, Rn. 37 f. Danach habe eine solche Annahme keine Stütze im Gesetz. Zudem wollen die Beteiligten nicht den Hauptvertreter bei einer solchen Handlung mit einbeziehen, sodass diese Konstruktion den Willen der Parteien widerspreche und damit sach- und verkehrsfremd sei. 104  Flume, AT, 1. Aufl., § 49, Ziff. 5. 105  Gerlach, S. 78 ff.; Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 62; vgl. Siebenhaar, AcP 162, 354, 383; BGHZ 68, 391, 393 f. m. w. N.; für den Bereich des Wechselrechts BGHZ 59, 179, 186 f. 106  Brox/Walker, AT, Rn. 548a.

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treters, handelt. Bei einer Erklärung des Unterbevollmächtigten ohne Mitwirkung und Bezugnahme allein im Namen des Hauptvertretenen soll eine primäre Haftung des Unterbevollmächtigten bestehen, wenn er die Vollmacht oder Untervollmacht nicht beweise. In der zweiten Alternative müsse sich der Unterbevollmächtigte verantworten, wenn er keine gültige Untervollmacht nachweisen könne, und der Hauptvertreter107, wenn er die Vertretungsmacht zu seinem Hauptvollmachtgeber nicht wirksam belege.108 Für die Nichthaftung des Unterbevollmächtigten bei dessen Offenlegung führt die Rechtsprechung zudem an, dass der Grund für die Haftung des Untervertreters die Hervorrufung des Anscheins einer wirksamen Vertretungsmacht sei. Lege er zudem seine Untervertreterstellung offen, sei selbst dieser Anschein begrenzt. Auch die Nachprüfbarkeit der Verbindungen sei für den Untervertreter pauschal nicht wesentlich besser als für den Geschäftsgegner, denn der Untervertreter müsse den Hauptvollmachtgeber nicht zwangsläufig kennen. Schließlich soll bei einem derartig offengelegten Geschäftsabschluss die bewusste Inkaufnahme von Mängeln mit berücksichtigt werden.109 Ebenso greift die Literatur vielfach das veranlasste Vertrauen im Rahmen einer solchen Situation auf. Bei einer offengelegten Untervertretung vertraue der Geschäftsgegner zum einen auf die wirksame Untervertretung des Sekundärvertreters und zum anderen auf die mangellose Hauptvertretung des Primärvertreters. Infolge dieser Veranlassung müsse der jeweilige Vertreter zudem seine eigene Vertretungsmacht verantworten. Hierdurch soll im Ergebnis die grundsätzliche Haftung des Hauptvertreters entstehen, wenn seine Vertretungsmacht zum Hauptvollmachtgeber mangelhaft bzw. unwirksam sei. Eine Ausnahme gelte dagegen bei einer Bösgläubigkeit des Untervertreters nach § 179 Abs. 3 BGB. Anders verhalte es sich bei einer verdeckten Untervertretung. In einem solchen Fall entstehe beim Geschäftsgegner kein Vertrauen in die Hauptvertretungsmacht, sodass sich dieser nur auf die vollumfängliche Vertretungsmacht des ihm bekannten (Unter-)Vertreters verlassen könne. Folglich müsse der Untervertreter gegenüber dem Geschäftsgegner nach § 179 BGB für eine unwirksame Hauptvertretungsmacht haften. Gegebenenfalls habe dieser gegen den Hauptvertreter einen Freistellungsanspruch auf der Grundlage des Kausalverhältnisses oder über § 311 Abs. 2 BGB.110 107  Auch der Anspruch des Dritten gegen den Hauptvertreter findet seine Grundlage in § 179 BGB. Zwar handelte er nicht unmittelbar gegenüber dem Dritten, er hat jedoch infolge der Unterbevollmächtigung am Vertragsschluss mitgewirkt, sodass zumindest eine analoge Anwendung zulässig ist, vgl. Petersen, Jura 1999, 401, 405. 108  BGH vom 27.6.1963 - VII ZR 7/62 -, BB 1963, 1193; BGHZ 32, 250; 68, 391, 394 m. w. N.; Enneccerus/Nipperdey, § 185 II 2 a, b; Köhler, AT, § 11, Rn. 73; Medicus, AT, S. 410, Rn. 996; Petersen, Jura 1999, 401, 403; Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 62; a. A. Flume, AT, 4. Aufl., § 49, Ziff. 5 der eine Unterscheidung, ob der Untervertreter als Vertreter des Hauptvertreters oder des Hauptvertretenen anzusehen ist, für nicht richtig empfindet, weil schon der Rechtsverkehr diese beiden Arten der Untervollmacht nicht kenne. 109  BGHZ 32, 250, 254. 110  Wolf/Neuner, AT, § 51, Rn. 34 ff.

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Vor dem Hintergrund einer mehrfachen, mitunter unüberschaubaren Verbindung erscheint es überzeugender, bei Offenlegung jede Person für den eigenen Wirkungskreis haften zu lassen. Gerade die sogenannte Konstellation „Vertreter des Vertreters“ zeigt ein Überunterordnungsverhältnis. Im Gegensatz zu einem Gleichordnungsverhältnis geht die Macht des Untervertreters vom Hauptvertreter und eben nicht unmittelbar vom Hauptvollmachtgeber aus. Dem Einwand, der Untervertreter sei ebenso wie der Hauptvertreter ein Vertreter des Hauptvollmachtgebers, kann also nicht gefolgt werden. Im Rahmen einer Vertrauensabwägung gilt es zudem zu berücksichtigen, dass der Untervertreter das Hauptvollmachtverhältnis nicht zu kennen braucht und regelmäßig keinen Einfluss auf dieses hat. Schließlich entspricht das Ergebnis dem Wortlaut des § 179 BGB, der nicht ausschließlich eine Haftung des unmittelbar handelnden Vertreters verlangt. Zwar sind aufgrund der Voraussetzungsverknüpfung beide Vertreter ohne wirksame Vertretungsmacht, jedoch ist der Hauptvertreter der nähere beim Wirksamkeitsmangel. Insoweit folgt selbst aus der Haftungsbegrenzung des § 179 Abs. 2 BGB keine abschließende Regelung. Durch die Offenlegung der gestuften Vertretung zeigt der Untervertreter gerade, dass er an erster Stelle den Hauptvertreter vertreten will und diese Vollmacht hat keine Defizite. Dass die Erklärung über den Hauptvertreter weitergeleitet wird, bedarf außerdem bei der Haftung im Rahmen des § 179 BGB der Berücksichtigung. Ferner ist der Geschäftspartner aufgrund der Offenlegung nicht schutzwürdig. Dieses Ergebnis führt obendrein zur angemessenen Verteilung des Insolvenzrisikos und einer effektiven Prozessführung, weil keine Rückgriffsansprüche im Fall der Offenlegung entstehen.111 Damit kann die umfängliche Haftung des Sekundärvertreters grundsätzlich nur bei einer verdeckten Untervertretung gerechtfertigt werden. ff) Rechtsscheinvollmacht Neben den dargestellten Möglichkeiten zur Begründung einer Vertretungsmacht erkennt das Zivilrecht weitere Situationen an, in denen ein Dritter rechtsgeschäftlich für einen anderen auftreten darf. Zu nennen sind in dem Zusammenhang vor allem der gesetzliche Rechtsscheinschutz nach den §§ 170 ff. BGB sowie die Rechtsscheinvollmachten aufgrund von Anschein und Duldung. Gerade bei der Beendigung einer Vollmacht gegenüber dem Vertreter entstehen Unsicherheiten für die übrigen Beteiligten. Vielfach vertraut der potentielle Geschäftspartner sogar auf einen Bestand der Vollmacht. Diese Konstellationen regeln die §§ 170 ff. BGB.112 Grundvoraussetzung ist zum einen die Setzung eines Rechtsscheins einer wirksam erteilten Vollmacht durch den Vollmachtgeber und Ebenso für die Berücksichtigung des Insolvenzrisikos Petersen, Jura 1999, 401, 402 f. Teil werden diese Vorschriften auch angewendet, wenn eine Vollmacht nicht oder nicht wirksam erteilt wurde, aber ein Rechtsschein besteht, vgl. BGH vom 8.11.1984 - III ZR 132/83 -, NJW 1985, 730; vom 2.5.2000 - XI ZR 108/99 -, NJW 2000, 2270, 2271; Palandt/Ellenberger, § 173 BGB, Rn. 1. 111 

112  Zum

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zum anderen die Schutzwürdigkeit des Dritten, die gem. § 173 BGB entfällt, wenn er das Erlöschen kennt oder kennen musste. Nach § 170 BGB bleibt eine Außenvollmacht gegenüber dem Dritten so lange wirksam, bis ihr Erlöschen der Vollmachtgeber anzeigt. Ebenso besteht eine Bevollmächtigung mittels Kundgebung und Vollmachtsurkunde wirksam fort, bis sie in der gleichen oder ähnlich wirksamen Weise wie bei Erteilung rückgängig gemacht wurde, vgl. §§ 171 f. BGB.113 Neben den gesetzlich geregelten Rechtsscheintatbeständen nach den §§ 170 ff. BGB sind weitere Sachverhalte anerkannt, in denen ein Dritter ohne ausdrückliche Bevollmächtigung für einen anderen wirksame Rechtshandlungen vornehmen kann. Hierbei handelt es sich um die Duldungs- und Anscheinsvollmacht. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn eine Person für eine andere rechtsgeschäftliche Handlungen vornimmt ohne von dieser dazu ausdrücklich oder konkludent114 die Befugnis erhalten zu haben, sie davon Kenntnis hat, es duldet und der Geschäftsgegner aufgrund der Duldung nach Treu und Glauben auf das Bestehen einer Vollmacht schließen kann bzw. darf.115 Nötig ist also ein vom Vertretenen zurechenbar veranlasster Rechtsschein. Er liegt in der bewussten Duldung der Vertreterhandlung, obwohl ihm das Einschreiten möglich gewesen wäre.116 Zudem muss sie kausal für die Annahme des Geschäftspartners geworden sein.117 Schließlich wird ein gutgläubiger Geschäftsgegner verlangt. Diese Forderung gilt als erfüllt, wenn ihm bezüglich des Fehlens der Vollmacht weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, § 173 BGB analog.118 Sind alle Voraussetzungen gegeben, steht der Geschäftsherr im Außenverhältnis zu seinem Geschäftsgegner rechtlich so, als hätte er dem Vertreter tatsächlich eine Vollmacht erteilt. Zu einer Einstandspflicht des Vertreters gegenüber dem Vertretenen nach § 179 BGB kommt es gerade nicht.119 Im Innenverhältnis haftet der Vertreter gegenüber dem 113  Nach § 172 BGB bleibt eine Bevollmächtigung mittels einer dem Vertreter ausgehändigten Vollmachtsurkunde und der Vorlage dieser bei einem Dritten wirksam, bis sie dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos (vgl. § 176 BGB) erklärt wurde. 114 Eine konkludente Bevollmächtigung liegt dann vor, wenn der Erklärungsempfänger aufgrund einer schlüssigen Handlung von einer Bevollmächtigung ausgehen kann. Für eine stillschweigende Vollmacht bedarf es einer zielgerichteten Äußerung. Bei einer Duldungsvollmacht weiß der Bevollmächtigte dagegen, dass er nicht bevollmächtigt wurde und die Duldung nur auf der Unentschlossenheit und Schwäche des Geschäftsherrn beruht, vgl. Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 43; Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 18; Wolf/Neuner, AT, § 50, Rn. 84 ff. Insgesamt werden die Folgen einer derartigen Unterscheidung aber überschaubar sein, vgl. Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 16. 115  BGH vom 22.10.1996 - XI ZR 249/95 -, NJW 1997, 312, 314. 116 Vgl. BGH vom 16.11.1987 - II ZR 92/87 -, NJW 1988, 1199, 1200; Wolf/Neuner, AT, § 50, Rn. 88; Medicus, AT, S. 386, Rn. 930. 117  Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 43. 118  BGH vom 24.1.1991 - IX ZR 121/90 -, NJW 1991, 1225, 1226; Palandt/Ellenberger, § 173 BGB, Rn. 2. 119  So die h. M. vgl. Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 24 m. w. N.; a. A. Wolf/Neuner, AT, § 50, Rn. 112, der wegen der Risiken ein Wahlrecht befürwortet. Als umstritten gilt zudem,

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Vertretenen nach den allgemeinen Regeln, insbesondere auf Schadensersatz. Hierbei bedarf es gegebenenfalls der Anrechnung eines Mitverschuldens durch den Vertretenen nach § 254 BGB.120 Zu den Rechtsscheinvollmachten zählt weiterhin die Anscheinsvollmacht. Eine solche Vollmacht ist gegeben, wenn eine Person eine andere ohne gewöhnliche Vertretungsmacht vertritt, der Vertretene das Handeln des anderen zwar nicht kennt, aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen sowie verhindern können, und der Geschäftsgegner deswegen nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, der Vertretene dulde und billige das Verhalten des anderen.121 Auch in dem Fall wird der Vertreter vom Vertretenen weder ausdrücklich noch konkludent bevollmächtigt. Durch das Verhalten des scheinbaren Vertreters muss jedoch bei dem Geschäftsgegner der Anschein einer Bevollmächtigung hervorgerufen worden sein. Grundsätzlich setzt dies eine gewisse Dauer und Häufigkeit voraus, zum Teil genügt jedoch schon ein einmaliges Handeln.122 Zudem bedarf es eines pflichtwidrigen Sorgfaltsverstoßes durch den Vertretenen. Dies erfordert die Möglichkeit, dass er das rechtsscheinbegründende Verhalten vorhersehen und verhindern konnte.123 Anders als bei der Duldungsvollmacht genügt hierfür schon Fahrlässigkeit. Schließlich verlangt das Rechtsinstitut ein Vertrauen des Geschäftsgegners auf den erzeugten Rechtsschein und eine Gutgläubigkeit gegenüber einer wirksamen Bevollmächtigung. Insoweit bestehen keine Besonderheiten zur Duldungsvollmacht.124 Sind die Voraussetzungen gegeben, stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge. Entsprechend überwiegender Positionen hat sich selbst in den Fällen der Geschäftsherr so behandeln zu lassen, als hätte er den für ihn Handelnden wirksam bevollmächtigt.125 Eine andere Auffassung will dagegen nur einen Schadensersatz­ ob der Vertretene anfechten darf. Wird die Duldungsvollmacht als Rechtsscheinhaftung betrachtet, ist die Anfechtung unzulässig, da keine Willenserklärung oder geschäftsähnliche Handlung vorliegt, vgl. Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 22. Einige sehen die Duldungsvollmacht jedoch als eine Vollmacht infolge eines konkludenten Verhaltens an, vgl. Flume, AT, 4. Aufl., § 49, Ziff. 3; Medicus/Petersen, BR, Rn. 100 f. In diesem Fall soll die Anfechtung wohl zulässig sein. Differenzierend MünchKomm/Schubert, § 167 BGB, Rn. 146 m. w. N. zum Streitstand, der eine Anfechtung für zulässig hält, wenn sie auch bei einer echten Außenvollmacht statthaft wäre. 120 Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 25. 121 Vgl. BGH vom 10.1.2007 - VIII ZR 380/04 -, NJW 2007, 987, 989 m. w. N.; Brox/ Walker, AT, Rn. 566. 122 Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 21. 123  Zu einem solchen Verhalten kommt es etwa, wenn der Vertretene dem anderen eine Vollmachtsurkunde aushändigt, sie später wieder zurücknimmt, aber so nachlässig verwahrt, dass der andere sie sich heimlich wieder verschaffen und verwenden kann, vgl. BGH vom 30.5.1975 - V ZR 206/73 -, NJW 1975, 2101, 2103. 124  Wolf/Neuner, AT, § 50, Rn. 96. 125 Vgl. Brox/Walker, AT, Rn. 566; Wolf/Neuner, AT, § 50, Rn. 97.

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anspruch bejahen. Danach widerspreche die zwangsweise Ersetzung aufgrund von schuldhaftem Verhalten den Grundsätzen der Privatautonomie. Gerade die bewusste Vertretung zum Zwecke rechtsgeschäftlicher Handlungen müsse von den sorgfaltswidrigen Pflichtverletzungen unterschieden werden. Bei einer herkömmlich bewussten Vertretung müsse der Vertretene in gewissen Grenzen eine Abweichung des Vertreters zu seinem vorgestellten Handeln in Kauf nehmen. Hierzu zähle ferner die Möglichkeit, dass der Vertreter überhaupt nicht handelt. Dagegen könne durch eine unbewusste Tätigkeit kein rechtsgeschäftlicher Akt oder gar ein Rechtsverhältnis entstehen. Vielmehr verlange ein rechtsgeschäftliches Verhalten eine willentliche Handlung, die final auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses mittels einer rechtsgeschäftlichen Regelung abziele. Es fehle also an dem Umfeld der Selbstbestimmung, sodass die Regeln über Rechtsgeschäfte keine Anwendung finden würden. Außerdem spreche gegen die Erfüllungshaftung bei der Anscheinsvollmacht der Vergleich zu § 179 BGB. Während der falsus procurator bei Kenntnis vom Mangel der Vertretungsbefugnis unter anderem auf Erfüllung hafte (§ 179 Abs. 1 BGB) und bei Unkenntnis der Anspruch gegen ihn auf das negative Interesse begrenzt sei (vgl. § 179 Abs. 2 BGB), soll der unbewusst Sorgfaltswidrige ausschließlich auf Erfüllung einstehen. Dies sei ein Wertungswiderspruch.126 Vielmehr habe der Geschäftsgegner gegen den vermeintlichen Vertretenen lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB. Damit würde der Rechtsordnung besser Rechnung getragen, denn diese reagiere auf pflichtwidrige Sorgfaltsverstöße mit einer Haftung auf Schadensersatz.127 Hiergegen wenden jedoch andere die §§ 170 ff. BGB ein. Den Regelungen sei die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass die Rechtsscheinhaftung nicht allein eine Schadensersatzpflicht auslöse, sondern zu einer Erfüllungsverpflichtung führe.128 Nach einer weiteren Auffassung soll im Bereich der Fahrlässigkeit das so zustande gekommene Geschäft schwebend unwirksam sein. Den fahrlässig Handelnden treffe aber unter Umständen eine Genehmigungspflicht gem. § 826 BGB vergleichbar mit der Situation beim Kontrahierungszwang. Als Erstes soll dafür im Bereich des Vertreters der Anschein einer Bevollmächtigung vorliegen, sodass eine den §§ 171, 172 BGB, § 56 HGB vergleichbare Vertrauensgrundlage für den Geschäftsgegner entstehen würde. Weiterhin dürfe dem Geschäftsgegner entsprechend § 173 BGB bei der Beurteilung der Bevollmächtigung kein Fahrlässigkeitsvorwurf treffen. Für eine Genehmigungsverpflichtung spreche zudem die Annahme der Gegenleistung durch den scheinbaren Vertretenen. Sind diese Umstände gegeben, gelte eine Verweigerung der Genehmigung als objektiv missbräuchlich. Ebenso liege der für § 826 BGB nötige Vorsatz vor. Dieser könne zwar nicht auf 126  Ebenso möchte Medicus bei fahrlässigem Verhalten des scheinbaren Vollmachtgebers nur einen Schadensersatzanspruch gerichtet auf das negative Interesse geben, vgl. Medicus, AT, S. 401, Rn. 971. 127  Flume, 4. Aufl., § 49, Ziff. 4. 128  Brox/Walker, AT, Rn. 566.

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die fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung, aber auf die drohende Verweigerung der Genehmigung bei Kenntnis aller Umstände gestützt werden. Als zu verhindernder Schaden sei wiederum die Verweigerung der Genehmigung des Geschäfts anzusehen. Letztlich nehme damit § 826 BGB in solchen Fällen die Aufgabe eines vorbeugenden Rechtsschutzes ein.129 Einer derartigen Genehmigungspflicht halten wieder andere jedoch schon deren schwierige Begründbarkeit entgegen. Vielmehr sei eine Bevollmächtigung eine Willenserklärung und dementsprechend nach den dafür geltenden allgemeinen Regeln zu beurteilen. Dies umfasse auch die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont. Im Ergebnis könne es dazu führen, dass ein Verhalten des Vertretenen als Vollmachtserteilung verstanden werde, obwohl er dies nicht beabsichtige und gegebenenfalls ein anderes Ziel verfolge. Zudem genüge für die §§ 170 ff. BGB ein bloßer Rechtsschein, um zu einer Fortgeltung der Vollmacht zu kommen. Eine Differenzierung zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz sehe das Gesetz dagegen nicht vor. Damit müsse auch eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung einen ausreichenden Rechtsschein für eine Vollmacht begründen können. Schließlich bestehe im Geschäftsverkehr ein Bedürfnis nach einem umfassenden Vertrauensschutz, der durch eine auf das negative Interesse begrenzte Schadensersatzpflicht keinen ausreichenden Schutz erfahre. Einige sehen in der Anscheinsvollmacht auch eine besondere Überwachungspflicht des Geschäftsherrn, für die es im gewöhnlichen Zivilrecht keine Notwendigkeit gebe. Stattdessen soll sie nur für das Handelsrecht gelten.130 Überzeugender ist es, den Geschäftsgegner so zu stellen, als wäre ein wirksamer Vertrag zustande gekommen. Gegen die rechtliche Wertung auf dem Boden des § 179 BGB spricht schon die Tatsache, dass hier kein Vertreter, sondern ein (scheinbarer) Vollmachtgeber beurteilt wird. Für Vollmachtgeber gilt jedoch die Wertung der §§ 170 ff. BGB als maßgeblich und diese gehen ohne Differenzierung zwischen fahrlässiger oder vorsätzlicher Verursachung von einem Erfüllungsanspruch im Fall des Rechtsscheins aus. Zutreffend liegt im Fall der gesetzlichen Rechtsscheinvollmachten zumindest anfänglich eine Willenserklärung des Vollmachtgebers vor, während es bei der Anscheinsvollmacht gerade nicht dazu kam. Dennoch knüpfen die §§ 170 ff. BGB an einen Tatbestand an, wo es der Vertretene unterlässt, gegen den Schein der Vertretung vorzugehen. Hier liegt die Gemeinsamkeit zur Anscheinsvollmacht, bei der der Vertretene es ebenso versäumt, gegen den Schein der Bevollmächtigung einzuschreiten.131 Die gesetzliche Wertung der §§ 170 ff. BGB erscheint daher aufgrund ihrer Spezialität gegenüber den allgemeinen Schadensersatzansprüchen vorzugswürdig. Im Bereich der Rechtsfolge kann zudem ein höheres Schutzniveau gewährleistet werden, weil keine Einschränkung des Anspruchsberechtigten auf Schadensersatzansprüche existiert. Zudem sind im allgemeinen Privatrecht Rechtsscheinsituationen im Zusammenhang mit unsorgfältigen Handlungen denkbar, was schon durch die §§ 170 ff. BGB zum Ausdruck Peters, AcP 179 (1979), 214, 238 ff. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 51 f. 131  Vgl. Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 17. 129  130 

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kommt. Eine Begrenzung der Anwendung auf das Handelsrecht stellt sich daher als gesetzlicher Widerspruch dar. Wenig überzeugt obendrein die Lösung über § 826 BGB. Ein solcher Anspruch setzt eine vorsätzliche Handlung voraus, die nach Inhalt oder dem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.132 Eine potentiell verweigerte Genehmigung eines schwebend unwirksamen Vertrages kann jedoch nicht pauschal als sittenwidrig gelten. Vielmehr bedarf es der Einbeziehung der lediglich fahrlässigen Verursachung. Ein Anspruch gem. § 826 BGB erscheint also eher ungeeignet für eine grundlegende Problemlösung. Folglich bestehen für die Anscheinsvollmacht dieselben Rechtsfolgen wie bei einer wirksamen Duldungsvollmacht.133 Gerade die Rechtsscheinvollmachten zeigen, dass Verbindungen zwischen zwei Personen zu rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen von Dritten führen können. Hierbei kann die Verpflichtung des Dritten sogar ohne eine rechtsgeschäftliche Erklärung von ihm hervorgehen. Die bipolare Beziehung hat also in diesen Fällen unmittelbare rechtliche Außenwirkung auf Dritte. Ausgehend von den gesetzlichen Regelungen in den §§ 170 ff. BGB können nicht nur Schadensersatzansprüche die Verbindungsgrundlage bilden. Vielmehr ist es sogar möglich, das Erfüllungsinteresse gegenüber dem Dritten einzufordern. gg)  Grenzen der Vertretungsmacht Neben speziellen Vorschriften, die den Umfang und Ausschluss einer gesetzlichen Vertretungsmacht festhalten,134 sind der Stellvertretung auch allgemeine Grenzen gesetzt. Diese Beschränkungen beziehen sich auf die gesetzliche und die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht. Zu nennen sind hier vor allem das Insichgeschäft und der Missbrauch der Vertretungsmacht. Ein Insichgeschäft iSd. § 181 BGB liegt vor, wenn eine Person als Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich selbst im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft abschließt oder wenn ein Vertreter zwei verschiedene Personen vertritt und in dieser Eigenschaft mit beiden ein Rechtsgeschäft abschließt.135 Zum Schutz von Interessenkollisionen im Fall der Selbstkontraktion ordnet daher § 181 BGB die Unwirksamkeit der Vertretung an, es sei denn, die Selbstkontraktion wurde gestattet, 132 Palandt/Sprau,

§ 826 BGB, Rn. 4. Ebenso Soergel/Leptien, § 167 BGB, Rn. 24 f. 134 Hiermit sind insbesondere die Vertretungsbeschränkungen nach den §§ 1643 f.; 1819 ff.; 1908i BGB und die Vertretungsverbote für Schenkungen gem. §§ 1641, 1804, 1908i BGB sowie im Rahmen der Kindesvertretung nach § 1629 Abs. 2 iVm. § 1795 BGB gemeint. 135 Grundsätzlich erfasst die Vorschrift nur Fälle, die vom Wortlaut gedeckt sind. Eine Ausnahme wird etwa bei bewusster Umgehung gemacht. Solche Situationen liegen beispielsweise vor, wenn der Vertreter einen Untervertreter einschaltet oder für sich als Vertragspartner einen Vertreter bestellt und mit diesem als Vertreter der anderen Person handelt, um so die Personenidentität auszuschließen, vgl. Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 121 ff. m. w. N. 133 

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das Rechtsgeschäft besteht nur in der Erfüllung einer Verbindlichkeit oder gilt als lediglich rechtlich vorteilhaft für den Vertretenen.136 Eine weitere allgemeine Beschränkung findet die Vertretungsmacht in der Missbrauchsgrenze. Hierzu kann es kommen, wenn der Vertreter seine im Innenverhältnis gesetzte Vertretungsbefugnis missachtet, aber trotzdem die im Außenverhältnis bestehende Grenze noch einhält. Grundsätzlich erlangt der Vertrag bei einer herkömmlichen Überschreitung des rechtlichen Dürfens gegenüber dem rechtlichen Können noch die Wirksamkeit. Der Vertretene hat gegenüber dem Vertreter in der Regel lediglich Schadensersatzansprüche. Zur Unwirksamkeit eines solchen Vertrages führt die Verletzung jedoch in besonders schwerwiegenden Fällen, bei denen der Geschäftsgegner zudem nicht als schutzwürdig gilt, wie bei Kollusion und Evidenz. Arbeiten Vertreter und Geschäftsgegner zum Zweck der Schädigung des Vertretenen zusammen, sind die daraus entstandenen Rechtshandlungen gem. § 138 BGB nichtig, sogenannte Kollusion. Rechtliche Probleme bereitet es ebenso, wenn der Geschäftsgegner die Überschreitung der Vertretungsmacht kennt oder diese sich zumindest aufgrund der Umstände geradezu aufdrängt und daher offenkundig ist. Als Rechtsfolge der Evidenzfälle werden sowohl zum Teil eine schwebende Unwirksamkeit gem. §§ 177 ff. BGB137 als auch die Möglichkeit zur Einrede wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB138 für den Vertretenen vorgebracht. hh)  Erlöschen der Vertretungsmacht Während eine gesetzliche Vertretungsmacht mit dem Wegfall der normativen Voraussetzungen endet, ist das Erlöschen einer Vollmacht aus verschiedenen Gründen möglich. Neben Bedingungen (§ 158 Abs. 2 BGB) und Befristungen (§ 163 BGB) im Rahmen der Vollmacht selbst kann dies sogar mit der Erreichung des Zwecks eintreten. Weitere Ursachen folgen beispielsweise aus dem Grundverhältnis, der Geschäftsunfähigkeit (§ 165 BGB) oder einem Verzicht des Vertreters, vgl. § 168 S. 1 BGB. Deshalb erlischt mit der Beendigung des Grundverhältnisses auch die Vollmacht. Ebenso endet die Vollmacht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vollmachtgebers § 117 InsO. Zum Erlöschen führt zudem ein erklärter Widerruf oder eine Anfechtung. Die Widerruflichkeit der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht besteht gem. § 168 S. 2 BGB ohne Rücksicht auf das kausale Rechtsverhältnis. Unabhängig von der Erteilung als Innenoder Außenvollmacht darf der Widerruf sowohl dem potentiellen Vertragspartner als auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden. Ein daraus erwachsendes Informationsdefizit des gutgläubigen Vertragspartners gleichen die §§ 170 ff. BGB aus. Nach § 170 BGB verliert etwa eine rechtsgültige Außenvollmacht erst ihre 136  BGH vom 6.12.1994 - XI ZR 19/94 -, NJW 1995, 727, 728; Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 113 ff.; Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 54 ff. 137 Vgl. Medicus, AT, Rn. 967. 138  BGH vom 30.1.2002 - IV ZR 23/01 -, NJW 2002, 1497.

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Wirkung, wenn dem Geschäftsgegner das Erlöschen angezeigt wurde. In der Regel erlaubt es das Institut des Widerrufs, viele ungewollte Vollmachten ex nunc zu beseitigen. Aus dem Grund konzentriert sich der Anwendungsbereich der Anfechtung im Wesentlichen auf unwiderrufliche und bereits gebrauchte Vollmachten. Die Handhabung ist jedoch nicht unproblematisch. Wie oben dargestellt, erfolgt die Erteilung einer Vollmacht durch eine Willenserklärung. Damit kommt grundsätzlich eine Anfechtung nach den allgemeinen Regeln gem. §§ 119 ff. BGB infrage. Während dies bis zur Ausübung der Vertreterbefugnis gegenüber dem Geschäftspartner geringe Folgen hat, drohen danach umfangreichere Schäden. Demzufolge halten einige die Anfechtung einer gebrauchten Vollmacht für ausgeschlossen. Ausnahmen sollen jedoch bei einem berechtigten Interesse des Vertretenen zulässig sein.139 Neben der unbilligen Verteilung des Insolvenzrisikos werden vor allem Vergleiche mit der Anscheinsvollmacht, der Handhabung im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen und der konsequenten Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB angeführt.140 Laut überwiegender Auffassung soll jedoch eine Anfechtung auch nach Verwendung grundsätzlich zulässig sein. Eine Vollmacht sei eine Willenserklärung und damit anfechtbar.141 Einige Vertreter dieser Position fordern jedoch zur Vermeidung von Unbilligkeiten eine Modifikation bei der Bestimmung des

139  Danach seien alle Willensmängel des Vollmachtgebers für das Vertretergeschäft erheblich, die sich auf jenes Geschäft beziehen und darauf ausgewirkt haben. Der für die Anfechtung der Vollmacht berechtigende Grund müsse sich also auf den Inhalt des Vertretergeschäfts durchgeschlagen haben, vgl. Brox/Walker, AT, Rn. 574. 140  Brox/Walker, AT, Rn. 574. Folge einer Anfechtung der ausgeübten Vertretungsmacht wäre ein Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht. Der Geschäftsgegner würde dann gegenüber dem Vertreter nach § 179 Abs. 1, 2 BGB einen Schadensersatzanspruch geltend machen und letzterer könnte vom Vollmachtgeber gegebenenfalls diesen nach § 122 BGB fordern. Damit müsste jedoch die als Vertreter handelnde Person die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers tragen. Weiterhin führen einige den Vergleich zur Anscheinsvollmacht an. Bei einer Anscheinsvollmacht habe sich der Vertretene trotz seiner Unkenntnis als Vollmachtgeber behandeln zu lassen. Ein Anfechtungsrecht bestehe allerdings nicht. Dagegen soll der trotz Kenntnis irrende Vollmachtgeber ein Recht zur Anfechtung haben. Dies sei ein Wertungswiderspruch, weil insbesondere der gutgläubige Dritte in beiden Fällen ein gleiches Schutzniveau habe. Zudem spreche der Rechtsgedanke nach § 166 Abs. 1 BGB gegen eine Anfechtung. Danach sei der Vertretene so zu stellen, als hätte er selbst gehandelt. Bei einer eigenen Handlung gebe es diesbezüglich jedoch kein Anfechtungsrecht. Außerdem zieht die Position die Einschränkung der Anfechtung im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen heran. Sowohl bei Dauerschuldverhältnissen als auch bei gebrauchten Vollmachten herrsche eine hohe Schutzwürdigkeit des Dritten, sodass zumindest die Rechtsfolge ex tunc in eine Ex-nunc-Wirkung abgemildert werden müsse. 141 Vgl. BGH vom 1.6.1989 - III ZR 261/87 -, NJW 1989, 2879, 2880; Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 31; MünchKomm/Schubert, § 167 BGB, Rn. 46 f.; Jauernig/Mansel, § 167 BGB, Rn. 11.

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Anfechtungsgegners.142 Entsprechend der Regelung des § 143 Abs. 1, 3 BGB sei bei einseitigen Erklärungen der Empfänger der richtige Anfechtungsgegner. Demzufolge wäre bei einer Innenvollmacht der Bevollmächtigte und bei einer Außenvollmacht der Geschäftspartner der korrekte Gegner der Anfechtung. Insbesondere im Fall der Innenvollmacht erscheint dies allerdings wegen der daraus folgenden Ansprüche des Vertragsgegners gegen den vermeintlichen Vertreter sowie dessen Rückgriffsansprüche gegen den Vollmachtgeber unbillig. Schließlich will sich der Vollmachtgeber letztlich nur von dem geschlossenen Vertretergeschäft lösen. Als richtigen Anfechtungsgegner sieht die Position deswegen unabhängig von der Art der Bevollmächtigung den Geschäftspartner an. Eine Konsequenz dieser Lösung wäre zudem die Vermeidung der Anspruchskette zwischen Geschäftsgegner, Vertreter und Vollmachtgeber, sodass auch das Insolvenzrisiko entsprechend der Inter­ essenlage verteilt sein würde.143 e)  Rechtsfolgen einer wirksamen Stellvertretung Sind die Voraussetzungen für eine wirksame Stellvertretung gegeben, wird ausschließlich der Vertretene durch die Rechtshandlungen des Vertreters berechtigt und verpflichtet. Zu den Parteien des Rechtsgeschäfts zählt nicht der Vertreter, sodass die Rechtsfolgen allein den Hintermann treffen.144 Besonderheiten ergeben sich dagegen vor allem bei der Bestimmung des entscheidenden Wissens. Die maßgebliche Norm für die Beurteilung und Zurechnung von Wissen bei einer Vertreterverbindung ist § 166 BGB. Danach gilt für die Bewertung einer Willenserklärung, speziell bei Willensmängeln und Kenntnis bzw. Kennenmüssen von Umständen,145 entsprechend der Repräsentationstheorie grundsätzlich allein die Person des Vertreters als entscheidend, vgl. § 166 Abs. 1 BGB. Anders verhält es sich nach § 166 Abs. 2 BGB im Fall von erteilten Weisungen durch den Vollmachtgeber.146, 147 142  Zum Teil wird diese Anpassung bei der Bestimmung des Anfechtungsgegners auch von anderen Vertretern gefordert, vgl. beispielsweise Brox/Walker, AT, Rn. 573. 143  Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 31; Medicus, AT, Rn. 945; a. A. Petersen, AcP 201 (2001), 375, 385; Köhler, AT, § 11, Rn. 28, die bei einer ausgeübten Innenvollmacht eine Anfechtungserklärung ebenso gegenüber dem Geschäftsgegner verlangen. Hierdurch soll sowohl der gesetzlichen Regelung als auch der Zielrichtung im Hintergrund Rechnung getragen werden. A. A. Wolf/Neuner, AT, § 41, Rn. 20 m. w. N., der im Fall der gebrauchten Innenvollmacht von einer Wahlmöglichkeit ausgeht. Richtiger Anfechtungsgegner sind danach der Vertreter und der Dritte. 144 Palandt/Ellenberger, § 164 BGB, Rn. 15. 145  Auf die Kenntnis wird etwa in den §§ 116, 117, 119, 138, 892, 932 ff., 1032, 1138, 1155, 1207 ff. BGB abgestellt, vgl. Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 12 ff. mit weiteren Beispielen. 146 Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 2, 28. 147  Grundsätzlich darf die Regelung in § 166 Abs. 2 BGB nach ihrem Wortlaut nur bei Vollmachten Anwendung finden. Eine entsprechende Anwendung wird jedoch zugelassen, wenn die Stellung eines gesetzlichen Vertreters im konkreten Einzelfall mit der eines weisungsgebundenen Bevollmächtigten vergleichbar ist, vgl. BGHZ 38, 65, 67 f.

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Hat der Vertreter weisungsgemäß148 gehandelt, darf sich der Vertretene nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen, wenn er sie selbst kannte. Die Regelung des § 166 Abs. 2 BGB dient ferner der Missbrauchsvermeidung. Insbesondere soll kein bösgläubiger Geschäftsherr durch die Zuhilfenahme eines ahnungslosen Vertreters Privilegierungen erhalten. Neben der Vermeidung von Missbrauch verfolgt die Normierung jedoch keine Benachteiligung bei der Nutzung von Stellvertretern. Damit sind Willensbeeinflussungen des Vertretenen vor der Einschaltung eines weisungsgebundenen Vertreters zu berücksichtigen, selbst wenn der Vertreter für sich allein dieser Beeinflussung nicht unterliegt. Nach wohl überwiegender Auffassung ist § 166 Abs. 2 BGB zudem bei Willensmängeln analog anwendbar.149 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Eine Irrtumsanfechtung setzt grundsätzlich einen Irrtum des Vertreters voraus, es sei denn, der Vertretene hat den Vertreter gerade zu diesem Geschäft veranlasst oder der Vertretene wurde unabhängig vom Vertreter selbst getäuscht. Wird also der Vertretene vor Abgabe einer Willens­ erklärung getäuscht und beauftragt danach einen ahnungslosen Vertreter, kann er gegebenenfalls trotz des nicht getäuschten Vertreters wegen seines eigenen Irrtums anfechten. Ebenso ist im Bereich der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens, etwa bei der Gutgläubigkeit, grundsätzlich auf die Person des Vertreters abzustellen. Dies gilt ferner im Fall des Kennenmüssens, sofern dies der Kenntnis gleichsteht. Der Grundgedanke der Regelung des § 166 BGB greift zudem bei der Einschaltung von mehreren Vertretenen. Zum Anwendungsgebiet zählen vor allem größere Personenverbindungen, wie Behörden und Unternehmen. Hierbei findet in der Regel infolge der arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmungen eine Einbeziehung von mehreren Personen zum Teil über einen längeren Zeitraum statt. Aufgrund dieser Organisation kann es zu einer verstärkten Informationsaufspaltung kommen, die eine Kenntnis des jeweilig handelnden Vertreters für sich allein betrachtet unter Umständen verhindert. Wegen Ausscheiden derartiger Hilfspersonen besteht sogar die Möglichkeit eines teilweisen Informationsverlustes. Aus dem Grund muss für eine Partei das Wissen all ihrer Stellvertreter und Wissensvertreter gemeinsam beurteilt werden. Der Vertretene soll durch die Einschaltung eines Vertreters nicht besser stehen, als hätte er selbst gehandelt. Einige verlangen zur Vermeidung von Informationsdefiziten in solchen Situationen sogar eine Organisations- und Dokumentationspflicht.150 148  Der Begriff der Weisung bedarf der weiten Auslegung. Nicht gefordert wird eine besondere Weisung neben der Vollmacht oder eine für ein bestimmtes Geschäft. Als Weisung gilt schon, wenn der Geschäftsherr den Vertreter zu dem Geschäft veranlasst hat, vgl. BGHZ 38, 65, 68; Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 29. Ebenso ist eine Genehmigung für ein vollmachtloses Handeln dem einer Weisung gleichgestellt, vgl. Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 30. 149  BGHZ 51, 141, 145 ff.; MünchKomm/Schubert, § 166 BGB, Rn. 96; Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 91; Medicus, AT, Rn. 902; einschränkend Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 33; a. A. Schilken, S. 44 ff. 150  BGHZ 132, 30, 37; BGH vom 12.11.1998 - IX ZR 145/98 -, NJW 1999, 284, 286; vom 15.4.1997 - XI ZR 105/96 -, NJW 1997, 1917; vom 17.5.1995 - VIII ZR 70/94 -, NJW 1995, 2159, 2160; Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 81 ff. m. w. N.; Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 5.

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Ebenso findet die Zurechnung über § 166 BGB bei geschäftsähnlichen Handlungen statt.151 An der Stelle ist zudem bemerkenswert, dass die Regel des § 166 BGB sogar analog bei Hilfspersonen angewandt wird, die für den Geschäftsherrn eigenverantwortlich handeln, ohne jedoch rechtsgeschäftlich tätig zu sein.152 Hierdurch soll wiederum der allgemeine Rechtsgedanke zum Ausdruck kommen, dass der Geschäftsherr sowohl die Vorteile als auch die Nachteile zu tragen hat, wenn er eine andere Person für sich einschaltet.153 Vor allem kommt dies im Rahmen der Kenntnisbeurteilung bei der Ausübung des Besitzes durch den Besitzdiener vor.154 Dagegen erfolgt im Zusammenhang mit Geschäften, bei denen persönliche Eigenschaften einer Partei ausschlaggebend sind, keine Zurechnung über § 166 BGB. Somit muss beispielsweise der als Stellvertreter auftretende Kaufmann einer Privatperson unabhängig von § 350 HGB die Schriftform nach § 766 BGB wahren.155 f)  Rechtsfolgen einer unwirksamen Stellvertretung Eine ungültige Stellvertretung führt zu verschiedenen Rechtsfolgen. Für den Bereich der Zurechnung wird hierbei zwischen Verträgen und einseitigen Rechtsgeschäften differenziert. Nach § 177 BGB gilt ein Vertrag als schwebend unwirksam, wenn jemand als Vertreter auftritt ohne jedoch ausreichende Vertretungsmacht zu haben. Damit erlangt ein solcher Vertrag erst mit der fristgemäßen Genehmigung des Vertretenen Wirksamkeit, vgl. § 177 Abs. 2 BGB. Spiegelbildlich zur Erteilung der Vollmacht ist eine Genehmigung sowohl gegenüber dem Vertreter als auch gegenüber dem Geschäftspartner möglich.156 Zudem darf der Geschäftspartner seine Erklärung während des Schwebezustandes wahlweise gegenüber dem vermeintlich Vertretenen und dem Vertreter gem. § 178 BGB widerrufen, wenn er den Vollmachtsmangel nicht gekannt hatte. Einseitige Rechtsgeschäfte eines Vertreters ohne Vertretungsmacht sind dagegen laut § 180 S. 1 BGB grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen gelten allerdings, wenn der Erklärungsempfänger den Mangel bei der Vertretungsmacht nicht beanstandet oder damit einverstanden war (§ 180 S. 2 BGB) bzw. ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertre-

151 Soergel/Leptien,

§ 166 BGB, Rn. 3. BGHZ 117, 104, 106; BGH vom 15.4.1997 - XI ZR 105/96 -, NJW 1997, 1917; Wolf/Neuner, § 49, Rn. 79; Palandt/Ellenberger, § 166 BGB, Rn. 6 f.; Rüthers/Stadler, § 31, Rn. 2; Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 6. 153  Rüthers/Stadler, § 31, Rn. 2. 154  Dazu kommt es etwa im Rahmen des § 990 BGB. Hier ist allerdings umstritten, ob § 166 BGB oder § 831 BGB Anwendung findet, Jauernig/Berger, § 990 BGB, Rn. 2; Roth, JuS 1997, 710, 711; Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 17; Bauer/Stürner, § 5, Rn. 15; Medicus/Petersen, BR Rn. 581 m. w. N. 155 Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 27. 156  Rüthers/Stadler, § 32, Rn. 3. 152  Vgl.

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tungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wurde (§ 180 S. 3 BGB). In den Ausnahmefällen gelten die Regeln über Verträge entsprechend. Ist ein Rechtsgeschäft aufgrund der Handlung ohne Vertretungsmacht endgültig unwirksam, wird der potentiell Vertretene nicht vertraglich gebunden. Vielmehr haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB für den erweckten Rechtsschein. Hatte der falsus procurator Kenntnis vom Mangel der Vertretungsmacht, schuldet er nach Wahl des Anspruchstellers Erfüllung oder Schadensersatz, § 179 Abs. 1 BGB. Aber selbst im Fall der Erfüllungsforderung erlangt der Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht die Stellung als Vertragspartner; eine Vertragsübernahme findet nicht statt. Vielmehr entsteht auf der Grundlage des § 179 Abs. 1 BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Inhalt des beabsichtigten Vertrages. Aus der Regelung des § 179 BGB folgt eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung mit dem Ziel, den Anspruchsgegner so zu stellen, als ob die Stellvertretung wirksam gewesen wäre.157 Hatte der falsus procurator dagegen keine Kenntnis vom Mangel bei der Vertretungsmacht, umfasst die Ersatzpflicht gem. § 179 Abs. 2 BGB nur den Vertrauensschaden. Die Garantiehaftung des Geschäftspartners nach § 179 Abs. 1 und 2 BGB gilt allerdings als ausgeschlossen, wenn er selbst den Mangel der Vertretungsmacht kannte bzw. kennen musste (§ 179 Abs. 3 S. 1 BGB) oder der vermeintliche Vertreter trotz beschränkter Geschäftsfähigkeit ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters handelte (§ 179 Abs. 3 S. 2 BGB). Einige sehen als Ausschlussgrund auch den Widerruf der Erklärung nach § 178 BGB an, weil hierdurch der Eintritt der Genehmigung verhindert wird.158 3. Wissensvertreter Zum Teil übernehmen auch sogenannte Wissensvertreter die Erledigung von fremden Aufgaben. Als einen solchen Vertreter bezeichnet die Rechtswissenschaft eine Person, die keine Ausrichtung auf eine rechtsgeschäftliche Vertretung gegenüber einem Vertragspartner hat, sondern auf den vergleichbaren Tatbestand der Wissensvertretung. Hierzu zählt jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen und die erlangten Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie unter Umständen weiterzuleiten. Es bedarf 157  Wolf/Neuner, AT, § 51, Rn. 19 ff.; MünchKomm/Schubert, § 179 BGB, Rn. 36 ff. Hintergrund dieser Haftung ist, dass der Geschäftspartner so gestellt werden soll, als ob der Vertrag ordnungsgemäß abgewickelt worden wäre. Neben der inhaltsgleichen Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses nach dem Vorbild des unwirksamen Vertrages, berücksichtigt man auch sonstige Rechte, insbesondere hypothetische Gegenrechte. Demzufolge sind zugunsten des vermeintlichen Vertreters beispielsweise die Erbringung der Gegenleistung, Mängel-, Anfechtungs- und Widerrufsrechte zu beachten. Probleme bereitet in dem Zusammenhang, ob der Vertreter ohne Vertretungsmacht auch haftet, wenn der ursprüngliche Vertragspartner nicht erfüllen hätte können, vgl. Rüthers/Stadler, § 32, Rn. 7. 158  Wolf/Neuner, AT, § 51, Rn. 30 f. m. w. N.; MünchKomm/Schubert, § 179 BGB, Rn. 33.

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keiner ausdrücklichen Bestellung.159 Der Wissensvertreter muss allerdings wie ein Vertreter handeln. Unselbstständige und ganz untergeordnete Mitwirkung160 genügt ebenso wenig wie ausschließliche interne Beratungen des Geschäftsherrn.161 Beispiele für solche Personen sind etwa Verhandlungsgehilfen oder Verhandlungsbevollmächtigte, wenn sie ohne Abschlussvertretungsmacht zu haben eigenverantwortlich auf den Inhalt und den Abschluss eines Vertrages (auch nach außen) maßgeblichen Einfluss ausüben. Rechtliche Relevanz erlangt diese Figur vor allem bei der Wissenszurechnung nach § 166 BGB. Zwar findet § 166 BGB grundsätzlich nur bei Stellvertretern iSd. § 164 BGB Anwendung, der Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigt jedoch die Erweiterung. Bei der Begründung wird vor allem angeführt, dass eine Person keine andere für sich arbeiten lassen und dabei nur die Vorteile in Anspruch nehmen soll. Vielmehr müsse ein solcher Geschäftsherr aufgrund der Tätigkeit der anderen Person an seiner Stelle das gesamte Handeln übernehmen.162 4. Botenschaft Neben der Stellvertretung dient vor allem die Botenschaft der Erweiterung des rechtlichen Interaktionskreises einer Person. Ein Bote unterscheidet sich vom Stellvertreter im Wesentlichen durch sein äußeres Auftreten gegenüber dem Erklärungsempfänger.163 Die Hilfsperson gilt dann als Bote, wenn sie aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers eine inhaltlich festgelegte fremde Erklärung abgegeben bzw. im umgekehrten Fall entgegengenommen hat. In der Regel wird dies durch das Fehlen eines erkennbaren Entscheidungsspielraums deutlich.164 Aufgrund der gebundenen Handlungsart des Boten sind dessen Einsatzmöglichkeiten im Vergleich zu denen des Stellvertreters enger. Andererseits kann sogar ein Geschäftsunfähiger im Gegensatz zur Stellvertretung Bote sein, vgl. § 165 BGB. Rechtlich hat dies verschiedene Konsequenzen. Wegen der Herkunft der Willenserklärung muss bei formbedürftigen Geschäften nur die Erklärung des Geschäftsherrn der Form genügen, bei der Stellvertretung dagegen die des Vertreters. Im Fall einer unbewussten Falschübermittlung durch den Erklärungsboten kann etwa der Geschäftsherr die Willenserklärung nach § 120 BGB anfechten. Anders als 159 

BGHZ 117, 104, 106 f.; 132, 30, 35 ff. § 166 BGB, Rn. 6. 161  BGHZ 117, 104, 107; Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 6; wohl a. A. Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 80, der § 166 BGB analog auch dann anwendet, wenn ein Mitarbeiter des Geschäftsherrn eine Angelegenheit zwar allein erarbeitet, aber nach außen nicht hervortritt. Insbesondere im Fall einer unbesehenen Unterzeichnung eines solchen Vorganges, soll dem Geschäftsherrn der gesamte Vorgang zugerechnet werden. 162  Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 79 ff. m. w. N.; Medicus, AT, S. 376, § 55, Rn. 904d; Soer­ gel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 6. 163  BGHZ 12, 327, 334; Brox/Walker, AT, Rn. 518. 164  Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 13 ff.; Palandt/Ellenberger, vor § 164 BGB, Rn. 11. 160 Soergel/Leptien,

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beim Grundsatz der Stellvertretung (vgl. § 166 BGB) ist im Übrigen die Person des Geschäftsherrn und nicht die Hilfsperson für die Ermittlung des Irrtums und der Kenntnis entscheidend.165 Dies setzt sich bei der Auslegung und dem Zugangszeitpunkt einer Willenserklärung fort. Bei der Empfangsbotenschaft liegt der Zugang beispielsweise erst vor, sobald die Übermittlung an den Geschäftsherrn zu erwarten war. Zudem erfolgt eine Unterscheidung zwischen Empfangs- und Erklärungsboten. Während der Erklärungsbote zum Lager des Absenders zählt, gehört der Empfängerbote zum Bereich des Adressaten. Dementsprechend verteilt sich auch das Risiko, dass die Erklärung nicht oder verfälscht das Ziel erreicht. Die Abgrenzung der beiden Botenformen geschieht nicht nach dem Machtbereich der jeweiligen übergeordneten Person. Um als Empfangsbote betrachtet zu werden, muss vielmehr zu erwarten sein, dass der Geschäftsherr den jeweiligen Boten zur Annahme von Erklärungen bestellt hat. In den übrigen Fällen ist der Bote unabhängig von dessen gewöhnlichen Machtbereich Erklärungsbote.166 Überschreitet der Bote seine Botenmacht oder gibt sich nach außen bewusst bzw. unbewusst als Stellvertreter aus, gelten die §§ 177 ff. BGB zumindest analog.167 5.  Mittelbare Stellvertretung Auch mit einem mittelbaren Stellvertreter lässt sich der rechtliche Interaktionskreis einer Person netzwerkartig erweitern. In der Regel wählen Personen diese Art der Interessenwahrnehmung, wenn der Geschäftsherr unerkannt bleiben bzw. die Geschäftsverbindungen des mittelbaren Stellvertreters ausnutzen will. Unter einer mittelbaren Stellvertretung wird das Handeln im eigenen Namen, jedoch im Interesse und auf Rechnung des Geschäftsherrn verstanden.168 Nimmt ein solcher Vertreter rechtliche Handlungen vor, dann berechtigt und verpflichtet dies ausschließlich ihn und nicht den im Hintergrund stehenden Geschäftsherrn. Unabhängig von den unmittelbaren gesetzlichen Rechtsfolgen soll aber der wirtschaftliche Erfolg beim Geschäftsherrn eintreten. Aus dem Grund bezeichnen viele die Art der Handlung als verdeckte, indirekte oder stille Stellvertretung.169 Besonders im Fall der Dienstleistungsgesellschaft hat sie erhöhte praktische Bedeutung.170 Im Bürgerlichen Gesetzbuch erfolgt keine ausdrückliche Normierung der Grundform. Trotzdem erkennt das allgemeine Zivilrecht auf der Grundlage der privatautono-

165 Soergel/Leptien,

§ 166 BGB, Rn. 10. Medicus, AT, S. 118 f., Rn. 284 ff. 167  Wolf/Neuner, AT, § 51, Rn. 20; Rüthers/Stadler, § 30, Rn. 2 ff., § 25, Rn. 55 f., § 17, Rn. 52 f. 168  Brox/Walker, AT, Rn. 515. 169  Zum Teil wird der mittelbare Vertreter auch als Strohmann und der Geschäftsherr als Hintermann oder Auftraggeber bezeichnet, vgl. Soergel/Leptien, vor § 164 BGB, Rn. 37; MünchKomm/Schubert, § 164 BGB, Rn. 46 ff. 170  Schwark, JuS 1980, 777. 166 

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men Vertragsfreiheit ihre rechtliche Zulässigkeit durchgängig an.171 Gesetzliche Regelungen lassen sich dagegen für besondere Formen und Hintergründe in Spezialgesetzen finden. Hierzu zählt etwa der Kommissionär. Gem. § 383 Abs. 1 HGB kauft und verkauft dieser gewerbsmäßig Waren bzw. Wertpapiere im eigenen Namen für einen anderen.172 Rechtlich hat die mittelbare Stellvertretung verschiedene Konsequenzen. Sie setzt sich grundsätzlich aus zwei Rechtsverhältnissen zusammen. Das erste Verhältnis existiert zwischen dem gewöhnlichen Geschäftspartner und dem mittelbaren Stellvertreter. Dies ist etwa ein Kauf-, Werk- oder sonstiger Vertrag. Der Geschäftsherr wird regelmäßig nicht Vertragspartner, wie etwa durch die Stellvertretung nach den §§ 164 ff. BGB. Es gelten keine rechtlichen Besonderheiten. Die andere Verbindung besteht dagegen ausschließlich zwischen dem mittelbaren Stellvertreter und dem Geschäftsherrn (Hintermann). Dieses Verhältnis beruht in der Regel auf einem Auftrag (§ 662 BGB) oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) und hat hauptsächlich die Weiterleitung des Erlangten aus der ersten Verbindung zum Gegenstand.173 Demzufolge kommt es im Gegensatz zur Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB auch zum sogenannten Durchgangserwerb mit den üblichen Risiken.174 Neben den gewöhnlichen Vorschriften für das jeweilige Rechtsverhältnis schlagen einige die analoge Anwendung von Normen der Stellvertretung für die Verbindungen zwischen den drei Beteiligten und von handelsrechtlichen Spezialregelungen im Verhältnis zu außenstehenden Personen vor. Für das reguläre Beziehungsgeflecht diskutieren sie insbesondere die Anwendung des § 166 BGB.175 Begründet wird die Übertragung des Rechtsgedankens aus § 166 Abs. 1 BGB damit, dass der mittelbare Stellvertreter nicht nur legitimiert sei, die Interessen des Vertragspartners wahrzunehmen, sondern sogar selbst an dessen Stelle trete. Aus Gründen des Verkehrsschutzes soll sich der mittelbare Vertreter daher nur auf Willensmängel berufen können, die bei ihm vorgelegen hätten. Während die Übertragung des Rechtsgedankens aus § 166 Abs. 1 BGB aufgrund des gleichen faktischen Ergebnisses noch eher nachvollziehbar ist, fällt dies allerdings beim folgenden Absatz schwerer. Für die Übertragung des zweiten Absatzes ziehen die Befürworter den Sinn und Zweck der Regelung heran. Danach soll auch im Fall einer mittelbaren Stellvertretung eine Person keinen gutgläubigen Dritten benutzen dürfen, um die Mangelhaftigkeit des Geschäftes zu beseitigen. Ungeachtet der fehlenden vertraglichen Beziehung zwischen Geschäftspartner und Geschäftsherr nimmt eine Position zudem im Fall eines Missbrauchs der Vertretungsmacht we171  172 

Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 57. Brox/Walker, AT, Rn. 515; Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 57 ff.; Rüthers/Stadler, § 29,

Rn. 4. 173  Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 58. 174  Rüthers/Stadler, § 29, Rn. 4. 175  Schwark, JuS 1980, 777, 778 ff.

§ 8  Allgemeine Rechtsgeschäftslehre

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gen der umfassenden Kenntnis des Geschäftspartners eine vertragliche Schutzpflicht zugunsten des Geschäftsherrn an.176 Zu Recht lehnen jedoch die überwiegenden Auffassungen eine Anwendung des § 166 BGB auf die Fälle der mittelbaren Stellvertretung ab.177 Für die Übertragung der Regelung aus dem ersten Absatz fehlt schlicht das Bedürfnis, weil der mittelbare Vertreter schon den Vertragspartner und folglich die für die Beurteilung maßgebliche Person darstellt. Ebenso gibt es keine Notwendigkeit für die entsprechende Anwendung des zweiten Absatzes. Einer solchen Umgehung würde, ebenso wie im Rahmen eines konstruierten Eigentumsrückerwerbs von einem gutgläubigen Dritten, der Einwand unzulässigen Rechtsmissbrauchs aus § 826 BGB entgegenstehen.178 Neben der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen zwischen den unmittelbaren Beteiligten wird eine solche weiterhin zu außenstehenden Personen vorgeschlagen. In dem Kontext befürworten einige zudem eine analoge Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB für alle Fälle der Erwerbsgehilfenschaft.179 Aber auch dies ist schon mangels planwidriger Regelungslücke abzulehnen, weil bei Schaffung des BGB die Aufnahme einer vergleichbaren Regelung im Auftragsrecht abgelehnt wurde.180 6. Erfüllungsgehilfen Zur Erweiterung des Aktionsradius einer Person werden ebenso Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Während es bei den anfangs vorgestellten Hilfspersonen hauptsächlich um die Zurechnung von rechtlichen Erklärungen ging, hat die vorliegende Regelung die Zuweisung eines Verhaltens bei der Erfüllung von Pflichten zum Gegenstand. Erfüllungsgehilfen spielen demnach vor allem im Rahmen des Verschuldens bei Schadensersatzansprüchen eine Rolle. Überdies kann ein Erfüllungsgehilfe gleichzeitig auch Stellvertreter oder Bote sein; es gibt kein Exklusivitätsverhältnis. Der Gesetzgeber normiert die Behandlung des Erfüllungsgehilfen für das allgemeine Zivilrecht in § 278 BGB.181 Hiernach hat ein Schuldner für ein Verschulden des gesetzlichen Vertreters oder der Person, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, wie für eigenes einzustehen. Keine Zurechnung findet bei gelegentlichen Handlungen des Gehilfen statt, die also keinen inneren Zusammenhang zum Schuldverhältnis haben. Ohne eine solche Regelung würde der Schuldner entsprechend dem Verschuldensprinzip nur für eine sorgSchwark, JuS 1980, 777, 779. § 166 BGB, Rn. 4a; Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 10. 178  Vgl. MünchKomm/Oechsler, § 932 BGB, Rn. 26. 179  Hager, AcP 1980 (180), 239, 249 f. 180  Protokolle II, S. 360 ff.; RGZ 58, 273, 276 f.; 84, 214. 181  Außerhalb des allgemeinen Zivilrechts sind etwa die §§ 428, 462 HGB als Zurechnungsnormen für Erfüllungsgehilfen zu nennen. 176 

177 Staudinger/Schilken,

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

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fältige Auswahl und Überwachung die Verantwortung tragen. Dies ist jedoch im Rahmen eines Schuldverhältnisses unangemessen. Vielmehr hat die Legislative die Übernahme einer Garantie für das Verhalten von Hilfspersonen vorgesehen.182 Hinter dieser Norm steht die Wertung, dass der Schuldner für seinen Geschäftsund Gefahrenkreis samt Hilfspersonen grundsätzlich einstehen muss und der Gläubiger der (Sonder-)Verbindung nicht unter den Folgen einer arbeitsteiligen Organisation leiden soll. Zudem beabsichtigt sie demjenigen das Risiko einer Arbeitsteilung zuzuordnen, dem die Vorteile zufließen.183 Neben Pflichtverletzungen kommt eine Zurechnung über § 254 Abs. 2 S. 2 BGB bei der Missachtung von Obliegenheiten infrage.184 7.  Weitere Hilfspersonen Die vorliegende Aufzählung von Hilfspersonen ist nicht als abschließend anzusehen. Vielmehr beschränkt sie sich auf die geläufigsten Helfer. Zum Teil sind im Gesetz auch Übergangsformen zu finden. Hierzu zählt etwa die Regelung in § 1357 BGB. Danach kann jeder Ehegatte bei Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zusätzlich den anderen verpflichten. Diese, als Schutzvorschrift zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gedachte Regelung, dient im Ergebnis ebenso der Erreichbarkeit des Verkäufers gegenüber dem nicht handelnden, aber unter Umständen vermögenden Ehepartner.185

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen Steht fest, dass eine Verbindung zwischen den Beteiligten rechtsgeschäftlichen Charakter hat, können normierte Vertragstypen einschlägig sein. Aufgrund der Netzwerkorientierung ist jedoch fraglich, ob die bestehenden Regeln den Sachverhalten angemessen Rechnung tragen.

I.  Grundsätzliches zu Verträgen Gemäß §§ 145 ff. BGB kommen Verträge durch Angebot der einen Vertragsseite und korrespondierende Annahme der anderen Vertragspartei zustande. Diese Vereinbarung bindet prinzipiell nur die Personen, die den Vertrag geschlossen haben. Verpflichtende Rechtsfolgen können gegenüber außenstehenden Akteuren grundsätzlich nicht angeordnet werden. Aus Verträgen folgen in der Regel nur re-

182 Staudinger/Caspers,

§ 278 BGB, Rn. 1. zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band II, Recht der Schuldverhältnisse, S. 29 f.; BGHZ 62, 119, 124; 95, 128, 132. 184  Medicus, AT, S. 366 f., Rn. 889 ff. 185  Vgl. MünchKomm/Roth, § 1357 BGB, Rn. 1 ff. 183  Motive

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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lative Rechte.186 Im Gegensatz dazu stehen etwa die absoluten Rechte, wie zum Beispiel das Eigentum, die Freiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Der Inhaber dieser Rechte kann ihre Beachtung gegenüber jedermann geltend machen (vgl. § 1004 BGB).187

II. Kaufvertrag 1. Grundlagen   Der wohl allgemein gebräuchlichste Vertrag ist der Kaufvertrag. Bei dieser Vertragsart verpflichtet sich der Verkäufer zur Übertragung einer Sache und der Käufer zur Zahlung eines Kaufpreises, vgl. §§ 433 ff. BGB. Aufgrund dieser Tatsache zählt er zu den gegenseitigen Verträgen,188 die im Grundfall bipolar zwischen zwei Personen geschlossen werden. Kommt es zu Problemen bei der Leistungserfüllung, gelten spezielle Regeln, insbesondere Mängel am Kaufobjekt bei Übergabe erfasst das Gewährleistungsrecht nach den §§ 437 ff. BGB.189 2. Netzwerkbezug Die standardisierte Verwirklichung des kaufvertraglichen Grundtatbestandes hat allein regelmäßig keinen Netzwerkbezug. Vielmehr gilt diese Konstellation als rechtliches Gegenstück für den klassischen Fall einer Marktbeziehung, der zumindest in den Wirtschaftswissenschaften Netzwerkeigenschaften abgesprochen werden. Anders stellt sich jedoch die Situation bei einem vergrößerten Personenkreis dar. Verkauft beispielsweise der Produzent seine Waren nicht direkt an den Endverbraucher, sondern findet bei dem Geschäft die Zwischenschaltung von einem oder sogar mehreren Händlern statt, orientieren sie sich am Netzwerk. Ebenso sind im kaufvertraglichen Bereich weitere Netzwerkformen denkbar. a)  Netzwerk aufgrund gemeinsamen Kaufgegenstands Ein Beispiel für den Verkauf eines Gegenstandes über mehrere Personen ist das Streckengeschäft.190 Als solche Geschäfte werden Handelsformen bezeichnet, bei denen im einfachsten Fall191 ein Händler Produkte von einem Lieferanten erwirbt Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 30 ff., 846. § 823 BGB, Rn. 11 iVm. Palandt/Bassenge, § 1004 BGB, Rn. 4. 188  Brox/Walker, SchuldR BT, § 1, Rn. 2. 189  Im Einzelnen Oechsler, S. 66. 190  Zum Teil werden Streckengeschäfte auch als Kettenhandel bezeichnet, BGH vom 22.3.1982 - VIII ZR 92/81 -, NJW 1982, 2371; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 615. 191  Zur Vereinfachung wird im Folgenden grundsätzlich von einer Beziehung zwischen einem Lieferanten, Händler und Endabnehmer ausgegangen. Selbstverständlich ist eine Vergrößerung dieses Netzwerkes mit beliebig viele Personen möglich. Neben einer Erwei186 Vgl.

187 Palandt/Sprau,

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

und diese an seinen eigenen Kunden weiterverkauft, ohne in tatsächlichen Kontakt mit den Kaufgegenständen zu kommen.192 Im Gegensatz zu gewöhnlichen Tausch­ abwicklungen übernimmt bei der Vertriebsform die Lagerhaltung, Beförderung und Auslieferung jedoch nicht der Händler. Vielmehr wird dieser bei einem solchen Distanzgeschäft mehr oder weniger nur als Organisator tätig, der die Funktionen des Vertriebs, wie beispielsweise Bestellung, Rechnungsstellung, Zahlungsverkehr und Gewährleistungsabwicklung, ausführt.193 Der Hauptgrund besteht überwiegend in der Kostenersparnis. Durch die Direktlieferung zum (End-)Abnehmer vermeiden die Beteiligten unnötige Lager- und Transportkosten. Daneben können solche Geschäfte ihre Berechtigung im Service des Händlers und der allgemeinen Kundenbindung finden.194 Schuldrechtlich liegen im Fall des Streckengeschäftes grundsätzlich mehrere Kaufverträge vor. Im obigen Beispiel kommt es zu einem Vertrag zwischen Lieferant und Händler sowie einem weiteren zwischen Händler und (End-)Abnehmer. Eine Verbindung der beiden an sich rechtlich unabhängigen Verträge erfolgt jedoch über den identischen Kaufgegenstand. Die Gemeinsamkeiten beginnen daher schon bei der Übergabe. Zwar sind die kaufvertraglichen Vereinbarungen für die Übergabe verschieden. Im Kaufvertrag zwischen Lieferant und Händler wird nicht die unmittelbare Besitzverschaffung an den Käufer, sondern an einen Dritten195 nämlich den (End-)Abnehmer vereinbart.196 Zudem soll nach dem Kaufvertrag zwischen Händler und (End-)Abnehmer die Übergabe direkt an den Käufer erfolgen. Vom Ergebnis findet die Übergabe jedoch bei der gemeinsamen Person des (End-)Abnehmers statt. Mit dieser Übertragung steht und fällt die Pflichterfüllung beider Kaufverträge, die hierdurch zumindest faktisch miteinander verbunden sind. Der Übergabeerfolg des einen Vertrages führt zum Übergabeerfolg des anderen Vertrages; entsprechendes gilt für den Gefahrübergang.197 Für den Fall der Erfüllung berücksichtigt der Gesetzgeber die Verbindungsmöglichkeiten beispielsweise in den §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB und § 267 Abs. 1 BGB.198

terung durch mehrere Zwischenhändler kann der (Weiter-)Verkauf auch schon vor Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) im Rahmen des Streckengeschäftes erfolgen, vgl. Palandt/ Weidenkaff, vor § 433 BGB, Rn. 15; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 615 ff. 192  Lerchenmüller, S. 92 ff.; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 59. 193  Brockhaus. Die Enzyklopädie, Stichwort: Streckengeschäft. 194  Lerchenmüller, S. 92 ff. Zum Teil wird hierbei auch von einer abgekürzten Lieferung gesprochen, vgl. Lopau, JuS 1975, 773. 195  Vgl. MünchKomm/Westermann, § 446 BGB, Rn. 7. 196  Wohl andere Ansicht Bamberger/Roth/Faust, § 446 BGB, Rn. 8, der in der Anlieferung der Ware durch den Erstverkäufer beim Zweitkäufer gleichzeitig die Übergabe vom Erstverkäufer an den Erstkäufer/Zweitverkäufer und von diesem an den Zweitkäufer sieht. 197  BGH vom 28.2.1996 - VIII ZR 241/94 -, ZIP 96, 711, 713 f.; MünchKomm/Westermann, § 446 BGB, Rn. 7. 198  Baur/Stürner, S. 643.

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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Zu weiteren Parallelen kommt es in solchen Fällen bei den Gewährleistungsansprüchen, sofern diesbezüglich in beiden Verträgen keine unterschiedlichen Vereinbarungen getroffen wurden. Liegt also ein mangelhafter Kaufgegenstand vor, ist diese Tatsache bei beiden Verträgen identisch. Insofern wird die Verknüpfung zwischen beiden Vertragsverhältnissen erneut deutlich. Andererseits besteht zwischen beiden Vertragsverhältnissen durch die personengebundenen Ansprüche und den fehlenden Automatismus bei der Geltendmachung eine Selbstständigkeit. Gewährleistungsrechte finden nur Beachtung, wenn die jeweiligen Anspruchsteller diese gegenüber ihrem Vertragspartner auch einfordern. Ohne diese Tätigkeit kommt es zu keiner automatischen Anspruchserhebung weder im Verhältnis zwischen (End-)Abnehmer und Händler noch zwischen Händler und Lieferant. Eine solche Anspruchsauslösung erfolgt selbst dann nicht automatisch im Durchlieferungsverhältnis, wenn im nachgeordneten Vertragsverhältnis Gewährleistungsansprüche eingefordert werden. Trotz der einheitlichen Übergabe und dem identischen Vertragsgegenstand existiert grundsätzlich keine Durchgriffshaftung. Vielmehr darf die Anspruchsregelung nur im Zweipersonenverhältnis erfolgen199, sofern keine abweichende Individualvereinbarung zwischen allen Beteiligten existiert. Eine Ausnahme von der autonomen Anspruchsdurchsetzung existiert ebenso nicht bei der Geltendmachung von Gestaltungsrechten. Hat der Lieferant dem (End-)Abnehmer einen mangelhaften Gegenstand übergeben und tritt letzterer gegenüber seinem Vertragspartner vom Vertrag gem. §§ 437, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB zurück, verpflichtet dies den Lieferanten nicht automatisch zur Rücknahme der übergebenen Ware. Vielmehr muss in dem Fall der Händler als Vertragspartner des (End-) Abnehmers den Kaufgegenstand zurücknehmen, obwohl er ihn noch nie im unmittelbaren Besitz hatte.200 Nach dem Rücktritt wandelt sich der Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis, aufgrund dessen die empfangenen Leistungen gem. § 346 BGB zurückzugewähren sind. Weiterhin bleibt es allein dem Händler überlassen, ob und welche Ansprüche er gegenüber seinem Vertragspartner, dem Lieferanten, geltend macht. Nur so können alle vertraglichen Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Vertragspartnern angemessene Berücksichtigung finden. Will er also ebenso die Rücknahme des gelieferten Produkts, erfordert dies von ihm eine Rücknahmeforderung und Durchsetzung gegenüber dem Lieferanten. Ferner muss die sonstige Abwicklung der Gewährleistungsrechte im Zweipersonenverhältnis stattfinden. Andernfalls würden aus rechtlicher Sicht die Privatautonomie und im Übrigen die Motive für die Beauftragung eines Händlers (vor Ort) nebst Streckengeschäftsbelieferung beeinträchtigt. Neben den schuldrechtlichen Wirkungen hat ein Streckengeschäft auch Konsequenzen bei der Übereignung auf der dinglichen Ebene. Dazu eingehend im sachenrechtlichen Kapitel. 199 Vgl. Palandt/Weidenkaff, vor § 433 BGB, Rn. 15; Baumbach/Hopt/Hopt, vor § 373 HGB, Rn. 27, die ausdrücklich auf ein Bestehen von Kaufvertragspflichten nur zwischen den jeweiligen Parteien verweisen. 200  Vgl. MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 71.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

b)  Insbesondere Netzwerkbezug aufgrund Gewährleistung Vom Grundsatz her ist Gewährleistungsrecht nicht drittbezogen. Erfolgt die Übergabe der Kaufsache im mangelhaften Zustand, stehen dem Käufer prinzipiell die Gewährleistungsrechte nach den §§ 437 ff. BGB zu. Diese Rechte muss der Käufer nach der gesetzlichen Ausgangslage gegenüber seinem Verkäufer geltend machen und kann nicht automatisch auf den Hersteller oder andere beteiligte Personen zurückgreifen. Außerdem fällt es in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des Verkäufers, die Folgen zu tragen. Dem Verkäufer bleibt es selbst überlassen, ob und welche Vorkehrungen er für einen solchen Fall trifft. Seinen Grund hat die Konsequenz in der Ausübung des ursprünglichen Wahlrechts der Vertragspartner, mit dem anderen den Kaufvertrag abzuschließen. Mit dieser Einigung haben sich die Parteien zu einer gegenseitigen Austauschgemeinschaft verbunden. Ebenso umfasst dies vom Grundsatz her die Tragung des Leistungs- und Insolvenzrisikos201 innerhalb der Gemeinschaft. Im Übrigen sollen jeder Person gegenüber dem Vertragspartner die Einwendungen erhalten bleiben bzw. jeder Vertragsbeteiligte vor Ansprüchen geschützt werden, die weder vertraglich mit dem ausgewählten Partner vereinbart noch gesetzlich vorgesehen sind. Nur die Einhaltung dieser Regeln gewährleistet eine angemessene Interessenwahrnehmung zwischen den Akteuren. Die Erfüllung der (vertraglichen) Verpflichtungen geschieht also grundsätzlich innerhalb der bipolaren Vertragsverbindung und ohne Einbindung dritter Personen. Trotzdem gilt dieser Grundsatz keineswegs ausnahmslos. Durchbrechungen können vertraglicher und gesetzlicher Natur sein. Auf vertraglicher Grundlage ist beispielsweise denkbar, dass der Verkäufer mit seinem Lieferanten eine entsprechende Rückgriffsvereinbarung im Fall der Inanspruchnahme durch den Käufer schließt, vom Hersteller Garantien für den Endverbraucher aussprechen lässt,202 seine Gewährleistungsrechte gegenüber dem Ausgangslieferanten an den Käufer abtritt oder ähnliches vereinbart, um die bipolare Beziehung mit weiteren Personen entsprechend zu erweitern.203 Ebenso bestehen neben den vertraglichen Erweiterungsoptionen gesetzliche Vorschriften, die von der zusammenhanglosen und alleinigen Abwicklung im originären Vertragsverhältnis Ausnahmen begründen. Hierzu gehört insbesondere die Rückgriffsmöglichkeit des Verkäufers im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs gem. § 478 BGB. Zusätzlich stützt eine gesonderte Verjährungsanordnung 201  Entsprechende Gründe werden auch im Rahmen der Anwendungsbeurteilung der Leistungskondiktion vorgebracht, vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 54; Medicus/ Petersen, BR, Rn. 667; Lorenz, JuS 2003, 729, 731 f.; Lorenz, AcP 191 (1991), 279, 282; Würdinger, JuS 2007, 418, 420. 202  Vgl. MünchKomm/Lorenz, § 478 BGB, Rn. 1b. 203  Zur Wirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses im Finanzierungsleasingvertrag, Harriehausen, NJW 2013, 3393. Für die Zulässigkeit der Abtretung von Mängelansprüchen des Bauträgers an seine Erwerber unter gleichzeitiger Freizeichnung von Mängelansprüchen gegenüber den Erwerbern in Bauträgerverträgen, Kniffka/Koeble, Teil 11, Rn. 153.

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

117

in § 479 BGB die Regelung.204 Diese Normen wurden vor dem Hintergrund der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtline (VerbrGK-RL)205 in das BGB eingefügt. Nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers sollte auch ein Unternehmer innerhalb einer Vertragskette bei seinem unternehmerisch tätigen Lieferanten Regress nehmen können, wenn er eine vertragswidrige Sache geliefert bekommen hat und aus dem Grund gegenüber dem Verbraucher Ansprüche erfüllen musste, vgl. Art. 4 S. 1 VerbrGK-RL.206 Beabsichtigt war also zu verhindern, dass der mit dem Endverbraucher vertraglich verbundene Händler für die Kosten der Gewährleistung allein aufkommen muss, falls er den Mangel nicht verursacht hat.207 Für die Anwendung des Rückgriffsanspruchs nebst Rückgriffsprivilegierung ist damit das Vorhandensein einer unternehmerischen Lieferkette grundlegende Voraussetzung. Eine solche Kette im Sinne der Vorschrift liegt dann vor, wenn ein Unternehmer gem. § 14 BGB die Sache an eine andere ebenso tätige Person verkauft. Sie wird dagegen unterbrochen, wenn in der Kette ein Verbraucher handelt.208 Nach § 478 Abs. 1 BGB bedarf es keiner Fristsetzung des Verkäufers bei der Ausübung seiner Gewährleistungsrechte gegenüber seinem eigenen Lieferanten, falls der Verbraucher wegen eines neu hergestellten aber mangelhaften Kaufgegenstandes den Rücktritt vom Kaufvertrag oder die Minderung des Kaufpreises geltend macht. Absatz zwei dieser Norm begründet sodann einen Aufwendungsersatzanspruch des Verkäufers gegen den Lieferanten für erforderliche Mangelbeseitigungskosten iSd. § 439 Abs. 2 BGB. Schließlich regeln die folgenden Absätze sonstige Details für eine effektive Rechtsdurchsetzung.209 Mit der Regelung von Absatzketten im Kaufrecht zeigt der Gesetzgeber, dass er netzwerkorientiertes Verhalten im materiellen Gesetzesrecht anerkennt. Hierbei berücksichtigt er bei der Normierung anschaulich einerseits die Selbstständigkeit der beteiligten Akteure und andererseits die Verflechtung der verschiedenen Vertragsverhältnisse. Ein Zeichen für die starke Selbstständigkeit jedes beteiligten Vertragsakteurs ist die fehlende Begründung einer Durchgriffshaftung.210, 211 Die Oechsler, S. 348 ff. Amtsblatt Nr. L 171 vom 7.7.1999, S. 12 ff.; NJW 1999, 2421 ff. 206  NJW 1999, 2421, 2423. 207  Oechsler, Rn. 502; MünchKomm/Lorenz, § 478 BGB, Rn. 3; BT-Drucksache 14/6040, S. 247. 208 Palandt/Weidenkaff, § 478 BGB, Rn. 3; vgl. Erman/Grunewald, § 478 BGB, Rn. 27. 209  Oechsler, Rn. 504 ff. 210  Vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 247. 211  Im Gegensatz zu der Haftungsregelung in § 478 BGB steht beispielsweise das Produkthaftungsgesetz. Geschädigte haben nach diesem Gesetz, welches auf die Produkthaftungsrichtlinie zurückgeht, einen direkten Anspruch gegen den Hersteller des Produkts. Neben dem Hersteller ist auch der Vermieter und jede andere Person zum Schadensersatz verpflichtet, die das Produkt mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Zweck des Vertriebs eingeführt oder verbracht hat, § 4 Abs. 1, 2 ProdHaftG. Kann kein 204  205 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Einzelhaftung macht eine Beachtung aller Beteiligten mit ihren Individualinteressen in der Vertragskette zwangsläufig erforderlich. Daraus ergibt sich eine weitere Ausprägung der bestätigten Selbstständigkeit. Um den persönlichen Rückgriffsanspruch gegen seinen Vertragspartner nicht zu verlieren, muss nämlich jeder Lieferant seine eigenen Pflichten sorgfältig erfüllt haben. Neben den Anpassungen der Fristen bei den Gewährleistungsrechten in Absatz 1 und 3 wird die Eigenständigkeit der einzelnen Unternehmer in der Absatzkette zudem in den Absätzen 4 bis 6 des § 478 BGB sichtbar. Nach § 478 Abs. 4 BGB sind nachteilige Vereinbarungen des Verkäufers mit seinem Lieferanten nur wirksam, wenn ein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wurde. Überdies gilt die Rückgriffsmöglichkeit nicht nur für den Verkäufer des Endverbrauchers, sondern jeweils auch unter den Vorlieferanten 212, soweit diese Unternehmer iSv. § 14 BGB sind und damit eine taugliche Lieferkette bilden, vgl. § 478 Abs. 5 BGB. Sinn und Zweck der Rückgriffsmöglichkeit allgemein und speziell des Abs. 5 ist es, grundsätzlich denjenigen für die vertragswidrige Lieferung haftbar zu machen, der den Mangel verursacht hat.213 Schließlich erklärt die Norm die unabhängige Anwendung der handelsrechtlichen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB, vgl. § 478 Abs. 6 BGB. Missachtet also ein beteiligter Händler seine Obliegenheit, die Sache zu untersuchen und gegebenenfalls bei seinem Lieferanten fristgemäß zu rügen, kann der Gewährleistungsanspruch unabhängig von § 478 BGB ausgeschlossen sein.214 Bei der Analyse der Vorschrift wird deutlich erkennbar, dass die Norm mit ihrer Anspruchsgrundlage in Absatz zwei und ihren Fristenmodifizierungen zum einen von einer herkömmlichen Anspruchskonstellation im Zweipersonenverhältnis, also zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner, ausgeht und auf der anderen Seite Tatbestandsmerkmale an vertragliche Vereinbarungen mit Dritten knüpft. Aus letzterem Umstand entsteht die Verflechtung der verschiedenen VertragsverHersteller ermittelt werden, erlaubt es unter Umständen § 4 Abs. 3 ProdHaftG den Lieferanten für den Schaden haftbar zu machen. Grundsätzlich werden von diesem Gesetz Körper-, Gesundheits- und Sachschäden erfasst, die durch den Produktfehler entstanden sind. Vgl. Palandt/Sprau, vor § 1 ProdHaftG, Rn. 1 ff. 212  Unter Lieferanten werden nur die Unternehmer verstanden, die die neue Sache hergestellt, danach verkauft bzw. gehandelt haben. Von den Lieferanten sind nicht die sogenannten Zulieferer erfasst, also Unternehmer die einzelne Bauteile für die neu hergestellte Sache beschaffen. Die Begründung erfolgt mit dem Wortlaut der Norm, die von einer „neu hergestellten Sache“ ausgeht. Bei einer Verarbeitung oder einem Einbau ändert sich jedoch der allgemeine Zustand, sodass keine Identität mehr vorliegt. Das Zulieferprodukt geht als Teil in der anderen Sache auf; es entfällt die eigenständige Existenz des Bauteils. Bei einem aus diversen Einzelteilen zusammengesetzten Computer darf also beispielsweise der Zulieferer eines Computerspeicherbausteins nicht den Computerhersteller auf der Grundlage des § 478 BGB in Anspruch nehmen, vgl. Ernst, MDR 2003, 4, 5; Mankowski, DB 2002, 2419. 213  BT-Drucksache 14/6040, S. 247. 214  Oechsler, Rn. 518; Palandt/Weidenkaff, § 478 BGB, Rn. 19; Ernst, MDR 2003, 4, 6 m. w. N. Für die Unverzüglichkeit nach § 377 HGB kommt es allein auf die Reaktion des Verkäufers im Anschluss an die Mängelanzeige des Verbrauchers an, Oechsler, Rn. 519.

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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hältnisse. Die Anknüpfung an ein vertragliches Verhalten eines Dritten erfolgt in dieser Norm besonders in Absatz drei, der die Frist für die Beweislastumkehr des § 476 BGB an den Übergang der Gefahr auf den Verbraucher koppelt. Ein gewöhnlicher kaufrechtlicher Gewährleistungsanspruch legt im Vergleich dazu grundsätzlich nur Voraussetzungen zugrunde, die aus der näheren Sphäre von Anspruchsteller und Anspruchsgegner herrühren und in der Regel von diesen sogar vereinbart wurden. Speziell mit der gegenständlichen Regelung greift der Normgeber jedoch bei den Rückgriffsansprüchen aus dem Gewährleistungsrecht zwischen beiden Unternehmern auf das fremde Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Endverbraucher zurück, denn dort erfolgt die Bestimmung des Gefahrübergangs215. c)  Verbundene Verträge iSd. §§ 358 f. BGB Einen Netzwerkbezug haben zudem die Regelungen in §§ 358 f. BGB für den Fall der Drittfinanzierung. Hierbei geht es allgemein um verbundene Verträge zwischen einem Verbraucher und einem oder mehreren Unternehmern. Nach § 358 Abs. 3 BGB liegt ein solcher Verbund etwa vor, wenn ein Liefer- oder Leistungsvertrag mit einem Darlehensvertrag so miteinander verbunden sind, dass das Darlehen zumindest teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Zu einer wirtschaftlichen Einheit kommt es vor allem bei einer eigenen Finanzierung durch den anderen Vertragspartner sowie im Fall der Drittfinanzierung bei einer Mitwirkung des Vertragspartners in der Vorbereitungs- bzw. Abschlussphase des Darlehensvertrages. Als ausreichend zählt ebenso die Tätigkeit eines Vermittlers zwischen Darlehensgeber und Verkäufer nebst positiver Kenntnis des Darlehensgebers über die Zusammenwirkung zwischen Verkäufer und Vermittler. Vor dem Hintergrund ist selbst ohne ausdrückliche Finanzierungszusage gegenüber dem Verkäufer von einer ausreichenden Mitwirkung schon bei einem faktisch planmäßigen und konzeptionsgemäßen Zusammenwirken auszugehen. Als Indiz für eine solche Arbeitsteilung und organisationale Eingliederung sieht der BGH etwa die Überlassung von hauseige215  Nach allgemeiner Auffassung tritt der Gefahrübergang mit der Übergabe ein. Erforderlich ist damit die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes, was wiederum die vollständige Aufgabe der Sachherrschaft auf Verkäuferseite und deren alleinige Erlangung auf Käuferseite voraussetzt. Neben der Tatsache, ob der Verkäufer die Einräumung des unmittelbaren oder nur mittelbaren Besitzes auf Käuferseite schuldet, bleibt den Kaufvertragsparteien grundsätzlich die Vereinbarung des Leistungsortes überlassen. Je nachdem, ob Hol-, Bring- oder Schickschuld verabredet wurde, schuldet der Verkäufer verschiedene Handlungen. Die Holschuld setzt beispielsweise die Aussonderung und das Bereitstellen für den Gläubiger voraus. Im Fall von Bringschulden erfordert dagegen eine Übergabe neben Aussonderung und Transport noch das vollständige Abladen und Abliefern im Herrschaftsbereich des Käufers von Verkäuferseite, vgl. Staudinger/Beckmann, § 446 BGB, Rn. 20. Wegen § 474 Abs. 2 S. 2 BGB erfolgt im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs eine Vorverlagerung des Gefahrübergangs durch § 447 BGB nicht, sodass Schickschulden den Bringschulden gleichgestellt sind, vgl. Bamberger/Roth/Faust, § 446 BGB, Rn. 6; Palandt/ Weidenkaff, § 446 BGB, Rn. 13.

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nen Vertragsformularen an.216 Liegen derartige Verträge vor, hat der Gesetzgeber einen Widerrufs- und Einwendungsdurchgriff in den §§ 358 f. BGB normiert. Widerruft der Verbraucher beispielsweise den Kaufvertrag gegenüber dem unternehmerischen Vertragspartner, entfällt seine Bindung zudem gem. § 358 Abs. 1 BGB an den verbundenen Darlehensvertrag. Dies gilt ebenso für den verbundenen Vertrag, wenn der Verbraucher das Verbraucherdarlehen widerrufen hat, § 358 Abs. 2 BGB. Sind beide verbundenen Verträge widerrufbar, kann der Widerruf für beide, aber auch nur für einen ausgeübt werden. Es herrscht kein Vorrangverhältnis.217 Für die Rückabwicklung finden grundsätzlich die §§ 355 ff. BGB Anwendung, § 358 Abs. 4 S. 1 BGB.218 Obendrein tritt hierbei gem. § 358 Abs. 4 S. 5 BGB unter bestimmten Umständen der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, sodass eine einheitliche Rückabwicklung gewährleistet wird. Der Verbraucher soll nicht zunächst den Darlehensbetrag gegenüber dem Darlehensgeber erstatten und danach Rückgriff beim Vertragspartner des verbundenen Vertrages nehmen müssen.219 Für die Rückabwicklung zwischen den beteiligten Unternehmern gelten die allgemeinen Regeln.220 Ähnlich verhält es sich bei den Einwendungen. Eine zulässige Leistungsverweigerung gegenüber Verpflichtungen aus einem verbundenen Vertrag kann ferner gem. § 359 BGB zu einer Verweigerung gegenüber dem Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag berechtigen. Zu Ausnahmen kommt es etwa bei nachträglichen Vertragsänderungen und bei behebbaren Leistungsmängeln im verbundenen Vertrag, vgl. § 359 S. 2, 3 BGB. In der Gesamtheit wollte der Gesetzgeber durch die Regelungen den Verbraucher vor Risiken schützen, die sich durch eine Aufspaltung von wirtschaftlich einheitlichen Rechtssachverhalten ergeben.221

III. Werkvertrag 1. Grundlagen Ebenso zählt der Werkvertrag zu den bedeutenden zivilrechtlichen Verträgen für die Praxis. Gesetzlich ist er in den §§ 631 ff. BGB geregelt. Danach verpflichtet sich der sogenannte Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes und der Besteller zur Entrichtung der Vergütung, § 631 Abs. 1 BGB. Die Herstellung des Werkes kann dabei gem. § 631 Abs. 2 BGB in der Fertigung oder Veränderung BGH vom 19.6.2007 - XI ZR 142/05 -, NJW 2007, 3200 f. § 358 BGB, Rn. 8. 218  Sonderregelungen bestehen in § 358 Abs. 4 S. 2 ff. BGB, etwa für Wertersatz, Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung. 219  Vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 201. 220  Vgl. BGHZ 133, 254, 263 f., Erman/Koch, § 358 BGB, Rn. 33; Kropholler, § 358 BGB, Rn. 5. 221 Palandt/Grüneberg, § 358 BGB, Rn. 1. 216 

217 Palandt/Grüneberg,

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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einer Sache als auch in jedem anderen durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführenden Erfolg bestehen. Im Gegensatz zum Dienstvertrag genügt jedoch die bloße Tätigkeit in Form eines Bemühens nicht.222 Der Erfolg muss vom Unternehmer grundsätzlich nicht in Person herbeigeführt werden. Vielmehr darf er die Hilfe von Dritten nutzen. Ausnahmen gelten bei ausdrücklicher Vereinbarung und regelmäßig bei Werken, die entscheidend von den Fähigkeiten und Kenntnissen des Unternehmers bzw. einer bestimmten ihm zugeordneten Person abhängen. Hierzu gehört beispielsweise die Komposition eines Musikstücks. Bedient sich der Unternehmer allerdings bei der Erstellung des Werkes für den Besteller weiterer Personen, kommt bei der Verletzung von Haupt- und leistungs- als auch nichtleistungsbezogenen Nebenpflichten insbesondere eine Verschuldenszurechnung über § 278 BGB infrage.223 2. Netzwerkbezug Ein Netzwerkbezug ergibt sich auch hier infolge von Arbeitsteilung und Spezialisierung durch die Mitwirkung mehrerer Personen. Neben der Beschäftigung eines Unternehmers mit Angestellten ist vor allem die Ausführung durch Subunternehmer in der Praxis weit verbreitet. Im letzteren Fall vereinbart beispielsweise ein Besteller mit einem Hauptunternehmer die Werkerstellung und der Hauptunternehmer bestellt seinerseits die Werkleistung bei einem weiteren Unternehmer, dem sogenannten Subunternehmer. Ebenso kann nur die anderweitige Vergabe von (speziellen) Teilen des Auftrages erfolgen. Das Gesetz trägt solchen netzwerkartigen Verbindungen etwa in § 641 BGB Rechnung. Nach Absatz zwei dieser Norm kommt es zur Fälligkeit der Vergütung des Subunternehmers selbst ohne Abnahme spätestens dann, wenn sein Besteller (Hauptunternehmer) für das versprochene und hergestellte Werk seine Vergütung vom Dritten (Hauptbesteller) erhält (Nr. 1), eine Abnahme zwischen Besteller und Drittem stattgefunden hat bzw. fingiert wird (Nr. 2) oder der Besteller von seinem Subunternehmer erfolglos mit angemessener Frist zur Auskunft über die vorgenannten Tatbestände aufgefordert wurde (Nr. 3).224 Neben diesem konkreten Fall erfordert eine sogenannte Durchgangsfälligkeit iSd. § 641 Abs. 2 BGB zwischen Drittem und Besteller nicht zwingend ein Werkvertragsverhältnis. Als ausreichend gilt zudem eine Bauträgerbeziehung. Ebenso steht eine mehrfache Stufung der Zulässigkeit nicht entgegen, wobei die Fälligkeitswirkung nur für die beiden Schuldverhältnisse mit dem gleichen Besteller eingreift. Unanwendbar bleibt die Vorschrift, wenn keine Leistungskette vorliegt. Dazu kommt es etwa, wenn der Mittelsmann als Vertreter des Dritten auftritt.225

Oechsler, Rn. 1019, 1086; Brox/Walker, SchuldR BT, § 23. Brox/Walker, SchuldR BT, § 24, Rn. 1. 224 Jauernig/Mansel, § 641 BGB, Rn. 4. 225 MünchKomm/Busche, § 641 BGB, Rn. 20. 222  223 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Während in der Vergangenheit eher ein geringes Bedürfnis zur Zusammenarbeit bestand, wächst dieses mit der Komplexität der fortschreitenden Entwicklungen und den Anforderungen der Besteller. Dies zeigt sich selbst im Baubereich, einem der klassischen Gebiete für Werkverträge. Großprojekte machen den Einsatz einer Vielzahl von Spezialisten, wie Architekten, Ingenieure, Statiker und Bauunternehmer, erforderlich. Der gewünschte Erfolg des Bauherrn hängt hierbei nicht nur von der Ausführung einer einzelnen Teilaufgabe ab, sondern von der Gesamtverwirklichung. Erschwerend kommt bei komplexen Projekten die fehlende Planbarkeit in allen Einzelheiten hinzu. Letztlich werden aufgrund dieser Tatsache viele Verträge nur einen Rahmencharakter haben, sodass während der Durchführungsphase eine ständige Anpassung erfolgen kann. Gerade diese Einbettung stellt werkvertragliche Verbindungen in einem Bauprojekt vor Herausforderungen. Ein wesentlicher Teil fällt davon auf die Koordinierung.226 Die rechtliche Beurteilung dieser Situation entscheidet grundlegend die Ausgangslage. Erfolgt beispielsweise die Ausschreibung eines Bauprojekts als Ganzes und beteiligen sich die einzelnen Spezialisten in Form einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE), hat diese die Stellung der Generalunternehmerin inne. Als Generalunternehmer ist die ARGE grundsätzlich allein mit dem Bauherrn vertraglich verbunden. Sofern der Bauherr keine weiteren Parteien verpflichtet, findet grundsätzlich zwischen dem Bauherrn und der ARGE die Koordination im Rahmen ihres (Austausch-)Verhältnisses statt. Die weitere Abstimmung zwischen den übrigen Beteiligten der ARGE erfolgt sodann allein intern. Rechtlich muss eine ARGE prinzipiell als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gem. §§ 705 ff. BGB klassifiziert werden. Je nach Einzelfall kommen aber auch qualifiziertere Rechtsformen infrage, wie zum Beispiel die OHG.227 Größere Probleme bereitet dagegen die Errichtung des Bauwerkes in mehreren Teilen. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn der Architekt das Bauwerk für den Bauherrn plant, eine Firma für ihn den Rohbau erstellt und weitere Personen von ihm mit der Fertigstellung beauftragt sind. Hierher gehören zudem die Konstellationen in denen neben der ARGE weitere Personen den Auftrag zur Herstellung des Werks vom Bauherrn erhalten. In diesen Sachverhalten besteht eine direkte vertragliche Verbindung des Bauherrn mit den anderen Personen. Dagegen existiert in der Regel keine individualvertragliche Verbindung zwischen den ausführenden Beteiligten. Demzufolge sind die (Werk-)Unternehmer grundsätzlich nur zur Erfüllung ihrer eigenen Arbeiten verpflichtet228 und dem Bauherrn obliegt nach allgemeiner Auffassung die Organisations- sowie Koordinierungslast,229 soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Heldt, KritV 2006, 208, 209. BGH vom 15.7.1997 - XI ZR 154/96 -, NJW 1997, 2754; Kapellmann/Messerschmidt/ Thierau/Messerschmidt, VOB Teile A und B, Anhang VOB/B Baubeteiligte und Unternehmereinsatzformen, Rn. 119 ff. 228  Für eine gesamtschuldnerische Haftung bei Mängeln des Vor- und Nachunternehmers, vgl. BGH vom 26.6.2003 - VII ZR 126/02 -, NJW 2003, 2980. 229  Hautkappe, S. 27. 226  227 

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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Gerade im letzteren Fall fragt sich, ob bei einer werkvertraglichen Aufgabenstellung die gesetzlichen Regeln noch ausreichen. Wie oben festgestellt, sind komplexe Projekte vielfach nicht in allen Einzelheiten planbar und benötigen daher während der Durchführungsphase einer permanenten Anpassung. Dieser Umstand erfordert wiederum grundsätzlich bei mehreren, parallelen Vertragspartnern eine ausreichende Organisation und Koordinierung des Bauherrn. Die Vertragspartner dürfen der Situation jedoch nicht gleichgültig gegenüberstehen. Vielmehr bedarf es wegen der Wissensdefizite aufseiten des Bauherrn auch ihrer Mitwirkung.230 Neben Konkretisierungen und Änderungen machen nach einer Position vor allem Störungen die Aufklärung durch die übrigen Beteiligten nötig. Nur in der Form könne eine ausreichende Organisation und Koordination erfolgen. Aufgrund der vertraglichen Verbindung verlange die Situation zumindest zwischen dem Bauherrn und seinen Vertragspartnern eine solche Zusammenarbeit. Darüber hinaus halten einige beispielsweise eine Kommunikation und Kooperation zwischen den nicht individualvertraglich verbundenen Beteiligten für geboten. Begründet wird dies etwa mit der Offenheit der Verträge für Konkretisierungen und Änderungen sowie einer gesteigerten Störanfälligkeit aufgrund des Langzeitcharakters derartiger Projekte. Hierdurch soll aufgrund eines persönlichen und vertrauensvollen Beziehungsgeflechts auch in den Fällen eine Anpassung der vertraglichen Beziehungen stattfinden.231 Dahinter steht die Überzeugung, dass eine Person letztlich nur dann optimal mitwirke, wenn sie eine vollumfängliche Haftung wegen einer eigenen Pflichtverletzung fürchten müsse. Könne sie allerdings auf eine Schadensverlagerung hoffen, verringere sich dagegen die Motivation zur eigenen Handlung.232

IV. Reisevertrag 1. Grundlagen Eine mit dem Werkvertrag verwandte Normierung ist das Reisevertragsrecht gem. §§ 651a ff. BGB. In einem Reisevertrag verpflichtet sich nach § 651a Abs. 1 BGB der Reiseveranstalter zur Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen und der Vertragspartner zur Zahlung. Eine bloße Leistungsvermittlung muss dagegen deutlich gemacht werden, vgl. § 651a Abs. 2 BGB. Das Gewährleistungsrecht hat der Gesetzgeber in den §§ 651c ff. BGB festgeschrieben. Es gibt den Reisenden ein Recht auf Abhilfe, Minderung, Kündigung und Schadensersatz. Im Übrigen zeichnet sich das Reisevertragsrecht durch verbraucherfreundliche Vertragsänderungsmöglichkeiten aus, vgl. § 651a BGB.233

Vgl. BGHZ 174, 110; Schlotke, in: Der komplexe Langzeitvertrag, S. 377, 378 f. Heldt, KritV 2006, 208, 209 ff.; Schlotke, in: Der komplexe Langzeitvertrag, S. 377, 381. 232 Vgl. Heldt, KritV 2006, 208, 221. 233  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 714 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 827 ff. 230 

231 Vgl.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

2. Netzwerkbezug Der Netzwerkbezug ergibt sich aus der regulären Beteiligung der verschiedenen Personen. Kenntlich wird dies schon durch die zusätzliche Unterscheidung zwischen Reiseveranstalter und Leistungsträgern. Während der Veranstalter die Erbringung der Gesamtheit der Reiseleistungen verspricht, erfüllen letztere lediglich einzelne Reiseleistungen rechtlich und wirtschaftlich selbstständig, wie etwa die Fluggesellschaften und Hotels. Unter die Reiseveranstalter fällt zudem regelmäßig nicht das Reisebüro, da dies den Vertrag nur vermittelt und nicht die Durchführung schuldet.234 Die Tätigkeit des Reisebüros entspricht vielmehr der eines Handelsvertreters,235 weshalb die meisten ein Vertragsverhältnis zwischen dem Büro und dem Reisenden ablehnen. Andere behaupten einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit eigenständigen Beratungspflichten bei der Auswahl des Reiseveranstalters.236 In jedem Fall wird zumindest nach der Auswahl des Reisever­ anstalters das Reisebüro als Erfüllungsgehilfe des Veranstalters tätig.237 Sofern keine Vermittlung vorliegt, sind auch die einzelnen Leistungsträger keine Vertragspartner des Reisenden, sondern ebenso bloße Erfüllungsgehilfen.238 Unabhängig davon qualifiziert die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur den Vertrag zwischen Reiseveranstalter und Leistungsträger als Vertrag zugunsten Dritter.239 Diese Unterscheidungen finden ferner im Reisevertrag Eingang. Die für die Minderung vorausgesetzte Mängelanzeige bedarf daher grundsätzlich der Erklärung gegenüber dem Reiseveranstalter und nicht dem Leistungsträger. Eine Widerlegung der Verschuldensvermutung im Rahmen von Schadensersatzansprüchen tritt im Vergleich hierzu erst ein, wenn der Reiseveranstalter darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, dass weder er noch einer seiner Erfüllungsgehilfen den Umstand, auf dem der Mangel beruht, zu vertreten haben.240 Die Berücksichtigung der netzwerkorientierten Leistungserbringung mit ihren beschränkten Einwirkungsmöglichkeiten erfolgt zudem im Rahmen der vertraglichen Haftungsbeschränkung. Nach § 651h Abs. 1 BGB darf die Haftung des Reiseveranstalters für Nichtkörperschäden beispielsweise reduziert werden, wenn sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt wurden oder allein auf einem Verschulden eines Leistungsträgers beruhen.241 234 

BGHZ 82, 219. Oechsler, Rn. 1192. 236  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 721; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 810 m. w. N. 237  OLG Düsseldorf vom 16.12.2004 - 12 U 30/04 -, NJW-RR 2005, 644, 645. 238 Vgl. OLG Frankfurt vom 12.3.2009 - 2/24 S 218/08 -, NJW-RR 2009, 1354, 1355; Oechsler, Rn. 1193. 239 BGHZ 93, 271, 274 f.; Oechsler, Rn. 1195; MünchKomm/Tonner, § 651a BGB, Rn. 39 ff. m. w. N. 240  BGH vom 9.11.2004 - X ZR 119/01 -, NJW 2005, 418 ff. 241  Brox/Walker, SchuldR BT, § 28, Rn. 17, 22, 25. 235 

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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Zusätzlich zu den tatsächlichen Gegebenheiten ermöglichen die spezifischen reiserechtlichen Normierungen sogar die nachträgliche Aufnahme von anderen Personen. Hierzu gehört das vertragliche Eintrittsrecht von Dritten gem. § 651b Abs. 1 S. 1 BGB. Nach dieser Regelung darf der Reisende bis zum Beginn der Reise verlangen, dass anstatt ihm ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt. Hat der Reiseveranstalter kein Widerspruchsrecht, haften ihm der Vertragspartner und der Dritte für den Reisepreis und die hervorgerufenen Mehrkosten als Gesamtschuldner, § 651b Abs. 2 BGB. Ein weiterer Drittbezug erfolgt beispielsweise durch die Insolvenzsicherung. Nach § 651k Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter für den Fall der Zahlungsunfähigkeit verpflichtet, bestimmte Erstattungsansprüche durch Versicherungen eines Versicherungsunternehmens oder Zahlungsversprechen eines Kreditinstituts abzusichern. Diese Sicherungsansprüche muss der Reisende sodann unmittelbar übertragen bekommen, § 651k Abs. 3 BGB.242 Damit berücksichtigt auch das Reisevertragsrecht des BGB die netzwerk­ orientierte Arbeitsweise in der Praxis.

V. Mietvertrag 1. Grundlagen Eine vertragliche Verbindung zwischen verschiedenen Personen kann ferner auf einem Mietvertrag beruhen. Im Gegensatz zum Kauf- oder Werkvertrag geht es hierbei nicht um den Austausch von Gegenständen oder die Erstellung von Werken, sondern um eine Gebrauchsüberlassung.243 Weitere Gebrauchsüberlassungsverträge sind etwa die Pacht- und Leihverträge. Die gesetzliche Normierung des Mietvertrages erfolgt in den §§ 535 ff. BGB. Nach § 535 BGB verpflichtet sich der Vermieter im Wesentlichen, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache für eine bestimmte Zeit zu gewähren (§ 535 Abs. 1 S. 1 BGB), und der Mieter, die vereinbarte Miete zu zahlen (§ 535 Abs. 2 BGB). Der Vermieter muss nicht Eigentümer sein, sodass die Möglichkeit zur Untermiete existiert. In der Grundform handelt es sich bei einem Mietvertrag um einen gegenseitigen Schuldvertrag.244 Darüber hinaus sind Abwandlungen zulässig. In der Praxis gibt es sogar die Form der Genossenschaftsmiete. Hier sind in einem Mietobjekt nur Genossen Mietparteien und die Stellung des Mieters als Vertragspartner wird von der als Gesellschafter überlagert.245

242  Oechsler, Rn. 1234; Brox/Walker, SchuldR BT, § 28, Rn. 12, 27 ff.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 734 f., 764; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 820, 826. 243  Oechsler, Rn. 802. 244  Brox/Walker, SchuldR BT, § 10, Rn. 1 f. 245  Riesenhuber, S. 60 ff.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

2. Netzwerkbezug Manche sehen schon in dauerhaften Geschäftsverbindungen die juristische Anerkennung von persönlichen Beziehungen in einem Netzwerk.246 Selbst bei Ablehnung dieser Auffassung sind netzwerkorientierte Momente im mietvertraglichen Bereich vorstellbar. Für einen solchen Umstand braucht es nicht zwangsläufig genossenschaftliche oder andere gesellschaftsrechtliche Einflüsse. Ähnlich wie bei Kaufverträgen ergibt sich ein Netzwerkbezug schon dann, wenn mehrere Mietverträge über dieselbe Sache hintereinander geschaltet sind. Trotz der Relativität von schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen und der rechtlichen Selbstständigkeit der Mietverträge bei einem Untermietverhältnis kommt es zu einer Verbindung der Akteure. Vom Grundsatz her ist damit einerseits jede Person nur gegenüber ihrem Vertragspartner vertraglich berechtigt und verpflichtet, andererseits wird jedoch die rechtliche Befugnis im Untermietverhältnis durch die Vereinbarungen im Hauptmietverhältnis begrenzt. Im Ergebnis besteht also eine (mittelbare) Verbindung zwischen dem Untermieter und dem Hauptvermieter. Dies zeigt sich obendrein bei der Kündigungsbeurteilung für das Hauptmietverhältnis, denn ohne entsprechende Gebrauchsüberlassung an den Hauptmieter darf dieser prinzipiell nicht rechtmäßig die Mietsache dem Untermieter bereitstellen. Das Gesetz geht auf die Untermietverhältnisse etwa in den §§ 540, 546 BGB ein. Nach § 540 Abs. 1 BGB ist eine Untervermietung nur mit Erlaubnis des Vermieters möglich. Grundsätzlich hat der Mieter hierauf keinen Anspruch. Eine Ausnahme lässt § 553 BGB im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses zu, wenn ein berechtigtes Interesse besteht und keine Ausschlussgründe vorliegen.247 Eine Erlaubnis gilt jedoch nur gegenüber dem Mieter und begründet für sich kein Vertragsverhältnis des Hauptvermieters mit dem Untermieter.248 Bei Verweigerung ohne wichtigen Grund in der Person des Dritten kann der Mieter jedoch außerordentlich kündigen. Überlässt in der spiegelbildlichen Konstellation dagegen der Mieter ohne Erlaubnis des Vermieters die Mietsache einem Dritten, droht ihm die außerordentliche Kündigung des Mietvertrags, § 543 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB. Einen Anspruch auf Herausgabe der Untermiete, insbesondere als entgangener Gewinn, lehnt allerdings die überwiegende Auffassung ab.249 In jedem Fall hat der Mieter gem. § 540 Abs. 2 BGB ein Verschulden des Dritten bei Gebrauch der Mietsache zu vertreten. Weiterhin sieht der Gesetzgeber die Rückgabepflicht der Mietsache in § 546 Abs. 2 BGB auch gegenüber Dritten vor. In diesem Zusammenhang zeigt sich ferner ein Drittbezug bei Ehepartnern, die nicht Mietvertragsparteien geworden sind.250 Diesen steht selbst ohne mietvertragliche Bindung ein MitbenutzungsTeubner, S. 58. Oechsler, Rn. 827. 248  Brox/Walker, SchuldR BT, § 11, Rn. 29. 249  BGH vom 20.5.1964 - VIII ZR 235/63 -, NJW 1964, 1853; Oechsler, Rn. 828 ff. 250  Häufig wird eine Einbeziehung des Ehepartners nach § 328 Abs. 1 BGB stattfinden, wenn beide bei Vertragsschluss schon verheiratet waren, vgl. Oechsler, Rn. 825. 246  247 

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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und Besitzrecht zu. Ein Ehepartner gilt allerdings nicht als Dritter iSd. §§ 540, 553 BGB noch bedarf er für den Gebrauch einer Zustimmung des Vermieters. Als Folge billigt ihm die Literatur zudem autonome Ansprüche bei einer Besitzstörung zu. Begründet wird dies vor allem durch ein aus Art. 3 und Art. 6 GG hergeleitetes eigenständiges Besitzrecht. Für die Erfüllung von vertraglichen Pflichten haftet dagegen sogar in den Situationen allein der vertraglich gebundene Ehepartner. Außerdem darf nur er Gestaltungsrechte wirksam ausüben und entgegennehmen. Bei der Beurteilung von mietvertraglichen Pflichten ist der ungebundene Ehepartner jedoch Erfüllungsgehilfe des gebundenen Ehepartners.251 Ebenso lässt sich ein Drittbezug über § 569 Abs. 2 BGB berücksichtigen. Diese Vorschrift erlaubt eine Kündigung, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört. Der Begriff des Hausfriedens beachtet also juristisch das Verhältnis von verschiedenen (individualvertraglich nicht verbunden) Mietern, etwa in einem Mehrfamilienhaus. Rechtliche Anerkennung erfährt die Netzwerkorientierung bei Mietverträgen zudem über den Gleichbehandlungsgrundsatz. Während Kündigungen, Mieterhöhungen und andere gewöhnliche Handlungen der individuellen Gestaltungsfreiheit unterliegen, bejahen viele bei Regelungen mit kollektivem Charakter eine Pflicht des Vermieters zur Gleichbehandlung aller Mieter. Derartige Handlungen nehmen die Vertreter beispielsweise beim Aufstellen einer Hausordnung und bei der Festsetzung sowie Änderung des Umlagemaßstabes für Nebenkosten an. Der Grund soll in der Verpflichtung zur Bestimmung nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB liegen.252 Ferner behaupten einige Stimmen zusätzlich zu den bisher anerkannten und überwiegend gesetzlich geregelten Ansprüchen das Bestehen eines rechtlichen Sonderverhältnisses zwischen dem Hauptvermieter und dem Untermieter.253 Als Begründung führt die Position an, dass die funktionelle Zusammengehörigkeit der einzelnen bipolaren Rechtsbeziehungen neben der primären Ebene der vertraglichen Einzelverbindungen auch die sekundäre Ebene der Ordnung erfasse. Weiterhin ziehen sie die Beurteilung von gemischten Verträgen heran. Hier entscheide die Gesamtlage über die einzelvertraglichen Elemente, sodass gegebenenfalls das klassische (typenabhängige) Schuldrecht nicht anwendbar sei. Ebenso könnten komplexe Vernetzungssachverhalte nicht ausschließlich in einzelne bipolare Vertragseinheiten künstlich aufgespalten werden. Die Konsequenz wäre vor allem eine nicht nachvollziehbare Zuweisung von Konflikten und daraus folgende Haftungsfragen. Vielmehr liege eine Verbindung zwischen den einzelnen Verträgen vor, eine sogenannte Vertragsverbindung bzw. ein polyvertragliches Gebilde höherer Ordnung. Über den konkreten Fall hinaus soll eine derartige Vertragsverbindung vor allem immer dann gegeben sein, wenn der Wille der Parteien und insbesondere die Realisierung der Verpflichtungen die Durchführung des anderen 251 Bamberger/Roth/Ehlert, 252 MünchKomm/Häublein,

§ 535 BGB, Rn. 160b. § 535 BGB, Rn. 148; Schmidt/Futterer/Eisenschmid, § 535 

BGB, Rn. 104. 253  Amstutz, KritV 2006, 105, 111 ff. m. w. N.; BGE 120 II, 112, 115.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Vertrages kausal voraussetzen würden. Inhaltlich orientiere sich die Rechtsverbindung höherer Ordnung am Vorbild der Einzelverbindungen. Nur so sei eine interessengerechte Vermeidung der kritisierten Haftungsprobleme möglich. Demzufolge bedürfe es der Annahme einer rechtlichen Sonderverbindung zwischen Hauptvermieter und Untervermieter. Manche vertreten ähnliche Positionen zu den Beziehungen zwischen Mietern. Hier soll beispielsweise die Hausordnung zusätzlich zur Verbindung Mieter-Vermieter ebenso eine unmittelbare Wirkung zwischen den beteiligten Mietern entfalten.254

VI. Auftrag 1. Grundlagen Zusätzlich zum Werkvertrag regelt das BGB weitere tätigkeitsbezogene Verträge. Hierzu zählt der Auftrag gem. §§ 662 ff. BGB. Er verpflichtet den Beauftragten zur unentgeltlichen Besorgung eines Geschäftes gegenüber dem Auftraggeber. Umfasst sind dabei alle Tätigkeiten vom tatsächlichen bis hin zum rechtsgeschäftlichen Bereich. In personeller Hinsicht können dies Angelegenheiten des Auftraggebers als auch eines Dritten sein.255 Im Zweifel muss der Beauftragte gem. § 664 Abs. 1 S. 1 BGB die Geschäftsbesorgung persönlich durchführen. Hierbei darf er sich jedoch prinzipiell eines Gehilfen bedienen, für dessen Verschulden er nach § 278 BGB einzustehen hat, vgl. § 664 Abs. 1 S. 3 BGB. Im Vergleich dazu ist eine Übertragung aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Auftraggeber und Beauftragten nur möglich, soweit es eine Vereinbarung oder der Vertragsinhalt unter Beachtung der Verkehrssitte zulassen. Zum Vollzug kommt es allerdings erst, wenn ein Dritter die Position des Beauftragten und die alleinige Verantwortung übernimmt. Bei Zulässigkeit haftet der Beauftragte gem. § 664 Abs. 1 S. 2 BGB ausschließlich für ein ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden. Dies betrifft insbesondere Fälle von Auswahl-, Anweisungs- und Überwachungsfehlern. Findet dagegen eine unzulässige Übertragung statt, muss der Beauftragte für jeden hierdurch verursachten Schaden ohne ein Verschuldenserfordernis des Dritten einstehen. Ebenso verhält es sich bei einer unberechtigten Hinzuziehung eines Gehilfen.256 Neben der Geschäftsbesorgung hat der Auftraggeber gegenüber dem Beauftragten weitere Rechte und Pflichten. Hierzu zählen etwa die Verpflichtung zur Auskunft (§ 666 BGB) und die zur Herausgabe (§ 667 BGB). Ferner darf der Be254  Schmid, WM 1987, 71, 72; Teubner, S. 184; nur für Ausnahmefälle Riesenhuber, S. 142 ff.; ablehnend gegenüber dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte BGH vom 9.10.1968 - VIII ZR 173/66 -, NJW 1969, 41; Oechsler, Rn. 831. 255 MünchKomm/Seiler, § 662 BGB, Rn. 16. 256  Brox/Walker, SchuldR BT, § 29, Rn. 11 ff.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 804 f.

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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auftragte jederzeit kündigen, § 671 Abs. 1 BGB. Trotz Unentgeltlichkeit kommen jedoch auch dem Auftraggeber verschiedene Rechte und Pflichten zu. Neben den Verpflichtungen insbesondere zum Vorschuss (§ 669 BGB) und Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) kann der Auftraggeber jederzeit das Auftragsverhältnis gem. § 671 Abs. 1 BGB widerrufen.257 2. Netzwerkbezug Das Auftragsverhältnis besteht grundsätzlich zwischen zwei Personen, wobei der Beauftragte mit Angelegenheiten aus dem alleinigen Rechtskreis des Auftraggebers und mit solchen auch aus Bereichen von Dritten befasst sein kann. Ein Netzwerkbezug ergibt sich daher nur im letzteren Fall. Insoweit kommt es gegebenenfalls zu Beeinflussungen der Pflichten zwischen den Vertragspartnern durch die Handlungen des Dritten. Erwirbt der Beauftragte beispielsweise weisungsgemäß als mittelbarer Stellvertreter ein Buch bei einem Dritten, muss er das vom Dritten erlangte Buch dem Auftraggeber herausgeben und darf seine dadurch entstandenen Aufwendungen samt verausgabtem Kaufpreis ersetzt verlangen. Eine ähnliche Konstellation liegt bei der unbedeutenden Fehlerbeseitigung an verkauften Produkten durch einen Vertragshändler für einen anderen vor, zum Beispiel in der Automobilbranche.258 Ein noch stärkerer Drittbezug ergibt sich jedoch bei der Übertragung der Auftragsausführung oder der Einschaltung eines Gehilfen. In derartigen Situationen sind mehrere Personen in besonderer Weise verbindungstechnisch beteiligt, sodass eine noch intensivere Verknüpfung erfolgt. Rechtlich hat die netzwerkorientierte Handlungsweise insbesondere bei Schadensersatzansprüchen erhebliche Auswirkungen.

VII. Dienstvertrag Zum Dienstvertrag erfolgen wegen der geringfügigen Abweichungen zum Arbeitsvertrag keine gesonderten Ausführungen. Aus dem Grund wird auf die Ausführungen im Rahmen des Individualarbeitsrechts (§ 23) verwiesen.

VIII. Geschäftsbesorgungsvertrag 1. Grundlagen Neben den dargestellten Vertragstypen sieht der Gesetzgeber weitere Formen vor, bei denen ein Vertragspartner im Interesse des anderen Tätigkeiten erbringt. Hierzu zählt insbesondere der Geschäftsbesorgungsvertrag, § 675 BGB. Im Ge257  258 

Brox/Walker, SchuldR BT, § 29, Rn. 14 ff.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 806 ff. Lange, Rn. 696.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

gensatz zum Auftrag, der ebenso eine fremdnützige Beschäftigung regelt, erfolgt die Tätigkeit im Rahmen eines solchen Vertrages gegen ein Entgelt.259 a)  Entgeltliche Geschäftsbesorgung Der Geschäftsbesorgungsvertrag hat die Erledigung eines fremden Geschäftes zum Gegenstand. Was eine solche Geschäftsbesorgung jedoch konkret ausmacht, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt. Die Unklarheiten über den Begriff begannen schon bei den Beratungen zum BGB.260 Heute stehen sich im Wesentlichen zwei Positionen gegenüber.261 Nach der weiten Begriffsbestimmung ist unter einer Geschäftsbesorgung jede selbstständige sowie unselbstständige Tätigkeit rechtsgeschäftlicher und tatsächlicher Art zu verstehen.262 Es kommt zu einer Gleichstellung mit den Begriffen der Geschäftsbesorgung im Rahmen des Auftragsrechts (§§ 662 ff. BGB) und den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Nach dieser sogenannten Einheitstheorie sollen auf den Geschäftsbesorgungsvertrag die Regeln des Auftragsrechts Anwendung finden, wenn sie zu einem angemessenen Ergebnis führen.263 Die Anwendung der Vorschriften hänge also von der Interessenlage ab.264 Dagegen sieht die überwiegende Auffassung (sogenannte Trennungstheorie) eine Geschäftsbesorgung in jeder selbstständigen Tätigkeit wirtschaftlichen Charakters, die im Interesse eines anderen innerhalb einer fremden wirtschaftlichen Sphäre vorgenommen wird.265 Als Begründung führen die Vertreter den allgemeinen Sprachgebrauch 266 und die Entstehungsgeschichte, die nicht jede Tätigkeit des Dienstverpflichteten oder des Unternehmers als eine Geschäftsbesorgung verstanden habe267, an. Diese Tätigkeit soll also gerade keine Dienste erfassen, die nur an, aber nicht für einen anderen erfolgen oder die keine selbstständige Betätigung des Willens und der Überlegung erfordern.268 Die Begriffsbestimmung zeige deutlich, dass nur ganz bestimmte Tätigkeiten gemeint seien. Zum einen müsse sich der Geschäftsführer in einem Aufgabenkreis betätigen, der ursprünglich in den des Geschäftsherrn fiel. Es beBrox/Walker, SchuldR BT, § 29, vor Rn. 1. § 675 BGB, Rn. 1. 261  Zum Streitstand Oechsler, Rn. 1276 ff. 262 Vgl. BAG vom 21.9.1966 - 1 AZR 504/65 -, NJW 1967, 414; Erman/Berger, § 675 BGB, Rn. 5; MünchKomm/Heermann, § 675 BGB, Rn. 10; Staudinger/Martinek, § 675 BGB, Rn. 11 ff. 263 MünchKomm/Seiler, § 662 BGB, Rn. 9 ff., insbes. Rn. 14. 264 MünchKomm/Heermann, § 675 BGB, Rn. 10. 265 Erman/Berger, § 675 BGB, Rn. 4 ff.; MünchKomm/Heermann, § 675 BGB, Rn. 4 ff.; Staudinger/Martinek, vor § 662 BGB, Rn. 15. 266 Vgl. Enneccerus/Lehmann, S. 692. 267  Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band II, 1898, S. 377. 268  BGH vom 22.10.1958 - IV ZR 78/58 -, DB 1959, 168. 259 

260 MünchKomm/Heermann,

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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dürfe demnach der Wahrnehmung einer Obliegenheit des Geschäftsführers für den Geschäftsherrn. Als ungenügend gelte, wenn das Betätigungsfeld des Geschäftsherrn erst durch den ausführenden Vertragspartner entstehe.269 Dagegen hindere ein gleichzeitig vorliegendes Eigeninteresse des Geschäftsführers nichts an der Fremdheit und der Geschäftsbesorgung insgesamt. Dies gelte erst recht für das Interesse am vertragsimmanenten Entgelt für die Geschäftsbesorgung.270 Weiterhin soll keine rechtsgeschäftliche Vertretung eines anderen oder das Handeln auf fremde Rechnung nötig sein.271 Zu den Hauptanwendungsfällen würden also Verträge mit Rechtsanwälten, Steuerberatern aber auch mit Banken und Bauträgern zählen.272 Dagegen blieben beispielsweise abhängige Arbeitnehmer außen vor. Aufgrund eines Bedürfnisses nach einem eigenen Anwendungsbereich und der Entstehungsgeschichte erscheint die engere Auffassung vorzugswürdiger. Trotz der verschiedenen Ansätze sind die praktischen Auswirkungen letztlich gering. Während in dem einen Fall die Vertreter durch eine Einzelanalogie auf das Auftragsrecht Bezug nehmen, werden im anderen überwiegend entsprechende Nebenpflichten mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung hergeleitet.273 Bei einer Geschäftsbesorgung für eine andere Person bedarf es nicht zwangsläufig der Offenlegung der fremdbestimmten Tätigkeit. Ein solches Tatbestandsmerkmal setzt weder § 662 BGB noch § 675 BGB voraus.274 Etwas anderes kann natürlich aus Vereinbarungen oder Spezialregelungen folgen. Selbst die Tätigkeit eines Vertragshändlers unmittelbar auf eigene Rechnung steht zum Beispiel einer Geschäftsbesorgung nicht entgegen. Für das Erfordernis einer Handlung auf fremde Rechnung könnte jedoch das Auftragsrecht hindeuten. Dies soll etwa durch die Herausgabepflicht des Erlangten nach § 667 BGB und den Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB zum Ausdruck kommen.275 Dagegen spricht aber schon der Gesetzeswortlaut, der für Geschäftsbesorgungen auf vertraglicher Grundlage kein Handeln unmittelbar auf fremde Rechnung fordert. Zudem verlangen selbst Vertreter des engen Geschäftsbesorgungsbegriffes276 kein Handeln des Geschäftsbesorgers auf Rechnung des Geschäftsherrn. Exemplarisch veranschaulicht dies die Begriffsbestimmung mithilfe der ökonomischen Vertretung. Nach dieser Position setzt die Geschäftsbesorgung eine Übertragung von führenden wirtschaftlichen Funktionen des Geschäftsherrn auf den Geschäftsbesorger voraus. Entscheidend sei hierbei noch nicht einmal die formelle Vertretung 269 

BGHZ 45, 223, 228 f.; kritisch Staudinger/Martinek, § 675 BGB, Rn. A 20. BGHZ 19, 282, 292; Staudinger/Martinek, § 675 BGB, Rn. A 19 ff.; Ulmer, P., S. 279; differenzierend Isele, S. 42 ff. 271 Vgl. Enneccerus/Lehmann, S. 691 ff.; Leonhard, S. 254 ff.; Siber, S. 348 f. 272 MünchKomm/Heermann, § 675 BGB, Rn. 26 ff. 273 MünchKomm/Heermann, § 675 BGB, Rn. 11. 274 MünchKomm/Seiler, § 662 BGB, Rn. 19. 275  Ulmer, P., S. 277. 276 Vgl. Enneccerus/Lehmann, S. 691 ff.; Leonhard, S. 254 ff.; Siber, S. 347 ff. 270 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

des Geschäftsherrn durch den Geschäftsbesorger, sondern allein die tatsächliche Wahrnehmung der wirtschaftlichen Stellung des Vertretenen. Als Beispiele werden die Berufung eines Verwalters für die Führung eines Landwirtschaftsbetriebes samt Angestellten und die Einstellung eines Gesellen zur Fortführung eines Schuhmacherbetriebes während einer Reise des Meisters angeführt.277 Es bedarf also keiner Tätigkeit unmittelbar auf fremde Rechnung. Ferner hindert das Fehlen einer herkömmlichen Entgeltleistung nicht zwangsläufig die Annahme eines Geschäftsbesorgungsvertrags. Eine Entgeltleistung kann in vielfältiger Art und Weise erfolgen. Einige sehen die Vergütung in der erzielten Handelsspanne278 beim Verkauf des Herstellerprodukts bzw. der -leistung.279 Andere betrachten bereits die Übertragung des (territorialen) Alleinvertriebs vom Hersteller auf einen Vertragshändler als Entgeltleistung.280 Zur Realisierung einer Handelsspanne oder dergleichen müsse es dagegen nicht kommen. Nach dieser Position soll also eine Art Naturalvergütung ausreichen. Eine verwandte Auffassung lässt schon generell die Eröffnung der Verdienstmöglichkeit ohne Alleinvertriebsrecht als Gegenleistung gelten. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Händler sich mit einem Hersteller verbindet, um an der Werbewirkung der Marke und den damit einhergehenden Vertriebschancen ebenso für andere Produkte zu partizipieren. Hierbei machen die Vertreter Parallelen zu den Fällen im Gaststättengewerbe mit dem dort zum Teil gewährten Naturallohn 281 geltend. Mitunter stellen Gastwirte Kellner ein, die Speisen sowie Getränke beim Wirt beziehen und diese auf eigene Rechnung verkaufen. Als Verdienst dient dann lediglich die Differenz zwischen Ein- und Verkauf nebst Trinkgeld.282 Ebenso mieten manche in Gastwirtschaften Räume an, wobei dem Gastwirt ausschließlich als Mietzins die Bewirtung der Gäste genügt.283 Im Ergebnis erbringt eine Person sowohl in den Fällen aus dem Gaststättengewerbe als auch in den Beziehungen zwischen Vertragshändler und Hersteller Leistungen gegen die Gewährung von Verdienstmöglichkeiten. Die Eröffnung der Einkommenschance stellt also ein materialisiertes und entgeltfähiges Gut dar.284

Dnistrjanskyj, Jherings Jahrbücher 77, 48, 66 ff.; Ulmer, P., S. 277 ff. Händlerspanne wird die Differenz zwischen Einkaufspreis aus dem Vertragsverhältnis Hersteller – Vertragshändler und Verkaufspreis aus der Vereinbarung zwischen Vertragshändler – Kunden bezeichnet. 279  Ulmer, P., S. 282. 280 Vgl. Düringer-Hachenburg, § 84 HGB, Anm. 14; Sölter, S. 25 ff.; Ulmer, P., S. 282 ff.; Jaletzke/Schultze, S. 107, Rn. 286, für eine Verpflichtung des Herstellers den Händler zu unterstützen. 281  Brox/Rüthers/Henssler, S. 102, Rn. 273 f. 282  Lotmar, S. 702 ff. (708). 283  RGZ 160, 153, 155. 284  Ulmer, P., S. 282 ff. 277 

278  Als

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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b)  Rechte und Pflichten der Parteien Grundsätzlich ergeben sich die Rechte und Pflichten der Parteien aus ihrer vertraglichen Vereinbarung. Soweit keine Regelungen zwischen den Parteien getroffen wurden und die besonderen Normen in den §§ 675a bis 676c BGB oder andere Spezialvorschriften nicht einschlägig sind, findet bis auf wenige Ausnahmen 285 das Auftragsrecht subsidiär Anwendung (vgl. § 675 Abs. 1 BGB). Im Übrigen können bei Regelungslücken Vorschriften aus dem Dienst- und Werkvertragsrecht ergänzend herangezogen werden.286 Dies begründet unter Umständen sogar besondere Verpflichtungen zur Rücksichtnahme zwischen den dauerhaft verbundenen Beteiligten.287 2. Netzwerkbezug Im Gegensatz zu Kaufverträgen oder anderen Vereinbarungstypen, die grundsätzlich den Ausgleich von zwei Rechtskreisen beabsichtigen, hat der Geschäftsbesorgungsvertrag einen Drittbezug immanent. Außerdem charakterisiert die herrschende Auffassung eine Geschäftsbesorgung sogar als die Erbringung einer Leistung für den Geschäftsherrn gegenüber Dritten.288 Im Ergebnis ist somit die Vertragsart besonders geeignet, netzwerkorientiertes Verhalten rechtlich zu erfassen. Konkret zeigt sich dies auch bei den oben dargestellten Sachverhalten mit Stellvertretern. Hierbei kann beispielsweise schon das Grundverhältnis zwischen Stellvertreter und Vertretenen auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag beruhen.

IX. Handelsvertretervertrag 1. Grundlagen Wegen den wirtschaftlichen Sachverhalten soll exkursorisch auf die rechtlichen Beziehungen eines Handelsvertreters eingegangen werden. Grundsätzlich dient ein solcher Vertreter der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften.289 Ursprünglich wurde er auch als „Handlungsagent“ bezeichnet.290 Normativ definiert der Gesetzgeber den Begriff des Handelsvertreters in § 84 Abs. 1 S. 1 HGB. Nach 285  Lediglich das Verbot der Substitution (§ 664 BGB) und das jederzeitige Kündigungsrecht beider Parteien sind ausgenommen. 286  Brox/Walker, Schuldrecht BT, § 29, Rn. 42 ff.; Emmerich, Schuldrecht BT, § 12, Rn. 12, 14. 287  Dementsprechend wurde bei einem Eigenhändlervertrag mit Depotunterhaltungsabrede die Verpflichtung des Herstellers bei Kündigung zur Abnahme bzw. Verwertungsmithilfe bezüglich des überflüssig gewordenen Lagers bejaht, vgl. BGHZ 54, 338, 345 f. 288  Kropholler, § 675 BGB, Rn. 2. 289  Brox/Henssler, Rn. 233a. 290 Heidel/Schall/Keßler, § 84 HGB, Rn. 14.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

der Vorschrift zählen zu ihnen solche Vertreter, die als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut sind, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Die Aktivität eines Handelsvertreters besteht also in der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften für einen anderen Unternehmer. Insbesondere beim Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten wird der Handelsvertreter nicht Vertragspartei. Vielmehr entsprechen seine Verrichtungen denen eines gewöhnlichen Vertreters, der im fremden Namen und auf fremde Rechnung handelt. Es gelten die Regeln der Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB. Ferner existieren bei der Art der vermittelten bzw. abgeschlossenen Geschäfte keine Beschränkungen. Erforderlich ist lediglich, dass die Arbeit gegenüber einem Unternehmer erfolgt.291 Zudem muss der Handelsvertreter mit der Tätigkeit vom Unternehmer ständig betraut sein. Diese laufende Betrauung setzt nicht notwendig ein Dauerschuldverhältnis voraus. Als ausgeschlossen gilt bloß eine gelegentliche Tätigkeit, etwa für ein einzelnes Geschäft.292 Vertraglich basiert die Beziehung zwischen Handelsvertreter und Unternehmer auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB. Dieser verpflichtet den Handelsvertreter zum Tätigwerden.293, 294 Weiterhin zählen zu den Handelsvertretern nur die selbstständigen Gewerbetreibenden. Zur Erfüllung dieser Eigenschaft muss die handelnde Vertreterperson im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen können (vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB). Im Übrigen sind die für die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit geltenden arbeitsrechtlichen Kriterien maßgeblich. Hierbei hat eine besondere Bedeutung das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit, welches sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalls bestimmt.295 Schließlich bedarf es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht notwendig eines nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs (§ 84 Abs. 4 HGB). Der Handelsvertreter kann also sogar Kleingewerbetreibender ohne Eintragung sein.296 Im Übrigen werden spezielle Pflichten zwischen den Beteiligten in den §§ 84 ff. HGB geregelt. Hierzu gehören auch Normierungen über Provisionen und Wettbewerbsabreden.

Brox/Henssler, Rn. 233a ff. BGH vom 1.4.1992 - IV ZR 154/91 -, NJW 1992, 2818, 2019. 293 Baumbach/Hopt/Hopt, § 84 HGB, Rn. 41. 294  Liegt nur eine einmalige Tätigkeit vor oder besteht keine Tätigkeitsverpflichtung, sind die Regeln für den Handelsvertreter nicht direkt anwendbar. Unter Umständen ist in solchen Fällen ein Maklerverhältnis gegeben, vgl. Baumbach/Hopt/Hopt, § 84 HGB, Rn. 41, 44. 295 MünchKomm/Hoyningen-Huene, § 84 HGB, Rn. 26 ff. 296 Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, § 84 HGB, Rn. 1. 291 

292 

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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2.  Netzwerkverbindungen und Handelsvertreter Die Betrachtung der rechtlichen Bindungen eines Handelsvertreters zeigt eine deutliche Steigerung gegenüber gewöhnlichen Rechtsbeziehungen. Durch die dauerhafte Zusammenarbeit des Handelsvertreters etwa mit einem Hersteller gehen dessen Verbindungen über die gewöhnlicher Marktteilnehmer hinaus. Wegen der Tätigkeit des Handelsvertreters im fremden Namen und auf fremde Rechnung ist die Abgrenzung gegenüber der Leistung oder dem Produkt des Unternehmers höher als bei einer Handlung im eigenen Namen. Aufgrund der Fähigkeit zur Beurteilung von wirtschaftlichen Verbundsachverhalten werden die Vorschriften für den Handelsvertreter zudem vielfach bei anderen netzwerkorientierten Sachverhalten in der Wirtschaft herangezogen.297 Namentlich sei an der Stelle auf die Franchisepartnerschaften hingewiesen.298

X. Kommissionsvertrag 1. Grundlagen Im wirtschaftlichen Alltag kommt eine Vielzahl von Geschäften mit Hilfe von Absatzmittlern zustande. Neben Handelsmaklern und Handelsvermittlern sind vor allem Kommissionäre in diesem Bereich aktiv. Die Tätigkeit des Kommissionärs umfasst primär den gewerbsmäßigen299 Kauf und Verkauf von Produkten für die Rechnung eines anderen, dem sogenannten Kommittenten (vgl. § 383 Abs. 1 HGB). Neben den rein schuldvertraglichen Handlungen ist der Kommissionär auch zur Vornahme von Erfüllungsgeschäften verpflichtet. Die Betrauung eines Kommissionärs erfolgt vor allem von Unternehmen, die über keine eigene Verkaufsorganisation verfügen, nach außen nicht offen als Verkäufer auftreten wollen oder besondere Marktkenntnisse des Kommissionärs ausnutzen möchten. Während die Dienste des Kommissionärs gegenüber dem Kommittenten auf einem Kommissionsvertrag beruhen, findet auf die Vertragsverhältnisse zum Kunden allgemeines Recht, in der Regel Kaufrecht, Anwendung.300 In der Rechtswissenschaft wird die Beziehung zwischen Kommissionär und Dritten als Ausführungsgeschäft bezeichnet. Ein solches Geschäft nimmt der Kommissionär im eigenen Namen und für Rechnung des Kommittenten mit dem Dritten vor. Es liegt also kein Fall der gewöhnlichen Stellvertretung iSd. §§ 164 ff. BGB vor. Stattdessen tritt der Kommissionär als Vertragspartei auf, sodass ihn auch die unmittelbaren Folgen des Geschäfts selbst treffen. Hiervon zu unterscheiden Lange, Rn. 722. Weber, JA 1983, 347, 353 f. 299  Neben der gewerbsmäßigen Tätigkeit sind die Normen gem. §§ 396 ff. HGB auch anwendbar, wenn ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes ein Kommissionsgeschäft nur bei Gelegenheit durchführt, § 406 Abs. 1 S. 2 HGB. 300  Brox/Henssler, Rn. 424a ff. 297  298 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

sind die Auswirkungen für den Kommittenten. Da der Kommissionär auf fremde Rechnung handelt, also im fremden Interesse, sollen die wirtschaftlichen Ergebnisse des Ausführungsgeschäfts beim Kommittenten eintreten. Es handelt sich bei dieser Vertragskonstellation um einen Fall der mittelbaren Stellvertretung (dazu im Einzelnen § 8 IV.5.).301 Von der Rechtsnatur zählt der Kommissionsvertrag zwischen Kommittenten und Kommissionär zum Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB. Auf ihn finden also neben einer zulässigen Parteiabsprache die Vorschriften nach § 675 BGB samt besonderem Auftragsrecht Anwendung, soweit die Spezialnormen gem. §§ 383 ff. HGB keine Sonderregelung vorsehen. Im Übrigen ist für die Schließung von Regelungslücken die Anwendung von Dienstvertragsrecht gem. §§ 611 ff. BGB oder Werkvertragsrecht gem. §§ 631 ff. BGB streitig. Problematisch wird diese Unsicherheit vor allem beim Kündigungsrecht. Während das Dienstvertragsrecht für beide Seiten ein jederzeitiges Kündigungsrecht nach § 627 BGB vorsieht, kann im Werkvertragsrecht nur der Kommittent nach § 649 BGB sich einseitig vom Vertrag lösen. Im letzteren Fall bleibt dem Kommissionär nur die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB, wenn er deren Voraussetzungen erfüllt. Die überwiegende Auffassung legt sich dabei nicht auf eine Vertragsart fest. Vielmehr grenzt sie in dem Fall nach allgemeinen Regeln ab.302 Schuldet der Kommissionär nach dem Willen beider Parteien lediglich Bemühungen um ein Ausführungsgeschäft, soll Dienstrecht anwendbar sein und verpflichtete er sich dagegen zum Abschluss des Ausführungsgeschäfts, seien die werkvertraglichen Regelungen heranzuziehen.303 Für die Beurteilung des Willens der Vertragsparteien sind natürlich auch die Umstände des Einzelfalls zu beachten. Manche empfehlen sogar bei einer Beauftragung in einem einzelnen Fall die Anwendung von Werkvertragsrecht und bei einer wiederholten Betrauung das Dienstvertragsrecht.304 Zu den wesentlichsten Pflichten des Kommissionärs zählt die Ausführungspflicht. Um diese zu erfüllen, muss er sich ernstlich um einen Abschluss des Ausführungsgeschäfts bemühen und dabei die Interessen sowie Weisungen des Kommittenten wahrnehmen, § 384 Abs. 1 HGB. Die Interessen des Kommittenten umfassen etwa einen für ihn möglichst vorteilhaften Geschäftsabschluss, die ordnungsgemäße Lieferung des Kommissionsgutes gem. §§ 388, 390 HGB, die erforderliche Berichterstattung (§ 384 Abs. 2 HGB) und die Unterlassung von eigenmächtigen Vorschuss- sowie Kreditgewährungen (§ 393 HGB). Neben den Interessen des Kommittenten sind ferner dessen Weisungen vom Kommissionär zu befolgen. Diese können bei Vertragsschluss aber auch danach erteilt werden, dürBrox/Henssler, Rn. 439 ff. A. A. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Füller, § 383 HGB, Rn. 16, der regelmäßig für Kündigungen das Dienstvertragsrecht, vor allem § 627 BGB, für anwendbar hält. Hingegen seien bei Schlechterfüllung die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, ob § 634 BGB oder § 280 BGB eine interessengerechte Lösung biete. 303 Baumbach/Hopt/Hopt, § 383 HGB, Rn. 6; MünchKomm/Häuser, § 383 HGB, Rn. 29. 304  Brox/Henssler, Rn. 430. 301  302 

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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fen jedoch nicht gegen die vertragliche Einigung verstoßen.305 Bei nichtweisungsgemäßem Handeln macht sich der Kommissionär schadensersatzpflichtig und der Kommittent braucht das Geschäft nicht für seine Rechnung zu akzeptieren (§ 385 Abs. 1 HGB). Schließlich ist der Kommissionär nach Durchführung des Ausführungsgeschäfts zur Abwicklung verpflichtet. Neben der Pflicht zur umfassenden Rechenschaft muss der Kommissionär dabei auch das durch die Geschäftsführung Erlangte herausgeben, vgl. § 384 Abs. 2 HGB.306 Für die Erfüllung der Pflichten aus dem Kommissionsvertrag hat der Kommissionär gegen den Kommittenten einen Anspruch auf Gegenleistung. Regelmäßig beinhaltet die Verpflichtung eine vereinbarte oder zumindest die übliche307 Provision. Sie entsteht mit Vertragsabschluss und gilt bis zur Ausführung als bedingt, § 396 Abs. 1 HGB. Unabhängig von der Ausführung des Geschäfts mit dem Dritten erhält der Kommissionär gem. § 396 Abs. 1 S. 2 HGB dagegen nur einen Anspruch auf Provision, wenn dieses aus einem in der Person des Kommittenten liegenden Grund nicht stattfindet oder die Provisionsleistung auch in dem Fall ortsüblich ist. Neben dem Provisionsanspruch hat der Kommissionär ferner einen Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675, 670 BGB. Schließlich kann der Kommissionär gegenüber dem Kommittenten eine Reihe von Sicherungsrechten gem. §§ 397 ff. HGB für seine Ansprüche geltend machen. Hierzu zählen etwa ein Besitzpfandrecht (§ 397 HGB), ein pfandähnliches Befriedigungsrecht (§ 398 HGB) und ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung an der Kaufpreisforderung mit dem Dritten (§ 399 HGB). Vom Kommissionsverhältnis gilt es das Ausführungsverhältnis zu unterscheiden. Wie oben schon erwähnt, schließt ausschließlich der Kommissionär im eigenen Namen mit dem Dritten einen Vertrag über das Kommissionsgut. Der Kommittent gehört dagegen nicht zu den Parteien des Ausführungsgeschäfts. Somit erwachsen grundsätzlich nur dem Dritten und dem Kommissionär Rechte und Pflichten aus dem Ausführungsvertrag. Eine Besonderheit herrscht jedoch bei Schadensersatzansprüchen gegen den Dritten. Hier darf die Tätigkeit des Kommissionärs auf Rechnung des Kommittenten nicht unbeachtet bleiben. Infolgedessen kann es vorkommen, dass der Kommissionär keinen Schaden und der Kommittent keinen Anspruch hat, sodass die Grundzüge der Drittschadensliquidation angewendet werden müssen. Bei der dinglichen Rechtslage ist zwischen Verkaufs- und Einkaufskommission zu trennen. Im Fall der Verkaufskommission verbleibt das Eigentum am Kommissionsgut trotz Besitzübergabe an den Kommissionär beim Kommittenten. Der Kommissionär erhält allerdings die Befugnis über die Waren zu verfügen, sodass der Kommittent erst durch Direktübereignung an den Dritten gem. §§ 929 ff., 305 MünchKomm/Häuser,

§ 384 HGB, Rn. 32. Steinbeck, § 36, Rn. 24 ff. 307  Sollte keine konkrete Vereinbarung über den Provisionsanspruch getroffen worden sein, gilt ein üblicher Anspruch als vereinbart § 354 Abs. 1 HGB. 306 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

185 BGB sein Eigentum verliert. Dagegen findet bei der Einkaufskommission regelmäßig ein Durchgangserwerb statt. Hier erwirbt grundsätzlich308 zuerst der Kommissionär das Eigentum am Kommissionsgut vom Dritten und danach der Kommittent vom Kommissionär309. Eine Besonderheit gilt zudem für die (Zahlungs-)Forderung zwischen Kommissionär und Dritten. Prinzipiell ist auch diese dem Kommittenten herauszugeben, § 384 Abs. 2 HGB. Zu Problemen kann es bezüglich der Herausgabeforderung allerdings kommen, wenn der Kommissionär seine Fremdschulden nicht tilgt und Zwangsvollstreckungen in die Forderung gegenüber dem Dritten stattfinden. Vom Grundsatz her bleibt diese Forderung bis zur Abtretung an den Kommittenten im Vermögen des Kommissionärs (§ 392 Abs. 1 HGB), sodass Vollstreckungsbezug entsteht. Um die Wirksamkeit dieser zwangsweisen Beitreibungen oder dergleichen zu verhindern, hat der Gesetzgeber in § 392 Abs. 2 HGB jedoch derartige, noch nicht abgetretene Ansprüche aus dem Ausführungsgeschäft als Forderungen des Kommittenten erklärt. Damit sind Zwangsvollstreckungen insoweit unzulässig.310, 311 Ebenso führt diese gesetzliche Anordnung zu einer relativen Unwirksamkeit, wenn der Kommissionär eine solche Forderung beispielsweise zur Sicherung an einen seiner Gläubiger abtritt.312 Unklarheiten herrschen ferner beim Anwendungsbereich des § 392 Abs. 2 HGB. Zumindest nach Auffassung des BGH soll die Regelung nicht bei einer Aufrechnung des Dritten gegenüber dem Kommissionär wegen einer Forderung aus dem Kommissionsgeschäft anwendbar sein.313 2. Netzwerkbezug Das Kommissionsverhältnis erfasst ausgewählte netzwerkartige Organisationsformen in der Wirtschaft. Zum Ausdruck kommt der Netzwerkcharakter vor allem durch die Aufgabenteilung. Jede der drei beteiligten Personen erfüllt selbstständig Tätigkeiten, die bei herkömmlichen Vertragssituationen einer anderen Zuordnung unterliegen. Ferner sind alle Beteiligten bei der Aufgabenerfüllung aufeinander angewiesen. Zum einen braucht der Kommittent die Vertriebstätigkeiten des Kommissionärs und der Kommissionär das Entgelt. Zum anderen ist der Dritte vom Zusammenwirken des Kommittenten mit dem Kommissionär abhängig. Das Bedürf308  Sollte ausnahmsweise zum Beispiel wegen Zwangsvollstreckungsgefahr beim Kommissionär ein Durchgangserwerb nicht gewünscht sein, kann aber auch in dem Fall ein Direkterwerb erfolgen, vgl. Brox/Henssler, Rn. 442. 309  Brox/Henssler, Rn. 440 ff. 310  BGHZ 104, 123, 127; MünchKomm/Häuser, § 392 HGB, Rn. 32 ff. 311  Selbst im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommissionärs kann der Kommittent die Aussonderung gem. § 47 InsO verlangen, vgl. MünchKomm/Häuser, § 392 HGB, Rn. 36 ff. 312 Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, § 392 HGB, Rn. 6. 313  BGH vom 19.11.1968 - VI ZR 215/66 -, NJW 1969, 276; a. A. Schmidt, Handelsrecht, § 31 V 4 b.

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nis des Dritten ergibt sich aus dem Umstand, dass das Angebot des Kommittenten ohne die Tätigkeit des Kommissionärs ihn nicht bzw. nicht in der Art und Weise erreichen würde. Dies kann etwa daran liegen, dass der Dritte keine Verbindung zum Kommittenten hat oder dass letzterer keine eigene Vertriebstätigkeit unterhält.314

XI. Treuhandverhältnis 1. Grundlagen Treuhandverhältnisse kommen in den verschiedensten Formen und Rechtsgebieten vor. Grundsätzlich werden als Treuhand Beziehungen bezeichnet, in denen der Treunehmer vom Treugeber einen Überschuss an Rechtsmacht eingeräumt bekommt.315 Ein Treuhänder handelt ähnlich wie ein mittelbarer Stellvertreter im eigenen Namen, aber im Interesse des Treugebers. Im Gegensatz zu den meisten mittelbaren Stellvertretungen ist die Treuhand allerdings gewöhnlich nicht nur auf eine punktuelle Zusammenarbeit angelegt. Vielmehr wird sie bei einer längerfristigen Beziehung aufgrund einer Reihe von Geschäften oder im Rahmen der Übertragung eines Rechts gewählt. Zu dem Zweck führt der Treugeber alle erforderlichen Geschäfte aus. Eine Treuhand muss nicht durch die unmittelbare Übertragung aus dem Vermögen des Treugebers erfolgen.316 Ebenso darf die Leistungserbringung über einen Dritten mit der Zielsetzung der treuhänderischen Bindung stattfinden. Das Treuhandverhältnis kann auf vertraglicher oder gesetzlicher317 Grundlage beruhen und verschiedene Hintergründe haben. Die Juristen unterscheiden das Treuhandverhältnis danach, ob die Ausrichtung vorwiegend auf die Interessen des Treugebers oder auf die des Treuhänders geschieht. Vor dem Hintergrund bedarf es der Trennung zwischen der Verwaltungs- und der Sicherungstreuhand. Unter einer Verwaltungstreuhand versteht man eine Übertragung von Gegenständen oder Rechten auf einen Treunehmer318 zum Zweck 314  Hiermit ist jedoch nicht der zwingende Umkehrschluss verbunden, dass bei ausgelagerter Vertriebstätigkeit die Regeln über Kommissionsgeschäfte Anwendung finden. Vielmehr wurde eine Anwendung der Grundsätze des Kommissionsgeschäfts in einem Streitfall zwischen Hersteller und einer rechtlich selbstständigen Vertriebsorganisation vom BGH ausdrücklich abgelehnt, vgl. BGHZ 54, 338, 344. 315  Medicus/Petersen, BR, Rn. 488. 316  Die Rechtsprechung des BGH hat den Unmittelbarkeitsgrundsatz bisher nicht aufgegeben, sondern lediglich in solchen Fällen eine Ausnahme zugelassen, in denen von dritter Seite Zahlungen auf ein Konto geleistet wurden, das seiner Art nach als Treuhandkonto ausgewiesen war, und die Zahlung auf eine Forderung erfolgte, die nicht dem Kontoinhaber, sondern dem Treugeber zustand, BGH vom 24.6.2003 - IX ZR 75/01 -, NJW 2003, 3414, 3415 m. w. N. 317  Treuhandverhältnisse auf gesetzlicher Basis sind vor allem in der Insolvenzordnung zu finden, vgl. §§ 287 Abs. 2, 292 InsO. 318  Zum Teil wird der Treunehmer als Verwalter bezeichnet.

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der Verwaltung.319 Der Treunehmer wird vom Treugeber nur für Verwaltungshandlungen legitimiert. Wirtschaftlich bleibt das Treugut also dem Treugeber zugeordnet. Aus dem Grund heißt diese Form der Treuhand auch uneigen- oder fremdnützige Treuhand.320 Dagegen erfolgt die Übertragung des Treugutes bzw. -rechtes bei der Sicherungstreuhand an den Treunehmer zur Sicherung einer Forderung des Treunehmers gegen den Treugeber. Wegen des eigenen Sicherungsinteresses des Treunehmers wird diese Art als sogenanntes eigennütziges Treuhandverhältnis benannt. In der Praxis kommt die Sicherungstreuhand vielfach durch den Eigentumsvorbehalt und die Sicherungsübereignung321 zur Anwendung.322 Trotz der häufigen Verwendung des Begriffes Treuhandvertrag im rechtsgeschäftlichen Alltag hat der Gesetzgeber eine solche Vertragsform oder Rechtsfigur im BGB nicht gesondert normiert.323 Im Verhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer sind vielmehr die allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechts anwendbar. In der Regel wird eine solche Treuhandtätigkeit auf einem Auftrag gem. §§ 662 ff. BGB bzw. auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB beruhen oder gegebenenfalls auf besonderen Rechtsgrundlagen324, die zumindest eine entsprechende Anwendung der Auftragsnormen erklären. Gerade das Auftragsrecht bietet mit seinen Pflichten für den Beauftragten zur Loyalität (§ 664 BGB), Weisungsbefolgung (§§ 662, 665 BGB), Rechenschaft (§ 666 BGB) und Herausgabe (§ 667 BGB) eine umfassende Grundlage. Von dem im Wesentlichen durch die Auftragsvorschriften geregelten Innenverhältnis zu unterscheiden ist das Außenverhältnis. Auch insoweit obliegt dem Treuhänder die Interessenwahrnehmung des Treugebers. Hierfür, und sogar im Fall von Verfügungen, bedarf er keiner Vollmacht. Der Treuhänder ist frei im eigenen Namen Verträge zu schließen und wird nur selbst rechtlich verpflichtet und berechtigt. Der Treugeber wächst nicht in die Rolle des Vertragspartners ein. Ebenso sind rechtsgeschäftlich vereinbarte Verfügungsbeschränkungen wegen § 137 S. 1 BGB unwirksam. Daher hat der Treuhänder im Außenverhältnis mehr rechtliche Befugnisse als ihm nach dem Innenverhältnis gegen den Treugeber gebühren.325 Eine Ausnahme besteht bei der Kenntnis 319 Staudinger/Busche,

vor § 398 BGB, Rn. 61. Canaris, NJW 1973, 825, 830 f. 321 Staudinger/Busche, vor § 398 BGB, Rn. 50. 322  Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 64; Medicus/Petersen, BR, Rn. 490 ff. 323 MünchKomm/Heermann, § 675 BGB, Rn. 107; Staudinger/Busche, vor § 398 BGB, Rn. 51. 324 Eine treuhänderische Tätigkeit findet etwa beim Vereinsvorstand (§ 27 Abs. 3 BGB), Geschäftsführer ohne Auftrag (§ 681 S. 2 BGB), geschäftsführenden Gesellschafter (§ 713 BGB) und Testamentsvollstrecker (§ 2218 BGB) statt. 325  Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich die Vollrechtstreuhand von der Ermächtigungstreuhand. Wegen der beliebigen Möglichkeit, die Ermächtigung nach § 185 BGB auszugestalten, wird sich das rechtliche Können im Außenverhältnis mit dem rechtlichen Dürfen im Innenverhältnis in der Regel decken, Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 64; vgl. MünchKomm/Heermann, § 675 BGB, Rn. 108. 320 

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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des Geschäftsgegners vom Pflichtverstoß des Treuhänders. In einem solchen Fall ist der geschlossene Vertrag wegen Missbrauchs der Treuhänderstellung unwirksam. In den übrigen Konstellationen führt eine rechtswidrige Überschreitung der Befugnisse im Innenverhältnis jedoch grundsätzlich nur zur Schadensersatzpflicht vom Treuhänder. Aufgrund der wirtschaftlichen Zuordnung des Treugutes zum Vermögen des Treugebers nimmt es bei der Zwangsvollstreckung und dem Insolvenzverfahren eine rechtliche Sonderstellung ein. Zwangsvollstreckungen in das Treugut wegen Forderungen gegen den Treuhänder außerhalb seines Treuhandauftrages sind daher unzulässig.326 Ebenso kann dem Treugeber unter Umständen ein Aussonderungsrecht für das Treugut zustehen, wenn über das Vermögen des Treuhänders das Insolvenzverfahren eröffnet wird.327 Nach dem Ende der vereinbarten Treuhand oder bei Erreichung des Zwecks hat der Treuhänder das Treugut an den Treugeber zurückzugeben.328 2. Netzwerkbezug Treuhandverhältnisse berücksichtigen im Recht netzwerkorientierte Beziehungen bei speziellen Übertragungen von Vermögenswerten. Auch die Tätigkeit eines Treuhänders erweitert den juristischen Interaktionskreis einer Person. Vor allem im Zusammenhang mit Dritten zeigt sich, dass Handlungen im eigenen Namen aber auf fremde Rechnung vorgenommen werden können und eine solche Hinzuziehung einer dritten Person juristisch zulässig ist. Zu den Folgen dieser Handlungsform zählt allerdings das Auseinanderfallen von wirtschaftlicher und rechtlicher Zuordnung für das Treugut bzw. -recht. Wie oben gezeigt, kann dieser Umstand sogar bei der rechtlichen Zulässigkeitsbeurteilung der Zwangsvollstreckung Relevanz erlangen.

XII. Maklervertrag 1. Grundlagen In einem gewöhnlichen Maklervertrag verpflichtet sich der Auftraggeber gegenüber dem Makler, für den Nachweis der Chance zum Vertragsabschluss oder für die Vertragsvermittlung eine vereinbarte Vergütung zu zahlen (§ 652 Abs. 1 S. 1 BGB). Erfasst ist damit die Tätigkeit als Nachweismakler und die als Vermittlungsmakler. Seine Tätigkeit verrichtet der Makler selbstständig.329 326  BGHZ 11, 37; 72, 141, 146; BGH vom 7.4.1959 - VIII ZR 219/57 -, NJW 1959, 1223, 1224; vom 1.7.1993 - IX ZR 251/92 -, NJW 1993, 2622; vom 16.12.1970 - VIII ZR 36/69 -, NJW 1971, 559 für den Fall der Geldanlage des Treunehmers auf einem gesonderten Konto, wie zum Beispiel auf einem Anderkonto. 327  BGH vom 24.6.2003 - IX ZR 75/01 -, NJW 2003, 3414. 328  Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 64; Rüthers/Stadler, § 29, Rn. 5. 329  Rüthers/Stadler, AT, § 29, Rn. 6; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 894, 903.

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a)  Entstehung, Rechte und Pflichten Grundsätzlich kommt ein solcher Vertrag, wie jeder andere, durch Angebot und Annahme zustande. Für ein gültiges Angebot an den Makler genügt schon ein Suchauftrag, den dieser durch Aufnahme der Suche annimmt. Eines Zuganges der konkludenten Annahmeerklärung bedarf es in der Regel gem. § 151 S. 1 BGB nicht.330 Der Makler muss aber sein Provisionsinteresse unmissverständlich klargemacht haben.331 Durch den Vertrag ist der Makler etwa zur Einholung und Erteilung von Auskünften sowie gegebenenfalls zur Vorbereitung von Vertragsverhandlungen verpflichtet. Hierbei handelt er grundsätzlich weder im eigenen noch im Namen der Person, von der er beauftragt wurde. Aus dem Grund wird er grundsätzlich auch nicht nach §§ 164 ff. BGB bevollmächtigt.332 Sollten die Vertragsparteien keine ausdrückliche Regelung für die Vergütung getroffen haben, gilt bei einem berufsmäßig tätigen Makler stillschweigend der übliche Maklerlohn vereinbart, § 653 BGB. Nach § 652 Abs. 1 BGB zählt der Maklervertrag zu den einseitig verpflichtenden Verträgen. Das bedeutet, dass der Makler einen Anspruch auf Vergütung bei entsprechender Handlung hat, obwohl ihn der Vertrag gegenüber seinem Auftraggeber nicht zur Maklertätigkeit verpflichtet.333 Natürlich entsteht der Vergütungsanspruch nur dann, wenn die spezifische Aktivität des Maklers erfolgreich war. Zufällige Kausalität ist ungenügend. Hierzu bedarf es allerdings nicht der alleinigen Kausalität, vielmehr reicht schon die Mitursächlichkeit.334 Der Vergütungsanspruch entfällt jedoch, wenn der Makler entgegen dem Vertrag auch für den zukünftigen Vertragspartner des Auftraggebers tätig war, § 654 BGB.335 Dies folgt aus dem Gebot des Maklers zur Unparteilichkeit. Ebenso gilt es als Ausschlussgrund für den Vergütungsanspruch, wenn der angestrebte Vertrag mit dem Makler selbst bzw. mit einer wirtschaftlich verflochtenen Person und nicht wie gewöhnlich mit einem unverbundenen Dritten geschlossen werden soll.336

330  331 

gen.

BGH vom 24.9.2009 - III ZR 96/09 -, NJW-RR 2010, 257. Oechsler, Rn. 1251 mit einer Auseinandersetzung über die konkreten Anforderun-

Wolf/Neuner, AT, § 49, Rn. 21. von der gesetzlichen Grundkonstellation kann natürlich auch vertraglich eine Verpflichtung des Maklers gegenüber dem Auftraggeber vereinbart werden. In einem solchen Fall handelt es sich nicht um einen Maklervertrag nach § 652 BGB, sondern um einen Maklerdienstvertrag auf dem die Vorschriften nach §§ 611 ff. BGB Anwendung finden, vgl. Brox/Walker, SchuldR BT, § 29, Rn. 68. 334  Oechsler, Rn. 1258 f. 335  Grundsätzlich gilt das Verbot der Doppeltätigkeit. Will der Makler zulässig davon abweichen, muss er mit seinen Vertragspartnern eine entsprechende Vereinbarung treffen, Baumbach/Hopt/Hopt, § 93 HGB, Rn. 32. 336  Oechsler, Rn. 1261; Brox/Walker, SchuldR BT, § 29, Rn. 65 ff. unter anderem mit dem Verweis auf die Unparteilichkeitspflicht des Maklers. Palandt/Sprau, § 652 BGB, Rn. 29 ff. 332 

333  Abweichend

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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b) Handelsmakler Im gewerblichen Bereich können zudem auf Maklerverträge die Vorschriften nach den §§ 93 ff. HGB ergänzende Anwendung finden. Als Voraussetzung dafür gilt, dass der Makler gewerbsmäßig handelt und er Gegenstände bzw. Rechte des Handelsverkehrs337 vermittelt, § 93 HGB. Im Unterschied zum Zivilmakler arbeitet ein Handelsmakler allerdings nie als bloßer Nachweismakler. Zu seiner Tätigkeit gehört die Vermittlung von Verträgen nicht jedoch der Abschluss. Hierfür hat der Makler, soweit nötig, auf die Vertragsparteien einzuwirken und so die Bereitschaft zum Abschluss des Vertrages zu erreichen.338 Bei der Arbeit des Handelsmaklers sind einige handelsrechtliche Besonderheiten hervorzuheben. Wie andere Handelsgeschäfte kann ebenso ein Handelsmaklervertrag gem. § 362 Abs. 1 HGB schon durch ein Schweigen des Handelsmaklers auf einen Antrag des Auftraggebers zustande kommen. Außerdem darf ein solcher Makler im Gegensatz zum Zivilmakler von jeder künftigen Vertragspartei zur Vermittlung beauftragt werden; es entstehen dann zwei selbstständige Makler­ verträge.339 Aber auch, wenn nur ein Handelsmaklervertrag mit einer Partei geschlossen wird, hat dies Rechte und Pflichten zwischen der anderen künftigen (dritten) Vertragspartei und dem Handelsmakler zur Folge. Dies erstreckt sich vor allem auf die Mitteilungspflichten des Vertragsschlusses samt Inhalt (§ 94 HGB), die Aufbewahrungspflicht von Proben (§ 96 HGB) und die Verschuldenshaftung des Maklers gem. § 98 HGB. Bemerkenswert ist an der Stelle zudem, dass gem. § 99 HGB selbst im Fall der einseitigen Maklerbeauftragung beide (künftigen) Vertragsparteien zu gleichen Teilen für die Vergütung des Maklers haften, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wurde.340 337  Handelsgeschäfte iSd. § 343 HGB müssen es jedoch nicht sein. Ausgeschlossen sind nach § 93 Abs. 2 HGB allerdings Geschäfte über unbewegliche Sachen. Zudem sind Vermittler von Künstlern keine Handelsmakler, weil diese Tätigkeit nicht unter die Anwendung des HGB fällt, vgl. Brox/Henssler, Rn. 266. 338  Brox/Henssler, Rn. 266. 339  Im Gegensatz zum Zivilmakler besteht beim Handelsmakler nicht das Verbot der Doppeltätigkeit. Eine Doppelbeauftragung von beiden Parteien des zukünftigen Vertrages ist grundsätzlich zulässig, wie die §§ 94, 96, 98, 99, 101 HGB zeigen, Baumbach/Hopt/Hopt, § 93 HGB, Rn. 33. Sowohl bei einseitiger als auch bei doppelter Tätigkeit bleibt der Handelsmakler grundsätzlich zur Unparteilichkeit verpflichtet. Er muss die Interessen beider künftiger Vertragspartner ohne Rücksicht auf die Beauftragung wahren. Aus dem Grund darf er keine der beiden Parteien über ihn bekannte und für die Entscheidung maßgebliche Tatsachen im Unklaren lassen, BGHZ 48, 344, 347 f. Eine Verpflichtung zur Selbstermittlung erwächst dem Makler dadurch jedoch nicht, Brox/Henssler, Rn. 272. Abweichend davon kann der Handelsmakler aber auch allein die Interessen seines Auftraggebers wahrnehmen, wenn er dies mit ihm vereinbart hat. In einem solchen Fall muss er jedoch den anderen (künftigen) Vertragspartner darüber aufklären. 340  So zumindest nach der überwiegenden Auffassung, aber streitig vgl. Baumbach/ Hopt/Hopt, § 99 HGB, Rn. 1; MünchKomm/Hoyningen-Huene, § 99 HGB, Rn. 2. Nach anderer Auffassung soll § 99 HGB teleologisch auf die Fälle des echten Doppelauftrages redu-

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2. Netzwerkbezug Auf Maklerpositionen wurde bereits bei der Darstellung der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung eingegangen. Soziologen verstehen unter solchen Positionen Akteure, die als Verbindung zwischen mindestens zwei Personen, zum Teil auch ganzen Gruppen, fungieren. Damit erweitert er die Erreichbarkeit und das Interaktionsfeld von anderen Personen. Diese Ausgangslage liegt ebenso den rechtlichen Bestimmungen zugrunde. Selbst im Recht wird ein Makler zwischen mindestens zwei anderen Personen gesehen, denen er einen oder mehrere Verträge vermittelt. Hierbei führt die Tätigkeit des Maklers gegenüber dem Auftraggeber zu Haupt- und Nebenpflichten aus dem Maklervertrag. Im Tätigkeitsbereich des Zivilmaklers entstehen jedoch dem Makler gegenüber dem zukünftigen Vertragspartner des Auftraggebers nur die allgemeinen Pflichten. Insbesondere werden keine besonderen vertraglichen Pflichten begründet. Sogar im vermittelten Verhältnis zwischen den beiden Vertragsparteien gilt der Makler lediglich als Dritter iSd. § 123 Abs. 2 BGB.341 Erst recht lehnt die Literatur die Stellung des ­Maklers als Bote oder Stellvertreter ab, sofern keine besonderen Anhaltspunkte im Einzelfall vorliegen.342 Dagegen kommt eine Zurechnung infrage, wenn sich der Makler nicht auf reine Maklerdienste beschränkt. Letzteres liegt insbesondere bei einer Veranlassung des Maklers durch den Auftraggeber vor, indem er beispielsweise Hauptund Nebenpflichten unterstützend mit erfüllt.343 In solchen Fällen der Einbindung ist der Makler sowohl als Makler im eigenen Interesse als auch als Erfüllungsgehilfe im fremden Interesse tätig.344 Noch umfangreicher beurteilt der Gesetzgeber die Beziehungen eines Handelsmaklers mit seinem Auftraggeber und dessen (zukünftigem) Geschäftspartner. Wie oben dargestellt, schuldet selbst der Geschäftspartner, der mit dem Handelsmakler keinen Vertrag geschlossen hat, Maklerlohn. Ähnlich verhält es sich bei der Frage der Haftung. Spiegelbildlich zur Regelung des Maklerlohns macht sich der Handelsmakler beiden Vertragsparteien schadensersatzpflichtig, § 98 HGB. Manche sehen in der Regelung einen gesetzlich normierten Fall des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.345

ziert werden, weil Erfüllungshaftung nur von Vertragsparteien geschuldet sei, vgl. Canaris, Handelsrecht, § 19, Rn. 30, in diese Richtung Schmidt, Handelsrecht, § 26 II 3 d. 341  BGHZ 33, 302, 309; a. A. Anm. Titze, JW 1921, 623 f. 342 Erman/Werner, vor § 652 BGB, Rn. 8. 343  BGH vom 24.11.1996 - V ZR 40/94 -, NJW 1996, 451; OLG Hamm vom 8.6.2000 - 22 U 172/99 -, NJW-RR 2001, 564. 344  BGH vom 24.9.1996 - XI ZR 318/95 -, ZIP 1996, 1950; KG vom 24.3.2003 - 12 U 194/01 -, NJW-RR 2003, 1137. 345  Brox/Henssler, Rn. 272.

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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XIII. Bürgschaft 1. Grundlagen a) Voraussetzungen Der Gesetzgeber hat die Bürgschaft in den §§ 765 ff. BGB geregelt. Danach ist der Abschluss eines inhaltlich bestimmten Vertrages zwischen Bürgen und Gläubiger notwendig, in dem ersterer sich für die Erfüllung einer Verbindlichkeit eines Dritten (Hauptforderung) verpflichtet einzustehen, § 765 Abs. 1 BGB. Eine Kenntnis oder Mitwirkung des Dritten braucht es dafür nicht.346 Der Bürgschaftsvertrag kann auch über eine künftige oder bedingte Verbindlichkeit des Dritten vereinbart werden (§ 765 Abs. 2 BGB) und bedarf grundsätzlich der Schriftform (§ 766 ­BGB)347.348 In der Rechtsprechung wurde sogar die Bestellung einer Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen Forderungen aus einer Geschäftsbeziehung zugelassen.349 Der Rechtsgrund für die Hauptforderung kann beliebiger Natur sein. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln.350 Hierbei spielt insbesondere die Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB bei der Verbürgung von mittellosen nahestehenden Personen, wie etwa Ehegatten, Kindern, Verwandten oder Arbeitnehmern, eine Rolle. Diese werden mitunter wegen ihrer persönlichen Beziehung zum Hauptschuldner mit herangezogen.351 Infolge der Akzessorietät zwischen Hauptforderung und Bürgschaft gilt zudem eine isolierte Abtretung als unzulässig.352, 353 Dogmatisch sind bei einer gewöhnlichen Bürgschaftskonstellation mehrere Rechtsverhältnisse und -geschäfte zu unterscheiden. Zum einen gibt es die Bürgschaftsbeziehung zwischen Bürge und Gläubiger, zum anderen das Rechtsverhältnis mit der Verbindlichkeit bzw. Hauptschuld zwischen Gläubiger und Dritten sowie die Verbindung zwischen Dritten und Bürgen.354 346 MünchKomm/Habersack,

§ 765 BGB, Rn. 4. Ausnahme gilt etwa § 350 HGB. Zudem kann der Formmangel durch Befriedigung des Gläubigers gem. § 766 S. 3 BGB geheilt werden. 348  Oechsler, Rn. 1358 f. 349  BGH vom 3.2.1965 - VIII ZR 70/63 -, NJW 1965, 965. 350  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 949. 351 Zentrale Voraussetzungen sind dabei zum einen das krasse Missverständnis zwischen der eingegangen Verpflichtung des Bürgen und dessen Leistungsfähigkeit sowie zum anderen keine Rechtfertigung durch ein berechtigtes Interesse des Gläubigers, vgl. BGH vom 28.5.2002 - XI ZR 199/01 -, NJW 2002, 2634, 2635 m. w. N.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 957 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1007 m. w. N.; Oechsler, Rn. 1374 ff. 352  BGHZ 115, 177, 180 ff. Zudem erlischt nach dieser Rechtsprechung des BGH eine Bürgschaft im umgekehrten Fall, wenn die Hauptforderung abgetreten und die Wirkung des § 401 BGB wirksam ausgeschlossen wurde. Kritisch aufgrund der Interessenlage Larenz/ Canaris, SchuldR BT II/2, S. 13. 353  Brox/Walker, SchuldR BT, § 32, Rn. 1 f., 8 ff. 354  Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1004 ff.; MünchKomm/Habersack, § 765 BGB, Rn. 4 ff. Problematisch ist innerhalb dieser Beziehungen, ob neben der Bürgschaft ein ei347  Als

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b) Rechtsfolgen Durch einen Bürgschaftsvertrag entstehen verschiedene Rechtsfolgen. Zentral ist dabei die prinzipiell einseitige Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger für die Erfüllung der fremden Hauptschuld des Dritten einzustehen. Gegen die Verpflichtung zur Leistung hat der Bürge jedoch eine Reihe von potentiellen Verteidigungsmöglichkeiten. Diese folgen sowohl aus dem Verhältnis zwischen Bürge und Gläubiger als auch aus der Beziehung des Gläubigers mit dem Hauptschuldner. Neben der Tatsache eines unwirksamen Bürgschaftsvertrages können jegliche Einwendungen und Einreden aus dem Verhältnis geltend gemacht werden. Hierzu zählen insbesondere Erfüllung und sonstige zulässige Erfüllungssurrogate.355 Viele Gegenrechte leiten sich auch aus dem Verhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner ab. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Abhängigkeit des Bürgschaftsversprechens von der Hauptforderung, die sogenannte Akzessorietät. Der Bürge haftet gem. § 767 BGB nur in dem tatsächlichen Umfang der Hauptforderung.356 Neben den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen müssen hierbei vor allem anspruchsmindernde Einflüsse wie infolge Erfüllung, Aufrechnung, Erlass und Vergleich Berücksichtigung finden.357 Zu beachten sind allerdings neben Minderungen auch einzelne Zuwächse. Im Gegensatz zu bestimmten gesetzlichen genständiger Rechtsgrund für diese in Form einer Sicherungsabrede besteht. Zum Teil wird dies wie bei dinglichen Sicherheiten bejaht. Diese Abrede sei in der Regel bei einer Kreditvergabe zur Erweiterung der Sicherheiten üblich. Dort verpflichte sich der Hauptschuldner zur Beibringung der Bürgschaftssicherheit durch einen Dritten. Ausnahmsweise soll jedoch auch eine Sicherungsabrede zwischen Bürgen und Gläubiger direkt möglich sein, vgl. Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, S. 2 f. 355  Brox/Walker, SchuldR BT, § 32, Rn. 26, zu diesen Einwendungen und Einreden zählt insbesondere die Aufrechnung mit einer eigenen Forderung des Bürgen gegen den Gläubiger. Für die Anfechtung des Bürgschaftsvertrages wegen Täuschung des Hauptschuldners nach § 123 BGB ist zu berücksichtigen, dass der Hauptschuldner idR. als Dritter iSd. § 123 Abs. 2 BGB zählt, Looschelders, SchuldR BT, Rn. 969. Eine Ausnahme gilt, wenn der Gläubiger vom Hauptschuldner einen bestimmten Bürgen verlangt. Hier kann der Hauptschuldner als Verhandlungsgehilfe des Gläubigers iSd. § 278 BGB angesehen werden, sodass eine Anfechtung bei einer Täuschung des Hauptschuldners nach § 123 Abs. 1 BGB möglich sein soll, vgl. Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, S. 10. 356  Ist das der Hauptforderung zugrundeliegende Rechtsgeschäft dagegen sogar unwirksam, muss durch Auslegung ermittelt werden, ob die Bürgschaft auch für Bereicherungsund Ersatzansprüche gelten soll, vgl. BGH vom 12.2.1987 - III ZR 178/85 -, NJW 1987, 2076, 2077 f.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 966; differenzierend Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1012; zustimmend Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, S. 12. 357  Zu den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen zählen bei vertraglichen Ansprüchen hauptsächlich ein wirksamer Vertragsschluss ohne nichtige Willenserklärungen (vgl. §§ 117 ff. BGB), Formverstöße (§§ 125, 766 BGB) und Widerrufe (§§ 312, 355 BGB), vgl. Brox/Walker, SchuldR BT, § 32, Rn. 22, 26. Im Übrigen BGH vom 1.10.2002 - IX ZR 443/00 -, NJW 2003, 59, 60; MünchKomm/Habersack, § 767 BGB, Rn. 3.

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Erweiterungen gilt jedoch eine rechtsgeschäftliche Ausdehnung allein zwischen Gläubiger und Hauptschuldner für den Umfang der Bürgschaft als unzulässig.358 Erweiterungen der Hauptverbindlichkeit wegen Verzugszinsen (§§ 288, 497 BGB), Schadensersatzansprüchen (§§ 281, 283 BGB), Vertragsstrafen (§ 339 BGB) und Kosten aus Rechtsstreitigkeiten (§§ 91, 788 ZPO) sind indes möglich, § 767 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB. Zusätzlich ist dem Bürgen nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB die Berufung auf Einreden gestattet, die dem Hauptschuldner gegen die Hauptschuld zustehen. Hierzu zählen beispielsweise das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB und die Stundung laut § 271 BGB. Ferner kommen Einreden aus ungerechtfertigter Bereicherung, unerlaubter Handlung und unzulässiger Rechtsausübung359 sowie Einreden aus der Sicherungsabrede360 infrage. Ausgenommen sind allerdings Einreden, die aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners bestehen, aber dem ursprünglichen Sicherungszweck zuwiderlaufen, vgl. § 768 Abs. 1 S. 2 BGB.361 An diesem Grundsatz soll ebenso ein Verzicht des Hauptschuldners nichts ändern können, § 768 Abs. 2 BGB. In dem subsidiären Zusammenhang fällt auch die Einrede der Anfecht- und Aufrechenbarkeit nach § 770 BGB.362 Danach darf der Bürge die Befriedigung verweigern, wenn das der Verbindlichkeit zugrundliegende Rechtsgeschäft anfechtbar ist oder der Gläubiger aufrechnen363 darf. Das Recht zur Anfechtung geht auf den Bürgen allerdings nicht über, sodass mit Fristablauf des Anfechtungsrechts die Einredemöglichkeit wegfällt.364 Entsprechendes gilt bei vergleichbaren Interessenlagen, wie zum Beispiel mit einem Rücktritts- oder Widerrufsrecht des Hauptschuldners.365 Eine weitere Komplettierung erfährt der Schutz des Bürgen mit der Einrede der Vorausklage. Übt er diese aus, muss gem. §§ 771 ff. BGB der Gläubiger grundsätzlich den Hauptschuldner bis hin zur Zwangsvollstreckung vorrangig in Anspruch nehmen.366 358  Eine gesetzliche Erhöhung der Hauptforderung ist gem. § 767 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 BGB möglich. Eine rechtsgeschäftliche Erweiterung allein zwischen Gläubiger und Hauptschuldner schließt allerdings § 767 Abs. 1 S. 3 BGB aus. 359 MünchKomm/Habersack, § 768 BGB, Rn. 6 m. w. N. 360  BGH vom 12.2.2009 - VII ZR 39/08 -, NJW 2009, 1664; vom 16.6.2009 - XI ZR 145/08 -, NJW 2009, 3422, 3422 f. 361  Solche Fälle liegen beispielsweise vor, wenn eine juristische Person wegen Vermögensverfalls aufgelöst wird oder ein Insolvenzverfahren zur Restschuldbefreiung führt, vgl. BGH vom 1.10.2002 - IX ZR 443/00 -, NJW 2003, 59, 60; Oechsler, Rn. 1394. 362  Oechsler, Rn. 1401; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 936. 363  Zweifelhaft ist hingegen die analoge Normanwendung, wenn die Aufrechnung nur vom Schuldner erklärt werden darf, vgl. Looschelders, SchuldR BT, Rn. 973. 364  Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1015. 365  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 972 m. w. N.; a. A. Gursky, Schuldrecht, S. 171. 366  Oechsler, Rn. 1393. Von diesem Grundsatz bestehen Ausnahmen beispielsweise im kaufmännischen Bereich §§ 349, 343 HGB und bei einer selbstschuldnerischen Verbürgung gem. § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Zudem hat der Gläubiger gegenüber dem Bürgen eine Rücksichtnahmeverpflichtung, vgl. etwa § 776 BGB.367 Im Vergleich dazu berechtigt das Verhältnis zwischen Bürge und Hauptschuldner mangels gesetzlicher Anordnung grundsätzlich gegenüber dem Gläubiger zu keinen Einwendungen für die Abwehr der Bürgschaftsverpflichtung.368 Aus der Verpflichtung des Bürgen für den Hauptschuldner, dessen Verbindlichkeit zu erfüllen, können auch Ansprüche für ersteren entstehen.369 Als Rechtsgrund für derartige Ersatzforderungen kommt das Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürge infrage, zum Beispiel Auftrag (§§ 662 ff. BGB), Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) und Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Ein solcher Anspruch hat vor allem bei der Verjährung Vorteile, denn diese beginnt regelmäßig erst mit der Zahlung. Unabhängig von dieser Begründung findet daneben ein gesetzlicher Forderungsübergang statt. Dieser schafft vor allem dann Vorteile, wenn das Innenverhältnis keinen rechtlichen Anspruch auf Ersatz gibt oder dieser unter Mängeln leidet. Nach § 774 Abs. 1 BGB geht bei Befriedigung des Gläubigers dessen Forderung gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen über. Zudem werden mit dem Gläubigerwechsel laut §§ 774 Abs. 1, 412, 401 BGB bestimmte Sicherungsrechte verschoben. Hier stellen sich zum Teil Folgeprobleme insbesondere beim Zusammentreffen mit anderen akzessorischen Sicherungsrechten.370 Die Rechtsstellung des Hauptschuldners bleibt jedoch erhalten, da alle bisherigen Ein-

Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, S. 10. Brox/Walker, SchuldR BT, § 32, Rn. 35. 369  Ausführlich zum Bürgenregress Oechsler, Rn. 1407 ff. 370  Ist die Hauptforderung mit einem weiteren akzessorisches Sicherungsrecht, wie etwa einem Pfandrecht, gedeckt, geht dieses nach §§ 774 Abs. 1, 412, 401 BGB mit auf den erfüllenden Bürgen über. Eine solche Übertragung gibt es jedoch auch bei anderen Sicherungsmitteln, wie beispielsweise laut § 1225 BGB für das Pfandrecht oder gem. § 1143 BGB für die Hypothek. Nach wörtlicher Anwendung der Vorschrift wird daher derjenige Sicherungsgeber bevorteilt, der zuerst leistet, weil er bei dem anderen Rückgriff nehmen kann. Eine Ausnahme ist nur bei Mitbürgen nach § 774 Abs. 2 BGB gegeben. Diesen sogenannten Wettlauf der Sicherungsrechte empfinden manche jedoch als unbillig. Für die Lösung unterscheiden einige Stimmen zwischen Personalsicherheiten und dinglichen Sicherungen. Aus dem Rechtsgedanken des § 776 BGB leite sich eine Bevorzugung des Bürgen ab. Komme es also zu einem Forderungsübergang auf den Bürgen, gehe eine dingliche Sicherheit mit auf ihn über. Im umgekehrten Fall finde aber wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Bürgen keine Übertragung seiner Verpflichtung auf den dinglichen Sicherungsgeber statt, vgl. Staudinger/Horn, § 774 BGB, Rn. 68 m. w. N. Die überwiegende Auffassung sieht allerdings die Sicherungsgeber ohne Rücksicht, ob sie einen personellen oder dinglichen Hintergrund haben, als Gesamtschuldner an. Damit sollen alle Sicherungsgeber als Ausgleichsgemeinschaft gem. § 426 BGB behandelt werden und iSd. § 774 Abs. 2 BGB anteilig haften, vgl. BGHZ 108, 179, 182 ff. m. w. N.; BGH vom 9.12.2008 - XI ZR 588/07 -, NJW 2009, 437; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, S. 16 f.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 983 ff. m. w. N.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1022. 367 

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§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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wendungen ebenso gegen den Bürgen gelten, §§ 774 Abs. 1, 412, 401 BGB.371 Im Übrigen haben Einwendungen des Hauptschuldners aus dessen Rechtsverhältnis mit dem Bürgen Bestand, vgl. § 774 Abs. 1 S. 3 BGB. Zudem darf der Gläubiger durch den Forderungsübergang nicht benachteiligt werden, § 774 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein Rückgriffsanspruch kann ferner aus sonstigen Gründen ausgeschlossen sein, insbesondere wegen Verletzung der gebotenen Sorgfalt und Rücksicht. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn der Bürge auf eine verjährte Hauptforderung zahlt.372 Abgesehen von den Befriedigungsmöglichkeiten nach Leistung an den Bürgschaftsgläubiger hat der Bürge unter bestimmten Voraussetzungen sogar schon vorher gegen den Hauptschuldner einen Befreiungsanspruch gem. § 775 BGB. Neben der oben beschriebenen Grundform gibt es einige Fälle von Spezialbürgschaften, wie etwa die Höchst-, Mit-, Nach- und Rückbürgschaft. Zu einer Vervielfachung der Rechtsverhältnisse kommt es vor allem bei den letztgenannten Formen. Im Fall der Mitbürgschaft verpflichten sich etwa zwei Bürgen nebeneinander, sodass sie als Gesamtschuldner haften, § 769 BGB. Dagegen sind bei der Nachbürgschaft zwei Bürgschaften hintereinander geschaltet. Der Nachbürge haftet hierbei, wenn von dem Haupt- bzw. Vorbürgen keine Befriedigung erreicht werden kann; es erfolgt nicht die Begründung einer Gesamtschuld. Im Gegensatz dazu sichert die Rückbürgschaft den Rückgriffs- bzw. Ersatzanspruch des Hauptbürgen gegen den Hauptschuldner ab. Bei einer Befriedigung durch den Rückbürgen lehnt jedoch die Rechtsprechung die gesetzliche Anspruchsübertragung der Hauptforderung mangels Unmittelbarkeit auf ihn ab.373, 374 2. Netzwerkbezug Ein netzwerkorientiertes Verhalten wird zudem durch die Bürgschaft rechtlich ermöglicht und erfasst. Wegen der Bürgschaftsverbindung hat der Gläubiger grundsätzlich neben der Haftung des Hauptschuldners Zugriff auf das Vermögen des Bürgen. Daraus entstehen Sicherheiten, die mit der Werthaltigkeit des Bürgenvermögens steigen.375 Als Folge des gesetzlichen Forderungsübergangs ist der Bürge selbst dann mit dem Hauptschuldner verbunden, wenn keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit ihm über die Ersatzpflicht getroffen wurde. Schließlich werden auch in dem Fall Einwendungen aus dem Drittverhältnis erlaubt. Zusätzlich zu den Chancen der Netzwerkorientierung zeigen sich bei der Bürgschaft aber auch Risiken. Neben dem typischen Verlustrisiko des Bürgen gehört hierher insbesondere die Begründung der Bürgschaftsverpflichtung infolge einer 371 

Für eine ausführliche Darstellung siehe unter dem Abschnitt Abtretung. BGHZ 95, 375, 385; Emmerich, Schuldrecht BT, § 14, Rn. 22. 373  RGZ 146, 67, 70. 374  Brox/Walker, SchuldR BT, § 32, Rn. 45 ff.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 979 ff. jeweils mit weiteren Beispielen. 375  Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1003. 372 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Ausnutzung von persönlichen Beziehungen.376 Aus wirtschaftlicher und soziologischer Sicht wurde bereits oben auf die Vor- und Nachteile der sogenannten strong ties insbesondere für die privat organisierten Kreditsysteme von Einwandererfamilien in den USA sowie der Grameen-Bank hingewiesen. Von der Position des Rechts sind hierbei vor allem Bürgschaften von finanziell „krass“ überforderten Angehörigen des Darlehensnehmers problematisch.377 In diesen Fällen besteht der Verdacht, dass die persönlichen Beziehungen missbraucht werden.378 Die Rechtsprechung sieht daher Bürgschaftsverpflichtungen von einkommens- und vermögenslosen Kindern für ihre Eltern grundsätzlich als sittenwidrig an. Die Eltern verletzen insofern regelmäßig ihre familienrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme, selbst wenn die Verpflichtung ohne besonderen Druck auf die Kinder entstand. Die Kenntnis des Gläubigers von den Umständen vermutet die Rechtsprechung dabei ebenfalls.379 Eine ähnliche Annahme gilt für mittellose Ehegatten, Lebenspartner, enge Verwandte und gute Freunde.380 In den Konstellationen herrscht der Verdacht, wenn etwa der mit dem Hauptschuldner verheiratete Bürge nicht einmal die im Kreditvertrag vereinbarten Zinsen aus seinem pfändbaren Einkommen und Vermögen fortlaufend allein tilgen kann. Insoweit vermutet die Rechtsprechung widerleglich, dass der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge die ihm übermäßig belastende Sicherheit nur aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.381 Die Emotionen sollen dabei die Fähigkeit zum rationalen Handeln erheblich beeinträchtigen.382 Die Vermutung wird allerdings für ein im Familienbetrieb angestelltes Kind widerlegt, wenn die Bürgschaftsverpflichtung für das elterliche Unternehmen an die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kindes angepasst ist und sogar eine Eintrittsmöglichkeit in den Betrieb bestand. 383 Keine solche Nähebeziehung existiert allerdings bei kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern zu ihren Arbeitgebern. Anders muss dagegen die Situation bei Arbeitnehmern beurteilt werden, die sich allein aus Angst um den eigenen Arbeitsplatz und allgemeiner Arbeitslosigkeit verbürgen. In derartigen Fällen soll es ebenfalls zu einer Beeinträchtigung der rationalen Fähigkeiten kommen, sodass bei einem krassen Missverhältnis zwischen Verpflichtung des Bürgen und dessen Leistungs-

376  Vergleiche zu der Problematik schon Weber, in: (Un)wirtschaftliche Haushaltsführung, S. 197, 212 f. 377  Oechsler, Rn. 1374 ff. 378  Oechsler, Rn. 1382. 379  BGH vom 24.2.1994 - IX ZR 93/93 -, NJW 1994, 1278; vom 10.10.1996 - IX ZR 333/95 -, NJW 1997, 52; Emmerich, Schuldrecht BT, § 14, Rn. 14. 380  BGH vom 14.10.2003 - XI ZR 121/02 -, NJW 2004, 161, 162. 381  BGH vom 16.6.2009 - XI ZR 539/07 -, NJW 2009, 2671, 2672 m. w. N. 382  BGH vom 14.10.2003 - XI ZR 121/02 -, NJW 2004, 161, 162. 383  BGH vom 17.4.1997 - IX ZR 135/96 -, NJW-RR 1997, 1199.

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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fähigkeit eine widerlegbare Vermutung besteht.384 Eine Widerlegung kann jedoch mit einem unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresse des Bürgen erfolgen.385 Ausreichend sind hierfür jedoch keine Hoffnungen und vagen Versprechungen.386 Als tauglicher Beweggrund kommt vielmehr das Interesse, einer drohenden Vermögensverlagerung vorzubeugen, infrage. Entsprechendes gilt, wenn der Bürge in Zukunft eine konkrete Vermögensmehrung erwarten darf. Hierbei kann die Bürgschaftsverpflichtung jedoch erst beim Eintritt der Annahme eingefordert werden.387 Ebenso muss ein solcher besonderer Bürgschaftszweck in der Vereinbarung zwischen den Bürgschaftsparteien konkret zum Ausdruck kommen.388

XIV.  Vertrag zugunsten Dritter 1. Grundlagen Das Gegenstück zur Bürgschaft bildet der Vertrag zugunsten Dritter. Ein solcher Vertrag liegt etwa vor, wenn ein Unternehmen mit einer Versicherungsgesellschaft vereinbart, dass seine Arbeitnehmer eine zusätzliche Altersversorgung erhalten. Im Unterschied zu den klassischen Standardverträgen des BGB erfolgt hier die Leistung nicht an den Vertragspartner, sondern an einen Dritten. Diese Form der Vereinbarung ist gesetzlich in den §§ 328 ff. BGB normiert. Während bei den gewöhnlichen Schuldverhältnissen regelmäßig nur zwischen Gläubiger und Schuldner unterschieden wird, hat der Vertrag zugunsten Dritter einen weiteren Beteiligten und spezielle Begrifflichkeiten. So bezeichnet die überwiegende Auffassung den Schuldner als Versprechender, den Gläubiger als Versprechungsempfänger und den Dritten als Begünstigten, vgl. § 335 BGB. Im Übrigen gilt der Vertrag zugunsten Dritter jedoch nicht als eigener Vertragstyp, wie ein Kauf- oder Werkvertrag. Vielmehr stellt diese Rechtsform eine schuldrechtliche Modifikation für alle geregelten und ungeregelten Vertragsarten dar.389 Eine Anpassung bei dinglichen Verträgen lehnt dagegen die Rechtsprechung ab.390 Außerdem bedarf es der Trennung des echten vom unechten Vertrag zugunsten Dritter. Beim echten bzw. berechtigten Vertrag zugunsten Dritter erwirbt der Dritte aus dem Vertrag einen Anspruch gegen den Versprechenden, vgl. § 328 384  BGH vom 14.10.2003 - XI ZR 121/02 -, NJW 2004, 161, 162; Brox/Walker, SchuldR BT, § 32, Rn. 10 ff. 385  Emmerich, Schuldrecht BT, § 14, Rn. 14. 386  BGH vom 14.10.2003 - XI ZR 121/02 -, NJW 2004, 161, 162. 387 Vgl. BGH vom 23.1.1997 - IX ZR 69/96 -, NJW 1997, 1003; vom 14.5.2002 - XI ZR 50/01 -, NJW 2002, 2228, 2230; Brox/Walker, SchuldR BT, § 32, Rn. 12. 388  BGH vom 11.2.2003 - XI ZR 214/01 -, ZIP 2003, 796, 798. 389  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1130; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 848; Münch­Komm/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 4. 390  BGH vom 17.4.1986 - IX ZR 54/85 -, DB 1986, 1718; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1155 ff. m. w. N.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Abs. 1 BGB. Dagegen hat der Dritte beim unechten Vertrag zugunsten Dritter391 keinen Anspruch auf die Leistung und die Beurteilung erfolgt nicht nach den §§ 328 ff. BGB. Vielmehr ist ein solcher Vertrag ein gewöhnlicher Vertrag, bei dem sich der Schuldner gegenüber dem Gläubiger zur Leistung an den Dritten verpflichtet, vgl. § 362 Abs. 2 BGB. Eine derartige Konstruktion dient im Wesentlichen nur der Abkürzung des Leistungsweges.392 Die Abgrenzung erfolgt auf der Grundlage des Parteiwillens. Dieser muss durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ermittelt werden. Besteht keine ausdrückliche Bestimmung, sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Vertragszweck, heranzuziehen, § 328 Abs. 2 BGB. Dient der Vertrag lediglich einer Erfüllungsübernahme, also ohne Übernahme der Verpflichtung, sondern im Sinne einer Erfüllungserleichterung, liegt bei Uneindeutigkeit nach § 329 BGB ein unechter Vertrag zugunsten Dritter vor. Bei Lebensversicherungs- und Leibrentenverträgen sowie Abfindungen für Vermögens- oder Gutsübernahmen jeweils zugunsten des Dritten soll dagegen laut §§ 330, 331 BGB im Zweifel der Dritte einen eigenen Anspruch haben. Somit erkennt der Gesetzgeber dann ein eigenes Forderungsrecht des Dritten an, wenn für ihn Angelegenheiten mit besonderer Tragweite Gegenstand des Vertrages sind und er demzufolge ein besonders großes Interesse an der Verwirklichung besitzt.393 In der Praxis macht die Beteiligung von mehreren Personen es zum Teil schwierig, die verschiedenen Rechtsinstitute auseinanderzuhalten. Primär erfolgt die Abgrenzung auch in den Fällen nach dem erkennbaren Willen der Parteien. Bei der Unterscheidung zur Stellvertretung ist etwa im Zweifel von einem Vertrag zugunsten Dritter auszugehen, wenn ein Handeln im eigenen Namen erfolgt.394 2.  Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten Aufgrund der Beteiligung von mindestens drei Personen sind bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter mehrere Rechtsverhältnisse zu unterscheiden. Hierbei wird die rechtliche Beziehung zwischen Versprechendem und Versprechungsempfänger als Deckungsverhältnis, die zwischen Versprechungsempfänger und Drittem als Zuwendungs- bzw. Valutaverhältnis sowie die zwischen Versprechendem und Drittem als Vollzugsverhältnis bezeichnet.395 a) Deckungsverhältnis Das zwischen dem Versprechungsempfänger und dem Versprechenden bestehende Deckungsverhältnis bildet die Grundlage für den Vertrag zugunsten des 391  Zum Teil wird ein solcher Vertrag auch als ermächtigender Vertrag zugunsten Dritter bezeichnet. 392  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1127. 393  Brox/Walker, SchuldR AT, § 32, Rn. 1 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 856 f. 394  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 849. 395  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1134.

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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Dritten. Diesem Verhältnis liegt kein eigenständiger Vertragstyp zugrunde. Stattdessen genügt hierfür jeder herkömmliche Vertrag, der dahingehend eine Modifizierung erfährt, dass an den Dritten zu leisten ist und dieser ein Forderungsrecht bekommt. Es reicht allerdings nicht, dass der Dritte lediglich eine Belastung erhält. Verträge zulasten Dritter sind ohne deren Mitwirkung unwirksam.396 Ein solcher Vertrag liegt jedoch nicht schon bei der Kopplung des Rechtes mit einer Pflicht vor. Vielmehr handelt es sich in einem solchen Fall lediglich um eine Beschränkung der Zuwendung.397 Ferner muss bei Vertragsschluss die Person des Dritten noch nicht rechtsfähig oder konkret bestimmt sein.398 Als ausreichend gilt ebenso eine Bestimmbarkeit. In der Praxis kommt dies vor allem bei der Vereinbarung einer Herstellergarantie zwischen Fabrikant und Handel für die Endverbraucher vor.399 Im Übrigen finden die allgemeinen Regeln Anwendung. Selbst eine Formbedürftigkeit des Valutaverhältnisses führt nicht zu einer Übertragung dieser Anforderung auf das Deckungsverhältnis.400 Inhaltlich beeinflusst das Deckungsverhältnis die Rechtsstellung aller Beteiligten, insbesondere die des Dritten. Obwohl der Dritte nicht notwendig an der inhaltlichen Gestaltung des Deckungsverhältnisses involviert sein muss, wird in diesem Verhältnis der Grund und Umfang seines Anspruches bestimmt. Maßgeblich ist das Deckungsverhältnis neben der Fälligkeit und den sonstigen Voraussetzungen zudem dafür, ob die Vertragsparteien den Dritten die Rechtsposition wieder entziehen können, §§ 328 Abs. 2, 331, 332 BGB. Dies gilt gem. § 334 BGB ebenso für die Einwendungen. Korrespondierend mit dem atypischen Leistungsrecht an den Dritten bedarf das Forderungsrecht des Versprechensempfängers einer besonderen Regelung. Auch diese Festlegung erfolgt im Deckungsverhältnis. Sollte hierfür keine eindeutige Vereinbarung bestehen, berechtigt dies den Versprechungsempfänger gem. § 335 BGB, Leistung an den Dritten zu verlangen.401 b) Valutaverhältnis Das Valutaverhältnis regelt die Beziehung zwischen Versprechungsempfänger und Drittem. Auf der Grundlage dieser Verbindung erhält der Dritte die Leistung, für die der Versprechungsempfänger aufkommt. Rechtsdogmatisch kann das Verhältnis auf einem Vertrag, wie beispielsweise einem Kauf- oder Schenkungsvertrag, oder einer gesetzlichen Verpflichtung, etwa einer Unterhaltspflicht, beruhen.402 Kommt es zu Mängeln in dem Verhältnis, hat dies gewöhnlich keine Aus396 

BGHZ 61, 359, 361; Palandt/Grüneberg, vor § 328 BGB, Rn. 10. § 328 BGB, Rn. 263. 398  BGH vom 3.5.1995 - XII ZR 29/94 -, NJW 1995, 2028, 2030; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1131; MünchKomm/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 24. 399  BGHZ 75, 75. 400  BGHZ 54, 145, 147; 66, 9, 12. 401  Brox/Walker, SchuldR AT, § 32, Rn. 8 ff. 402  Brox/Walker, SchuldR AT, § 32, Rn. 12. 397 MünchKomm/Gottwald,

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

wirkungen auf die übrigen Verbindungen. Das Deckungsverhältnis ist prinzipiell vom Valutaverhältnis unabhängig. Eine Ausnahme gilt etwa, wenn das wirksame Valutaverhältnis zur Geschäftsgrundlage403 oder Bedingung für das Deckungsverhältnis gemacht wurde.404 c) Vollzugsverhältnis Eine Sonderstellung nimmt das Verhältnis zwischen Versprechenden und Dritten ein. Häufig findet hier keine Einigung statt, sodass eine separate vertragliche Grundlage allein mit den beiden Parteien nicht angenommen werden kann.405 Vielmehr erlangt der Dritte gegen den Versprechenden ein eigenes Forderungsrecht aus dem Deckungsverhältnis ohne seine Mitwirkung. Es bedarf dafür keines Wissens des Dritten oder gar einer Annahme.406 Die Erfüllung ohne Beteiligung des Versprechungsempfängers hat zudem den Vorteil, dass kein Durchgangserwerb mit all seinen Nachteilen erfolgt. Durch den unmittelbaren Erwerb des Dritten haben vor allem außenstehende Gläubiger des Versprechensempfängers keine Zugriffsmöglichkeiten.407 Rechtliche Grundlage für das Forderungsrecht muss der vertragliche Anspruch aus dem Deckungsverhältnis sein, bei einem Kaufvertrag also §§ 433 Abs. 1, 328 BGB. Um dem Dritten vor diesem Hintergrund jedoch nicht gegen seinen Willen einen Rechtserwerb aufzuzwingen und die negative Vertragsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG zu wahren408, hat er gem. § 333 BGB die Möglichkeit der Zurückweisung. Im Fall der Ausübung gilt das Recht als nicht erworben. Im Übrigen sind über § 334 BGB die Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis auch gegenüber dem Dritten anwendbar, soweit dies nicht ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen wurde bzw. aus der Natur des Vertrages unzulässig ist.409 Trotz der überwiegenden Ablehnung eines eigenständigen Vertragsverhältnisses zwischen Versprechendem und Drittem nimmt eine Reihe von Stimmen eine schuldrechtliche Sonderverbindung an. Vielfach wird diese Rechtsverbindung als vertragsähnlich410 oder vertragsähnliches Vertrauensverhältnis411 charakterisiert. Diese Verbindung soll in erster Linie die Schutzpflichten der beiden Beteiligten untereinander zum Gegenstand haben.412 403 

BGHZ 54, 145, 155 f. § 328 BGB, Rn. 18 f.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1137 f. 405  BGHZ 54, 145, 147; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1131; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 854. 406  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 858. 407  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1126. 408  Vgl. Staudinger/Klumpp, vor § 328 BGB, Rn. 21. 409  BGHZ 93, 271, 275 f. 410  BGHZ 9, 316, 318. 411 Palandt/Grüneberg, vor § 328 BGB, Rn. 5. 412  Bayer, S. 348 f.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1139. 404 Staudinger/Klumpp,

§ 9  Ausgewählte Vertragstypen

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3.  Rechtsstellung der Beteiligten bei Einwendungen und sonstigen Störungen Beim Vertrag zugunsten Dritter kommt dem Einwendungsdurchgriff nach § 334 BGB eine zentrale Rolle zu. Gerade die Beteiligung einer weiteren Person, die Leistung beanspruchen kann, macht diesen notwendig. Nur insofern können die Rechte des Versprechenden effektiv in der Praxis bewahrt werden. Der Begriff der Einwendungen iSd. § 334 BGB ist weit zu verstehen. Schließlich soll der Versprechende durch die Lieferung an den Dritten nicht schlechter stehen, als bei einer an den Versprechungsempfänger. Hierzu zählen alle Einwendungen, Einreden und prozessuale Abreden im weiteren Sinn.413 Eine solche Einwendung entsteht zudem, wenn das Valutaverhältnis unter einem Unwirksamkeitsgrund leidet und es somit zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage für das Deckungsverhältnis kommt.414 Auf der Grundlage des § 334 BGB darf der Versprechende jedoch nicht mit einer Forderung gegen den Versprechungsempfänger gegenüber dem Dritten aufrechnen. Insoweit soll nach der Rechtsprechung des BGH die Gegenseitigkeit fehlen.415 Weitere Probleme verursachen Leistungsstörungen. Bezüglich der Rechte bedarf es der Unterscheidung, von wem die Störung ausging. Wird die Leistungsstörung aufseiten des Versprechensempfängers ausgelöst, hat der Versprechende die Rechte aus den §§ 280 ff. BGB. Die Erfüllung dieser Rechte kann er nach § 334 BGB obendrein als Einwendung gegenüber dem Dritten geltend machen. Im Übrigen kommt es zu keinen Besonderheiten. Geht dagegen die Leistungsstörung vom Versprechenden aus, gilt es zwischen Schadensersatz neben der Leistung und Schadensersatz statt der Leistung sowie dem Rücktrittsrecht zu unterscheiden. In jedem Fall hat der Dritte selbst einen Anspruch auf Ersatz seines verletzten Integritätsinteresses und des Verzugsschadens. Schwierigkeiten bereitet es hingegen, wenn der Vertrag als Ganzes berührt ist. Vielfach wird die Geltendmachung eines Schadensersatzes statt der Leistung oder die Ausübung eines Rücktritts von dem Dritten verneint, soweit keine ausdrückliche Regelung vorliegt. Die Auffassung begründet dies im Wesentlichen mit der synallagmatischen Leistungsverknüpfung.416 Andere lassen dagegen einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung sowohl vom Versprechungsempfänger als auch vom Dritten zu, soweit es um Leistung an den Dritten geht. Kommt es im Übrigen zu einem Schaden beim Versprechungsempfänger selbst, darf er zudem Ersatz an sich selbst fordern.417 Anders verhält es sich wegen der Gestaltungsfunktion beim Rücktritt. Weil keine Beteiligung des Dritten am Deckungsverhältnis besteht, kann er dieses allein nicht rückabwickeln. Vielmehr hat nur der Versprechungsempfänger als Vertragspartner eine Berechtigung zur Ausübung des Rücktrittsrechts. Sollte der Dritte eine nicht 413 Palandt/Grüneberg,

§ 334 BGB, Rn. 1 ff. BGHZ 54, 145, 155 f. 415  BGH vom 27.2.1961 - II ZR 60/59 -, MDR 1961, 481. 416  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1141; Palandt/Grüneberg, § 328 BGB, Rn. 5 m. w. N. 417  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 863. 414 

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mehr entziehbare Forderung iSd. § 328 Abs. 2 BGB erlangt haben, bedarf es nach überwiegender Auffassung zusätzlich dessen Zustimmung.418 Geht schließlich die Leistungsstörung vom Dritten aus, kann der Versprechende seine Rechte gegenüber dem Versprechungsempfänger geltend machen. Der Versprechungsempfänger muss sich das Verhalten des Dritten zurechnen lassen.419 Solche Fälle liegen beispielsweise vor, wenn der Dritte die Sache nicht abnimmt oder aufgrund seines Verschuldens die Leistung unmöglich wird. 4. Netzwerkbezug Der Bezug zu Netzwerken ergibt sich schon durch die rechtliche Erfassung der drei Beteiligten beim Vertrag zugunsten Dritter. Hier ist jeder mit jedem, auch rechtlich, verbunden. Besondere Beachtung verdient bei diesem Rechtsinstitut die Charakterisierung der Beziehung zwischen Drittem und Versprechendem. Während grundsätzlich dem Dritten ein Anspruch gegen den Versprechenden zugestanden wird, besteht nach überwiegender Auffassung kein Vertrag zwischen ihnen. Trotzdem hat sich die Mehrzahl der Stimmen in Literatur und Rechtsprechung darüber geeinigt, dass sogar zwischen diesen zumindest ein vertragsähnliches Schuldverhältnis existieren soll. Es verpflicht sie wiederum zu gegenseitigem Schutz und Rücksicht. Im Übrigen herrscht über den Einwendungsdurchgriff des § 334 BGB eine direkte Abhängigkeit zwischen den Beteiligten und der Erfüllung ihrer Verpflichtungen. Andererseits berücksichtigt das Rechtsinstitut die von vielen hervorgehobene Selbstständigkeit der Akteure innerhalb eines Netzwerkes. Zum einen sind die gebundenen Personen selbstständig und zum anderen haben die einzelnen Parteien rechtliche Beziehungen untereinander (vgl. etwa § 3 IV.).

XV.  Erfüllungsübernahme, Garantievertrag 1. Grundlagen Neben den gesetzlich geregelten Standardverträgen können Personen weitere Vereinbarungen treffen, die einen Bezug zu außenstehenden Beteiligten haben, vgl. §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB. Zu diesen individuellen Absprachen gehören beispielsweise die Erfüllungsübernahme und der Garantievertrag. Wie im Rahmen des unechten Vertrages zugunsten Dritter schon beschrieben, vereinbart im ersteren Fall eine Person mit einer anderen die Erfüllung deren Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten. Der Dritte soll jedoch vorbehaltlich einer anderweitigen Abmachung auf den Anspruch gegen seinen originären Schuldner beschränkt sein und kein Forderungsrecht gegen dessen Schuldner erwerben, § 329 BGB.420 418 

Vgl. RGZ 101, 275; Jauernig/Stadler, § 328 BGB, Rn 17. Lange, NJW 1965, 657, 660 f.; RGRK/Ballhaus, § 328 BGB, Rn. 27. 420  OLG Koblenz vom 18.2.2004 - 10 W 768/03 -, NJW-RR 2004, 758; MünchKomm/ Gottwald, § 329 BGB, Rn. 1. 419 

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

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Weitreichender ist der Anwendungsbereich des Garantievertrages. Hier verpflichtet sich eine Person, für den Eintritt eines Erfolges bzw. bei der Realisierung eines Schadens einzustehen. Bestehen Zweifel gegenüber anderen Vertragsformen spricht insbesondere ein nachhaltiges eigenes wirtschaftliches Interesse des Garantierenden an diesem Erfolg für eine solche Vereinbarung.421 Garantieverträge werden unter anderem zur Absicherung von Leistungspflichten gegenüber Dritten verwendet, wenn bei der Umsetzung Risiken zu befürchten sind. 2. Netzwerkbezug Die Erfüllungsübernahme und der Garantievertrag zeigen, dass netzwerkorientierte Beziehungen auch im nicht standardisiert geregelten Vertragsrecht rechtliche Anerkennung erfahren haben. Aufgrund der umfangreichen Vertragsfreiheit im schuldrechtlichen Bereich ist die differenzierte, rechtliche Nachvollziehung der tatsächlichen Gegebenheiten zwischen den verschiedenen Beteiligten allerdings juristisch eher unproblematisch.

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen Zusätzlich zu den speziellen Normen für die einzelnen Vertragstypen existieren weitere Konstruktionen und Regeln, die bei netzwerkartigen Verhaltensweisen eine rechtliche Anpassung ermöglichen.

I. Gläubigermehrheit 1. Grundlegendes Bei Schuldverhältnissen muss nicht zwangsläufig nur eine Person Anspruchsgläubiger sein. In der Praxis kommen solche Konstellationen insbesondere dann vor, wenn mehrere Personen einen Vertrag mit einer anderen schließen. Beispiele sind hierfür etwa die Vermietung eines Hauses durch eine Erbengemeinschaft oder die gemeinsame Unterhaltung eines Bankkontos durch ein Ehepaar. Neben einer ursprünglichen Begründung kann die Beteiligung einer Gläubigermehrheit selbst nachträglich entstehen, wie beispielsweise aufgrund eines Todesfalls.422 Gesetzlich werden unter anderem die Teilgläubigerschaft, die Gesamtgläubigerschaft und die Mitgläubigerschaft geregelt.

421  Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 4 f.; MünchKomm/Bydlinski, vor § 414 BGB, Rn. 23, 25. 422  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 876.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

a) Teilgläubigerschaft423 Die Teilgläubigerschaft hat der Gesetzgeber in § 420 BGB normiert. Können mehrere eine teilbare Leistung fordern, ist im Zweifel jeder Gläubiger zu einem gleichen Teil berechtigt. Damit liegt ein einzelner Vertrag, aber mit einer gemeinsamen Berechtigung vor. Das Recht auf die gemeinsame Leistung wird in mehrere voneinander unabhängige Forderungsrechte geteilt.424 In der Praxis kommt es zu einem solchen Fall, wenn zwei Hauseigentümer zur Erreichung eines Massenvorteils bei einem Heizölverkäufer eine Lieferung an zwei Abladestellen zu je ein halb bestellen und jeweils gesondert dafür bezahlen wollen. Aufgrund des Merkmals der Teilbarkeit bleibt der Anwendungsbereich jedoch beschränkt. Hierbei erfährt nicht nur der Leistungsgegenstand Berücksichtigung. Eine real teilbare Leistung gilt vielmehr auch dann als unteilbar, wenn das Verhältnis der Gläubiger untereinander einer Trennung entgegensteht. Unteilbar sind daher etwa Forderungen einer Gesamthands- sowie einer Bruchteilsgemeinschaft. Hauptsächlich bleiben dann nur Konstellationen, in denen verschiedene unverbundene Personen eine Leistung von einer anderen zugesichert bekommen. Es bedarf jedoch der Prüfung, ob die Parteien nicht von vornherein getrennte Verträge beabsichtigten.425 Nach der Rechtsfolge wird der Schuldner nur durch anteilsmäßige Leistung an jeden Teilgläubiger frei. Folglich trägt er auch das Verteilungsrisiko. Bezüglich dieses Anteils kann jeder Gläubiger grundsätzlich wie mit einem eigenen Forderungsrecht verfahren. Hierzu gehören ebenso Abtretungen, Stundungen, Erlasse sowie Schadensersatzansprüche wegen Unmöglichkeit und Verzug. Eine Ausnahme herrscht jedoch bei Rechten, die Auswirkungen auf den Bestand der gesamten Teilgläubigerschaft haben. Hierzu zählt beispielsweise das Rücktritts- und das Minderungsrecht, vgl. § 351 BGB. Nur durch eine einheitliche Ausübung können die Interessen aller Beteiligten ausreichende Berücksichtigung finden. Zudem hat der Schuldner eines gegenseitigen Vertrages gegen jeden Gläubiger die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn nicht die gesamte Gegenleistung erfüllt wurde. Dieser Einwendungsdurchgriff ist die Folge des sogenannten funktionellen Synallagmas.426 b) Gesamtgläubigerschaft427 Ebenso zählt die Gesamtgläubigerschaft zu den Gläubigermehrheiten. Eine solche Gläubigerschaft liegt vor, wenn jedem Gläubiger die Forderung nach der ganzen Leistung möglich ist, § 428 S. 1 BGB. Die Rechtsfolge kann sowohl auf 423  Brox/Walker, SchuldR AT, § 36, Rn. 5; Larenz, SchuldR AT, S. 620 f.; Medicus/ Lorenz, SchuldR AT, Rn. 877 f. 424  Larenz, SchuldR AT, S. 620. 425  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 883. 426  Heermann, KritV 2006, 173, 176. 427  Brox/Walker, SchuldR AT, § 37, Rn. 32 ff.; Larenz, SchuldR AT, S. 625 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1265 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 884.

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rechtsgeschäftlicher Grundlage als auch auf gesetzlicher Anordnung beruhen. Hauptanwendungsfälle sind im Vermächtnisrecht in § 2151 Abs. 3 BGB, in einigen Schadensersatzkonstellationen mit mehreren Ersatzgläubigern428 sowie im Zusammenhang mit sogenannten Oder-Konten zum Beispiel bei Gemeinschaftskonten von Ehegatten mit Einzelzeichnungsberechtigung429. Leistet der Schuldner an einen Gläubiger, wirkt die Erfüllung im Außenverhältnis gem. §§ 429 Abs. 3 S. 1, 422 Abs. 1 S. 1 BGB zudem gegenüber den übrigen Gläubigern. Der Schuldner muss die ganze Leistung nur einmal erbringen. Grundsätzlich spielt es dabei keine Rolle, welchen Gläubiger der Schuldner bevorzugt oder ob ein Gläubiger schon Klage erhoben hat, vgl. § 428 S. 2 BGB.430 Neben der Erfüllung kann die Befriedigung der Gläubiger auch durch Leistung an Erfüllungs statt, Hinterlegung, Aufrechnung und andere Surrogate eintreten, §§ 429 Abs. 3 S. 1, 422 Abs. 1 BGB. Ebenso erlischt die Gesamtforderung, wenn der Schuldner zugleich in eine Gläubigerposition eintritt, die sogenannte Konfusion iSd. § 429 Abs. 2 BGB.431 Der Abschluss eines Erlassvertrages zwischen einem Gesamtgläubiger und dem Schuldner nach §§ 429 Abs. 3 S. 1, 423 BGB führt dagegen nur zum Erlöschen der gesamten Forderung, wenn der Gläubiger die entsprechende Verfügungsbefugnis dafür besitzt. Schließlich ist in einer solchen Konstellation an einen Vergleich mit eingeschränkter Gesamtwirkung zu denken, sodass nur der Anteil des vertragsschließenden Gläubigers erfasst wird.432 Außerdem setzt der Annahmeverzug eines Gesamtgläubigers die anderen Gläubiger in einem solchen Zustand, § 429 Abs. 1 BGB. Im Übrigen wirken Tatsachen nur zwischen dem Schuldner und dem jeweiligen Gläubiger gem. §§ 429 Abs. 3 S. 1, 425 BGB. Dies betrifft insbesondere nachträgliche Veränderungen, wie Abtretungen oder die Verjährung. Ebenso gilt die Zurechnung von schuldhaftem Verhalten eines Mitgläubigers gegenüber den anderen Gläubigern als ausgeschlossen. Bei Gestaltungsrechten wird dagegen in der Regel eine gemeinsame Ausübung gefordert, um den Schuldner nicht mit der Ermittlung der einzelnen Anteilsgröße zu belasten.433 Korrespondierend mit der Erfüllungswirkung gegenüber allen Gläubigern im Außenverhältnis besteht ein Ausgleichsanspruch zwischen den einzelnen Gläubigern im Innenverhältnis. Dementsprechend verpflichtet § 430 BGB dem EmpfänBGHZ 28, 68; Medicus, JuS 1980, 697, 701 f. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1266; MünchKomm/Bydlinski, § 428 BGB, Rn. 4; Schimansky/Bunte/Lwowski/Bitter, § 33, Rn. 114. 430  Für ein gebundenes Leistungsrecht des Schuldners ohne Wahlmöglichkeit, vgl. OLG Nürnberg vom 24.11.1960 - 2 U 158/60 -, NJW 1961, 510 f. 431  Von § 429 Abs. 2 BGB sind jedoch Ausnahmen erlaubt. Wird beispielsweise einer von mehreren Gesamtgläubigern einer Grundschuld Eigentümer des mit der Grundschuld belasteten Grundstücks, bleibt die Belastung erhalten, weil Sicherungsrechte am eigenen Grundstück zulässig sind. Außerdem haben die übrigen Gläubiger den Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis gem. § 430 BGB, vgl. MünchKomm/Bydlinski, § 429 BGB, Rn. 3. 432  BGH vom 4.3.1986 - VI ZR 234/84 -, NJW 1986, 1861, 1862. 433  BGHZ 59, 187, 190 f. 428  429 

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ger der Leistung des Schuldners den anderen Gläubigern nach ihren Anteilen zum Ausgleich. Soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde, berechtigt dies im Zweifel jeden Gläubiger zu gleichen Anteilen. Die Art der Befriedigung spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Die Verpflichtung existiert also auch bei Erfüllungssurrogaten. Wird der Gläubiger allerdings nur in Höhe seines Anteils befriedigt, besteht in der Regel keine Verteilungspflicht, soweit die Restforderung von den anderen Gläubigern noch erlangt werden kann.434 In der Praxis benachteiligt die Gesamtgläubigerschaft vor allem die beteiligten Gläubiger, weil der Schuldner aussuchen kann, an welchen Gläubiger er leistet, und die nicht bedachten Gläubiger das Risiko des Ausfalls bei der Weiterleitung im Innenverhältnis tragen.435 c) Gesamthandsgläubigerschaft Ferner gehört die Gesamthandsgläubigerschaft zu den Gläubigermehrheiten. Von einer solchen Verbindung wird bei einem gesamthänderisch gebundenen Sondervermögen gesprochen. Gesamthandsgemeinschaften sind etwa die GbR mit Gesellschaftsvermögen (§§ 705 ff. BGB), der nicht rechtsfähige Verein (§ 54 BGB), die OHG und KG (§ 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB), die eheliche Gütergemeinschaft (§§ 1416 ff. BGB), die fortgesetzte Gütergemeinschaft (§§ 1458 ff. BGB) und die Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB). Nach überwiegender Auffassung unterfällt die Gesamthandsgläubigerschaft nicht dem Anwendungsbereich des § 432 BGB.436 Vielmehr sieht sie sie als Gläubigergemeinschaft eigener Art an, häufig sogar mit eigener Rechtspersönlichkeit.437 Gehört eine Forderung zu einer solchen Vermögensmasse, kommt der Schuldner nur durch Leistung an alle Gesamthänder in ihrer Verbundenheit frei. Die Erbringung der geschuldeten Leistung an einen Gesamthänder genügt ebenso wenig wie die Aufrechnung des Schuldners mit einer Forderung nur gegen einen Gesamthänder. Im Übrigen kann über derartige Forderungen nur gemeinschaftlich verfügt werden. Auch der einzelne Gesamthänder einer Gesamthandsgläubigerschaft darf grundsätzlich438 nicht über seinen ideellen Anteil selbstständig verfügen.439

434 MünchKomm/Bydlinski,

§ 430 BGB, Rn. 3. Brox/Walker, SchuldR AT, § 37, Rn. 32. 436  Dagegen wird für die Gesamthandsforderungen § 432 BGB grundsätzlich herangezogen, vgl. Bamberger/Roth/Gehrlein, § 432 BGB, Rn. 4 m. w. N. 437 Vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 885; vgl. für die GbR Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 981. 438  Eine Ausnahme ist etwa die Erbengemeinschaft. Nach § 2033 BGB kann ein Miterbe über seinen Anteil am Nachlass verfügen. 439 Bamberger/Roth/Gehrlein, § 432 BGB, Rn. 4; Brox/Walker, SchuldR AT, § 38, Rn. 4 ff. 435 

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d) Bruchteilsgläubigerschaft Mitunter verstehen einige die Bruchteilsgläubigerschaft gem. §§ 741 ff. BGB als Gläubigermehrheit. Eine solche Gläubigerschaft bezieht sich auf einen Gegenstand oder ein Recht, wobei jede beteiligte Person ein Recht auf einen ideellen Bruchteil hat. Eine reale Teilung findet dagegen nicht statt. Über diesen ideellen Anteil kann der Teilhaber gem. § 747 S. 1 BGB selbstständig verfügen. Hierin besteht ein Unterschied zur Gesamthandsgemeinschaft. Erwachsen allerdings der Bruchteilsgemeinschaft Forderungen, sind diese grundsätzlich der Gemeinschaft zuzuordnen. Insoweit werden die §§ 741 ff. BGB nicht durch die Spezialregeln in den §§ 420 ff. BGB verdrängt, weil sonst die Wertung für die Lastenverteilung nach §§ 748, 755, 743 BGB und die gemeinschaftliche Verwaltung iSd. § 744 BGB unberücksichtigt blieben.440 e) Mitgläubigerschaft441 Zu den Formen der Gläubigermehrheit zählt schließlich die Mitgläubigerschaft; manche bezeichnen sie auch als Gesamtleistungsgläubigerschaft. Die rechtliche Normierung ist in § 432 BGB zu finden. Danach kann der Schuldner einer unteilbaren Leistung nur an alle Gläubiger gemeinschaftlich leisten und jeder einzelne Gläubiger lediglich die Leistung an alle fordern.442 Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn zwei Personen ein Taxi für eine Strecke buchen. Mit einer Leistung an einen Gläubiger wird der Schuldner nicht frei. Ebenso gilt eine Hinterlegung ausschließlich für alle Gläubiger als zulässig, § 432 Abs. 1 S. 2 BGB. Personenbezogene Tatsachen, wie beispielsweise der Schuldnerverzug, entfalten allerdings nur Wirkung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, § 432 Abs. 2 BGB. Zudem kann der Gläubiger über seine Berechtigung an der Mitgläubigerschaft frei verfügen, etwa seinen Anspruch an einen Dritten abtreten. Beachtung bedarf aber, dass der Anwendungsbereich des § 432 BGB mitunter aufgrund Spezialregelungen zurücktritt. Hierzu kommt es vor allem, wenn eine aus rechtlichen Gründen unteilbare Leistung vorliegt, wie etwa bei der Erbengemeinschaft. Sollten keine speziellen Regeln für das Innenverhältnis getroffen sein, richtet sich die Auseinandersetzung nach den §§ 741 ff. BGB.443

440  BGH vom 11.7.1958 - VIII ZR 108/57 -, NJW 1958, 1723; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 432 BGB, Rn. 3; Brox/Walker, SchuldR AT, § 38, Rn. 7 ff.; Larenz, SchuldR AT, S. 623; wohl a. A. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1270, der die Bruchteilsgemeinschaft als Anwendungsfall der Mitgläubigerschaft ansieht. 441  Brox/Walker, SchuldR AT, § 38, Rn. 10 ff.; Larenz, SchuldR AT, S. 623 f.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1269 f.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 881 f. 442  Daneben können auch alle Gläubiger die Forderung gemeinsam geltend machen, vgl. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1269. 443  BGH vom 20.11.1981 - V ZR 245/80 -, NJW 1982, 928; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 432 BGB, Rn. 7; Larenz, SchuldR AT, S. 624.

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Damit besteht für den Schuldner nicht das Risiko, entgegen dem internen Verteilungsmaßstab zu leisten und die Gläubiger müssen keinen Ausfall bei dem internen Ausgleich fürchten, weil jeder beteiligt wird.444 2. Netzwerkbezug Die vorstehenden Beispiele zeigen die rechtliche Einbeziehung von netzwerk­ artigen Verbindungen mit dem Schwerpunkt auf der Gläubigerseite. Im Ergebnis können auf dieser Grundlage selbst bipolare Austauschverträge ohne speziellen Drittbezug, wie etwa Kaufverträge, zu netzwerkorientierten Verträgen aufsteigen. Durch die verschiedenen Gläubigermehrheiten wird insbesondere den einzelnen Verbindungsintensitäten Rechnung getragen. Während beispielsweise eine Teilgläubigerschaft eine weniger starke Verbindung zwischen den beteiligten Gläubigern voraussetzt, sodass hauptsächlich zu zwei selbstständigen Verträgen abzugrenzen ist, beruht die Gesamthandsgläubigerschaft auf derart starken Verbindungen zwischen den einzelnen Gläubigern, dass manche sogar eine eigene Rechtspersönlichkeit annehmen. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Rechtsfolgen. Gemeinsam haben danach grundsätzlich alle Gläubigermehrheiten, dass jeder Gläubiger bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse Rücksicht nehmen muss445 und von keinem einzelnen Gläubiger Rechte ohne Zustimmung der übrigen geltend gemacht werden dürfen, die der Verbindung die Grundlage entziehen. Hierzu zählt beispielsweise die Ausübung eines berechtigten Rücktritts. Die Intensität der Bindung findet sogar bei der Leistungserfüllung durch den Schuldner seinen Niederschlag. Können die beteiligten Gläubiger einer Teilgläubigerschaft Leistung an sich selbst fordern, erlaubt im Vergleich dazu die Gesamthandsgemeinschaft nur eine Leistung an alle Gesamthänder gemeinsam.

II. Schuldnermehrheit 1. Grundlegendes Neben der Beteiligung einer Personenmehrzahl als Gläubiger ist dies ebenso auf Schuldnerseite möglich. Dementsprechend wird im Wesentlichen zwischen Teil-, Gesamtschuldnerschaft und Schuldnergemeinschaft unterschieden. a) Teilschuldnerschaft446 Eine Teilschuldnerschaft liegt nach § 420 BGB vor, wenn jeder Schuldner verpflichtet ist, nur einen Anteil der Leistung zu erbringen. Sie kann durch Gesetz 444 MünchKomm/Bydlinski,

§ 432 BGB, Rn. 9 ff. mit konkreten Beispielen. Larenz, SchuldR AT, S. 620. 446  Brox/Walker, SchuldR AT, § 36, Rn. 1 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1272 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 905. 445 

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(zum Beispiel § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB) oder Vertrag begründet werden; gegebenenfalls muss zur Ermittlung eine Auslegung erfolgen. Bestehen Zweifel, ordnet der Gesetzgeber bei einem gemeinsamen Vertragsschluss die gesamtschuldnerische Haftung an, § 427 BGB. Allerdings bedarf es auch in dem Fall einer (rechtlich und tatsächlich) teilbaren Leistung. Spiegelbildlich zu dem oben genannten Heizöllieferungsfall befinden sich die beiden Hauseigentümer bezüglich der Kaufpreisschuld in einer Teilschuldnerschaft. Dies berechtigt und verpflichtet die Schuldner zu einer voneinander unabhängigen Erfüllung. Einen internen Ausgleich zwischen den Schuldnern braucht es somit nicht. Tilgt allerdings ein Schuldner nicht seinen Anteil, obwohl der andere seiner Zahlungsverpflichtung nachkam, berechtigt dies den Kaufpreisgläubiger zur Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 Abs. 1 S. 2 BGB mit der Verweigerung der gesamten Leistung. Das einheitliche Schuldverhältnis führt also trotz der selbstständigen Verpflichtung eines jeden Teilschuldners auch zu einer Verknüpfung untereinander. Ebenso sind Gestaltungserklärungen, die das gesamte Vertragsverhältnis betreffen, nach § 351 BGB von allen und gegenüber allen zu erklären. Folglich kann ein Teilschuldner allein keinen berechtigten Rücktritt gegenüber dem Schuldner erklären. Die Vereinbarung einer Teilschuld wirkt sich vor allem für den Gläubiger nachteilig aus, weil er jeden Teilschuldner auf Erfüllung in Anspruch nehmen muss und in dem Zusammenhang das Insolvenzrisiko trägt.447 b) Gesamtschuldnerschaft448 Zu den wichtigsten Formen der Schuldnermehrheit zählt die Gesamtschuldnerschaft. Die gesetzlichen Vorschriften lassen sich hierfür in den §§ 421 ff. BGB finden. Sie liegt danach vor, wenn mehrere Schuldner eine Leistung derart schulden, dass jeder die ganze Leistung erbringen muss, der Gläubiger sie aber insgesamt nur einmal fordern darf. Hierbei kann der Gläubiger grundsätzlich nach seinem Belieben von jedem Schuldner die Leistung ganz oder teilweise verlangen, vgl. § 421 BGB. Die Schuldner können sogar einen untereinander nicht identischen Beitrag erbringen. Entscheidend ist vielmehr die Befriedigung desselben Leistungsinteresses,449 wie etwa Naturalherstellung und Geldersatz. Zudem muss die 447  Brox/Walker, SchuldR AT, § 36, Rn. 1 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1272 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 905. 448  Brox/Walker, SchuldR AT, § 37, Rn. 1 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1276 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 887 ff. 449  Vom identischen Leistungsinteresse des Gläubigers gilt es einen von ihm verfolgten wirtschaftlichen Zweck zu unterscheiden. Ein solcher Zweck wird etwa angestrebt, wenn eine Firma wegen marktbedingten Lieferschwierigkeiten eine benötigte Sache sowohl bei Hersteller A als auch bei Hersteller B bestellt und dabei die Hoffnung hat, die Sache zumindest von einem Hersteller zu erhalten. Selbst bei der Lieferung durch einen Hersteller bleiben die vertraglichen Pflichten zu dem anderen erhalten, weil das unmittelbare Leistungsinteresse nicht identisch ist. Das Leistungsinteresse des Schuldners muss ohne Rücksicht auf den weiteren Verwendungszweck bestimmt werden, vgl. Larenz, SchuldR AT, § 37 I, S. 633.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Leistung auf keinem einheitlichen Schuldgrund beruhen, wie § 769 BGB schon belegt. Es reicht vielmehr nach heute überwiegender Auffassung eine Gleichrangigkeit oder Gleichstufigkeit450 der einzelnen Verbindlichkeiten aus.451 Folglich kann jeder Gesamtschuldner mit dem Gläubiger ein eigenes Rechtsverhältnis haben. Die Beteiligten mit ihren Rechtsverhältnissen sind allerdings durch die Einheit ihres Leistungszwecks bzw. die Gesamtschuldnerschaft als sogenanntes Schuldverhältnis höherer Ordnung miteinander verbunden.452 Eine Gesamtschuld entsteht durch Gesetz, etwa wegen einer gemeinschaftlichen Verpflichtung mehrerer zu einer teilbaren Leistung, § 427 BGB, anlässlich deliktischer Handlungen, §§ 830, 840 ΒGB, infolge vertraglichen oder gesetzlichen Schuldbeitritts,453 bei mehreren Bürgen, § 769 BGB, oder aufgrund Vertrages, vgl. § 431 BGB. Grundsätzlich gibt es hierbei für den Gläubiger keine Vorgaben, ob und inwieweit er einen Schuldner bei der Erfüllung in Anspruch zu nehmen hat. Eine Beschränkung besteht lediglich durch den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Diese Grenze wird etwa überschritten, wenn ein Schuldner nur leisten soll, um ihm einen Schaden zuzufügen.454 Erfüllt ein Schuldner, werden insoweit auch die anderen befreit, § 422 Abs. 1 BGB. Dies gilt ferner für bestimmte Erfüllungssurrogate, vgl. § 422 Abs. 1 S. 2 BGB. Bemerkenswert ist jedoch, dass gem. § 422 Abs. 2 BGB ein Gesamtschuldner nicht die Forderung eines anderen für die Aufrechnung gegenüber der Hauptforderung benutzen darf, obwohl ihm eine solche durch Erklärung des Berechtigten, als Erfüllung zugerechnet würde. Insofern herrscht bezüglich der Verbindungsart auch ein Unterschied zu der Regelung des § 770 Abs. 2 BGB über die Aufrechenbarkeit im Rahmen der Bürgschaft. Dieser scheint jedoch wegen der grundsätzlichen Ausfallhaftung des Bürgen gerechtfertigt. Im Vergleich dazu sagt die Gesamtschuldnerschaft über die Endhaftung von vornherein nichts. Obendrein kann ein vereinbarter Erlass zwischen Gläubiger und Schuldner Erfüllungswirkung entfalten, vgl. § 423 BGB. Hierbei muss jedoch durch Auslegung ermittelt werden, ob dieser nur für den einzelnen Gesamtschuldner oder für alle gilt.455 Ebenso hat ein Annahmeverzug nach § 424 BGB und ein 450 Danach

werden aus der Sicht des Gläubigers mehrere Primärleistungsverpflichtete verlangt. Eine subsidiäre Haftung eines Schuldners genügt dagegen nicht, vgl. MünchKomm/Bydlinski, § 421 BGB, Rn. 12 ff. 451  In der älteren Rechtsprechung wird zudem eine rechtliche Zweckgemeinschaft zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern vorausgesetzt, vgl. BGHZ 43, 227, 229; 59, 97, 99. Laut Brox/Walker, SchuldR AT, § 37, Rn. 9 f.; Larenz, SchuldR AT, § 37 I, soll diese Voraus­ setzung jedoch im Wesentlichen nicht über eine Identität des Leistungsinteresses hinausgehen. 452  Larenz, SchuldR AT, § 37 II, S. 638. 453  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 888 mit weiteren Beispielen. 454  BGH vom 16.12.2009 - XII ZR 146/07 -, NJW 2010, 861, 863. 455 Laut BGH vom 22.12.2011 - VII ZR 7/11 -, NJW 2012, 1071, 1073 kommt einem Erlassvergleich im Zweifel keine Gesamtwirkung zu. Bei einem Erlassvertrag mit beschränkter Gesamtwirkung gilt es jedoch zu beachten, dass die übrigen Schuldner im Innenverhältnis Rückgriff nehmen können. Grundsätzlich kann ein Gläubiger mit einem Gesamtschuldner

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Mitverschulden des Gläubigers gegen einen Gesamtschuldner Gesamtwirkung.456 Im Übrigen wirken jedoch grundsätzlich die in der Person des Gesamtschuldners eintretenden Tatsachen nur im Verhältnis der unmittelbar Beteiligten, § 425 Abs. 1 BGB, sogenannte Einzelwirkung.457 Hierzu zählen etwa laut § 425 Abs. 2 BGB die (Fälligkeits-)Kündigung, der Verzug, das Verschulden, die Unmöglichkeit und rechtskräftige Urteile.458 Zur Vermeidung einer willkürlichen Kostentragungspflicht infolge der Wahl­ freiheit des Gläubigers bei der Inanspruchnahme der Gesamtschuldner besteht zudem ein selbstständiger Ausgleichsanspruch zwischen den beteiligten Gesamtschuldnern. Diesen hat der Gesetzgeber in § 426 BGB normiert und verpflichtet sie grundsätzlich zum gleichmäßigen Ausgleich untereinander.459 Außerdem entsteht hierdurch ein gesetzliches Schuldverhältnis.460 Unter Umständen erwächst den Gläubigern sogar die Pflicht, die Schuld bei dem Gläubiger anteilig zu erfüllen, um eine Inanspruchnahme eines einzelnen Gesamtschuldners über seinen Anteil zu verhindern.461 Bei einer Verletzung dieser Mitwirkungs- und Befreiungspflicht hat der geschädigte Schuldner obendrein aus diesem gesetzlichen Schuldverhältnis einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB.462 Kann ein Gesamtschuldner seiner anteiligen Verpflichtung nicht nachkommen, haften die übrigen Schuldner zusätzlich entsprechend ihrer ursprünglichen Quoten, § 426 Abs. 1 S. 2 BGB. Im Zweifel kommt es allerdings nur zu einer Verteilung zu gleichen Teilen. Ausnahmen folgen aus speziellen Gesetzen (vgl. etwa §§ 840 Abs. 2, 3, 841, 1833 Abs. 2 S. 2 BGB), Vereinbarungen oder den Umständen des Einzelfalls.463 den schuldnerinternen Ausgleichsanspruch nicht isoliert ausschließen, da dies ein Vertrag zulasten Dritter wäre. Möglich ist daher ein Erlassvertrag für einen bestimmten Schuldner nur, wenn der Gläubiger gleichzeitig auf den internen Anteil des jeweiligen Schuldners verzichtet. Der Erlass mit beschränkter Gesamtwirkung schließt zudem den internen Rückgriff von den übrigen Schuldnern aus, vgl. BGH vom 21.3.2000 - IX ZR 39/99 -, NJW 2000, 1942, 1943; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1283 m. w. N. 456  BGHZ 90, 86. 457  Auch insoweit ist eine andere Vereinbarung möglich. Die beteiligten Parteien können beispielsweise vereinbaren, dass unter den Schuldnern eine gegenseitige Verschuldenszurechnung also eine Gesamtwirkung erfolgt, vgl. BGHZ 56, 355; BGH vom 25.3.1986 - VI ZR 90/85 -, JZ 1986, 899, 901; Larenz, SchuldR AT, § 37 III, S. 641 f. 458  BGH vom 6.12.2001 - IX ZR 158/00 -, NJW-RR 2002, 478, 479. 459 Vor dem Hintergrund einer endgültigen Abwicklung haften die übrigen Gesamtschuldner als Teilschuldner, BGHZ 6, 3, 25. 460  Larenz, SchuldR AT, § 37 III, S. 643 f. 461  BGH vom 28.4.1994 - VII ZR 73/93 -, NJW 1994, 2231, 2232; MünchKomm/Bydlinski, § 426 BGB, Rn. 12. 462 Vgl. BGH vom 18.12.1973 - VI ZR 158/72 -, NJW 1974, 693, 694; vom 7.7.1980 - II ZR 199/79 -, NJW 1980, 2464. 463 Vgl. BGH vom 9.1.2008 - XII ZR 184/05 -, NJW 2008, 849, 850. Bei der Auseinandersetzung eines erfüllten Schadensersatzanspruchs spielt vor allem der § 254 BGB im

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Bei der Auseinandersetzung im Innenverhältnis bilden vor allem die Fälle eine Sonderstellung, in denen ein Gesamtschuldner gegenüber dem Gläubiger einer Haftungsbeschränkung oder gar einem -ausschluss unterliegt. Eine solche Beschränkung kann wiederum auf Vertrag oder Gesetz beruhen.464 Hierbei bereitet es Probleme, wenn der Gläubiger den unbeschränkt haftenden Schuldner in Anspruch nimmt und dieser versucht bei dem privilegierten Schuldner Rückgriffsansprüche geltend zu machen. Ob der Gläubiger jedoch einen unbegrenzten Anspruch gegen den gewöhnlichen Schuldner hat und dessen Rückgriffsansprüche zulässig sind, ist streitig. Nach einer Position haftet der nicht privilegierte Schuldner gegenüber dem Gläubiger unbeschränkt und hat keinen Anspruch gegen den eingeschränkt oder gar nicht haftenden Schuldner. Als Begründung führen die Vertreter vorrangig an, dass der begünstigte Schuldner tatsächlich gegenüber dem geschädigten Gläubiger kein Schuldner sei und damit die Voraussetzungen eines anspruchsbegründenden Gesamtschuldverhältnisses fehlten.465 Nach der Gegenauffassung soll allerdings der Gläubiger vom nicht begünstigten Schuldner vollen Ersatz verlangen dürfen, dieser Schuldner jedoch auch zum anteiligen Rückgriff beim privilegierten Schuldner berechtigt sein. Ein Gesamtschuldverhältnis wird in den Fällen fingiert. Für diese Lösung führen die Befürworter vor allem die nur partiell wirkende Haftungsbeschränkung an. Da die Anspruchseinschränkungen nur zwischen Gläubiger und Schuldner existieren würden, gehe keine Wirkung für die Rechtsbeziehung zwischen den übrigen Beteiligten aus.466 Nach einer vermittelnden Lösung kann der Gläubiger den unprivilegierten Schuldner nur soweit in Anspruch nehmen, wie er im Innenverhältnis ohne Berücksichtigung der Haftungseinschränkung des begünstigten Schuldners zur Leistung verpflichtet wäre. Zum Teil wird dieses Ergebnis auch dadurch erzielt, dass der Gläubiger bei dem gewöhnlichen Schuldner den Anspruch voll geltend macht, dieser Rückgriff beim privilegierten Schuldner nimmt und letzterer diesen Anteil beim Gläubiger zurückfordert.467 Hierdurch soll letztlich der Gläubiger die Nachteile tragen, denen er zugestimmt hat bzw. die ihm gesetzlich auferlegt wurden.468 Eine allgemeingültige Entscheidung, welche Position Vorrang verdient, ist für die Darstellung der einzelnen Verbindungen sowie der daran zu knüpfenden Rechtsfolgen weniger Innenverhältnis zwischen den einzelnen Gemeinschuldnern eine entscheidende Rolle, vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 896 f. 464 Vertragliche Haftungsbeschränkungen können beispielsweise bei der Wahrnehmung von Leistungen im freundschaftlich-bekanntschaftlichen Bereich vorkommen. Hierzu zählt etwa die Fahrgemeinschaft von Arbeitskollegen. Als Beispiele für gesetzliche Haftungsbeschränkungen sind die Regelungen in den §§ 708, 1359, 1664 Abs. 1 BGB und für Haftungsausschlüsse in den §§ 104, 105 SGB VII zu nennen, vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 902. 465 Vgl. Larenz, SchuldR AT, § 37 III, S. 646 ff. 466  Vgl. BGHZ 12, 213; 58, 216, 220. 467  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1293. 468  Vgl. BGHZ 51, 37; 61, 51; BGH vom 11.11.2003 - VI ZR 13/03 -, NJW 2004, 951; vom 14.6.2005 - VI ZR 25/04 -, NJW 2005, 3144, 3145.

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relevant und aufgrund der unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen nicht sinnvoll. In der Rechtsprechung lässt sich jedoch die nachvollziehbare Tendenz erkennen, dass bei einer vertraglichen Haftungsmodifikation eher von einer vollen Ersatzpflichtigkeit des unbeschränkt haftenden Schuldners mit Rückgriffsmöglichkeit beim privilegierten Schuldner und bei einer gesetzlichen Anspruchs­ einschränkung häufiger der vermittelnden Auffassung mit einem von vornherein gekürzten Ausgangsanspruch gefolgt wird. Neben dem gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB kann der leistende Gesamtschuldner zudem die ursprüngliche Forderung des Gläubigers gem. § 426 Abs. 2 BGB erhalten. Durch die Leistung eines Gesamtschuldners tritt keine Erfüllung der Ausgangsforderung nach § 362 BGB ein. Diese geht gesetzlich im Umfang seiner Leistung auf ihn über, wenn er gegen die übrigen Schuldner einen Ausgleichsanspruch hat. Hierdurch bleiben zudem die bestehenden Sicherungsrechte, wie Hypotheken und Pfandrechte, für den leistenden Gesamtschuldner nach §§ 412, 401 BGB bewahrt. Entsprechendes gilt für die Einreden und Einwendungen, §§ 412, 404 BGB. Grundsätzlich bestehen die Ansprüche aus § 426 Abs. 1 und 2 BGB unabhängig voneinander. Wegen des einheitlichen Ausgleichsinteresses ist jedoch eine isolierte Abtretung des einen Anspruchs ohne den anderen abzulehnen.469 c) Schuldnergemeinschaft470 Als Schuldnergemeinschaft werden Sachverhalte bezeichnet, in denen eine (tatsächlich oder rechtlich) unteilbare Forderung gegen mehrere Personen gemeinsam besteht. Dies setzt eine gemeinsame Leistungserbringung voraus, um eine Befriedigung zu erzielen. Eine solche Schuldnergemeinschaft kann wiederum auf gesetzlicher und vertraglicher Basis beruhen. Der Gesetzgeber hat im BGB jedoch keine allgemeine Rechtsgrundlage normiert.471 Hauptanwendungsfälle sind im Zusammenhang mit den Gesamthandsgemeinschaften, wie etwa der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB), der Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) und der Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB), zu finden. Als Haftungsgrundlage dient hierbei das gemeinschaftliche Sondervermögen, das vom Privatvermögen der einzelnen daran beteiligten Personen zu trennen ist. Wegen der regelmäßigen Verpflichtung zur gemeinsamen Leistungserbringung werden die in § 425 Abs. 2 BGB genannten Nebenfolgen, wie beispielsweise Verzug, Verschulden oder Unmöglichkeit, im Zweifel zu Lasten der Schuldnergemeinschaft gehen.472 469  Larenz, SchuldR AT, § 37 III, S. 649 mit dem Hinweis auf eine analoge Anwendung des § 401 BGB. 470  Brox/Walker, SchuldR AT, § 38, Rn. 1 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1299; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 906. 471  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 906. 472  Larenz, SchuldR AT, § 36 II c, S. 630; Staudinger/Looschelders, vor §§ 420 ff. BGB, Rn. 76; a. A. MünchKomm/Bydlinski, § 425 BGB, Rn. 19.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Unabhängig davon herrscht zum Teil neben der gesamthänderischen Haftung eine Einstandspflicht der einzelnen Gesamthänder mit ihrem Privatvermögen, vgl. § 2058 BGB, § 128 HGB.473 2. Netzwerkbezug Neben der Erfassung von netzwerkartigen Verbindungen auf Gläubigerseite bestätigen die vorstehenden Ausführungen eine ähnliche Rechtslage auf der Schuldnerseite. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil eine Verpflichtung zur Leistungserbringung grundsätzlich höhere Opfer abverlangt als deren Entgegennahme. In voller Konsequenz kann eine Verbindung sogar zur Leistungsverpflichtung für fremde Schulden führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Gesamtschuldner in Anspruch genommen wird und der andere (im Innenverhältnis allein zur Leistung verpflichtete) Gesamtschuldner wegen Vermögenslosigkeit die Forderung weder gegenüber dem Gläubiger noch an den zahlenden Gesamtschuldner erfüllen kann. Eine schwerwiegende verbindungstechnische Beeinflussung des gesamten Leistungsbereichs erfolgt ebenso bei unbefriedigten Erfüllungsverpflichtungen von einzelnen Teilschuldnern. Erbringt beispielsweise ein solcher Schuldner seine Leistung nicht, berechtigt dies den Gläubiger nur, diesen Teilschuldner in Anspruch zu nehmen; es besteht keine Ausfallhaftung des anderen Teilschuldners. Der Gläubiger darf aber grundsätzlich in solch einem Fall seine Leistung auch an den anderen Teilschuldner zulässig nach § 320 Abs. 1 S. 2 BGB verweigern. Rechtlich basieren die Schuldnermehrheiten auf verschiedenen Grundlagen. Während die Teilschuldnerschaft regelmäßig auf einem einheitlichen Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten beruht, kann sich die Verbindung des Gläubigers zu den einzelnen Gesamtschuldnern für die Hauptleistungsansprüche auf mehrere Rechtsverhältnisse stützen; obendrein existiert ein übergeordnetes Gesamtschuldnerverhältnis. Korrespondierend mit der einheitlichen Erfüllungsverpflichtung bestehen zudem (aus der Notwendigkeit heraus) gesetzliche Schuldverhältnisse zwischen den Gesamtschuldnern. Eine andere Zusammensetzung hat die Verbindungsstruktur bei der Schuldnergemeinschaft. Vor allem vor dem Hintergrund der Gesamthandsgemeinschaften führt sie nach außen zu einer Wahrnehmung als eigenständige Person. Folglich trägt das Recht den Interessen der einzelnen Personen mit ihren netzwerkorientierten Verbindungen entsprechend Rechnung. Weiterhin gibt es auch bei einer Schuldnermehrheit eine ähnliche Mischung zwischen Handlungen, die eine Gesamtwirkung auslösen, und solchen, die nur für das Verhältnis zwischen einzelnen Schuldnern und Gläubigern gelten, vgl. zum Beispiel §§ 422 ff. BGB.

473  Brox/Walker, SchuldR AT, § 38, Rn. 1 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1299; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 906.

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III.  Schuldbeitritt, Gläubigerbeitritt, Vertragsbeitritt 1. Schuldbeitritt 474 a) Entstehung Eng mit der Entstehung von Schuldnermehrheiten verwandt ist der Schuldbeitritt. Unter einem Schuldbeitritt wird die Schuldübernahme neben einer anderen Person, in der Regel dem ursprünglichen Schuldner, verstanden. Dieser kann durch Vertrag oder Gesetz, wie etwa § 2382 BGB, § 25 HGB, erfolgen. Die Gründe für einen solchen Beitritt sind vielfältig. Im Wesentlichen steht jedoch für alle Beteiligten die Erweiterung der anfänglichen Haftungsgrundlage im Vordergrund. Speziell der Beitretende wird bei der Übernahme der Schuld als eigene auch ein unmittelbares rechtliches oder wirtschaftliches Interesse verfolgen.475 Soll der Schuldbeitritt mittels Vertrages stattfinden, existieren hierfür zwei Möglichkeiten. Zum einen ermöglicht dies ein (schuldrechtlicher) Vertrag zwischen Gläubiger und Beitretendem und zum anderen zwischen ursprünglichem Schuldner und Beitretendem. Einer Zustimmung oder sonstigen Mitwirkung des Gläubigers bedarf es für die Vereinbarung zwischen Schuldner und Beitretendem nicht, weil dessen Rechtsstellung nur eine Verbesserung erfährt. Ein solcher Vertrag gilt im weiteren Sinne476 als ein echter Vertrag zugunsten Dritter iSd. § 328 BGB, bei dem der Gläubiger nach § 333 BGB nur ein Zurückweisungsrecht hat. Dagegen beruht eine Schuldbeitrittsvereinbarung allein zwischen Gläubiger und Beitretendem auf der allgemeinen Regelung in § 311 Abs. 1 BGB.477 b) Rechtsfolgen Bei einem wirksamen Schuldbeitritt haften der ursprüngliche Schuldner und der Beitretende als Gesamtschuldner gem. §§ 421 ff. ΒGB. Prinzipiell sind aus dem Rechtsverhältnis heraus auch Einwendungen zu beachten. Soweit die Beteiligten Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 19 ff.; Larenz, SchuldR AT, § 35 II, S. 610 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1253 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 910 ff. 475  Gerade hierin liegt der Unterschied zur Bürgschaft. Bei der Bürgschaft wird für eine fremde Forderung einer anderen Person ohne eigenes Interesse eingestanden. Demzufolge besteht neben dem fehlenden Bedürfnis nach einer Warnung auch grundsätzlich kein Formerfordernis für den Schuldbeitritt. Die Abgrenzung erfolgt mit Hilfe der Auslegung des Parteiwillens unter Beachtung der Interessenlage. Im Zweifel muss jedoch wegen des erhöhten Schutzes von einer Bürgschaft ausgegangen werden, vgl. Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 21; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1258. Eine Ausnahme von der Formfreiheit herrscht etwa im Bereich des Verbraucherkredits. Hier soll § 492 BGB analog zur Anwendung kommen, vgl. Palandt/Weidenkaff, § 492 BGB, Rn. 1. 476  Zum Teil wird eine entsprechende Anwendung der Regeln des Vertrages zugunsten Dritter angenommen, weil bei Vertragsschluss regelmäßig die Schuld schon entstanden ist, vgl. Larenz, SchuldR AT, § 35 II, S. 610 f. 477  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1253 f. 474 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

diesbezüglich keinen Ausschluss oder dergleichen vereinbart haben,478 ist in erster Linie entscheidend, zu welchem Zeitpunkt sie entstanden. Grundsätzlich bildet für Einwendungen gegenüber dem Gläubiger der Beitrittszeitpunkt eine Zäsur. Bis zum Beitritt hervorgegangene Einwendungen können nach verbreiteter Auffassung479 entsprechend § 417 Abs. 1 S. 1 BGB ferner vom neuen Schuldner geltend gemacht werden. Für jüngere Einwendungen greifen die §§ 422 ff. BGB ein. Hierzu bedarf es jedoch der Unterscheidung, ob die jeweilige Handlung Einzel- oder Gesamtwirkung hat.480 Komplexer stellt sich die Rechtslage für Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen Altschuldner und Beitretendem dar. Grundsätzlich können diese gegenüber dem Gläubiger gem. § 417 Abs. 2 BGB analog nicht zur Anwendung kommen. Eine Ausnahme herrscht allerdings, wenn der Beitrittsvertrag ohne Beteiligung des Gläubigers entstand und er noch keine Mitteilung erhalten hat. Die Möglichkeit existiert entgegen § 417 Abs. 2 BGB, weil der Gläubiger aufgrund der fehlenden Kenntnis keines Schutzes bedarf.481 Ebenso dürfen nach überwiegender Auffassung beispielsweise eigene Einwendungen des beitretenden Schuldners aus seinem Verhältnis zum Altschuldner gegenüber dem Gläubiger zur Anwendung kommen, falls dem Schuldbeitritt ein Vertrag zwischen bisherigem Schuldner sowie Beitretendem zugrunde liegt. In einem solchen Fall werde § 417 Abs. 2 BGB durch § 334 BGB verdrängt.482 Auch ein gesetzlicher Schuldbeitritt verpflichtet den neuen Schuldner zur Leistung. Der Erbschaftskäufer haftet grundsätzlich für Nachlassverbindlichkeiten gem. § 2382 BGB und der Erwerber eines Handelsunternehmens bei Firmenfortführung für Altschulden des bisherigen Inhabers nach § 25 HGB. Sollte zudem keine besondere Vereinbarung zwischen dem ursprünglichen Schuldner und dem Beitretenden bestehen, gelten die gesamtschuldnerischen Ausgleichsregelungen gem. § 426 BGB. Daneben sind etwa Ansprüche des Beitreten-

478 

BGHZ 31, 321, 329. Larenz, SchuldR AT, § 35 II, S. 610 f., der als Begründung auf die Einstandspflicht einer bestehenden Schuld verweist. Insoweit erscheint eine analoge Anwendung der Norm aus dem Kapitel über die Schuldübernahme wegen der vergleichbaren Interessenlage gerechtfertigt. Dem Ergebnis von Larenz folgend Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 24; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1256; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 911. 480  Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 822. 481  Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 24. 482 Vgl. BGH vom 5.12.1975 - V ZR 34/74 -, WM 1976, 111; OLG Celle vom 9.11.1959 - 1 U 27/59 -, NJW 1960, 200, 201; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 823; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1256; a. A. Larenz, SchuldR AT, § 35 II, S. 611 m. w. N., der in der Mitteilung an den Gläubiger über den Schuldbeitritt eine schützenswerte Vertrauensposition sieht, die die Anwendung von § 334 BGB und Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner gegenüber dem Gläubiger ausschließen. 479 

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den gegen den bisherigen Schuldner wegen Aufwendungsersatzes gem. § 670 BGB bei dessen Beauftragung möglich.483 2. Gläubigerbeitritt a) Entstehung Neben dem Schuldbeitritt muss grundsätzlich ein Gläubiger- bzw. Forderungsbeitritt möglich sein. Ein solcher Beitritt ist von der Forderungsabtretung gem. §§ 398 ff. BGB zu unterscheiden. Schließlich bleibt der Schuldner dem ursprünglichen Gläubiger selbst in der Zukunft zur Erfüllung verpflichtet. Hierzu kann es in der Praxis beispielsweise kommen, wenn der Ehemann nach der Heirat bei seinem eigenen Konto seine Ehefrau als zusätzliche Gläubigerin neben ihm bei der Bank eintragen lässt. Die Zulässigkeit einer vertraglichen Vereinbarung erfolgt zumindest auf der Grundlage von § 311 Abs. 1 BGB. Im Gegensatz zum Schuldbeitritt hält die Rechtsprechung und die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur bei einer solchen Vereinbarung zwischen bisherigem Gläubiger und Beitretendem auch die Zustimmung des Schuldners für erforderlich. Begründet wird dies durch die rechtlichen Nachteile, die ein Gläubiger bei der Inanspruchnahme durch mehrere Gläubiger zu erwarten habe. Danach wäre der Gläubiger unter Umständen zwei selbstständigen Klagen ausgesetzt, wovor der Gesetzgeber ausdrücklich schützen wolle, vgl. etwa § 407 Abs. 2 BGB. Zudem seien die Vorschriften über die Abtretung nicht anwendbar, weil sie sich nur auf eine vollständige Übertragung einer Forderung beziehen würden. Schließlich verbiete sich wegen des dinglichen Vertragscharakters und des damit einhergehenden sachenrechtlichen Numerus clausus eine Abänderung.484 Im Übrigen genügt auch keine Vereinbarung allein zwischen Schuldner und beitretendem Gläubiger, da durch diese Möglichkeit die Rechtsposition des bisherigen Gläubigers geschmälert wird und ein Vertrag zulasten Dritter unzulässig ist. Der Umfang des Gläubigerbeitritts bedarf gegebenenfalls der Ermittlung durch Auslegung. Hierbei gilt es ebenso zu klären, ob der Beitretende zudem an den Neben- und Vorzugsrechten iSd. § 401 BGB partizipieren soll. b) Rechtsfolgen Als Gegenstück zum Schuldnerbeitritt kann durch einen Gläubigerbeitritt nur eine Gesamtgläubigerschaft nach §§ 428 ff. BGB entstehen. Hiermit hat jeder

Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 911. H. M. BGH vom 5.3.1975 - VIII ZR 97/73 -, NJW 1975, 969, 969 f.; vom 7.6.2005 - XI ZR 311/04 -, NJW 2005, 2779, 2781; Arenz, AcP 170, 392, 407 ff.; Staudinger/Looschelders, § 428 BGB, Rn. 45 f. m. w. N.; a. A. MünchKomm/Bydlinski, § 428 BGB, Rn. 7, der eine Mitwirkung des Schuldners nicht zwingend für erforderlich hält. Hierbei verweist er insbesondere auf die Wertung zur Einziehungsermächtigung und Teilabtretung sowie die belastende Wirkung aufgrund der Regelung in § 432 BGB. 483  484 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Gläubiger das Forderungsrecht auf die ganze Leistung, das vom Schuldner nur einmal erfüllt werden muss. Bezüglich der Einwendungen ist wiederum die Beitrittszäsur zu beachten. Durch einen solchen Gläubigerzuwachs darf die Rechtsstellung des Schuldners keine Benachteiligung erfahren. Damit gelten grundsätzlich die bisherigen Einwendungen des Schuldners gegen den ursprünglichen Gläubiger auch gegenüber dem Beitretenden. Für Einwendungen, die nach dem Beitritt entstanden sind, finden grundsätzlich die für die Gläubigermehrheit einschlägigen Regelungen Anwendung (vgl. dazu § 10 I.). 3. Vertragsbeitritt a) Entstehung Eine weitere Steigerung zu den rechtlichen Möglichkeiten des Schuld- und Gläubigerbeitritts erfolgt mit dem Vertragsbeitritt. Hier beteiligt sich neben den ursprünglichen Partnern nachträglich eine weitere Person auf einer Seite eines bestehenden Vertrages.485 Einige fassen hierunter auch die Fälle, in denen der Dritte einen neuen, eigenen (Vertrags-)Pol bildet.486 Von einem Vertragsbeitritt ist beispielsweise auszugehen, wenn das alleinige Konto der ursprünglich alleinstehenden Frau nach der Heirat als Familienkonto genutzt werden soll und sich der Ehemann zu dem Zweck am ursprünglichen Kontoführungsvertrag mit allen Rechten und Pflichten anschließen möchte. Ebenso zählt hierzu der Beitritt des einen Ehegatten zum Mietvertrag des anderen. Infolge der beabsichtigten Mehrheit von Vertragspartnern (oder zumindest der Mehrung von Vertragspartnern) auf der einen Seite der rechtlichen Verbindung kann er mit einer Vertragsübernahme nicht gleichgesetzt werden.487 Der Vertragsbeitritt erfährt jedoch in der Form eines allgemeinen Rechtsinstituts keine gesetzliche Regelung im BGB. Dennoch erkennt ihn vor allem eine Mehrheit in der Literatur als Vertrag eigener Art an.488 Tatbestandlich muss für einen wirksamen Vertragsbeitritt die Einigung zwischen allen künftigen Vertragspartnern über diesen vorliegen.489 Ausreichend ist ferner eine 485  Schellhammer, Rn. 1822. Zum Teil wird der Begriff des Vertragsbeitritts auch im Zusammenhang mit einer gescheiterten Vertragsübernahme benutzt. Stimmen also einer solchen Übernahme nicht alle Beteiligten zu, soll nach dieser Auffassung im Zweifel der Wille der Parteien darauf gerichtet sein, dass die Vertragsrechte auf der Aktivseite übergehen und es auf der Passivseite zu einem Schuldbeitritt kommt, vgl. Enneccerus/Lehmann, S. 351 f.; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 221 m. w. N. 486 MünchKomm/Roth/Kieninger, § 398 BGB, Rn. 190. 487  Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 220. 488  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 913; MünchKomm/Roth/Kieninger, § 398 BGB, Rn. 190; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 220. 489  Willenserklärungen können auch hier stillschweigend und durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Eine besondere Form ist nur bei entsprechender Anordnung nötig, Schellhammer, Rn. 1822.

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nachträgliche Zustimmung. Dies gilt nach überwiegender Auffassung zudem für die Entlassung des Beitretenden.490 Schließlich entstehen mit einer solchen Vertragsänderung rechtliche Nachteile für alle Beteiligten.491 Der Vertragsinhalt bestimmt sich wiederum durch den Parteiwillen. b) Rechtsfolgen Mit einem Vertragsbeitritt wird auch die aufgenommene Person berechtigt und verpflichtet. Grundsätzlich tritt diese in die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Vertragspartner ein, wie diejenige Vertragspartei auf deren Seite sie beitritt.492 Die beiden Personen auf derselben Vertragsseite erlangen entsprechend den Ausführungen zum Schuldbeitritt bezüglich ihrer Pflichten gegenüber dem Vertragsgegner eine Gesamtschuldnerstellung.493 Problematischer ist die Gläubigerposition. Grundsätzlich wird von einer Gesamtgläubigerschaft gem. §§ 428 ff. BGB zwischen den Personen auszugehen sein, auf der Seite auf der sich der Beitretende befindet.494 Gegebenenfalls bindet sich das Erfüllungswahlrecht des Schuldners.495 Schließlich sind die Nachteile durch die Vertragsänderung für den Schuldner so gering wie möglich zu halten. Eine abschließende Bestimmung verbietet sich jedoch. Insbesondere kann sich aufgrund des Parteiwillens und der Umstände des Einzelfalls ein abweichendes Ergebnis für die Gläubigermehrheit ergeben.496 Keine endgültige Klärung hat zudem der Umgang mit den Einwendungen erfahren. Als vollwertiger Vertragspartner muss sich der Beitretende jedoch auch gegen unberechtigte Forderungen wehren können. Umgekehrt gilt dies ebenfalls für die übrigen Vertragspartner, sofern keine besondere Vereinbarung diesbezüglich getroffen wurde. Interessengerecht ist damit nur die Anwendung der allgemeinen Regeln für den jeweiligen Rechtsbereich. Mitunter wird dem Beitritt im Zweifel ohnehin nur eine Wirkung für die Zukunft beigemessen, sodass Probleme aus der Vergangenheit bloß zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern wie bisher zu klären sind.497

BGH vom 3.3.2004 - VIII ZR 124/03 -, NJW 2004, 1797 m. w. N. Larenz, SchuldR AT, § 35 III, S. 619. 492  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 913. 493  Larenz, SchuldR AT, § 35 III, S. 619; einschränkend Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 221, der die Schuldnerstellung des Beitretenden iSd. §§ 420 ff. BGB nur anhand des Vertragstypus bestimmen will. 494 MünchKomm/Roth/Kieninger, § 398 BGB, Rn. 190. 495 Vgl. OLG Nürnberg vom 24.11.1960 - 2 U 158/60 -, NJW 1961, 510 f. 496  Larenz, SchuldR AT, § 35 III, S. 619; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 221. 497  Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 221. 490 Vgl. 491 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

4. Netzwerkbezug Die vorstehenden Ausführungen zeigen die nachträglichen Begründungsmöglichkeiten von Personenmehrheiten auf Gläubiger- und Schuldnerseite. Diese Rechtskonstruktionen tragen netzwerkartigem Verhalten entsprechend Rechnung. Vor allem für die in der Netzwerkforschung beschriebene dynamische Entwicklung infolge der Einbeziehung von unbeteiligten Personen besitzt die rechtliche Anerkennung besondere Relevanz. Das Recht kennt zudem nicht nur eine vollständige Einbeziehung in die Rechte und Pflichten eines Akteurs durch den Vertragsbeitritt. Vielmehr ist auch eine teilweise Beteiligung im Rahmen der Verpflichtungen infolge des Schuldbeitritts oder im Zusammenhang mit den Rechten auf der Basis des Gläubigerbeitritts möglich. Selbst aus diesem Gesichtspunkt besteht in der Rechtsordnung eine ausreichende Grundlage.

IV.  Schuldübernahme, Forderungsübertragung und Vertragsübernahme 1. Schuldübernahme 498 a) Grundlegendes Die stärkste Form der Veränderung bei rechtlichen Beziehungen kommt dem Austausch eines Beteiligten zu. Im Verpflichtungsbereich ist als Beispiel die befreiende Schuldübernahme zu nennen. Sie liegt vor, wenn ein neuer Schuldner499 an die Stelle eines anderen für dieselbe Forderung tritt, ein sogenannter Schuldnerwechsel.500 Gesetzlich wird diese Möglichkeit in den §§ 414 ff. BGB normiert. Insoweit bedarf es im Wesentlichen nur der Abgrenzung zum Schuldbeitritt, der lediglich eine kumulative Schuldübernahme hervorruft. Somit stellt sie rechtsgeschäftlich vereinbart das Gegenstück zur Abtretung dar. Anwendung findet die Schuldübernahme vor allem dort, wo der Übernehmende ein gesteigertes Eigeninteresse an der Erfüllung der zugrunde liegenden Schuldforderung hat. Das Gesetz nennt etwa den Erwerber eines Grundstücks, der die auf dem Erwerbsgrundstück lastende Hypothek übernimmt, vgl. § 416 BGB. b) Voraussetzungen Durch eine Schuldübernahme wird der neue Schuldner mit der daraus folgenden Verpflichtung belastet. Hierbei herrschen potentielle Ausfallrisiken für den Gläubiger.501 Aus dem Grund genügt für eine Schuldübernahme nur ein Vertrag zwi498  Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 7 ff.; Larenz, SchuldR AT, § 35 I, S. 602 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1233 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 832 ff. 499  Sogenannter Neuschuldner oder Dritter. 500  Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 1. 501 Vgl. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1233.

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schen allen (ursprünglichen und zukünftigen) Beteiligten502 oder zwischen dem Neuschuldner und dem Gläubiger (§ 414 BGB). Bei der letzten Möglichkeit bedarf es keiner Mitwirkung des bisherigen Schuldners; ebenso hat er nach überwiegender Auffassung kein Widerspruchsrecht.503 Ungeachtet dessen soll in derartigen Fällen regelmäßig zwischen Altschuldner und Neuschuldner ein weiteres (entgeltliches oder zumindest unentgeltliches) Rechtsverhältnis entstehen, ein sogenanntes Grundgeschäft.504 Eine Schuldübernahme kann nach § 415 Abs. 1 S. 1 BGB zudem aus einer Genehmigung des Gläubigers vom Vertrag zwischen Alt- und Neuschuldner hervorgehen.505 Hierüber hat das Gesetz in §§ 415 f. BGB besondere Regeln aufgestellt.506 Dies setzt insbesondere eine Mitteilung an den Gläubiger voraus, um dem Alt- und Neuschuldner einen interessengerechten Übernahmevertrag zu ermöglichen. Die Schuldner sind jedoch erst an einer Änderung des Vertrages gehindert, wenn der Gläubiger die Genehmigung erteilt hat. Verweigert er allerdings die Genehmigung, gilt das Grundgeschäft, wie während des Schwebezustandes, im Zweifel als Erfüllungsübernahme iSd. § 329 BGB, § 415 Abs. 3 BGB.507 Damit bleibt es bei einer reinen Verpflichtung des Dritten gegenüber dem bisherigen Schuldner den Gläubiger zu befriedigen. Besonderheiten gelten bei der Hypothekenübernahme durch den Dritten. Wegen der Verbindung zwischen Hy502 Vgl. BGH vom 25.10.1995 - IV ZR 22/95 -, NJW-RR 1996, 193, 194; Larenz, SchuldR AT, § 35 I, S. 605. 503 Die Entbehrlichkeit einer Mitwirkung des Altschuldners bei einem Schuldübernahmevertrag zwischen Gläubiger und Neuschuldner ist der gesetzlichen Anordnung in § 414 BGB zu entnehmen. Als streitig gilt allerdings, ob sich der Altschuldner gegen eine solche Schuldübernahme nachträglich wehren kann. Die überwiegende Auffassung lehnt jedoch eine Zurückweisung entsprechend §§ 333, 2176 BGB ab. Neben einer fehlenden gesetzlichen Anordnung wird hierfür vor allem die nachträgliche Entziehung der Forderung für den Gläubiger geltend gemacht. Zudem könne der Schuldner gem. §§ 267 f. BGB auch ohne eigene Mitwirkung durch Leistung eines Dritten Befreiung erlangen, vgl. Grigoleit/ Herresthal, Jura 2002, 393, 395; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 57; MünchKomm/Bydlinski, § 414 BGB, Rn. 6 m. w. N.; a. A. Jauernig/Stürner, Anm. zu §§ 414, 415 BGB, Rn. 1 m. w. N.; Larenz, SchuldR AT, § 35 I, S. 603. 504 Vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 832, 835. 505 Rechtsdogmatisch wird die Schuldübernahme durch einen genehmigten Vertrag nach überwiegender Auffassung als Verfügung vom Nichtberechtigten über die Forderung des Gläubigers angesehen. Dem Gläubiger soll eine Genehmigungsmöglichkeit nach § 185 Abs. 2 BGB verbleiben. Die Begründung erfolgt mit dem Wortlaut des § 415 BGB und den Gesetzesmaterialien. Abweichend davon vertreten jedoch einige, dass in der Mitteilung nach § 415 Abs. 1 S. 2 BGB ein Angebot an den Gläubiger liegt, das er durch die Genehmigung annehme, vgl. Anm. Brox, JZ 1960, 369 m. w. N. Im Rahmen des § 414 BGB soll die Schuldübernahme neben der Verpflichtung des Neuschuldners eine Verfügung des Gläubigers über die Forderung enthalten, Larenz, SchuldR AT, § 35 I, S. 603 f. 506  Der Gläubiger ist bei der Entscheidung, ob er die Genehmigung erteilt oder verweigert, grundsätzlich frei. Dies gilt selbst dann, wenn das Grundgeschäft zwischen Alt- und Neuschuldner rückabgewickelt wird, Larenz, SchuldR AT, § 35 Ib, S. 608. 507  BGH vom 18.1.1991 - V ZR 315/89 -, NJW 1991, 1822.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

pothek und dem erworbenen Grundstück sowie der daraus folgenden geringeren Schutzbedürftigkeit des Gläubigers kann dieser die Schuld nach § 416 BGB unter erleichterten Bedingungen übernehmen. Für die Genehmigung genügt etwa schon ein Schweigen des Gläubigers.508 Nicht unproblematisch ist hierbei die rechtsdogmatische Einordnung. Überwiegend wird von verfügenden und verpflichtenden Elementen ausgegangen, einem sogenannten Doppelcharakter.509 Die Verfügungseigenschaft soll mit dem Wechsel des Schuldners, der wiederum zu einer Inhaltsveränderung des Schuldverhältnisses führe, zum Ausdruck kommen.510 Während die Verfügung im Fall des § 414 BGB vom Gläubiger selbst vorgenommen würde, komme es im Rahmen des § 415 BGB zu einer Verfügung des Altschuldners als Nichtberechtigter. Zusätzlich habe die Schuldübernahme mit der Leistungspflicht des Übernehmers ein verpflichtendes Element.511 Hiervon zu unterscheiden sei das Verpflichtungsgeschäft für die Schuldübernahme. Dies könne sowohl in der Vereinbarung zwischen Gläubiger und Neuschuldner als auch in der von Alt- und Neuschuldner liegen, dem sogenannten Grundgeschäft.512 c) Rechtsfolgen Sind die Voraussetzungen für einen wirksamen Schuldnerwechsel gegeben, tritt der Dritte gem. § 414 BGB an die Stelle des bisherigen Schuldners. Der Neuschuldner übernimmt die jeweilige Verpflichtung als eigene gegenüber dem Gläubiger. Die Forderung erfährt aufgrund des Schuldnerwechsels eine Inhaltsänderung. Es kommt jedoch zu keiner Übernahme aller vertraglichen Verpflichtungen, sondern nur bezüglich solcher, die bei der Schuldübernahme konkret bestimmt wurden. Für die Einwendungen513 bedarf es der Differenzierung. Grundsätzlich kann der Übernehmer gegenüber dem Gläubiger alle Einwendungen aus dem Schuldübernahmevertrag geltend machen. Keine Rolle spielt, ob dieser mit dem Gläubiger oder dem Altschuldner geschlossen wurde.514 Hierzu zählt vor allem die Unwirksamkeit des Vertrages. Probleme bereitet allerdings eine Täuschung des Altschuldners.515 Im Übrigen gilt für Einwendungen § 417 BGB. In dem Zusammenhang ist Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 7 ff. BGH vom 20.10.1982 - IV a ZR 81/81 -, NJW 1983, 678, 679. 510  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 836. 511 Vgl. Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 394; Larenz, SchuldR AT, § 35 I, S. 604. 512  Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 394 ff. m. w. N.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1234. 513  Der Begriff der Einwendung ist weit auszulegen. Erfasst werden grundsätzlich jegliche Einwendungen und Einreden, vgl. Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 398. 514  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 838. 515  Bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch den Altschuldner ist zwischen einer Schuldübernahme nach § 414 BGB und einer nach § 415 BGB zu unterscheiden. Im ersten Fall zählt der Altgläubiger als Dritter iSd. § 123 Abs. 2 BGB, sodass für die Wirk508 

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wiederum zwischen solchen aus dem Verhältnis Altschuldner und Gläubiger, aus der Verbindung Altschuldner und Neuschuldner sowie aus der Beziehung des Neuschuldners mit dem Gläubiger zu unterscheiden. Für das Rechtsverhältnis Neuschuldner und Gläubiger bestehen bezüglich der Einwendungen keine Besonderheiten. Sogar eine Aufrechnung des Neuschuldners mit einer eigenen (Aktiv-)Forderung gilt als zulässig. Ebenso sind Einwendungen möglich, mit denen die Ungültigkeit des Übernahmegeschäfts geltend gemacht werden. Prinzipiell erfährt die Forderung des Gläubigers durch einen Schuldnerwechsel keine weitere Änderung, sodass der Neuschuldner die Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis Gläubiger und Altschuldner gem. § 417 Abs. 1 S. 1 BGB erheben kann. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Einwendungen bereits vor der Übernahme gültig waren oder erst später hervorgehen.516 Dazu zählt beispielsweise die Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB. Keine derartigen Einwendungen sind allerdings Gestaltungsrechte, wie etwa der Rücktritt, die zu einer Umwandlung des gesamten Vertragsverhältnisses führen. Diese bleiben beim Altschuldner. Hat er sie jedoch vor Übertragung bereits ausgeübt, darf die Rechtsfolge zudem der Neuschuldner entgegensetzen.517 Im Übrigen besitzt der Übernehmer gegenüber dem Altschuldner nur einen Anspruch auf Ausübung des Gestaltungsrechts auf der Grundlage des Deckungsverhältnisses. Bis zur Handlung des ursprünglichen Schuldners hat der Übernehmer jedoch keine Einrede entsprechend § 770 BGB.518 Unzulässig sind für den Neuschuldner ferner Aufrechnungen mit Forderungen, die dem bisherigen Schuldner zustehen, § 417 Abs. 1 S. 2 BGB. Grundsätzlich unstatthaft ist nach § 417 Abs. 2 BGB zudem die Herleitung von Einwendungen gegenüber dem Gläubiger aus dem Grundgeschäft zwischen bisherigem Schuldner und Übernehmendem, auf dem die Schuldübernahme fußt. Beim unwirksamen Deckungsverhältnis kommt es eigentlich nur zu Ansprüchen zwischen Alt- und Neuschuldner.519 Unabhängig vom Abstraktionsprinzip kann es jedoch zu Einwendungen wegen Fehleridentität kommen.520 Ein Durchgriff wird samkeit der Anfechtung der Gläubiger die Täuschung kennen oder kennen musste. Bei einer genehmigten Schuldübernahme nach § 415 BGB bestehen für die Voraussetzungen dagegen keine gesetzlichen Besonderheiten. Zum Teil wird aber auch hier eine Kenntnis oder ein Kennenmüssen des Gläubigers gefordert, um die verschiedenen Entstehungsarten der Schuldübernahme nicht unterschiedlich zu behandeln, vgl. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 818 m. w. N.; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 400 m. w. N.; a. A. BGHZ 31, 321, 328; Larenz, SchuldR AT, § 35 Ib, S. 607 m. w. N.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1248. 516 Erman/Röthel, § 417 BGB, Rn. 3; Larenz, SchuldR AT, § 35 Ib, S. 606. 517  Larenz, SchuldR AT, § 35 Ib, S. 606. 518  So die wohl heute überwiegende Position Erman/Röthel, § 415 BGB, Rn. 4; Grigoleit/ Herresthal, Jura 2002, 393, 398 m. w. N.; a. A. Staudinger/Rieble, § 417 BGB, Rn. 15 ff. m. w. N. 519 Erman/Röthel, § 415 BGB, Rn. 6. 520 Jauernig/Stürner, § 417 BGB, Rn. 3.

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vom BGH ebenso im Fall des § 415 Abs. 1 S. 1 BGB bei einem einheitlichen Geschäft iSd. § 139 BGB bejaht.521 Keine Anwendung findet der Ausschluss nach § 417 Abs. 2 BGB allerdings, wenn die Einwendung aus dem zwischen Altschuldner und Neuschuldner vereinbarten Schuldübernahmevertrag stammt. Hierbei handelt es sich um eine abstrakte Verfügung, die unabhängig vom Grundgeschäft existiert. Im Gegensatz zu dem Grundverhältnis zwischen Alt- und Neuschuldner braucht der Gläubiger auch keinen besonderen Schutz, da er zumindest durch die Genehmigung eine gewisse Einflussmöglichkeit hatte.522 Eine weitere Rechtsfolge betrifft die Neben- und Vorzugsrechte. Die Regelung ist erforderlich, weil die Sicherungsrechte andernfalls ungewollt den Altschuldner treffen könnten. Danach hat der Gesetzgeber das Erlöschen von rechtsgeschäftlich bestellten Bürgschaften und Pfandrechten an beweglichen Sachen für die Forderung gem. § 418 Abs. 1 S. 1 BGB sowie den Übergang der Hypotheken auf den Eigentümer laut § 418 Abs. 1 S. 2 BGB angeordnet, soweit der Sicherungsgeber in ihre jeweilige Weitergeltung nicht einwilligt (§ 418 Abs. 1 S. 3 BGB). Für nichtakzessorische Sicherungsrechte, wie das Sicherungseigentum, gilt § 418 Abs. 1 BGB entsprechend.523 Zweifel existieren bei der Anwendung des § 418 Abs. 1 BGB auf gesetzliche Sicherheiten, weil diese nicht bestellt sind.524 Ebenso wurde der Verlust von Vorzugsrechten im Insolvenzverfahren bei einem Schuldübergang in § 418 Abs. 2 BGB normiert, wenn der Übernehmer selbst in Insolvenz gerät. 2. Forderungsübertragung525 a) Grundlegendes Spiegelbildlich zum Wechsel des Schuldners ermöglicht die Rechtsordnung den Austausch des Gläubigers. Er kann auf einem Rechtsgeschäft (§§ 145 ff. BGB), Gesetz (etwa §§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2, 774 BGB) oder Hoheitsakt (z. B. § 835 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 BGB) beruhen. Die zentralen Regelungen sind in den §§ 398 ff. BGB zu finden. Gesetzlicher Grundtatbestand ist dabei die rechtsgeschäftliche Übertragungsform, die sogenannte Abtretung bzw. Zession. Hierauf konzentriert sich die folgende Darstellung. Nach § 412 BGB finden die Vorschriften in weiten Teilen auf die gesetzliche Forderungsübertragung entsprechende Anwendung.

521 

BGHZ 31, 321, 323; a. A. Jauernig/Stürner, § 417 BGB, Rn. 3. § 415 BGB, Rn. 12; § 417 BGB, Rn. 1 ff. 523  Larenz, SchuldR AT, § 35 Ic, S. 609 m. w. N., Rechtsfolge ist jedoch ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung. 524  Für eine entsprechende Anwendung bei einer vergleichbaren Ausgangslage mit einem Sicherungsgeber, der in der Wahl frei ist, MünchKomm/Bydlinski, § 418 BGB, Rn. 2 m. w. N.; a. A. Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 249; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1245. 525  Brox/Walker, SchuldR AT, § 34, Rn. 2 ff.; Larenz, SchuldR AT, § 34, S. 574 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1162 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 786 ff. 522 Erman/Röthel,

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b) Voraussetzungen Eine wirksame Abtretung setzt einen Vertrag zwischen bisherigem und neuem Gläubiger voraus, nach dem die Forderung gegen den Schuldner auf diesen übertragen wird, § 398 S. 1 BGB. Der Vertrag zählt zu den Verfügungsverträgen und es gelten die allgemeinen Regeln.526 Sofern eine teilbare Forderung vorliegt, gibt es ferner die Möglichkeit zur Abtretung eines Teils der Forderung.527 Wegen der fehlenden Schutzbedürftigkeit braucht der Schuldner jedoch grundsätzlich keine Kenntnis zu haben, nicht mitwirken oder gar sein Einverständnis zu erklären. Von diesem Vertrag gilt es das Kausalgeschäft zu unterscheiden. In der Regel nehmen es die Parteien gleichzeitig mit dem Abtretungsvertrag vor. Aufgrund des Abstraktionsprinzips bedarf es dessen Gültigkeit jedoch grundsätzlich nicht.528 Weitere Voraussetzungen sind das Bestehen einer wirksamen und zumindest bestimmbaren Forderung des Abtretenden gegen den Schuldner529 sowie die Zulässigkeit der Abtretung. Hierfür reicht auch eine erst zukünftig entstehende Forderung aus.530 Im Zeitpunkt der Abtretung muss noch nicht einmal der Rechtsgrund für eine solche Forderung gegeben sein.531 Jedoch ist sie etwa bei einer Inhaltsänderung (§ 399 1. Alt. BGB), einer wirksamen Vereinbarung (§ 399 2. Alt. BGB)532 und einer unpfändbaren Forderung (§ 400 BGB) ausgeschlossen.533 Abtretungsverbote werden 526  Vgl. §§ 104 ff. BGB. Grundsätzlich ist ein solcher Vertrag ohne Rücksicht auf die Formvorschriften für die Begründung der Forderung formlos möglich. Ausnahmen bestehen bei gesetzlicher Anordnung, wie beispielsweise § 1154 Abs. 1 BGB, vgl. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1172. 527 Jauernig/Stürner, § 398 BGB, Rn. 8. 528  Eine Ausnahme existiert beispielsweise bei Fehleridentität (s. o.). 529  Neben § 405 BGB und § 2366 BGB besteht im BGB keine unmittelbare Möglichkeit eine Forderung gutgläubig zu erwerben, weil kein ausreichender Rechtsscheinträger vorliegt. Damit sind auch mehrfache Abtretungen der gesamten Forderung durch den gleichen Gläubiger ausgeschlossen. Der ursprüngliche Gläubiger verliert mit der Abtretung die Verfügungsgewalt über die Forderung und aufgrund des Prioritätsprinzips ist die erste wirksame Abtretung maßgeblich. In solchen Fällen kann eine Ermächtigung helfen. Hat eine andere Person die Forderung, darf diese eine andere für die Abtretung ermächtigen. Uneinigkeit bereitet jedoch, ob eine wegen fehlender Verfügungsbefugnis unwirksame Abtretung nachträglich durch eine Genehmigung gem. §§ 184 f. BGB analog geheilt wird. So Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 797 m. w. N., verneinend BGHZ 70, 299, 303, der in einer solchen genehmigten Erklärung lediglich eine einverständliche Aufhebung des Abtretungsverbotes oder einen Verzicht auf die Einrede gem. § 399 BGB sieht. 530  BGH vom 16.3.1995 - IX ZR 72/94 -, NJW 1995, 1668, 1669. 531  Die sogenannte Vorausabtretung oder antizipierte Abtretung wird jedoch erst mit Entstehung der Forderung wirksam, MünchKomm/Roth/Kieninger, § 398 BGB, Rn. 78 f. 532  Ein Unwirksamkeitsgrund für eine solche Vereinbarung ergibt sich beispielsweise bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft aus § 354a HGB oder bei einer Pfändung innerhalb der Zwangsvollstreckung gem. § 851 Abs. 2 ZPO. 533  Weitere Verbote sind etwa in §§ 473, 717 BGB geregelt. Eine Einschränkung ergibt sich ebenso aus den §§ 613 S. 2, 664 Abs. 2 BGB.

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vor allem vereinbart, um dem Schuldner mehr Rechtssicherheit zu garantieren und vor zusätzlichen Arbeiten bei der Überweisung an (unbekannte) Dritte zu schützen. Die Unzulässigkeit von Abtretungen kann sich überdies aus den allgemeinen Gesetzen ergeben. Unter bestimmten Umständen werden beispielsweise (Sicherungs-) Abtretungen für sittenwidrig gehalten, die mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt von Dritten zusammentreffen.534 c) Rechtsfolgen Mit einer Abtretung sind mehrere Rechtsfolgen verbunden. Die wesentlichste Wirkung besteht jedoch im Austausch des bisherigen Gläubigers durch den neuen als Inhaber der Forderung mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages gem. § 398 S. 2 BGB. Im Übrigen bleibt der Altgläubiger Vertragspartner und insbesondere bei gegenseitigen Verträgen weiterhin zu den Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner verpflichtet.535 Wirksamkeitsmängel des Abtretungsvertrages können jederzeit geltend gemacht werden. Für den Umfang ist generell das Ziel der Forderung in Form eines Lebenssachverhalts ohne Rücksicht auf verschiedene Rechtsgründe entscheidend.536 Die Zession hat jedoch keinen Einfluss auf den Inhalt der Forderung. Diese besteht prinzipiell unverändert fort. Demzufolge kann der Schuldner dem neuen Gläubiger alle bisher begründeten Einwendungen entgegenhalten, § 404 BGB. Bei Teilabtretungen kommt es grundsätzlich zu einer Ausübung auf alle Teile.537 Ausreichend ist zudem, dass die Einwendung ihren Grund in dem bisherigen Schuldverhältnis zwischen Schuldner und ursprünglichem Gläubiger hat, selbst wenn die Tatsachengrundlage für die Einwendung erst nach der Abtretung entstand.538 Eine Ausnahme gilt nach § 405 BGB bei Schuldscheinen. Probleme bereitet in den Abtretungskonstellationen vor allem die Einwendung des nicht erfüllten Vertrages, denn dann erhält der Neugläubiger keine Leistung, wenn der Altgläubiger seine Gegenleistung nicht erbringt.539 534  Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Händler einen Kredit aufnimmt, zur Sicherung alle zukünftigen Kundenforderungen abtritt und später von einem Lieferanten Handelswaren unter Eigentumsvorbehalt kauft, bei denen der Weiterverkauf unter Abtretung der künftigen Kundenforderung erlaubt wird. Nach überwiegender Auffassung ist eine solche (Sicherungs-)Abtretung für den Kredit nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, weil sie den Vertragspartner bewusst zwingt künftige Verträge zu brechen, obwohl sie im Geschäftsleben üblich und notwendig sind, vgl. BGH vom 8.12.1998 - XI ZR 302/97 -, NJW 1999, 940; Oechsler, Rn. 593 f.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 213 ff. 535  Larenz, SchuldR AT, § 34 I, S. 578. 536  BGHZ 140, 175. 537  BGH vom 16.3.1983 - VIII ZR 22/82 -, NJW 1983, 1902, der bei einer Minderung des Schuldners im Zweifel von einer anteiligen Kürzung aller Teilforderungen ausgeht. 538  BGH vom 23.3.2004 - XI ZR 14/03 -, NJW-RR 2004, 1347, 1348 m. w. N. 539  Larenz, SchuldR AT, § 34 I, S. 578.

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Fortgesetzt wird der (wählbare)540 Schuldnerschutz unter anderem durch die Regelung in § 407 BGB. Nach Absatz eins muss der neue Gläubiger eine Leistung des Schuldners an den bisherigen Gläubiger wegen Unkenntnis über die Abtretung als Erfüllung hinnehmen. Dies gilt ebenso für Rechtsgeschäfte, die in Bezug auf die Forderung vorgenommen wurden. Hierzu zählen etwa Stundungen und Forderungserlasse.541 Für den Neugläubiger bleibt dann nur ein möglicher Anspruch gegen den Altgläubiger aus § 816 Abs. 2 BGB und gegebenenfalls aus Vertragsoder Deliktshaftung. Ein entsprechender Schutz wird dem Schuldner nach §§ 407 Abs. 2 BGB bei einem gerichtlichen Verfahren gewährt. Schließlich kommt es über § 408 BGB zur Ausdehnung des Schutzes auf Mehrfachabtretungen. Neben der Leistung erfasst der Schuldnerschutz zudem die Erfüllung durch Aufrechnung. Gem. § 406 BGB darf ein Schuldner bis auf Ausnahmen selbst eine Forderung gegen den Altgläubiger auch nach der Abtretung für eine Aufrechnung benutzen. Entsprechend der Regeln in §§ 404, 407 BGB ist die Aufrechnung allerdings unzulässig, soweit die Aktivforderung mit Kenntnis von dem Forderungswechsel erlangt wurde oder die Gegenforderung nach Kenntniserlangung und später als die abgetretene Forderung fällig wird, § 406 a. E. BGB. Diese Voraussetzungen hat die Rechtsprechung erweitert. Demgemäß reicht es sogar aus, dass zumindest der Rechtsgrund für die Gegenforderung zur Zeit der Abtretung oder der Kenntnis des Schuldners von ihr bestand, selbst wenn sich die Gegenforderung erst danach entwickelte.542 Einen differenzierten Schuldnerschutz bietet § 409 BGB. Während durch eine Abtretungsanzeige des Altgläubigers der schützenswerte Glaube des Schuldners an die ursprüngliche Rechtslage zerstört werden kann, muss sich der Gläubiger auch daran festhalten lassen, wenn sie nicht erfolgt oder unter einem Unwirksamkeitsgrund leidet.543 Der hiermit hervorgerufene Rechtsschein ist zudem lediglich durch Zustimmung des in der Bekanntgabe bezeichneten neuen Gläubigers aufhebbar, § 409 Abs. 2 BGB. Bei einer Weigerung des genannten Neugläubigers bleibt dem bisherigen Gläubiger nur dessen Inanspruchnahme auf Zustimmung.544 Eine weitere Komplettierung erfährt der Schutz mit der normierten Vorlagepflicht für die Abtretungsurkunde gem. § 410 BGB. Bei einem Verstoß hat der Schuldner ein 540  D. h. der Schuldner kann sich nach überwiegender Ansicht aussuchen, ob er den Schutz in Anspruch nimmt oder nicht, BGHZ 52, 150, 152 ff.; a. A. OLG Dresden vom 14.7.1994 - 5 U 117/94 -, MDR 1995, 559. 541 Jauernig/Stürner, § 407 BGB, Rn. 2 mit weiteren Beispielen. 542  BGH vom 12.6.1961 - VII ZR 63/60 -, JZ 1962, 92; BGHZ 58, 327, 330 f. 543 Zum Teil wird zusätzlich entsprechend §§ 407 f. BGB eine Gutgläubigkeit des Schuldners gefordert, Brox/Walker, SchuldR AT, § 34, Rn. 31; a. A. BGHZ 29, 76, 82 m. w. N.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1223; einschränkend Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 825 m. w. N., der ohne Beweisschwierigkeiten des Schuldners den Schutz versagt. 544  Anspruchsgrundlage wird dabei der zwischen Alt- und Neugläubiger geschlossene Vertrag oder zumindest ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung sein, Brox/Walker, SchuldR AT, § 34, Rn. 31.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Leistungsverweigerungsrecht.545 Eine Kündigung oder Mahnung des neuen Gläubigers wird sogar bei hierauf gestützter Zurückweisung unwirksam, § 410 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Vorschrift korrespondiert mit dem Anspruch des Neugläubigers gegenüber dem Altgläubiger auf Ausstellung einer öffentlich beglaubigten Urkunde über die Abtretung gem. § 403 BGB. Besonderheiten gelten nach § 411 BGB für bestimmte Gehaltsabtretungen. Neben dem Übergang der Forderung führt entsprechend § 401 Abs. 1 BGB die Abtretung zu einer Übertragung aller akzessorischen Sicherungsrechte.546 Dies gilt ebenso für Vorzugsrechte in der Zwangsvollstreckung und dem Insolvenzverfahren, § 401 Abs. 2 BGB. Wegen der Vertrauensstellung des Sicherungsnehmers verbietet sich in der Regel eine entsprechende Anwendung des § 401 BGB auf Sicherungsrechte, wie Sicherungsgrundschuld, -eigentum, -zession und Eigentumsvorbehalt. Durch Auslegung muss jedoch im Einzelfall ermittelt werden, ob eine Verpflichtung des Altgläubigers zur Übertragung im Kausalverhältnis besteht und der Sicherungsvertrag mit dem Sicherungsgeber die Berechtigung dazu legitimiert.547 Im vorliegenden Zusammenhang wird auch der Übergang von unselbstständigen Hilfs- und Gestaltungsrechten, wie etwa Auskunftsansprüchen, Kündigungs- und Wahlrechten, in Erwägung gezogen. Ist eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Altgläubigers zu befürchten, erscheint eine gemeinschaftliche Ausübungsbefugnis bzw. ein Zustimmungsbedürfnis vorzugswürdig. Ein vollständiger Übergang wurde in der Rechtsprechung zum Beispiel bei einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung iSd. § 326 a. F. BGB bejaht und beim Rücktritt verneint.548 Schadensersatzansprüche gebühren grundsätzlich der Person, bei der der Schaden eintrat.549 Schließlich hat der Neugläubiger gegen den bisherigen Gläubiger gem. § 402 BGB einen Anspruch auf Auskunft und Aushändigung von Nachweisen. Neben den gesetzlich normierten Pflichten für die Abtretung in den §§ 398 ff. BGB können die Beteiligten zudem welche in den zwischen ihnen bestehenden Schuldverhältnissen begründen. Das Reichsgericht hat etwa aus dem Kausalverhältnis zwischen Alt- und Neugläubiger eine Unterlassungsverpflichtung des Zedenten gegenüber allem hergeleitet, was dem Neugläubiger die Einziehung der Forderung unmöglich machen würde.550 545  Nach der Rechtsprechung des BGH begründet § 410 Abs. 1 BGB nur ein Zurückbehaltungsrecht und keinen Gegenanspruch oder ein Leistungsverweigerungsrecht iSd. § 273 BGB, vgl. BGH vom 24.11.2006 - LwZR 6/05 -, NJW 2007, 1269, 1271 m. w. N. 546 Jauernig/Stürner, § 401 BGB, Rn. 2 mit weiteren Beispielen. 547  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 803. 548  BGH vom 21.6.1985 - V ZR 134/84 -, NJW 1985, 2640, 2641 f.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 785 m. w. N. 549  Larenz, SchuldR AT, § 34 I, S. 578, 583. 550  RGZ 11, 301, 302; 112, 373, 376.

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3. Vertragsübernahme a) Grundlegendes Neben der Übernahme von einzelnen Rechten und Pflichten gibt es zudem die Möglichkeit, dass eine Vertragspartei durch einen Dritten ausgetauscht wird und im Übrigen die Verpflichtungen unverändert erhalten bleiben. Hierzu kommt es in der Praxis beispielsweise, wenn der Pächter einer Gaststätte sich zur Ruhe setzt und der Nachfolger in dessen ursprünglichen Bierlieferungsvertrag als neuer Abnehmer eintreten will.551 Für den Austausch eines Vertragspartners besteht vor allem wegen des Bestandsinteresses der übrigen Beteiligten ein besonderes Bedürfnis bei Dauerschuldverhältnissen. Diese Rechtsform hat dagegen in Form eines allgemeinen Rechtsinstituts im BGB keine Regelung erfahren. Überwiegend wird die Zulässigkeit der Vertragsübernahme jedoch als einheitliches Rechtsgeschäft auf der Grundlage der Privatautonomie anerkannt bzw. bei Übertragungen für bestimmte Verträge sogar gesetzlich angeordnet, vgl. §§ 566, 613a BGB.552 b) Voraussetzungen Eine allgemeine Vertragsübernahme kann grundsätzlich mit einem einheitlichen Vertrag zwischen allen bisherigen und zukünftigen Beteiligten oder alternativ aufgrund einer Vereinbarung der ursprünglichen mit der neuen Partei, der die verbleibenden Vertragspartner zustimmen, zustande kommen.553 Damit unterscheidet sich die allgemeine Vertragsübernahme durch die erforderliche Zustimmung von allen Beteiligten von den gesetzlich angeordneten Fällen, wie etwa in § 566 Abs. 2 BGB. Inhaltlich muss der Umfang einer allgemeinen Vertragsübernahme durch Auslegung gem. §§ 133, 157, 242 BGB ermittelt werden. Hierzu gehört ebenso, ob der Erwerber die Forderungen und Verbindlichkeiten nur für die Zukunft oder auch aus der Vergangenheit übernehmen will. Eine allgemeine Vermutung für Zweifelsfälle gibt es nicht.554 Selbst die gesetzlichen Spezialtypen reichen von einer vollständigen Übernahme (auch für Verpflichtungen aus der Vergangenheit), wie in § 613a BGB, bis hin zu einer beschränkten Form, wie in § 571 BGB. Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 181, 189 f. mit weiteren Beispielen. Brox/Walker, SchuldR AT, § 35, Rn. 6; Larenz, SchuldR AT, § 35 III, S. 617; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1251 f.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 845. 553  BGHZ 95, 88, 93 f. m. w. N., mit dem Hinweis, dass in der Vergangenheit zum Teil eine Vertragsübernahme nur durch Aufhebung des alten Vertrages und Abschluss eines neuen Vertrages für möglich gehalten wurde. Grundsätzlich ist jedoch der Einstieg in einen bestehenden Vertrag von einem Neuabschluss wegen der dadurch hervorgerufenen unterschiedlichen Rechtsfolgen zu unterscheiden, vgl. Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 181, 184 ff. Die Zustimmung kann dabei sowohl als Einwilligung als auch als Genehmigung erteilt werden, vgl. Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 181, 191 ff. 554  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 845; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 203; a. A. Larenz, SchuldR AT, § 35 III, S. 618. 551 

552 

184

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Dogmatisch sind bei einer Vertragsübernahme grundsätzlich drei Rechtsgeschäfte zu unterscheiden. Zum einen der zur Übertragung vorgesehene Hauptvertrag, dann die verfügende Übernahmevereinbarung und schließlich das Kausalgeschäft, welches die Verpflichtung zum Parteiwechsel enthält.555 c) Rechtsfolgen Mit einer wirksamen Vertragsübernahme tritt der Dritte an die Stelle der bisherigen Vertragspartei.556 Dies führt zu einer Übernahme aller Rechte und Pflichten des Schuldverhältnisses durch die eintretende Partei.557 Herrschen Unklarheiten bezüglich des Umfangs, muss im Zweifel auf die Umstände beim ursprünglichen Vertragsabschluss abgestellt werden.558 Damit kommt es im Ergebnis zu einem gleichzeitigen Gläubiger- und Schuldnerwechsel.559 Im Gegensatz zu kumulierten (Einzel-)Abtretungen und spezifischen Schuldübernahmen beschränkt sich dieses einheitliche Rechtsgeschäft nicht auf bestimmte Forderungen (und Verbindlichkeiten). Vielmehr erfolgt die Übertragung vollumfänglich, sodass auch Gestaltungsrechte ohne besondere Vereinbarung auf den neuen Vertragspartner übergehen.560 Wurde allerdings eine zukünftige Forderung vom ursprünglichen Beteiligten im Voraus abgetreten, die erst nach Vertragsübernahme entstände, so geht die Vorausabtretung wegen des Inhaberwechsels, wie bei einer Vertragsbeendigung, ins Leere.561 Mit der Vertragsübernahme ist grundsätzlich keine Änderung der Vertragsposition infolge des Personentausches verbunden.562 Dennoch können auch in dem Fall die verschiedenen Interessen der einzelnen Beteiligten durch Einwendungen gestört werden. Hierbei bedarf es wiederum der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Rechtsverhältnissen563 und den Umständen des Einzelfalls. Während bei den gesetzlichen Vertragsübergängen zumindest eine teilweise Regelung etwa durch eine Mithaftung (§§ 566 Abs. 2 S. 1; 613a Abs. 2 BGB) und eine Widerspruchsmöglichkeit (§ 613a Abs. 6 S. 1 BGB) erfolgt, besteht in den übrigen Fällen bei Zweifeln die Möglichkeit, auf ähnliche Konstellationen zurückzugreifen. Vorrangig sind daher die Institute der Abtretung §§ 398 ff. BGB und Schuldübernahme §§ 414 ff. BGB unter Beachtung der beabsichtigten einheitlichen Übertragung

555 Staudinger/Rieble,

§ 414 BGB, Rn. 108. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1169. 557  BGHZ 95, 88, 93. 558  Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 205. 559 Vgl. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 826. 560  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1250; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 207 ff. 561  BGH vom 7.3.1973 - VIII ZR 204/71 -, WM 1973, 489; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 212 f. m. w. N. 562  Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 210 f. 563 Vgl. Larenz, SchuldR AT, § 35 III, S. 618. 556 

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

185

maßgeblich.564 Neben der Berücksichtigung der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse mit den einzelnen Personen, zählen zu den Umständen des Einzelfalls beispielsweise, ob der Eintritt nur zukünftige Wirkung haben sollte oder die Einwendungen auf persönliche Verhältnisse abstellen.565 Wegen der Zustimmung von allen alten und neuen Vertragspartnern zur Vertragsübernahme bekommt der Schutz der Unbeteiligten einen großen Stellenwert. Jedoch wird auch in dem Fall etwa der Erlöschungsgrund für Sicherungs- und Vorzugsrechte nach § 418 BGB angewendet, da wegen der Auswechslung des Schuldners ein erhöhtes Schutzbedürfnis des Sicherungsgebers herrscht.566 In der umgekehrten Konstellation auf Gläubigerseite kommt allerdings § 401 BGB zur Anwendung. Der Grund liegt darin, dass der Vertragsübernehmer das gleiche Sicherungsbedürfnis hat und der Sicherungsgeber keine Benachteiligung erleidet.567 Die Beteiligung mehrerer Personen hat ebenfalls bei Auseinandersetzungen im internen Verhältnis Konsequenzen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist beispielsweise für eine wirksame Anfechtung des Übernahmevertrages durch den neuen Partner eine Erklärung gegenüber dem Vertragsgegner und dem ausgeschiedenen Vertragspartner nötig.568 Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Vertragsübertragung infolge einer Zustimmung oder durch gleichzeitige Beteiligung aller Parteien zustande kam.569 Anders verhält es sich hingegen bei Auseinandersetzungen mit dem übernommenen Vertrag. Hier bedarf es keiner Einbeziehung der ausgeschiedenen Person.570 Zudem können zwischen den Beteiligten Mitwirkungspflichten entstehen, etwa aufgrund einer Vereinbarung oder des Rechtsverhältnisses. Vereinbaren zwei Personen die Vertragsübernahme, haben beide Parteien auf die Genehmigung des Dritten hinzuwirken.571 Als Ausgleich zum fehlenden Mitwirkungserfordernis des verbleibenden Vertragspartners bei einer gesetzlich angeordneten Vertragsübernahme wird diesem in der Regel eine Widerspruchs- oder Beendigungsmöglichkeit zugestanden, vgl.

564  So zumindest im Ergebnis Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 210 ff.; Staudinger/Rieble, § 414 BGB, Rn. 130 ff. jeweils mit konkreten Beispielen für Einreden. Wegen der Übertragung als Einheit wird im Zweifel eine Erfüllungsübernahme bei Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts nicht anzunehmen sein, Larenz, SchuldR AT, § 35 III, S. 618. 565 Vgl. Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 210 f. 566  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1252. 567  BGHZ 95, 88, 96. 568  BGHZ 96, 302; a. A. Dörner, NJW 1986, 2916, der die Konstellation mit der Schuld­ übernahme vergleicht und damit zu einer ausreichenden Anfechtung gegenüber dem ursprünglichen Vertragspartner kommt. 569  Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 198 f. 570  Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 216. 571  Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 195 f.

186

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

§ 613a Abs. 6 BGB. Wegen der Einschränkung der freien Vertragswahl sind im Übrigen die gesetzlichen Spezialvorschriften möglichst eng auszulegen.572 4. Netzwerkbezug Auch die Schuldübernahme, die Forderungsübertragung und die Vertragsübernahme können netzwerkorientierte Verhaltensweisen im rechtlichen Bereich berücksichtigen. Neben der ursprünglichen und nachträglichen Begründung von Personenmehrheiten auf einer Vertragsseite werden die Gestaltungsmöglichkeiten mit der teilweisen und vollständigen Auswechslung von Beteiligten zusätzlich ausgeweitet. Während bei der Schuldübernahme und der Abtretung bestimmte Verbindungsbestandteile von einem Akteur zu einem anderen wechseln, kommt es bei der Vertragsübernahme zu einer umfassenden Änderung. Netzwerktechnisch bleiben die Verbindungen bei dem teilweisen Austausch für die übrigen Vertragsrechte und -verpflichtungen zu dem bisherigen Vertragspartner bestehen. Dies führt zu mehrpoligen Verbindungsgeflechten und vielfach daraus folgend zu einer Einschränkung bei der Wahrnehmung von Gestaltungsrechten, die den Bestand der Rechtsverbindung beeinträchtigen. Will der neue Forderungsinhaber dagegen ein solches Gestaltungsrecht ausüben, gilt er unter Umständen gegenüber dem Berechtigten als befugt, eine Mitwirkung geltend zu machen. Dieser Anspruch kann unmittelbar aus der Rechtsverbindung zwischen dem ursprünglichen und neuen Forderungsinhaber folgen. Netzwerkspezifisch bemerkenswert ist zudem die Möglichkeit der Vorausabtretung. Hier wird über Bestandteile von fremden Verbindungen verfügt, für die noch nicht einmal ein Rechtsgrund zur Entstehung gelangte. Die in solchen Fällen fehlende bzw. unvollständige Verbindung führt jedoch dazu, dass die Verfügung erst mit dem Entstehen der Forderung wirksam wird. Gewisse verbindungs- und vertrauensbedingte Nachwirkungen rufen zudem den Schuldnerschutz im Bereich der Abtretung hervor. Während eine gültig abgetretene Forderung grundsätzlich einer anderen Personenbeziehung zugeordnet wird, kann beispielsweise über § 407 Abs. 1 BGB der nichtberechtigte, ursprüngliche Forderungsinhaber sie mit Wirkung gegen den gutgläubigen Schuldner nachträglich erlassen oder von diesem Leistungen vereinnahmen. Sofern die Voraussetzungen für den Schuldnerschutz gegeben sind, muss sich der Forderungsinhaber auf Ansprüche gegen den tatsächlichen Empfänger beschränken. Unabhängig von den Schutzvorschriften gebietet allerdings regelmäßig die Verbindung zwischen Alt- und Neugläubiger dem Zedenten, eine Beeinträchtigung der Forderung zu unterlassen. Dies entspricht auch dem Handlungsgebot innerhalb eines erfolgreichen Netzwerkes im Bereich der Wirtschaftswissenschaften, das egoistische Verhaltensweisen untersagt. Schließlich bedarf es in dem Kontext noch des Hinweises auf die rechtlich unzulässige Überdeckung von manchen Verbindungen. Treffen etwa eine unbeschränkte Globalabtretung aus einer Verbindung zwischen Bank und Unternehmer mit 572 

Nörr/Scheyhing/Pöggeler, S. 201 f.

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

187

einem verlängerten Eigentumsvorbehalt des Lieferanten mit dem Unternehmer bezüglich einer Kundenforderung zusammen, ist erstere weniger schutzwürdig und unwirksam. Hiermit soll infolge des Prioritätsgrundsatzes eine faktische Pauschalabschirmung des Herstellers vor weiteren verbindungsbasierten notwendigen und branchenüblichen Abtretungen abgewendet werden.573 Eine geringere rechtliche Komplexität existiert dagegen bei einer Vertragsübernahme zum bisherigen Vertragspartner. Wegen des vollständigen Ausscheidens kommt es regelmäßig zu einer umfassenden Rechtsübertragung des gegenständlichen Vertrages, die selbst für die Geltendmachung von Gestaltungsrechten eine Mitwirkung des ursprünglichen Vertragspartners nicht mehr erforderlich macht. Anders verhält es sich dagegen bei der Rückabwicklung. Somit besteht auch für die Rechtsinstitute der Schuld-, Forderungs- und Vertragsübernahme eine Relevanz für netzwerkorientiertes Verhalten.

V.  Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 1. Grundlagen Zu den Rechtsformen mit einem Drittbezug zählt weiterhin der sogenannte Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bzw. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Dieser stellt jedoch keinen unabhängigen Vertragstyp dar, wie der Kaufoder Werkvertrag. Vielmehr muss er als Annex zu allen vertraglichen Beziehungen im Zusammenhang mit der Beteiligung von Dritten verstanden werden. Generell ist jedes Schuldverhältnis eine Verbindung mit bestimmten – in der Regel zwei – Personen. Zwischen Vertragspartnern bestehen zudem Leistungsund Schutzpflichten iSd. § 241 BGB. Außenstehende sind dagegen prinzipiell von jeglichen (vor-)vertraglichen Ansprüchen ausgeschlossen. Ihr Schutz beschränkt sich auf das Deliktsrecht. Da deliktische Ansprüche jedoch einige Schwächen aufweisen574 und manche außenstehenden Personen zum Teil in engerer Verbindung zu den Vertragspartnern stehen als gewöhnliche Unbeteiligte, sollen diese von dem höheren Schutzniveau nicht völlig ausgeschlossen bleiben. Dementsprechend haben die Rechtsprechung und die Literatur das Institut Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte entwickelt. Es gilt als partielle Durchbrechung des relativen Vertrags­ charakters für bestimmte außenstehende Personen mit einer gewissen Nähe zu den Vertragspartnern. Unter anderem wurde infolgedessen den Beteiligten des Vertrages auch gegenüber diesen Akteuren die Einhaltung aller nichtleistungsbezogener Nebenpflichten auferlegt und vertragliche Schadensersatzansprüche im Fall

573 MünchKomm/Roth/Kieninger,

§ 398 BGB, Rn. 140 ff. der Zurechnung von fremdem Verschulden (§ 278 BGB) ist damit vor allem die Ersatzpflicht für bestimmte Rechtsgüter in § 823 Abs. 1 BGB sowie die unterschiedliche Beweislastverteilung in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auf der einen und § 823 BGB auf der anderen Seite gemeint. 574  Neben

188

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

der Missachtung gewährt. Eine Pflicht zur Leistung entsteht hierdurch allerdings nicht.575 Einer eindeutigen Rechtsgrundlage ist der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte nicht zuzuordnen. Während anfänglich das Rechtsinstitut auf eine Rechtsfortbildung von § 328 BGB gestützt wurde, lehnen dies heute viele wegen des fehlenden Erfüllungsanspruchs im Vergleich zum Vertrag zugunsten Dritter überwiegend ab. Zum Teil werden die Schutzpflichten für die Dritten aus einer ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB hergeleitet. Hierdurch will die Rechtsprechung vor allem eine Ersatzpflicht des anderen Vertragspartners wegen Schutzund Fürsorgeverpflichtungen gegenüber dem Geschädigten vermeiden.576 Einige sehen die Rechtsgrundlage auch einfach im Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB.577 Streit herrscht ferner darüber, ob der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsreform in § 311 Abs. 3 S. 1 BGB eine gesetzliche Anerkennung dieses Instituts normieren wollte. In jedem Fall unterliegt es jedoch einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung.578 2. Voraussetzungen Wie oben schon angedeutet, kann nicht jeder Dritte in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen werden. Aus gutem Grund differenziert das Gesetz zwischen unmittelbaren und mittelbaren Geschädigten. Jeder Vertragspartei soll es bei Abschluss des Vertrages möglich sein, ihr damit verbundenes Risiko zumutbar einzuschätzen und es verantwortungsvoll kalkulieren zu können. Folglich darf eine Haftungsausdehnung nur in engen Grenzen erfolgen.579 a) Leistungsnähe Der Dritte muss sich bestimmungsgemäß in der Nähe der Leistungserbringung befinden und daher mit den Gefahren genauso intensiv in Berührung kommen wie der Gläubiger selbst. Weil im vorvertraglichen Bereich keine Leistung im engeren Sinne stattfindet, sprechen viele vor dem Hintergrund auch von Einwirkungsnähe.580 Erforderlich ist folglich zumindest eine beabsichtigte Berührung mit der 575  BGH vom 2.7.1996 - X ZR 104/94 -, NJW 1996, 2927; Brox/Walker, SchuldR AT, § 33, Rn. 1 ff. 576 Vgl. BGH vom 15.5.1959 - VI ZR 109/58 -, NJW 1959, 1676, 1677. 577  Mit kritischer Auseindersetzung vor dem Hintergrund der Auskunftshaftung Oechsler, Rn. 1321 ff. 578  BGHZ 66, 51, 56 f. m. w. N.; BGH vom 18.6.1968 - VI ZR 120/67 -, NJW 1968, 1929, 1931; vom 2.11.1983 - IV a ZR 20/82 -, NJW 1984, 355, 356; Larenz, SchuldR AT, S. 224 ff.; MünchKomm/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 168 ff. m. w. N.; Palandt/Grüneberg, § 328 BGB, Rn. 14; Soergel/Hadding, Anh. zu § 328 BGB, Rn. 2 ff.; Weiler, § 35, Rn. 5 m. w. N. 579  BGH vom 18.6.1968 - VI ZR 120/67 -, NJW 1968, 1929, 1931. 580  Weiler, § 35, Rn. 9.

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

189

Hauptleistung im vorvertraglichen Bereich. Ein zufälliger Kontakt genügt hingegen nicht. Um die gesetzliche Unterscheidung von deliktischen und vertraglichen Ansprüchen nicht völlig zu verwischen, soll somit der einbezogene Personenkreis eng und überschaubar gehalten werden.581 Aus dem Grund hat die Rechtsprechung eine Einbeziehung bei Angehörigen des Mieters, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, bejaht582 und bei Gästen des Mieters verneint583.584 Weiterhin wurde sie etwa bei Arbeitnehmern und sonstigen Hilfspersonen des Mieters angenommen, die nach dem Mietvertrag bestimmungsgemäß am Gebrauch der Mietsache partizipieren bzw. ihn anstelle des Mieters für diesen ausüben.585 Allerdings fehlt es zwei Auftragsgebern in der Regel an der Leistungsnähe, wenn diese mit einem Werkunternehmer jeweils unabhängig voneinander Geschäfte machen und bei der Erstellung die beiden Werke miteinander schädlich in Kontakt geraten. Die Besteller kommen mit der Hauptleistungspflicht des anderen, die in der Zahlung des Werklohnes besteht, nicht bestimmungsgemäß in Berührung.586 b)  Schutzinteresse des Gläubigers Weiterhin muss der Gläubiger ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten haben. Ursprünglich wurde dieses Merkmal in der Rechtsprechung bejaht, wenn der Gläubiger dem Dritten zu Schutz und Fürsorge verpflichtet war. In den Urteilen schrieben die Gerichte wörtlich von einer Mitverantwortlichkeit für „Wohl und Wehe“, die bei Innenverhältnissen mit personenrechtlichem Einschlag gegeben sein sollte.587 Regelmäßig bejahte dies die Rechtsprechung bei Verhältnissen mit einer familienrechtlichen Fürsorgepflicht des Gläubigers gegenüber einem Dritten, wie bei Eltern-Kind-Verhältnissen, und arbeits-588 sowie mietrechtlichen Beziehungen.589 Nunmehr fasst die herrschende Auffassung den Anwendungsbereich weiter und es wird vor allem überwiegend auf die Nähebeziehung mit persönlichem Einschlag verzichtet.590 Neben den Verpflichtungen des Gläubigers zur Fürsorge und zum Schutz gegenüber dem Dritten soll ein derartiges Schutzinteresse ferner vorliegen, wenn die im Vertrag versprochene Leistung die Rechtsgüter eines Dritten berührt sowie deren Wahrung und Schutz dieser von seinem Vertragspartner in

Brox/Walker, SchuldR AT, § 33, Rn. 8; Soergel/Hadding, Anh. zu § 328 BGB, Rn. 14. BGHZ 77, 116, 124 m. w. N.; Oechsler, Rn. 826. 583  BGHZ 2, 94, 97. 584 MünchKomm/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 181 mit weiteren Beispielen. 585  BGHZ 49, 278; 61, 227, 233. 586  BGH vom 2.7.1996 - X ZR 104/94 -, NJW 1996, 2927, 2929. 587  BGHZ 51, 91, 96; 56, 269, 273. 588 Im dienst- und arbeitsrechtlichen Zusammenhang wird für die Fürsorgepflicht § 618 BGB herangezogen, vgl. BGHZ 56, 269, 272 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 869. 589 Bamberger/Roth/Janoschek, § 328 BGB, Rn. 52; Weiler, § 35, Rn. 10 m. w. N. 590  BGH vom 2.7.1996 - X ZR 104/94 -, NJW 1996, 2927 m. w. N. 581 

582 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

besonderem Maße erwarten darf.591 Kein Hinderungsgrund erwächst in dem Zusammenhang, falls sich die Interessen des Dritten mit denen des Gläubigers gegenläufig bewegen, wie bei einem Käufer und Verkäufer. Hierzu kommt es vor allem bei Sachverständigengutachten, wenn das Gutachten etwa von einer Kaufvertragspartei in Auftrag gegeben wurde und es später alle Parteien zur Grundlage der Kaufentscheidung gemacht haben. Vor dem Hintergrund sind ebenfalls die nicht auftraggebenden Beteiligten des Kaufvertrages in den Schutzbereich des Gutachtervertrages aufgenommen.592 Ein Interesse an der Einbeziehung wurde zudem von der Rechtsprechung zwischen Erblasser und potentiellen Erben bejaht, wenn der Erblasser einen Rechtsanwalt mit der Errichtung eines Testaments betraut.593 c)  Erkennbarkeit für den Schuldner Weiterhin müssen die Leistungsnähe des Dritten und das Schutzinteresse des Gläubigers für den Schuldner bei Entstehung des Schuldverhältnisses erkennbar sein.594 Hierfür reicht eine Abgrenzbarkeit des geschützten Personenkreises nach allgemeinen Kriterien für den Schuldner aus, um das Risiko besser einschätzen zu können. Die konkrete Person braucht ihm allerdings nicht vertraut zu sein. Damit soll dem Schuldner die Gelegenheit gegeben werden, von der Verbindung zum Gläubiger Abstand zu nehmen bzw. sich gegen potentielle Risiken zu versichern.595 Vor allem für die Personen, die in dem Rechtsinstitut Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte einen vertraglichen Ursprung sehen, hat diese Voraussetzung Bedeutung. Zum Teil wird nämlich sogar von der Rechtsprechung neben der Erkennbarkeit die Einbeziehung der vorgenannten Voraussetzungen in den billigenden Vertragswillen des Schuldners gefordert.596 Der wesentliche Grund liegt hierfür darin, dass eine Vertragseinigung nur über die für beide Vertragspartner erkennbaren Umstände erfolgt. Eine geringere Bedeutung erlangt dieser Punkt, wenn das Konstrukt als Gewohnheitsrecht, Ausfluss des Vertrauensprinzips oder gesetzliches Schuldverhältnis angesehen wird, denn dann ist zumindest der Umfang der Schutzpflichten weniger zentral von der aktuellen Einigung zwischen den Parteien abhängig. Besondere Relevanz kommt diesem Unterschied in der vorvertraglichen Phase zu, wenn etwa das fünfjährige Kind bei der gemeinsamen Warenbegutachtung mit der Mutter im Einkaufsmarkt auf einem Salatblatt ausrutscht und dabei Verletzungen erleidet. Weil in dieser Zeit noch keine klassische Vertragseinigung stattgefunden hat, bereitet die Erkennbarkeit und Aufnahme in den billigenden BGH vom 17.9.2002 - X ZR 237/01 -, NJW 2002, 3625, 3626. 127, 378; Bayer, JuS 1996, 473, 477; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 871 m. w. N. und Beispielen. 593 Vgl. BGH vom 6.7.1965 - VI ZR 47/64 -, NJW 1965, 1955; Weiler, § 35, Rn. 11. 594  BGHZ 75, 321, 323; BGH vom 10.5.1984 - I ZR 52/82 -, NJW 1985, 2411. 595  BGH vom 20.4.2004 - X ZR 250/02 -, NJW 2004, 3035, 3038; Brox/Walker, SchuldR AT, § 33, Rn. 11; Weiler, § 35, Rn. 13. 596  BGH vom 10.5.1984 - I ZR 52/82 -, NJW 1985, 2411. 591 

592  BGHZ

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

191

Vertragswillen Probleme.597 Trotzdem empfindet die ganz überwiegende Auffassung die vertragliche Haftung unter Heranziehung des Vertrages mit Schutzwirkungen für Dritte allgemein für richtig, weil Mängel des Deliktsrechts beseitigt und zufällige Ergebnisse vermieden werden.598 d)  Schutzbedürftigkeit des Dritten Schließlich muss für die Ausweitung eine Schutzbedürftigkeit des Dritten bestehen. Diese entfällt, wenn der Dritte selbst einen eigenen vertraglichen Anspruch mit vergleichbarem Inhalt gegen den Schädiger oder andere Personen besitzt. Hat der andere Anspruch allerdings abweichende Voraussetzungen oder ist in sonstiger Hinsicht – auch bezüglich der Rechtsfolgen – nicht vergleichbar, bleibt es bei dem Bedürfnis nach Erweiterung.599 Ein deliktischer Anspruch reicht beispielsweise ebenso wenig aus wie ein Anspruch aus Prospekthaftung.600 3. Rechtsfolge Sind die Voraussetzungen für den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gegeben, entsteht neben dem vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnis mit den ursprünglichen Beteiligten ein weiteres vertragsähnliches bzw. gesetzliches601 Schuldverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Dritten.602 Aus diesem zusätzlichen Verhältnis erwachsen den Beteiligten verschiedene Rechte und Pflichten. Hierzu gehören nach allgemeinem Verständnis in jedem Fall die Schutzpflichten iSd. § 241 Abs. 2 BGB. Erleidet der Dritte durch die Verletzung dieser Pflichten Körper- bzw. Sachschäden, sind sie zu ersetzen. Die Ersatzpflicht folgt vertraglichen Grundsätzen gem. § 280 Abs. 1 BGB. Hierbei ist vor allem die Verschuldenszurechnung über § 278 BGB möglich. Die Entlastungsmöglichkeit nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB scheidet dagegen aus. Neben den allgemeinen Schutzpflichten erfasst dies zudem unter Umständen Hauptleistungspflichten. Werden diese verletzt, hat der Dritte jedoch keinen Erfüllungsanspruch.603 Vielmehr beinhaltet die Ausgleichspflicht in solchen Fällen Schadensersatz statt der Leistung. Insoweit besteht kein entscheidender Unterschied gegenüber dem Umfang der Ersatzpflicht im Rahmen der culpa in contrahendo und einem Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht. So muss etwa ein Rechtsanwalt bei schuldhaft unterlassener Testamentserrichtung den theoretischen Erben auf Erfüllung haften.604 Das gleiche gilt 597 

Vgl. BGHZ 66, 51, 58. Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 864 f. m. w. N. 599  BGH vom 8.6.2004 - X ZR 283/02 -, BB 2004, 2180, 2181. 600  Brox/Walker, SchuldR AT, § 33, Rn. 12; Palandt/Grüneberg, § 328 BGB, Rn. 18. 601  Weiler, § 35, Rn. 15. 602  Brox/Walker, SchuldR AT, § 33, Rn. 13. 603  Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 864. 604  BGH vom 6.7.1965 - VI ZR 47/64 -, NJW 1965, 1955, 1957. 598 Vgl.

192

2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

für einen Sachverständigen gegenüber dem Käufer, wenn das für den Verkäufer erstellte Gutachten erkennbar zur Grundlage der Kaufentscheidung gemacht werden sollte.605 Manche erheben jedoch gegen die Ausweitung auf die Leistungspflichten Bedenken. Kern der Kritik bildet die Überlegung, dass derjenige, der keinen eigenen Erfüllungsanspruch besitze, auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung haben soll. Beide Ansprüche seien unmittelbar verbunden.606 Ferner bedarf es der Berücksichtigung, dass die Rechte des Dritten grundsätzlich nicht weiter gehen als die des unmittelbaren Vertragspartners.607 Ebenso muss sich der Dritte ein Mitverschulden des Vertragspartners gegenüber dem Schädiger gem. § 254 BGB entgegenhalten lassen. Hierbei findet die Zurechnung unabhängig davon statt, ob der Vertragspartner als gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Dritten iSd. § 278 BGB gilt.608 Genauso wird es bei vertraglichen Freizeichnungen gehandhabt.609 Die Position begründet die Einschränkung maßgeblich mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB und § 334 BGB. Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte stelle einen aus dem Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger abgeleiteten Vertrag dar, sodass das Ursprungsverhältnis bezüglich des Inhaltes und des Umfanges maßgeblich sei. Zudem können selbst bei einem Vertrag zugunsten Dritter die Vertragspflichten einschließlich der Haftung im Rahmen der Gesetze frei definiert und auch gegenüber dem Dritten eingewandt werden, § 334 BGB.610 Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Parteien eine andere Abrede treffen oder aus der Natur des Vertrages diese Kopplung unbillig erscheint.611 Gerade im Rahmen von Gutachten messen die Beteiligten den Angaben des Sachverständigen regelmäßig größeres Gewicht bei als denen des Vertragspartners selbst. Aus dem Grund lehnt der BGH einen derartigen Gleichlauf in diesem Bereich ab.612 Die Übertragung der Einwendungen ist jedoch nicht unkritisch geblieben. Vor allem im Zusammenhang mit Schutzpflichten verneinen einige den Rechtsgedanken aus § 334 BGB. In seinem unmittelbaren Anwendungsbereich betreffe § 334 BGB den Leistungsanspruch des Dritten, der mit den Einwendungen aus dem Verhältnis Gläubiger und Schuldner in unmittelbarer Beziehung stehe. Die Schutzpflichten seien dagegen nicht umfasst.613

605 

BGHZ 127, 378. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 172 f. 607  Vgl. BGHZ 33, 247. 608  BGH vom 23.6.1965 - VIII ZR 201/63 -, NJW 1965, 1757, 1759. 609  BGHZ 56, 269, 272. 610  BGHZ 56, 269, 273 f.; Weiler, § 35, Rn. 16 m. w. N. 611  Ebenso im Rahmen des echten Vertrages zugunsten Dritter, vgl. BGHZ 93, 271, 275 f. 612  BGHZ 127, 378, 385 ff. 613  Berg, JuS 1977, 363, 367; Denck, JuS 1976, 429, 430; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 171. Da zahlreiche Pflichten eine Doppelnatur hätten und damit Leistungs- als auch 606 

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

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Beim Ausschluss von Schutzpflichten findet weiterhin der Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung Berücksichtigung. Die Unabdingbarkeit von den Schutzverpflichtungen für Arbeitnehmer hat die Rechtsprechung beispielsweise aus §§ 618 f. BGB hergeleitet, sodass eine übertragene Beschränkung aus dem Verhältnis von Werkunternehmer und Besteller unzulässig war. Dagegen wurde die entsprechende Anwendung auf einen anstatt des Arbeitnehmers tätigen Subunternehmer wegen eines wirksamen Ausschlusses abgelehnt. In dem Fall könne die nachgeordnete Person frei auf die Vertragsgestaltung Einfluss nehmen und die sozialpolitischen Gründe der Norm seien damit bei Unternehmern nicht erfüllt.614 Aufgrund der Erweiterung entstehen mitunter auch Auswirkungen auf deliktische Ansprüche. Prinzipiell soll die Rechtsstellung des Dritten allerdings durch die Einbeziehung in den vertraglichen Schutzbereich keine Beeinträchtigung erfahren. Aus dem Grund finden vertragliche Haftungsbeschränkungen zwischen Gläubiger und Schuldner auf deliktische Ansprüche des Dritten regelmäßig keine Anwendung.615 Vielmehr kommt eine Zurechnung in dem Bereich nur nach den allgemeinen Regeln infrage. Dies erfolgt etwa, wenn der Gläubiger als gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe die Voraussetzungen der §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB erfüllt.616 Andererseits kann die Einbeziehung des Dritten zur Übernahme von Einreden gegen deliktische Ansprüche des Schuldners berechtigen.617 4. Netzwerkbezug Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte berücksichtigt bei der Haftung vor allem nähere (soziale) Beziehungen. Trotz originärer Verbindung zu einem einzelnen Vertragspartner können weitere Personen vielfach dieselben Pflichten gegenüber dem Schuldner einfordern, ohne dass dieser sie ausgewählt haben oder konkret kennen muss. Allein durch qualifizierte Verbindungen zwischen Gläubiger und Dritten sowie der allgemeinen Kenntnis des Schuldners kommen Schuldverhältnisse automatisch, d. h. ohne klassisches Angebot und Annahme, mit letzterem zustande. Hierdurch wird im Recht bestehenden netzwerkartigen Verbindungen Rechnung getragen. Auch dieses Rechtsinstitut berücksichtigt den Umstand der Beteiligung von mehreren Personen und einer arbeitsteiligen Gesellschaft sowie die daraus entstehenden deliktsrechtlichen Praxisprobleme.

Schutzpflichten begründen würden, können in vielen Fällen auch auf der Grundlage dieser Auffassung eine Schadensersatzpflicht statuiert werden. 614  BGHZ 26, 365, 372; 56, 269, 274. 615 Vgl. BGHZ 56, 269, 275; Brox/Walker, SchuldR AT, § 33, Rn. 15; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 170; einschränkend Staudinger/Klumpp, § 328 BGB, Rn. 147. 616  Bayer, JuS 1996, 473, 477; Brox/Walker, SchuldR AT, § 33, Rn. 16; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 171. 617  BGHZ 49, 278; 61, 227, 232 ff.

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

VI.  Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB 1. Grundlagen Neben den zukünftigen Vertragsparteien können auch Dritte im Rahmen eines vertragsähnlichen Schuldverhältnisses verpflichtet sein. Dies war schon vor Einführung des § 311 Abs. 2, 3 BGB anerkannt. Eine Festlegung von einzelnen konkreten Voraussetzungen fehlt jedoch auch in der gegenwärtigen Normierung in § 311 Abs. 3 BGB. Nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB haften Dritte beispielsweise, wenn sie im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch nehmen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflussen. Hierunter kann schon der als Vermittler auftretende Gebrauchtwagenhändler fallen, wenn der Käufer aufgrund der Fachkenntnisse des Händlers auf die Informationen vertraut hat.618 Ungenügend ist jedoch ein lapidarer Hinweis auf die eigene Sachkunde bzw. ein normales Verhandlungsvertrauen.619 Erst recht werden die Konstellationen der sogenannten Sachwalterhaftung erfasst. Zu den Sachwaltern zählen Personen, die wegen ihrer außergewöhnlichen Sachkunde, persönlichen Zuverlässigkeit, Objektivität und Neutralität eine besondere Vertrauensstellung haben und daher regelmäßig entscheidend mit ihren eigenen Aussagen zum Vertragsschluss beitragen.620 Diese Voraussetzungen sind beispielsweise bei Sachverständigen, Gutachtern, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern erfüllt. Der Anspruch gegen den Sachwalter geht allerdings nicht weiter als die Haftung des Vertragspartners, von dem er beauftragt wurde.621 Existiert also ein Haftungsausschluss gegenüber dem Verkäufer, entfällt zudem grundsätzlich die Ersatzpflicht des Dritten. Ausnahmen gelten beispielsweise bei einer arglistigen Handlung des Dritten.622 Als eine weitere anerkannte Fallgruppe gilt die Haftung wegen erheblichen wirtschaftlichen Eigeninteresses. Auch diese Konstellation war schon vor Einführung des § 311 Abs. 3 BGB gefestigt und wird heute auf Satz eins der Norm gestützt. Die Erfüllung des Anspruchs verlangt im Wesentlichen die Tätigkeit des Dritten in eigener Sache, sodass ein bloßes mittelbares Provisionsinteresse noch nicht genügt.623 2. Netzwerkbezug Ebenso berücksichtigt die Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB netzwerkorientiertes Verhalten. Gerade die Verbindung zu Vertrauenspersonen führt oftmals die Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 541 f. Vgl. BGHZ 126, 181, 189; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 175. 620  BGHZ 56, 81, 85; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 541. 621  BGH vom 12.1.2011 - VIII ZR 346/09 -, NJW-RR 2011, 462, 463. 622  Looschelders, SchuldR AT, Rn. 179a. 623  BGH vom 13.6.2002 - VII ZR 30/01 -, DB 2002, 1878, 1879; vom 17.10.1989 - XI ZR 173/88 -, NJW 1990, 506; Brox/Walker, SchuldR AT, § 5, Rn. 9 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 174 ff. 618 

619 

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

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Entscheidung herbei, ob es zu einem Vertrag zwischen zwei Personen kommt oder nicht. Trotz fehlender vertraglicher Verbindung zu dem potentiellen Vertragspartner des Auftraggebers hat der Dritte jedoch nicht die Stellung eines Unbeteiligten. Vielmehr besteht auch zwischen dem Vertragspartner des Auftraggebers und dem Dritten eine schuldrechtlich berücksichtigungsfähige Vertrauensgrundlage. Wegen der besonderen Sachkunde, Objektivität und Neutralität des Dritten muss der Vertragspartner des Auftraggebers nicht nur von einer einseitigen Interessenwahrnehmung ausgehen. Vielmehr kann er erkennbar und zumutbar darauf vertrauen, dass überdies seine Belange angemessene Berücksichtigung finden. Ähnliches gilt bei erheblichem wirtschaftlichem Eigeninteresse des Dritten. Der Dritte ist in den Fällen der eigentliche Vertragspartner bzw. ein Teil davon. Die Zuhilfenahme des scheinbaren Vertragspartners erfolgt dem Grunde nach nur als eine Art Umgehungsverbindung.624 Folglich darf die künstliche Verbindungsunterbrechung nicht zu einer Unanwendbarkeit der vertraglichen Ansprüche führen.

VII. Drittschadensliquidation 1. Voraussetzungen Infolge der wortlautgerechten Anwendung von gesetzlichen Regelungen kommt es gelegentlich vor, dass Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen zwischen verschiedenen Personen aufgespalten und deswegen nicht durchsetzbar sind. Zur Behebung von Unbilligkeiten wurde daher für bestimmte Konstellationen das Institut der Drittschadensliquidation entwickelt. Dieses erfordert mehrere Bedingungen. Zum einen muss eine Person die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage erfüllen, aber keinen ersatzfähigen Schaden haben. Weiterhin ist ein Geschädigter nötig, der jedoch keinen Anspruch hat. Und ferner bedarf es einer zufälligen Schadensverlagerung vom Anspruchsberechtigten auf den Dritten. Hieran fehlt es bei einer vertraglich vereinbarten Schadensverlagerung unter Mitwirkung des Schädigers. Schließlich herrscht ein Subsidiaritätserfordernis. Zu einem Ausschluss kommt es danach, wenn der Schaden adäquat auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage geltend gemacht werden kann.625 Überwiegend anerkannt sind die Voraussetzungen insbesondere bei Fällen mit einer obligatorischen Gefahrentlastung, der mittelbaren Stellvertretung, mit Treuhandverhältnissen und der Obhut für fremde Sachen.626 Eine obligatorische Gefahrentlastung liegt etwa in der Situation des Versendungskaufs vor.627 Kommt es beispielsweise zu einer Zerstörung der Kaufsache auf dem Transport, wird der 624 

Vgl. RGZ 120, 249, 252 f. Brox/Walker, SchuldR AT, § 29, Rn. 14 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1023 f.; MünchKomm/Oetker, § 249 BGB, Rn. 289 ff. 626  BGHZ 40, 91, 100 f.; 51, 91, 93 f. 627  Ein weiterer Fall kann sich etwa im Werkvertragsrecht durch die Gefahrtragungsregel in § 644 Abs. 1 BGB ergeben, vgl. MünchKomm/Oetker, § 249 BGB, Rn. 301. 625 

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2. Teil, 1. Abschn.: Vertragsrecht

Verkäufer gem. § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei, aber behält grundsätzlich den Kaufpreisanspruch, vgl. § 447 BGB. Bei einer schuldhaften Vernichtung durch die Transportperson stehen dem Verkäufer Ansprüche aus dem Transportvertrag mit ihr und aus Delikt zu, allerdings kein Schaden. Auf der anderen Seite hat der Käufer zwar einen Schaden, jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 421 Abs. 1 S. 2 HGB keinen Anspruch gegen die (nicht gewerbliche) Transportperson. Die Schadensverlagerung wird demzufolge als zufällig angesehen. Eine ähnliche Lage existiert bei der mittelbaren Stellvertretung. Verletzt der Verkäufer seine Verpflichtungen gegenüber dem ankaufenden mittelbaren Stellvertreter, hat nur dieser als Vertragspartei Ansprüche. Dem mittelbaren Stellvertreter fehlt es jedoch am Schaden. Bei dem Hintermann verhält es sich genau umgedreht, sodass wiederum eine zufällige Schadensverlagerung vorliegt. Holt allerdings eine Person in verdeckter Stellvertretung eine Auskunft für einen Dritten ein, darf diese nach der Rechtsprechung nicht den Schaden über die Drittschadensliquidation zum Gegenstand des eigenen Anspruchs machen.628 Eine entsprechende Situation herrscht bei den sogenannten Treuhandverhältnissen. Ebenso kann es in den Fällen zu Beeinträchtigungen durch Dritte kommen, bei denen dem Treuhänder der Schaden und dem Treugeber der Anspruch fehlt. Dies ist etwa gegeben, wenn der Schuldner einer sicherungsweise abgetretenen Forderung in Schuldnerverzug kommt, verspätet zahlt und der Treugeber erhöhte Schuldzinsen leisten muss. Die herrschende Auffassung wendet die Grundsätze der Drittschadensliquidation ebenfalls bei der Obhut für fremde Sachen an. In der Literatur führen einige beispielsweise die Konstellation an, dass der Geselle eines Handwerkers eine fremde Sache beim Verwahrer zerstört. Auch hier soll der Verwahrer zur Liquidierung und Abtretung an den Eigentümer verpflichtet sein.629 Keine generelle Anerkennung hat die zufällige Schadensverlagerung jedoch bisher bei Käuferketten, wie den oben angeführten Streckengeschäften, erfahren.630 2. Rechtsfolge Sind die Voraussetzungen gegeben, wird zunächst der Schaden zum Zweck der Liquidation zum Anspruch gezogen. Sodann findet eine Anspruchsabtretung oder eine sonstige Schadenskompensation des nichtgeschädigten Anspruchsinhabers an den geschädigten Dritten statt. Nur so kann ein angemessener Ersatz erfolgen. In der Regel besteht eine solche Ausgleichsverpflichtung schon auf der Grundlage 628 

BGHZ 133, 36. Brox/Walker, SchuldR AT, § 29, Rn. 23. Andere halten dagegen die Drittschadensliquidation nicht für einschlägig, weil der Eigentümer regelmäßig in den Schutzbereich des Handwerkervertrages mit einbezogen sei, vgl. MünchKomm/Oetker, § 249 BGB, Rn. 305. 630  Brox/Walker, SchuldR AT, § 29, Rn. 18 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1026 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 692 ff.; MünchKomm/Oetker, § 249 BGB, Rn. 296 ff. (308). 629 

§ 10  Rechtsgeschäftliche Drittbeziehungen

197

des § 285 BGB. Im Zweifel folgt sie jedoch aus dem Schuldverhältnis zwischen Anspruchsberechtigten und Geschädigten. 3. Netzwerkbezug Die Grundsätze der Drittschadensliquidation berücksichtigen Unbilligkeiten, die bei der Anwendung von rechtlichen Normen und einer weitreichenden Verbindungsstruktur zwischen drei (und mehr) Personen entstehen. Dies geschieht als Ausnahme zum sogenannten Dogma vom Gläubigerinteresse.631 Während der Gläubiger prinzipiell nur für eigene Schäden einen Ersatz fordern kann, ist es hier anders. Der Grund liegt in der rechtlichen Schadensverlagerung auf einen Dritten und dessen Verbindung zum Anspruchsberechtigten gegenüber dem Schädiger. Ohne die rechtliche Verbindung zwischen den Vertragsparteien beim Versendungskauf, bei den Treuhand- und Obhutsverhältnissen sowie zwischen den Beteiligten der mittelbaren Stellvertretung würde es spätestens an den Voraussetzungen für die erforderliche Abtretung des liquidierten Ersatzanspruchs bzw. die sonstige Schadenskompensation fehlen. Folglich beachtet auch diese Konstruktion netzwerkorientierte Beziehungen im Recht.

631 

Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 692.

198

2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

2. Abschnitt

Gesellschaftsrecht 2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

Neben der personellen Organisation mit Hilfe von Austauschverträgen kann eine solche auf gesellschaftsrechtlicher Basis erfolgen.632 Zu dem Zweck soll primär auf die Verbindungen der Beteiligten im Zusammenhang mit den Grundformen eingegangen werden.

§ 11  Verein I. Grundlagen Als ein Verein im bürgerrechtlichen Sinn gilt eine auf Dauer eingegangene Personenvereinigung, die der Erreichung eines selbstgesetzten gemeinsamen Zwecks dient. Grundsätzlich tritt er im eigenen Namen auf, ist körperschaftlich organisiert und unabhängig vom Mitgliederwechsel.633 Der Gesetzgeber hat das Vereinsrecht in den §§ 21 ff. BGB normiert. Besondere Bedeutung wird hierbei der Rechtsfähigkeit zuteil. Während ein Verein mit einem wirtschaftlichen Zweck gem. § 22 Abs. 1 S. 1 BGB die Rechtsfähigkeit erst durch eine staatliche Verleihung, eine sogenannte Konzession, erlangt, bekommt ein Verein, der hauptsächlich nichtwirtschaftliche Zwecke verfolgt (Idealverein), diese schon mit der Eintragung im zuständigen Vereinsregister, § 21 BGB. Eine Zurechnung der wirtschaftlichen Tätigkeit einer von einem Idealverein gegründeten Gesellschaft darf diesem wegen organisatorischer und rechtlicher Trennung aber prinzipiell nicht erfolgen.634 Die Rechtsfähigkeit ist vor allem für die Haftung der beteiligten Personen entscheidend. Vor dem Hintergrund der überwiegenden Bedeutung des Idealvereins konzen­ triert sich die Darstellung auf diesen.

II.  Rechtsfähiger Verein 1. Grundlagen Der Idealverein entsteht mit Abschluss des Gründungsvertrages und dem Inkrafttreten der Satzung. Grundsätzlich herrscht Satzungsautonomie, soweit das zwingende Recht nicht betroffen ist. Neben dem unabdingbaren Inhalt (§ 57 BGB), wie Zweck, Name, Sitz und Eintragungsabsicht, sollen hierbei gem. § 58 BGB auch Bestimmungen über den Eintritt und Austritt von Mitgliedern, die Mitgliederbeiträge, die Vorstandsbildung und die Einberufung der Mitgliederversammlung geGlückler/Németh/Beauregard, DB 2011, 2701, 2704 ff. RGZ 143, 212, 213; Saenger, Rn. 442; Windbichler, Rn. 9 ff. 634  BGHZ 85, 84. 632  633 

§ 11  Verein

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troffen werden. Rechtsfähigkeit erlangt der Verein sodann durch Eintragung im Vereinsregister.635 Zugleich erfolgt die Anerkennung als juristische Person. Um die Handlungsfähigkeit zu gewährleisten, bestimmt der Gesetzgeber als zwingende Organe den Vorstand und die Mitgliederversammlung. Während die Mitgliederversammlung über die ungeregelten Angelegenheiten des Vereins entscheidet (§ 32 BGB), führt der Vorstand diese Beschlüsse aus. Fehlerhafte Beschlüsse sind nach überwiegender Auffassung grundsätzlich ipso jure nichtig.636 Die Geschäftsführung kann aber auch einem anderen Organ als dem Vorstand zugewiesen werden, weil zwischen geschäftsführendem und vertretungsberechtigtem Organ keine Identität gegeben sein muss.637 Der Vorstand vertritt zudem den Verein gem. § 26 Abs. 1 S. 2 BGB nach außen. Die juristische Person erlischt bei Auflösung und Verlust der Rechtsfähigkeit.638 2.  Rechte und Pflichten im Innenverhältnis Im Innenverhältnis folgen die Rechte und Pflichten hauptsächlich aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern. Die Mitgliedschaft erwirbt eine Person je nach Satzungsfestlegung regelmäßig durch eine rechtsgeschäftlich korrespondierende Beitritts- und Aufnahmeerklärung.639 Abweichend vom Grundsatz der freien Entscheidung der Vereine über die Aufnahme sind aber auch Ausnahmen anerkannt. Die Rechtsprechung hat neben den Fällen des Kontrahierungszwangs einen Aufnahmeanspruch insbesondere dann zugelassen, wenn der Verein eine erhebliche wirtschaftliche sowie soziale Machtstellung besitzt, der Bewerber zur Verfolgung oder Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist und kein sachlich gerechtfertigter Ausschlussgrund vorliegt.640 Nach § 38 BGB darf die Mitgliedschaft nicht vererbt, nicht übertragen und nicht zur Ausübung an Dritte überlassen werden. Zudem haben die Mitglieder etwa Teilnahmerechte, Wahlrechte, Nutzungsrechte und Kündigungsrechte (vgl. § 39 Abs. 2 BGB), können jedoch ebenso beispielsweise zur Beitragsleistung, Vereinsstrafe, Veranstaltungs- und Versammlungsteilnahme sowie Ämterübernahme verpflichtet sein. Neben dem subjektiven Mitgliedschaftsrecht entsteht ferner eine 635  Zu den Mindestvoraussetzungen zählen neben dem Gründungsvertrag, in dem sich die Gründer über den Zusammenschluss zur Organisation, die Zweckbestimmung und die Satzung einigen, insbesondere die Bestellung eines Vorstandes (§§ 26, 59 BGB), die Anmeldung durch den Vorstand mit öffentlich beglaubigten Erklärungen (§ 77 BGB), die Beifügung der Satzung in Urschrift und Abschrift, die Namen, Zweck und Sitz des Vereins enthalten muss, sowie die Niederschrift über die Vorstandsbestellung (§ 59 Abs. 2 BGB), vgl. Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 208. 636  BGHZ 59, 369, 372. 637  BGHZ 69, 250, 252 ff. 638  Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 249. 639  Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 234 ff. 640  BGHZ 93, 151; Nicklisch, JZ 1976, 105, 105 ff.

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2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Verein und dem einzelnen Mitglied. Auf dieser Grundlage erwachsen beiden Seiten Treuepflichten und jeder kann Verletzungen geltend machen.641 3.  Rechte und Pflichten im Außenverhältnis Der Vorstand vertritt gem. § 26 Abs. 1 S. 2 BGB den Verein als juristische Person nach außen gerichtlich und außergerichtlich. Grundsätzlich darf er hierbei unbeschränkt handeln. Möglich ist aber eine Eingrenzung in der Satzung mit Wirkung gegenüber Dritten, § 26 Abs. 1 S. 3 BGB. Die Mitgliedschaft im Verein führt grundsätzlich zu keiner persönlichen Haftung der Mitglieder für Verbindlichkeiten des Vereins. Wegen der Wahrung der verschiedenen Rechtspersönlichkeiten können Gläubiger prinzipiell nur auf das Vereinsvermögen zugreifen.642 Rechtsprechung und Literatur erkennen dagegen eine Durchgriffshaftung an, wenn es zu einem Missbrauch der juristischen Person durch die hinter ihr stehenden (natürlichen) Personen kommt.643 Schutz gewährt die Rechtsfigur der juristischen Person nur in dem Umfang, in dem ihre Verwendung dem Zweck der Rechtsordnung entspricht.644 Dementsprechend wurden Durchgriffe vom BGH etwa in Fällen bejaht, in welchen die Abgrenzung zwischen dem Vermögen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden Personen in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise verschleiert worden war.645 Im Zusammenhang mit der Außenhaftung gilt es zudem auf die Zurechnungsregelung in § 31 BGB hinzuweisen. Diese verpflichtet einen Verein zum Ersatz, wenn sein Vorstand, ein Mitglied davon oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen gegenüber einem Dritten eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung vornimmt. Zugerechnet werden danach also keine Willenserklärungen, sondern ganze Schadensersatzansprüche. Im Ergebnis verpflichtet somit die Norm, den Verein den Schadensersatz­ anspruch zu erfüllen, der entstanden wäre, wenn eine andere Person an der Stelle des Vereinsorgans gehandelt hätte. Insoweit ist der Wortlaut missverständlich, der durch die Nennung von Vertretern scheinbar an eine Vertretungsmacht anknüpft. Diesbezüglich hat die Rechtsprechung jedoch klargestellt, dass unter die Norm alle Personen in leitender Stellung ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zum Vorstand und die Vertretungsbefugnis fallen.646 Maßgebliche Bedeutung für die Entscheidung kommt dem Außenverhältnis zu. Weisungsabhängigkeit im Innenverhältnis schadet nicht, falls der Aufgabenkreis nach außen sich als für das Unternehmen 641 

BGHZ 90, 92, 95; 110, 323, 327. BGHZ 54, 222, 224; 78, 318, 333. 643  BGHZ 29, 385, 392 f.; 54, 222, 224; 175, 12, 18; Hofmeister, ZIP 2009, 161. 644  BGHZ 20, 4, 11 ff. 645  Vgl. BGHZ 54, 222; 125, 366; Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 245. 646  BGHZ 49, 19, 21; 95, 63, 70; Medicus, AT, § 66, Rn. 1137 m. w. N. 642 

§ 11  Verein

201

„repräsentativ“ darstellt.647 Selbst wenn für wichtige Aufgaben trotz Verhinderung des Vorstandes kein besonderer Vertreter iSd. § 30 BGB bestellt wurde und stattdessen ein Verrichtungsgehilfe die Aufgabe wahrnimmt, findet eine Zurechnung über § 31 BGB statt. Durch Organisationsmängel soll keine Exkulpationsmöglichkeit geschaffen werden.648 Die Handlung muss aber „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ entstanden sein. Hierfür fordert die Rechtsprechung einen engen objektiven Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und der Aufgabe des Organs. Ein Handeln bei Gelegenheit genügt nicht.649 Besondere Relevanz erfährt diese Norm zudem durch die zahlreichen Verweisungen, beispielsweise in §§ 86, 89 BGB, und die Anwendung auf andere juristische Personen sowie Personengesellschaften.650

III.  Nichtrechtsfähiger Verein 1. Grundlagen Erlangt eine körperschaftliche Organisation auf der Grundlage einer Satzung keine Eintragung im Vereinsregister (bzw. Konzession), ist ein solcher Verein auch keine juristische Person. Trotzdem wird nach überwiegender Auffassung ein solcher Verein als Rechtssubjekt und Gesamthand angesehen.651 Diese Tatsache verursacht zudem Schwierigkeiten beim anwendbaren Recht. Der Gesetzgeber sieht in § 54 S. 1 BGB die Anwendung der Vorschriften über die Gesellschaft vor. Wegen des Wesensunterschieds zwischen beiden Rechtskonstrukten halten viele den pauschalen Verweis jedoch für verfehlt.652 Stattdessen wendet sogar die Rechtsprechung653 eine Reihe von vereinsrechtlichen Vorschriften an, soweit sie keine Rechtsfähigkeit oder Registereintragung voraussetzen.654 2.  Rechte und Pflichten Nach der herrschenden Auffassung darf der nicht eingetragene Verein als Gesamthand selbst Träger von Rechten und Pflichten sein.655 BGH vom 12.7.1977 - VI ZR 159/75 -, NJW 1977, 2259, 2260. Medicus, AT, Rn. 1140; Wolf/Neuner, § 17, Rn. 71. 649  BGHZ 49, 19, 22 f. 650  Medicus/Petersen, BR, Rn. 793; MünchKomm/Arnold, § 31 BGB, Rn. 11 ff. 651 Vgl. BGH vom 2.7.2007 - II ZR 111/05 -, NJW 2008, 69; Schmidt, GesellschaftsR, § 25 II 1. 652  Reuter, ZHR 151 (1987), 355, 391 f.; Saenger, Rn. 473; MünchKomm/Arnold, § 54 BGB, Rn. 3 ff. 653  BGHZ 43, 316, 319; 50, 325, 328 f. 654  Saenger, Rn. 473. 655 Palandt/Ellenberger, § 54 BGB, Rn. 2, 7. 647 

648 

202

2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

Probleme bereitet, ob daneben die Mitglieder für Verbindlichkeiten des Vereins haften. Zumindest bei einem konzessionslosen Verein mit wirtschaftlicher Zielrichtung wird eine unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder mit ihrem Privatvermögen bejaht. Schließlich fehlt es an einem Schutz der Gläubiger.656 Eine abweichende Position vertritt die überwiegende Meinung zum nicht eingetragenen Idealverein. Hier sollen die Mitglieder nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen für Vereinsverbindlichkeiten haften. Als Begründung verweisen die Vertreter insbesondere auf das Fehlen einer gesetzlichen Anordnung und eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes, nach der er nur das Gesamthandsvermögen des Vereins und nicht das Privatvermögen der Mitglieder verpflichten könne.657 Ob diese Position jedoch in Zukunft noch aufrechterhalten bleibt, ist vor dem Hintergrund der akzessorischen Haftung von Gesellschaftern einer Gesellschaft nach § 705 BGB fraglich.658 Weiterhin begründet das Gesetz in § 54 S. 2 BGB eine sogenannte Handelndenhaftung. Danach haftet der Handelnde aus einem Rechtsgeschäft, das er im Namen eines Vereins gegenüber einem Dritten vorgenommen hat, persönlich. Handeln mehrere, sind sie insoweit als Gesamtschuldner verpflichtet. Die Haftung gilt ohne Rücksicht auf eine Vertretungsmacht des Vereins. Sie kann aber grundsätzlich durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden.659 Im Übrigen bleibt nach überwiegender Auffassung auch hier § 31 BGB anwendbar. Zumindest für den nicht eingetragenen Idealverein soll der Anspruch allerdings wiederum auf das Vereinsvermögen beschränkt sein.660

IV. Netzwerkbezug Auch die Vereinsvorschriften erkennen netzwerkorientiertes Verhalten an. Sie berücksichtigen vor allem das spezielle Gefüge zwischen den verschiedenen Beteiligten im Innen- und Außenverhältnis. Besondere Bedeutung kommt dabei der Eintragung bzw. Konzession des Vereins zu. Erst durch die Eintragung des Idealvereins im Vereinsregister sowie die staatliche Verleihung beim wirtschaftlichen Verein erkennt der Gesetzgeber die Rechtsfähigkeit eines Vereins an und betrachtet ihn als eigenständige juristische Person. Durch die vollwertige Rechtsstellung als juristische Person wird ferner die Haftung der Mitglieder grundsätzlich ausgeschlossen. Ebenso existiert keine Haftung des Handelnden. Anders ist die Rechtslage beim nichteingetragenen Idealverein und bei konzessionslosen Wirtschaftsvereinen. Für die Verbindlichkeiten eines konzessionslosen Vereins 656 MünchKomm/Reuter,

§ 54 BGB, Rn. 44 ff.; Soergel/Hadding, § 54 BGB, Rn. 25. 63, 62, 65; 74, 371, 374; Kübler/Assmann, § 11 III 3; Schmidt, GesellschaftsR, § 25 III 2 m. w. N. 658 Vgl. Saenger, Rn. 474; wohl a. A. Medicus/Petersen, BR, Rn. 796. 659 Soergel/Hadding, § 54 BGB, Rn. 27, 30. 660  Kropholler, § 54 BGB, Rn. 3; Medicus/Petersen, BR, Rn. 796. 657  RGZ

§ 11  Verein

203

mit wirtschaftlicher Zielrichtung haften die Mitglieder unbeschränkt und gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen. Zwar sollen nach derzeitig überwiegender Auffassung beim nicht eingetragenen Idealverein die Mitglieder nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen für Vereinsverbindlichkeiten haften. In jedem Fall können aber bei allen Formen des sogenannten nicht rechtsfähigen Vereins die Handelnden über § 54 S. 2 BGB bei Rechtsgeschäften persönlich in Anspruch genommen werden. Die von der herrschenden Auffassung anerkannte Fähigkeit, als Gesamthand selbst Träger von Rechten und Pflichten zu sein, führt also nicht zu einer vollständigen Anerkennung des Vereins als Akteur mit dem Haftungsausschluss der (in Vertretung) Handelnden. Folglich unterbricht das Vereinskonstrukt iSd. § 54 BGB die Verbindung zwischen Handelnden und Dritten nicht wesentlich. Entsprechend verhält es sich bei der Verbindung zwischen Dritten und Mitgliedern eines nicht eingetragenen Vereins mit wirtschaftlicher Zielrichtung. Verbindungstechnische Beachtung verdient weiterhin die Regelung in § 31 BGB. Durch diese Zurechnungsnorm trägt der Gesetzgeber dem Schutzbedürfnis des Dritten aufgrund der netzwerkbasierten Beziehungsstruktur Rechnung. Trotz Arbeitsteilung muss der Verein für schadhafte Handlungen seiner verbundenen Organe weitgehend haften. Neben der überwiegend normbasierten Berücksichtigung findet der Netzwerkbezug ebenso im Übrigen Anerkennung. Dies zeigt sich etwa beim Beitritt. Während die Vereine über die Mitgliederaufnahme grundsätzlich frei entscheiden können, bestehen hierbei auch Ausnahmen. Zusätzlich zu den Fällen des Kontrahierungszwangs wurde ein solcher Anspruch insbesondere dann zugelassen, wenn der Verein eine erhebliche wirtschaftliche sowie soziale Machtstellung besitzt und der Bewerber zur Verfolgung oder Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist.661 Damit versucht die Rechtsprechung die durch die tatsächliche Maklerstellung des Vereins hervorgerufene Abhängigkeit von anderen Personen zu korrigieren. In der Rechtspraxis stellte sich dieses Problem vor allem bei Arbeitnehmern, die Mitglied in der tarifzuständigen Gewerkschaft werden wollten. Nur durch den gewerkschaftlichen Personenverbund – wiederum eine Verbindung von vielen Akteuren – kann der einzelne Arbeitnehmer angemessene Vertretung erlangen. Das Erfordernis zeigt sich hauptsächlich in der Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Reihe von Rechten nur den Gewerkschaftsmitgliedern zuerkennt. Hierzu zählt etwa die zwingende Wirkung von tarifvertraglichen Normen gem. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG.

661 

BGH vom 10.12.1984 - II ZR 91/84 -, NJW 1985, 1216.

204

2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

§ 12  Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) I. Grundlagen Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen, die sich auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage gegenseitig zur kollektiven Förderung eines gemeinsamen Zwecks verpflichtet haben (vgl. § 705 BGB). Sie kann sich auf Beziehungen zwischen den Beteiligten beschränken (Innengesellschaft) aber auch als solche gegenüber Dritten in Erscheinung treten (Außengesellschaft). In Form der Außen-GbR gilt sie als rechts- sowie parteifähig.662 Gesellschafter dürfen natürliche und juristische Personen sein. Damit zählt diese Gesellschaftsart zu den Personengesellschaften. Weiterhin erfordert die Verbindung weder eine gewisse Dauer663 noch eine bestimmte Branche. Dies führt zu einer vielseitigen Anpassungsfähigkeit und hohen Beliebtheit in der Praxis. Ein zusätzlicher Grund ergibt sich durch die Vielzahl der verschiedenen Zwecke, die kaum von zwingenden Vorschriften eingeschränkt werden. Als gemeinsamer Zweck kommt jeder erlaubte – erwerbswirtschaftlicher sowie ideeller Art – infrage.664 Für eine weitläufige Verbreitung sorgt ebenso die Möglichkeit, den Gesellschaftsvertrag grundsätzlich665 formlos zu schließen.666 Weil zusätzlich zum ausdrücklichen Abschluss des Gesellschaftsvertrages eine konkludente Einigung möglich ist, führt dies in der Praxis unter Umständen sogar dazu, dass gelegentlich Personen keine bewusste Kenntnis von ihrem Status als Gesellschafter haben. Neben der Festlegung des gemeinsamen Zwecks trifft der Gesellschaftsvertrag ferner Regelungen zu dessen Erreichung. Hierzu übernehmen die Gesellschafter schuldrechtliche Pflichten.667 Diese im Gesetz als „Beiträge“668 bezeichneten Verpflichtungen können vielfältiger Art sein.669 Infrage kommt die Einbringung von Geldern, Diensten sowie Sacheinlagen. Weiterhin zählen Auskünfte, Beratungen und andere bestimmbare Leistungen dazu, die sowohl in einem Tun als auch Unterlassen erbringbar sind.670

Schäfer, § 18, Rn. 2. BGH vom 5.5.1977 - II ZR 213/75 -, WM 1977, 840, 841. 664  Kindler, Rn. 12 ff.; Palandt/Sprau, § 705 BGB, Rn. 20. 665  Der Gesellschaftsvertrag ist nur dann formbedürftig, wenn er eine formbedürftige Verpflichtung enthält, vgl. Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 68; MünchKomm/Ulmer/Schäfer, § 705 BGB, Rn. 33. 666 MünchKomm/Ulmer/Schäfer, § 705 BGB, Rn. 32 f. 667 Erman/Westermann, vor § 705 BGB, Rn 1. 668  Vgl. §§ 705, 706, 707 BGB. 669 MünchKomm/Schäfer, § 706 BGB, Rn. 2. 670  Fikentscher/Heinemann, § 92 I, Rn. 1306; Palandt/Sprau, § 706 BGB, Rn. 4. 662 

663 

§ 12  Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)

205

Schließlich entsteht mit der Gründung der Außengesellschaft ein Sondervermögen, das sich vom Privatvermögen der Gesellschafter unterscheidet. Dieses Sondervermögen umfasst die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung erlangten Gegenstände, § 718 BGB. Von der rechtlichen Qualifikation zählt es als Gesamthandsvermögen. Damit können Verfügungen über die Gesamtheit oder einzelne Gegenstände nach § 719 BGB nur alle Gesellschafter gemeinsam vornehmen (vgl. § 10 I 1 c.).671 Im Gegensatz zur Außengesellschaft treten die Geschäfte einer Innengesellschaft gegenüber Dritten nicht in Erscheinung. Vielmehr führt nach außen regelmäßig ein Gesellschafter die Tätigkeiten allein sowie im eigenen Namen, obwohl sie im Innenverhältnis auf gemeinsame Rechnung erfolgen. Neben einer Vertretung fehlt es der Innengesellschaft zudem an einem Gesamthandsvermögen. Erforderlich ist jedoch ein Gesellschaftsvertrag mit einer Verständigung über einen gemeinsamen Zweck, der durch die Erbringung vermögenswerter Leistungen gefördert werden soll.672 Bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bildet die kollektive Verfolgung des gemeinsamen Zwecks eine zentrale Rolle. Aus dem Grund wird dieses Tatbestandsmerkmal vermehrt für die besondere Abgrenzung zu den Austauschverträgen herangezogen. Dietz spricht in dem Zusammenhang davon, dass die Beteiligten eines gegenseitigen Austauschvertrages verschiedene Zwecke verfolgten und als Träger konträrer Interessen sich gegenüberständen.673 Auch Fikentscher/Heinemann674 bezeichnen den „gemeinsamen Zweck“ in der Gesellschaft als Grund für die Eigenheit gegenüber allen anderen Vertragstypen des besonderen Schuldrechts. Während bei rechtsgeschäftlichen Verträgen, wie Kauf-, Miet- oder Werkverträgen, ein Austauschzweck die Grundlage bilde, verfolgten die Gesellschafter bei einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts einen gemeinsamen Zweck. Bei einem Austauschvertrag würden sich die Vertragsparteien etwa zum Wechsel von Gegenständen gegen Geld, Raumnutzungen gegen einen Mietzins oder die Herstellung eines Werkes gegen einen Werklohn verbinden. Dabei beabsichtigten die Beteiligten in der Regel eigene Interessen, die zu denen der Vertragspartner gegenläufig seien. Ähnlich verhalte es sich bei den einseitigen Austauschverträgen. Während bei derartigen gegenseitigen Verträgen in der Regel wirtschaftlich ungleiche Motive angestrebt würden, habe bei einseitigen Verträgen eine Partei gar kein ökonomisches Motiv. Hierzu seien die unentgeltlichen Verträge, wie Schenkung oder Auftrag, zu zählen. Auch in den Fällen wechselten zumindest Gegenstände bzw. Leistungen von einer Partei zur anderen. Anders sei die Lage bei der Gesellschaft. Bei dieser Form der Beziehung sollen sich die Beteiligten gerade verbinden, um Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 76 ff. BGH vom 20.10.2008 - II ZR 207/07 -, NZG 2009, 21; Windbichler, § 2, Rn. 14; § 5, Rn. 10. 673  Lehmann/Dietz, S. 5. 674  Fikentscher/Heinemann, § 92 I, Rn. 1306. 671 

672 

206

2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Im Vergleich zu den Austauschverträgen sei die unmittelbare Motivation also in Bezug auf das angestrebte Ziel bzw. den Zweck nicht gegensätzlich, sondern gleichgerichtet.675 Ebenso meint Larenz, ein Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts leiste nichts, um Empfänger einer Leistung des anderen zu sein. Vielmehr erfolge der Zusammenschluss der Gesellschafter mit ihren Leistungen zur Erzielung eines gemeinsamen Zwecks. Die Gesellschafter erlangten daher auch nichts unmittelbar von den Mitgesellschaftern, sondern aus dem Ertrag der gemeinsamen Tätigkeit und des gemeinsamen Vermögens.676 In die gleiche Richtung geht die Position von Ballerstedt. Dieser behauptet, bei gegenseitigen Verträgen gebe es grundsätzlich keinen zum Vertragsinhalt erhobenen Zweck. Der Sinn solcher Verträge sei schon der Austausch von Leistung und Gegenleistung an sich. Bei einer Gesellschaft würden die Leistungen der Gesellschafter dagegen zur Verwirklichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks erbracht.677 Ferner betont Windbichler, dass der Gesellschaftsvertrag einer GbR nicht die Verpflichtung zum Austausch von Leistungen zum Gegenstand habe. Vielmehr folge aus ihm nur die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Verfolgung des gemeinsamen Zwecks.678 Schließlich hebt Schmidt im Rahmen dieser Abgrenzung die Kooperation auf der einen und die Gegnerschaft auf der anderen Seite hervor. So soll bei Gesellschaften das Miteinander in Form einer Beitragserbringung zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks im Vordergrund stehen, während bei Austauschverträgen eher ein Wettkampf darüber herrsche, wer am wenigsten gebe und wer am meisten nehme.679 Ebenso dient die Charakterisierung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit der vereinten Verfolgung des gemeinsamen Zwecks der Abgrenzung zu anderen nicht gesellschaftlichen partiarischen Rechtsverhältnissen, die eine Gewinnbeteiligung enthalten. Auch bei einem Darlehen, das statt eines festen Zinses einen Anteil am Gewinn verspricht, und einem Anstellungsverhältnis mit Tantiemenbezugsmöglichkeit kommt es zu gleichgerichteten Interessen der Beteiligten. Diese Personen verfolgen jedoch nicht unmittelbar denselben Zweck zusammen, sodass sich keine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts entwickelt.680 Die Erzielung des eigenen Gewinnes bildet das unmittelbare ökonomische Motiv des einen und die Gewinnbeteiligung daran die des anderen Vertragspartners.681

Fikentscher/Heinemann, § 92 I, Rn. 1306. Larenz, SchuldR BT II, S. 374 (§ 60 I b). 677  Ballerstedt, JuS 1963, 253. 678  Windbichler, § 6, Rn. 3. 679 Vgl. Schmidt, GesellschaftsR, Rn. 1735. 680  Windbichler, § 5, Rn. 5. 681  Fikentscher/Heinemann, § 92 I, Rn. 1306. 675 

676 

§ 12  Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)

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II.  Rechte und Pflichten Aufgrund der unterschiedlichen Regelungshintergründe muss für die Darstellung der Rechte und Pflichten grundsätzlich zwischen dem Innen- und Außenverhältnis unterschieden werden. 1. Innenverhältnis Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander folgen aus dem Gesellschaftsvertrag und den gesetzlichen Regelungen in den §§ 705 ff. BGB. Hierzu gehören beispielsweise Verwaltungsrechte, wie das Recht zur Geschäftsführung, das Widerspruchsrecht, die Informations- und Kontrollrechte, das Mitwirkungsrecht bei der Liquidation und das Kündigungsrecht. Sie sind gem. § 717 BGB grundsätzlich nicht übertragbar. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung beispielsweise bei Treuhandkonstellationen. Hier wird ein Kapitalanleger nicht selbst Gesellschafter, sondern ein Treuhänder. In derartigen Fällen soll zudem etwa eine Ausübung von Teilnahme-, Einsichts-, Informations-, Kontroll- und Stimmrechten durch den Treugeber im Gesellschaftsvertrag zulässig sein.682 Die Geschäftsführung ist nötig, weil die Gesellschaft als solche nicht handeln kann. Sie bedarf hierzu ihrer Gesellschafter. Im Vergleich zur Vertretung umfasst die Geschäftsführung alle tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen. Außen vor sind dagegen Maßnahmen, die die Beziehungen der Gesellschafter untereinander berühren, wie die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die Liquidierung. Nach § 709 Abs. 1 BGB steht die Geschäftsführung allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu, die immer die Zustimmung aller erfordert. Abweichende Möglichkeiten sieht das Gesetz in den §§ 709 Abs. 2, 710, 711, 712 BGB vor. Jeder geschäftsführende Gesellschafter hat überdies einen Aufwendungsersatzanspruch, § 713 BGB. Ebenso sind die Gesellschafter zur Leistung von Beiträgen verpflichtet, vgl. §§ 706 f. BGB. Hierunter werden alle im Gesellschaftsvertrag versprochenen Leistungen verstanden, die der Förderung des Gesellschaftszwecks dienen. Sie können vielfältiger Art sein (s. o.). In dem Zusammenhang sieht das Gesetz auch eine Regelung für den Gewinn und Verlust vor. Sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde, gilt nach § 722 Abs. 1 BGB jeder Gesellschafter zu gleichen Teilen daran berechtigt und verpflichtet. Zudem unterliegt jeder Gesellschafter einer Treuepflicht. Infolgedessen müssen die Gesellschafter zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks mitwirken sowie die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter beachten.683 Weiterhin gilt der Grundsatz, die Gesellschafter gleich zu behandeln. Verletzen die Gesellschafter ihre Pflichten, sind grundsätzlich die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts anwendbar. Besondere Beachtung verdient hierbei die Haftungsprivilegierung in § 708 BGB. Eine Nachschussverpflichtung besteht gem. 682  Vgl.

153 f.

683 

BGHZ 10, 44, 49 f.; BGH vom 11.11.2009 - XI ZR 468/07 -, MDR 2009, 152,

Schmidt, GesellschaftsR, § 59 III 1 b.

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2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

§ 707 BGB dagegen nur in Ausnahmefällen. Im Übrigen darf die Verpflichtung eines Gesellschafters gegenüber der GbR unter bestimmten Voraussetzungen auch ein anderer Gesellschafter geltend machen, die sogenannte actio pro socio.684 2. Außenverhältnis Beim Außenverhältnis muss grundsätzlich zwischen der Außen- und Innengesellschaft unterschieden werden. Während die Innengesellschaft mangels Vertretung gegenüber Dritten nicht in Erscheinung tritt und damit keine eigenen Beziehungen zu Fremden unterhält, besteht bei der Außengesellschaft ein anders Bild. Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft kann diese ohne die Qualifikation als juristische Person Trägerin von Rechten und Pflichten sein.685 Damit erlangt die GbR selbst die Position des Vertragspartners. Dies ist sogar dann möglich, wenn etwa ein Mandant mit einem sozietätsangehörigen Anwalt einen Beratungsvertrag vereinbart. Ebenso können höchstpersönliche Leistungen Vertragsinhalt sein.686 Die daraus erwachsenen Rechte und Verpflichtungen gebühren der GbR und nicht den einzelnen Gesellschaftern.687 Bei der Abgabe einer Willens­ erklärung bedarf die GbR allerdings der Vertretung. Diese obliegt nach §§ 714, 709 BGB prinzipiell den Gesellschaftern gemeinschaftlich. Gem. § 714 BGB deckt sich im Zweifel die Geschäftsführungsbefugnis mit dem Umfang der Vertretungsmacht. Abweichende Regelungen – selbst Einschränkungen – sind demnach insbesondere ausdrücklich und konkludent möglich. Als zulässig gilt auch eine Entziehung der Vertretungsmacht gem. §§ 715, 712 BGB. Nach überwiegender Auffassung herrscht allerdings ein Verbot der Fremdorganschaft. Danach dürfen nicht alle Gesellschafter von der Vertretung zugunsten eines Nichtgesellschafters von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen sein. Das Wesen der Personengesellschaft soll eine Verbindung zwischen Mitgliedschaft und Organschaft für eine einsatzbereite und verantwortungsbewusste Wahrnehmung fordern.688 Neben den originären Verpflichtungen nimmt die überwiegende Auffassung für die GbR zudem Haftungserweiterungen an. Beispielsweise darf nach Auffassung des BGH einer am Rechtsverkehr teilnehmenden GbR ein schadensersatzpflichtiges Verhalten ihrer geschäftsführenden Gesellschafter gem. § 31 BGB analog 684  Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 82 ff. Die Geltendmachung der Ansprüche im Wege der sogenannten actio pro socio kommt dann in Frage, wenn kein geschäftsführender Gesellschafter trotz Aufforderung tätig wird oder eine solche Aufforderung erfolglos wäre, weil er etwa selbst der Verpflichtete ist. Die einzelnen Voraussetzungen sind jedoch noch nicht abschließend geklärt. Als streitig gilt insbesondere, ob die Ansprüche auch als eigene (mit gesamthänderischer Bindung) oder als fremde im eigenen Namen einzufordern sind, vgl. Kindler, Rn. 52 ff.; MünchKomm/Ulmer/Schäfer, § 705 BGB, Rn. 210 ff. m. w. N. 685  BGHZ 146, 341 ff.; Hadding, ZGR 2001, 712, 717 f. 686  Schmidt, NJW 2005, 2801, 2805. 687  Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 104 ff. 688  Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 116.

§ 12  Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)

209

zugerechnet werden.689 Im Übrigen erfolgt keine Begrenzung der verfassungsmäßig berufenen Vertreter iSd. § 31 BGB auf die geschäftsführenden Gesellschafter. Vielmehr fallen unter den Anwendungsbereich auch Nichtgesellschafter, denen durch die Betriebsregelung und Handhabung für die Gesellschaft wesensmäßige Funktionen zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, sodass sie die Gesellschaft im Rechtsverkehr repräsentieren.690 Eine weitere Besonderheit kommt dem Kreis der Verpflichteten zu. Grundsätzlich muss die GbR für sich selbst mit ihrem Gesellschaftsvermögen einstehen. Zusätzlich haften nach herrschender Auffassung aber alle Gesellschafter persönlich und gesamtschuldnerisch. Einer besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungsvereinbarung bedarf es hierfür nicht.691 Der BGH begründet diese Position mit dem allgemeinen zivil- und handelsrechtlichen Grundsatz, dass Personen vollumfänglich für geschäftliche Verpflichtungen haften würden, sofern nichts anderes vereinbart oder gesetzlich bestimmt sei.692 Es mache hierbei prinzipiell keinen Unterschied, ob die Verbindlichkeit der Gesellschaft auf eine rechtsgeschäftliche oder eine gesetzliche Herkunft zurückgehe. Gerade wenn der Schuldner seinen Gläubiger nicht aussuchen könne, müsse das Privatvermögen der Gesellschafter als Haftungsmasse zur Verfügung stehen.693 Probleme bereitet die akzessorische Haftung zudem bei den oben beschriebenen Treuhandkonstellationen. Während die Haftung des Treuhänders schon auf der Grundlage seiner formalen Stellung zu bejahen ist, fragen sich einige, ob auch der Treugeber nach § 128 HGB analog zur Haftung herangezogen werden müsse. Zumindest der BGH verneint eine solche Haftung mangels gesetzlicher Grundlage.694 Ebenso wenig können die Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvertrag die akzessorische Haftung wirksam verhindern. Nach Auffassung des BGH sei vielmehr ein Haftungsausschluss nur mit Hilfe einer individualvertraglichen Vereinbarung möglich.695 Die Gesellschafter stehen aber in jedem Fall entsprechend § 128 HGB nur für die Forderung in ihrem jeweiligen Bestand ein.696 Demzufolge wird die Geltendmachung von Einwendungen und Einreden der Gesellschaft durch den in Anspruch genommenen Gesellschafter gem. § 129 HGB analog für zulässig erachtet.697 Bei Erfüllung eines Gesellschafters hat dieser gegen die GbR einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 713, 670 BGB und gegen die anderen Gesellschafter 689 

BGHZ 154, 88, 93 ff.; 172, 169, 172. BGHZ 172, 169, 173. 691  Dies wurde lange Zeit von den Vertretern der Doppelvertretungstheorie behauptet, vgl. BGHZ 124, 47, 48 f. m. w. N.; Kindler, § 10, Rn. 118 ff. 692  BGHZ 142, 315. 693  BGHZ 154, 88, 94 f. 694  BGH vom 11.11.2009 - XI ZR 468/07 -, MDR 2009, 152, 153 m. w. N. 695  BGHZ 142, 315, 320 ff.; Ulmer, ZIP 2003, 1113, 1116 ff. 696  BGHZ 146, 341, 358. 697  Schmidt, NJW 2001, 993, 999. 690 

210

2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

einen Ausgleichsanspruch aufgrund des Gesamtschuldverhältnisses nach § 426 Abs. 1 BGB.698

III. Gesellschafterwechsel Die GbR ist eine Vereinigung, die auf persönlichem Vertrauen beruht. Der Fortbestand erfordert daher grundsätzlich die Beibehaltung des bisherigen Gesellschafterkreises. Aus dem Grund soll beispielsweise nach dem Willen des Gesetzgebers die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst sein, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vorsieht, § 727 BGB. Neben der Besonderheit für den Todesfall eines Gesellschafters werden ebenso andere Änderungsmöglichkeiten für zulässig gehalten, falls diese der Gesellschaftsvertrag eröffnet. Hierzu zählen etwa der Eintritt und Austritt von Gesellschaftern. Der Eintritt erfolgt insbesondere durch Abschluss eines Aufnahmevertrages zwischen den bisherigen Gesellschaftern und dem neuen Gesellschafter oder durch rechtsgeschäftliche Übertragung einer gesamten Gesellschafterstellung mit Zustimmung aller Gesellschafter. Eine einfache Abtretung ohne Mitwirkung der übrigen Beteiligten nach §§ 413, 398 BGB gilt allerdings regelmäßig als unzulässig. Nach dem Eintritt in die GbR haftet der neue Gesellschafter laut dem BGH wie die bisherigen Gesellschafter ohne Rücksicht auf den Beitrittszeitpunkt selbst für Altverbindlichkeiten gem. § 130 HGB analog.699 Eine weitere Form des Gesellschafterwechsels ist das Ausscheiden eines solchen. Neben dem Tod kann dies beispielsweise durch Kündigung (§§ 723, 737 BGB), Zeitablauf oder Auseinandersetzungsvertrag mit allen Gesellschaftern geschehen. Mit dem Ausscheiden verliert der Gesellschafter seine Stellung mit allen Rechten und Pflichten innerhalb der GbR.700 Sein Anteil am Gesellschaftsvermögen wächst gem. § 738 Abs. 1 S. 1 BGB den übrigen Gesellschaftern zu. Zusätzlich erwirbt er einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Herausgabe seiner zur Verfügung gestellten Gegenstände, einen Zahlungsanspruch in Höhe seines Anteils bei fiktiver Liquidation und einen Befreiungsanspruch für die gemeinschaftlichen Schulden, vgl. § 738 Abs. 1 S. 2 BGB.701 Im Außenverhältnis haftet der ausscheidende Gesellschafter aber für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die bis zum Austrittszeitpunkt entstanden sind, wie bisher persönlich und gesamtschuldnerisch. GrundsätzBGH vom 15.10.2007 - II ZR 136/06 -, MDR 2008, 92 f. BGHZ 154, 370, 372 ff. mit eingehender Begründung, die hauptsächlich auf dem Wesen der Personengesellschaft ohne garantiertes Haftungskapital beruht. Zustimmend Ulmer, ZIP 2003, 1113, 1115 f. m. w. N.; a. A. Armbrüster, ZGR 2005, 34, 49 ff. 700  Vgl. BGHZ 79, 374, 378. 701  Die vorliegende Aufzählung von Ansprüchen ist nur beispielhaft. Weiterhin hat der ausscheidende Gesellschafter etwa einen Anspruch auf Erstellung einer Abschichtungsbilanz. Zudem muss er nach § 739 BGB für den Verlust anteilig aufkommen, sofern der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht ausreicht, vgl. MünchKomm/Carsten/Schäfer, § 738 BGB, Rn. 23 ff. 698  699 

§ 12  Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)

211

lich unterliegen diese Ansprüche einer Verjährungsfrist von maximal fünf Jahren gem. § 736 Abs. 2 BGB iVm. § 160 HGB, ab Kenntnis des jeweiligen Gläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters.702

IV. Netzwerkbezug Auch die Regelungen für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts lassen einen Netzwerkbezug erkennen. Im Innenverhältnis sind die Auswirkungen jedoch gering. Hier besteht eine netzwerkartige Organisationsstruktur erst bei der Beteiligung von mehr als zwei Gesellschaftern. Ein Beispiel für netzwerkbedingte Auswirkungen zeigt sich im Zusammenhang mit einer vereinbarten Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen. In den Fällen kann über die Gesellschaftsebene unter Umständen ein bestimmtes Verhalten eines anderen Gesellschafters erzwungen werden. Weitere Bezüge kommen etwa bei Treuhandkonstellationen vor, bei denen ein Treuhänder als Gesellschafter für einen Kapitalgeber fungiert. In einer solchen Konstellation hat die Rechtsprechung trotz des Verbotes in § 717 BGB eine Übertragung von Teilnahme-, Einsichts-, Informations-, Kontroll- und Stimmrechten an den Treugeber im Gesellschaftsvertrag gebilligt (vgl. § 12 II 1.). Insofern erkennt die überwiegende Auffassung tatsächliche Durchgriffsmöglichkeiten über verschiedene Mittelsmänner selbst innerhalb der gesellschaftlichen Organisation rechtlich an. Bedeutende Netzwerkbezüge existieren allerdings bei der Beteiligung von außenstehenden Dritten. Während bei der Innengesellschaft eine Abgrenzung der einzelnen Beziehungen zwischen den Personen herrscht, sind bei der Außengesellschaft sogar verbindungsbasierte Durchgriffsmöglichkeiten zulässig. Mangels einer Vertretung der Innengesellschaft nach außen kommen Verträge nur zwischen dem Dritten und dem handelnden Gesellschafter zustande. Eine Durchgriffsmöglichkeit des Dritten zur Befriedigung seiner Ansprüche im Fall der unterlassenen Erfüllung des handelnden Gesellschafters gegenüber dem untätig gebliebenen Gesellschafter der Innengesellschaft gibt es nicht. Es haftet nur der Schuldner mit den ihm zugeordneten Vermögenswerten. Der Grund liegt darin, dass der Handelnde nicht als Gesellschafter, sondern als eigenständige Person auftritt. Neben dem fehlenden Vertrauensschutz des Dritten spricht zudem der auf interne Verbindung angelegte Gesellschaftsvertrag gegen eine weitergehende Haftung.703 Anders verhält es sich bei der Außengesellschaft. Trotz Rechtsfähigkeit einer solchen Gesellschaft muss sogar ein einzelner Gesellschafter grundsätzlich für die Erfüllung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen, obwohl die Gesellschaft und nicht der Gesellschafter Teil des Schuldverhältnisses ist. Allein die Verbindung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter führt also zu einer Durchgriffshaftung. Reichhold, NJW 1994, 1617, 1621; Saenger, Rn. 220. Kindler, § 10, Rn. 117, § 11, Rn. 92; Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 181; MünchKomm/Ulmer/Schäfer, § 705 BGB, Rn. 275 ff.; Staudinger/Habermeier, § 705 BGB, Rn. 60. 702 

703 Vgl.

212

2. Teil, 2. Abschn.:  Gesellschaftsrecht

Neben der Haftung für Altverbindlichkeiten zeigen sich auch im Zusammenspiel mit anderen Zurechnungsnormen die weitreichende rechtliche Erfassung von netzwerkorientiertem Verhalten und die Achtung dementsprechender Verbindungen. Hier gilt es insbesondere § 31 BGB zu nennen. Als Folge der verbindungstechnischen Durchgriffshaftung darf etwa ein Dritter von einem unbeteiligten Gesellschafter Ersatz verlangen, wenn er von einem anderen geschäftsführenden Gesellschafter in Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit einen Schaden zugefügt bekommen hat. Gegenüber außenstehenden Dritten erlischt diese Haftung selbst bei einem Austritt des Gesellschafters nicht. Für bestehende Gesellschaftsverbindlichkeiten kann er bis zu fünf Jahre nach Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden akzessorisch in Anspruch genommen werden (dazu im Einzelnen § 12 III.). Ebenso unterliegt der eintretende Gesellschafter einer umfassenden Durchgriffshaftung. Mit der Entstehung der gesellschaftsrechtlichen Verbindung haftet dieser für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dies betrifft zudem die Altverbindlichkeiten gegenüber Dritten. Gleichzeitig partizipiert der neue Gesellschafter aber regelmäßig an der bestehenden Marktstellung der Gesellschaft und hat Zugriff auf ihre Verbindungen zu außenstehenden Dritten, insbesondere Kundenbeziehungen.704

§ 13  Bruchteilsgemeinschaft I. Grundlagen Die Bruchteilsgemeinschaft hat der Gesetzgeber in den §§ 741 ff. BGB normiert. Eine solche Gemeinschaft liegt vor, wenn ein Recht mehreren Personen zu bestimmten Anteilen zusteht.705 Ein solches Recht kann beispielsweise das Eigentum an einer Sache sein, vgl. §§ 1008 ff. BGB. Zur Entstehung gelangt eine Bruchteilsgemeinschaft durch Rechtsgeschäft oder kraft Gesetzes. Selbst beim beteiligten Personenkreis herrschen keine engen Grenzen, sodass die Einbeziehung natürlicher und juristischer Personen sowie von Personengemeinschaften möglich ist. Das Recht steht nicht allen gemeinschaftlich und ungeteilt als Gesamthand zu.706 Ebenso kommt es weder zu einer Bildung eines Sondervermögens noch existiert die Möglichkeit zur Einbringung von Gegenständen. Auch der Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks bedarf es nicht zwangsläufig. Vielmehr genügt schon die gemeinsame Innehabung des Rechts.707

704 

BGHZ 154, 370, 374. Kübler/Assmann, S. 29; MünchKomm/Schmidt, § 741 BGB, Rn. 1. 706 MünchKomm/Schmidt, § 741 BGB, Rn. 2, 6. 707  Saenger, Rn. 6. 705 

§ 13  Bruchteilsgemeinschaft

213

II.  Rechte und Pflichten Nach überwiegender Auffassung ist die Bruchteilsgemeinschaft kein Rechtssubjekt und kann nicht selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein.708 Aufgrund der genauen Zuordnung der Teile hat aber jeder Rechtsinhaber die Möglichkeit gem. § 747 S. 1 BGB, über seinen Bruchteil frei zu verfügen, sodass Übertragungen an Dritte zulässig sind.709 Ein Verzicht zwischen den Beteiligten auf die Übertragung hat nur eine schuldrechtliche Wirkung im Innenverhältnis.710 Ebenso wird den Teilhabern in § 749 BGB ein Aufhebungsanspruch der Gemeinschaft zugestanden. Die Verwaltung obliegt den Beteiligten gemeinschaftlich, §§ 744 f. BGB. Rechtlich nehmen daher die Gerichte und die Literatur zwischen den Teilhabern ein gesetzliches Schuldverhältnis an.711

III. Netzwerkbezug Auch die Bruchteilsgemeinschaft erfasst netzwerkorientierte Erscheinungen. Trotz des faktischen Zusammenhanges aufgrund des einheitlichen Rechts sind hierbei jedoch die rechtlichen Bindungen zwischen den Teilhabern einer Bruchteilsgemeinschaft eher weniger stark. Neben dem Regelfall des jederzeitigen Kündigungsrechts zeigt sich die Schwäche vor allem durch die unbegrenzte Verfügungsmöglichkeit über den eigenen Anteil in § 747 BGB.

Eisenhardt/Wackerbarth, Rn. 188; MünchKomm/Schmidt, § 741 BGB, Rn. 3 f. § 741 BGB, Rn. 2. 710  Saenger, Rn. 6. 711  BGHZ 62, 243, 246 f.; Kübler/Assmann, S. 29; Riesenhuber, S. 65 ff. mit eingehender Auseinandersetzung gegenüber der Art der Beziehung zwischen den Anteilsinhabern. 708 

709 MünchKomm/Schmidt,

214

2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

3. Abschnitt

Sachenrecht 2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

Ein weiteres Gebiet innerhalb des Zivilrechts ist das Sachenrecht. Im Wesentlichen geht es hier um die Zuordnung von Sachen zu Personen und die Befugnisse gegenüber anderen.712 Besondere Bedeutung haben dabei vor allem die Übertragungen und die Belastungen von beweglichen Sachen.

§ 14  Übereignung Die Übereignung von beweglichen Sachen wird in den §§ 929 ff. BGB geregelt. Wegen des Abstraktions- und Trennungsprinzips bedarf es prinzipiell der strikten Trennung zwischen der dinglichen Ebene und der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung.713

I. Grundtatbestand Nach § 929 S. 1 BGB setzt eine Übereignung zunächst eine Einigung und Übergabe voraus.714, 715 Unter einer solchen Einigung versteht man einen dinglichen Vertrag, in dem die Beteiligten die Übertragung des Eigentums auf dem Erwerber vereinbaren.716 Hierbei gelten die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Verträge,717 insbesondere müssen zwei korrespondierende Willenserklärungen vorliegen.718 Wolf/Wellenhofer, § 1, Rn. 1. etwa § 433 Abs. 1 S. 1 a. E. BGB. Grundsätzlich wird zwischen dem Kausalbzw. Verpflichtungsgeschäft einerseits und dem jeweiligen Verfügungsgeschäft andererseits unterschieden. Beide Geschäfte sind voneinander unabhängig. Als Folge der abstrakten Geschäfte kann das eine wirksam sein und das andere nicht. Dementsprechend müssen beide gesondert betrachtet und gegebenenfalls selbstständig rückabgewickelt werden. Nur bei schwerwiegenden Mängeln kann es zu einem Durchschlagen des Fehlers vom einen Vertrag zu dem anderen kommen, die sogenannte Fehleridentität, vgl. Wolf/Wellenhofer, § 3, Rn. 13. 714 MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 1; Prütting, Rn. 371. 715  Für eine wirksame Übereignung muss neben einer Einigung und Übergabe insbesondere die Berechtigung des Veräußerers und keine abhandengekommene Sache gem. § 935 BGB vorliegen. Eine fehlende Berechtigung kann allerdings gegebenenfalls durch einen zulässigen guten Glauben des Erwerbers gem. § 932 BGB ersetzt werden. 716  So zumindest die ganz h. M. BGH vom 24.6.1958 - VIII ZR 205/57 -, NJW 1958, 1133, 1134; Baur/Stürner, § 5, Rn. 5; Prütting, Rn. 372; Soergel/Henssler, § 929 BGB, Rn. 16; Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 8 m. w. N. 717  Zu den Voraussetzungen für wirksame Rechtsgeschäfte zählen insbesondere die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit, Willensmängel, Bedingungen, Vertretung, Einwilligung und Genehmigung. 718 Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 8, Soergel/Henssler, § 929 BGB, Rn. 16. 712 

713  Vgl.

§ 14  Übereignung

215

Neben der Einigung bedarf es als weitere Voraussetzung für eine wirksame Übereignung der Übergabe. Was unter einer Übergabe zu verstehen ist, wird gesetzlich nicht ausdrücklich definiert.719 Nach allgemeiner Auffassung genügt allerdings hierfür eine beiderseitig gewollte Übertragung des Besitzes vom Veräußerer auf den Erwerber. Zu einem vollständigen Vollzug kommt es jedoch erst, wenn auf Veranlassung des Veräußerers der alleinige Besitz auf der Erwerberseite besteht und auf der Veräußererseite der vollständige Besitz aufgegeben wurde.720 Die Verschaffung von Mitbesitz reicht nicht.721 In der Regel geschieht die Besitzverschaffung durch Realakt mit der Einräumung des unmittelbaren Besitzes, d. h. mit der Verschaffung der tatsächlichen Gewalt über die Sache iSd. § 854 Abs. 1 BGB. Möglich ist aber auch eine Übertragung des Besitzes durch Rechtsgeschäft gem. § 854 Abs. 2 BGB.722 Sollte der Erwerber schon im Besitz der Sache sein, lässt § 929 S. 2 BGB allein die Einigung bezüglich des Eigentumsübergangs zu. Einer Rückgabe mit erneuter Besitzverschaffung bedarf es in einer solchen Konstellation nicht. Weiterhin muss als dritte Voraussetzung die dingliche Einigung zwischen den Parteien noch im Zeitpunkt der Übergabe wirksam sein. Eine einmal abgegebene Einigungserklärung bindet nicht bis zur Übergabe.723 Das sogenannte Einigsein wird aber grundsätzlich vermutet, solange die andere Vertragspartei keinen Widerruf erklärt.724 Schließlich bedarf es neben Einigung, Übergabe und Einigsein noch der Berechtigung des Veräußerers. Auch diese muss bis zur Einigung und Übergabe fortbestehen. Die Berechtigung zur Eigentumsübertragung hat grundsätzlich derjenige, dem die Verfügungsbefugnis obliegt. In der Regel ist dies der rechtmäßige Eigentümer. Beschränkungen bei der Verfügungsbefugnis existieren jedoch beispielsweise für Eigentümer, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, die Sachen bereits unter Eigentumsvorbehalt veräußert haben (§ 161 BGB), für Ehegatten die im gesetzlichen Güterstand leben (§§ 1365, 1369 BGB) und Vorerben (§§ 2113 ff. BGB). Unabhängig von den Einschränkungen kann sich eine Berechtigung allerdings etwa daraus ergeben, dass der tatsächliche Rechtsinhaber den Verfügenden (und an sich Nichtberechtigten) für die Übereignung gem. § 185 Abs. 1 BGB ermächtigt.725

719 

Wadle, JZ 1974, 689, 691. BGH vom 22.2.2010 - II ZR 286/07 -, NJW-RR 2010, 983; Wolf/Wellenhofer, § 7,

720 Vgl.

Rn. 7. 721  BGH vom 10.1.1979 - VIII ZR 302/77 -, NJW 1979, 714. 722  Prütting, Rn. 376. 723  Dies ergibt sich aus dem Fehlen einer dem § 873 Abs. 2 BGB entsprechenden Regelung im Mobiliarsachenrecht, vgl. Palandt/Bassenge, § 929 BGB, Rn. 9. 724  BGH vom 14.11.1977 - VIII ZR 66/76 -, NJW 1978, 696. 725  Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 19 ff.

2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

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II.  Hilfspersonen bei der Übereignung Obwohl der historische Gesetzgeber für eine Übergabe vom Leitbild eines unmittelbaren Besitzwechsels zwischen Veräußerer und Erwerber durch „Geben und Nehmen“ ausging726 sowie gegenüber einer Übereignung unter anderem mittels eines Besitzkonstituts vom Veräußerer auf den Erwerber zweifelnd gegenüberstand,727 hat die Rechtsprechung nicht zuletzt aufgrund der Regelungen in den §§ 930, 931 BGB schon frühzeitig einen expansiven Standpunkt vertreten. Bereits das Reichsgericht betonte, dass für eine Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB nicht „der Veräußerer mit eigener Hand die Sache in die eigene Hand des Erwerbers geben müsse“. Darüber hinaus schließen die Vorschriften für die Übergabe die Einschaltung eines Mittelsmanns auf Erwerberseite oder Veräußererseite grundsätzlich nicht aus. Besonders aufseiten des Erwerbers ist eine Inanspruchnahme zulässig, wenn die Hilfsperson für ihn die tatsächliche Gewalt ergreift ohne diese für den Erwerber infrage zu stellen.728 1. Besitzdiener Eine wirksame Übergabe sollte schon früh in der Rechtsprechung mit Hilfe eines Besitzdieners möglich sein.729 Besitzdiener ist gem. § 855 BGB, wer im Haushalt, Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis, kraft dessen er sich bezüglich der Sache den Weisungen des anderen unterwirft, für diesen die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt. Obwohl der Besitzdiener den direkten Zugriff auf die Sache hat, gilt er nicht als Besitzer. Durch den weisungsgemäßen Umgang mit der Sache handelt er quasi nur als verlängerter Arm des Besitzherrn.730 Zur Unwirksamkeit einer solchen besitzrechtlichen Zuordnung führt jedoch nicht schon ein rechtlich fehlerhaftes Abhängigkeitsverhältnis. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlichen Befolgungen der Weisungen des Besitzherrn durch den Besitzdiener und insbesondere dessen Unterordnungswille.731 Eine wirksame Übergabe iSd. § 929 BGB liegt danach beispielsweise vor, wenn der Veräußerer die gekaufte Sache nicht dem Erwerber persönlich gibt, sondern an dessen instruierten Fahrer.732 Schon durch die Übergabe an den Fahrer erlangt der Erwerber den tatsächlichen Besitz. Ebenfalls kann es zum Beispiel in einem solchen Fall zur Übereignung der gekauften Sache an den Erwerber kommen, wenn die dingliche Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber vorweg stattfand und bis zur Übergabe fortwirkt bzw. der Fahrer für die Abgabe der dinglichen Einigungserklärung vom ErwerMartinek, AcP 188 (1988), 573, 582; Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 1, 46. § 929 BGB, Rn. 49; Motive III, S. 97 ff., 335. 728  RGZ 137, 23, 25. 729  RGZ 137, 23, 25. 730  Medicus, AT, § 54, Rn. 895. 731 Erman/Lorenz, § 855 BGB, Rn. 6; MünchKomm/Joost, § 855 BGB, Rn. 7. 732  Vgl. Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 48. 726 

727 Soergel/Henssler,

§ 14  Übereignung

217

ber gem. § 164 BGB bevollmächtigt war.733 Ungeachtet der Verschiedenheit von Besitz und rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen besteht nämlich kein Exklusivitätsverhältnis. Eine Person darf die Eigenschaften sowohl des Besitzdieners als auch des Stellvertreters erfüllen.734 Denkbar ist zudem eine Zuhilfenahme von Besitzdienern sowohl auf Veräußerer- als auch auf Erwerberseite. Trotz direkter Aushändigung des Gegenstandes zwischen beiden Besitzdienern wären in einem solchen Fall wegen der Regelung in § 855 BGB lediglich der Veräußerer und der Erwerber (nacheinander) die unmittelbaren Besitzer der Sache.735 Daneben hält es die Rechtsordnung sogar für zulässig, dass etwa der Veräußernde gleichzeitig als Besitzdiener des Erwerbers handelt, es also zu einer Umwandlung des Besitzverhältnisses736 kommt.737 Für eine Übergabe reicht es in solchen Fällen jedoch nicht aus, dass die Sache nur gekennzeichnet oder symbolisch übergeben wird.738 Vor dem selben Hintergrund sind auch Übereignungen zu sehen, bei denen das Weisungsverhältnis eines Besitzdieners zum Eigentümer endet und sich beide darüber einigen, dass Sachen, die der Besitzdiener für den Eigentümer im Rahmen seiner Tätigkeit verwendet hatte, der Person des Besitzdieners übereignet werden. Trotz fehlender räumlich-physischer Bewegung liegt eine Übergabe nach § 929 S. 1 BGB vor. Deutlich geht hieraus hervor, dass neben der tatsächlich-räumlichen Sachherrschaft auch Herrschaftsverhältnisse über Gegenstände durch Sozialbeziehungen infolge allgemeiner Lebensanschauung entstehen, die wiederum unter Umständen sogar zu einer Übergabe führen.739 Ebenso verhält es sich mit einer lediglich mündlichen Vereinbarung einer solchen Besitzdienerstellung des Veräußerers durch den Erwerber. Zur Vermeidung von Scheinübereignungen sind allerdings erhöhte Anforderungen zu stellen und eine nachweisliche tatsächliche Eingliederung in das Herrschaftsverhältnis des Erwerbers zu fordern.740 2. Besitzmittler Neben der Tätigkeit eines Besitzdieners ist die Einschaltung eines Besitzmittlers eine weitere Möglichkeit unter Zuhilfenahme eines Dritten die Übergabe iSd. §§ 929 ff. BGB wirksam zu erreichen. Erste Anhaltspunkte für die Zulässigkeit von Besitzmittlern geben schon die gesetzlichen Regelungen in den §§ 930, 733  Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 9. Im Übrigen wird natürlich unterstellt, dass die sonstigen allgemeinen Voraussetzungen für eine Übereignung gegeben sind. 734  RGZ 71, 248, 252; Medicus, AT, § 54, Rn. 895. 735  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 586. 736  Wegen § 855 BGB nicht von Fremdbesitz zu Eigenbesitz, sondern von Eigenbesitz des Veräußerers zu Eigenbesitz des Erwerbers. 737  Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Arbeitnehmer sein Auto seinem Arbeitgeber für den dienstlichen Gebrauch verkauft. 738  RGZ 77, 201, 207 ff. 739  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 584 f. 740 Soergel/Henssler, § 929 BGB, Rn. 59; Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 49.

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

931 BGB. Nach diesen Vorschriften kann die Übergabe durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen Erwerber und Veräußerer, vgl. § 930 BGB, sowie durch Abtretung des Herausgabeanspruchs vom Veräußerer gegen seinen Besitzmittler an den Veräußerer ersetzt werden (§ 931 BGB). Selbst der Wortlaut des § 929 S. 1 BGB geht nicht von einer direkten Übergabe vom Erwerber zum Veräußerer aus, sondern lediglich von einer Übergabe der Sache.741 Neben der Übertragung des unmittelbaren Besitzes genügt also ebenfalls die Verschaffung des mittelbaren Besitzes für eine Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB. Nach § 868 BGB wird unter einem Besitzmittler eine Person verstanden, die eine Sache willentlich kraft eines Vertragsverhältnisses besitzt, welches sie zeitlich zum Besitz gegenüber dem Vertragspartner berechtigt oder verpflichtet.742 Aufgrund des Besitzmittlungsverhältnisses ist im einfachsten Fall die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache hat, unmittelbarer Besitzer und der Vertragspartner mittelbarer Besitzer, also zum Beispiel der Vermieter. Darüber hinaus kann der Vertragspartner des unmittelbaren Besitzers seinerseits vertraglich zum Besitz gegenüber einem Dritten berechtigt sein. In dem Fall gilt auch der Dritte als mittelbarer Besitzer,743 sogenannter mehrstufiger mittelbarer Besitz gem. § 871 BGB.744 Ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen beiden Besitzern erfordert eine ausdrückliche oder stillschweigende Vertragsvereinbarung. Möglich ist sogar ein Vertragsschluss im Rahmen eines Insichgeschäftes, wenn die Voraussetzungen des § 181 BGB vorliegen745.746 Schließlich können die Beteiligten das Besitzmittlungsverhältnis als antizipiertes Besitzkonstitut vor Inbesitznahme der Sache vereinbaren, sodass der mittelbare Besitz mit Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft beim unmittelbaren Besitzer beginnt.747 Ein solches antizipiertes Besitzkonstitut

Martinek, AcP 188 (1988), 573, 591. Palandt/Bassenge, § 868 BGB, Rn. 1. 743 MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 9. 744  Soweit keine anderen Angaben gemacht werden, geht die vorliegende Arbeit aus Vereinfachungsgründen immer vom Grundfall des mittelbaren Besitzes aus. 745  Gem. § 181 BGB ist ein Insichgeschäft insbesondere wirksam, wenn es vom Vertretenen gestattet wurde oder nur in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Solche Fälle kommen in der Praxis oft im Zusammenhang mit Einkaufskommissionen oder anderen Formen des Einkaufs auf fremde Rechnung vor. Nach wohl überwiegender Auffassung wird für eine solche Vertragsbegründung eine objektive Erkennbarkeit bei der Selbstkontraktion bzw. bei der Umwandlung des Eigenbesitzes in Fremdbesitz verlangt, vgl. BGH vom 8.6.1989 - IX ZR 234/87 -, NJW 1989, 2542, 2543; RGZ 140, 223, 229 f.; MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 12. 746  BGH vom 8.6.1989 - IX ZR 234/87 -, NJW 1989, 2542, 2543. 747  BGH vom 18.11.1963 - VIII ZR 198/62 -, NJW 1964, 398; MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 12. 741 

742  Vgl.

§ 14  Übereignung

219

setzt allerdings eine inhaltliche Bestimmtheit voraus.748 Im Übrigen bedarf auch ein gewöhnliches Besitzmittlungsverhältnis konkreter Rechte und Pflichten, um den sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz zu wahren.749 Neben der Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses wird ein solches obendrein durch Hoheitsakt oder Gesetz zugelassen.750 Selbst hierbei muss jedoch der mittelbare Besitzer die Sache vom Partner des Besitzmittlungsverhältnisses herausverlangen können, was durch die Formulierung „auf Zeit“ in § 868 BGB zum Ausdruck kommt.751 Ob dagegen ein befristetes oder unbefristetes, aber kündbares Besitzmittlungsverhältnis vorliegt, spielt keine Rolle.752 Wegen der Entstehungsgeschichte753 und dem Wortlaut der Norm754 reicht sogar ein unwirksames Besitzmittlungsverhältnis aus, wenn der mittelbare gegen den unmittelbaren Besitzer einen Anspruch auf Herausgabe755 einfordern kann und letzterer diesen anerkennt sowie Besitzmittlungswillen hat.756 748  Nach der sogenannten Beobachtungsformel des BGH ist die Bestimmtheit im Fall einer Übereignung gegeben, „wenn es aufgrund einfacher äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden kennt, ohne weiteres ersichtlich ist, welche individuell bestimmten Sachen übereignet worden sind“, vgl. BGH vom 3.7.2000 - II ZR 314/98 -, NJW 2000, 2898; vom 13.1.1992 - II ZR 11/91 -, NJW 1992, 1161; vom 31.1.1979 - VIII ZR 93/78 -, NJW 1979, 976, 977. Dies muss auch für ein antizipiertes Besitzmittlungsverhältnis gelten, MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 12 iVm. MünchKomm/Oechsler, § 930 BGB, Rn. 24 iVm. MünchKomm/Oechsler, Anhang nach §§ 929-936 BGB Sicherungseigentum – Sicherungsübereignung, Rn. 5. 749 Inwieweit die Rechte und Pflichten bestimmt sein müssen, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Nach überwiegender Auffassung genügt aber ein abstraktes Besitzmittlungsverhältnis nicht. Entscheidend sei weniger die einzelne rechtliche Begründung als vielmehr der Herausgabeanspruch, vgl. BGH vom 2.5.1979 - VIII ZR 207/78 -, NJW 1979, 2308, 2309; MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 14. 750 Palandt/Bassenge, § 868 BGB, Rn. 6. 751 MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 11. Als ausreichend gilt dabei auch, dass der mittelbare Besitzer nicht an sich, sondern Herausgabe an einen Dritten fordert, vgl. LG Mainz vom 17.6.1953 - 3 S 43/53 -, NJW 1954, 194, 196. Ferner ist es für einen wirksamen Herausgabeanspruch zulässig, wenn dem unmittelbaren Besitzer in Aussicht gestellt wird, unter bestimmten Voraussetzungen Eigentümer und endgültiger Besitzer zu werden, RG vom 4.2.1913 - 312/12 VII -, JW 1913, 492, 493. 752  H. M. RGZ 90, 218, 219; Wieling AcP 184 (1984), 439, 453 f. m. w. N. 753  Mugdan, S. 54, 516 f. 754  In § 868 BGB wird nur von einem Besitz „als“ Nießbraucher, Pfandgläubiger usw. ausgegangen, aber nicht von einem Nießbrauch, Verpfändung oder sonstigen wirksamen Vertragsverhältnis, MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 15; Wolff/Raiser, S. 34. 755  Ein solcher Herausgabeanspruch kann beispielsweise aus Bereicherungsrecht, den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder § 985 BGB folgen. 756  So zumindest die h. M., vgl. BGH vom 19.1.1955 - IV ZR 135/54 -, NJW 1955, 499; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 868 BGB, Rn. 16 m. w. N.; a. A. für den Fall eines rechtsgeschäftlichen Besitzmittlungsverhältnisses das RG, nachdem ein Besitzmittlungsverhältnis zwar nicht wirksam sein muss, es aber einer (rechtswirksamen) Willensübereinstimmung

220

2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

Weitere Voraussetzung ist die Besitzrechtsableitung des mittelbaren Besitzers. Sie erfordert, dass der mittelbare Besitzer dem unmittelbaren Besitzer nicht nur den Besitz, sondern auch die Rechtsstellung dazu ableitet. Die Rechtsstellung des Oberbesitzers muss also gleich bzw. umfassender sein als die des unmittelbaren Besitzers.757 Ein berücksichtigungsfähiges Besitzmittlungsverhältnis erfordert zudem einen Besitzmittlungswillen des unmittelbaren Besitzers. Ein solcher Wille liegt vor, wenn der unmittelbare Besitzer den Besitz wegen des Besitzmittlungsverhältnisses ausüben will und dabei seine Herausgabepflicht gegenüber dem mittelbaren Besitzer anerkennt.758 Eine derartige Unterwerfung bedarf besonderer Untersuchung, wenn die Übergabe von einem Veräußerer direkt an einen Besitzmittler des Erwerbers erfolgt. Hierbei soll festgestellt werden, ob der empfangende Besitzmittler von seiner Rolle als Fremdbesitzer gegenüber dem erwerbenden Oberbesitzer Kenntnis hat und nicht von einer Annahme für sich selbst als Eigenbesitzer ausgeht.759 Ebenso muss sich sowohl der Besitz als auch der Wille auf die Sache als ganze beziehen und nicht nur auf einen ideellen Teil davon beschränken.760 Ein solcher Wille hat zudem keinen rechtsgeschäftlichen, sondern einen natürlichen Charakter.761 Weiterhin setzt die Verbindung eine Erkennbarkeit dieses Willens voraus.762 Geheime Vorbehalte sind dagegen entsprechend § 116 BGB unbeachtlich, wenn der Besitzmittlungswille objektiv sichtbar erklärt wurde, wie etwa durch einen Vertrag.763 Andererseits muss auch der mittelbare Besitzer den Willen haben, den Besitz zu begründen. Bei vertraglichen Besitzmittlungsverhältnissen ergibt sich dieser schon aus dem Vertrag.764

bedarf. Daher soll Geschäftsunfähigkeit des mittelbaren Besitzers (RGZ 98, 131, 133) bzw. eine unwirksame Vertretung (RGZ 86, 262, 265) dem entgegenstehen. 757  OLG Düsseldorf vom 10.1.1951 - 9 U 166/50 -, NJW 1951, 444, 445; Baur/Stürner, § 7, Rn. 37 ff.; a. A. Wieling AcP 184 (1984), 439, 443 ff. m. w. N. 758  Zumindest für Besitzmittlungsverhältnisse die auf schuldrechtlichen oder dinglichen Vertrag beruhen, BGH vom 10.11.2004 - VIII ZR 186/03 -, NJW 2005, 359, 364. Begründet sich ein Besitzmittlungsverhältnis dagegen auf Gesetz, ist ein solcher Besitzmittlungswille nicht erforderlich, vgl. BGH vom 20.2.1953 - V ZR 72/51 -, NJW 1953, 697. 759  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 593. 760  BGH vom 10.11.1982 - V ZR 245/81 -, NJW 1983, 568, 569. 761 MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 17. 762  Dagegen braucht der unmittelbare Fremdbesitzer nicht konkret wissen, wem er den Besitz genau vermittelt, BGH vom 18.11.1963 - VIII ZR 198/62 -, NJW 1964, 398. Die Unwichtigkeit der Kenntnis von der Person des mittelbaren Besitzers folgt schon aus dem Rechtsgedanken des § 870 BGB, MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 17. 763  BGH vom 25.5.1979 - I ZR 147/77 -, NJW 1979, 2037, 2038. 764 Bei unwirksamen Besitzmittlungsverhältnissen soll der Besitzbegründungswille (fort-)bestehen. Als problematisch gilt der Besitzbegründungswille in der Regel nur bei Verträgen zugunsten Dritter, wo der Dritte den Besitz erlangen soll. Hier ist ein erkennbarer Besitzbegründungswille erforderlich, vgl. Palandt/Bassenge, § 868 BGB, Rn. 8; Soergel/ Stadler, § 868 BGB, Rn. 5, a. A. MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 13, 21.

§ 14  Übereignung

221

Gerade durch die Intensität der Abhängigkeit unterscheidet sich der Besitzmittler vom Besitzdiener. Der Besitzmittler ist zwar aufgrund des Besitzmittlungsverhältnisses nebst Herausgabeanspruch an den mittelbaren Besitzer gebunden, jedoch nicht weisungsabhängig, sodass er stetigen Zugriff auf den Gegenstand ohne Beachtung seines Willens dulden müsste.765 Zum Besitzerwerb mit einem Besitzmittler kommt es beispielsweise, wenn nicht der Erwerber direkt den unmittelbaren Besitz erlangt, sondern der Veräußerer dem Besitzmittler des Erwerbers absprachegemäß die unmittelbare Sachherrschaft über den Gegenstand übergibt und dieser auf der Grundlage des Besitzmittlungsverhältnisses den Besitz an den Erwerber willentlich vermittelt.766 Dagegen liegt im Zusammenhang mit einem Besitzmittler keine Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB vor, wenn der Eigentümer und der Besitzmittler das zwischen ihnen bestehende Besitzmittlungsverhältnis aufheben und sich über den Eigentumsübergang einigen. Vielmehr muss diese Konstellation dem § 929 S. 2 BGB zugeordnet werden, bei dem als Übergabe schon die einverständliche Umwandlung von Fremdbesitz in Eigenbesitz genügt.767, 768 Schließlich darf keine Gleichsetzung des Besitzmittlers mit dem Stellvertreter erfolgen, da letzterer rechtsgeschäftliche Handlungen erbringt und ersterer tatsächliche Verbindungen absichert.769 Zu einer Übereignung nach § 929 S. 1 BGB kommt es insoweit, wenn sich insbesondere der Veräußerer mit dem bevollmächtigten Besitzmittler des Erwerbers (dinglich) geeinigt und vor allem der Veräußerer seinen eigenen Besitz zugunsten des Besitzmittlers vollkommen aufgegeben hat.770 Ungeachtet dessen können natürlich sowohl auf Veräußererseite als auch aufseiten des Erwerbers gleiche oder verschiedene Mittelspersonen zur Hilfe genommen werden.771 Möglich ist sogar die kombinierte Inanspruchnahme von Besitzdienern und Besitzmittlern auf beiden Seiten.772 3. Geheißperson Trotz der erweiterten Interpretation der Erwerbstatbestände durch das Reichsgericht bestand schon in der Vergangenheit ein starkes Bedürfnis nach zusätzlicher 765 MünchKomm/Joost,

§ 868 BGB, Rn. 7. Baur/Stürner, § 51, Rn. 16. 767  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 585. 768  Auch im umgekehrten Fall, wenn sich also der Besitz des Erwerbers von Eigenbesitz in Fremdbesitz durch Begründung eines Besitzmittlungsverhältnis wandelt, liegt mangels Eigentumsverlustes des Veräußerers keine Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB vor. Vielmehr ist dies ein Fall des § 930 BGB. 769 MünchKomm/Joost, § 868 BGB, Rn. 7. 770  Wolf/Wellenhofer, S. 79 f., Rn. 10. 771  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 597 f.; für den Fall des Besitzmittlers vgl. Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 12. 772 Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 48. 766 

222

2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

Anpassung. Gerade die wirtschaftliche Entwicklung im Handel konnte selbst mit Hilfe von Besitzmittlern und Besitzdienern nicht angemessen rechtlich beurteilt werden. Sinnbild für die Notwendigkeit stellt das sogenannte Streckengeschäft dar, bei dem die Warenlieferung nicht mehr vom Hersteller über den Groß- und Einzelhändler zum Kunden erfolgt, sondern direkt vom Hersteller zum Endkunden.773 Konkret liegt ein solcher Fall etwa vor, wenn ein Händler eine Maschine beim Hersteller kauft, diese dem Fabrikanten weiterverkauft und einige Tage später dem Hersteller zur Auslieferung an den Fabrikanten anweist.774 Während schuldrechtlich im Verhältnis zwischen Hersteller und Händler Erfüllung gem. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB durch die Leistung an einen Dritten, dem Fabrikanten, und im Verhältnis Händler und Fabrikant Erfüllung gem. § 267 Abs. 1 BGB infolge Leistung durch einen Dritten, nämlich dem Hersteller, erfolgt, ist die Übereignungslage nicht unumstritten.775 Obwohl der Hersteller die Maschine unmittelbar dem Fabrikanten ausliefert, wird eine direkte Übereignung zwischen beiden mehrheitlich abgelehnt. Nach überwiegender Auffassung würde eine solche Auslegung in der Regel nicht dem wirklich Gewollten der Parteien gem. §§ 133, 157 BGB und der allgemeinen Interessenlage bei einem derartigen Geschäft entsprechen. Auf der einen Seite habe der ausliefernde Hersteller keine Kenntnis über das Grundgeschäft zwischen Händler sowie Fabrikant – weiß also grundsätzlich nicht, ob der Fabrikant etwa Käufer, Leasingnehmer oder dergleichen sei. Demzufolge besitze der Hersteller ebenso keine zuverlässige Kenntnis, ob er, wie nach einem geschlossenen Kaufvertrag, eine Übereignungserklärung oder, wie bei einem Mietvertrag, eine schlichte Überlassungserklärung abgeben soll. Selbst dann, wenn nur eine Übereignung und keine andere Erklärung gewollt sei, bleibe auf der anderen Seite unklar, ob und unter welcher Bedingung diese erfolgen soll. Schließlich könnten auch Übereignungen beispielsweise unter einem Eigentumsvorbehalt gem. §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB erklärt werden, weil der Käufer den Kaufpreis nicht vollständig erbracht habe und daher ratenweise abzahle.776 Demzufolge lehnen die höchstrichterliche Rechtsprechung777 und die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur778 in solchen Fällen eine einzige ÜberMedicus/Petersen, BR, Rn. 565. das Schuldbeispiel. Unabhängig davon können beliebig viele Zwischenhändler eingeschaltet sein. Zur besseren Darstellung wird jedoch auch hier vom Grundfall eines Streckengeschäfts ausgegangen, soweit nichts anderes vermerkt ist, vgl. Bamberger/Roth/ Kindl, § 929 BGB, Rn. 31. 775  Baur/Stürner, § 51, Rn. 17. 776  Baur/Stürner, § 51, Rn. 17; Caemmerer, JZ 1963, 586, 587; Medicus/Petersen, BR, Rn. 671. 777 BGHZ 36, 56 ff.; BGH vom 8.11.1972 - VIII ZR 79/71 -, NJW 1973, 141; vom 14.3.1974 - VII ZR 129/73 -, NJW 1974, 1132; vom 22.3.1982 - VIII ZR 92/81 -, NJW 1982, 2371; vom 9.11.1998 - II ZR 144/97 -, NJW 1999, 425; vom 8.12.1992 - XI ZR 44/92 -, ZIP 1993, 98; vom 10.12.1975 - VIII ZR 179/74 -, JuS 1976, 396. 778  Weitnauer, NJW 1974, 1729 ff.; Picker, NJW 1974, 1790; Olshausen, JZ 1975, 29 ff.; Schmidt, JuS 1982, 858; ders., NJW 1999, 400; Hager, ZIP 1993, 1446; Wadle, JZ 1974, 773 

774  So

§ 14  Übereignung

223

eignung ab und gehen stattdessen von mehreren Tatbeständen aus, dem sogenannten Zwischen- bzw. Durchgangseigentum779. Rechtstechnisch wird im obigen Fall die Aufforderung des Händlers an den Hersteller, die Maschine an den Fabrikanten auszuliefern, als dingliches Einigungsangebot vom Händler an den Hersteller gewertet und in der Auslieferung dessen korrespondierende Annahme durch den Hersteller. Darüber hinaus sieht die überwiegende Auffassung in der Auslieferung der Maschine zudem das dingliche Angebot des Händlers an den Fabrikanten, das dieser wiederum aufgrund der Abnahme konkludent annehme780.781 Andere Stimmen gehen in solchen Fällen dagegen von antizipierten Einigungen aus. Die dinglichen Einigungen sollen danach schon bei Abschluss des zugrunde liegenden schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts im Vorhinein abgegeben werden.782 Auch die Übergabe kommt rechtlich in mehreren Teilakten zustande. Probleme bereitet hierbei, dass der Händler (zumindest nach der allgemeinen Lebensanschauung) nie die Maschine tatsächlich in den Händen 689 ff.; Medicus/Petersen, BR, Rn. 563 ff.; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 601 ff.; Bamberger/Roth/Kindl, § 929 BGB, Rn. 32. Ebenso Wieling, JZ 1977, 291, 294, der eine Direktübereignung nur annehmen will, wenn der Lieferant die ausdrückliche Weisung erhält an den Endabnehmer direkt zu übereignen. 779  Laut einer anderen Ansicht erscheint je nach Fallgestaltung auf der Grundlage der Absprache zwischen den Beteiligten auch eine unmittelbare Übereignung in Form des Direkterwerbs möglich. Der Empfänger der Waren werde seine eigene Erklärung an den richten, den es angehe, vgl. Olshausen, JZ 1975, 29, 30. Ein solcher Direkterwerb könne etwa mit Hilfe des § 185 Abs. 1 BGB erfolgen, Flume, in: FS Ernst Wolf, S. 61, 64. Einer derartigen Konstruktion wird jedoch schon entgegengehalten, dass der Verkäufer seiner vertraglichen Verpflichtung nur durch Übereignung nachkommen könne und nicht durch Erteilung einer Übereignungsermächtigung nach § 185 Abs. 1 BGB. Auch wenn eine Übereignungsermächtigung im Rahmen des § 366 Abs. 1 HGB üblich sei, könne diese Praxis allerdings nicht verallgemeinert werden, vgl. MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 71. Ebenso a. A. Lopau, JuS 1975, 773, 774, der einen Zwischenerwerb als juristisch spitzfindige und lebensfremde Annahme betrachtet. 780 Nach Wieling, JZ 1977, 291, 295 soll der Endabnehmer sogar eine Erklärung auf Erwerb des Eigentums an alle Beteiligten abgeben, weil er die Vereinbarungen zwischen den einzelnen Beteiligten nicht kenne und den sichersten Weg für eine wirksame Übereignung wählen wolle. 781  Baur/Stürner, § 51, Rn. 17. Nach Wieling, JZ 1977, 291, 295 soll sogar der Zugang der Annahmeerklärung nicht erwartet werden und gem. § 151 BGB entbehrlich sein; a. A. Münch­Komm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 70, der alternativ eine Lösung über Boten vorschlägt. Danach gebe der Lieferant eine dingliche Übereignungserklärung an den Veräußerer ab, die der Erwerber als Erklärungsbote des Veräußerers annehme. Gleichzeitig überbringe der Lieferant als Bote des Veräußerers eine dingliche Übereignungserklärung zugunsten des Erwerbers, welche wiederum gegenüber dem Lieferanten als Erklärungsboten des Veräußerers angenommen werde. 782 Bamberger/Roth/Kindl, § 929 BGB, Rn. 32; Baur/Stürner, § 51, Rn. 17 als alternativer Lösungsansatz. Wobei diese Vorschläge mit einer Kopplung der kaufvertraglichen Einigungen mit denen der dinglichen eine sehr starke Lockerung des Trennungsgrundsatzes darstellen, vgl. Westermann/Gursky/Eickmann, § 38, Rn. 13.

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hält. Diesen Mangel versucht die überwiegende Auffassung mit der Annahme der sogenannten Geheißperson zu überbrücken. Die Übergabe an der Maschine soll danach im obigen Fall zwischen Hersteller und Händler durch den Fabrikanten als Geheißperson für den nicht anwesenden Händler stattfinden. Ferner bewerkstelligt die Position in dem Verhältnis Händler und Fabrikant die Übergabe unter Zuhilfenahme des Herstellers als Geheißperson des Händlers.783 Da das Gesetz einen Erwerb durch Geheißpersonen nicht ausdrücklich vorsieht, herrscht Unsicherheit über die rechtliche Herkunft. Zumindest der Begriff „Geheiß“ soll erstmals von Martin Wolff 784 im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb erwähnt worden sein.785 Rechtsdogmatisch stützt die herrschende Auffassung die Übergabe mittels Geheißperson auf dem in § 934 2. Fall BGB enthaltenen Rechtsgedanken.786 Laut dieser Norm könne eine Person, konkret ein Nichtberechtigter, ohne jeglichen eigenen Besitz an der Sache durch Abtretung des Herausgabeanspruchs übereignen. Der gutgläubige Erwerber werde Eigentümer, wenn er den Besitz an der Sache von dem Dritten erlange. Nach dem Gesetzgeber biete die Besitzeinräumung des Dritten an den Erwerber eine hinreichende Grundlage für eine Anerkennung und ein nachvollziehbares Vertrauen auf das Eigentum des Veräußerers.787 Der Rechtsgedanke, den Besitz unter Anerkennung des fremden Eigentums aufzugeben, soll damit unabhängig, ob es vom Veräußerer selbst oder einem Dritten geschehe, im Gesetz verankert und verallgemeinerungsfähig sein.788 Im Übrigen setze der Wortlaut des § 929 S. 1 BGB nur die Übergabe der Sache, aber nicht die Übertragung des Besitzes vom Veräußerer direkt auf den Erwerber voraus. Vielmehr sei es im Rahmen der Übereignung vom Berechtigten sogar grundsätzlich offen, von welcher Person der Erwerber die Sache übertragen bekomme.789 § 929 BGB, Rn. 67; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 574. Wolff, S. 199. Erstmals in der 8. Aufl. wurde ausdrücklich davon gesprochen, dass es für die Übergabe ausreiche, wenn „auf Geheiß des Veräußerers der unmittelbare Besitzer seinen Besitz dem Erwerber überträgt.“ In den Vorauflagen war nur von einem Geheiß zum Beispiel im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Besitzmittlern die Rede. 785  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 602. 786  Gursky, Klausurenkurs im Sachenrecht, S. 75, Rn. 116; Wadle, JZ 1974, 689, 693; MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 68; Wolff/Raiser, S. 255 für den Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten; a. A. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 603, der die Vorschrift § 934 BGB für offen hält, weil der Erwerber den Besitz vom Dritten tatsächlich auf Geheiß des Veräußerers, durch Zufall oder allein wegen eines (vermeintlichen) Herausgabeanspruchs erlangt. Im Übrigen stehe einer Verallgemeinerung der Grundsatz „singularia non sun extendenda“ gegenüber. 787  Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band III, S. 209 f. 788  Wadle, JZ 1974, 689, 693. 789 Vgl. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 591 schon als Argument für die allgemeine Zulässigkeit von Besitzmittlern. 783 MünchKomm/Oechsler, 784 

§ 14  Übereignung

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Viele Stimmen fordern für eine wirksame Übereignung im Rahmen des Geheißerwerbs nach § 929 S. 1 BGB zudem, dass sich die Geheißperson an die Weisung ihres Geheißgebers hält bzw. unterwirft, was wiederum der Grund für die Verhaltenszurechnung sein soll.790 Die Weisungsmacht führt jedoch nicht zu einer besitzrechtlichen Beziehung. Geheißpersonen unterscheiden sich gerade von Besitzdienern und Besitzmittlern dadurch, dass sie keine besitzrechtliche Verbindung zum Geheißgeber haben,791 sondern höchstens792 schlichten unmittelbaren Besitz793. Dagegen übt ein Besitzdiener für seinen weisungsbefugten Vertragspartner gem. § 855 BGB den Besitz aus und der Besitzmittler vermittelt ihn nach § 868 BGB über das Besitzmittlungsverhältnis an seinen Oberbesitzer.794 Selbst die für jeden Geheißerwerb notwendige weisungsgetreue Tätigkeit der Geheißperson lässt zum Geheißgeber weder ein Besitzmittlungsverhältnis noch eine Besitzdienerschaft entstehen. Die Geheißperson besitzt noch nicht einmal als Fremdbesitzer, sondern vielmehr als Eigenbesitzer.795 Die weisungsgemäße Ausführung steht dafür, dass der Geheißgeber den Besitztransfer steuern kann und damit eine Art Besitzverschaffungsmacht hat.796 Letztere ist ausreichender Ersatz für die Voraussetzungen, die ursprünglich Besitz forderten.797 Ebenso sind Geheißpersonen von verfügungsberechtigten Nichteigentümern abzugrenzen. Unabhängig davon, dass eine Ermächtigung in der Regel nicht auf die Übergabe abzielt, sondern vielmehr auf die Verfügungsbefugnis, sodass der Handelnde im eigenen Namen über ein 790 MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 68; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 605 ff.; Caemmerer, JZ 1963, 586 ff. für den Fall des gutgläubigen Erwerbs. 791 MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 67 mit dem Verweis auf eine fehlende Zurechnung des Besitzes von der Geheißperson; Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 98. 792  Vor allem bei Besitzketten kann eine Geheißperson auch ohne Besitz sein. Eine Besitzkette liegt beispielsweise vor, wenn eine Sache vom Hersteller über drei Zwischenhändler an den Endverbraucher verkauft wird und der Hersteller direkt an den Endverbraucher liefert. In dem Fall werden die Zwischenhändler selbst keinen Besitz haben, obwohl sie Geheißpersonen sind, um die Übergabe zu konstruieren, vgl. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 619. Daneben war jedoch auch schon früher von anderen Autoren die Auffassung vertreten worden, die Übergabe sei durch die Mitwirkung von Gehilfen erreichbar. Brodmann meinte beispielsweise, es könne „die Übergabe einer Sache an den Käufer dadurch erfolgen, dass der Verkäufer seinen Lieferanten veranlasst, die Ware nicht ihm, sondern seinem Abnehmer zu liefern“, vgl. Planck/Brodmann, § 929 BGB, S. 357. 793  Zum Teil wird in den Fällen bei Geheißpersonen je nachdem, ob sie auf Seiten des Veräußerers oder Erwerbers tätig sind, vom veräußerungs- bzw. erwerberunabhängigen (isolierten) unmittelbaren Besitz gesprochen, Martinek, AcP 188 (1988), 573, 575. 794  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 600. 795 MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 68; Wadle, JZ 1974, 689, 693; a. A. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 610, der ein Besitzmittlungsverhältnis verneint, aber einen Fremdbesitzwillen bejaht. 796  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 612; MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 68; Wadle, JZ 1974, 689, 694. 797 MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 54, 68; Wieling, JZ 1977, 291, 295; Wadle, JZ 1974, 689, 692.

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fremdes Recht verfügt, führt sie auch zu einem Direkterwerb.798 Erst recht scheidet eine Qualifizierung der Geheißperson als Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) oder Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) aus, da es sich bei der Übergabe weder um einen rechtswidrigen noch schuldrechtswidrigen Akt handelt. Schließlich unterscheidet sich eine Geheißperson von einem Stellvertreter durch die Vornahme des Realaktes Übergabe, während letzterer bei einem Rechtsgeschäft tätig wird.799 Angepasst auf den Geheißerwerb setzt eine Übergabe nach § 929 S. 1 BGB aufseiten des Veräußerers also lediglich die gesteuerte Bewegung des Besitzes in Richtung des Erwerbers voraus. Dies kann durch die jeweils endgültige und vollständige Aufgabe des Besitzes oder den Untergang der Besitzverschaffungsmacht erfolgen. Letzteres wird damit erreicht, dass zum einen der Erwerber den Gegenstand endgültig bekommt und zum anderen die Geheißperson des Veräußerers jeden Besitzrest an der Sache aufgegeben bzw. der Veräußerer die Einwirkungsmöglichkeit sowohl auf die Geheißperson als auch auf die Sache verloren hat.800 Demzufolge ist die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB mit der Übertragung des Besitzes in Ausübung der Besitzverschaffungsmacht durch den Lieferanten vollzogen.801 Letztlich erfordert eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB keinen Besitz aufseiten des Veräußerers. Vielmehr reicht es schon aus, dass der Veräußerer dem Erwerber den Besitz verschafft (Besitzverschaffungsmacht). Darüber hinaus muss der Erwerber ebenso wenig Besitz in irgendeiner Form erlangen. Selbst auf dieser Seite des Übereignungsvorgangs genügt die Besitzerlangung durch einen vom Erwerber benannten Dritten.802 Der Ersterwerber nutzt im oben beschriebenen Ausgangsfall also sowohl den Zweiterwerber als auch den Erstveräußerer, um seine fehlende eigene Inbesitznahme zu überbrücken. Die Gewährleistung der Übereignung mit Hilfe von Geheißpersonen hat jedoch nicht nur Zustimmung ausgelöst. An der Lösung wird vor allem der fehlende Besitz der Personen kritisiert, die die Geheißpersonen nutzen.803 Nach dieser Position steht die rechtliche Konstruktion im Widerspruch zum Traditionsprinzip.804 Neben der dinglichen Einigung zwischen den Beteiligten sei danach für die Übereignung zudem die Übergabe der Sache erforderlich.805 Dies soll der Publizität der rechtsgeMartinek, AcP 188 (1988), 573, 619. Wadle, JZ 1974, 689, 692. 800 MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 54. 801  BGH vom 22.3.1982 - VIII ZR 92/81 -, NJW 1982, 2371, 2372; OLG München vom 29.11.1956 - 6 U 1470/56 -, JZ 1957, 444; Caemmerer, JZ 1963, 586; Medicus/Petersen, BR, Rn. 564; MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 68 m. w. N.; Soergel/Henssler, § 929 BGB, Rn. 61; Jauernig/Berger, § 929 BGB, Rn. 14; Flume, in: FS Ernst Wolf, S. 61, 69 ff.; Tiedtke, S. 13 f. 802 Bamberger/Roth/Kindl, § 929 BGB, Rn. 31; Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 50. 803  Westermann/Gursky/Eickmann, § 38, Rn. 13; MünchKomm/Oechsler, § 929 BGB, Rn. 67; Wadle, JZ 1974, 689, 694. 804 Bamberger/Roth/Kindl, § 929 BGB, Rn. 31; Baur/Stürner, § 51, Rn. 17. 805  Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 49; eher weniger kritisch Martinek, AcP 188 (1988), 573, 576, 611 f., 614. 798 

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schäftlichen Übereignung dienen.806 Schließlich entfalte das Eigentum als absolutes Recht gegenüber jedermann Wirkung, sodass die Zuordnungsverhältnisse auch für alle klar erkennbar sein müssten.807, 808, 809 Geheißpersonen können sowohl aufseiten des Veräußerers als auch auf der des Erwerbers auftreten.810 Sind mehrere Geheißpersonen in einem Streckengeschäft hintereinander geschaltet, haben sie untereinander eine sogenannte Weiterleitungsbefugnis des Geheißes. Zu einem derartigen Fall kommt es beispielsweise, wenn H aus Hamburg an B aus Berlin, diese an D aus Dresden, dieser wiederum an M aus München und schließlich diese an S aus Stuttgart eine Sache verkauft sowie die Lieferung von H direkt an S erfolgt. Die erste Übergabe zwischen H und B geschieht mit D als Geheißperson der Erwerberin B, wobei D zur Weitergabe des Geheißes auf der Erwerberseite von B befugt ist. D hat seinerseits M als Geheißperson mit Weiterleitungsbefugnis und M hat letztlich S als Geheißperson auf Erwerberseite bestimmt. Bei der zweiten Übergabe von B an D handelt H als Geheißperson auf Veräußererseite und M sowie S agieren als Geheißpersonen auf Erwerberseite. Im Rahmen der dritten Übergabe zwischen D zu M sind H und B auf Veräußererseite sowie S auf Erwerberseite Geheißpersonen. Schließlich wird bei der letzten Übergabe M-S erst D, dann B (jeweils mit Weiterleitungsbefugnis) und letztlich H als Geheißpersonen auf Veräußererseite für M tätig. Mit Ablieferung bei S läuft eine Übergabe nach der anderen automatisch durch, sodass jede Person zumindest für eine juristische Sekunde das Eigentum an der Sache erlangt.811 Selbstverständlich können neben Geheißpersonen auch Besitzdiener und Besitzmittler sowohl auf Erwerber- als auch auf Veräußererseite einzeln sowie kombiniert handeln.812 Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein Händler einen Hersteller Prütting, Rn. 38 f. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 576. 808  Zu Durchbrechungen des Traditionsprinzips kommt es, wenn die Übergabe durch Besitzkonstitute ersetzt wird. Solche Fälle liegen beispielsweise im Anwendungsbereich von § 929 S. 2 BGB, § 930 BGB und § 931 BGB vor, vgl. Baur/Stürner, § 51, Rn. 3; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 580. 809  Zur Vermeidung dieses Problems schlägt Baur/Stürner beispielsweise vor, die Auslieferungsvereinbarung zwischen Erstverkäufer und Erstkäufer als Besitzmittlungsverhältnis iSd. § 868 BGB nebst darauf aufbauender Sicherungsübereignung nach § 930 BGB anzusehen, Baur/Stürner, § 51, Rn. 17. 810  Wadle, JZ 1974, 689, 694. 811 Vgl. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 619 f. m. w. N.; Baur/Stürner, § 51, Rn. 17; BGH vom 8.11.1972 - VIII ZR 79/71 -, NJW 1973, 141, 142. 812  Martinek, AcP 188 (1988), 573, 574, 599 zum Teil wird in dem Zusammenhang auch zwischen echten und unechten Kombinationsfällen als auch nach der Anzahl der Stufen unterschieden. Bei einem Fall der unechten Kombination steht beispielsweise der Geheißperson auf der Seite des Veräußerers ein Besitzdiener bzw. Besitzmittler des Erwerbers gegenüber. Als echte Kombinationsfälle werden dagegen Konstellationen bezeichnet, in denen der Erwerb sowohl auf Erwerberseite als auch auf Veräußererseite durch Geheißpersonen erfolgt. Zudem grenzen einige anhand der Stufigkeit ab. Bei gleichstufigen Kombinations806  807 

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auf einer kaufvertraglichen Grundlage anweist, bei ihm befindliche Waren in Zukunft für einen Kunden einzulagern und dieser mit dem Kunden einen entsprechenden Verwahrungsvertrag abschließt.813

III.  Weitere Erwerbstatbestände Neben dem Grundtatbestand für eine Übereignung in § 929 S. 1 BGB regelt der Gesetzgeber in den §§ 930, 931 BGB weitere Formen der Eigentumsübertragung.814 Diese zusätzlichen Normen haben speziell die Übertragung im Zusammenhang mit einem Besitzmittlungsverhältnis zum Gegenstand und sind damit im Vergleich zu der Übergabe nach § 929 S. 1 BGB weniger offenkundig.815 Das Besitzmittlungsverhältnis ersetzt als sogenanntes Besitzkonstitut nur die herkömmliche Übergabe. Unabhängig vom Übergabesurrogat müssen in allen Fällen die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere die dingliche Einigung.816 1.  Übereignung nach § 930 BGB Sollte der Eigentümer im Besitz der zu übereignenden Sache sein, darf gem. § 930 BGB die Übergabe durch die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses ersetzt werden, wonach der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. Im Unterschied zu dem Leitbild der historischen Übereignung verliert der Veräußerer im Fall des § 930 BGB gerade nicht den vollständigen Besitz. Dieser Umstand beruht gegebenenfalls darauf, dass der Veräußerer den Übereignungsgegenstand noch nicht abnehmen kann, wie bei Baumaterialien für noch zu errichtende Baustellen, oder weil er die betreffende Sache momentan weiter nutzen will, wie in den Fällen der Sale-and-Lease-Back-Geschäfte. Hauptanwendungsfall dieser Art der Übereignung ist jedoch die Begründung von Kreditsicherheiten, das sogenannte Sicherungseigentum.817 fällen sind auf beiden Seiten eines einheitlichen Veräußerungs- und Erwerbsvorganges verschiedene Geheißpersonen tätig. Eine Sache wird von der Geheißperson G1 des Erwerbers an eine Geheißperson G2 des Veräußerers übereignet. Im Vergleich dazu handelt es sich bei einem zweistufigen Kombinationsfall um zwei nacheinander geschaltete Erwerbsvorgänge. Beispielsweise tritt bei einer Händlersituation der Händler sowohl als Erwerber als auch als Veräußerer auf. Der Erstveräußerer als auch der Letzterwerber sind dann neben ihrer Stellung als Veräußerer und Erwerber zusätzlich Geheißperson für den Ersterwerber/Zweitveräußerer (zum Beispiel Händler) in einem Dreipersonenverhältnis. Mehrstufige Kombinationsfälle liegen dann vor, wenn an der Veräußerungskette mehr als drei Personen beteiligt sind und die Lieferung vom Erstveräußerer direkt zum Letzterwerber erfolgt, die sogenannten Geheißketten. 813 Vgl. Baur/Stürner, § 51, Rn. 15; wohl a. A. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 603 f. m. w. N. 814 Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rn. 47; Soergel/Henssler, § 929 BGB, Rn. 49. 815  Westermann, Rn. 147. 816  Prütting, Rn. 379 f. 817  Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 28.

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2.  Übereignung nach § 931 BGB Als weitere Form der Eigentumsverschaffung ohne Übertragung des unmittelbaren Besitzes an den Erwerber sieht das Gesetz die Übereignung mittels Abtretung des Herausgabeanspruchs vor. Ist ein Dritter im Besitz der Sache, kann gem. § 931 BGB die Übergabe durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs an den Erwerber ersetzt werden. Neben der dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB bedarf es also in dem Fall des Abschlusses eines Abtretungsvertrages gem. § 398 BGB für den Herausgabeanspruch818. Durch diese Abtretung übertragen die Beteiligten den mittelbaren Besitz iSd. § 870 BGB vom Veräußerer auf die Erwerberseite und erfüllen die Übergabeanforderung. Im Übrigen müssen natürlich die sonstigen allgemeinen Voraussetzungen, wie beispielsweise Einigsein und Berechtigung des Veräußerers, für eine wirksame Übereignung vorliegen.819

IV.  Rechtsfolge der Übereignung Ist ein Übereignungstatbestand gegeben, erlangt der Erwerber Eigentum an der Sache. Die Position verleiht dem Eigentümer verschiedene Rechte und Befugnisse, vgl. § 903 BGB. Zu den Rechten zählt insbesondere der Anspruch auf Herausgabe gem. § 985 BGB. Dieser gilt jedoch nicht unbeschränkt. Vielmehr ist er nach § 986 BGB ausgeschlossen, wenn dem Anspruchsgegner ein eigenes oder ein abgeleitetes Recht zum Besitz zusteht. Eine zulässige Besitzableitung iSd. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, wenn der Dritte gegenüber dem Eigentümer ein Besitzrecht hat, das ihn zur Weitergabe des Besitzes an den Anspruchsgegner berechtigt.820 Neben der sogenannten Besitzrechtskette iSd. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB können im Fall der Übereignung nach §§ 929, 931 BGB zudem vom Besitzer Einwendungen aus dem Besitzmittlungsverhältnis gegenüber dem neuen Eigentümer geltend gemacht werden, § 986 Abs. 2 BGB. Entsprechendes gilt wegen der gleichen Interessenlage bei einer Übereignung nach §§ 929, 930 BGB. In beiden Situationen soll die Position des Besitzers keine Benachteiligung erfahren.821 Demzufolge berücksichtigt die Rechtsordnung selbst insofern netzwerkartige Verbindungen. 818  Neben den üblichen vertraglichen Herausgabeansprüchen beispielsweise aus Miete (§ 546 BGB) und Leihe (§ 604 BGB) kann dieser auch aufgrund eines unwirksamen Vertrages auf bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche nach §§ 812 ff. BGB oder Deliktsrecht gem. § 823 BGB iVm. § 249 BGB gestützt werden, Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 39. Streit herrscht darüber, ob der Anspruch aus § 985 BGB tauglicher Herausgabeanspruch ist, vgl. MünchKomm/Oechsler, § 931 BGB, Rn. 11, 15. Als ausreichend gilt auch ein künftiger Herausgabeanspruch. Besteht kein Herausgabeanspruch, wie bei besitzlosen Sachen, genügt die bloße Einigung, vgl. Palandt/Bassenge, § 931 BGB, Rn. 3. 819  Westermann, Rn. 147. 820 MünchKomm/Baldus, § 986 BGB, Rn. 4. 821  Kropholler, § 986 BGB, Rn. 3 f.; MünchKomm/Baldus, § 986 BGB, Rn. 40 f.

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V.  Erwerb vom Nichtberechtigten Neben dem Eigentumserwerb vom Berechtigten hat der Gesetzgeber zudem Erwerbsmöglichkeiten vom Nichtberechtigten geschaffen. Der bedeutendste Grund hierfür ist der Wille des Gesetzgebers die Verkehrsfähigkeit von Eigentumsübertragungen zu gewährleisten.822 Ohne die Vorschriften würde jede rechtsgeschäftliche Übereignung823 mit dem Risiko belastet sein, die Sache vom wahren Eigentümer weggenommen zu bekommen und zusätzlich die Gegenleistung verloren zu haben.824 Die gesetzlichen Regelungen für den rechtsgeschäftlichen Erwerb vom Nichtberechtigten für bewegliche Güter finden sich in den §§ 932 ff. BGB. Daneben gibt es eine Reihe anderer Vorschriften, die einen Erwerb vom Nichtberechtigten erlauben, etwa für Grundstücke in § 892 BGB.825 1.  Übereignung nach §§ 929 S. 1, 932 BGB Liegt eine Übereignung durch einen nichtberechtigten Veräußerer vor, die im Fall seiner Berechtigung unter die Regelung des § 929 S. 1 BGB fallen würde, kann § 932 BGB weiterhelfen. Grundsätzlich müssen für eine Übereignung nach §§ 929, 932 BGB zuerst dieselben Voraussetzungen erfüllt sein, wie bei einer Übereignung von einem berechtigten Veräußerer. Erforderlich ist danach also die Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber, die Übergabe in Form eines Besitzerwerbes auf Erwerberseite durch Veranlassung des Veräußerers nebst korrespondierenden restlosen Besitzverlust auf Veräußererseite sowie die anhaltende Einigung bis zum Abschluss der Übergabe, das sogenannte Einigsein.826 Schließlich darf das fehlende Eigentum des Veräußerers an der Sache mit einer Gutgläubigkeit des Erwerbers beim Besitzerwerb ersetzt werden827, sofern die Sache nicht abhandenkam.

Wadle, JZ 1974, 689, 695 f. Die §§ 932 ff. BGB finden grundsätzlich keine Anwendung für Übereignungen kraft Gesetzes. Vielmehr werden nur rechtsgeschäftliche Eigentumserwerbe erfasst. Aber auch bei dieser Art von Übereignungen gelten die Regelungen nur für Verkehrsgeschäfte. Kein Verkehrsgeschäft liegt vor, wenn – wirtschaftlich oder rechtlich – auf Erwerberseite dieselben Personen stehen wie auf Veräußererseite, vgl. Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 2. 824 MünchKomm/Oechsler, § 932 BGB, Rn. 1. 825  Aus Vereinfachungsgründen soll die Darstellung auf den Erwerb von beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten beschränkt bleiben. 826  Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 7, § 8, Rn. 5 f.; Wieling, JZ 1977, 291, 295; Staudinger/ Wiegand, § 932 BGB, Rn. 23. 827  Vom mangelnden Eigentum des Veräußerers ist in dem Fall eine fehlende Geschäftsfähigkeit und Verfügungsbefugnis zu unterscheiden. Grundsätzlich kann nur das fehlende Eigentum des Veräußerers durch die §§ 929 ff. BGB ersetzt werden. Eine Ausnahme gilt hiervon allerdings nach § 366 HGB. Laut der Vorschrift darf ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörende Sache ohne Erlaubnis des Befugten weiterveräußern, vgl. Baur/Stürner, § 52, Rn. 29 f. m. w. N. 822  823 

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Eine Gutgläubigkeit des Erwerbers liegt gem. § 932 Abs. 2 BGB vor, wenn ihm nicht bekannt und nicht wegen grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache einem anderen als dem Veräußerer gehört. Neben positiver Kenntnis schadet also auch die besonders grobe Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nebst Außerachtlassen, was sich jedem hätte aufdrängen müssen828. Unter besonderen Umständen besteht sogar eine Verpflichtung des Erwerbers zur Nachprüfungsund Informationstätigkeit.829 Für die Beurteilung sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, insbesondere Art, Gegenstand, geschäftliche Begleiterscheinungen sowie wirtschaftliche und persönliche Verhältnisse der Beteiligten.830 Diese Gutgläubigkeit des Erwerbers muss zudem bis zum Eigentumserwerb, also bis zur letzten Erwerbshandlung andauern.831 Je nachdem was später eintritt, kann dies die aufschiebend bedingte Einigungserklärung oder der endgültige Besitzerwerb aufseiten des Veräußerers sein.832 Eine weitere spezifische Voraussetzung für einen wirksamen Erwerb vom Nichtberechtigten ist, dass der Erwerbsgegenstand nicht abhandenkam. Nach § 935 Abs. 1 BGB darf die Sache hierfür weder ohne noch gegen den Willen des Besitzers aus dessen Herrschaftsbereich ausscheiden.833 Insoweit entscheidet der natürliche und nicht der rechtsgeschäftliche Wille des unmittelbaren Besitzers. Sachen sind daher nicht abhandengekommen, wenn sie aufgrund einer Täuschung oder eines Irrtums aus dem Machtbereich des unmittelbaren Besitzers ausgeschieden sind. Anders beurteilt werden allerdings Ausübungen physischer Gewalt und Drohungen, die eine freie Willensbildung gar nicht mehr ermöglichen, weil in den Fällen der Besitzwechsel gegen den natürlichen Besitzwillen vollzogen wird.834 Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs von abhandengekommenen Sachen durch den Nichtberechtigten besteht dagegen nach § 935 Abs. 2 BGB bei Geld, Inhaberpapieren und Gegenständen, die bei einer öffentlichen Versteigerung oder einer Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB erworben wurden.835 a) Hilfspersonen Neben den unmittelbaren Handlungen des Veräußerers und Erwerbers im Fall des Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten nach §§ 929, 932 BGB können sogar 828  BGH vom 9.2.2005 - VIII ZR 82/03 -, NJW 2005, 1365, 1366; vom 18.6.1980 - VIII ZR 119/79 -, NJW 1980, 2245, 2246; vom 11.5.1953 - IV ZR 170/52 -, NJW 1953, 1139. 829  Bartels, AcP 205 (2005), 687 ff. 830  BGH vom 11.5.1953 - IV ZR 170/52 -, NJW 1953, 1139; vom 13.9.2006 - VIII ZR 184/05 -, NJW 2006, 3488, 3489; OLG München vom 12.12.2002 - 19 U 4018/02 -, NJW 2003, 673; Palandt/Bassenge, § 932 BGB, Rn. 11. 831  Baur/Stürner, § 52, Rn. 28. 832 Jauernig/Berger, § 932 BGB, Rn. 16. 833  RGZ 101, 225, 226 f. 834 Jauernig/Berger, § 935 BGB, Rn. 4; Soergel/Henssler, § 935 BGB, Rn. 5; einschränkend Staudinger/Wiegand, § 935 BGB, Rn. 11. 835  Baur/Stürner, § 52 E IV, Rn. 47 ff.

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Dritte zum Einsatz kommen. Während die Vertreter und Boten eine Befugnis für die rechtsgeschäftliche Einigung mit der anderen Vertragsseite haben, darf für die Übergabe die Hilfe von Besitzdienern (§ 855 BGB), Besitzmittlern (§ 868 BGB) und Geheißpersonen in Anspruch genommen werden836. Die Übergabe erfordert hierbei nur eine Besitzübertragung der Sache vom Veräußerer als angeblichen Eigentümer.837 b)  Hilfspersonen und Gutgläubigkeit Die Beteiligung von Hilfspersonen beeinflusst mitunter die Beurteilung der Gutgläubigkeit. Probleme bereitet insoweit vor allem, wenn tatsächlich keine Geheißperson auftritt, sondern nur der Schein einer solchen erweckt wird. Schulbeispiel ist hierfür ein Fall mit einer Kohlelieferung.838 Vereinfacht dargestellt hat sich der Sachverhalt wie folgt abgespielt: Eine Person E hat gegen Vorauszahlung Kohlen auf Abruf bei einem Händler V bestellt. Die Bestellung wurde allerdings nach Abruf nicht von V, sondern wegen einer Bitte des V von einer dritten – ebenso als Kohlenhändler tätigen – Person G abgearbeitet, weil V seinen eigenen Handel im Zeitpunkt des Abrufes aufgegeben hatte. G schlug nämlich der Person V vor, als sein Vertreter auf Provisionsbasis tätig zu sein. Bei der Lieferung durch G erklärte dieser einen Eigentumsvorbehalt gegenüber E auf dem Lieferschein. Einen Hinweis auf V erhielt der Lieferschein dagegen nicht. Ebenso wenig hatte E weder bei Bestellungsabruf noch bei Lieferung durch G Kenntnis von der Geschäftsaufgabe des V. Als G von E die Zahlung der Kohlen verlangte, hielt sie ihr die Zahlung an V entgegen und verweigerte die Herausgabe der Kohlen. Nach der Entscheidung des BGH hat E wirksam Eigentum an den Kohlen erlangt. Die für die Übereignung nötige Einigung und Übergabe sei gegeben. Eine dingliche Einigung soll schon zwischen den ursprünglich beteiligten Personen E und V vorliegen. Sogar eine Übergabe bejaht der BGH. Insoweit reiche neben einer Besitzverschaffung mit Hilfe von Besitzdienern, Besitzmittlern und Geheißpersonen selbst eine solche durch eine scheinbare Geheißperson. Die Bestimmung der Hilfsperson erfolge aus der Sicht des Erwerbers. Mangels erkennbarer Anhaltspunkte von einer Nichtberechtigung des V bzw. von einer fehlenden Geheißstellung des G müsse E als gutgläubig angesehen werden.839 Folglich hat der BGH in dem Fall eine Übereignung der Kohlen an E nach §§ 929, 932 BGB angenommen. Streitig ist hierbei insbesondere, ob eine vermeintliche Geheißstellung für eine wirksame Übergabe ausreicht und aus welcher Sicht die Bestimmung stattzufinden hat. Eine Reihe von Stimmen in der Literatur840 haben sich der Rechtsprechung

§ 932 BGB, Rn. 16; Baur/Stürner, § 52, Rn. 13. Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 6. 838  BGHZ 36, 56. 839  Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 7. 840  Musielak, JuS 1992, 713, 716 ff. m. w. N.; Prütting, Rn. 428. 836 Staudinger/Wiegand, 837 

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des BGH angeschlossen.841 Danach genügt es für eine Übergabe, wenn sich die Tätigkeit einer Person nach außen wie von einer wirklichen Geheißperson darstelle. Ob die Erscheinung als Handlung einer Geheißperson zu werten sei, beurteilt sich entsprechend der überwiegenden Auffassung nach der Sichtweise des Erwerbers. Der Grund hierfür wird in der Eigentumsübertragung nach §§ 929 ff. BGB gesehen. Als rechtsgeschäftliche Übereignung soll eine Deutung der Willenserklärungen und sonstigen Handlungen aus der Sicht des Leistungsempfängers erfolgen bzw. wie sie ein objektiver Betrachter verstehen müsse.842 Es sei also ausreichend, wenn sich beim Empfänger der Anschein verfestige, der Dritte unterwerfe sich dem Geheiß des Veräußerers und verschaffe dem Erwerber den Besitz. Nur durch die Auslegung auf der Grundlage des objektiven Empfängerhorizonts soll der Verkehrsschutz eine angemessene Berücksichtigung finden.843 In dem Zusammenhang betonen die Vertreter auch, dass die äußerlich erkennbare844 tatsächliche Sachherrschaft über einen Gegenstand nicht die einzige Grundlage für einen Rechtsscheintatbestand sei. Zwar habe der historische Gesetzgeber die „Inhabung“ und den Besitz der beweglichen Sache als Voraussetzung für den Gutglaubenserwerb gewertet,845 aber schon die Regelung des § 934 2. Alt. BGB lasse ebenso andere Formen für einen Vertrauensschutz genügen. Hier sei nicht die tatsächliche Sachherrschaft des Veräußerers, sondern die Herausgabe der Sache eines Dritten unter vermeintlicher Anerkennung des Eigentums vom Veräußerer der maßgebliche Vertrauenstatbestand. Als Rechtsscheintatbestand reiche also gleichfalls die äußerlich erkennbare Besitzverschaffungsmacht unter scheinbarer Anerkennung des Eigentums vom Veräußerer aus.846, 847 Im Übrigen sei selbst der Besitzerwerb dem ursprünglichen Eigentümer zuzurechnen. Durch die tatsächliche Übergabe des Besitzes ohne hinreichend erkennbare Aufklärung des Erwerbers über seine wirklichen Beweggründe müsse der ursprüngliche Eigentümer (und Lieferant) die Deutung aus der Sicht des Empfängers erwarten. Die Zurechnung gilt demnach als 841 Staudinger/Wiegand,

§ 932 BGB, Rn. 21 mit weiteren Nachweisen zum Streitstand. gehen in dem Zusammenhang davon aus, dass ein Endabnehmer mangels Kenntnis von den Vereinbarungen zwischen den anderen Beteiligten den Willen hat, von allen Beteiligten Eigentum zu erwerben, um die Gefahr von unwirksamen Übereignungen auszuschließen, Wieling, JZ 1977, 291, 295. Folge dieser Annahme kann dann sein, dass im obigen Fall Eigentum vom Berechtigten, also dem Lieferanten, nach § 929 BGB erworben wird. 843  BGH vom 14.3.1974 - VII ZR 129/73 -, NJW 1974, 1132, 1133 f.; vom 14.3.1974 - VII ZR 129/73 -, JZ 1975, 27, 28 f.; Soergel/Henssler, § 932 BGB, Rn. 14. 844  Im Gegensatz zu einem ausschließlich rechtlich definierten Besitz. 845  Motive III, 2. Aufl., S. 344. 846  Wieling, JZ 1977, 291, 295 f. Ein solcher Rechtsscheintatbestand kann auf einem durch Täuschung oder zufällig hervorgerufenen Irrtum des Lieferanten beruhen. Vgl. ebenso Soergel/Henssler, § 932 BGB, Rn. 13 a. E. 847 In dem Zusammenhang erfolgt auch der Hinweis darauf, dass durch die §§ 932 ff. BGB nicht das Vertrauen des Erwerbers an eine irgendwie geartete besitzrechtliche Beziehung geschützt werde, Soergel/Henssler, § 932 BGB, Rn. 14. 842  Einige

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geboten, wofür letztlich auch der interessengerechte Vertrauensschutz im Rechtsverkehr spreche.848 Für eine solche Risikoverteilung wird zudem die Wertung des § 935 Abs. 1 BGB herangezogen. Nach dieser Regelung dürfe kein Eigentumserwerb stattfinden, wenn der Besitz an der Sache ohne oder gegen den Willen des Eigentümers verloren würde. Dem Eigentümer obliege also bei derartigen Besitz­ änderungen das Risiko des Eigentumsverlustes, worunter auch das Risiko des Verständigungsmissverständnisses falle.849 Ebenso stellen manche insoweit auf die Freiwilligkeit des Besitzverlustes ab. Es mache danach keinen Unterschied, ob der Nichtberechtigte den ursprünglichen Eigentümer zuerst selbst täusche und dann das Eigentum darüber an den Enderwerber übertrage oder gleich an den ursprünglichen Eigentümer, sodass ohne Beteiligung des Nichtberechtigten vor Ort dieser als scheinbare Geheißperson das Eigentum an den Enderwerber übertrage.850 Nach anderer Auffassung soll dagegen in einem solchen Fall kein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929, 932 BGB möglich sein. Der Grund für die Gleichstellung zwischen der Übergabe allein durch den Veräußerer mit der auf Geheiß sei die tatsächliche Unterordnung der Geheißperson gegenüber dem Veräußerer, so die Unterwerfungstheorie.851 Hierdurch sei der Veräußerer, wie bei eigenem Besitz, der Herr über die Sache. Liege jedoch tatsächlich kein solcher Erwerbstatbestand vor, bedürfe es eines tragfähigen Rechtsscheintatbestandes. Allerdings könne der Rechtsschein des Besitzes nur durch eine tatsächliche Unterordnung der Geheißperson ersetzt werden. Den guten Glauben an das Vorliegen eines Rechtsscheinträgers schütze das Gesetz nicht. Eine solche Situation liege jedoch in dem obigen Fall vor, wenn der Eigentumserwerber vermeintlich von einer Geheißperson ausgehe, die sich scheinbar dem Veräußerer unterordne.852 Neben der Kritik an der Rechtsscheinbasis bringen manche in der Konstellation auch Zweifel gegenüber der Zurechenbarkeit vor. Grund für den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten und der daraus folgenden Enteignung des ursprünglichen Eigentümers sei die Besitzübertragung vom ursprünglichen Eigentümer auf den Nichtberechtigten schon vor der Übereignung des letzteren an einen gutgläubigen Erwerber. Ohne willentliche Besitzübertragung wäre die Sache dagegen abhandengekommen und ein gutgläubiger Erwerb gem. § 935 BGB nicht möglich. Handele der Lieferant

BGH vom 14.3.1974 - VII ZR 129/73 -, JZ 1975, 27, 29. § 932 BGB, Rn. 17. 850 Staudinger/Wiegand, § 932 BGB, Rn. 27. 851 Vgl. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 622 ff. mit detaillierter Darstellung aller Positionen und m. w. N.; Caemmerer, JZ 1963, 586 ff.; OLG München vom 29.11.1956 - 6 U 1470/56 -, NJW 1957, 875, 876. 852  Medicus/Petersen, BR, Rn. 564. Mit gleichem Ergebnis Lopau, JuS 1975, 773, 774 f., der von den Gutglaubensvorschriften nur den Mangel an der Verfügungsberechtigung geheilt sieht, nicht dagegen die fehlende Handlung auf Geheiß des Veräußerers. Zu beachten ist bei Lopau jedoch, dass er selbst davon ausgeht, es komme zu keinem Zwischen- bzw. Durchgangserwerb. 848 

849 MünchKomm/Oechsler,

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etwa aufgrund einer Täuschung tatsächlich ohne Geheiß853 und stelle es sich für den Empfänger lediglich als ein Handeln auf Geheiß dar, gebe es keinen Grund für eine nachvollziehbare Zurechnung. Entsprechend der Regelung in § 935 BGB bedürfe es einer bewussten Schaffung eines Rechtsscheintatbestandes durch den ursprünglichen Eigentümer. Eine irgendwie geartete Zurechnung oder die bloße Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheintatbestand reiche dagegen nicht aus. Insbesondere im letzteren Fall könne sonst ein Makler schon einen ausreichenden Rechtsscheintatbestand begründen, wenn er einen Vertrag mit einem Besitzwechsel vermittle.854 Laut der Rechtsprechung muss sich in dem Zusammenhang der gute Glaube des Erwerbers auf die Berechtigung des Verfügenden und die Handlung des Lieferanten auf Geheiß des Vertragspartners beziehen.855 Daneben wirft die Beteiligung der verschiedenen Hilfspersonen weitere Fragen auf. Vor allem beim Eigentumserwerb mittels Stellvertreter bereitet Probleme, wer beim Erwerb von einem Nichtberechtigten gutgläubig sein muss. Nach wohl überwiegender Meinung kommt es in einem solchen Fall entsprechend § 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis des Vertreters an. Eine Ausnahme wird allerdings dort gemacht, wo der Vertreter nach konkreten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt hat. In einer derartigen Konstellation müssen gem. § 166 Abs. 2 BGB beide Personen redlich sein, um das Gutgläubigkeitserfordernis zu erfüllen.856 Insofern ist auch nur auf die Person abzustellen, die mit dem dinglichen Einigungsvertrag in Verbindung steht. Erwirbt also eine redliche Person unter Zuhilfenahme ihres redlichen Vertreters von einem Nichtberechtigten, schadet eine Kenntnis der Hilfs­personen, wie Besitzdiener und Besitzmittler, bei der Übergabe vom fehlenden Eigentum nicht, wenn die Weiterleitung des Wissens an den Erwerber oder dessen Vertreter unterbleibt.857 Ferner findet eine Wissenszurechnung bei einer gesetzlichen Vertretungsmacht und bei Organen einer juristischen Person statt. Bei juristischen Personen wird die Kenntnis von der Nichtberechtigung unabhängig davon, ob das Organ daran beteiligt war oder nicht, als eigene zugerechnet.858 Im 853 Nach Olshausen, JZ 1975, 29, 30 liegt ein solcher Fall etwa vor, wenn ein Nichtberechtigter einen Brief des Eigentümers an den Endabnehmer abfängt, in welchem er den Endabnehmer eine bevorstehende Lieferung zur Ansicht ankündigt. Schließt dann der Nichtberechtigte mit dem Endabnehmer einen Kaufvertrag und kommt es zur kommentarlosen Lieferung des Eigentümers, wird der Endabnehmer von einer Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen des Nichtberechtigten ausgehen können. 854 Vgl. Olshausen, JZ 1975, 29, 30 f. 855  Lopau, JuS 1975, 773, 775. 856  Baur/Stürner, § 52, Rn. 32. 857  RGZ 137, 23, 27 f. 858  Insoweit ist streitig, ob die Zurechnung über § 166 BGB oder nach allgemeinem Grundsatz entsprechend § 31 BGB geschieht. Für eine Zurechnung gem. § 166 BGB, Soergel/Leptien, § 166 BGB, Rn. 4 und über § 31 BGB, Schmidt, GesellschaftsR, § 10 V 2b (S. 287 f.).

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

Vergleich zu einer natürlichen Person dürfen vor allem durch die Aufspaltung der Zuständigkeiten keine wesentlichen Unterschiede entstehen. Dies gilt ebenso für den Fall eines Mitarbeiterwechsels oder -ausschlusses. Als Voraussetzung für die Zurechnung im Fall der Abwesenheit gilt jedoch, dass es sich um einen geschäftlich bedeutenden Vorgang handelt und das Wissen bei ordnungsgemäßer Organisation aktenmäßig vermerkt sowie verfügbar wäre.859 c)  Hilfspersonen und abhandengekommene Sachen Die Beteiligung von Hilfspersonen hat ferner bei der Beurteilung des Ausschlussgrundes nach § 935 BGB wesentliche Bedeutung. Wurde die Sache etwa einem Besitzmittler übergeben, dann hat dieser unmittelbaren Besitz an ihr, sodass grundsätzlich sein Wille entscheidet, § 935 Abs. 1 S. 2 BGB. Gibt dieser also den Besitz an der Sache ohne Willen des Eigentümers auf, ist die Sache nicht abhandengekommen iSd. § 935 BGB. Die Regel wird zudem bei mehrfach gestuftem mittelbarem Besitz angewendet. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Sache ohne Willen des Besitzmittlers, aber mit Einwilligung des Eigentümers den unmittelbaren Besitz wechselt. Im letzteren Fall hat das Beharrungsinteresse des unmittelbaren Besitzers gegenüber dem Interesse des Eigentümers im Rahmen des § 935 BGB keinen Vorrang. Damit liegt in einer derartigen Konstellation keine abhandengekommene Sache vor.860 Manche versuchen zudem über die Besitzmittlereigenschaft und § 935 BGB eine Weiterübereignung bei nichtigem oder angefochtenem Grundgeschäft zu verhindern.861 Selbst bei Bejahung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen Veräußerer und Erwerber erscheint die Annahme einer abhandengekommenen Sache jedoch nicht gerechtfertigt. Schließlich übergibt der Weiterveräußerer (und Besitzmittler) als unmittelbarer Besitzer die Sache willentlich dem erwerbenden Dritten.

859  BGHZ 135, 202, 206 f.; BGH vom 13.10.2000 - V ZR 349/99 -, NJW 2001, 359, 360; Baur/Stürner, § 52, Rn. 32. 860 Soergel/Henssler, § 935 BGB, Rn. 4; Staudinger/Wiegand, § 935 BGB, Rn. 13. 861  Grundsätzlich mittelt ein Erwerber dem Veräußerer nicht den unmittelbaren Besitz. Vielmehr besitzt ein solcher Erwerber Eigen- und keinen Fremdbesitz. Ist das Grundgeschäft als auch die Übereignung nichtig oder angefochten und kommt die Sache abhanden, scheint ein gutgläubiger Erwerb möglich zu sein, weil nach § 935 BGB dem tatsächlichen Eigentümer, also dem Veräußerer, die Sache nicht abhandenkam. In einem solchen Fall nehmen einige jedoch ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber an. Ein solches Besitzmittlungsverhältnis soll stillschweigend aus dem hypothetischen Parteiwillen zwischen Veräußerer und Erwerber entstehen, weil dies im evidenten Interesse beider Parteien liege, vgl. Staudinger/Wiegand, § 935 BGB, Rn. 6; mit einer Ausdehnung des § 935 BGB auf nicht vermittelnde Besitzer Braun, JZ 1993, 391, 395 f.; a. A. Soergel/Henssler, § 935 BGB, Rn. 3 m. w. N., wonach bei Anwendung des Wortlautes von § 935 BGB dem Eigentümer der Besitz nicht abhandenkomme und daher ein gutgläubiger Erwerb eines Dritten möglich sei.

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Anders stellt sich die Situation beim Besitzdiener dar. Als abhandengekommen gilt eine Sache in dem Fall, wenn der Besitzdiener den Gegenstand weisungswidrig einem Dritten übergibt oder unterschlägt, weil er selbst weder Eigen- noch Fremdbesitz noch eine Berechtigung zur Übertragung des Besitzes vom Besitzherrn innehat.862 Eine Ausnahme von der Beurteilung des Besitzdieners erfolgt allerdings etwa im Rahmen von § 56 HGB. Angestellte in Läden und Warenlagern gelten zur Wegnahme von Sachen ermächtigt.863 Ebenso muss ein bevollmächtigter Besitzdiener den fehlenden Willen des Besitzherrn ersetzen können. Insoweit gibt es auch ein starkes Schutzbedürfnis beim Erwerber, da ein solcher Besitzdiener als Vertreter eine wirksame dingliche Einigung erklären darf.864 Bei juristischen Personen wird ein Abhandenkommen nach dem Besitzaufgabewillen des Vertretungsorgans bestimmt, das die tatsächliche Sachherrschaft für den Rechtsträger ausübt.865, 866 Schließlich ist eine Sache abhandengekommen, wenn ihre Veräußerung ohne das Einverständnis des Erbschaftsbesitzers geschieht. Nach § 857 BGB geht der unmittelbare Besitz des Erblassers auf den Erben über.867 Folglich bedarf es grundsätzlich dessen Zustimmung für eine wirksame Veräußerung.868 Im Ergebnis muss der ursprüngliche Eigentümer also dem nichtberechtigten Veräußerer allein oder über eine andere mit ihm verbundene Person den unmittel-

862 So die ganz überwiegende Position RGZ 71, 248, 252 f.; 106, 4, 5 f.; Baur/Stürner, § 52 E II, Rn. 39; Westermann/Gursky/Eickmann, § 49 I 6 m. w. N. Soergel/Henssler, § 935 BGB, Rn. 8 nach dem eine Gleichstellung zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei zeitlich geteilter Übertragung von Besitz und Eigentum führen würde und gegen den Gesetzeswortlaut verstoße, der an den Besitz und nicht ausschließlich an die tatsächliche Gewalt anknüpfe. A. A. Rebe, AcP 173 (1973), 186, 198 ff. m. w. N.; Westermann, Harry, § 49 I 6, S. 238 f. mit einer Differenzierung nach dem äußeren Anschein. Eine Sache soll danach abhandengekommen sein, wenn dem Eigentümer eine Verantwortlichkeit treffe, der Besitzer also mit Wissen und Wollen des Eigentümers nach außen wie ein unmittelbarer Besitzer auftrete und damit auf die Sache tatsächlich einwirken könne, Staudinger/Wiegand, § 935 BGB, Rn. 14 m. w. N. 863  Baur/Stürner, § 52 E II, Rn. 39; Prütting, Rn. 433. 864  Westermann/Gursky/Eickmann, § 49 I 6; Staudinger/Wiegand, § 935 BGB, Rn. 15, der allerdings ein Abhandenkommen annimmt, wenn das Organ außerhalb seiner Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht die Sache wegnimmt und dies nach außen offensichtlich erkennbar ist. Ein solcher Fall soll beispielsweise vorliegen, wenn keinerlei abstrakte und potentielle Zweckdienlichkeit bestehe. 865 Soergel/Henssler, § 935 BGB, Rn. 14; Westermann/Gursky/Eickmann, § 49 I 6. 866 Das Organ ist nicht Besitzdiener gem. § 855 BGB. Es hat vielmehr Organbesitz, weil nur natürliche Personen die vom Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft iSd. § 854 BGB über eine Sache ausüben können, vgl. Soergel/Stadler, § 854 BGB, Rn. 14. 867  Baur/Stürner, § 52 E II, Rn. 40. 868  Eine Ausnahme gilt allerdings, wenn dem Veräußerer ein Erbschein ausgestellt war, sodass über § 2366 BGB ein gutgläubiger Erwerb möglich ist.

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baren Besitz an der veräußerten Sache willentlich verschafft haben, sodass er den Gutglaubenserwerb selbst verursacht hat, das sogenannte Veranlassungsprinzip.869 2.  Weitere Tatbestände für einen Erwerb vom Nichtberechtigten Neben dem Erwerb vom Nichtberechtigten nach §§ 929 S. 1, 932 BGB hat der Gesetzgeber weitere Tatbestände normiert, die eine Übertragung trotz fehlender Befugnis zulassen. a)  Übereignung nach §§ 929 S. 2, 932 BGB Hat der Erwerber bereits Besitz an der Sache und soll die Übereignung durch schlichte dingliche Einigung nach § 929 S. 2 BGB erfolgen, ist ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten nur möglich, wenn zuvor der Besitz vom Veräußerer erlangt wurde, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB. Da kein Rechtsschein durch die herkömmliche Besitzübergabe im Rahmen des § 929 S. 2 BGB herrscht, muss zumindest der Erwerber den Besitz vor der dinglichen Einigungserklärung vom Veräußerer erhalten haben. Dies ist nötig, um nachvollziehbar davon ausgehen zu können, der Veräußerer wäre tatsächlicher Eigentümer, vgl. § 1006 BGB.870 Hierfür bedarf es jedoch keiner direkten Eigentumsübertragung. Es genügt schon jede Veranlassung bzw. Ermöglichung des Besitzerwerbs durch den Veräußerer, wenn ein ausreichender Rechtsschein entsteht. In der Regel erfüllen alle Formen der Besitzerlangung diese Voraussetzung, solange aufseiten des Veräußerers jeglicher Besitzrest erlischt.871 Grundsätzlich muss dabei derjenige auf Veräußererseite, für den der Rechtsschein spricht, sich des den Schein verursachenden Besitzes zugunsten des Erwerbers entäußern. Hat der Veräußerer nicht den unmittelbaren Besitz an der Sache, sondern liegt dieser bei einem der Veräußerung zustimmenden Dritten, erfordert dies, dass der Erwerber den Dritten gutgläubig für den Eigentümer hält.872 Auch in dem Fall ist also die Inanspruchnahme der üblichen Hilfspersonen – Besitzdiener, Besitzmittler, Geheißperson – zulässig.873 Abgelehnt wurde jedoch von der Rechtsprechung eine ausreichende Besitzerlangung von einer scheinbaren Ge869  Durch die §§ 932 ff. BGB wird deutlich, dass der Besitz der entscheidende Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten ist. Der vom Besitz ausgehende Anschein lässt grundsätzlich gegenüber dem Umfeld ein nachvollziehbares Vertrauen entstehen. Aus dem Grund hat der Gesetzgeber in § 1006 Abs. 1 BGB zugunsten eines Besitzers einer beweglichen Sache auch eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, der Besitzer sei Eigentümer dieser Sache. Diesem Vertrauenstatbestand wird auch in den §§ 932 ff. BGB Rechnung getragen, vgl. Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 1 ff.; Wadle, JZ 1974, 689, 695 f. 870 Vgl. BGH vom 10.11.2004 - VIII ZR 186/03 -, NJW 2005, 359, 363; Westermann/ Gursky/Eickmann, § 47 I 2. 871 Staudinger/Wiegand, § 932 BGB, Rn. 32 ff.; vgl. Baur/Stürner, § 52, Rn. 3. 872  BGHZ 56, 123, 127 ff. 873 Vgl. BGH vom 10.11.2004 - VIII ZR 186/03 -, NJW 2005, 359, 363 f.; Westermann/ Gursky/Eickmann, § 47 I 2.

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heißperson, die mit dem Veräußerer betrügerisch zusammenwirkte. Die Begründung eines mittelbaren Besitzes durch den redlichen Erwerber zum unmittelbaren Besitzer soll in einem solchen Fall einer Übereignung nach §§ 929 S. 2, 932 BGB nur genügen, wenn der unmittelbare Besitzer auf Anweisung des Veräußerers handelt.874 b)  Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB Ebenso kann ein Nichtberechtigter eine Sache mittels Besitzkonstituts nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB übereignen. Zu einem gutgläubigen Erwerb kommt es jedoch gem. § 933 BGB erst, wenn der Veräußerer die Sache dem Erwerber einverständlich als Eigenbesitz übergibt875 und letzterer bis dahin guten Glauben an die Berechtigung des vermeintlichen Eigentümers hat. Für einen gutgläubigen Erwerb muss allerdings das Besitzmittlungsverhältnis nicht bis zur Übergabe ununterbrochen fortbestehen.876 Für die Übergabe reicht die Begründung eines dauerhaften unmittelbaren Eigenbesitzes sowie mittelbarer Besitz.877 Neben der Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses im Rahmen des § 930 BGB mit dem Veräußerer selbst können auch in diesem Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten Besitzdiener und Besitzmittler aufseiten des Veräußerers und Erwerbers tätig werden.878 Für eine Übergabe iSd. § 933 BGB an den Erwerber unter Zuhilfenahme von Geheißpersonen ist indes erforderlich, dass diese den Besitz auf Geheiß des Erwerbers bekommen haben.879 Hat dagegen ein Dritter, ohne Hilfsperson des Erwerbers oder Veräußerers zu sein, Besitz erlangt, muss die Übergabe selbst dann abgelehnt werden, wenn nachträglich eine Zustimmung des Erwerbers durch Vereinbarung eines BGH vom 10.11.2004 - VIII ZR 186/03 -, NJW 2005, 359, 364. BGH vom 4.10.1976 - VIII ZR 65/75 -, NJW 1977, 42, 43. Die Übergabe muss vom Willen des Veräußerers gedeckt sein. In der Regel wird dies durch Einverständnis geschehen. Hierfür reicht sogar die Möglichkeit einer Wegnahme mit gleichzeitigem aktuell erkennbarem Einverständnis des Veräußerers. Dagegen genügt keine im Voraus erteilte Ermächtigung, da eine Übergabe iSd. § 933 BGB immer eine Mitwirkung des Übergebenden voraussetzt, die einerseits durch eine tatsächliche Verhaltensweise und andererseits durch einen Willen gekennzeichnet ist, vgl. BGHZ 67, 207, 210; a. A. Musielak, JuS 1992, 713, 718 nach dem ein einmal erklärter Besitzübertragungswille zulässig sein soll. Ebenso kann aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit keine Genehmigung einer Wegnahme für § 933 BGB genügen (BGH vom 28.9.1977 - VIII ZR 82/76 -, JZ 1978, 104, 106; a. A. Deutsch, JZ 1978, 385, 388 f. der in einem solchen Fall aber die Gutgläubigkeit des Erwerbers bis zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für erforderlich hält.). 876  BGH vom 14.11.1977 - VIII ZR 66/76 -, NJW 1978, 696, 697. 877 Soergel/Henssler, § 933 BGB, Rn. 8. 878 Vgl. Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 9. 879 MünchKomm/Oechsler, § 933 BGB, Rn. 4, 9; a. A. Martinek, AcP 188 (1988), 573, 641 f., der mit Verweis auf § 936 Abs. 1 S. 3 BGB für die Übergabe eine eigene Besitzposition des Erwerbers verlangt. Die Einschaltung einer Geheißperson auf Seiten des Erwerbers soll danach nicht ausreichen, da dies nur zu einer „isolierten“ Besitzerlangung führe. 874 

875 

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Besitzmittlungsverhältnisses mit dem Dritten erfolgt.880 Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929, 930, 933 BGB wird erst vollendet, wenn der Veräußerer jeden Besitzrest an den Erwerber verloren hat. Für die Aufgabe des Eigenbesitzerwillens genügt aber keine Besitzerlangung des Erwerbes auf sonstige Weise, wie durch Erbschaft (§ 857 BGB) oder Gebrauchsüberlassungsvertrag.881 Ebenso liegt diese Voraussetzung nicht vor, wenn dem Veräußerer noch irgendwelche Einwirkungsmöglichkeiten zukommen, etwa in Form von Mitbesitz oder mittelbarem Besitz.882 Folglich muss die Gutgläubigkeit bis zur Übergabe gegeben sein.883 c)  Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB Schließlich sieht das Gesetz einen gutgläubigen Erwerb im Rahmen einer Übereignung mittels Abtretung eines Herausgabeanspruchs gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB vor. Neben den allgemeinen Anforderungen884 ist hierfür die Erlangung des mittelbaren Besitzes vom Veräußerer (§ 934 Alt. 1 BGB) oder der Erhalt des Besitzes vom Dritten (§ 934 Alt. 2 BGB) nötig. Grundsätzlich können auch im Rahmen des § 934 BGB Besitzdiener und Besitzmittler sowohl aufseiten des Veräußerers als auch auf der des Erwerbers tätig werden.885 Nach der ersten Alternative erlangt der gutgläubige Erwerber schon dann Eigentum, wenn der nichtberechtigte Veräußerer zugleich mittelbaren Besitz gem. § 868 BGB hat und seinen Herausgabeanspruch886 an den Erwerber abtritt.887 In880  BGH vom 28.9.1977 - VIII ZR 82/76 -, JZ 1978, 104; Baur/Stürner, § 52, Rn. 18; kritisch u. a. mit einem Vergleich zu § 936 Abs. 1 S. 3 BGB MünchKomm/Oechsler, § 933 BGB, Rn. 8 f. m. w. N. 881 MünchKomm/Oechsler, § 933 BGB, Rn. 6. 882  BGH vom 3.6.1996 - II ZR 166/95 -, NJW 1996, 2654, 2655; Baur/Stürner, § 52, Rn. 17 f.; Soergel/Henssler, § 933 BGB, Rn. 1. 883  Vgl. MünchKomm/Oechsler, § 933 BGB, Rn. 10. 884 Zu den allgemeinen Anforderungen zählen insbesondere die oben beim Erwerb durch den Berechtigten gem. §§ 929 S. 1, 931 BGB aufgezählten, wie Einigung, Abtretung des Herausgabeanspruchs, Einigsein, sowie die Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb, wie Gutgläubigkeit des Erwerbers bis einschließlich zum Zeitpunkt der Besitzerlangung gem. § 932 Abs. 2 BGB und das Fehlen einer abhandengekommenen Sache als Erwerbsobjekt iSd. § 935 BGB. 885  Vgl. Palandt/Bassenge, § 934 BGB, Rn. 4. 886  Die Abtretung eines allgemeinen schuldrechtlichen Anspruchs etwa nach §§ 812, 823 BGB genügt hierfür jedoch nicht, Soergel/Henssler, § 933 BGB, Rn. 1, 5. 887  Zum Teil wird in dem Tatbestand des § 934 Alt. 1 BGB ein Wertungswiderspruch zu § 933 BGB gesehen, da hier als Rechtsscheintatbestand die Verschaffung des mittelbaren Besitzes genügt. Zudem sehen einige im Fall des § 934 BGB den Veräußerer weiter vom Besitz entfernt als im Rahmen von § 933 BGB, sodass er weniger schutzwürdig sei. Gegen diese Kritik wird im Wesentlichen eingewandt, nur die Übertragung des mittelbaren Besitzers, jedoch nicht dessen Schaffung im Rahmen des Erwerbsaktes genüge für den Erwerb vom Nichtberechtigten. Zudem misslinge der Erwerb nach § 933 BGB hauptsächlich, weil

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folge der Abtretung bekommt der Erwerber Besitz iSd. § 934 Alt. 1 BGB und der Veräußerer verliert jeden Besitzrest, § 870 BGB. Der Verlust des nichtberechtigten Veräußerers von jeglicher besitzrechtlichen Stellung gilt demzufolge als Grund für die frühzeitige Vollendung des Erwerbstatbestandes.888 Voraussetzung für einen solchen Besitzwechsel ist neben einem gültigen Abtretungsvertrag889 über den Herausgabeanspruch vor allem ein wirksames Besitzmittlungsverhältnis zwischen dem gutgläubigen Erwerber und dem unmittelbaren Besitzer890. Ein solches Verhältnis erfordert insbesondere, dass der unmittelbare Besitzer den Herausgabeanspruch des Erwerbers anerkennt.891 Für den Eigentumserwerb bedarf es dieser Anerkennung sogar bis zu dessen Vollendung.892 Wie oben bereits dargelegt, steht dem jedoch nicht schon ein fehlender innerer Wille des unmittelbaren Besitzers entgegen. Vielmehr muss ein derartiger abweichender Wille des Besitzmittlers nach außen objektiv sichtbar sein, jedoch nicht zwangsläufig dem Erwerber bekannt gegeben werden.893 Auch im Rahmen dieser Beurteilung ist problematisch, wenn der Besitzmittler den Besitz an derselben Sache mehreren Oberbesitzern vermitteln will. Es liegt also aus dem Blickwinkel des Besitzmittlers kein Fall vor, in dem er seinen Willen, den Besitz gegenüber dem einen Oberbesitzer zu vermitteln, zugunsten des anderen Oberbesitzers aufgibt. Zumindest in der Rechtsprechung wurde bisher die Figur des mittelbaren Nebenbesitzes abgelehnt. Stattdessen löst nach dieser Position die jüngere Anerkennung diejenige für das frühere Besitzmittlungsverhältnis ab, sodass der unmittelbare Besitzer nur noch dem späteren Oberbesitzer den Besitz mittelt.894 Die Einschaltung einer Geheißperson wird auf beiden Seiten des Erwerbsvorgangs ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut des § 934 BGB nicht jeder Besitzrest vom unredlichen Veräußerer aufgegeben und diesem nach wie vor vertraut werde, vgl. MünchKomm/Oechsler, § 934 BGB, Rn. 2 m. w. N.; Staudinger/Wiegand, § 934 BGB, Rn. 2. 888  Prütting, Rn. 431. 889  Die Abtretung eines Herausgabeanspruchs erfolgt nach den §§ 398 ff. BGB. Die Wirksamkeit eines solchen Vertrages kann beispielsweise an einem Abtretungsverbot gem. § 399 BGB scheitern, vgl. BGH vom 25.5.1979 - I ZR 147/77 -, NJW 1979, 2037, 2038. 890  Der unmittelbare Besitzer muss nicht immer ein fremder Dritter sein. Vielmehr kann auch der ursprüngliche Eigentümer unmittelbaren Besitz haben. Eine solche besondere Konstellation liegt etwa vor, wenn der ursprüngliche Eigentümer eine Sache langfristig vermietet hat und später diese etwa für eine kürzere Zeit zurück mietet. Eine Übereignung des Nichtberechtigten nach §§ 929, 931, 934 BGB scheitert in einem solchen Fall nicht an § 936 Abs. 3 BGB, da die Regelung in § 934 BGB für den Erwerb des Volleigentums abschließend ist. Streitig Soergel/Henssler, § 933 BGB, Rn. 10 f.; MünchKomm/Oechsler, § 934 BGB, Rn. 9 m. w. N. 891  Baur/Stürner, § 52, Rn. 21; Staudinger/Wiegand, § 934 BGB, Rn. 4. 892  BGH vom 10.11.2004 - VIII ZR 186/03 -, NJW 2005, 359, 364. 893  BGH vom 25.5.1979 - I ZR 147/77 -, NJW 1979, 2037, 2038; Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 12. 894  BGH vom 27.3.1968 - VIII ZR 11/66 -, NJW 1968, 1382; Baur/Stürner, § 52, Rn. 24 m. w. N.

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bedarf es eines Besitzmittlungsverhältnisses als zwingende Voraussetzung, sodass die Hilfsperson Fremdbesitz haben muss. Unabhängiger Eigenbesitz einer Geheißperson reicht dagegen nicht aus. Ferner erfordert § 934 Alt. 1 BGB die Gutgläubigkeit des Erwerbers bis zur Erlangung des mittelbaren Besitzes.895 Kann der Veräußerer allerdings nicht als tatsächlicher mittelbarer Besitzer qualifiziert werden,896 dann kommt es zu einem gutgläubigen Erwerb der Sache gem. § 934 Alt. 2 BGB erst, wenn der Erwerber den Besitz von dem Dritten erlangt. Der Grund für diesen späten Vollendungszeitpunkt liegt in der fehlenden tatsächlichen Verbindung zum Besitzer des Erwerbsobjekts. Weder der Veräußerer noch der Erwerber haben bis zur Besitzerlangung eine gesicherte besitzrechtliche Stellung zum Erwerbsobjekt. Die (unwirksame) Abtretung des vermeintlichen Herausgabeanspruchs ist also zweifelhaft und für sich allein betrachtet als Grundlage eines schutzwürdigen Vertrauens ungeeignet.897 In dem Fall reicht die Abtretung des behaupteten Herausgabeanspruchs nicht. Das Tatbestandsmerkmal Übergabe wird in § 934 Alt. 2 BGB genauso verstanden wie in § 929 S. 1 BGB. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung genügt somit neben der Einräumung des unmittelbaren Eigenbesitzes ebenso, wenn der Dritte dem Erwerber mittelbaren Eigenbesitz verschafft.898 Eine Besitzerlangung muss vom Dritten nicht direkt erfolgen, sondern nur möglich sein, zum Beispiel durch eine ihm zurechenbare Person.899 Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen gegenüber § 933 BGB verlangen einige bei der Besitzerlangung eine objektive Zuordenbarkeit zum Erwerbsvorgang vom Veräußerer, die jedoch nicht die Intensität einer Anweisung braucht.900 Auch aufseiten des Erwerbers ist die Hilfe von Geheißpersonen möglich. Insoweit erfüllt die Einschaltung sogar die Voraussetzungen einer Übergabe iSd. § 929 S. 1 BGB. In jedem Fall muss der Veräußerer allen Besitzrest aufgrund des Veräußerungsgeschäfts verlieren. Mittelbarer Nebenbesitz genügt also selbst in dem Fall nicht.901 Dies darf jedoch auch in der Alternative des § 934 BGB nicht durch eine eigenmächtige Wegnahme des Erwerbers geschehen.902 Ebenso erfordert dieser Tatbestand die Gutgläubigkeit des Erwerbers bis zu dem Zeitpunkt, in dem er vom Dritten den Besitz erhält.903 895 Staudinger/Wiegand,

§ 934 BGB, Rn. 8; Soergel/Henssler, § 934 BGB, Rn. 5. Beispiele kommen hier in Betracht, dass kein Besitzmittlungsverhältnis zwischen den Beteiligten besteht oder der unmittelbare Besitzer den Herausgabeanspruch gegenüber dem Erwerber nicht anerkennt. 897  Prütting, Rn. 432. 898  BGH vom 29.1.1969 - VIII ZR 212/66 -, DB 1969, 436; Baur/Stürner, § 52, Rn. 22. 899 Staudinger/Wiegand, § 934 BGB, Rn. 13. 900 MünchKomm/Oechsler, § 934 BGB, Rn. 11; eher einschränkend zu diesem Merkmal als Erwerbsvoraussetzung Staudinger/Wiegand, § 934 BGB, Rn. 14. 901 Soergel/Henssler, § 934 BGB, Rn. 16; Medicus/Petersen, BR, Rn. 558 m. w. N. 902  Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 15. 903  BGH vom 29.1.1969 - VIII ZR 212/66 -, DB 1969, 436; Prütting, Rn. 432. 896 Als

§ 14  Übereignung

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3.  Rechtsfolge eines Erwerbs vom Nichtberechtigten Sind die Tatbestandvoraussetzungen eines Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten gem. §§ 929, 932 ff. BGB gegeben, erlangt der Erwerber makelloses904 Volleigentum an der Sache.905 Einer Zustimmung des (ursprünglich) berechtigten Eigentümers bedarf es dafür nicht. Dies umfasst außerdem, dass der Erwerber das Eigentum grundsätzlich ohne Einschränkungen weiterveräußern kann.906 Im Ergebnis folgt daraus die Zumutbarkeit der Enteignung des ursprünglich berechtigten Eigentümers. Hierbei muss vor allem die willentliche Besitzüberlassung an den Nichtberechtigten berücksichtigt werden. Gerade mit dieser Veranlassung hat der ursprüngliche Eigentümer die Voraussetzung für eine wirksame Veräußerung durch den nichtberechtigten Veräußerer geschaffen, denn abhandengekommene Sachen sind vom Gutglaubenserwerb ausgeschlossen.907 Im Übrigen verliert der ursprünglich berechtigte Eigentümer nicht völlig ersatzlos sein Eigentum an der Sache. Vielmehr erlangt er gegenüber dem Nichtberechtigten Ansprüche, je nach Einzelfall aus Vertragsrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag, Delikts- und Bereicherungsrecht. Bei einer unentgeltlichen Veräußerung hat der ursprüngliche Eigentümer sogar ausnahmsweise einen Anspruch auf Rückübertragung der Sache nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB. Weitergehende Ansprüche (zum Beispiel nach §§ 823, 249 BGB) sind allerdings selbst gegen den fahrlässig, aber dennoch gutgläubig handelnden Erwerber ausgeschlossen.908 4.  Erwerb von lastenfreiem Eigentum Der Erwerb von lastenfreiem Eigentum hat viele Gemeinsamkeiten mit dem Erwerb des Eigentums vom Nichtberechtigten. Nach § 936 Abs. 1 BGB kann eine bewegliche Sache, an der ein Recht von einem Dritten existiert, lastenfrei erlangt

904  RGSt 73, 61, 62 ff.; MünchKomm/Hefendehl, § 263 StGB, Rn. 650 ff. m. w. N. Ungeachtet von den zivilrechtlichen Vorschriften über den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten wurden in dem Zusammenhang die Risiken und Aufwendungen durch Streitigkeiten zwischen ursprünglichem Eigentümer und Nichtberechtigtem angeführt. Neben dem Prozessrisiko galten auch die nicht ersetzbaren Kosten im Rahmen einer solchen Auseinandersetzung als Makel. 905 Palandt/Bassenge, § 932 BGB, Rn. 16; Baur/Stürner, § 52, Rn. 33. 906  Eine derartige Eigentumsübertragung ist sogar möglich, wenn der neue Erwerber weiß, dass sein Veräußerer seinerseits von einem nichtberechtigten Veräußerer die Sache erworben hat. Dieser Grundsatz unterliegt jedoch der Einschränkung, wenn die Veräußerung rückabgewickelt wird, der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten nur vorläufig bestehen soll oder der Rückerwerb vom Nichtberechtigten von vornherein geplant war, vgl. Baur/Stürner, § 52, Rn. 34. 907  Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 1. 908  Baur/Stürner, § 52, Rn. 33.

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

werden, wenn der Erwerber wirksam das Eigentum an der Sache erwirbt909 und dabei bezüglich der Belastung durch einen Dritten gutgläubig910 ist. Ferner darf die Sache dem Inhaber des dinglichen Rechts entsprechend § 935 BGB nicht abhandengekommen sein.911 Bei einem Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 2, 929a, 930 oder 931 BGB muss zudem der Erwerber aufgrund der Veräußerung den Besitz an der Sache empfangen.912 Eine Ausnahme gilt allerdings, wenn der Erwerber nach § 931 BGB Eigentum erhält und die Belastung zugunsten des unmittelbaren oder mittelbaren Besitzers besteht, § 936 Abs. 3 BGB.913 Dagegen spielt es keine Rolle für den Eigentumserwerb an der Sache, ob das Eigentum von einem rechtmäßigen Eigentümer oder nur wirksam von einem Nichtberechtigten nach den §§ 932 ff. BGB erworben wurde. Eine besondere Bedeutung für einen lastenfreien Erwerb hat allerdings die Besitzposition des Erwerbers. Selbst beim Eigentumserwerb vom Berechtigten muss der Erwerber für die Herbeiführung dieser Rechtsfolge die Position erreichen, als hätte er sie von einem Nichtberechtigten nach §§ 932 ff. BGB erlangt.914 Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, erlischt die Belastung des Dritten ersatzlos915, sodass ein lastenfreier Erwerb an der Sache stattfindet. Zu den Lasten zählen insbesondere beschränkt dingliche Rechte, wie Nießbrauch und Pfandrecht.916 § 936 BGB gewährleistet also Vertrauensschutz gegenüber demje909  Von § 936 BGB wird grundsätzlich nur der rechtsgeschäftliche und nicht der gesetzliche Eigentumserwerb geschützt, vgl. MünchKomm/Oechsler, § 936 BGB, Rn. 2. 910  In Anlehnung an § 932 Abs. 2 BGB liegt eine Gutgläubigkeit vor, wenn der Erwerber die Belastung weder kannte noch wegen grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Als noch nicht abschließend geklärt gelten zudem die Fälle, bei denen das Recht dem Grunde nach bekannt ist und die Gutgläubigkeit sich nur auf den Umfang der Belastung bezieht. Mangels ausreichenden Rechtsscheintatbestandes, der eine gesicherte Vertrauensgrundlage für den Umfang der Belastung darstellt, wird wohl eine Gutgläubigkeit in dem Fall zu verneinen sein, vgl. Soergel/Henssler, § 936 BGB, Rn. 8; MünchKomm/Oechsler, § 936 BGB, Rn. 10 f. 911  Die Sache darf also weder dem ursprünglichen Eigentümer noch dem Inhaber der dinglichen Belastung an der Sache abhandenkommen. Andernfalls erfolgt in der ersten Situation kein Eigentumserwerb und in der letzten kein lastenfreier Erwerb. § 935 BGB hat also eine Doppelfunktion, vgl. Palandt/Bassenge, § 936 BGB, Rn. 3; MünchKomm/Oechsler, § 936 BGB, Rn. 13; Staudinger/Wiegand, § 936 BGB, Rn. 7, 12. 912 MünchKomm/Oechsler, § 936 BGB, Rn. 7 ff. 913  Wolf/Wellenhofer, § 8, Rn. 39; MünchKomm/Oechsler, § 936 BGB, Rn. 14 f.; Staudinger/Wiegand, § 936 BGB, Rn. 15; Soergel/Henssler, § 936 BGB, Rn. 7. 914 Soergel/Henssler, § 936 BGB, Rn. 6; Wiegand, JuS 1974, 201, 210. 915  Ebenso wie beim Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten nach den §§ 932 ff. BGB hat auch in dem Fall der ursprünglich Berechtigte grundsätzlich keine Ansprüche gegen den Erwerber. Im Übrigen gelten die dortigen Ausführungen entsprechend, vgl. Staudinger/ Wiegand, § 936 BGB, Rn. 19; Soergel/Henssler, § 936 BGB, Rn. 12. 916  Baur/Stürner, § 52, Rn. 51, 54; MünchKomm/Oechsler, § 936 BGB, Rn. 3 ff.; Staudinger/Wiegand, § 936 BGB, Rn. 2 ff., 16 f.; Soergel/Henssler, § 936 BGB, Rn. 3 f. Nach wohl herrschender Meinung werden darunter auch Anwartschaftsrechte gezählt (vgl. § 161

§ 14  Übereignung

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nigen, der von einem berechtigten Besitzer unbelastetes Eigentum an einer Sache erwerben will. Andererseits kommt durch § 936 Abs. 3 BGB zum Ausdruck, dass die Interessen des Rechtsinhabers der Belastung gegenüber dem Erwerber schützenswerter sind, wenn dieser eine besitzrechtliche Verbindung zu der Sache hat.917 Schließlich kann ein Erwerber bei der Eigentumsübertragung mit einer Beteiligung eines Dritten eine Belastung durch diesen nicht generell ausschließen.918 Folglich ergänzt die Regelung in § 936 BGB den Gutglaubenserwerb nach den §§ 932 ff. BGB, die andernfalls (zumindest wirtschaftlich) entwertet würden.919 5. Netzwerkbezug Ein wesentlicher Grundsatz des Sachenrechts ist der Typenzwang. Danach lässt das Gesetz nur bestimmte Formen zu, um den dinglichen Rechten eine bessere Beachtung zu verleihen.920 Trotz dieser Einschränkung erfährt aber netzwerkorientiertes Verhalten bei Übereignungen eine Berücksichtigung. Neben der Einschaltung von Dritten im rechtsgeschäftlichen Bereich trägt das Recht netzwerkartigen Beziehungen in dem Zusammenhang vor allem bei der Übergabe Rechnung. Während für die dingliche Einigung Stellvertreter und Boten als Dritte tätig werden dürfen, sind es bei der Übergabe vorwiegend Besitzdiener, Besitzmittler und Geheißpersonen. Nur wegen ihrer Beziehung zum Erwerber oder Veräußerer kommt es zu einer wirksamen Übereignung. Die schrittweise Ausdehnung des Kreises der Hilfspersonen zeigt zudem den fortlaufenden Anpassungsbedarf. Trotz des ursprünglichen gesetzgeberischen Leitbildes von „Geben und Nehmen“ bei der Übergabe wurde hierbei schon früh die Inanspruchnahme von Besitzdienern gebilligt. Bereits damals mussten die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse eine angemessene Beachtung erfahren. Schließlich ist es weder dem Veräußerer noch dem Erwerber zumutbar gewesen, jede alltägliche Übereignung persönlich vor Ort durchzuführen. Neben tatsächlich-räumlicher Sachherrschaft können also vergleichbare Herrschaftsverhältnisse selbst durch soziale Beziehungen iSd. § 855 BGB entstehen. Ebenso wurde der Besitzmittler als Hilfsperson berücksichtigt. Hierfür sprach schon die gesetzliche Anerkennung in den §§ 930, 931 BGB. Aufgrund der weniger intensiven Verbindungsart gilt der Besitzmittler im Gegensatz zum Besitzdiener sogar selbst als Besitzer, sodass es zu einer beziehungsbasierten Besitzableitung kommt. Im Vergleich zum gesetzlichen Ausgangspunkt für die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB fußt die Verbindung des Erwerbers bzw. Veräußerers zur Sache durch die Einschaltung des Besitzmittlers immer weniger auf einer tatsächlichen und vielmehr auf einer rechtlichen BeAbs. 3 BGB). Allerdings sollen keine schuldrechtlichen Ansprüche und öffentlich-rechtliche Beschwerungen erfasst sein. 917 Vgl. Wolff/Raiser, § 70 II, S. 259. 918 Staudinger/Wiegand, § 936 BGB, Rn. 1, 15; Tiedtke, Jura 1983, 460, 472. 919 MünchKomm/Oechsler, § 936 BGB, Rn. 1. 920  Baur/Stürner, § 1, Rn. 10.

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

ziehungsgrundlage. Eine noch weniger intensive Beziehung zwischen Sache und Erwerber bzw. Veräußerer herrscht bei der Inanspruchnahme von Geheißpersonen. Hier reicht es nach überwiegender Auffassung, wenn auf Veräußererseite ein Dritter die Sache auf Geheiß des Veräußerers übergibt bzw. auf Erwerberseite die Sache auf Geheiß des Erwerbers angenommen wird.921 Damit trägt die Rechtsordnung den arbeitsteiligen Prozessen in der Wirtschaft Rechnung. Insbesondere Streckengeschäfte machten zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen eine rechtliche Anpassung notwendig (vgl. §§ 3, 9 II 2 a.). Ein Bezug zu netzwerkorientierten Beziehungen und Verhalten besteht zudem beim Erwerb vom Nichtberechtigten (§§ 932 ff. BGB) und von belastetem Eigentum (§ 936 BGB). Diese Erwerbsmöglichkeit wurde vorrangig geschaffen, um die Verkehrsfähigkeit von Eigentumsübertragungen zu gewährleisten. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber damit aber auch den Anforderungen an eine arbeitsteilige und global verzweigte Gesellschaftsordnung Rechnung getragen. Schließlich kann bei einer solchen Ausgangslage ein Erwerber die Legitimation eines Veräußerers regelmäßig nicht zuverlässig nachprüfen, sodass es ohne entsprechende Regelung zu Rechtsunsicherheiten käme. Vom Grundsatz können nach § 935 BGB allerdings keine Sachen gutgläubig erworben werden, die gegen oder ohne den Willen des Eigentümers bzw. seines Besitzmittlers in dem Bereich des Nichtberechtigten gelangten. Demzufolge setzt der Erwerb vom Nichtberechtigten nach §§ 929, 932 ff. BGB in der einfachsten Konstellation eine (willensgetragene) Verbindungskette zwischen ursprünglichem Eigentümer, nichtberechtigtem Veräußerer und gutgläubigem Erwerber voraus. Entsprechendes gilt nach dem sogenannten Veranlasserprinzip bei der Beteiligung von Hilfspersonen. Wie oben dargestellt, berücksichtigt die Rechtsordnung beim Erwerb vom Nichtberechtigten ferner die Beteiligung von Hilfspersonen, etwa im Rahmen der Gutgläubigkeit und dem Abhandenkommen. Neben der Anpassung der §§ 929, 932 BGB durch die Rechtspraxis ist hierbei zudem auf die gesetzlichen Möglichkeiten in den §§ 929, 930, 933 BGB und §§ 929, 931, 934 BGB zu verweisen. Gleichzeitig treten mit der Weiterentwicklung aber auch die Grenzen des Rechtsgebiets hervor. Besonders bei der Diskussion um die scheinbare Geheißperson wird dies sichtbar. Während die Rechtsprechung die äußerlich erkennbare Besitzverschaffungsmacht unter scheinbarer Anerkennung des Eigentums vom Veräußerer für einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten für ausreichend erachtet, lehnen andere Stimmen diese Position ab. Nach der Gegenauffassung soll nur eine tatsächliche Verbindung zwischen dem Veräußerer und der Geheißperson nebst Unterordnung genügen. Den guten Glauben an eine solche Verbindung schütze das Gesetz nicht. In eine ähnliche Richtung geht das Zurechnungsargument. Es sieht die Legitimation für die Enteignung in der einvernehmlichen Verbindung zwischen ursprünglichem Eigentümer und Nichtberechtigtem, vgl. § 935 BGB. Eine solche Verbindung bestehe allerdings bei einem gutgläubigen Erwerb mit einer scheinbaren Geheißperson nicht. 921 

Wolf/Wellenhofer, § 7, Rn. 15.

§ 15  Pfandrecht

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Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Rechtsprechung aufgrund der neuartigen netzwerkorientierten Verhaltensweisen und mehrgliedrigen Beziehungen immer stärker zur Anpassung gezwungen wird, um die arbeitsteiligen Sachverhalte angemessen zu bewerten. Anders als im Schuldrecht ist dies jedoch im Sachenrecht wegen den verschiedenen Grundprinzipien nur beschränkt möglich.

§ 15  Pfandrecht I. Grundlagen Eine sachenrechtliche Möglichkeit zur Sicherung von Forderungen gibt das Pfandrecht. Hierbei wird eine Sache oder ein Recht in der Weise belastet, dass der Sicherungsnehmer zur Verwertung und Befriedigung am Erlös bei Nichterfüllung der Forderung berechtigt ist. Im Wesentlichen unterscheidet das Gesetz Pfandrechte an beweglichen und an unbeweglichen Sachen. Ferner erfolgt eine Differenzierung zwischen der Verpfändung von Sachen und der von Rechten.922 1.  Vereinbarte Pfandrechte an beweglichen Sachen Pfandrechte an beweglichen Sachen können auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage beruhen. Im Folgenden soll primär auf das rechtsgeschäftliche Pfandrecht als Grundtyp eingegangen werden, vgl. § 1257 BGB. a) Voraussetzungen Die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Pfandrechtes erfordert grundsätzlich die Einigung zwischen den Parteien über die Pfandrechtsbestellung (§ 1205 Abs. 1 BGB), eine zu sichernde Forderung (vgl. § 1204 BGB), die Übergabe der Pfandsache und die Verfügungsberechtigung des Verpfänders.923 Dabei muss die dingliche Einigung zwischen dem Verpfänder (in der Regel Eigentümer der Pfandsache) sowie dem Gläubiger erfolgen und bis zur Übergabe fortbestehen. Weiterhin bedarf es einer wirksamen (zumindest in Geld wandelbaren)924 Forderung, wovon das Pfandrecht akzessorisch abhängt, vgl. §§ 1204, 1252 BGB. Ähnlich wie bei der Bürgschaft genügt eine künftige oder bedingte Forderung, § 1204 Abs. 2 BGB.925 Eine Identität zwischen Forderungsschuldner und Verpfänder wird

Vieweg/Werner, § 10, Rn. 1 ff.; Baur/Stürner, S. 747, 872. Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 7 ff. 924  Prütting, Rn. 782. 925  Pfandrechte, die auf einer künftigen oder bedingten Forderung beruhen, entstehen schon mit Einigung und Besitzübergang, die sogenannte gelockerte Akzessorietät. Eine Verwertung ist jedoch erst mit dem Entstehen und Fälligkeit der zu sichernden Forderung möglich, vgl. BGH vom 26.1.1983 - VIII ZR 257/81 -, NJW 1983, 1123, 1125. 922  923 

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

nicht verlangt. Infrage kommt also insoweit zudem die Beteiligung eines Dritten.926 Weiterhin setzt die Sicherung voraus, dass die zu verpfändende Sache in dem Besitz des Gläubigers gelangt, § 1205 BGB. Hierbei gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie für die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB. Eine Besitzübertragung durch die Begründung eines Besitzkonstituts iSd. § 930 BGB genügt wegen des Publizitätserfordernisses nicht.927 Anders verhält es sich dagegen, wenn der Eigentümer mittelbaren Besitz hat. Hier kann gem. § 1205 Abs. 2 BGB die Übergabe durch die Übertragung des mittelbaren Besitzes auf den Pfandrechtsgläubiger und die Anzeige der Verpfändung beim Besitzer stattfinden. Nach § 1206 BGB reicht zudem die Einräumung eines qualifizierten Mitbesitzes für eine Übergabe aus. Als entscheidend gilt dabei, dass der Eigentümer dem Gläubiger die zugebilligte Besitzposition nicht einseitig entziehen kann.928 Schließlich muss der Verpfänder verfügungsbefugt sein. Eine solche Befugnis folgt regelmäßig aus der Eigentümerstellung oder aufgrund einer wirksamen Ermächtigung iSd. § 185 BGB. Liegt sie nicht vor, finden die Vorschriften über den gutgläubigen Eigentumserwerb gem. §§ 932, 934, 935 BGB laut § 1207 BGB entsprechende Anwendung.929 Unter Umständen können also mit dem Schuldner, Verpfänder und Eigentümer der Pfandsache schon drei verschiedene Parteien dem Pfandgläubiger gegenüberstehen.930 Bei einer Pfandrechtssituation gibt es demnach verschiedene Rechtsverhältnisse. Hauptsächlich ist die Rechtsverbindung, aus dem die zu sichernde Forderung stammt, vom Schuldverhältnis zwischen Verpfänder mit dem Pfandgläubiger nebst schuldrechtlicher Sicherungsvereinbarung und dinglicher Bestellung des Pfandrechtes zu trennen.931 Erweitert werden die Rechtsbeziehungen zudem, wenn Schuldner, Eigentümer und Verpfänder nicht identisch sind.932 b) Rechtsfolgen Sind die Voraussetzungen für die Bestellung gegeben, entsteht für den Gläubiger ein Pfandrecht an der Sache. Bis auf diese dingliche Belastung bleibt aber die Eigentumsposition des Inhabers unberührt. Inhaltlich berechtigt das Pfandrecht primär zur Verwertung der Sache (§§ 1228 Abs. 2 S. 1, 1282 BGB), wenn die Erfüllung der gesicherten Forderung nicht fristgemäß erfolgt.933 Gehaftet wird dabei grundsätzlich für die Forderung in ihrem jeweiligen Umfang, es sei denn, der persönliche Schuldner und Verpfänder fällt auseinander und die Erweiterung beruht Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 7. Baur/Stürner, § 55, Rn. 6, 16; Prütting, Rn. 785 f. 928  BGH vom 24.1.1983 - VIII ZR 353/81 -, NJW 1983, 1114, 1116. 929  Prütting, Rn. 791. 930  Baur/Stürner, § 55, Rn. 9. 931  Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 7. 932  Baur/Stürner, § 55, Rn. 9; Prütting, Rn. 782, 836. 933  Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 18. 926  927 

§ 15  Pfandrecht

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auf einem Rechtsgeschäft des ersteren, § 1210 BGB.934 Bei beweglichen Sachen geschieht die Verwertung in der Regel gem. §§ 1228, 1233 ff. BGB durch Verkauf im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung. Hier schließt der Pfandgläubiger als Verkäufer durch den Versteigerer als dessen Vertreter einen Kaufvertrag mit der Person, die den Zuschlag erhält. Ebenso findet zwischen diesen beiden Parteien die Übereignung und Übergabe statt.935 Bestehen kein wirksames Pfandrecht oder sonstige Mängel, ist ein gutgläubiger Eigentumserwerb der verpfändeten Sache nach § 1244 BGB möglich.936 Der aus der Verwertung erzielte Erlös dient der Befriedigung des Pfandgläubigers, § 1247 S. 1 BGB. Im Übrigen tritt gem. § 1247 S. 2 BGB der Erlös an die Stelle des ursprünglichen Pfandes. Weiterhin existieren noch andere verwahrungsvertragsähnliche Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten. Hierzu gehören etwa eine Verwahrungspflicht (§ 1215 BGB), die Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 1217 BGB) und die Rückgabeverpflichtung der Pfandsache bei Erlöschen des Pfandrechtes (§ 1223 BGB). Gerade bei der Verpflichtung zur Rückgabe von verpfänderfremden Sachen ist bemerkenswert, dass der Pfandgläubiger die Sache in der Regel dem Verpfänder und nicht dem Eigentümer zurückgeben muss.937 Weitere Pflichten sind etwa die Verwertungsandrohung (§§ 1220, 1234 BGB) und die Mitteilungsverpflichtung von der Pfandveräußerung gegenüber dem Eigentümer, § 1241 BGB. Ebenso hat der Verpfänder gewisse Verpflichtungen, wie beispielsweise die Ersatzpflicht bei Verwendungen (§ 1216 S. 1 BGB) oder die Herausgabepflicht zum Zwecke der Verwertung (§ 1231 BGB). Schließlich sind noch die Ablöserechte zu erwähnen. Gilt die Forderung als erfüllbar, können der Verpfänder (§ 1223 Abs. 2 BGB), der Pfandeigentümer und jeder durch den Pfandverkauf Beeinträchtigte den Pfandgläubiger gem. § 1249 BGB befriedigen. Mit der Ablösung findet in der Regel gleichzeitig eine Forderungs- und Pfandrechtsübertragung statt, vgl. §§ 1225, 1249 BGB iVm. § 268 Abs. 3 BGB, § 1250 BGB.938 Neben den einzelnen Verpflichtungen haben die Beteiligten zudem gegeneinander verschiedene Einwendungen. Der Verpfänder kann in erster Linie die Unwirksamkeit der Verpfändung geltend machen. Dies ist etwa dann durchgreifend, wenn eine ungültige Forderung gesichert wurde oder eine unwirksame dingliche Einigung über die Bestellung des Pfandrechtes wegen Geschäftsunfähigkeit eines Vertragspartners vorliegt. In dem Zusammenhang fällt auch ein Erlöschen des Pfandrechtes, wie zum Beispiel wegen des Erlöschens der akzessorischen Forderung (§ 1252 BGB), des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs (§ 936 BGB) oder des Zusammenfallens von Pfandrecht und Eigentum (§ 1256 Abs. 1 S. 1 BGB). Letzterer Fall wird im Ergebnis ferner mit der Zahlung des Eigentümers auf die Prütting, Rn. 793. Baur/Stürner, § 55, Rn. 26; Prütting, Rn. 816. 936  Prütting, Rn. 815. 937  BGH vom 14.2.1979 - VIII ZR 284/78 -, NJW 1979, 1203, 1204. 938  Baur/Stürner, § 55, Rn. 23. 934  935 

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Forderung erreicht.939 Zusätzlich zu den persönlichen Einwendungen kann der Verpfänder aufgrund der Akzessorietät der zu sichernden Forderung die Einwendungen des Schuldners gegen diese geltend machen, §§ 1211, 1273 Abs. 2 S. 1 BGB. Über § 1211 Abs. 1 S. 1 BGB findet sogar § 770 BGB entsprechende Anwendung. Ebenso wie bei der Bürgschaft hat eine beschränkte Haftung des Erben für die Schuld (§ 1211 Abs. 1 S. 2 BGB) oder ein Verzicht des Schuldners auf Einreden (§ 1211 Abs. 2 BGB) keinen Einfluss auf die Verwertung. Eine Ausnahme gilt beispielsweise bei der Verjährungseinrede gem. § 216 Abs. 1 BGB, die nur den Forderungsinhaber berechtigt.940 Die Weiterübertragung des begründeten Pfandrechtes geschieht mit Abtretung der zu sichernden Forderung, §§ 401 Abs. 1, 1250 Abs. 1 S. 1 BGB. Wegen der Akzessorietät ist eine isolierte Übertragung jedoch nicht möglich, § 1250 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein Ausschluss der Übertragbarkeit des Pfandrechtes führt gem. § 1250 Abs. 2 BGB zu dessen Erlöschen, wenn die in Bezug genommene Forderung abgetreten wird. Besteht eine wirksame Übertragung und hat der Erwerber den Besitz erlangt, tritt der neue Pfandgläubiger in das gesetzliche Schuldverhältnis zum Verpfänder ein, § 1251 Abs. 2 BGB.941 Für die Erfüllung von Verpflichtungen des Eintretenden haftet der bisherige Pfandgläubiger allerdings wie ein auf die Vorausklage verzichteter Bürge, es sei denn, die Forderungsübertragung findet kraft Gesetzes oder gesetzlicher Verpflichtung statt, § 1251 Abs. 2 S. 2, 3 BGB. Zweifel verursacht, ob ein unwirksames Pfandrecht durch die Übertragung der zu sichernden Forderung erworben werden kann. Die überwiegende Position lehnt einen gutgläubigen Zweiterwerb ab, weil im Gegensatz zum Ersterwerb eine gesetzliche Regelung und ein objektiver Rechtsscheintatbestand fehlen würden. Außerdem kenne das Gesetz einen gutgläubigen Erwerb nur bei einer rechtsgeschäftlichen Übertragung.942 Kommt es zu einer Kollision zwischen zwei gleichrangigen Pfandrechten, hat nach dem Prioritätsprinzip regelmäßig das ältere Vorrang.943 Der bevorrechtigte Pfandgläubiger darf allerdings keiner Verwertung des nachrangigen Gläubigers widersprechen, wenn er die Pfandsache nicht besitzt § 1232 S. 2 BGB. Umgekehrt ist der vorrangige Pfandgläubiger nach § 1232 S. 1 BGB nicht zur Herausgabe der Pfandsache für die Verwertung durch einen nachrangigen Pfandgläubiger verpflichtet.944

Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 33. Prütting, Rn. 794. 941  Baur/Stürner, § 55, Rn. 31; Prütting, Rn. 818. 942  Baur/Stürner, § 55, Rn. 32; Reinicke/Tiedtke, JA 1984, 202, 211 f. 943  Prütting, Rn. 792. 944  Prütting, Rn. 806. 939 

940 

§ 15  Pfandrecht

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2.  Vereinbarte Pfandrechte an Rechten Grundsätzlich kann ein Pfandrecht auch an übertragbaren Rechten vereinbart werden, § 1273 BGB.945 Infrage kommen beispielsweise Pfandrechte an einem Guthaben auf einem Festgeldkonto oder an einem GmbH-Anteil.946 Soweit keine spezifischen Regeln eingreifen, gelten nach § 1273 Abs. 2 BGB in dem Fall ebenso die Vorschriften über die Pfandrechte an beweglichen Sachen entsprechend. Die Begründung eines solchen Pfandrechtes geschieht nach den Normen für die Übertragung des Rechts, § 1274 Abs. 1 S. 1 BGB. Für eine gewöhnliche Entgeltforderung sind daher die Vorschriften über die Abtretung gem. §§ 398 ff. BGB sowie eine Verpfändungsanzeige gegenüber dem Schuldner iSd. § 1280 BGB relevant.947 Probleme bereitet ferner die Handhabung der Forderung vor Pfandreife. Wegen der Funktion als Verwertungsgrundlage ist insbesondere die Einziehungsbefugnis fraglich. Hierfür sieht das Gesetz eine Reihe von Schutzvorschriften vor. Nach § 1281 BGB kann etwa an den Pfandgläubiger und den Gläubiger des verpfändeten Rechts nur gemeinschaftlich geleistet werden. Zudem darf jeder einzelne ausschließlich eine gemeinschaftliche Leistung fordern, § 1281 S. 2 BGB. Daran anknüpfend verpflichtet § 1285 Abs. 1 BGB den Gläubiger und den Pfandgläubiger bei Fälligkeit für die Einziehung zu einer Mitwirkung. Selbst die Kündigungsmöglichkeit besteht gem. § 1283 BGB eingeschränkt, um die Haftungsgrundlage für das Pfandrecht zu erhalten. Trotz der Mehrung auf Anspruchstellerseite bleibt es dem Schuldner unbenommen, selbst gegenüber dem Pfandgläubiger alle ihm gegen die Forderung zustehenden Einwendungen und Einreden nach § 1275 BGB iVm. § 404 BGB geltend zu machen.948 Erlischt die verpfändete Forderung durch Leistung, findet ebenso in dem Fall eine dingliche Surrogation statt und das Pfandrecht wird fortgesetzt, vgl. § 1287 BGB. Im Übrigen gibt es nach Eintritt der Pfandreife verschiedene Verwertungsmöglichkeiten. Neben der Befriedigung durch Zwangsvollstreckung gem. § 1277 BGB lässt § 1282 BGB ferner eine Forderungseinziehung des Pfandgläubigers ohne Mitwirkung des Verpfänders zu. Um den Sicherungszweck nicht zu gefährden, sind dem Pfandgläubiger allerdings andere Verfügungen als die Einziehung grundsätzlich untersagt, § 1282 Abs. 2 BGB. Indes ordnet § 1275 BGB auch hier einen Einwendungs- und Einrededurchgriff zum Schutz des Schuldners an.949 945 Jauernig/Berger, § 1273 BGB, Rn. 2, kein solches Recht sind etwa das Grundstückseigentum oder grundstücksgleiche Rechte, wie das Erbbaurecht. Ein Ausschluss besteht zudem bezüglich unübertragbarer Rechte von der Verpfändung gem. § 1274 Abs. 2 BGB. 946  Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 35. 947  Prütting, Rn. 827 f. 948 Jauernig/Berger, § 1275 BGB, Rn. 1. 949  Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 40.

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

3.  Gesetzliche Pfandrechte Zusätzlich zur rechtsgeschäftlichen Errichtung sieht das Gesetz an einigen Stellen die Pfandrechtsbegründung kraft Gesetzes vor, zum Beispiel in §§ 562, 583, 592, 647, 704 BGB. Sie entstehen regelmäßig im Zusammenhang mit dem vertragstypischen Besitz bzw. der Sicherung von Vertragsforderungen. Die Begründung erfolgt daher spezialgesetzlich und subsidiär werden die Regeln für rechtsgeschäftlich begründete Pfandrechte herangezogen, § 1257 BGB. Einen gutgläubigen Erwerb des Pfandrechtes lehnt die überwiegende Auffassung ab.950 Nicht unproblematisch ist es, wenn ein gesetzliches Pfandrecht mit Sicherungsrechten von anderen Personen zusammentrifft. Übereignen die Parteien beispielsweise zur Absicherung eines Kredites die Sachen eines gemieteten Warenlagers antizipiert mit Einbringung, geht laut überwiegender Auffassung das Vermieterpfandrecht gem. § 562 BGB prinzipiell vor. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gegenstände vor oder nach der antizipierten Sicherungsübereignung des Warenlagers eingeschafft seien. Selbst im letzteren Fall habe der Sicherungsgeber bei der Einlagerung zumindest für eine logische Sekunde Eigentum, an dem das Vermieterpfandrecht entstehen könne.951 Hingegen findet etwa kein Vorrang statt, wenn die Sicherungsübereignung der Sachen vor Anmietung der Räumlichkeiten stattfand.952

II. Netzwerkbezug Das Pfandrecht ist ein weiteres Rechtsinstitut, das netzwerkorientiertes Verhalten im Bereich der Sicherung ermöglicht und rechtlich anerkennt. Durch ein Pfandrecht erhält der Gläubiger neben der Haftung des Privatvermögens vom Schuldner Zugriff auf einen bestimmten Gegenstand bzw. ein spezifisches Recht des Verpfänders. Trotz der Bezeichnung des Pfandrechtes als Realsicherheit953 erwachsen Verbindungen mit Rechten und Pflichten zwischen Verpfänder und Pfandrechtsgläubiger. In der einfachsten Konstellation beteiligen sich in einer derartigen Situation allerdings nur zwei Personen, die durch mehrere Rechtsgeschäfte miteinander verbunden sind. Zu einem netzwerktechnisch relevanten Mehrpersonenverhältnis wird ein solcher Sachverhalt daher erst infolge der Teilnahme zumin950  BGHZ 34, 122. Hierbei verweist die überwiegende Position auf dem Wortlaut des § 1257 BGB, der ein bereits entstandenes Pfandrecht voraussetzt, sodass § 1207 BGB keine Anwendung finden könne. Ebenso sei § 366 Abs. 3 HGB als handelsrechtliche Spezialnorm ins BGB gerade nicht eingefügt worden. Schließlich fehle es an einer rechtsgeschäftlichen Verfügung als Grundlage des Gutglaubensschutzes, vgl. Prütting, Rn. 790 m. w. N.; Wolf/ Wellenhofer, § 16, Rn. 43 f. m. w. N.; a. A. Baur/Stürner, § 55, Rn. 40 m. w. N. Zum Teil wird jedoch etwa über eine analoge Anwendung der §§ 183, 185 BGB die zulässige Begründung eines Besitzpfandrechtes bejaht, wenn der Eigentümer in die Besitzüberlassung an den potentiellen Pfandgläubiger einwilligt, vgl. Medicus/Petersen, BR, Rn. 594. 951  BGH vom 12.2.1992 - XII ZR 7/91 -, NJW 1992, 1156. 952  Nicolai, JZ 1996, 219, 220. 953  Wolf/Wellenhofer, § 16, Rn. 1.

§ 16  Grundpfandrechte

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dest eines Dritten. Hierher gehören etwa die Situationen, in denen der Schuldner nicht gleichzeitig der Verpfänder oder der Verpfänder nicht Eigentümer sind. Der Gesetzgeber trägt diesem Interessenkonflikt aufgrund des Auseinanderfallens der Parteien durch verschiedene Normen Rechnung. Charakteristisch ist auch hier der Einwendungsdurchgriff etwa nach §§ 1211, 1275 BGB iVm. § 404 BGB oder die Verpflichtung zur Mitwirkung bei bestimmten Einziehungsarten, § 1285 Abs. 1 BGB. Das Gesetz legitimiert sogar in § 1250 Abs. 2 BGB einen Verbindungsverzicht in Form eines Erlöschungsgrundes für das Pfandrecht bei Übertragung der zu sichernden Forderung. Ebenso konsequent gewährleistet die Rechtsordnung den gutgläubigen Erwerb eines Pfandrechtes am Eigentum eines Dritten, während die Interessen des tatsächlichen Eigentümers im Wesentlichen nur innerhalb der Verwertungsphase Berücksichtigung finden (§ 1241 BGB). Weitere Anerkennung erfahren netzwerkartige Verflechtungen etwa bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Pfandrechtes. Grundsätzlich tritt der neue Pfandgläubiger in die Position des bisherigen Pfandgläubigers ein. Sollte er jedoch die damit übergegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen, ordnet der Gesetzgeber eine Haftung des bisherigen Gläubigers an, § 1251 Abs. 2 BGB.

§ 16  Grundpfandrechte Zu den Realsicherheiten gehören ebenso die Grundpfandrechte, wie zum Beispiel die Hypothek und die Grundschuld. Sie dienen der Sicherung von Forderungen und ermöglichen die Verwertung eines Grundstücks, falls keine ordnungsgemäße Erfüllung der gesicherten Forderung erfolgt. Als Grundform hat der Gesetzgeber die Hypothek bestimmt.954

I. Hypothek 1. Voraussetzungen Für die rechtsgeschäftliche Begründung einer Hypothek werden eine Geldforderung, die Einigung über die Bestellung der Hypothek, eine Regelung in Bezug auf den Hypothekenbrief, die Eintragung im Grundbuch und die Berechtigung des Bestellers verlangt. Auch die Hypothek setzt als akzessorisches Sicherungsinstrument prinzipiell eine zu sichernde Forderung voraus, §§ 1113, 1115 BGB.955 Als ausreichend gilt jedoch ebenso eine bedingte oder künftige Forderung gem. § 1113 Abs. 2 BGB, wenn mit deren Entstehung zu rechnen und ihr Inhalt bestimmbar ist.956 Bis zur Entstehung der Forderung bleibt der Eigentümer Inhaber der HyWolf/Wellenhofer, § 26, Rn. 1. Neben der Haftung für bestimmte Nebenforderungen (§§ 1118 f. BGB) ist zudem die Auswechslung der zu sichernden Forderung gem. § 1180 BGB möglich. 956 MünchKomm/Eickmann, § 1113 BGB, Rn. 48 ff. 954  955 

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

pothek, § 1163 Abs. 1 S. 1 BGB.957 Eine Identität zwischen Forderungsschuldner und dem Eigentümer des hypothekarisch belasteten Grundstücks braucht hingegen nicht vorzuliegen.958 Dieser bedarf es nur zwischen Forderungsgläubiger und Hypothekeninhaber.959 Weiterhin müssen sich der Gläubiger der Forderung und der Eigentümer über die Belastung des Grundstücks mit der Hypothek einigen. Die Bestellung erfolgt durch Eintragung im Grundbuch, vgl. §§ 873, 1115 BGB. Besteht kein Ausschluss von der Hypothekenbrieferteilung (§ 1116 Abs. 2 BGB), muss dieser ausgefertigt und grundsätzlich übergeben werden, §§ 1116 f. BGB. Fehlt es nur an der erforderlichen Übergabe des Hypothekenbriefes ohne Ersetzung (§§ 930, 931, 1117 Abs. 2 BGB), kommt es zu einer vorläufigen Eigentümerhypothek, § 1163 Abs. 2 BGB. Schließlich verlangt das Recht die Berechtigung des Bestellers zur Belastung des Grundstücks mit der Hypothek. Diese hat grundsätzlich der Eigentümer des Grundstücks. Bei einer Nichtberechtigung ist aber unter den Voraussetzungen des § 892 BGB ein gutgläubiger Erwerb möglich.960 Dogmatisch liegen wiederum verschiedene Rechtsgeschäfte vor. Hauptsächlich sind zum einen der Rechtsgrund, aus dem die zu sichernde Forderung hervorgeht, und zum anderen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft für die Bestellung der Hypothek nebst abstraktem dinglichem Bestellungsakt zu unterscheiden.961 2. Rechtsfolgen Die wirksam bestellte Hypothek berechtigt gem. § 1147 BGB grundsätzlich zu der Verwertung des Grundstücks und aller mithaftenden Gegenstände bzw. Forderungen, wenn keine Einwendungen oder Einreden geltend gemacht werden. Zum Haftungsverband zählen insbesondere bei vermieteten und verpachteten Grundstücken alle Forderungen aus diesen Verträgen, § 1123 BGB. Bestehen Interessenkonflikte zwischen den Beteiligten, hat der Gesetzgeber in den §§ 1123 ff. BGB spezifische Regelungen erlassen, die denen aus der Insolvenzordnung ähneln.962 Die Duldung der Verwertung kann der Eigentümer allerdings durch Befriedigung der Forderung abwenden, § 1142 BGB. Aufgrund des Gutglaubensschutzes gem. § 893 BGB gilt dies sogar, wenn ein in Wirklichkeit Nichtberechtigter als

957 

BGHZ 60, 226, 228 f. Baur/Stürner, § 37, Rn. 14. Die Trennung kann auch nachträglich geschehen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der persönliche Schuldner und Eigentümer sein belastetes Grundstück an einen Dritten verkauft und dieser die persönliche Schuld nicht mit übernimmt. Die Regressmöglichkeit wird zwischen beiden Teilen, idR. zwischen den Beteiligten, vereinbart, vgl. Prütting, Rn. 665 f. 959  Prütting, Rn. 628. 960  Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 10. 961 Vgl. Prütting, Rn. 663 ff.; Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 1. 962  Baur/Stürner, § 39, Rn. 3, 44 ff.; Prütting, Rn. 660. 958 

§ 16  Grundpfandrechte

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Hypothekengläubiger eingetragen wurde.963 Im Übrigen ergeben sich verschiedene Rechtsfolgen bei einer Zahlung. Wesentlich ist dabei, ob der Schuldner zugleich die Eigentümerstellung hat oder nicht. Zahlt etwa der Eigentümer ohne gleichzeitig Schuldner zu sein, findet gem. § 1143 Abs. 1 BGB eine Legalzession statt. Zudem wird auf § 774 Abs. 1 BGB als Vorschrift aus dem Bürgschaftsrecht Bezug genommen, sodass unter anderem auch die Einwendungen im Innenverhältnis gewahrt sind. Ein umfassender Forderungsübergang964 findet sogar bei einer Zahlung eines ablöseberechtigten Dritten statt, § 268 BGB.965 Ebenso existieren im Rahmen der Hypothekenkonstellation verschiedene Einwendungs- und Einredemöglichkeiten. Neben einer unwirksamen Hypothekenbestellung966 begründet vor allem die Abhängigkeit der Hypothek von der zu sichernden Forderung derartige Chancen für die Anspruchsgegner. Selbst, wenn die zu sichernde Forderung noch nicht valutiert wurde, steht beispielsweise die Hypothek nur dem Eigentümer zu. Folglich wird der Forderungsgläubiger kein Inhaber der Hypothek und darf keine Verwertung beanspruchen.967 Zusätzlich zum Umfang der Forderung ist auch deren Fälligkeit für die Hypothek maßgeblich. Die Hypothek kann nicht vor der Forderung fällig sein. Löst eine Kündigung der Forderung die Fälligkeit aus, bedarf es für die Berücksichtigung bei der Hypothek gem. § 1141 BGB sogar der Erklärung gegenüber dem Eigentümer. Ebenso entsteht eine rechtsvernichtende Einwendung infolge der Umwandlung der Hypothek in eine Eigentümergrundschuld §§ 1163, 1177 BGB, wenn der Eigentümer die zu sichernde Forderung etwa durch Zahlung erfüllt. Zudem können Einreden dem Hypothekengläubiger ein vorübergehendes oder zeitlich unbeschränktes Leistungsverweigerungsrecht verschaffen. Für die dauerhaften Einreden sind beispielsweise solche bei rechtsgrundlos erlangter Hypothek aus § 821 BGB und bei deliktisch begründeter Hypothek gem. § 853 BGB zu nennen.968 Eine Verjährung löst dagegen gem. § 902 BGB keine Einrede aus. Beachtung erfordern weiterhin die vorübergehenden Einreden. Eine solche Einrede liegt etwa bei der Geltendmachung der Hypothek vor, wenn der erteilte Hypothekenbrief oder, bei abweichender GrundbucheintraBGH vom 23.1.1996 - XI ZR 75/95 -, NJW 1996, 1207. Mit einer Zahlung an den eingetragenen Nichtberechtigten erlischt jedoch nur die eingetragene dingliche Schuld. Die gesicherte persönliche Forderung bleibt dagegen unbefriedigt. Der wirkliche Gläubiger hat allerdings gegebenenfalls einen Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB gegen den Empfänger der Leistung, vgl. BGH vom 24.9.1991 - XI ZR 240/90 -, NJW-RR 1992, 178. 964  Neben der schuldrechtlichen Forderung geht hier sogar die Hypothek gem. §§ 401, 412, 1153 Abs. 1 BGB mit über. 965  Baur/Stürner, § 38, Rn. 105. 966  Unwirksamkeitsgründe können beispielsweise aus der mangelnden Geschäftsfähigkeit der Parteien §§ 104 ff. BGB, einer Anfechtung §§ 119 ff. BGB, einer unwirksamen Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB), einer sittenwidrigen Sicherungsforderung § 138 BGB, einer fehlenden oder fehlerhaften Eintragung oder der unterlassenen aber erforderlichen Übergabe des Hypothekenbriefes hervorgehen, Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 17 f. 967  Baur/Stürner, § 38, Rn. 64. 968  Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 19. 963 Vgl.

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

gung des Gläubigers, die öffentlich beglaubigten Abtretungserklärungen nicht vorgelegt werden, § 1160 BGB. Dies gilt ebenso bei Stundungsabreden und Zurückbehaltungsrechten (§§ 273, 320 BGB).969 Neben den Einreden und Einwendungen des Eigentümers aus seinem eigenen Verhältnis zum Gläubiger aufgrund der Hypothek, darf er zudem Einreden des persönlichen Schuldners gegen die zu sichernde Forderung geltend machen, § 1137 BGB. Der Einrededurchgriff ist dem bei der Bürgschaft angelehnt. Ausdrücklich wird sogar auf die Regelung in § 770 BGB verwiesen. Selbst eine Berufung auf eine Haftungsbeschränkung des persönlichen Schuldners infolge einer Erbschaft (§ 1137 Abs. 1 S. 2 BGB) oder ein Verzicht des persönlichen Schuldners auf die Einrede haben für den belasteten Eigentümer gem. § 1137 Abs. 2 BGB keine Auswirkungen. Eine Ausnahme herrscht beispielsweise im Zusammenhang mit der Verjährung. Der Eigentümer kann gem. § 216 Abs. 1 BGB nicht die Verjährung der zu sichernden Forderung entgegenhalten.970 Die isolierte Übertragung der Hypothek ist wegen der Akzessorietät nicht möglich. Vielmehr erfolgt sie als Annex kraft Gesetzes bei Abtretung der Forderung, §§ 401, 1153 BGB.971 Grundsätzlich bleiben alle Einreden und Einwendungen des Eigentümers hiervon unberührt. Maßgeblich sind die §§ 1156 f. BGB. Eine Ausnahme gilt nach § 1156 BGB für solche nach den §§ 406 bis 408 BGB. Ebenso müssen gem. § 1157 BGB alle Tatbestandsmerkmale der Einrede bei der Zession gegeben sein. Das Bestehen der Einrede dem Grunde nach, wie im Rahmen des § 404 BGB, genügt nicht.972 Zudem entfallen sie bei einem gutgläubigen einredefreien Erwerb der Hypothek durch Rechtsgeschäft, §§ 892, 1138, 1155, 1157 S. 2 BGB. Dies tritt etwa ein, wenn der Zessionar von der Einrede keine Kenntnis hatte und nichts im Grundbuch eingetragen war.973 Im Übrigen kommt dem belasteten Eigentümer bei einer Leistung an den bisherigen Gläubiger in bestimmten Situationen ein gesetzlicher Schutz zu, insbesondere wenn der Altgläubiger den Hypothekenbrief inne hat und noch durch das Grundbuch legitimiert wird, vgl. §§ 891, 893, 1155 BGB.974 In bestimmten Fällen lässt das Gesetz überdies einen gutgläubigen Zweiterwerb der Hypothek zu.975 § 1138 BGB gibt sogar die Möglichkeit eine (Verkehrs-)Hypothek976 gutgläubig zu erwerben, für die keine wirksame Forderung existiert, die sogenannte forderungsentkleidete Hypothek. Aus Gründen des Verkehrsschutzes und der Akzessorietät wird die Forderung aber nur für den Erwerb fingiert. Zu Prütting, Rn. 671; Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 21. Baur/Stürner, § 38, Rn. 65 f.; Prütting, Rn. 670 f. 971  Für die Wirksamkeit ist insbesondere die Regelung in § 1154 BGB zu beachten. 972  BGH, vom 26.11.1982 - V ZR 145/81 -, NJW 1983, 752, 752 f. m. w. N. 973 MünchKomm/Eickmann, § 1138 BGB, Rn. 17; Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 39 ff. 974  Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 42. 975  Wolf/Wellenhofer, § 27, Rn. 43 ff. 976  Vgl. § 1185 Abs. 2 BGB. 969 Vgl. 970 

§ 16  Grundpfandrechte

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einem gutgläubigen Erwerb der gesicherten Forderung kommt es nicht.977 Folglich bleibt für den gutgläubigen Erwerber nur die Verwertung des Grundstückes gem. § 1147 BGB. Sollte allerdings eine wirksame Forderung gegeben sein, besteht bei enger Gesetzesanwendung jedoch die Gefahr, dass die Einforderung derselben Schuld im Ergebnis doppelt erfolgt.978

II. Grundschuld Ein weiteres dingliches Sicherungsrecht ist die Grundschuld. Sie unterscheidet sich von der Hypothek im Wesentlichen nur in der fehlenden Akzessorietät zur Forderung, sodass der Gesetzgeber über § 1192 BGB in weiten Teilen auf die §§ 1113 ff. BGB Bezug nimmt.979 Neben einer Grundschuld für den Eigentümer selbst findet diese regelmäßig zur Sicherung für eine Fremdforderung Anwendung. Auch in dem Fall kann der Forderungsschuldner vom belasteten Grundstückseigentümer abweichen.980 Dogmatisch sind hier hauptsächlich drei Rechtsgeschäfte zu unterscheiden – die zu sichernde Forderung, der schuldrechtliche Sicherungsvertrag und die dingliche Grundschuldbestellung. Eine zentrale Position nimmt dabei der schuldrechtliche Sicherungsvertrag ein. In diesem werden alle Rechte und Pflichten der Grundschuldparteien festgelegt, insbesondere der Umfang der Sicherheit.981 Sind keine Einwendungen und Einreden gegeben, berechtigt die Grundschuld zur Verwertung. Prinzipiell gelten hier ähnliche Regeln wie bei der Hypothek. Keine Anwendung finden hingegen die Einreden und Einwendungen, die auf der Akzessorietät zwischen Hypothek und Forderung beruhen.982 Eine besondere Rolle spielt hierbei oft der Sicherungsvertrag. Verletzt der Grundschuldgläubiger Pflichten aus dem Vertrag, kann der Eigentümer ihm diese entgegenhalten. Derartige Pflichtverletzungen betreffen vor allem die fehlende Valutierung, die Fälligkeit der Grundschuld, eine Rückübertragungspflicht und die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede.983 Bei einer Übertragung des Grundstückes ist für eine Geltendma-

977 MünchKomm/Eickmann,

§ 1138 BGB, Rn. 15 ff. ein solches Ergebnis zu vermeiden, setzen sich viele für einen zusätzlichen Erwerb der Forderung durch den Hypothekenerwerber ein. Nach dieser sogenannten Einheitstheorie wird die Forderung mit der Hypothek entsprechend § 1153 Abs. 2 BGB „mitgerissen“, vgl. Soergel/Konzen, § 1138 BGB, Rn. 7; Schreiber, Jura 2002, 109, 113; Baur/ Stürner, § 38, Rn. 28 m. w. N.; a. A. Staudinger/Wolfsteiner, § 1138 BGB, Rn. 10; Petersen/ Rothenfußer, WM 2000, 657 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, § 105 III 4. 979  Baur/Stürner, § 44, Rn. 1 f.; Prütting, Rn. 758. 980  Prütting, Rn. 769b. 981  Wolf/Wellenhofer, § 28, Rn. 19 ff. 982  Baur/Stürner, § 44, Rn. 17 ff. 983  Wolf/Wellenhofer, § 28, Rn. 35 ff. 978 Um

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2. Teil, 3. Abschn.:  Sachenrecht

chung zudem Voraussetzung, dass der Erwerber die Gegenrechte durch Abtretung bzw. mit Eintritt in die Sicherungsabrede erworben hat.984 Ein wesentlicher Unterschied zur Hypothek zeigt sich zudem bei der Übertragung der Grundschuld. Die fehlende Akzessorietät der Grundschuld ermöglicht es grundsätzlich, diese isoliert von der Forderung abzutreten, vgl. §§ 1192 Abs. 1, 1154 BGB.985 Damit kann sich der Kreis der Beteiligten noch weiter vergrößern. Probleme bereitet an der Stelle meistens eine doppelte Inanspruchnahme vom Eigentümer und vom Schuldner. Hierbei ist nach den Umständen zu differenzieren, insbesondere ob eine Personenidentität oder eine Personenverschiedenheit vorliegt bzw. ob die Geltendmachung aufgrund der gesicherten Forderung oder der Grundschuld geschieht. Je nach Konstellation kommen neben den allgemeinen Gegenrechten vor allem verschiedene spezifische Einreden aus dem Sicherungsvertrag infrage.986 Bei einer Inanspruchnahme durch den Forderungsgläubiger im Fall der Personenidentität auf Schuldnerseite darf etwa das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger die Grundschuld nebst Unterlagen nicht zurücküberträgt bzw. -gibt.987

III. Netzwerkbezug Mit den vorstehenden Ausführungen wird die Berücksichtigung netzwerkorientierten Verhaltens im Rahmen der Grundsicherheiten sichtbar. Auch in den genannten Fällen kommt es zu einem Netzwerkbezug bei der Beteiligung von drei und mehr Personen. Neben dem Zugriff auf das persönliche Vermögen des Schuldners über die schuldrechtliche Forderung eröffnet die jeweilige Grundsicherheit ihrem Inhaber zudem die Möglichkeit, sich über die Grundstücksverwertung und an den mithaftenden Gegenständen bzw. Forderungen zu befriedigen. Eine starke Verbundenheit zwischen den Akteuren wird vor allem bei der Hypothekensituation sichtbar. Selbst bei einer Trennung zwischen persönlichem Schuldner und belastetem Eigentümer kann letzterer infolge der Akzessorietät grundsätzlich ebenso die Einreden des persönlichen Schuldners geltend machen, vgl. § 1137 BGB. Verbindungstechnisch ist bei der Hypothek ferner der zulässige gutgläubige Zweiterwerb beachtlich, bei dem keine wirksame Forderung für die Hypothek besteht. Wegen der akzessorischen Verknüpfung zwischen Hypothek und Forderung wäre theoretisch ein solcher Erwerb nicht wirksam. Um die Verkehrsfähigkeit der Hypothek zu erhalten, hat der Gesetzgeber jedoch über § 1138 BGB eine Forderungsverbindung in derartigen Situationen angeordnet.

BGH vom 21.5.2003 - IV ZR 452/02 -, NJW 2003, 2673. Baur/Stürner, § 45, Rn. 56 ff. 986  Wolf/Wellenhofer, § 28, Rn. 40 ff. m. w. N. 987  BGH vom 13.5.1982 - III ZR 164/80 -, NJW 1982, 2768, 2769; Baur/Stürner, § 44, Rn. 13; § 45, Rn. 56 ff. 984 Vgl. 985 

§ 17  Ermächtigung

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Eine noch größere Verflechtung berücksichtigt das Gesetz bei der Grundschuld. Neben einer denkbaren Teilung auf der Passivseite bedarf es hier noch nicht einmal einer Personenidentität auf der Aktivseite. Vielmehr dürfen bei der Grundschuld wegen der fehlenden Akzessorietät der Forderungseigner und der Hypothekeninhaber auseinanderfallen. Demzufolge können schon insoweit vier Akteure beteiligt sein, die unter Umständen eigene und fremde Einreden gegen die Inanspruchnahme geltend machen.

§ 17  Ermächtigung I. Grundlagen Die Ermächtigung findet vor allem im Zusammenhang mit Verfügungsgeschäften Anwendung. In der Praxis kommt es etwa dazu, wenn der Eigentumsvorbehaltskäufer die Sache weiterveräußern will, um mit dem Erlös aus dem Weiterverkauf den ursprünglichen Kaufpreis zu finanzieren. Zur Sicherung lassen sich die Eigentumsvorbehaltsverkäufer auch regelmäßig die neuen Kaufpreisforderungen abtreten und ermächtigen die Vorbehaltskäufer außerdem zu ihrer Einziehung.988 Die Geltendmachung der fremden Forderung durch den Altgläubiger geschieht dabei vor allem, weil der Zessionar nach außen nicht in Erscheinung treten will oder soll.989 Generell erlangt durch die Ermächtigung eine Person die Befugnis, wirksam über ein Recht einer anderen Person Macht auszuüben. Dies geschieht im Gegensatz zur Stellvertretung im eigenen Namen.990 Vom Grundsatz her ist eine Offenlegung wegen des fremden Rechtes weder erforderlich noch schädlich.991 Die Erteilung der Erlaubnis geschieht von der verfügungsbefugten Person. In der Regel wird dies der Inhaber des Rechts sein.992 Eine wichtige gesetzliche Ausprägung im Zivilrecht stellt § 185 BGB dar.993 Willigt eine Person zu einer Verfügung ein, wirkt diese unmittelbar gegen sie, wenn der andere von ihr Gebrauch macht. Eine Ermächtigung nach § 185 BGB erfasst allerdings nur die Berechtigung im Rahmen des Verfügungsgeschäfts. Die Rechtsgeschäfte, insbesondere das Verpflichtungsgeschäft, schließen dagegen prinzipiell der Geschäftspartner und die ermächtigte Person.994 Zeitlich kann eine wirksame Ermächtigung vor der Verfügung in Form Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 294. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1170; Larenz, SchuldR I, S. 597. 990  Rüthers/Stadler, § 29, Rn. 7. 991 Staudinger/Gursky, § 185 BGB, Rn. 2. 992  Eine Ausnahme gilt etwa dann, wenn über das Vermögen des Rechtsinhabers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und er damit gem. § 80 InsO die Verfügungsbefugnis über die Vermögenswerte, die zur Insolvenzmasse gehören, verloren hat. 993 Palandt/Ellenberger, § 185 BGB, Rn. 13. 994  Wolf/Neuner, § 49, Rn. 65 ff. 988  989 

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einer Einwilligung (§ 182 BGB) und danach mit einer Genehmigung (§ 184 BGB) erteilt werden. Als Voraussetzung erfordert dies jedoch die Verfügung im eigenen und nicht im fremden Namen. Für letzteren Tatbestand gilt ausschließlich die Stellvertretung. Dennoch sind Sonderfälle denkbar, in denen beide Rechtsinstitute vorkommen.995 Für die rückwirkende Rechtskraft der Genehmigung gem. § 184 Abs. 2 BGB bedarf es jedoch einer Verfügungsbefugnis der genehmigenden Person zumindest im Zeitpunkt ihres Ausspruchs.996

II. Netzwerkbezug Vergleichbar mit dem Institut der Stellvertretung erweitert eine Ermächtigung den Rechtsbereich einer Person.997 Damit gewährleistet auch sie netzwerkorientiertes Verhalten. Im Rahmen des oben aufgeführten Beispiels ermöglicht die Ermächtigung etwa die Vermeidung von Spekulationen über die Liquidität vom Altgläubiger und sonstige Irritationen beim Schuldner durch die Einziehung der abtretungsbedingten Drittforderung vom Zedenten.

§ 18  Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis I. Grundlagen Teilweise wird zwischen Grundstückseigentümern ein sogenanntes nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis behauptet. Danach folge eine Gemeinschaft aus der räumlichen Beziehung der Grundstücke und der hieraus resultierenden Notwendigkeit, die widerstreitenden Interessen auszugleichen.998 Mit Hilfe dieser Konstruktion sollen insbesondere Regelungslücken geschlossen werden, die bei der Beurteilung im Zusammenhang mit den §§ 903 ff. BGB entstehen. Die Rechtsprechung hat derartige Fälle beispielsweise bei Streitigkeiten über gemeinsame Giebelmauern und sonstige grenzüberschreitende Handlungen angenommen.999 Die Vertreter stützen die Rechtsfortbildung im Wesentlichen auf § 242 BGB.1000 Noch nicht abschließend geklärt ist dagegen, ob dieses Gemeinschaftsverhältnis nur eine Schranke bei der Rechtsausübung oder zudem ein Schuldverhältnis darstellt. Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1964 folge allein aus einem bloßen nachbarlichen Nebeneinander von Grundstücken unterschiedlicher Eigentümer

995  Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn jemand im fremden Namen verfügt, der Vertretene aber Nichtberechtigter ist, vgl. Staudinger/Gursky, § 185 BGB, Rn. 2. 996  Rüthers/Stadler, § 28, Rn. 13 f. 997  Ebenso Soergel/Leptien, vor § 164 BGB, Rn. 79. 998  RGZ 167, 14, 24; Riesenhuber, S. 131. 999  Maier/Bornheim, JA 1995, 978. 1000  Prütting, Rn. 350.

§ 18  Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis

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keine schuldrechtliche Beziehung zwischen diesen.1001 Vor allem Stimmen in der Literatur sehen dies jedoch anders.1002 Nach einer Position löse die Zugehörigkeit der Grundstücke zu einem Raum mit der folgeweisen tatsächlichen gegenseitigen Beeinflussung der Nutzungen eine Rechtsbeziehung aus.1003 Einige befürworten eine solche Beziehung indes nur in Verbindung mit den Fällen, bei denen die Regeln für die Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB anwendbar sind.1004 Nach diesseitiger Auffassung verdient die umfassende Ablehnung einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen Nachbarn keine Zustimmung. Gegen eine solche Annahme spricht schon der gesetzliche Verweis in § 922 S. 4 BGB auf die Vorschriften über die Gemeinschaft.1005 Gerade bei einer gemeinsamen Grenzeinrichtung scheint die Annahme einer Sonderbeziehung gerechtfertigt. Schließlich stehen die Personen in den Fällen nicht nur unbeteiligt und selbstständig nebeneinander. Allerdings können die gesetzlichen Regelungen nach §§ 903 ff. BGB durch die herkömmlichen Vertragspflichten keine beliebige Veränderung erfahren. Die konkreten Pflichten sollten sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls bestimmen.

II. Netzwerkbezug Der Anwendungsbereich des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses wird regelmäßig in Zweipersonenbeziehungen ohne einen Bezug zu Dritten sein, sodass aus dem Blickwinkel die Relevanz für Netzwerke gering erscheint. Ein solcher ergibt sich lediglich, wenn man Netzwerke auch als Resultat von formalen Beziehungen betrachtet, wie etwa der Zugehörigkeit zu einem Wohngebiet. So gesehen, verdeutlicht die Darstellung den rechtlichen Regelungsumfang in derartigen speziellen Fällen und zeigt die Unsicherheit, ob die Verbindungen zwischen den Beteiligten schuldrechtlichen Einflüssen unterliegen.

1001 BGHZ 42, 374, 377; a. A. für Wohnungseigentümer BayObLG vom 18.3.1970 BReg. 2 Z 36/69 -, NJW 1970, 1551, 1553 f. 1002  Prütting, Rn. 351 m. w. N. 1003  Westermann, JZ 1963, 407, 408. 1004  Heiseke, MDR 1961, 461. 1005 Ebenso Maier/Bornheim, JA 1995, 978, 982.

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2. Teil, 4. Abschn.:  Bereicherungsrecht

4. Abschnitt

Bereicherungsrecht 2. Teil, 4. Abschn.:  Bereicherungsrecht

Einen weiteren wesentlichen Teil des Zivilrechts bildet das Bereicherungsrecht, §§ 812 ff. BGB. Allgemein hat dieses Gebiet die Aufgabe, einen nicht gerechtfertigten Vermögenszuwachs vom Bereicherten an den Berechtigten zurückzuführen. Es geht also nicht um Schadensersatz, sondern um eine gerechtfertigte Vermögensverteilung am Maßstab der Billigkeit.1006 Im Unterschied zu Schadensersatz­ ansprüchen sind Bereicherungsrechte prinzipiell verschuldensunabhängig und frei von einer Zurechnung zum Verhalten des Schuldners.1007 Regelungstechnisch ist die Leistungs- von der Nichtleistungskondiktion zu unterscheiden. Beide sind Grundtatbestände mit mehreren Unterformen. Während eine Leistungskondiktion1008 die Rückgängigmachung einer bewussten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens wegen eines ungültigen oder fehlgeschlagenen Kausalgeschäfts ermöglicht, dient die Nichtleistungskondiktion1009 als Auffangtatbestand für eine Bereicherung in sonstiger Weise.1010

§ 19  Leistungskondiktion I. Grundlagen Die relevanteste Form der Leistungskondiktion ist die condictio indebiti.1011 Sie setzt gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein erlangtes „Etwas“ durch Leistung und ohne Rechtsgrund voraus. Weiterhin darf kein Ausschlussgrund vorliegen, vgl. etwa §§ 814, 815, 817 BGB. Das erlangte „Etwas“ kann jeglicher VermögensvorBrox/Walker, Schuldrecht BT, § 39, Rn. 1. Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 67 I 1 b, S. 128. 1008  Innerhalb der Leistungskondiktion unterscheidet das Gesetz folgende Anspruchsgrundlagen: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (fehlender Rechtsgrund von Anfang an – condictio indebiti); § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB (späterer Wegfall des Rechtsgrundes – condictio ob causam finitam); § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB (Nichteintritt des mit der Leistung verfolgten Zwecks – condictio ob rem); § 817 S. 1 BGB (Empfänger verstößt mit der Leistungsannahme gegen ein gesetzliches Verbot – condictio ob turpem vel iniustam causam), Fikentscher/ Heinemann, Rn. 1424 ff. 1009  Die Nichtleistungskondiktion hat ebenso verschiedene Arten, nämlich § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (allgemeine Nichtleistungskondiktion), § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (entgeltliche, aber dem Berechtigten gegenüber wirksame Verfügung), § 816 Abs. 1 S. 2 BGB (unentgeltliche, dem Berechtigten gegenüber wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten); § 816 Abs. 2 BGB (Leistung des Schuldners an einen Nichtberechtigten); § 822 BGB (Herausgabepflicht Dritter), Fikentscher/Heinemann, Rn. 1424 ff. 1010  Brox/Walker, SchuldR BT, § 39, Rn. 1 ff. 1011  Aufgrund der tatbestandlichen Ausstrahlung, soll die Darstellung in dem Bereich auf diese Variante begrenzt bleiben. 1006  1007 

§ 19  Leistungskondiktion

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teil sein, wie zum Beispiel der Erwerb von Rechtspositionen, die Befreiung von Schulden und Aufwendungen sowie Gebrauchsvorteile und Dienstleistungen.1012 Zudem verlangt der Anspruch eine Bereicherung ohne Rechtsgrund. Dies ist der Fall, wenn der erlangte Vermögensvorteil dem Bereicherten nach der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung nicht zusteht. Neben Kaufverträgen sind innerhalb dieser Voraussetzung auch andere vergleichbare private sowie gegebenenfalls öffentlich-rechtliche Rechtsakte als Rechtsgrund zu prüfen.1013 Schließlich muss der rechtsgrundlose Vermögensvorteil durch Leistung zugeflossen sein. Unter einer Leistung versteht die Rechtsprechung und die herrschende Lehre eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.1014 Zusätzlich zu einer bewussten Vermögensverschiebung, etwa durch Zahlung eines Geldbetrages, setzt der Anspruch also ferner die Verfolgung eines bestimmten Zwecks voraus, wie die Tilgung einer Schuld.1015 Der BGH lässt sogar unter Umständen eine nachträgliche Änderung der Bestimmung zu.1016 Eine Zweckbestimmung darf allerdings nicht wirksam vorgenommen werden, wenn der Schuldner die Verfügungsbefugnis über den Vermögensgegenstand verloren hat.1017 Im Rahmen einer Leistungsbeziehung gilt der Leistende als Gläubiger und der Leistungsempfänger als Schuldner eines solchen Anspruchs. In der Praxis herrscht jedoch oftmals Unsicherheit darüber, wer diese Personen konkret sind. Hierher 1012 Palandt/Sprau,

§ 812 BGB, Rn. 8 ff. § 812 BGB, Rn. 6. Bei der Leistungskondiktion ist im Rahmen dieses Prüfungspunktes zudem streitig, ob der Rechtsgrund objektiv als das zu erfüllende Schuldverhältnis oder subjektiv als der vom Leistenden bestimmte Zweck ermittelt werden muss, vgl. Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 67 III 1 a, S. 136 f. m. w. N. Fehlt der rechtliche Grund, wie bei § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, bleibt der Leistungszweck in jedem Fall unerreicht, Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 23. 1014  BGHZ 58, 184, 188; BGH vom 21.10.2004 - III ZR 38/04 -, NJW 2005, 60; Münch­ Komm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 41. Nach früherer Auffassung soll dagegen schon eine bewusste Vermögensverschiebung genügen, Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 6. Kritik an einer derartigen Bestimmung wurde vor allem von Canaris geäußert. Danach müssten die gefundenen Ergebnisse zusätzlich anhand von Wertungskriterien überprüft werden. Hierzu zählten folgende Punkte: (1) Jeder Partei sollen die Einwendungen gegenüber dem ausgesuchten Vertragspartner erhalten bleiben. (2) Jede Partei soll vor Einwendungen aus einem fremden Vertragsverhältnis geschützt werden. (3) Jede Partei soll das Risiko des Zahlungsausfalls nur vom selbst gewählten Vertragspartner tragen, vgl. Canaris, in: FS Larenz, S. 799, 802 f. 1015 Palandt/Sprau, § 812 BGB, Rn. 14. 1016  BGH vom 15.5.1986 - VII ZR 274/85 -, NJW 1986, 2700 f. m. w. N.; Wieling, JZ 1977, 291, 291 ff.; a. A. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 225 ff. (230) m. w. N. 1017 Ein solcher Fall ist etwa gegeben, wenn ein insolventer Schuldner einen Vermögenswert der Insolvenzmasse einer anderen Person verkauft. Selbst unter Zuhilfenahme einer dritten Person, etwa der Bank, erlischt grundsätzlich mangels Tilgungswirkung die Verbindlichkeit im Valutaverhältnis nicht, falls der Gläubiger von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis hatte bzw. haben musste, vgl. BGHZ 67, 75; MünchKomm/ Schwab, § 812 BGB, Rn. 102 ff. m. w. N. 1013 Palandt/Sprau,

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gehören auch die Fälle der irrtümlichen Eigenleistung. Eine derartige Situation liegt dann vor, wenn jemand einem anderen etwas in der Vorstellung zuwendet, die Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit vorzunehmen und der Empfänger dagegen die Zuwendung als die eines Dritten auffasst.1018 Für die Bestimmung, ob und zwischen welchen Personen dagegen eine Leistungsbeziehung existiert, verbietet sich eine strenge schematische Lösung. Vielmehr kommt es für eine sach- und interessengerechte Entscheidung auf die Umstände des Einzelfalls an.1019 Nach heute überwiegender Auffassung erfolgt die Ermittlung vorrangig spiegelbildlich zur Auslegung von Willenserklärungen gem. §§ 133, 157, 242 BGB aus der Sicht des Zuwendungsempfängers.1020 Grundlage für die Zweckbestimmung ist der von den Beteiligten zum Ausdruck gebrachte Wille.1021 Maßgeblich soll danach sein, wen ein objektiver Dritter in der Person des Empfängers als Leistenden ansehen durfte.1022

1018  Eine

derartige Konstellation liegt beispielsweise vor, wenn ein Bauherr beim Bauunternehmer ein Werk in Auftrag gibt und letzterer ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung einen Subunternehmer dafür einsetzt. Erbringt der Subunternehmer die Werkleistung mit dem Willen einen eigenen Vertrag gegenüber dem Bauherrn zu erfüllen und nimmt der Bauherr diese Werkleistung als eine des ursprünglichen Bauunternehmers an, ist ein Fall der irrtümlichen Eigenleistung gegeben, vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 179 ff. 1019  BGHZ 89, 376, 378; 105, 365, 369; BGH vom 3.5.1984 - VII ZR 166/83 -, NJW 1984, 2205 m. w. N.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1215. 1020  Baur/Wolf, JuS 1966, 393, 395; Medicus/Petersen, BR, Rn. 687 m. w. N.; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 180 ff. m. w. N. Beispielsweise soll nach Schwab jeder Vertragspartner eine Bewegung von Vermögenswerten in Gang setzen, die der Empfänger als Erfüllung des Vertrages verstehen dürfe. Unabhängig, ob der Empfänger den Zuwendenden nicht kenne oder ihn für einen Erfüllungsgehilfen seines Vertragspartners halte, habe der Vertragspartner mit der Güterbewegung eine eigene Tilgungsbestimmung erklärt. Diese Bestimmung werde vom Zuwendenden zumindest als Bote überbracht. Weil Tilgungsbestimmungen als echte Willenserklärungen gelten würden, sei auch die Auslegung auf der Grundlage des objektiven Empfängerhorizonts maßgeblich. Früher wurde dagegen vor allem der Wille des Zuwendenden bei der Bestimmung der Leistung für maßgeblich gehalten, vgl. RGZ 44, 136, 143; 87, 246, 251; 98, 64, 65; Baur/Wolf, JuS 1966, 393, 395; Flume, JZ 1962, 281 f.; Berg, NJW 1962, 101 f. Hierbei stellt sich natürlich die Folgefrage, ob der Zuwendungsempfänger die eigene Zuwendung gegenüber seinem Vertragspartner aus dem Deckungsverhältnis als Entreicherung iSd. § 818 Abs. 3 BGB gegenüber dem bereicherungsrechtlichen Anspruchsteller einwenden könne. Zum Teil wird dies unter bestimmten Voraussetzungen bejaht. Ein Kriterium soll die Schutzwürdigkeit sein, vgl. Medicus/Petersen, BR, Rn. 687 f. m. w. N. 1021  BGHZ 82, 28, 30. 1022  BGH vom 10.2.2005 - VII ZR 184/04 -, NJW 2005, 1356 f.; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 50 f. m. w. N.

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II.  Leistungsbeziehung in Mehrpersonenverhältnissen Während die Ermittlung der Leistungsbeziehung im Zweipersonenverhältnis, etwa bei Kauf eines Brotes mit Übereignung direkt vom Bäcker zum Kunden, als unproblematisch gilt, können wiederum bei der Mitwirkung mehrerer Personen Zweifel entstehen. Probleme bereitet insbesondere die eindeutige Bestimmung des Leistungsempfängers und Kondiktionsschuldners. Die Schwierigkeit ergibt sich, weil in Mehrpersonenverhältnissen oft durch eine Leistung gleichzeitig Ansprüche verschiedener Personen erfüllt werden sollen.1023 Demzufolge sind die Ergebnisse vielfach beliebig.1024 Hauptsächlich unterscheidet man hierbei die Beteiligung von Hilfspersonen, Leistungsketten und Dreiecksverhältnisse. 1. Hilfspersonen Die geringsten Probleme für die Bestimmung der Leistungsbeziehung im Zusammenhang mit Dritten bereitet die Beteiligung von Hilfspersonen. Ist die Person, die bei der Vermögensverschiebung tätig wird, etwa Bevollmächtigter, Besitzdiener oder dergleichen, gilt nicht sie, sondern der Hintermann als Leistender bzw. Leistungsempfänger.1025, 1026 Speziell die Zurechnung der Zuwendung durch eine Hilfsperson als Leistung erfolgt über die Willenserklärungen, die der Anweisung zugrunde liegen. Je nach Sachlage beruht die rechtliche Begründung auf den gewöhnlichen Rechtsfiguren, wie zum Beispiel gem. §§ 164, 185 Abs. 1 BGB oder § 364 Abs. 1 BGB.1027 2. Leistungsketten In der Leistungskette gibt der Empfänger eines Vermögenswertes diesen aufgrund eines selbstständigen Rechtsgeschäfts an einen Dritten weiter. Neben den 1023  Andere betonen dagegen, dass auf der Grundlage des Leistungsbegriffes infolge der Zweckbestimmung des Zuwendenden eine Identifizierung des Leistungsempfängers auch in Mehrpersonenverhältnissen nicht unmöglich sei, vgl. Medicus/Petersen, BR, Rn. 686. 1024  Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 70 VI 2a, S. 248 f. Laut Canaris zeigt sich die beliebige Manipulierbarkeit auch in der Rechtsprechung des BGH. Während in BGHZ 105, 365, 369 f. die Zahlung des Schuldners an den Zessionar auf eine abgetretene Forderung als Leistung an den Zedenten betrachtet worden sei, habe er in BGHZ 113, 62, 68 ff. die Zahlung des Haftpflichtversicherers an den Geschädigten dagegen nicht als Leistung des Schädigers gewertet. 1025  Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 11. 1026  Nicht zu den Hilfspersonen zählen dagegen die Leistungsgehilfen. Bei einer Bank­ überweisung eines Kunden an einen Dritten wird die handelnde Bank zum Teil als Leistungsgehilfe des Auftraggebers bezeichnet, vgl. beispielsweise Medicus/Petersen, BR, Rn. 686. Die Bank ist jedoch keine Hilfsperson im vorliegend beschriebenen Sinn, da sie als gleichberechtigter Akteur ihrer Verpflichtung eigenverantwortlich gegenüber ihrem Auftraggeber im eigenen Namen nachkommt und selbst den Zweck der Leistung bestimmt. 1027  Stolte, JZ 1990, 220, 224.

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selbstständigen Positionen der (Haupt-)Beteiligten als Vertragspartner ist ein wesentliches Kennzeichen einer solchen Kette, dass mehrere Leistungen zeitlich aufeinander folgen.1028 Ein derartiger Fall liegt beispielsweise vor, wenn eine Person (A) eine Sache einem Dritten (C) verkaufen will ohne dabei selbst als Vertragspartner aufzutreten. Ermöglicht wird dies durch die Einschaltung einer Mittelsperson. A verkauft und übereignet die Sache also B (Mittelsperson) und dieser veräußert sie im eigenen Namen an C.1029 In diesen Konstellationen besteht die Leistungsbeziehung jeweils zwischen den Parteien des Kausalverhältnisses. Durch die Erfüllung gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner verfolgen die Personen sowohl eine bewusste Vermögensverschiebung als auch einen bestimmten Zweck. Insofern erfordert die Relativität der Schuldverhältnisse die Rückabwicklung grundsätzlich zwischen den unmittelbar vertraglich verbundenen Personen.1030, 1031 Entsprechend der ursprünglichen Vereinbarung behält zudem jede Partei ihre Einwendungen gegenüber ihrem Vertragspartner und muss sich umgekehrt nur solchen gegenüber dem unmittelbar vertraglich verbundenen Partner rechtfertigen. Als Ergebnis dieser Risikoverteilung gilt weiterhin, dass jeder die Gefahr des Leistungsausfalls seines unmittelbaren und ausgesuchten Vertragspartners trägt.1032 Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1216. Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 7. 1030 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 52. 1031  Auf den ersten Blick erscheint eine Rückabwicklung entlang der Leistungsverhältnisse schwer nachvollziehbar, da es widersprüchlich wirkt, wenn aus der Dreierbeziehung Personen bereicherungsrechtlich mit einbezogen werden, die nicht direkt an der Zuwendung beteiligt waren. In dem Zusammenhang bezweifeln einige bei der Rückabwicklung des Deckungsverhältnisses insbesondere, ob der Anweisende etwas erlangt habe. Die herrschende Auffassung begründet die Rückabwicklung innerhalb der Leistungsbeziehung im Wesentlichen damit, dass der Angewiesene gegenüber dem Anweisenden einen Leistungszweck verfolge und dieser wiederum gegenüber dem Dritten, vgl. BGH vom 31.5.1994 - VI ZR 12/94 -, ZIP 1994, 1098, 1099; Erman/Buck-Heeb, § 812 BGB, Rn. 19; Esser/Weyers, § 48 III 1 c. Einige führen aber auch als Grund die Erteilung der Anweisung durch den Anweisenden und deren Befolgung des Angewiesenen an, vgl. Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 70 VI 4, S. 251 m. w. N. Demzufolge sei die Zuwendung des Angewiesenen gegenüber dem Empfänger als Leistung des Angewiesenen an den Anweisenden und letzteren gegenüber dem Zuwendungsempfänger (Dritter) zu würdigen, Kupisch, JZ 1997, 213, 219 ff. Speziell gegen den Einwand, der Anweisende habe durch eine derartige Abwicklung nichts erlangt, führen manche die Abwicklung im Rahmen eines Geheißerwerbs an. Hier stehe es einer Übergabe gleich, wenn die Sache auf Veranlassung des Veräußerers ausgeliefert werde. Ebenso verhalte es sich bei den sonstigen Anweisungsfällen. Auch insoweit habe der Anweisende durch eine wirksame Veranlassung den Vermögenswert selbst erlangt und nicht nur die bloße Schuldbefreiung im Valutaverhältnis. Die Befolgung der Anweisung, ggf. durch Auslieferung an den Dritten, sei damit auch als Erfüllung an den Anweisenden zu werten. Der Dritte habe quasi die Stellung einer Empfangsperson des Anweisenden. Vgl. im Übrigen MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 61 ff. m. w. N. 1032 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 54; Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 12; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1217. Problematisch wird diese Wertung allerdings, 1028  1029 

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Im obigen Beispielsfall darf also entsprechend der (selbstständigen kaufvertraglichen) Leistungsbeziehung grundsätzlich nur eine Rückabwicklung zwischen A und B einerseits sowie B und C anderseits erfolgen. Dies hat bei einem Unwirksamkeitsgrund ausschließlich im Kausalverhältnis A-B zur Folge, dass A lediglich Ansprüche gegenüber B hat und damit nicht die an C weiterveräußerte Sache herausverlangen darf. Vielmehr beschränkt sich sein Anspruch auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB).1033 Eine Ausnahme herrscht nur im Rahmen des § 822 BGB. Danach muss der Empfänger das Erlangte unentgeltlich einem Dritten zugewendet haben, wodurch die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist. Eine Rückabwicklung innerhalb des ursprünglichen Vertragsverhältnisses erfolgt ebenso bei einem Wirksamkeitsmangel im Kausalverhältnis B-C. Auch in dem Fall gibt es nur Ansprüche zwischen B und C ohne Einbeziehung von A.1034 Die Rückabwicklung innerhalb der Leistungsbeziehung gilt selbst bei einer Unwirksamkeit aller beteiligten Kausalverhältnisse. Ob in einem solchen Fall allerdings der ursprüngliche Verkäufer ebenso auf Wertersatz gegenüber seinem Käufer angewiesen bleibt oder die Abtretung des Bereicherungsanspruchs vom Weiterverkäufer gegenüber dem Zweiterwerber beanspruchen kann, bedarf aber noch der abschließenden Klärung.1035 3. Dreiecksverhältnisse Zum Teil bestehen im Rechtsverkehr Konstellationen, bei denen der Leistungszweck gegenüber einem anderen verfolgt wird als dem, der den tatsächlichen Vermögensvorteil empfängt.1036 a) Streckengeschäfte Als Beispiel für Dreiecksverhältnisse führen viele Streckengeschäfte an. Ebenso wie bei der Leistungskette sind mehrere Verträge mit verschiedenen Personen über denselben Vertragsgegenstand hintereinander geschaltet (vgl. § 9 II 2 a.). Im wenn die Tilgungsbestimmung bei der Leistungserbringung nachträglich eine Änderung erfährt, vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 225 ff. 1033  Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 70 I 1, S. 200. 1034  Medicus/Petersen, BR, Rn. 669. 1035  Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1218, wobei die Auffassung für den Wertersatz zuzunehmen scheint. Medicus/Petersen, BR, Rn. 670, 673 m. w. N. Nach wohl heute überwiegender Auffassung soll zumindest der bereicherungsrechtliche Anspruchsgegner nicht von vornherein den Anspruchsteller in einem solchen Fall des Doppelmangels auf die Kondiktion der Kondiktion verweisen können, vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 56 m. w. N. Gerade bei Zahlungsunfähigkeit des Anspruchsgegners erscheint jedoch zumindest ein Wahlrecht des Anspruchstellers, die Kondiktion der Kondiktion oder den Wertersatz fordern zu können, interessengerecht, vgl. BGH vom 15.3.1990 - III ZR 248/88 -, ZIP 1990, 915; a. A. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 73 ff. m. w. N. 1036  Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 13.

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Unterschied zu der Leistungskette (A-B-C) erfolgt auf der Grundlage einer Anweisung des Vertragspartners jedoch keine tatsächliche Zuwendung im Gleichgang der Kausalverhältnisse von Vertragspartner zu Vertragspartner, sondern eine vom ersten Verkäufer zum letzten Käufer (A-C) ohne faktische Lieferbeteiligung der zwischengeschalteten Weiterverkäufer (B).1037 Bereicherungsrechtlich beurteilt man diese Anweisungsfälle so, dass mit der Lieferung an den Dritten der Schuldner gegenüber dem Gläubiger die Zweckvereinbarung erfüllt und hiermit Befreiung von seiner Lieferverpflichtung erlangt. Konkret erfolgt dabei die Bestimmung der Leistungszwecke wie folgt: Der Angewiesene erklärt durch die Lieferung an den Dritten seinen Willen, an den Anweisenden zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem Deckungsverhältnis leisten zu wollen. Der Dritte ist insofern Empfangsbote des Anweisenden. Schließlich wird die Bestimmung des Leistungszwecks für die Erfüllung des Valutaverhältnisses durch den Anweisenden ebenso mit der Lieferung des Angewiesenen erklärt. Der Angewiesene gilt also überdies als Erklärungsbote des Anweisenden.1038 Entsprechend der oben genannten Vorgaben stellt sich die Leistungsbestimmung bei Mängeln in den Kausalverhältnissen zwischen den jeweiligen Personenverbindungen wie folgt dar: Bei Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses zwischen A und B besteht zwischen diesen ein Bereicherungsanspruch, selbst wenn A die Sache auf Anweisung von B an C bestimmungsgemäß weitergegeben hat.1039 Ebenso muss bei Nichtigkeit des Valutaverhältnisses B-C wiederum ohne Einbindung des Dritten (A) zwischen diesen beiden bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden.1040 Auch bei der weisungsgemäßen Lieferung von A an C ist diese auf der Grundlage des Empfängerhorizonts als Leistung von B gegenüber C anzusehen. Folglich kann grundsätzlich B gegen C Besitz und gegebenenfalls Eigentum an der Lieferung bereicherungsrechtlich zurückfordern. Selbst bei einem Nichtigkeitsmangel in beiden Vertragsverhältnissen (sogenannter Doppelmangel) bleibt es in dieser Konstellation grundsätzlichen bei einer partiellen Rückabwicklung,1041 1037  Medicus/Petersen, BR, Rn. 671. Insbesondere in Bezug auf Streckengeschäfte von beweglichen Sachen wird hier kritisch angemerkt, mit Hilfe des Geheißerwerbs gehe das Eigentum entsprechend den Kausalverhältnissen zeitlich nacheinander über. Damit würden die Erfüllungsgeschäfte den Verpflichtungsgeschäften wie bei der Leistungskette folgen, vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1219. Jedoch ist ebenso im Rahmen des Geheißerwerbs die tatsächliche Abwicklung zu berücksichtigen. Faktisch wird auch in den Fällen die Erfüllung der Zwischenpersonen übersprungen. Daran ändert die Einbeziehung von Geheißpersonen nichts, weil dieser nur eine juristische Hilfskonstruktion zur Verhinderung des Durchgangserwerbs zukommt. 1038 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 67; Lopau, JuS 1975, 773, 775. 1039  Diese bereicherungsrechtlichen Ansprüche können jeweils ohne Einbeziehung des Dritten sowohl vom Angewiesenen gegenüber dem Anweisenden als auch umgekehrt geltend gemacht werden, vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 69. 1040 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 71. 1041 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 53 m. w. N. Eine Ausnahme zu dieser Regel ist in § 822 BGB zu finden. Danach kann der Vermögenswert direkt vom Dritten heraus-

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um die Einwendungen interessengerecht berücksichtigen zu können.1042 Das Ergebnis fußt auf der im Rahmen der Privatautonomie getroffenen Wahl des Vertragspartners.1043 Hierzu gehört zudem das Risiko des (Zahlungs-)Ausfalls beim Zuwendungsempfänger. Durch die Weisung hat der Weiterverkäufer die Gefahr geschaffen, im Fall einer Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts seine Lieferung vom insolventen Zuwendungsempfänger (Endkäufer) nicht wieder zu erhalten. Kommt es darüber hinaus zu Mängeln in beiden Kausalverhältnissen, muss der Weiterverkäufer die eigenverantwortlich geschaffene Gefahr selbst tragen und nicht der Angewiesene oder der Zuwendungsempfänger.1044 Von den Situationen mit einem oder mehreren fehlerhaften Kausalverhältnissen sind die Sachverhalte streng zu trennen, bei denen die Anweisung – unabhängig von einem wirksamen oder unwirksamen Grundverhältnis – problembehaftet ist. Grundsätzlich bedarf es für einen Leistungskondiktionsanspruch einer zurechenbaren Anweisung. Andernfalls würde die für ein Leistungsverhältnis notwendige Zweckbestimmung des Leistenden gegenüber dem Zuwendungsempfänger nicht gegeben sein und im Rahmen des Deckungsverhältnisses fehlte es schon am erlangten Vermögensvorteil des vermeintlich Anweisenden.1045 Vor dem Hintergrund werden für die Beurteilung im Wesentlichen zwei Gruppen unterschieden, nämlich die fehlende und die fehlerhafte Anweisung. Hierunter fällt allerdings nicht schon die scheinbare Anweisung in den Fällen der irrtümlichen Eigenleistung.1046 Eine fehlende Anweisung liegt vielmehr vor, wenn der vermeintlich Anweisende dem scheinbar Angewiesenen zu keinem Zeitpunkt eine wirksame Anweisung zur Ausführung gegeben und auch nicht eine solche kraft Rechtsscheins erweckt hat. Ohne eine derartige Anweisung handeln etwa Vertreter ohne Vertretungsmacht1047 verlangt werden, wenn der (erste) Empfänger diesen unentgeltlich dem Dritten zugewendet hat und die Herausgabeverpflichtung aus dem Grund ausscheidet, vgl. Medicus/Petersen, BR, Rn. 672. 1042 Vgl. Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 14; Medicus/Petersen, BR, Rn. 675; Münch­Komm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 54 f., 72 f. 1043  BGH vom 29.9.2008 - XI ZR 371/07 -, ZIP 2008, 1161, 1162. 1044  Medicus/Petersen, BR, Rn. 673. 1045 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 80 ff. 1046 Vgl. Lopau, JuS 1975, 773, 776. 1047  In diese Kategorie fällt auch die erteilte Vollmacht, die wegen Verstoßes gegen ein Gesetz gem. § 134 BGB als nichtig gilt. In der Praxis sind hier vor allem Fälle zu finden, in denen sich ein Treuhänder von Investoren u. a. bevollmächtigen lässt, die Finanzierungsdarlehen direkt an die Bauträger auszuzahlen. Ist der Treuhänder kein Rechtsanwalt, hat der BGH die Vollmacht und den Geschäftsbesorgungsvertrag aufgrund eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz gem. § 134 BGB für nichtig erklärt, vgl. BGH vom 16.12.2002 II ZR 109/01 -, NJW 2003, 1252; vom 11.10.2001 - III ZR 182/00 -, NJW 2002, 66, 67 m. w. N. Selbst bei Auszahlung des Darlehens an den Bauträger haben die Investoren in einer solchen Konstellation von der Bank nichts erlangt. Vielmehr gilt aufgrund der unwirksamen Anweisung ausschließlich der Bauträger als der richtige Anspruchsgegner und gegebenenfalls die Bank bei teilweiser Erbringung der Refinanzierung zur Rückzahlung an

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oder Boten ohne Botenmacht, die jeweils keine eigene Tilgungsbestimmung setzen. Auch versehentliche Zuwendungen an den falschen Empfänger und gefälschte Anweisungen gehören hierher.1048 Eine Zurechnung findet damit nicht statt. Dagegen gelten Anweisungen als fehlerhaft, die zwar vom Anweisenden veranlasst wurden, die Befugnis des Angewiesenen jedoch schon immer oder im Nachhinein unwirksam war. Hierzu zählen etwa die Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden, eine formunwirksame Anweisung und die angefochtene oder widerrufene Befugnis des Angewiesenen. Unabhängig von der grundsätzlichen Trennung zwischen Valuta- und Deckungsverhältnis kann die Unwirksamkeit der Anweisung ebenso aus einem Mangel im Valutaverhältnis folgen. Eine derartige Situation ist insbesondere dann gegeben, wenn der Angewiesene von einer arglistigen Täuschung im Rahmen des Valutaverhältnisses wusste bzw. wissen musste.1049 Auch in den Fällen darf die Zuwendung des scheinbar Angewiesenen den vermeintlich Anweisenden nicht zugerechnet werden. Demzufolge fehlt es an einer wirksamen Tilgungsbestimmung nebst Erfüllungswirkung iSd. § 362 BGB. Dies gilt in der Regel sogar unabhängig von einer Gut- oder Bösgläubigkeit des Zuwendungsempfängers. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung jedoch im Fall des Widerrufs. Hier soll die Anweisung nur bei Kenntnis des Zuwendungsempfängers vom Widerruf dem Anweisenden nicht zuzurechnen sein.1050, 1051 Als rechtliche Konsequenz einer nicht zurechenbaren Anweisung nehmen die Rechtsprechung1052 und die Literatur1053 einen bereicherungsrechtlichen Direktanspruch1054 des Zuwendenden gegen den Dritten/Zuwendungsempfänger an. Der die Investoren verpflichtet, vgl. BGH vom 20.4.2004 - XI ZR 164/03 -, WM 2004, 1227 ff. A. A. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 96, der aufgrund der scheinbaren Tilgungsbestimmung wie im Fall einer widerrufenen Anweisung vorgehen will. 1048  Stolte, JZ 1990, 220, 224. 1049  BGH vom 1.6.1989 - III ZR 261/87 -, NJW 1989, 2879. 1050  BGH vom 25.9.1986 - VII ZR 349/85 -, NJW 1987, 185, 186 m. w. N. 1051  Nach einer anderen Ansicht sind die Rechtsscheintatbestände nach den §§ 170 ff. BGB analog heranzuziehen, sodass eine Durchgriffshaftung vorliege, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, vgl. Canaris, WM 1980, 354, 356. Zum Teil werden an einen Direktanspruch auch weniger strenge Anforderungen gestellt und dafür das Vertrauen des Zuwendungsempfängers über § 818 Abs. 3 BGB geschützt, vgl. Lieb, JZ 1983, 960, 962. 1052  BGHZ 147, 145, 149. 1053  Caemmerer, JZ 1962, 385, 387; Erman/Buck-Heeb, § 812 BGB, Rn. 21; Larenz/ Canaris, SchuldR BT II/2, § 70 IV 2, S. 225 f. m. w. N.; Lorenz, JZ 1971, 427, 428; Stolte, JZ 1990, 220, 224. 1054  Bei einem solchen Direktanspruch entstehen jedoch ferner Nachteile für die Beteiligten. Zu nennen ist hierbei schon das Insolvenzrisiko, das der Angewiesene gegenüber dem Zuwendungsempfänger trägt. Zwar hat der Angewiesene den Zuwendungsempfänger nicht wie einen Vertragspartner ausgesucht, aber letztlich die Sachlage durch die Überbringung verursacht. Die Nachteile sind jedoch nicht einseitig. Auch der Empfänger der Zuwendung kann keine Einwendungen aus dem Valutaverhältnis gegenüber dem bereiche-

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Empfänger der Zuwendung gilt in sonstiger Weise auf Kosten des (scheinbar) Angewiesenen bereichert, weil letzterer trotz Vermögensmehrung beim Empfänger gegenüber dem (scheinbar) Anweisenden weder eine Verbindlichkeit erfüllt hat noch in sonstiger Weise frei geworden ist.1055 b) Banküberweisungen Neben den Streckengeschäften sind derartige Dreieckskonstellationen ferner im Zusammenhang mit Banküberweisungen anzutreffen. Gerade in der heutigen Zeit erfüllt ein Schuldner vielfach seine Zahlungsverpflichtungen nicht unmittelbar mit Bargeld beim Anspruchsberechtigten. Vielmehr weist er in der Praxis seine kontoführende Bank zum Beispiel mittels Überweisung oder Lastschrift an, dem Zahlungsgläubiger das Geld auf sein Konto zuzuleiten. Gegebenenfalls arbeiten hierbei mehrere Banken zusammen, was der Übersichtlichkeit halber nicht thematisiert werden soll.1056 In diesen Fällen sind ebenso für die Rückabwicklung verschiedene Leistungsverhältnisse zu unterscheiden. Grundsätzlich erbringt bei einer Banküberweisung an einen Dritten die handelnde Bank eine Leistung gegenüber ihrem anweisenden Kunden und nicht für den Leistungsempfänger (Dritten).1057 Hat die Bank anlässlich einer Kaufpreiszahlung eine Überweisung mangels Deckung ausgeführt, gilt der überweisende Bankkunde und nicht der Zahlungsempfänger als richtiger Anspruchsgegner der Bank.1058 Schließlich liegt der Mangel nicht beim wirksamen Kaufvertrag, sondern im Verhältnis zwischen Bank (Angewiesener) und Kunde/ Käufer (Anweisender), im sogenannten Deckungsverhältnis.1059 Die daraus resultierende Gutschrift auf dem Bankkonto des Dritten muss demzufolge als Leistung des Überweisenden (Schuldner/anweisender Bankkunde) angesehen werden, inrungsrechtlichen Herausgabeanspruch des vermeintlich Angewiesenen wirksam geltend machen. Während in der Vergangenheit oft Vertrauensschutz der Beteiligten in Erwägung gezogen wurde, spielt nach heutiger Rechtsprechung die Gutgläubigkeit des vermeintlich Handelnden und Empfangenden eher keine Rolle. Wer keine zurechenbare Anweisung erteilt habe, könne nicht Gegner eines Bereicherungsanspruchs sein. Folglich müsse es bei der allgemeinen Haftung bleiben. Selbst im Deliktsrecht und bei sonstigen nichtvertraglichen Schadensersatz- sowie Herausgabeansprüchen trage der Anspruchsteller das Insolvenzrisiko des Anspruchsgegners. Für die frühere Ansicht: vgl. BGHZ 66, 362, 365; 66, 372, 375 f.; Gruber, DNotZ 1989, 658, 662 ff.; Schnauder, ZIP 1994, 1069, 1072 ff.; Westermann, ZIP 1990, 921, 922 und für die heutige Ansicht: MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 82 f. m. w. N.; BGHZ 147, 145, 151. 1055 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 87. 1056 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 59. 1057 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 62. Die Beziehung zwischen Anweisendem (Kunde) und Angewiesenem (Bank) wird als Deckungsverhältnis bezeichnet. 1058 RGZ 60, 24; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1220; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 70. 1059 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 52, 60.

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nerhalb des sogenannten Valutaverhältnisses. Kommt es entgegen aller Erwartung zu beachtlichen Mängeln bei der Rechtsgrundlage zwischen den jeweiligen Personenverbindungen, erfolgt grundsätzlich auch hier eine Abwicklung innerhalb des im Einzelnen gestörten Leistungsverhältnisses. Besteht der Anspruch des Dritten nicht und hat der vermeintliche Schuldner schon durch Banküberweisung gezahlt, gestattet dies bereicherungsrechtlich eine Leistungskondiktion zwischen dem vermeintlichen Schuldner und dem Dritten. Die ausführende Bank bleibt hiervon unberührt und ist zur Belastung des Kundenkontos vom Anweisenden berechtigt.1060 Hierher gehören zudem die Fälle, bei denen der Kunde eine Überzahlung oder Falschadressierung durch Banküberweisung selbst veranlasst hat, etwa durch ein Verschreiben auf dem Überweisungsträger.1061 Diese Regel gilt jedoch nicht ausnahmslos. Zu einem Direktanspruch der handelnden Bank in Form der Nichtleistungskondiktion kommt es etwa dann, wenn keine Leistung des Anweisenden vorliegt und er schutzbedürftig ist.1062 Die Bank hat in einem solchen Fall keinen Anspruch gegenüber dem vermeintlich Überweisenden (Bankkunden). Wie oben bereits erörtert, sind derartige Fälle beispielsweise gegeben, wenn zum einen der Empfänger vom Widerruf oder dem sonstigen Fehlen der Anweisung Kenntnis hat1063 und zum anderen der Rechtsschein der Leistung – unabhängig von einer Kenntnis des Zuwendungsempfängers – dem vermeintlich Anweisenden nicht zurechenbar ist1064.1065 Ähnlich differenziert die Rechtsprechung bei sogenannten Zuvielzahlungen und falscher Adressierung. Geht die fehlerhafte Adressierung auf einen Fehler des Kunden zurück, kommt es zu einem Leistungsverhältnis zwischen ihm und dem Zuwendungsempfänger. Andernfalls liegt keine Anweisung vor und die Bank hat einen eigenen Direktanspruch gegen den Dritten.1066 Mangels zurechnungsfähiger Zweckbestimmung liegt zudem keine Leistung bei Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden, bei einer Vertretung durch einen Geschäftsunfähigen bzw. durch nur einen GesamtvertreMedicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1220. § 812 BGB, Rn. 91, 94. 1062  BGHZ 147, 145, 149. 1063  BGH vom 1.6.2010 - XI ZR 389/09 -, ZIP 2010, 1283, 1286; vom 29.4.2008 - XI ZR 371/07 -, ZIP 2008, 1161, 1162; vom 5.11.2002 - XI ZR 381/01 -, ZIP 2003, 69, 71; vom 24.4.2001 - VI ZR 36/00 -, NJW 2001, 2880, 2881; BGHZ 88, 232, 236; BGHZ 87, 393; Canaris, JZ 1987, 201; Medicus/Petersen, BR, Rn. 676; dagegen keine direkte Kondiktion der Bank gegenüber dem Empfänger, wenn letzterer Unkenntnis vom Widerruf der Zahlungsanweisung (Scheck) hat BGHZ 61, 289. 1064  BGH vom 1.6.2010 - XI ZR 389/09 -, ZIP 2010, 1283, 1286; vom 29.4.2008 - XI ZR 371/07 -, ZIP 2008, 1161, 1162; vom 5.11.2002 - XI ZR 381/01 -, NJW 2003, 582, 583; vom 3.2.2004 - XI ZR 125/03 -, NJW 2004, 1315, 1316; vom 21.6.2005 - XI ZR 152/04 -, NJW 2005, 3213, 3214; vom 11.4.2006 - XI ZR 220/05 -, NJW 2006, 1965; vom 29.4.2008 - XI ZR 371/07 -, NJW 2008, 2331; Medicus/Petersen, BR, Rn. 677 m. w. N. 1065  Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 15 f. 1066  BGHZ 66, 372, 375; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 94 f., der ein Leistungsverhältnis selbst bei gleichberechtigter Verursachung von Kunde und Bank annimmt (str.). 1060 

1061 MünchKomm/Schwab,

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tungsberechtigten vor.1067 Ebenfalls führt nach neuerer Rechtsprechung des BGH eine ursprünglich wirksame und rechtzeitig widerrufene Anweisung im Anwendungsbereich des § 675u BGB zu einer Direktkondiktion der ausführenden Bank selbst gegenüber dem gutgläubigen Empfänger.1068 Eine ausgeführte Geldüberweisung, die auf einer unwirksamen Anweisung beruht, kann ferner nicht mit einem fehlerfreien Valutaverhältnis gerechtfertigt werden. Ein derartiger Sachverhalt besteht beispielsweise, wenn ein geisteskranker Käufer einen Kaufpreis überweist, die volle Kaufpreisforderung berechtigt war und die Bank die Überweisung ausführt. In dem Fall geht die allgemeine Auffassung entgegen der Rechtfertigung aufgrund des Valutaverhältnisses von einem Direktanspruch der Bank gegen den Zuwendungsempfänger aus. Auch hier begründen die Vertreter das Ergebnis mit der nicht getätigten Tilgungsbestimmung des Schuldners und der demzufolge fehlenden Leistungsbeziehung.1069 Im Ergebnis wird die Schutzbedürftigkeit der Beteiligten berücksichtigt.1070 Gilt eher der vermeintlich Anweisende schützenswert, ist die Zuwendung ihm nicht als Leistung zuzurechnen. In dem Fall steht der Mittelsperson, hier der Bank, ein Direktanspruch gegen den Zuwendungsempfänger zu. Hat dagegen der Empfänger ein größeres Schutzniveau, bleibt es bei der grundsätzlichen Abwicklung innerhalb der Leistungsverhältnisse.1071, 1072 c) Abtretung Zu den vorliegenden Dreieckskonstellationen gehören ebenso einzelne Abtretungsfälle. Tritt beispielsweise ein Gläubiger wirksam die Forderung gegen seinen Schuldner an einen Dritten ab und zahlt dieser an den Dritten, obwohl die Forderung in Wirklichkeit nicht bestand, ist grundsätzlich nach überwiegender Auffassung der ursprüngliche Gläubiger der richtige bereicherungsrechtliche Anspruchs-

1067  So die h. M. BGH vom 21.1.2010 - IX ZR 226/08 -, NJW-RR 2010, 858, 860; BGHZ 111, 382, 384 ff. m. w. N. 1068  BGH vom 16.6.2015 - XI ZR 243/13 -, NJW 2015, 3093 m. w. N. 1069  Vgl. BGHZ 158, 1, 5 f.; OLG Düsseldorf vom 4.6.1993 - 17 U 214/92 -, WM 1993, 1327; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 85 m. w. N.; a. A. Ulmer, AcP 126 (1926), 129, 163, Fn. 49; Pfister, JR 1969, 47, 49. 1070  Wohl anderer Ansicht MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 84. 1071 Vgl. Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 15e, g. 1072  Ein Direktanspruch der Bank gegen den Zahlungsempfänger ist zudem bei Nicht­ einhaltung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments gem. §§ 675u ff. BGB gegeben. Wird diese Regelung nicht eingehalten, verpflichtet dies die Bank gem. § 675y BGB zur Rückgängigmachung der Belastung auf dem Kundenkonto. Ebenso muss sie die Zuwendung vom Zahlungsempfänger zurückfordern können, vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1221a.

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2. Teil, 4. Abschn.:  Bereicherungsrecht

gegner.1073 Der Zessionar gilt nicht als Gehilfe des Zedenten.1074 Vielmehr tritt der Zessionar gem. § 398 S. 2 BGB an die Stelle des Zedenten nur für die Einziehung. Hinter diesem Ergebnis steckt wieder die Überlegung, dass die privatautonome Vertragsgestaltung nebst Wahl des Vertragspartners auch bereicherungsrechtlich beibehalten werden muss, um den Anspruchsteller nicht gegenüber seiner ursprünglichen Vertragsposition zu benachteiligen.1075 Ferner sehen einige, ungeachtet der Zession, in der Leistung auch die Verwirklichung des Vertragszwecks, die einerseits durch die Abtretung keine Beeinträchtigung erfahren soll, jedoch andererseits im Rahmen der Zweckbestimmung zu berücksichtigen sei.1076 Eine direkt bereicherungsrechtliche Inanspruchnahme des Zahlungsempfängers durch den Zuwendenden bejaht allerdings die Rechtsprechung, wenn die Forderung existiert und ausschließlich ein Irrtum über die Person des Gläubigers bestand.1077 Ebenso soll der zuwendende Schuldner beim Zessionar direkt kondizieren dürfen, falls die Abtretung der Forderung unwirksam war.1078

1073  BGHZ 105, 365, 368 ff. (Ausnahmsweise soll jedoch eine Durchgriffshaftung gelten, wenn der Zessionar die Auszahlung besonders intensiv, etwa unter Fristsetzung und Klageandrohung, gefordert habe, vgl. BGHZ 105, 365, 372 f.); a. A. Bayer, JuS 1990, 883; Dörner, NJW 1990, 473; Flume, AcP 199 (1999), 1, 18 ff.; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 202 ff. m. w. N.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1222; Medicus/Petersen, BR, Rn. 685a m. w. N., der infolge der Abtretung kein Dreipersonenverhältnis, sondern eine Zweierbeziehung sieht. Da der Zessionar durch die Abtretung an die Stelle des Zedenten getreten sei, müsse auch er Kondiktionsschuldner sein. Der Zessionar sei damit allein für den Empfang der Leistung zuständig und der Zuwendende verfolge auch nur gegenüber ihm einen Erfüllungszweck. Dies folge gesetzlich schon aus § 398 S. 2 BGB. Im Übrigen werde die Anspruchsverfolgung am ehesten Erfolg beim tatsächlichen Empfänger haben. Eine weitere Ausnahme scheint die Rechtsprechung dann zu machen, wenn der Zuwendende die Zahlung nicht infolge einer Weisung des Zedenten erbringt, sondern nach eigenverantwortlicher Prüfung selbst. Es soll kein Anweisungsfall gegeben sein, sondern wegen der Tilgungsbestimmung durch den Zuwendenden selbst die Konstellation wie im Rahmen von § 267 BGB, vgl. Medicus/Petersen, BR, Rn. 685. Eine vermittelnde Ansicht gesteht dem Bereicherungsgläubiger sogar zu, zwischen der Inanspruchnahme des Zedenten und der des Zessionars zu wählen, vgl. Kellmann, JR 1988, 97, 99. 1074 Vgl. Kellmann, JR 1988, 97, 99. 1075  So die wohl herrschende Meinung BGH vom 19.1.2005 - VIII ZR 173/03 -, NJW 2005, 1369; Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 16; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 70 V 1, S. 237 m. w. N. 1076 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 204. 1077  BGH vom 26.1.2006 - I ZR 89/03 -, NJW 2006, 1731. 1078  BGHZ 113, 62, 70; Canaris, NJW 1992, 868, 871; Medicus/Petersen, BR, Rn. 685. Davon sind die Fälle zu trennen in denen die Abtretung an sich wirksam ist, diese jedoch ohne wirksamen kausalen Rechtsgrund geschah. In dieser Konstellation erfolgt keine Abwicklung über das Dreiecksverhältnis. Vielmehr hat der Zedent ausschließlich gegenüber dem Zessionar einen Anspruch auf (bereicherungsrechtliche) Rückabwicklung, vgl. Münch­Komm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 212.

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d)  Zahlung auf fremde Schulden Bereicherungsrechtliche Dreieckskonstellationen entstehen ferner bei der Zahlung auf fremde Schulden. In Abgrenzung zu gewöhnlichen Geldüberweisungen liegt in solchen Fällen gerade keine Anweisung des Schuldners gegenüber dem Zuwendenden vor. Relevant ist hier zum einen die bewusste Zahlung auf eine fremde Schuld, die jedoch nicht besteht, und zum anderen die Zahlung auf eine fremde Schuld, die irrtümlich für eine eigene gehalten wurde. Bei einer bewussten Zahlung auf eine fremde Schuld liegt ein Leistungsverhältnis zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger vor, wenn für letzteren die Verfolgung eines eigenen Zwecks durch die Leistung erkennbar war.1079 Zahlt also beispielsweise eine Person D aus persönlicher Verbundenheit auf eine Zahlungsverpflichtung des Bekannten S gegenüber dessen Gläubiger G, kommt es zu einer Leistungsbeziehung zwischen D und G bei einer für G erkennbaren Fremdschuldtilgung (§ 267 BGB). Durch diese Art und Weise der Tilgung verfolgt die zuwendende Person (D) einen eigenen erkennbaren Leistungszweck, sodass ein Leistungsverhältnis zwischen D und G entsteht.1080 Rechtsgrund ist dabei das Schuldverhältnis mit S und G. Folglich kommt es zu einem bereicherungsrechtlichen Leistungskondiktionsanspruch von D gegen G, wenn der Schuldner die Forderung selbst getilgt hat und D ohne Kenntnis hierüber offenkundig die Schuld zwischen S und G erfüllen wollte. Fehlt es jedoch an der erkennbaren Verfolgung eines eigenen Zwecks mit der Zuwendung von D, besteht nur ein Leistungsverhältnis zwischen S und G. In dem Fall müsste D die Person S in Anspruch nehmen, die wiederum gegen G wegen Doppelerfüllung vorzugehen hat.1081 Weiterhin kommt es zu einem Leistungsverhältnis, wenn ein Dritter erkennbar auf eine vermeintlich eigene Schuld zahlt, die sich in Wirklichkeit gegen einen an1079 

Maßgebliche Sicht ist auch in dem Fall der Empfängerhorizont. So die wohl h. M., vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 155 ff. m. w. N. (Danach soll es sich um eine Drittleistung sogar handeln, wenn sich der Dritte gegenüber dem Schuldner zur Leistung verpflichtet glaubt.); Medicus/Petersen, BR, Rn. 684 m. w. N.; a. A. AK/Joerges, § 812 BGB, Rn. 35; Schmidt, JZ 1971, 601, 606 f.; Wieling, JuS 1978, 801 ff.; BGHZ 72, 246, 248 ff. Demzufolge erfülle der Dritte mit der Zuwendung an den (Schein-) Gläubiger ausschließlich einen Zweck gegenüber dem vermeintlichen Schuldner. Soweit die Beziehung zwischen Drittem und vermeintlichem Schuldner (Deckungsverhältnis) nicht entgeltlich geprägt sei, soll zumindest eine Schenkung in Frage kommen. Entsprechend den Streckengeschäften erfolge eine Zuwendung jedoch nicht direkt beim Vertragspartner, sondern bei einem Außenstehenden – in dem Fall beim (Schein-)Gläubiger. Folge dieser Auffassung wäre zudem, dass der Zuwendende gegenüber dem vermeintlichen Schuldner vorgehen müsse und dieser gegenüber dem Scheingläubiger. Folglich bestehe auch die Gefahr, dass der Scheingläubiger Einwendungen gegenüber dem vermeintlichen Schuldner geltend mache, die mit der Rückforderung nicht direkt verknüpft seien. Eine Ausnahme soll neben dem Anwendungsbereich von § 822 BGB nur gelten, wenn der Zuwendende ein eigenes Ablöserecht habe. Insoweit würde er einen eigenen Zweck gegenüber dem Zuwendungsempfänger und nicht gegenüber dem außenstehenden Schuldner verfolgen. 1081  Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 17. 1080 

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deren richtet. Der Dritte muss also irrtümlich annehmen, er sei beispielsweise zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, während tatsächlich ein anderer allein für den Schaden verantwortlich ist. Durch die erkennbar beabsichtigte Erfüllung einer eigenen Verpflichtung in Verbindung mit dem fehlenden Rechtsgrund erlangt der Dritte gegen den Zuwendungsempfänger einen bereicherungsrechtlichen (Leistungs-)Kondiktionsanspruch.1082 e)  Übernahme fremder Schulden Zu Dreieckskonstellationen kommt es ebenso bei der Übernahme fremder Schulden. Besteht bei einer befreienden Schuldübernahme nach §§ 414 f. BGB die übernommene Schuld nicht und leistet der Übernehmer trotzdem, berechtigt ihn dies zu einem bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch gegenüber dem Gläubiger in Form der Leistungskondiktion. Nach überwiegender Auffassung leistet der Übernehmer nicht auf Anweisung des Altschuldners, sodass er zur Rückabwicklung mit ihm verpflichtet wäre. Bei einem unwirksamen Kausalverhältnis für die Schuldübernahme zwischen Übernehmer und Altschuldner bleibt allerdings grundsätzlich die Verbindlichkeit des Übernehmers gegenüber dem Gläubiger gem. § 417 Abs. 2 BGB erhalten. In den Fällen hat der Übernehmer bereicherungsrechtlich lediglich einen Leistungskondiktionsanspruch gegen den Altschuldner. Nur bei Unwirksamkeit des Schuldübernahmevertrages selbst werden dem Übernehmer direkte Leistungskondiktionsansprüche gegen den Gläubiger zugestanden, falls er schon die Forderung erfüllte.1083 Zu Mehrpersonenverhältnissen kommt es insoweit ferner beim Schuldbeitritt. Besteht die Schuldforderung nicht, kann die Leistung gegenüber dem (Schein-) 1082  So die wohl h. M. Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 18; BGHZ 113, 65, 69 f.; a. A. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 158 ff. m. w. N. zum Streitstand (danach soll eine Vergleichbarkeit zu den Anweisungsfällen gegeben sein). Neben der Leistungskondiktion des Dritten gegen den Zuwendungsempfänger gilt es an eine Nichtleistungskondiktion des Dritten gegen den tatsächlichen Schuldner zu denken. Ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme des tatsächlichen Schuldners besteht beispielsweise bei Zahlungsunfähigkeit oder Entreicherung iSd. § 818 Abs. 4 BGB des Zuwendungsempfängers im Zeitpunkt ab Rückforderung. Grundsätzlich scheidet die Nichtleistungskondiktion gegen den tatsächlichen Schuldner in solchen Fällen schon deshalb aus, weil er aufgrund fehlender Tilgung seiner eigenen Schuld nicht bereichert ist. Manche versuchen daher, dem Dritten die Möglichkeit zu geben, seine eigene Tilgungsbestimmung gegenüber dem Beteiligten zu ändern. Dies soll etwa durch eine nachträgliche Erklärung gegenüber dem Zuwendungsempfänger erfolgen, nach der die Zahlung für den tatsächlichen Schuldner geleistet worden sei. Die nachträgliche Umwidmung der Tilgungsbestimmung wird jedoch schon wegen der fehlenden gesetzlichen Grundlage und der aufgedrängten Bereicherung des tatsächlichen Schuldners kritisiert. Schließlich könne auch der tatsächliche Gläubiger mit Ansprüchen gegen den Zuwendungsempfänger im Fall der Inanspruchnahme aufrechnen. Im Übrigen schlagen einige bei einem Irrtum des Zuwendenden eine Anfechtung der rechtsgeschäftsähnlichen Tilgungsbestimmung vor, Brox/Walker, SchuldR BT, § 42, Rn. 11; BGHZ 106, 163. 1083 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 173 ff.

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Gläubiger vom jeweiligen Absender geltend gemacht werden. Ebenso ist der Beitretende grundsätzlich zur direkten Rückforderung gegenüber dem Gläubiger berechtigt, wenn er geleistet hat und der Schuldbeitritt selbst unter einem Wirksamkeitsmangel leidet.1084 f)  Echter Vertrag zugunsten Dritter Bereicherungsrechtliche Dreieckskonstellationen ergeben sich mitunter ebenfalls im Zusammenhang mit einem echten Vertrag zugunsten Dritter iSd. § 328 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich kann ein Versprechender sowohl gegenüber dem Versprechungsempfänger (vgl. § 335 BGB) als auch gegenüber dem Dritten (§ 328 BGB) einen Leistungszweck beabsichtigen. Schließlich verfolgt der Versprechungsempfänger mit der Zuwendung des Versprechenden zugleich eine Erfüllung des Valutaverhältnisses mit dem Dritten. Für die rechtliche Beurteilung sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Kommt es zur Unwirksamkeit des Vertrages zwischen Versprechendem und Versprechungsempfänger bleibt es allerdings selbst in der Konstellation vom Grundsatz her bei einer Rückabwicklung innerhalb des (unwirksamen) Vertragsverhältnisses. Die Tatsache, dass der Dritte in den Lieferungsprozess eingebunden wurde, ist ebenso wie bei den Anweisungsfällen in der Regel unbeachtlich. Für dieses Ergebnis spricht ferner die Interessenwertung. Ein Direktanspruch des Versprechenden gegenüber dem Leistungsempfänger bei Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses würde dem Sinn und Zweck nicht ausreichend Rechnung tragen.1085 Eine unmittelbare Inanspruchnahme des Dritten erfolgt jedoch zulässig, wenn der Zweck der Leistung ausschließlich auf ihn bezogen war.1086 Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn der Versprechungsempfänger entgegen von § 335 BGB kein Recht hat, die Leistung an den Dritten zu fordern. Häufig wird eine Durchgriffshaftung über § 822 BGB vor allem bei Verträgen mit Versorgungscharakter bejaht, wie zum Beispiel bei Lebensversicherungen. Hierzu kommt es regelmäßig wegen der Unentgeltlichkeit des Valutaverhältnisses.1087, 1088 1084 MünchKomm/Schwab,

§ 812 BGB, Rn. 176 f. § 812 BGB, Rn. 29; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, § 812 BGB, Rn. 251; Staudinger/Lorenz, § 812 BGB, Rn. 46; einschränkend MünchKomm/ Schwab, § 812 BGB, Rn. 193, der bei einem fehlerhaften Schuldbeitrittsvertrag zwischen Altschuldner und Beitretendem den Rückgriff auf das Bereicherungsrecht verwehren will und den Beitretenden auf den Regress nach § 426 BGB verweist. 1086  A. A. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 198. 1087  Vgl. für die wohl herrschende Auffassung Schmidt, JZ 1971, 601, 604; Pinger, AcP 179 (1979), 301, 323 f.; Kellmann, JR 1988, 97, 99; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 195 f. m. w. N. 1088  Zum Ganzen: Medicus/Petersen, BR, Rn. 681 ff.; Brox/Walker, SchuldR BT, § 40, Rn. 19 f.; vgl. BGHZ 58, 184 m. w. N.; a. A. Lorenz, AcP 168 (1968), 286, 294. Danach habe § 335 BGB beim Vertrag zugunsten Dritter lediglich Hilfscharakter. Die Erfüllung erfolge im Fall eines eigenen Forderungsrechts des Dritten vielmehr durch die reale Leistung an den Dritten. Dass gleichzeitig die Forderung des Versprechungsempfängers erfüllt werde, 1085 Erman/Buck-Heeb,

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g)  Unechter Vertrag zugunsten Dritter Ähnlich verhält es sich bereicherungsrechtlich mit dem unechten Vertrag zugunsten Dritter. Hierbei erwirbt der Dritte keinen eigenen Anspruch gegen den Versprechenden. Aus dem Grund wendet der Versprechende eine Leistung dem Dritten nur zu, um die Verpflichtung gegenüber dem Versprechungsempfänger zu erfüllen. Es muss also bei der Grundregel bleiben, dass innerhalb des fehlerhaften Rechtsverhältnisses abgewickelt wird. Danach kann der Versprechende nur beim Versprechungsempfänger und der Versprechungsempfänger beim Dritten kondizieren. Als Ausnahme gilt auch in der Konstellation die Haftung gem. § 822 BGB.1089 h)  Anweisungsverhältnisse iSd. §§ 783 ff. BGB Die Anweisungsverhältnisse iSd. §§ 783 ff. BGB sind bereicherungsrechtlich mit dem echten Vertrag zugunsten Dritter vergleichbar. Hier weist eine Person (Anweisender) eine andere (Angewiesener) in einer Urkunde an, einem Dritten (Anweisungsempfänger) Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen auf Rechnung des Anweisenden zu leisten, vgl. § 783 BGB. Stellt sich nach Zuwendung ein unwirksamer Rechtsgrund heraus, besteht entgegen dem missverständlichen Wortlaut in den §§ 783, 784 BGB1090 kein bereicherungsrechtliches Leistungsverhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger. Vielmehr kommt ein solches Verhältnis einerseits zwischen Anweisendem und Angewiesenem (Deckungsverhältnis) sowie andererseits zwischen Anweisendem und Anweisungsempfänger (Valutaverhältnis) zustande. Nur auf Grund des Valutaverhältnisses handelt der Anweisende. Ebenso wird der Angewiesene ausschließlich wegen des Deckungsverhältnisses gegenüber dem Anweisungsempfänger tätig. Beides sind also die Grundverhältnisse für die Vermögensverschiebung. Bei einem fehlerhaften Rechtsverhältnis ist daher nur zwischen den jeweiligen Vertragspartnern eine Leistungskondiktion statthaft.1091 4. Netzwerkverhältnisse Schließt etwa ein Systemführer mit anderen Personen Verträge, um diese zu einem Angebot für Dritte zusammenzufassen, soll ein Netzwerkverhältnis gegeben sein. Hierzu kommt es beispielsweise, wenn ein Automobilhersteller mit verschiedenen Zulieferern Leistungen vereinbart, damit er diese seinen Kunden anbieten kann.1092 sei dagegen ein bloßer Reflex. Zum Teil wird auch der Einwendungsdurchgriff aus dem Deckungsverhältnis nach § 334 BGB als Grund für den Kondiktionsdurchgriff genannt, vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 194. 1089  Medicus/Petersen, BR, Rn. 680. 1090  In § 783 S. 1 a. E. BGB und § 784 Abs. 1 S. 1 HS. 1 BGB ist die Rede von einer Leistung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger. 1091  Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1220. 1092  Wolf, KritV 2006, 253, 253 f.

§ 20  Nichtleistungskondiktion

279

Bereicherungsrechtlich sind bei dieser Mehrpersonenverhältniskonstellation keine Besonderheiten erkennbar. Je nach Einzelfall ist nach den allgemeinen Regeln zu unterscheiden, ob einzelne Beteiligte sich als Hilfspersonen betätigen bzw. eine Leistungskette oder ein Dreiecksverhältnis vorliegt.

§ 20  Nichtleistungskondiktion I. Arten Zur Nichtleistungskondiktion zählt in erster Linie die Bereicherung in sonstiger Weise gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Hierbei unterscheidet die überwiegende Position zwischen der Eingriffs-, Rückgriffs- und Aufwendungskondiktion. Ferner bestehen verwandte bereicherungsrechtliche Regelungen in § 816 BGB und in § 822 BGB.1093 1. Eingriffskondiktion Ansprüche aus Eingriffskondiktion kommen infrage, wenn in das Recht eines Dritten eingegriffen und damit das Vermögen des Anspruchsgegners gemehrt wird. Neben einem erlangten Vermögenswert sowie einem fehlenden Rechtsgrund ist der Eingriff in das Recht auf Kosten des Anspruchstellers erforderlich. Der Eingriff muss nicht zwangsläufig durch den Bereicherten erfolgt sein. Vielmehr genügt ebenso ein solcher mittels Dritter oder ohne personelle Beteiligung, etwa infolge von Naturereignissen. Als entscheidend gilt nach herrschender Auffassung, dass der Eingriff in das Recht des Anspruchstellers entgegen dem Zuweisungsgehalt stattgefunden hat. Umfasst sind hierbei alle Rechtspositionen, deren wirtschaftliche Verwertung dem Gläubiger obliegt.1094 2. Rückgriffskondiktion Der Anwendungsbereich der Rückgriffskondiktion umfasst die Befreiung einer Person von Verbindlichkeiten gegenüber einem Dritten durch den Anspruchsteller. Hierher gehört insbesondere die Tilgung fremder Schulden (vgl. § 19 II d.). Im Übrigen gelten die Voraussetzungen wie bei jedem anderen Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise.1095 3. Aufwendungskondiktion Schließlich sind Aufwendungs- und Verwendungskondiktionen nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB möglich. Neben den allgemeinen Voraussetzungen bedarf es Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1074, 1090. Medicus/Petersen, BR, Rn. 704 ff. m. w. N.; Brox/Walker, SchuldR BT, § 42, Rn. 3 ff. 1095  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1099 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1130, 1211 ff. 1093 

1094 

280

2. Teil, 4. Abschn.:  Bereicherungsrecht

hierfür einer Aufwendung bzw. Verwendung auf ein fremdes Gut, die das Vermögen des Anspruchsgegners vermehrt. Dies ist etwa bei Aufwendungen für Sachen oder dem Einsatz der Arbeitskraft gegeben. Von dem Anspruch muss jedoch die spezielle Regelung in § 951 BGB unterschieden werden.1096 4.  Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten Einen weiteren bereicherungsrechtlichen Anspruch hat der Gesetzgeber für entgeltliche Verfügungen eines Nichtberechtigten nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehen. Vorausgesetzt wird, dass eine Person, die weder die Inhaberschaft des Rechts noch eine sonstige Berechtigung hat, eine entgeltliche Verfügung trifft, die gegenüber dem Berechtigten wirksam ist. Derartige Ansprüche entstehen vor allem bei zulässigen Veräußerungen eines Nichtberechtigten gegenüber einem gutgläubigen Erwerber nach §§ 932 ff., 892 f., 1207 f., 2366 ff. BGB. Mangels Verfügung genügen nach überwiegender Auffassung schuldrechtliche Rechtsgeschäfte, wie etwa Vermietungen, nicht.1097 Die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Nichtberechtigten obliegt demjenigen, der als Rechtsinhaber zu der Verfügung berechtigt gewesen wäre.1098 5.  Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten Ebenso zählt die unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zu den Nichtleistungskondiktionen. Voraussetzung ist wiederum die Verfügung eines Nichtberechtigten, die gegenüber dem Berechtigten Wirksamkeit entfaltet. Im Unterschied zu S. 1 muss allerdings eine unentgeltliche Verfügung vorliegen. Eine rechtsgrundlose Verfügung reicht dagegen nach überwiegender Auffassung allein nicht. Wegen der geringen Schutzbedürftigkeit darf demzufolge sogar der Beschenkte statt des Nichtberechtigten in Anspruch genommen werden.1099 6.  Leistung an einen Nichtberechtigten Weiterhin fällt die Leistung an einen Nichtberechtigten gem. § 816 Abs. 2 BGB in die Rubrik. Erfolgt eine wirksame Leistung an einen Nichtberechtigten, kann der Berechtigte das Geleistete von ihm herausverlangen. Zu derartigen Fällen kommt es insbesondere im Zusammenhang mit Abtretungen, vgl. §§ 407 f. BGB.1100

1096  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1095 ff.; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 296 ff. 1097  Medicus/Petersen, BR, Rn. 715 ff. m. w. N. 1098  Vgl. MünchKomm/Schwab, § 816 BGB, Rn. 30. 1099 MünchKomm/Schwab, § 816 BGB, Rn. 61 ff. 1100 Jauernig/Stadler, § 816 BGB, Rn. 13 ff.

§ 20  Nichtleistungskondiktion

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7.  § 822 BGB Schließlich gilt es auf die Regelung in § 822 BGB hinzuweisen. Eine Person darf danach in Anspruch genommen werden, wenn sie einen Vermögenswert unentgeltlich erlangt hat und deswegen der bereicherungsrechtliche Anspruch des Anspruchstellers gegen den Zuwendenden als ausgeschlossen gilt. Besteht dagegen kein Ausschluss des Bereicherungsanspruchs, ist der Zuwendende in Anspruch zu nehmen. Die Voraussetzung fehlt insbesondere bei einer verschärften Haftung der Mittelsperson nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB. Im Unterschied zu dem Anspruch gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB handelt der Zuwendende als Berechtigter, weil beispielsweise nur das Kausalgeschäft unter einem Nichtigkeitsmangel leidet.1101

II.  Vorrang der Leistungskondiktion Neben den tatbestandlichen Besonderheiten in den einzelnen Regelungen zählt der Vorrang der Leistungskondiktion zu den grundlegenden Voraussetzungen der Nichtleistungskondiktionen.1102 Während im Zweipersonenverhältnis eine gleichzeitige Inanspruchnahme durch Leistungskondiktion und Nichtleistungskondiktion schon begrifflich für denselben Bereicherungsgegenstand ausscheidet, erscheint dies bei mehreren Beteiligten nicht so eindeutig. Gerade im Fall einer Leistungskette und sonstiger Mehrpersonenverhältnisse können neben den Leistungsverhältnissen zusätzlich zwischen dem Zuwendungsempfänger und Dritten Nichtleistungsbeziehungen entstehen. Die Nichtleistungskondiktionen sind jedoch in derartigen Konstellationen nach überwiegender Auffassung unzulässig, weil andernfalls die Einwendungen aus den jeweiligen Schuldverhältnissen umgangen werden könnten, die sogenannte Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion.1103 Liefert ein Händler beispielsweise einem Bauunternehmer Steine für den Bau eines fremden Hauses, kann der Lieferant sie nur vom Bauunternehmer bei einem nichtigen Kaufvertrag heraus- bzw. ersetzt verlangen. Eine Inanspruchnahme des Hauseigentümers ist selbst bei Vermögensverfall des Bauunternehmers ausgeschlossen. Der Empfänger einer Leistung muss prinzipiell nur mit dem Leistenden und nicht mit Dritten rückabwickeln.1104 Der Grundsatz gilt jedoch nicht unbeschränkt. Insbesondere sind sachenrechtliche Wertungen zu berücksichtigen, etwa nach §§ 932, 935 BGB. Wurden im vorherigen Fall die Steine beispielsweise gestohlen, muss quasi als Ersatz zum Anspruch aus § 985 BGB der bereicherungsrechtliche Direktanspruch zur Anwendung kommen.1105 Im Übrigen greift der Vorrang allerdings nur für dasjenige ein, was durch Leistung erlangt wurde. Erwirbt eine Person etwa ein Foto als Sache ohne Verwertungsrecht von einem veräußernden Dritten, Brox/Walker, SchuldR BT, § 42, Rn. 26. BGH vom 21.10.2004 - III ZR 38/04 -, NJW 2005, 60. 1103 MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 57 ff., 68. 1104  Medicus/Petersen, BR, Rn. 730. 1105  Brox/Walker, SchuldR BT, § 42, Rn. 1 f. 1101 

1102 

282

2. Teil, 4. Abschn.:  Bereicherungsrecht

kann der Verwertungsberechtigte bei Verwendung des Bildes in Anzeigen auf der Grundlage der Eingriffskondiktion Ansprüche geltend machen.1106

§ 21  Rechtsfolgen und Netzwerkbezug I.  Grundlagen der Rechtsfolgen Sind die Voraussetzungen für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegeben, hat der Bereicherte grundsätzlich das Erlangte, gezogene Nutzungen und Surrogate herauszugeben, vgl. §§ 812 Abs. 1 S. 1, 816, 817 S. 1, 818 Abs. 1 BGB. Im Fall der Unmöglichkeit muss gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz geleistet werden. Beide Rechtsfolgen gelten jedoch als ausgeschlossen, wenn eine Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB vorliegt und keine besondere Haftung nach §§ 818 Abs. 4, 819 BGB eingreift.

II.  Rechtsfolgen bei mehreren Beteiligten Die Beteiligung von mehreren Personen wird auch auf der Rechtsfolgenseite berücksichtigt. Probleme bereitet hierbei allerdings im Rahmen der verschärften Haftung gem. § 819 Abs. 1 BGB die Kenntnis von minderjährigen Anspruchsgegnern. Die überwiegende Auffassung geht wegen des vertraglichen Hintergrunds bei Leistungskondiktionen von einer Maßgeblichkeit des gesetzlichen Vertreters aus, um den Minderjährigenschutz zu gewährleisten. Auf die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen entsprechend § 828 Abs. 3 BGB soll es dagegen bei der Eingriffskondiktion und insbesondere nach der Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung ankommen.1107 Ebenso ist bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Mehrpersonenverhältnissen vielfach nicht eindeutig, was vom Anspruchsgegner herausverlangt werden kann. Dies zeigt sich etwa bei Anweisungsfällen. Entgegen einer früher verbreiteten Ansicht1108 hat der Anweisende bei einem wirksamen Bereicherungsanspruch nicht nur die Schuldbefreiung im Valutaverhältnis herauszugeben. Vielmehr muss er den Vermögenswert der Zuwendung selbst oder bei Unmöglichkeit gegebenenfalls Wertersatz leisten, vgl. § 812 Abs. 1, 2 BGB. Andernfalls

Medicus/Petersen, BR, Rn. 727. 55, 128, 135 ff.; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1119 m. w. N.; Medicus/ Petersen, BR, Rn. 176; Palandt/Sprau, § 819 BGB, Rn. 4; a. A. Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 73 II 2 a. 1108  Vgl. AK/Joerges, § 812 BGB, Rn. 18; Hübner, ZIP 1984, 1175, 1178; Lorenz, JZ 1968, 51, 53; MünchKomm/Schwab, § 812 BGB, Rn. 66 m. w. N. 1106 

1107  BGHZ

§ 21  Rechtsfolgen und Netzwerkbezug

283

könnte der Anspruch leer laufen, insbesondere wenn im Valutaverhältnis keine Verbindlichkeit bestand.1109

III. Netzwerkbezug Netzwerkorientiertes Verhalten findet nach alledem im Rahmen des Bereicherungsrechts Beachtung. Dies beginnt mit der spiegelbildlichen Würdigung von rechtsgeschäftlichen Verbindungen mit mehreren Personen bei der Leistungskondiktion. Selbst bei der Rückabwicklung werden die einzelnen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren trotz Befriedigung mehrfacher Verpflichtungen und regelabweichend vereinbarter Erfüllungen auseinander gehalten. Nur so soll eine angemessene Rückabwicklung möglich sein. Ebenso erfolgt die Sicherung dieses Ziels durch den Vorrang der Leistungskondiktion gegenüber den anderen Kondiktionsansprüchen von Dritten. Im Ergebnis verhindert die Handhabung Unbilligkeiten und Umgehungen. Insbesondere betrifft dies Einwendungen, die zwischen Nichtvertragspartnern gerade nicht bestehen. Während Leistungskondiktionen von der normativen Ausgangslage her vorwiegend bipolare Beziehungen rückgängig machen, herrscht bei der Nichtleistungskondiktion ein breiteres Spektrum. Sogar gesetzlich vorausgesetzt wird ein netzwerkartiges Mehrpersonenverhältnis im Anwendungsbereich von § 816 BGB und § 822 BGB. § 816 BGB erfasst hierbei vor allem die durch Personenverbindungen ermöglichten Fälle des Gutglaubenserwerbs von einem Nichtberechtigten (vgl. § 14 V.). Bei den Kondiktionsansprüchen wegen einer Bereicherung in sonstiger Weise nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB herrscht hingegen keine spezielle Ausrichtung auf ein Mehrpersonenverhältnis. Im Rahmen der Eingriffskondiktion ist es sogar gleichgültig, ob der Anspruchsgegner, ein Dritter oder Naturereignisse den Eingriff ausgelöst haben. Zusätzlich zu den Bezügen auf Tatbestandsseite können netzwerkorientierte Beziehungen bei den bereicherungsspezifischen Rechtsfolgen Berücksichtigung finden. Bei der verschärften Haftung von Minderjährigen nach § 819 Abs. 1 BGB stellt die überwiegende Auffassung beispielsweise im Rahmen einer Leistungskondiktion auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ab.

1109 MünchKomm/Schwab,

§ 812 BGB, Rn. 66.

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2. Teil, 5. Abschn.:  Recht der unerlaubten Handlungen

5. Abschnitt

Recht der unerlaubten Handlungen 2. Teil, 5. Abschn.:  Recht der unerlaubten Handlungen

Ein weiteres wichtiges Gebiet innerhalb des Zivilrechts ist das Deliktsrecht. Während vertragliche Verbindungen in der Regel zwei korrespondierende Willenserklärungen voraussetzen, entstehen deliktische Verhältnisse zwischen verschiedenen Personen schon mit einem unerlaubten Eingriff in einen fremden Rechtskreis. Trotz dieses grundlegenden Unterschiedes herrscht zwischen beiden Formen kein Ausschlussverhältnis. Sie können sogar nebeneinander existieren. Das Deliktsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 823 ff. BGB geregelt. In erster Line werden hierbei bestimmte absolute Rechte (§ 823 Abs. 1 BGB) und Schutzgesetze (§ 823 Abs. 2 BGB) gewährleistet. Einen weiteren Grundtatbestand beinhaltet § 826 BGB. Diese Regelung hat der Gesetzgeber als Generalklausel ausgestaltet und erfasst alle Fälle der vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung.1110

§ 22  Ausgewählte deliktische Normen und Netzwerkbezug I.  Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 BGB Eine deliktische Verbindung auf der Grundlage des § 823 Abs. 1 BGB entsteht, wenn eine Person schuldhaft das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt und diesem dadurch einen Schaden zufügt. Neben aktiven Verletzungshandlungen des Anspruchsgegners sind für die Erfüllung des Tatbestandes grundsätzlich auch Unterlassungen möglich. Die Gleichstellung von Nichthandlungen mit einem positiven Tun tritt aber nur in den Fällen ein, wenn der Anspruchsgegner eine Gefahrenlage schafft und damit eine Verpflichtung zur Erfolgsabwendung hervorruft oder anderweitig zur Verhinderung verpflichtet ist. Eröffnet beispielsweise eine Person ein Wegegrundstück für den öffentlichen Verkehr, besteht eine Pflicht den Weg in einem gefahrlosen Zustand zu halten.1111 Die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht kann dabei grundsätzlich auf Dritte übertragen werden, etwa einem Hausmeister. Nach allgemeiner Auffassung entfällt die Verpflichtung deswegen jedoch nicht ersatzlos. Vielmehr wandelt sie sich in eine Aufsichts- und Überwachungspflicht.1112 Selbst Großbetriebe unterliegen derartigen Notwendigkeiten. Bei diesen fordert die überwiegende Meinung zudem die Absicherung der Verpflichtung durch eine ausreichende

Looschelders, SchuldR BT, § 56. BGH vom 2.10.2012 - VI ZR 311/11 -, NJW 2013, 48; vom 31.10.2006 - VI ZR 223/05 -, NJW 2007, 762, 763. 1112 Palandt/Sprau, § 823 BGB, Rn. 50, 52. 1110 

1111 Vgl.

§ 22  Ausgewählte deliktische Normen und Netzwerkbezug

285

Organisation.1113 Im Übrigen bestimmt sich der Umfang der Verpflichtung nach den Umständen des Einzelfalls. Ebenso hat jeder auf der Grundlage der modernen Arbeitsteilung nur für die von ihm übernommenen Aufgaben einzustehen. Während beispielsweise zu den Verpflichtungen des Herstellers die Untersuchung der Beschaffenheit seiner Produkte zählt, trifft den Händler dieses Erfordernis nur, wenn Anlass dazu herrscht. Regelmäßig genügt ein Verkäufer seiner Gefahrabwendungspflicht schon durch eine reine Sichtkontrolle der Waren.1114 Obendrein bedarf es einer Rechtsgutverletzung. Das Gesetz nennt ausdrücklich das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum und ein sonstiges Recht. Zu letzteren zählt nach überwiegender Auffassung beispielsweise das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Geschützt werden hierbei insbesondere die Organisationsstruktur, die Geschäftsbeziehungen und der Kundenstamm vor einem unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriff.1115 Die Beeinträchtigung muss allerdings nicht zwangsläufig beim Anspruchsteller eingetreten sein. Gerade bei einer Verletzung des Lebens, d. h. bei der Tötung einer Person, sind zudem Dritte anspruchsberechtigt, vgl. §§ 844 f. BGB.1116 Ebenso erfordert der Tatbestand keine unmittelbare Verletzung. Es reicht beispielsweise für eine tatbestandsmäßige Rechtsgutverletzung einer Mutter aus, wenn sie einen Nervenzusammenbruch erleidet, nachdem sie vom Unfall ihres Kindes erfahren hat. Den anspruchsberechtigten Kreis von mittelbar Betroffenen wegen sogenannter Schockschäden begrenzt die Rechtsprechung jedoch auf nahe Angehörige des unmittelbar Verletzten. Im Übrigen sieht sie derartige Schäden als allgemeines Lebensrisiko an, die jeder selbst tragen muss.1117 Als notwendig gilt weiterhin, dass die Verletzung des Rechtsgutes durch die Handlung des Inanspruchgenommenen verursacht wird und diesem gegenüber zurechenbar ist. Zudem setzt § 823 Abs. 1 BGB ein Verschulden voraus. Der Täter haftet für eine vorsätzliche und fahrlässige Verletzung der Rechtsgüter, die der Anspruchsteller darlegen und beweisen muss. Probleme bereitet dies vor allem bei der Produzentenhaftung. Im Zusammenhang mit fehlerhaften Gütern, etwa aufgrund konstruktions-, material- oder fabrikationsbedingter Mängel, vermutet daher die Rechtsprechung entgegen der gewöhnlichen Regeln das Verschulden des Herstellers teilweise. Dem Geschädigten sollen die Darlegungs- und Beweislast für derartige Umstände abgenommen werden, die sich im Innenbereich des Unternehmens befinden und für ihn unzugänglich sind.1118 Die Verpflichtung erstreckt sich sogar auf Vorprodukte, die arbeitsteilig von Zulieferern hergestellt wurden. UnabhänBrox/Walker, SchuldR BT, § 45, Rn. 45; Staudinger/Hager, § 823 BGB, Rn. E 59 ff. Lange, Rn. 876 ff. 1115  Brox/Walker, SchuldR BT, § 45, Rn. 15 m. w. N. 1116  Kropholler, § 823 BGB, Rn. 3. 1117  BGH vom 22.5.2007 - VI ZR 17/06 -, NJW 2007, 2764. 1118 MünchKomm/Wagner, § 823 BGB, Rn. 685. 1113  1114 

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2. Teil, 5. Abschn.:  Recht der unerlaubten Handlungen

gig davon bleibt jedoch auch der Zulieferer grundsätzlich verantwortlich.1119 Für die Entlastung genügt nicht allein der Nachweis eines eigenen Nichtverschuldens. Vielmehr gelingt diese nur, wenn er beweist, dass weder ihm noch einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter oder Organ ein Verschulden vorzuwerfen ist, insbesondere keine Organisationsmängel vorliegen und jeder einzelne mit der Herstellung des fehlerhaften Produkts befasste Bedienstete sorgfältig ausgewählt und überwacht wurde.1120 Ferner besteht eine Beobachtungs- und Hinweispflicht gegenüber Verbrauchern. Schuldhaft handelt danach etwa ein Hersteller, wenn er es unterlässt, auf nicht leicht erkennbare Benutzungsgefahren hinzuweisen, die ihm aus Beziehungen zu anderen Personen bekannt geworden sind.1121 Schließlich muss ein kausaler und widerrechtlicher Schaden entstanden sein. Die Widerrechtlichkeit wird grundsätzlich indiziert, falls kein Rechtfertigungsgrund eingreift. Ausnahmen bestehen etwa bei Rahmenrechten und mittelbaren Handlungen. Beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bedarf es beispielsweise einer positiven Feststellung mittels einer Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten.1122 Der Schadensumfang bestimmt sich nach den §§ 249 ff., 842 ff. BGB.1123 Bei der Tötung eines Menschen sind gem. § 844 Abs. 1 BGB insbesondere die Beerdigungskosten demjenigen zu ersetzen, dem die Kostentragung obliegt. Laut § 844 Abs. 2 BGB hat zudem der Unterhaltsberechtigte des Getöteten einen Anspruch. Ebenso können ausgewählte Dritte Ansprüche geltend machen, wenn ihnen durch eine Tötung, Körper-, Gesundheitsverletzung oder Freiheitsentziehung gesetzlich begründete Dienste entgehen, § 845 BGB.

II.  Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB Nach § 823 Abs. 2 BGB macht sich jemand schadensersatzpflichtig, wenn er rechtswidrig und schuldhaft gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Neben den absoluten Rechten iSd. § 823 Abs. 1 BGB wird hierbei auch das Vermögen geschützt. Als Schutzgesetze zählen beispielsweise Vermögensdelikte (§§ 253 ff., 263 ff. StGB) oder Insolvenzstraftatbestände (§§ 283 ff. StGB).1124 Zur Einbeziehung von einer Person neben dem Täter und dem Geschädigten kommt es insoweit etwa bei der Verschaffung des Vermögensvorteils an einen Dritten.

1119 

Lange, Rn. 263 ff., 273 f.

1120 Vgl. BGH vom 19.6.1973 - VI ZR 178/71 -, NJW 1973, 1602; Medicus/Lorenz, SchuldR

BT, Rn. 342. 1121  BGH vom 9.12.1986 - VI ZR 65/86 -, NJW 1987, 1009; vgl. allgemein zur Gefahrabwendungspflicht bei Produkten BGH vom 16.12.2008 - VI ZR 170/07 -, NJW 2009, 1080. 1122  BGH vom 15.5.2012 - VI ZR 117/11 -, NJW 2012, 2579, 2581. 1123  Kropholler, § 823 BGB, Rn. 31 1124  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1283 mit weiteren Beispielen.

§ 22  Ausgewählte deliktische Normen und Netzwerkbezug

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III.  Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB Eine deliktsrechtliche Beziehung auf der Grundlage des § 826 BGB entsteht durch eine vorsätzliche, sittenwidrige und widerrechtliche Schädigung. Dem Täter erwächst hierbei gegenüber dem Geschädigten eine Verpflichtung zum Ersatz des kausalen Schadens. Neben dem Schaden und dem Vorsatz des Täters erfordert der Tatbestand vor allem ein sittenwidriges Handeln. Eine solche Handlung liegt vor, wenn das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt wird. Entscheidend sind grundsätzlich die Anschauungen eines anständigen Durchschnittsmenschen, soweit im betroffenen Personenkreis kein strengerer Maßstab gilt. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Hierbei haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet. Den Sittenwidrigkeitsvorwurf erfüllen danach etwa die Verleitung zum Vertragsbruch, die Erteilung wissentlicher Falschauskünfte und die Ausnutzung wirtschaftlicher Machtstellungen. In derartigen Fällen kann die potentielle Vertragspartei neben den Ansprüchen gegen den gewünschten Vertragspartner auch welche nach § 826 BGB gegen die zum Vertragsbruch verleitende, gegen die auskunftserteilende bzw. gegen die vertragsverweigernde Person haben.1125

IV.  Schadensersatzpflicht nach § 830 BGB Die Haftung von Mittätern und Beteiligten wird in § 830 BGB geregelt. Nach § 830 Abs. 1 S. 1 BGB ist jeder für den Schaden verantwortlich, den er mit anderen durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung verursacht hat. Hierunter sind die Mittäter zu subsumieren. Ebenso müssen sich die Anstifter und Gehilfen für den vollen Schaden verantworten, § 830 Abs. 2 BGB. Schließlich haften nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auch Personen für den vollen Schaden, wenn die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen gegeben sind, der Geschädigte aber nicht beweisen kann, wessen Handlung bzw. inwieweit sie letztlich die Rechtsgutverletzung verursacht hat.1126 Tatbestandlich relevant ist grundsätzlich jede rechtswidrige und schuldhafte Handlung, die typischerweise einen solchen Erfolg verursacht. Gleichzeitig muss aber bei mehreren Handlungen der verschiedenen Beteiligten eine von ihnen sicher zum Erfolg geführt haben. Als ausgeschlossen gilt daher die Haftung über § 830 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn der Beteiligte nachweist, dass keine Handlung zweifelsfrei ursächlich sein konnte, sein Handeln den Schaden nicht herbeigeführt hat bzw. seine Handlung gerechtfertigt war. Bei fehlendem Verschulden besteht eine Verantwortlichkeit auch nur, falls der Beteiligte bei Ursächlichkeit nach Deliktsrecht haften würde.1127 Zu einem Ausschluss Looschelders, SchuldR BT, § 63. Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1426 f. 1127  So etwa im Fall der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 7 StVG. 1125 

1126 

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2. Teil, 5. Abschn.:  Recht der unerlaubten Handlungen

der Norm kommt es ebenso, wenn eine Person ohne Not erwiesenermaßen haftet, sodass keine (Beweis-)Unsicherheit herrscht.1128 Die Regelung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB gibt vielmehr bloß eine Hilfestellung für Geschädigte bei unübersichtlichen Sachverhalten mit unerlaubten Handlungen von mehreren Personen.1129 Die Anwendung der Norm setzt allerdings keine Beziehung zwischen den Beteiligten oder eine gleichzeitige Handlung von ihnen voraus.1130 Weiterhin bedarf es nach der heutigen Rechtsprechung keines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen den Taten. Stattdessen reicht ein Zusammentreffen mehrerer gleichartiger Gefährdungshandlungen mit nicht feststellbarer Ursächlichkeit.1131

V.  Schadensersatzpflicht nach § 831 BGB § 831 BGB betrifft die Haftung für Verrichtungsgehilfen. Nach dieser Regelung können Personen zum Schadensersatz herangezogen werden, wenn sie einen anderen zur Verrichtung bestellen, der Verrichtungsgehilfe bei der Ausführung einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zufügt und der Exkulpationsbeweis für das vermutete eigene Verschulden misslingt. Unmittelbarer Täter ist zwar der Verrichtungsgehilfe, die Ersatzpflicht besteht jedoch für Fehler bei der Auswahl bzw. der Organisation durch dessen Geschäftsherrn. Als Verrichtungsgehilfe gilt jeder, der weisungsabhängig Tätigkeiten ausübt, die ihm vom Geschäftsherrn übertragen wurden. In der Praxis erfüllen etwa Arbeitnehmer die Voraussetzungen. Dagegen fehlt die erforderliche Abhängigkeit regelmäßig bei werkvertraglich tägigen Unternehmern.1132 Ein Verrichtungsgehilfe kann zudem Stellvertreter sein. Zugefügt wird der Schaden, wenn der Gehilfe eine rechtswidrige Tat nach den §§ 823 ff. BGB begangen hat. Den Gehilfen muss hierbei jedoch grundsätzlich kein Verschulden treffen. Ebenso sind nur schadensverursachende Handlungen des Gehilfen erfasst, die in Ausführung der Verrichtung geschehen. Hieran fehlt es bei Handlungen, die nur bei Gelegenheit erfolgen, weil kein innerer Zusammenhang zwischen aufgetragener Verrichtung und dem Schaden vorliegt. Schließlich entfällt die Haftung bei der Erbringung des Entlastungsbeweises iSd. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Person darf also nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt insbesondere bei der Auswahl der bestellten Person, der Vorrichtungen, der Gerätschaften und der Leitung missachten. Ebenso wäre der Anspruch ausgeschlossen, falls der Schaden auch bei Beachtung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. § 831 BGB begründet demnach eine Haftung für eigenes Verschulden. Damit steht er im Gegensatz zu § 278 BGB, der dem Geschäftsherrn schlicht das Verhalten sei-

1128 

BGHZ 72, 355, 363. Brox/Walker, SchuldR BT, § 51, Rn. 5 ff.; Jauernig/Teichmann, § 830 BGB, Rn. 11. 1130  BGHZ 33, 286. 1131  Vgl. BGHZ 55, 86, 95 f. 1132  BGHZ 45, 311. 1129 

§ 22  Ausgewählte deliktische Normen und Netzwerkbezug

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ner Hilfsperson zurechnet.1133 Das Maß und der Umfang der Sorgfaltspflicht richten sich nach der Verkehrsauffassung und den Besonderheiten des Einzelfalls.1134 Grundsätzlich gilt: Je größer die mit der Ausführung verbundenen Gefahren sind, desto umfangreicher müssen die Sorgfaltspflichten sein. Dies hat jedoch Grenzen. Insbesondere bei größeren Betrieben und Vorhaben ist dem Geschäftsherrn oftmals nicht die Überwachung des gesamten Personals möglich und zumutbar. Hier reicht die sorgfältige Auswahl, Anleitung sowie Überwachung von Zwischenpersonen, wie beispielsweise Abteilungsleitern und Meistern, aus, der sogenannte dezentralisierte Entlastungsbeweis.1135 Vor allem für die Personen, die Auswahl- und Überwachungspflichten übernehmen, hat der Gesetzgeber eine eigene Haftungsgrundlage in § 831 Abs. 2 BGB begründet. Danach können ferner Personen gem. § 831 Abs. 1 BGB verantwortlich gemacht werden, wenn sie für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im § 831 Abs. 1 S. 2 BGB bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernommen haben. Hiervon sind aber weder die Organe von juristischen Personen oder Gesellschaften noch die zu dem Zweck eingestellten höheren Angestellten erfasst. Insoweit geht es nur um die Verteilung interner Unternehmenszuständigkeiten. Wegen der Haftungsrisiken soll die Norm daher regelmäßig nur auf selbstständige Unternehmen Anwendung finden, die die Pflichten des Geschäftsherrn in eigener Verantwortung ausführen.1136

VI.  Schadensersatzpflicht nach § 832 BGB Im Anschluss an die Haftung für Verrichtungsgehilfen hat der Gesetzgeber die Ersatzpflicht von Aufsichtspflichtigen in § 832 BGB geregelt. Auch hier haftet eine Person wegen des eigenen Fehlverhaltens für die unmittelbare Schadensherbeiführung eines anderen. Konkret macht sich der Aufsichtspflichtige ersatzpflichtig, wenn der Aufsichtsbedürftige einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zufügt und der Aufsichtspflichtige nicht nachweist, dass er seiner Aufsichtspflicht genügt hat bzw. der Schaden selbst bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre. Verantwortlich sind dabei alle aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage zur Aufsicht verpflichteten Personen.1137

Medicus, AT, § 54, Rn. 892 f. BGH vom 30.1.1996 - VI ZR 408/94 -, NJW-RR 1996, 867, 868. 1135  Vgl. BGHZ 4, 1; 11, 151, 154. 1136  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1332 f. 1137  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1334 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1355. 1133 

1134 

290

2. Teil, 5. Abschn.:  Recht der unerlaubten Handlungen

VII.  Schadensersatzpflicht nach § 839 BGB Zu den Fällen der deliktischen Einstandspflicht für verbundene Personen zählt weiterhin die Amtshaftung. Hier haftet der Staat bzw. die beschäftigende Körperschaft, wenn jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes eine drittschützende Amtspflicht verletzt und dem geschützten Dritten ein Schaden entsteht, § 839 BGB iVm. Art. 34 GG. Außerdem muss die Handlung schuldhaft und rechtswidrig sein. Zu beachten gilt hierbei, dass die Haftung grundsätzlich gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht eingreift, falls dem Handelnden nur Fahrlässigkeit zur Last fällt und der Geschädigte auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Weitere Ausschlussgründe lassen sich in § 839 Abs. 2, 3 BGB finden. Die Staatshaftung greift allerdings nur bei Beamten im haftungsrechtlichen Sinne,1138 die im hoheitlichen Bereich handeln. Sie verwehrt grundsätzlich die Inanspruchnahme des Täters durch den Geschädigten, vgl. Art. 34 S. 1 GG.1139 Im Gegensatz dazu bleibt es bei der Ersatzpflicht des (statusrechtlichen) Beamten nach § 839 BGB, wenn er im rein fiskalischen Gebiet wirkt. Erfüllt die Tätigkeit des Beamten in dem Fall aber einen deliktischen Tatbestand nach den §§ 823 ff. BGB, darf die Haftung der jeweiligen Körperschaft indes über § 831 BGB bzw. §§ 31, 89 BGB begründet werden. In derartigen Konstellationen gilt es insbesondere auf den Ausschluss des Anspruchs gegenüber dem Beamten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB zu achten.1140 Die Abgrenzung zur fiskalischen Materie erfolgt nach der Zielrichtung. Entsprechend der Rechtsprechung betrifft die Handlung den hoheitlichen Bereich iSd. Art. 34 GG, wenn die Zielsetzung der Tätigkeit dem hoheitlichen Gebiet zuzuordnen ist sowie ein enger äußerer als auch innerer Zusammenhang zwischen dem Ziel und der schädigenden Handlung existiert.1141 Schädigende Aktivitäten, die nur bei Gelegenheit der Amtsausübung stattfinden, genügen daher nicht.1142 Musste der Staat bzw. die jeweilige Körperschaft aufgrund der Amtshaftung Schadensersatz leisten, gibt es zum Teil Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber der handelnden Person. Nach Art. 34 S. 2 GG liegt eine solche Situation beispielsweise bei einer vorsätzlichen und grob fahrlässigen Verletzung vor. Weitere Rückgriffsgrundlagen sind etwa in Beamtengesetzen zu finden, vgl. § 75 BBG.

1138  Beamter im haftungsrechtlichen Sinn muss nicht zwingend ein ernannter Beamter sein. Ausreichend sind ebenso andere Personen soweit sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, zum Beispiel Angestellte. 1139 MünchKomm/Papier, § 839 BGB, Rn. 20. 1140  Brox/Walker, SchuldR BT, § 49, Rn. 28. 1141  BGHZ 42, 176; 108, 230, 232. 1142 Jauernig/Teichmann, § 839 BGB, Rn. 14.

§ 22  Ausgewählte deliktische Normen und Netzwerkbezug

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VIII.  Haftung nach § 840 BGB Schließlich gilt es auf die Regelung in § 840 BGB hinzuweisen. Nach § 840 Abs. 1 BGB haften die Täter von unerlaubten Handlungen gegenüber dem Geschädigten als Gesamtschuldner, wenn sie nebeneinander verantwortlich sind. Damit darf der Geschädigte grundsätzlich bei jedem seinen vollen Schaden geltend machen. Eine tatbestandsmäßige Handlung ist jede Verletzung von einer gesetzlich angeordneten Schadensersatzpflicht aus Verschuldens- und Gefährdungshaftung. Gegebenenfalls muss hierbei auch ein Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB bzw. § 17 StVG berücksichtigt werden. In solchen Fällen braucht es einer Abwägung der Verantwortlichkeit gegenüber jedem einzelnen Schädiger. Insgesamt haben die Schädiger nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nicht mehr als den Betrag zu leisten, der bei einer Gesamtschau des Tatgeschehens dem Anteil der Verantwortung entspreche, den sie im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten insgesamt tragen müssten, die sogenannte Gesamtabwägung.1143 Nimmt der Geschädigte also etwa mehrere Schädiger gleichzeitig in Anspruch, ist die Schadensquote aufgrund einer Gesamtschau zu ermitteln. Im Ergebnis kann es daher zu einer geringeren oder höheren Berücksichtigung des Mitverschuldens bei der Inanspruchnahme von einzelnen Gesamtschuldnern für die Gesamtforderung im Außenverhältnis kommen.1144 Der Ausgleich für die gesamtschuldnerische Haftung im Außenverhältnis erfolgt anteilig zwischen den einzelnen Schuldnern. Als maßgeblich gilt hierbei grundsätzlich § 426 Abs. 1 BGB, der prinzipiell von einer Verpflichtung zu gleichen Teilen ausgeht. Sonderbestimmungen sind etwa in den § 840 Abs. 2, 3 BGB normiert. Danach haften Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB), Aufsichtsbedürftige (§ 832 BGB) sowie Tierhalter (§ 833 BGB), Tieraufseher (§ 834 BGB), Grundstücksbesitzer (§ 836 BGB), Gebäudebesitzer (§ 837 BGB) und Gebäudeunterhaltungspflichtige (§ 838 BGB) grundsätzlich nachrangig.1145

IX. Netzwerkbezug Selbst die Deliktshaftung trägt der arbeitsteiligen Gesellschaftsordnung mit netzwerkartigen Verbindungen zwischen den Beteiligten Rechnung. Unabhängig von vertraglichen Ansprüchen darf etwa ein Geschädigter von einem anderen nach § 831 BGB Ersatz verlangen, wenn dieser einen Verrichtungsgehilfen einsetzt, der durch eine rechtswidrige Tat einen Schaden verursacht und die Verschuldensvermutung unwiderlegt bleibt. Besonders die Vermutung des Verschuldens berücksichtigt die Verbindungssituation und die mit ihr zusammenhängenden Schwierigkeiten. Schließlich ist dem Geschädigten in der Regel ein Nachweis bei BGH vom 13.12.2005 - VI ZR 68/04 -, NJW 2006, 896 f. § 840 BGB, Rn. 23 ff. mit Darstellung der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten. 1145  Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1399 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR BT, Rn. 1428 f. 1143 

1144 MünchKomm/Wagner,

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2. Teil, 5. Abschn.:  Recht der unerlaubten Handlungen

Organisationen mit verschiedenen Beteiligten erheblich schwieriger. In Anlehnung an diese gesetzgeberische Wertung hat die Rechtsprechung auch bei der Produzentenhaftung im Rahmen des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB zum Teil eine Anpassung vorgenommen. Die Verflechtung zwischen verschiedenen Personen bei der Aufgabenerfüllung wird zudem im staatlichen Bereich beachtet. Hier folgt die netzwerkartige Verbindung schon aus der Tatsache, dass der Staat als juristisches Gebilde nicht selbst handeln kann und sich zur Ausführung von Aufgaben anderer Personen bedienen muss. Das Deliktsrecht berücksichtigt diesen Umstand vor allem beim hoheitlichen Handeln im Rahmen der Amtshaftung gem. § 839 BGB iVm. Art. 34 GG. Liegt diese Haftung vor, bleibt dem Geschädigten die Verbindung zur Geltendmachung gegenüber dem Beamten verwehrt. Neben den besonderen Formen der Haftungsbegründung in Verbindung mit der Arbeitsteilung erkennt der Gesetzgeber auch andere Formen von Personenmehrheiten an. Hierzu zählt in erster Linie die Haftung für Mittäter und Beteiligte in § 830 BGB. Darüber hinaus zeigen die deliktischen Regelungen, dass rechtliche Verbindungen nicht zwangsläufig auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen sich von vornherein bekannten Personen beruhen müssen. Vielmehr kann bereits ein zufälliges Zusammentreffen genügen, um Beziehungen zwischen verschiedenen Akteuren zu begründen. Besonders deutlich wird dies durch die Regelung in § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Um den Geschädigten die Geltendmachung des Schadensersatzes zu erleichtern, hat der Gesetzgeber in dem Fall eine Haftung von mehreren Beteiligten schon dann normiert, wenn die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen gegeben sind und lediglich Beweisschwierigkeiten bezüglich der Kausalität herrschen.

§ 23  Individualarbeitsrecht

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6. Abschnitt

Arbeitsrecht 2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Ein weiterer praxisrelevanter Bereich ist das Arbeitsrecht. Während auf individualvertraglicher Ebene netzwerkartige Personenverhältnisse scheinbar nur ausnahmsweise vorkommen, herrschen im Kollektivrecht insbesondere über die Koalitionsparteien weitläufige Verbindungen, die zum Teil sogar Rechtswirkungen bei den einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erzeugen.

§ 23  Individualarbeitsrecht Unter dem Begriff des Individualarbeitsrechts werden die rechtlichen Beziehungen zwischen der Person, die die Arbeit leistet, und deren Vertragspartner verstanden. Im Mittelpunkt der juristischen Beurteilung steht dabei der Arbeitsvertrag. Dieser legt die Rechte und Pflichten der Vertragspartner fest, vor allem den Beginn, den Inhalt und die Beendigung.1146 Neben den privatautonomen Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien begleiten zudem die gesetzlichen Normen die Regelungsmacht. Hauptsächlich sollen diese ein ausgewogenes Vertragsverhältnis sicherstellen. Hintergrund ist hierbei das besondere Schutzbedürfnis der zur Arbeitsleistung verpflichteten Person. Dies leitet die überwiegende Auffassung aus dem Machtgefälle zwischen den Beteiligten, der Existenzgrundlage für den Arbeitnehmer und der vertraglichen Ausgestaltung als Dauerschuldverhältnis her. Speziell das Machtgefälle beruht auf der typischen wirtschaftlichen und rechtlichen Überlegenheit des Arbeitgebers durch den leichteren Zugang zu Ressourcen der rechts- und wirtschaftsberatenden Experten.1147 Hierauf basiert zudem vorrangig der Arbeitnehmerschutz, wie etwa das Nachweisgesetz, das Kündigungsschutzgesetz und die Kündigungsfristen aus § 622 BGB.

I. Grundlagen 1. Arbeitnehmer Prinzipiell kann eine Person Arbeiten von anderen auf verschiedene Arten erledigen lassen. Je nach Bindungsintensität entstehen hierdurch unterschiedliche Formen, die wiederum ein stärkeres oder schwächeres Schutzbedürfnis hervorrufen. Aufgrund der besonderen Abhängigkeitssituation bei einer Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung gehört diese zu den Gestaltungen, die weitreichendere staatliche Konsequenzen hervorrufen. Demzufolge ist eine Abgrenzung erforderlich.

1146  1147 

Junker, Rn. 3. Junker, Rn. 7 ff.

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Die rechtliche Verbindung einer Person mit einem Arbeitgeber genügt hierfür allein noch nicht. Als zentrales Merkmal für die Bestimmung eines Arbeitsvertrages gilt vielmehr die Arbeitnehmereigenschaft. Die Rechtsprechung und Literatur verstehen darunter eine Person, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zur Leistung von Diensten für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt verpflichtet wird.1148 Wenige Probleme verursacht hierbei das Erfordernis eines privatrechtlichen Vertrages durch das beispielsweise alle Personen ausgeschlossen sind, die auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung oder eines gesetzlichen Schuldverhältnisses Tätigkeiten erbringen.1149 Ferner muss die Person die Leistung von Diensten schulden. Im Unterschied zu werkvertraglichen Arbeiten darf also kein bestimmter Erfolg, sondern nur ein Bemühen vereinbart sein.1150 Schließlich erfordert die Arbeitnehmereigenschaft nach überwiegender Auffassung eine persönliche Abhängigkeit bzw. Unselbstständigkeit des Dienstleistungserbringers.1151 Diese Voraussetzung liegt in Anlehnung an § 106 GewO und § 84 Abs. 1 S. 2 HGB vor, wenn eine umfassende Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers und eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation gegeben sind. Die Bezugnahme auf die Regelung für Handelsvertreter zeigt jedoch, dass beschränkte Weisungsbefugnisse allein zur Begründung einer persönlichen Abhängigkeit nicht ausreichen.1152 Als entscheidend gilt dabei wiederum eine wertende Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der Verkehrsauffassung. Da manche Beschäftigungen einen größeren Freiraum in Form von Vorgaben und Kontrollmöglichkeiten mit sich bringen als andere, spielt hierbei auch der Typ der Tätigkeit eine bedeutende Rolle.1153 Während die Gebundenheit eines selbstständigen Dienstverpflichteten sich regelmäßig nur auf bestimmte Leistungspunkte erstreckt, umfasst diese bei einem Arbeitnehmer weitere Bereiche, insbesondere die zeitliche und örtliche Leistungserbringung. Persönliche Abhängigkeit zeichnet sich hauptsächlich durch Fremdbestimmtheit aus.1154 Anhaltspunkte dafür sind beispielswei1148  BAG 93, 310, 314 f.; Dütz/Thüsing, Rn. 33; Junker, Rn. 91 ff.; Löwisch/Caspers/ Klumpp, Rn. 1 ff.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 18. 1149  Demzufolge sind beispielsweise Beamte und Soldaten wegen ihres durch Verwaltungsakt begründeten Dienstverhältnisses ausgeschlossen, vgl. Art. 33 Abs. 5 GG, Löwisch/ Caspers/Klumpp, Rn. 12. Als gesetzliches Schuldverhältnis kommen vor allem das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag und das der ungerechtfertigten Bereicherung in Betracht, vgl. Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 4. 1150  BAG vom 25.9.2013 - 10 AZR 282/12 -, NJW 2013, 3672; Löwisch/Caspers/Klumpp, Rn. 1 f.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 5. 1151  BAG vom 20.8.2003 - 5 AZR 610/02 -, NZA 2004, 39 m. w. N.; Hromadka, NZA 1997, 569, 570 m. w. N.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 23 ff. 1152  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 32. 1153  Hromadka, NZA 1997, 569, 570 f., 576 f. 1154  BAG vom 22.3.1995 - 5 AZB 21/94 -, NZA 1995, 823, 832 f.; Hromadka, NZA 1997, 569, 576.

§ 23  Individualarbeitsrecht

295

se eine umfassende Berichtspflicht, Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub, fehlende eigene Preis- und Werbungsgestaltung, keine anderen Kunden, keine Belastung mit Personal- und Sachkosten, eine Verpflichtung zur Übernahme aller Tätigkeiten, keine Umsatzbeteiligung sowie das Abführen von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber.1155 Ebenso zählt der Verzicht auf Marktchancen als wichtiges Indiz.1156 Manche sehen den Kern der Arbeitnehmerstellung im Vergleich zur Selbstständigkeit auch in der fehlenden freiwilligen Übernahme eines Unternehmerrisikos und dem Verzicht auf unternehmerische Entscheidungsfreiheit nebst finanzieller Zurechnung des Ergebnisses.1157 Dagegen sprechen eine Gewerbeanmeldung, die Zahlung von Gewerbe- und Umsatzsteuern sowie ein Arbeitsvolumen für mehr als eine Person für eine persönliche Unabhängigkeit.1158 Irrelevant sind hingegen die einseitige Risikoübernahme,1159 eine reine Vertragsbezeichnung1160 oder die Abbedingung von Arbeitnehmerschutzvorschriften. Statusrechtliche Abgrenzungsfragen stellen sich mitunter auch innerhalb wirtschaftlicher Netzwerkkonstellationen. Gerade bei der Verwirklichung von Effektivität, Flexibilität und Unternehmergeist können die Interessen des verbundenen Akteurs derart eingeschränkt werden, dass ein Schutzbedürfnis entsteht. Maßgebend ist dabei vordergründig weniger die schriftliche oder mündliche Vereinbarung oder gar eine rein verbale Typisierung der Vertragsart.1161 Vielmehr entscheidet bei einer Abweichung die tatsächliche Handhabung zwischen den Parteien.1162 Prinzipiell gilt selbst hier: Je intensiver und umfassender Akteure sich aufeinander beziehen, desto eher kann ein Machtungleichgewicht in Form eines Über-Unterordnungsverhältnisses entstehen. Problematisch sind insbesondere rechtliche Verbindungen, die auf die Art der Tätigkeit und die zeitliche Organisation des verbundenen Akteurs wesentlich Einfluss nehmen. Wegen der arbeitsteiligen Umsetzung von Geschäftskonzepten kommt dies neben der Tätigkeit als Vertragshändler vor allem bei Franchiseunternehmungen in Betracht.1163 Trotz des gemeinsamen Oberbegriffes können die Verbindungen eine sehr unterschiedliche Intensität haben. Hierbei genügt jedoch nicht schon, wenn sich die Beziehung auf das Marketing und den Einkauf erstreckt. Dies gilt selbst bei umfassenden Überwachungs- und Dütz/Thüsing, Rn. 36; Konzen, ZfA 82, 259, 289 ff. Horn/Henssler, ZIP 1998, 589, 592. 1157  Wank, S. 129, 132, 390. 1158  BAG vom 12.12.2001 - 5 AZR 253/00 -, BB 2002, 1702. 1159  Horn/Henssler, ZIP 1998, 589, 598. 1160  BAG vom 16.7.1997 - 5 AZB 29/96 -, ZIP 1997, 1714, 1715. 1161  BAG vom 16.7.1997 - 5 AZB 29/96 -, ZIP 1997, 1714, 1715; a. A. OLG Schleswig vom 27.8.1986 - 4 U 27/85 -, NJW-RR 1987, 220. 1162  BAG vom 23.4.1980 - 5 AZR 426/79 -, AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit, S. 8. 1163  Brox/Henssler, Rn. 242; Horn/Henssler, ZIP 1998, 589 m. w. N.; MünchHbArbR/ Richardi, § 18, Rn. 69; a. A. Bauder, NJW 1989, 78. 1155 

1156 

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Weisungsrechten gegenüber dem Franchisenehmer.1164 Durch eine autonome Betriebsführung in den übrigen Aufgabenfeldern, insbesondere die Tätigkeit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, wahren die Beteiligten bereits ihre Unabhängigkeit. Anhaltspunkte sind hierfür etwa ein Entscheidungsspielraum bei den Ladenöffnungszeiten, dem Warensortiment und der Mitarbeiterbeschäftigung.1165 Der Franchisenehmer zählt hingegen dann zu den Arbeitnehmern des Franchisegebers, wenn die Betriebsorganisation in einem vom Franchisekonzept nicht gerechtfertigten Umfang vorgegeben und der Franchisegeber zu umfassenden Kontrollen sowie Weisungen berechtigt wird, sodass dem Franchisegeber dem Grunde nach keine Entscheidungsfreiheit verbleibt.1166 Die Bezeichnung und die konzeptionelle Voraussetzung als selbstständiger Franchisenehmer1167 sind hingegen bei einer anderen Lebenswirklichkeit nicht entscheidend. 2.  Arbeitnehmerähnliche Personen Neben der Beschäftigung auf der Grundlage einer persönlichen Abhängigkeit zum Leistungsempfänger kann diese ebenso mit einer geringeren Bindung zum Vertragspartner erfolgen. In dem Zusammenhang ist vor allem die Leistungserbringung eines Selbstständigen zu erwähnen. Als Leitbild einer solchen Person gilt die im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und die eigene Bestimmung der Arbeitszeit, vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB. Auch diese Personen können, wie Arbeitnehmer, Leistungen für einen anderen verwirklichen. Trotz ihrer weniger ausgeprägten Beziehung zum Auftraggeber besteht bei einigen Selbstständigen jedoch eine gewisse Abhängigkeit zu ihrem Vertragspartner. In der Regel betrifft dies eine wirtschaftliche Abhängigkeit1168, wenn der Selbstständige hauptsächlich nur für einen oder wenige Auftraggeber Tätigkeiten erbringt und die Gegenleistung seine entscheidende Existenzgrundlage darstellt.1169 Sind diese Personen zudem aufgrund ihrer gesamten sozialen Stellung mit Arbeitnehmern vergleichbar und ebenso schutzbedürftig,1170 erfolgt in manchen Bereichen eine Gleichstellung der sogenannten arbeitnehmerähnlichen Personen. Für die Ermittlung gelten wiederFranzen, in: FS 50 Jahre BAG, S. 31, 44 ff. BAG vom 21.2.1990 - 5 AZR 162/89 -, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Abhängigkeit; vgl. ebenso BGH vom 27.1.2000 - III ZB 67/99 -, NZA 2000, 390. 1166 Vgl. BAG vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96 -, ZIP 1998, 612 (für den Fall eines Frachtführers); LAG Nürnberg vom 25.2.1998 - 4 Sa 670/79 -, ZIP 1998, 617 (für den Fall eines Versicherungsvertreters); BAG vom 16.7.1997 - 5 AZB 29/96 -, ZIP 1997, 1714; vom 24.4.1980 - 3 AZR 911/77 -, ZIP 1980, 777; Brox/Rüthers/Henssler, Rn. 56; Hergenröder, RdA 2007, 218, 231. 1167 Vgl. Horn/Henssler, ZIP 1998, 589, 590. 1168  Zum Teil wird auch von einer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit gesprochen. 1169  BAG vom 23.4.1996 - 9 AZR 231/95 -, NZA 1997, 61, 63; Hromadka, NZA 1997, 1249, 1254. 1170  BAG vom 16.7.1997 - 5 AZB 29/96 -, ZIP 1997, 1714, 1715 m. w. N. 1164  1165 

§ 23  Individualarbeitsrecht

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um die Gesamtumstände des Einzelfalls unter Beachtung der Verkehrsauffassung als maßgebend.1171 Rechtlich beschränkt sich eine solche Verbindung auf keinen einzelnen Vertragstyp. Es kommt jeder Vertrag in Betracht, der die Tätigkeitserbringung beinhaltet.1172 Häufig wird es jedoch ein Dienst- oder Werkvertrag sein.1173 Die Gleichstellung findet etwa im Tarifvertragsgesetz (§ 12a TVG), Bundesurlaubsgesetz (§ 2 S. 2 BUrlG), Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 AGG), Arbeitsgerichtsgesetz (§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG), Arbeitsschutzgesetz (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG) und Beschäftigtenschutzgesetz (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BeschäftigtenschutzG) statt. Dagegen fehlt es an einer entsprechenden Anwendung im Kernbereich des Arbeitnehmerschutzes, wie dem Kündigungsschutz oder der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Neben den Heimarbeitern zählen häufig die freien Mitarbeiter bei Presse, Rundfunk und Fernsehen sowie die Handelsvertreter zu den arbeitnehmerähnlichen Personen.1174 Ebenso erfüllen die Franchisenehmer regelmäßig die Eigenschaften.1175 Dies wurde von der Rechtsprechung beispielsweise wegen der Bindung an ein bestimmtes Warensortiment,1176 das Fehlen einer eigenen Warenorganisation und weiterer Arbeitnehmer1177 angenommen. 3. Netzwerkbezug Der Grund für die Schutzwürdigkeit der beschäftigten Leistungserbringer wird überwiegend in ihrer Abhängigkeit zu einem oder zumindest wenigen Auftraggebern gesehen. Im Vergleich zur wirtschaftlichen soll zudem die persönliche Abhängigkeit einen noch stärkeren Schutz hervorrufen. Bei dieser Form der Sachverhaltsbeurteilung zeigen sich ferner Verbindungsbesonderheiten. Während ein typischer Arbeitnehmer dauerhaft nur für einen einzelnen Vertragspartner (Arbeitgeber) Leistungen erbringt und dort in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist, sind ebenso bei arbeitnehmerähnlichen Personen derartige einschränkende Fokussierungen zumindest in abgeschwächter Form festzustellen. Nicht zuletzt verstärkt sich diese Begrenzung durch die regelmäßige Verpflichtung zur höchstpersönlichen Arbeits- bzw. Dienstleistung gem. § 613 S. 1 BGB. Damit herrscht bei Arbeitnehmern von vornherein eine Reduzierung der Verbindungsmöglichkeiten mit anderen Vertragspartnern. Einige gehen sogar so weit, diejenige Person als Arbeitnehmer anzusehen, die „nicht gegenüber vielen Vertragspartnern am

1171 

569.

BAG vom 16.7.1997 - 5 AZB 29/96 -, ZIP 1997, 1714, 1715; Hromadka, NZA 1997,

Hromadka, NZA 1997, 1249, 1253. Preis, IndividualarbR, § 9 III 1, S. 93, 95 f. 1174  BAG vom 14.1.1997 - 5 AZB 22/96 -, NZA 1997, 399; Brox/Rüthers/Henssler, Rn. 88; Dütz/Thüsing, Rn. 39; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 63. 1175  Horn/Henssler, ZIP 1998, 589, 599. 1176 Vgl. BGH vom 27.1.2000 - III ZB 67/99 -, NZA 2000, 390, 391. 1177  BGHZ 140, 11; BAG vom 16.7.1997 - 5 AZB 29/96 -, ZIP 1997, 1714. 1172 

1173 Vgl.

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Markt auftritt, sondern sich auf Dauer an einen Vertragspartner bindet“.1178 Neben § 613 BGB zeigt sich diese Beschränkung durch die grundsätzliche Verbotsmöglichkeit des Arbeitgebers von Nebentätigkeiten gegenüber seinem Arbeitnehmer ohne entsprechende vertragliche Regelung.1179 Weniger intensiv, jedoch trotzdem ähnlich verhält es sich bei arbeitnehmerähnlichen Personen, da diese vorrangig nur finanziell gebunden sind, aber ihre Tätigkeit und Arbeitszeit überwiegend frei einteilen können. Folglich bleibt ihnen zumindest teilweise die Gelegenheit, ihre Ressourcen durch die Verbindung mit anderen Vertragspartnern zu nutzen. Im Gegensatz dazu kann ein völlig freier Selbstständiger sich flexibel mit jedermann verbinden und so seine Potentiale umfassend ausnutzen.1180 Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass das Schutzniveau für eine Person wächst, je stärker die Verbindung mit einem Vertragspartner die Beziehungen zu anderen Akteuren unmöglich macht und damit zu seiner Abhängigkeit führt. Der Gesetzgeber trägt mit den jeweiligen Schutzgesetzen diesem Umstand entsprechend Rechnung und erfasst damit auch neuere netzwerkorientierte Verhaltensformen. Schließlich machen die entwickelten Informations- und Warenbeförderungssysteme eine örtliche Zusammenarbeit von Personen immer entbehrlicher.1181 Ein Beispiel sind die Heimarbeiter, die als arbeitnehmerähnliche Personen die Arbeitnehmereigenschaften regelmäßig nicht erfüllen, aber trotzdem eines gewissen Schutzes bedürfen.

II.  Arbeitsverhältnisse unter interner Beteiligung von Dritten Das Arbeitsrecht wird ebenso wie das Zivilrecht mit der Verknüpfung von verschiedenen Vertragsverbindungen konfrontiert. Das Recht sieht hierfür insbesondere die Bezugnahme in Form der Bedingung (§ 158 BGB), der Geschäftseinheit (§ 139 BGB analog) und der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) vor.1182 Herausragende Konstellationen entstehen jedoch schon, wenn sich an einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis weitere Personen beteiligen. Eine solche Einbeziehung ist selbst auf individualrechtlicher Ebene sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Arbeitnehmerseite juristisch denkbar.

1178  Wank, Anm. zu BAG AP Nr. 47 zu § 5 BetrVG 1972; vgl. APS/Preis, Grundlagen C, Rn. 32. 1179 Ein Nebentätigkeitsverbot kann der Arbeitgeber ohne vertragliche Vereinbarung grundsätzlich aussprechen, wenn die Tätigkeit ein gesetzliches Verbot, wie zum Beispiel aus § 8 BUrlG, § 3 ArbZG, § 60 Abs. 1 HGB, verursacht oder die Arbeitspflicht aus dem Hauptarbeitsverhältnis berührt wird, Junker, Rn. 226. 1180 Vgl. Hromadka, NZA 1997, 569. 1181  Eylert/Gotthardt, RdA 2007, 91. 1182  Lange, NZA 2012, 1121.

§ 23  Individualarbeitsrecht

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1.  Beteiligung Dritter auf Arbeitnehmerseite Ein Grund für die regelmäßige Beteiligung lediglich eines Arbeitnehmers am Arbeitsverhältnis ist § 613 S. 1 BGB. Hiernach muss der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste im Zweifel höchstpersönlich erbringen, sodass grundsätzlich keine weiteren Personen auf Arbeitnehmerseite involviert sind.1183 Besteht allerdings die Erlaubnis zur Hinzuziehung eines Dritten, kann die Arbeitsleistung ferner durch eine andere Person als den (Haupt-)Arbeitnehmer erbracht werden. Daneben erscheint die Ausführung mit mehreren Personen bzw. einer ganzen Gruppe von Arbeitnehmern möglich. Rechtlich sind die verschiedenen Formen zu trennen. Hierbei macht es schon einen Unterschied, ob der Dritte mit dem Arbeitgeber oder mit dem (Haupt-)Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag schließt.1184 a) Mittelbares Arbeitsverhältnis aa) Grundlagen Zu den Formen der Beteiligung eines Dritten bei der Erbringung von Arbeitsleistung gehört das mittelbare Arbeitsverhältnis. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Gehilfenverhältnissen bestehen die Arbeitsverhältnisse nicht nur nebeneinander, sondern mehrstufig.1185 Hier schließt der Arbeitnehmer (sogenannter Hauptarbeitnehmer oder Mittelsmann)1186 aus betriebsorganisatorischen Gründen mit Wissen oder zumindest der Duldung des Arbeitgebers einen Arbeitsvertrag mit dem Dritten (Drittarbeitnehmer) im eigenen Namen über Arbeitsleistungen, die an den Hauptarbeitgeber zu leisten sind.1187 Die Rechtsfigur findet allerdings keine Anwendung, wenn die Mittelsperson nicht Arbeitnehmer des Hauptarbeitgebers ist.1188 Besonders bei Franchisenehmern kommt es hierzu nur, wenn der Franchisenehmer selbst umfassenden Weisungen sowie Kontrollrechten unterliegt und damit etwa die Merkmale eines persönlich abhängigen Verkäufers vom Franchise­geber erfüllt.1189 In jedem Fall liegt ein mittelbares Arbeitsverhältnis vor, wenn eine 1183  Der sogenannte personale Einschlag gilt allgemein bei allen Formen des Dienstvertragses, vgl. Oechsler, Rn. 1020. 1184 Vgl. Dütz/Thüsing, Rn. 133 f.; MünchKomm/Müller-Glöge, § 613 BGB, Rn. 19; § 611 BGB, Rn. 1282. 1185  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 15. 1186  In der Praxis sind dies in der Regel sogenannte Zwischenmeister, wie etwa Melkmeister, Schafmeister, Holzmeister, Ziegelmeister, Orchestermeister, vgl. Nikisch, S. 232. 1187  BAG vom 8.8.1958 - 4 AZR 173/55 -, DB 1959, 234; BAG vom 8.8.1958 - 4 AZR 173/55 -, AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis, Bl. 4 R.; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 172; Schaub/Koch, § 182, Rn. 1; Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 314; MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 15. 1188  BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, DB 1957, 635; Nikisch, S. 236 f. 1189  Hergenröder, RdA 2007, 218, 231.

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Rundfunkanstalt mit dem Kapellenleiter dessen eigenverantwortliche Einstellung von Musikern nebst entsprechender Erweiterung der eigenen Bezüge vereinbart, um eine Arbeitsleistung für die Anstalt zu erbringen.1190 Der Arbeitgeber des Hauptarbeitnehmers wird also keine Partei des Arbeitsvertrages mit dem Dritten und schuldet diesem daher beispielsweise unmittelbar kein Arbeitsentgelt.1191 Dennoch empfängt er als direkter Nutznießer die Arbeitsleistung des entfernteren Arbeitnehmers. Ebenso fehlen dem Mittelsmann typisch die materiellen Ausgleichsgrundlagen für die mit der Arbeitgebertätigkeit verbundenen Risiken. Die überwiegende Rechtsprechung und Literatur gehen daher von einem mittelbaren Arbeitsverhältnis zwischen Hauptarbeitgeber und Drittarbeitnehmer aus. Dieses mittelbare Vertragsverhältnis soll neben den unmittelbaren Arbeitsverhältnissen der Arbeitsvertragsparteien entstehen. Bei dieser Rechtskonstruktion weicht auch das Verhältnis zwischen Hauptarbeitgeber und Hauptarbeitnehmer vom Normalfall ab. Zu der Charakteristik gehört schon, dass die Einstellung und die Arbeitsleistung des Drittarbeitnehmers bei der Verpflichtung des Hauptarbeitnehmers Berücksichtigung finden und als Erfüllung dienen.1192 Äquivalent muss zudem eine erhöhte Gegenleistung zugunsten des Hauptarbeitnehmers erfolgen. Weitere Besonderheiten ergeben sich aus der Stellung des Hauptarbeitnehmers. Dieser darf nicht nur die Kompetenzen eines gewöhnlichen Vorgesetzten haben und sich beispielsweise die Ausgestaltung der Arbeitsverträge, die Vergütung sowie die Personalplanung fast ausschließlich vom übergeordneten Arbeitgeber vorgeben lassen. Vielmehr erfordert die Stellung den Besitz von unternehmerischen Befugnissen und die Einstandspflicht für derartige Risiken.1193 Neben der normativen tatbestandlichen Erfassung fehlt es zudem an einer entsprechenden Festlegung der Rechtsfolgen beim mittelbaren Arbeitsverhältnis. Für die Bestimmung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Hierbei werden zum Teil umso weitreichendere Drittbeziehungen behauptet, je mehr die Verbindung zwischen mittelbarem Arbeitgeber und Drittarbeitnehmer einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis entspricht.1194

1190 MünchKomm/Müller-Glöge,

§ 611 BGB, Rn. 1282. Dütz/Thüsing, Rn. 134. 1192  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 15. 1193  BAG vom 20.7.1982 - 3 AZR 446/80 -, NJW 1983, 645; enger BAG vom 12.12.2001 - 5 AZR 253/00 -, AP Nr. 111; vom 20.1.2010 - 5 AZR 99/09 -, AP Nr. 119 jeweils zu § 611 BGB Abhängigkeit, das ein mittelbares Arbeitsverhältnis ablehnt, wenn der Hauptarbeitgeber dem Hauptarbeitnehmer keine konkrete Weisung zur Einstellung von Drittarbeitnehmern gibt und letzteren gegenüber keine Weisungen erteilt. Ebenso wohl a. A. MünchHbArbR/ Schüren, § 317, Rn. 17 f. 1194  Konzen, ZfA 1982, 259, 302. 1191 

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bb) Haftung Gestützt auf den direkten Leistungszufluss an den Hauptarbeitgeber, das materielle Defizit der Mittelsperson und einen Entwurf des Arbeitsrechtsausschusses aus dem Jahre 19381195 ist das BAG anfänglich von einer subsidiären Haftung des Hauptarbeitgebers für Ansprüche des Dritten ausgegangen.1196 Diese Haftung sollte aber nicht zwangsläufig zu einer Teilung der Arbeitgeberfunktion1197 führen. Vielmehr musste der Drittarbeitnehmer vorrangig die Ansprüche gegenüber seinem unmittelbaren Arbeitgeber (Hauptarbeitnehmer) geltend machen. Erst wenn besondere Gründe vorlagen, die die Verwirklichung seiner bestehenden Rechte unmöglich machten, konnte er den mittelbaren Arbeitgeber (Hauptarbeitgeber) in Anspruch nehmen.1198 Der Hauptarbeitgeber musste daher erst haften, wenn sich der unmittelbare Arbeitgeber wirksamer Ansprüche des Dritten entzog oder zu ihrer Erfüllung unfähig war. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme des unmittelbaren und des mittelbaren Arbeitgebers erforderte es selbst bei einer Kündigungsschutzklage des Dritten nicht.1199 Der mittelbare Arbeitgeber hatte danach also gegenüber dem Dritten eine bürgenähnliche Stellung. Später hat das BAG seine Rechtsprechung eingeschränkt, insbesondere für Lohn- und Urlaubsansprüche.1200 Zu einer (subsidiären) Haftung des Hauptarbeitgebers soll es danach nur kommen, wenn dieser mit dem Dritten durch ein besonderes Rechtsverhältnis, wie zum Beispiel ein Vertrag oder ein gesetzliches Schuldverhältnis, verbunden sei. Die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Erwägungen reichten hierfür allein nicht aus und könnten ebenso eine separate oder gesamtschuldnerische Haftung gerechtfertigt erscheinen lassen. Selbst der Entwurf des Arbeitsrechtsausschusses aus dem Jahre 1938 bestätigte nicht eine solche Rechtslage, sondern wollte in § 121 für den Dritten einen solchen Anspruch erst begründen. Dieses Ergebnis gelte zudem bei einer faktischen Teilung der Arbeitgeberfunktionen, etwa bei einer Übertragung des Weisungsrechts auf den Hauptarbeitgeber.1201 1195  In § 120 des Entwurfes des Arbeitsrechtsausschusses der Akademie für deutsches Recht aus dem Jahr 1938 hieß es: „Hat ein Gefolgsmann eine Arbeit unter Heranziehung anderer Gefolgsmänner zu leisten oder muss dem Unternehmer bekannt sein, dass er die Arbeit nur unter Heranziehung anderer leisten kann, so besteht ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen auch zwischen diesem Dritten und dem Unternehmer ein Arbeitsverhältnis.“ Vgl. BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, DB 1957, 635, 636. 1196  BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, DB 1957, 635. 1197  A. A. Konzen, ZfA 1982, 259, 302. Merkmale einer gespaltenen Arbeitgeberstellung sind grundsätzlich eine besondere Vertragsgestaltung und ein paralleles Schutzverhältnis mit Treue- und Fürsorgepflichten analog § 21 Abs. 2 HAG. Zum Teil kann dies zu einer Umgehung arbeitsrechtlicher Schutznormen führen, vgl. Konzen, ZfA 1982, 259, 299 f. 1198  BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, DB 1957, 635, 636. 1199  BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, DB 1957, 635, 636. 1200  BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, DB 1959, 234. 1201  BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, DB 1959, 234, 234 f.

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Genauso uneinheitlich sind die Positionen in der Literatur. Zum Teil wird in den Situationen in Analogie zu § 21 Abs. 2 HAG und zu § 10 Abs. 1 AÜG1202 die Haftung des Hauptarbeitgebers zugelassen1203 und auf Schutzverpflichtungen gestützt. Ebenso wie die Verpflichtung des Arbeitgebers zu Schutz und Fürsorge gegenüber allen Arbeitnehmern gelte, müsse er den Erhalt des Arbeitsentgeltes bei dem Dritten sicherstellen. Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung habe daher der mittelbare Arbeitgeber das Entgelt an den Dritten zu zahlen, falls keine Weiterleitung durch den Hauptarbeitnehmer zu befürchten sei.1204 Einige nehmen zumindest eine unmittelbare Haftung für Entgeltansprüche des mittelbaren Arbeitgebers gegenüber dem Dritten an, wenn er dem Hauptarbeitnehmer nicht ausreichende Bezüge zukommen lässt. Dies soll „die Folge der Rechtswirklichkeit [sein], die sich an das Leben anschließt, nicht die vom rechtlichen Wollen“.1205 Voraussetzung ist nach überwiegender Auffassung aber immer ein Verschulden des Hauptarbeitgebers gem. §§ 276, 278 BGB.1206 Korrespondierend dazu verpflichte das mittelbare Arbeitsverhältnis den Drittarbeitnehmer zur Treue und Fürsorge.1207 Dogmatisch sieht die Literatur mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung1208 oder vertraglichen Vereinbarung die Rechtsgrundlage für die Pflichten aus dem mittelbaren Arbeitsverhältnis überwiegend in dem Vertrag zwischen Hauptarbeitgeber und Hauptarbeitnehmer mit Schutzwirkung zugunsten des Drittarbeitnehmers und noch öfter in einem vertragsähnlichen Schuldverhältnis.1209 Zusätzlich zur subsidiären Haftung soll eine Durchsetzung erst bei erfolgloser Inanspruchnahme des unmittelbaren Arbeitgebers möglich sein.1210 Andere Stimmen lehnen dagegen bei einem mittelbaren Arbeitsverhältnis unmittelbare arbeitsrechtliche Beziehungen zwischen Hauptarbeitgeber und Drittarbeitnehmer pauschal ab.1211

1202 MünchHbArbR/Schüren,

§ 317, Rn. 16 m. w. N. Konzen, ZfA 1982, 259, 275, 308. 1204  Dütz/Thüsing, Rn. 134; Nikisch, S. 236 f. m. w. N. 1205  Carolsfeld, S. 158. 1206  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 18. 1207  Konzen, ZfA 1982, 259, 286 f., 308; a. A. Hueck/Nipperdy, Arbeitsrecht I, S. 801, der grundsätzlich eine Vereinbarung bzw. Forderung des Unternehmers gegenüber dem Drittarbeitnehmer zu einer solchen Interessenwahrnehmung verlangt, da andernfalls ein Vertrag zulasten Dritter vorläge. 1208  Im Rahmen des Heimarbeitsgesetzes ist beispielsweise auf § 21 Abs. 2 HAG zu verweisen. 1209  Canaris, JZ 1965, 475, 480; Konzen, ZfA 1982, 259, 284 f., 302; Zöllner/Loritz/ Hergenröder, § 29, Rn. 18. Ausscheiden soll auf jeden Fall ein Vertragsbeitritt, da der Arbeitnehmer wegen des abhängigen Hauptarbeitnehmers in Hinblick auf Treuepflichten schutzwürdiger sein müsse, vgl. Konzen, ZfA 1982, 259, 272. 1210 Vgl. BAG vom 21.2.1990 - 5 AZR 162/89 -, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Abhängigkeit; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 175. 1211  Junker, Rn. 202. 1203 

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Vorzugswürdig erscheint zumindest die Anerkennung der Verpflichtung zu Schutz und Rücksichtnahme auch innerhalb des mittelbaren Arbeitsverhältnisses, sodass bei einer Verletzung eine Haftung eintritt. Hierbei muss beachtet werden, dass der Hauptarbeitgeber zum Drittarbeitnehmer nicht wie ein unbeteiligter Dritter steht.1212 Vielmehr ist der Drittarbeitnehmer zumindest über den Hauptarbeitnehmer vom mittelbaren Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig und erbringt für diesen (mittelbare) Arbeitsleistungen. Obendrein herrscht vom Grundsatz her eine persönliche Abhängigkeit des Hauptarbeitnehmers. In der Regel besteht daher über den Hauptarbeitnehmer sogar eine gewisse Organisationsnähe zwischen den Beteiligten des mittelbaren Arbeitsverhältnisses. Schließlich kommt hinzu, dass der mittelbare Arbeitgeber gerade von der Beschäftigung des Drittarbeitnehmers Kenntnis hat und eine vertragliche Vereinbarung hierüber existiert. cc) Direktionsrecht Eine ähnliche Komplexität herrscht bei der Handhabung des Weisungsrechts. Neben einer Vereinbarung zwischen den Parteien wird es vor allem durch die Umstände des Einzelfalls bestimmt.1213 Für den Umfang ist zu berücksichtigen, dass der Drittarbeitnehmer grundsätzlich Dienste für den Hauptarbeitnehmer erbringt, die sich jedoch in dem dem Hauptarbeitnehmer zugewiesenen Rahmen bewegen. Der Drittarbeitnehmer darf also nicht kraft Direktionsrechts Arbeiten verrichten, die sich in einem anderen Bereich befinden. Im Übrigen kommt es zu einer Einschränkung des Hauptarbeitgebers bei seiner eigenen Weisungsausübung durch die Einräumung der relativ autonomen Stellung des Hauptarbeitnehmers gegenüber dem Drittarbeitnehmer.1214 Aufgrund der unmittelbaren vertraglichen Bindung zwischen Hauptarbeitnehmer und Drittarbeitnehmer bleibt prinzipiell ein direktes Direktionsrecht des mittelbaren Arbeitgebers gegenüber dem Dritten ausgeschlossen.1215 Vielmehr kann der übergeordnete Arbeitgeber nur auf den Mittelsmann einwirken, dass dieser den Dritten entsprechend beeinflusst.1216 Allerdings unterliegt auch der Hauptarbeitnehmer in Bezug auf dessen eigenverantwortlich verwalteten Arbeitsbereich nicht dem Weisungsrecht des Hauptarbeitgebers.1217 Nikisch, S. 235. Konzen, ZfA 1982, 259, 266; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 18. Für ein umfängliches Weisungsrecht des Mittelmanns spricht vor allem, wenn ihm eine relativ selbstständige Stellung eingeräumt wurde. Dies ist etwa bei der Bezahlung nach der Gesamtarbeitsleistung und der autonomen Bestimmung der benötigten Arbeitskräfte der Fall, vgl. Konzen, ZfA 1982, 259, 268. 1214  Nikisch, S. 234. 1215 Vgl. BAG vom 8.8.1958 - 4 AZR 173/55 -, AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis, Bl. 3 ff.; Konzen, ZfA 1982, 259, 302. 1216  Hueck/Nipperdy, Arbeitsrecht I, S. 801, der auch von der Möglichkeit einer Übertragbarkeit des Weisungsrechts ausgeht; wohl weitergehender ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 173; MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 18. 1217  Konzen, ZfA 1982, 259, 296 f. 1212  1213 

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dd) Beendigung Unabhängig von der Haftung soll grundsätzlich nur der Hauptarbeitnehmer gegenüber dem Drittarbeitnehmer zur ordentlichen Kündigung befugt sein.1218 Keine Einigkeit herrscht bei der Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung. Manche geben hier auch dem mittelbaren Arbeitgeber das Recht, den Drittarbeitnehmer außerordentlich zu kündigen, wenn ihm eine weitere Zusammenarbeit nicht zumutbar sei.1219 Im Vergleich dazu billigen andere selbst insoweit nur dem Hauptarbeitnehmer als Vertragspartner ein Kündigungsrecht zu.1220 Einige gestehen dem Hauptarbeitgeber in solchen Fällen jedoch ein Einwirkungsrecht gegenüber dem Hauptarbeitnehmer zu, sodass dieser eine außerordentliche Kündigung gegenüber dem Drittarbeitnehmer ausspricht.1221 Aufgrund der relativ eigenständigen Stellung des Hauptarbeitnehmers scheinen die letzten beiden Ansichten vorzugswürdiger. Der Hauptarbeitnehmer hat die selbstständige Befugnis zur Einstellung, demzufolge muss ihm ebenso das alleinige Recht zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung bleiben. Die materielle Beurteilung der Kündigung findet allein auf der Grundlage des unmittelbaren Verhältnisses zwischen Hauptarbeitnehmer und Drittarbeitnehmer statt.1222 Für die Entscheidung über die ordentliche Kündigung nach dem KSchG ist also insbesondere ausschlaggebend, ob der Hauptarbeitnehmer noch genügend weitere Arbeitnehmer beschäftigt. Wird das Arbeitsverhältnis zwischen Hauptarbeitnehmer und Drittarbeitnehmer beendet, erlischt automatisch das mittelbare Arbeitsverhältnis zum Hauptarbeitgeber.1223 Besondere Probleme bereitet das Schicksal des Drittarbeitnehmers bei einer (fristgebundenen oder fristlosen) Beendigung des Hauptarbeitsverhältnisses. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz existiert insoweit nicht.1224 Einige behaupten mit dem Ausscheiden des Hauptarbeitnehmers auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Drittarbeitnehmer, wenn keine andere Regelung getroffen worden sei.1225 Keine Rolle soll dabei die Art der Beendigung des Hauptarbeitsverhältnisses spielen. Begründet wird dies mit den praktischen Schwierigkeiten bei der Neueinstellung eines anderen Hauptarbeitnehmers und der Einstellung der Arbeitskraft nur für den Betrieb des Arbeitgebers. Das Arbeitsverhältnis stehe unter einer demNikisch, S. 235; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 173. Nikisch, S. 235. 1220  Hueck/Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, S. 146. 1221  Hueck/Nipperdy, Arbeitsrecht I, S. 801. 1222  BAG vom 20.7.1982 - 3 AZR 446/80 -, NJW 1983, 645; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG, Rn. 63. 1223  BAG vom 9.4.1957 - 3 AZR 435/54 -, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis. 1224  Konzen, ZfA 1982, 259, 263. 1225  Eine andere Regelung kann beispielsweise in der Übernahme des Drittarbeitnehmers durch den Hauptarbeitgeber bestehen. 1218 

1219 

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entsprechenden auflösenden Bedingung.1226 Andere ziehen eine Art „Durchgriffshaftung“ des Hauptarbeitgebers gegenüber dem Drittarbeitnehmer in Erwägung. In dem Zusammenhang soll eine Überprüfung der Berechtigung von den Maßnahmen möglich sein, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt haben.1227 Eine weitere Position fordert dagegen zur Erhaltung des Kündigungsschutzes grundsätzlich eine gesonderte Kündigung des Hauptarbeitnehmers bzw. einer von ihm ermächtigten Person gegenüber dem Drittarbeitnehmer.1228 Nach diesseitiger Auffassung ist der mittelbare Arbeitgeber dem Dritten zu Schutz und Rücksicht verpflichtet. Diese Verpflichtung kann jedoch wegen der grundrechtlich zugesicherten Freiheiten der Beteiligten weder zu einer unlösbaren Verbindung führen noch zu einer willkürlichen Entscheidung berechtigen. Eine Lösung scheint daher vor dem Hintergrund des Tatbestandes interessengerecht. Der Drittarbeitnehmer kann demnach auf der Grundlage des mittelbaren Arbeitsverhältnisses nicht den gleichen Schutz beanspruchen, der einem unmittelbaren Arbeitnehmer des Hauptarbeitgebers zukommt. Andererseits muss es dem Dritt­ arbeitnehmer aber möglich sein, die Rechtmäßigkeit der Beendigung seines unmittelbaren Arbeitsverhältnisses und inzident die des Hauptarbeitsverhältnisses in einem Verfahren gegenüber dem Hauptarbeitnehmer vollumfänglich nachprüfen zu lassen. Liegt eine rechtswidrige Beendigung vor, kommt es zur oben dargestellten Haftung des unmittelbaren und mittelbaren Arbeitgebers. Dagegen scheint die prinzipielle Annahme einer auflösenden Bedingung beim unmittelbaren Arbeitsvertrag zum Drittarbeitnehmer nicht gerechtfertigt, falls sie nicht ausdrücklich und wirksam vereinbart wurde. Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes und der Rechtssicherheit bedarf es vielmehr einer Kündigung. ee) Umgehung Die Rechtsform des mittelbaren Arbeitsverhältnisses wird zum Teil missbräuchlich zur Umgehung von Arbeitnehmerschutzvorschriften benutzt. Hierzu kommt es vor allem dann, wenn eine Mittelsperson nur die Funktion eines Vorgesetzten wahrnimmt und insbesondere die Arbeitsverträge, die Vergütung sowie die Personalplanung im Verantwortungsbereich des Hauptarbeitgebers liegen. Die Mittelsperson hat daher keinerlei unternehmerische Befugnisse und Risiken oder gar eine Gewinnmöglichkeit, sodass auch die sachnähere Organisation als rechtfertigender Grund ausscheidet. Selbst ohne den Mittler ergäben sich keine nennenswerten Änderungen. In solchen Fällen führt der Rechtsformzwang infolge der Verkürzung Nikisch, S. 235 f. 27, 340, 348. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Konstellationen des mittelbaren Arbeitsverhältnisses hatte das Hauptvertragsverhältnis in dem Fall keine reine arbeitsvertragliche Natur, sondern bestand aus einem Werkvertrag. Aufgrund der inhaltlichen Ausgestaltung des Werkvertrages und der sonstigen Handhabung war die Situation jedoch stark angenähert sowie vergleichbar. 1228 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 174; ebenso für das Erfordernis einer Kündigung Hueck/Nipperdy, Arbeitsrecht I, S. 802. 1226 

1227  BAG

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des Arbeitnehmerschutzes zur Annahme eines direkten Arbeitsverhältnisses ohne Beteiligung des Hauptarbeitnehmers.1229 ff) Zwischenergebnis Die aufgrund eines mittelbaren Arbeitsverhältnisses entstehenden Rechte und Pflichten bestimmen sich grundsätzlich durch die vertragliche Ausgestaltung und die Umstände des Einzelfalls. In der Regel führt ein solches Arbeitsverhältnis jedoch nicht zu einer Dopplung der Arbeitgeber mit allen damit verbundenen Verpflichtungen. Vielmehr sind die Verpflichtungen aus dem mittelbaren Arbeitsverhältnis nach vorzugswürdiger Auffassung auf Schutz- und Treuepflichten begrenzt.1230 Im Übrigen bleiben die Rechte und Pflichten aus den unmittelbaren Arbeitsverträgen die primäre Rechtsgrundlage für Ansprüche zwischen den Beteiligten.1231 b) Gruppenarbeitsverhältnis Prinzipiell führt eine Zusammenarbeit mehrerer Arbeitnehmer in einem Betrieb zu keinen außergewöhnlichen rechtlichen Konsequenzen zwischen den Beteiligten. Anders ist dies allerdings, wenn die Tätigkeit der Arbeitnehmer als Gruppenleistung erbracht werden soll. Der Grund für diese Form der Zusammenarbeit liegt in der dadurch beabsichtigten Kosteneinsparung und Produktivitätssteigerung, weil der Arbeitnehmer an der Organisation der Arbeit mitwirken kann.1232 Hierbei erfolgt eine Differenzierung zwischen Betriebsgruppen und Eigengruppen.1233 aa) Betriebsgruppe Die Bildung einer Betriebsgruppe geht vom Arbeitgeber aus. Hierbei werden bestimmte Arbeitnehmer zu einer Einheit zusammengefasst, sodass diese ihre Arbeitsleistung gemeinsam erbringen. Oft kommt es zur Übertragung bestimmter Arbeitsbereiche, wie etwa bei den Bauarbeiter- oder Montagekolonnen. Dagegen liegt eine Betriebsgruppe nicht schon vor, wenn eine Bündelung der Arbeitnehmer zu einer bloßen Arbeitsgruppe, Arbeitsteams oder dergleichen stattfindet, soweit die Gruppe ihre geschuldete Arbeitsleistung nicht in Form einer Gesamtleistung erbringen muss.1234

BAG vom 20.7.1982 - 3 AZR 446/80 -, NJW 1983, 645; Konzen, ZfA 1982, 259, 292 ff., 302; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 20. 1230  Konzen, ZfA 1982, 259, 308 ff. 1231 Vgl. Hueck/Nipperdy, Arbeitsrecht I, S. 800. 1232 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 164. 1233 Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 317. 1234  Hunold, AR-Blattei SD 840 Gruppenarbeit, Rn. 19 ff.; Preis, IndividualarbR, § 10 VIII, S. 114; Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 318. 1229 

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Aus rechtlicher Sicht hat die Betriebsgruppe verschiedene Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Prinzipiell darf eine Betriebsgruppe nicht allein mit dem gewöhnlichen Direktionsrecht begründet werden. Vielmehr verlangt die Entstehung eine individualarbeitsrechtliche Vereinbarung bzw. Zustimmung aller Beteiligten.1235 Jeder involvierte Arbeitnehmer behält allerdings sein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber.1236 Die Anpassung geschieht nur in Form einer Verpflichtung zur gemeinsamen Leistungserbringung bei einem in der Regel davon abhängigen Arbeitsentgelt. Zum Teil überlässt der Arbeitgeber ferner die Verteilung der Arbeiten den beteiligten Arbeitnehmern. Diese Selbstregelung geschieht allerdings von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich.1237 Bei einer Minderleistung findet eine automatische Anpassung gegenüber allen Gruppenmitgliedern statt. Jeder einzelne Arbeitnehmer hat aber Anspruch auf Arbeitsentgelt unmittelbar gegen den Arbeitgeber.1238 Korrespondierend darf ebenso der Arbeitgeber jeden Arbeitnehmer auf Vertragserfüllung in Anspruch nehmen. Erfolgt eine Übertragung von Teilaufgaben auf einen Arbeitnehmer, muss er diese sachgerecht erfüllen und Mängel, die das Gruppenergebnis gefährden, abwenden. Eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Arbeitgeber setzt jedoch auch bei der Betriebsgruppe eine eigene schuldhafte Verletzung der Vertragspflicht voraus.1239 Die beteiligten Arbeitnehmer haften nicht gesamtschuldnerisch.1240 Ist die Entlohnung von einer Gruppenakkordleistung abhängig, muss der Arbeitgeber dies bei der Leistungsbestimmung berücksichtigen und gegebenenfalls freie oder wegen Urlaubs bzw. Krankheit unbesetzte Stellen mit Ersatzpersonen ausfüllen, vgl. § 315 BGB. Eine verzögerte oder fehlerhafte Zuweisung kann sogar Schadensersatzansprüche auslösen.1241 Keinen gruppenspezifischen Bindungen unterliegt der Arbeitgeber bei Kündigungen. Er bleibt zu Kündigungen einzelner Mitglieder berechtigt.1242 Die Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern sind grundsätzlich faktischer Natur, insbesondere wenn keine 1235 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 168 m. w. N.; Hunold, AR-Blattei SD 840 Gruppenarbeit, Rn. 51 ff.; Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 319; MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 6. Kollektivrechtlich ist insbesondere das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach §§ 111, 87 Abs. 1 Nr. 1, 3, 7, 10, 11, 13 BetrVG zu beachten, vgl. Schaub/Koch, § 181, Rn. 12; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 5 m. w. N. 1236  BAG vom 23.2.1961 - 5 AZR 110/60 -, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Akkordkolonne. 1237 MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 5. 1238  Hunold, AR-Blattei SD 840 Gruppenarbeit, Rn. 63. 1239  BAG vom 24.4.1974 - 5 AZR 480/73 -, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Akkordkolonne (mit näheren Regelungen zu einer abgestuften Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen: Zunächst muss der geschädigte Arbeitgeber nachweisen, dass sein Schaden durch vertragswidrige Schlechtleistung der Gruppe verursacht wurde. Danach ist es Sache der einzelnen Gruppenmitglieder sich durch Darlegung und Nachweis der eigenen fehlerfreien Haupt- und Nebenleistung zu entlasten. Dies gilt ebenso für die Verschuldensfrage.). Kritisch ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 165. 1240 MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 5. 1241  Hunold, AR-Blattei SD 840 Gruppenarbeit, Rn. 70; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 167. 1242 Schaub/Koch, § 181, Rn. 3; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 175.

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Mitwirkungsbefugnisse bei der Gruppenbildung und -zusammensetzung vorliegen.1243 bb) Eigengruppe Eine weitere Form eines Gruppenarbeitsverhältnisses ist die Eigengruppe. Auch hier erfolgt die Gruppenbildung, um beim Arbeitgeber gemeinsam eine Arbeitsleistung zu erbringen. In der Regel geschieht die Entscheidung vor der Arbeitsaufnahme. Im Unterschied zur Betriebsgruppe geht allerdings die Entstehung von den Arbeitnehmern aus. Klassische Beispiele sind das Hausmeisterehepaar und die Musikkapelle.1244 Rechtlich sind bei der Beschäftigung mit Eigengruppen verschiedene Konstellationen möglich. Hierbei gilt es zwischen den Rechtsbeziehungen innerhalb der Gruppe und solchen gegenüber dem Arbeitgeber zu unterscheiden. Für die internen Verbindungen beginnt die Besonderheit schon damit, dass die Eigengruppe in Form eines rechtsfähigen Gebildes, wie etwa einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, einem Verein, einer GmbH oder einer Genossenschaft, organisiert sein kann. Die Beziehungen der Arbeitnehmer untereinander sind dann grundsätzlich mitgliedschaftlicher Natur, falls keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden. Möglich ist es aber auch, dass keine internen Bindungen vorliegen. Letztlich bleibt die Ermittlung der Auslegung überlassen.1245 Selbst für die Beziehungen zum Arbeitgeber sind verschiedene Rechtsformen möglich. Infrage kommt dabei dass die Gruppe, die einzelnen Arbeitnehmer oder beide rechtliche Beziehungen zum Arbeitgeber eingehen. Schließt nur die Gruppe im eigenen Namen mit dem (Haupt-)Arbeitgeber einen Werk- oder Dienstvertrag, werden gewöhnliche arbeitsrechtliche Beziehungen der einzelnen Gruppenmitglieder zu ihm und zur Gruppe abgelehnt.1246 Stattdessen findet im Verhältnis Gruppe-Arbeitnehmer Gesellschaftsrecht Anwendung. Im Wesentlichen erfolgt die vertragliche Anspruchsbegründung lediglich zwischen Hauptarbeitgeber und Gruppe sowie zwischen Gruppe und Arbeitnehmer. Nur die Gruppe hat einen Entgeltanspruch, der durch Zahlung an sie erlischt.1247 Insofern kommt die Gruppe schon dann in Verzug, wenn ein einzelnes Mitglied die Arbeitsleistung nicht rechtzeitig erfüllt.1248 Der Arbeitgeber gilt in solchen Fällen nur 1243  Hunold, AR-Blattei SD 840 Gruppenarbeit, Rn. 53 ff.; Preis, IndividualarbR, § 10 VIII, S. 114; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 5. 1244  Hunold, AR-Blattei SD 840 Gruppenarbeit, Rn. 16 ff.; Preis, IndividualarbR, § 10 VIII, S. 114; Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 319. 1245 Vgl. Riesenhuber, S. 28, 36; Schwab, NZA-RR 2009, 1, 5; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 7 ff. 1246 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 170; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 8; wohl a. A. Konzen, ZfA 1982, 259, 300. 1247 Schaub/Koch, § 181, Rn. 18. 1248  Preis, IndividualarbR, § 10 VIII, S. 114.

§ 23  Individualarbeitsrecht

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zur Fürsorge verpflichtet, was besonders im Hinblick auf den Arbeitnehmerschutz Probleme verursacht.1249 Daher schlagen manche eine sinngemäße Anwendung des Arbeitnehmerschutzes vor, wenn die vertragliche Gestaltung zu einer Aushöhlung des zwingenden Arbeitnehmerschutzes führt.1250 Statt des Werk- oder Dienstvertrages besteht ebenso die Möglichkeit für die Gruppe zur Begründung eines Dienstverschaffungsvertrags. Dieser kann wiederum durch Abschluss eines Arbeitsvertrages zwischen jedem Gruppenmitglied und dem (Haupt-)Arbeitgeber oder mit der Vereinbarung eines leihvertragsähnlichen Rechtsverhältnisses erfüllt werden.1251 Kommt es zum Abschluss eines direkten Arbeitsvertrages, erwerben die Parteien unmittelbare Ansprüche, haben aber alles zu unterlassen, was die Zusammensetzung oder den Fortbestand der Gruppe beeinträchtigen würde.1252 Schließlich hat die Gruppe die Chance, im Namen aller Mitglieder oder die Gruppenmitglieder selbst Arbeitsverträge mit dem Arbeitgeber abzuschließen.1253 Auch hier kommt es zu unmittelbaren arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern. Selbst bei unmittelbaren arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und jedem Gruppenmitglied sind jedoch die Rechtsverhältnisse im Ergebnis nicht unabhängig voneinander. Der Zurechnung unterliegen regelmäßig Schlechtleistung und Verzug. Ebenso kann bei einer Gesamtentgeltvereinbarung grundsätzlich nur Leistung an alle gemeinsam und nicht an einen einzeln gefordert werden.1254 Entsprechendes gilt für das Direktionsrecht.1255 Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des BAG bei der Haftung. Hier ist nicht ohne weiteres anzunehmen, dass ein Gruppenmitglied für die Verpflichtungen der anderen eintreten will. Zu einer gesamtschuldnerischen Haftung kommt es aus dem Grund nur dann, wenn sich die Gruppenmitglieder verpflichten für die gesamte Erfüllung einzustehen oder ein Vertragsbruch auf gemeinsamen Entschluss beruht.1256 Schließlich sind Kündigungen erlaubt. Für die Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer aus der Gruppe gilt dies jedoch nur, wenn die Möglichkeit auf einer wirksamen Vereinbarung beruht bzw. durch das Ausscheiden eines Arbeitnehmers die an sich gemeinschaftlich zu erbringenKonzen, ZfA 1982, 259, 270 m. w. N., 296 ff. Konzen, ZfA 1982, 259, 296, 298 ff. 1251 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 170; vgl. Schaub/Koch, § 181, Rn. 18 f. 1252 Schaub/Koch, § 181, Rn. 20. 1253  Vgl. Kittner/Zwanziger/Deinert/Deinert, § 5, Rn. 8. 1254 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 171. 1255  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 12. 1256  BAG vom 30.5.1972 - 1 AZR 427/71 -, AP Nr. 50 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; weitergehend Schaub/Koch, § 181, Rn. 23, der auch im Fall der Schlechtleistung eine gesamtschuldnerische Haftung aufgrund der Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Arbeitsleistung annehmen will. 1249 

1250 

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

de Arbeitsleistung weder unmöglich noch wesentlich beeinträchtigt würde.1257 Zur Vorbeugung von Behinderungen schlagen in derartigen Fällen einige allerdings ein außerordentliches Kündigungsrecht der sonstigen Arbeitnehmer vor.1258 Im Übrigen ist ausschließlich die Kündigung aller Arbeitnehmer möglich, selbst wenn nur ein Kündigungsgrund für einen Arbeitnehmer vorliegt.1259 Der Kündigungsgrund gegenüber einem Gruppenmitglied wirkt dann auch zulasten der übrigen Mitglieder.1260 Dies gilt entsprechend für eine erforderliche Abmahnung.1261 Als zulässig sieht aber insbesondere die Rechtsprechung die Erstreckung eines besonderen Kündigungsschutzes zugunsten eines einzelnen Arbeitnehmers auf alle beteiligten Arbeitnehmer an, so etwa beim Kündigungsverbot nach § 9 MuSchG.1262 Umgekehrt soll ebenso den Arbeitnehmern nur eine gemeinsame Kündigung möglich sein.1263 BAG vom 21.10.1971 - 2 AZR 17/71 -, DB 1972, 244. § 620 BGB, Rn. 51; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 12. 1259  Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 178. 1260 Schaub/Koch, § 181, Rn. 25. 1261  BAG vom 21.10.1971 - 2 AZR 17/71 -, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Gruppenarbeitsverhältnis; LAG Sachsen-Anhalt vom 8.3.2000 - 6 Sa 921/99 -, DB 2001, 931; Zöllner/Loritz/ Hergenröder, § 29, Rn. 12; einschränkend Konzen, ZfA 1982, 259, 300 f., der nur eine ausschließliche Kündigungsmöglichkeit von oder gegenüber der Gruppe ablehnt. Beispielsweise soll die Kündigung nach § 626 BGB jedem einzelnen Gruppenmitglied zustehen. 1262  BAG vom 21.10.1971 - 2 AZR 17/71 -, DB 1972, 244, ErfK/Schlachter, § 9 MuSchG, Rn. 2 m. w. N.; a. A. ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB, Rn. 51; Meisel/Sowka, § 9 MuSchG, Rn. 60. Andere stellen dagegen die Auswirkungen für den Arbeitgeber mehr in den Vordergrund. Unter Umständen stehe in einem Gruppenarbeitsverhältnis das eine Arbeitsverhältnis sogar unter der auflösenden Bedingung, dass das andere Arbeitsverhältnis fortgelte (ähnlich BAG vom 17.5.1962 - 2 AZR 354/60 -, EzA Nr. 2 zu § 9 MuSchG a. F.). Ein wirksamer Kündigungsgrund soll danach in einem solchen Fall der Zweckgemeinschaft zudem das andere Arbeitsverhältnis trotz Kündigungsverbots auflösen. Der besondere Kündigungsschutz komme danach übergreifend lediglich zur Anwendung, wenn die Tätigkeit zwischen den Betroffenen ohne eine Vertragsänderung trennbar sei. Schließlich wäre dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines kündigungswürdigen Arbeitnehmers unzumutbar, vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 180; APS/Preis, Grundl. F, Rn. 47. Auch eine weitere Position will aufgrund der besonderen Verbindung zwischen den Arbeitnehmern der Gruppe eine Anrechnung der Kündigungsgründe grundsätzlich zulassen. Gleichzeitig soll aber das Kündigungsverbot bei jeder Kündigungsrechtfertigung beachtet werden. Das Kündigungsverbot wegen Schwangerschaft soll insofern ebenso im Rahmen der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung der anderen Gruppenarbeitnehmer Berücksichtigung finden, wodurch dessen Rechtfertigung grundsätzlich entfallen werde. Unter Umständen könne aber auch der besondere Kündigungsschutz des privilegierten Arbeitnehmers entfallen, wenn die Kündigung gegenüber den ungeschützten Arbeitnehmern gerechtfertigt sei und die Weiterbeschäftigung des geschützten Arbeitnehmers aufgrund der besonderen Gruppenabhängigkeit sinnlos wäre, KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG, Rn. 55 f. Zustimmend mit Verweis auf die verfassungsrechtlichen Positionen der einzelnen Beteiligten Zöllner/ Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 13. 1263 MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 11; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn. 175. 1257 

1258 ErfK/Müller-Glöge,

§ 23  Individualarbeitsrecht

311

c) Netzwerkbezug Die Möglichkeiten zur Begründung von mittelbaren Arbeitsverhältnissen und Gruppenarbeitsverhältnissen zeigen, dass netzwerkartige Mehrpersonenbeziehungen auf Arbeitnehmerseite vorkommen. Während beim typischen mittelbaren Arbeitsverhältnis eine abgestufte Hierarchie gegeben ist, existiert in der Regel bei den Gruppenarbeitsverhältnissen eher eine Gleichheit gegenüber dem Arbeitgeber. Das vor allem auf den unmittelbaren Arbeitsvertrag mit dem (Haupt-)Arbeitgeber zurückzuführende Ergebnis hat für die gesamten Rechte und Pflichten der Parteien Auswirkungen. Im Zusammenhang mit einem mittelbaren Arbeitsverhältnis zeigt sich dies besonders beim Ausfall der Arbeitsentgeltansprüche. Nach überwiegender Auffassung besitzt der Drittarbeitnehmer keine eigenen Ansprüche gegen den Hauptarbeitgeber auf Zahlung des Arbeitsentgelts. Vielmehr haftet er trotz des unmittelbaren Empfanges der Arbeitsleistung nur bei einer schuldhaften Verletzung seiner Fürsorgepflicht. Gerade vor diesem Hintergrund wird aus Arbeitnehmerschutzgesichtspunkten im Zweifel das unmittelbare Arbeitsverhältnis gegenüber dem mittelbaren Arbeitsverhältnis vorgezogen.1264 Neben der Haftung erlangt die Mittelsperson auch bei anderen Rechten und Pflichten im Rahmen der Drittbeziehungen Berücksichtigung, sodass ihr eine gewisse Schlüsselstellung zukommt. Die strukturelle Abhängigkeit des Drittarbeitnehmers offenbart sich überdies beim Ende der Beziehung zwischen Hauptarbeitgeber und Hauptarbeitnehmer. Durch eine solche Beendigung kann das unmittelbare Arbeitsverhältnis zum Drittarbeitnehmer zumindest mangels Beschäftigungsmöglichkeit leicht betriebsbedingt gekündigt werden. Eine andere Situation herrscht bei den Gruppenarbeitsverhältnissen. Zwar gilt in den Fällen kein Ausschluss von mittelbaren Rechtsbeziehungen,1265 häufig besteht jedoch ein unmittelbares Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber, der letztendlich die Arbeitsleistung empfängt. Somit folgen die Drittbeziehungen vordergründig aus der Verpflichtung zur gemeinsamen Leistungserbringung. Während die Betriebsgruppe eher faktische Beziehungen zwischen den beteiligten Arbeitnehmern hervorruft, sind die Bindungen bei der Eigengruppe eher rechtlicher Natur. Primär beruht dieser Umstand auf der Initiative zur Entstehung. Neben dem Verhältnis zwischen den Arbeitnehmern hat die interne Bindung mitunter Konsequenzen für die Rechte und Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Geringe Auswirkungen zeigen sich bei der Betriebsgruppe. Im Fall der Kündigung gegenüber einem Betriebsgruppenmitglied ist beispielsweise der Arbeitgeber grundsätzlich nur an die allgemein gültigen Gesetze gebunden und muss unter Umständen für rechtzeitigen sowie adäquaten Ersatz sorgen. Dagegen können bei einer Eigengruppe grundsätzlich nur alle Mitglieder gemeinsam kündigen und gekündigt werden. Ebenso darf der Arbeitgeber bei einer Betriebsgruppe auf die Zusammensetzung durch Umsetzung und Versetzung freier Einfluss nehmen als bei der Eigengrup1264 

Dütz/Thüsing, Rn. 134. § 181, Rn. 13.

1265 Schaub/Koch,

312

2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

pe.1266 Folglich berücksichtigt das Recht mit seinen spezifischen Wertungen selbst die soziologischen Gesichtspunkte, wie Abhängigkeit, Macht und Zentralität, innerhalb netzwerkorientierter Arbeitsorganisationsformen. 2.  Beteiligung Dritter auf Arbeitgeberseite Neben dem Drittbezug bei den Arbeitnehmern kommt ein solcher zudem auf Arbeitgeberseite infrage. Dem steht nicht die Position des Arbeitgebers entgegen. Als Arbeitgeber wird prinzipiell der Vertragspartner des Arbeitnehmers angesehen.1267 Er ist also der Gläubiger des Anspruchs auf Arbeitsleistung und Schuldner der Entgeltforderung.1268 Weiterer Voraussetzungen bedarf es nicht. Als belanglos gilt selbst, ob er den natürlichen oder den juristischen Personen aus dem privaten bzw. dem öffentlichen Recht angehört. Demzufolge kann ein Arbeitnehmer ebenso von mehreren Personen Vertragspartner sein. Von der Arbeitgeberposition durch mehrere Personen in einem Arbeitsverhältnis muss der Fall getrennt werden, bei dem ein Arbeitnehmer mehrere unabhängige Arbeitsverhältnisse mit den dazugehörigen Arbeitgebern hat.1269 Für die Beteiligung von mehreren Personen auf Arbeitgeberseite sind verschiedene Konstellationen denkbar. a) Arbeitgebergruppe Ein einheitliches Arbeitsverhältnis entsteht beispielsweise durch eine arbeitsrechtliche Beziehung zwischen einem Arbeitnehmer und einer Arbeitgebergruppe. Unter einer solchen Gruppe versteht man eine Mehrzahl von natürlichen oder juristischen Personen auf der Arbeitgeberseite, die durch einen rechtlichen Zusammenhang miteinander verbunden sind. Zwingend erforderlich ist hierfür jedoch weder ein bestimmtes Rechtsverhältnis zwischen den Personen auf Arbeitgeberseite noch ein gemeinsamer Betrieb oder der Abschluss eines gemeinsamen Arbeitsvertrages. Ein solcher Zusammenhang muss es lediglich verbieten, die Beziehungen getrennt zu behandeln. Dies kann etwa aus der Auslegung der Parteivereinbarungen, der Durchführung oder zwingenden rechtlichen Wertungen folgen. Nach Auffassung des BAG genügt sogar die Vorstellung einer Partei, dass die einzelnen Vereinbarungen nur gemeinsam gelten und zusammen durchgeführt werden sollen, wenn der Partner dies erkannte und zumindest hingenommen hat.1270

1266 

Vgl. Schaub/Koch, § 181, Rn. 3, 14. Dütz/Thüsing, Rn. 44; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 54. 1268  BAG vom 16.10.1974 - 4 AZR 29/74 -, NJW 1975, 710; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 183; Schaub/Linck, § 16, Rn. 1. 1269 Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 310; Lange, NZA 2012, 1121. 1270  BAG vom 16.2.2006 - 8 AZR 211/05 -, NZA 2006, 592; vom 27.3.1981 - 7 AZR 523/78 -, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitgebergruppe. 1267 

§ 23  Individualarbeitsrecht

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Ist ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben, verursacht es verschiedene Rechtsfolgen. Bezüglich der Beschäftigungs- und Vergütungspflicht können die Arbeitgeber Gesamtschuldner sein.1271 Zu einer solchen Annahme kommt es etwa, wenn nur eine Vollbeschäftigung des Arbeitnehmers gewollt war und keine abweichende Vereinbarung besteht, vgl. § 427 BGB.1272 Damit korrespondierend kann mangels einer eindeutigen vertraglichen Regelung auch jeder für sich – etwa nach § 428 BGB als Gesamtgläubiger – Weisungen gem. § 106 GewO erteilen, durch deren Erfüllung der Arbeitnehmer frei wird.1273 Im Übrigen gilt für Weisungen gegenüber dem Arbeitnehmer das Prioritätsprinzip und im Verhältnis der Arbeitgeber untereinander die Ausgleichspflicht nach § 430 BGB.1274 Eine Zusammenfassung findet zudem regelmäßig bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses statt.1275 Hier darf eine Kündigung – entsprechend § 747 S. 2 BGB – nur von allen Beteiligten auf der Arbeitgeberseite gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen.1276 Ebenso muss der Arbeitnehmer die Kündigung gegenüber allen aussprechen. Dies erfordert grundsätzlich die Kündigungsvoraussetzungen bei allen Beteiligten, insbesondere im Fall der gesamtschuldnerischen Beschäftigungspflicht und einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung. Ein Kündigungsgrund kann jedoch auch gegenüber den anderen Beteiligten wirken, wenn keine Ausweichmöglichkeit existiert.1277 Sollte allerdings der Kündigungsgrund nur bei einem Arbeitgeber vorliegen und bei anderen Arbeitgebern eine Beschäftigungsgelegenheit existieren, eröffnet dies den Anwendungsbereich für eine Änderungskündigung.1278 Im Übrigen sind die Parteien frei, die Vergütungs-, Beschäftigungs- und Arbeitsleistungspflicht abweichend zu regeln. Eine Teilgläubigerschaft für die Arbeitsleistung führt allerdings zu einer entsprechenden Anpassung des Direktionsrechts.1279 b) Personengesellschaften In der Vergangenheit wurden bei einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts alle einzelnen Gesellschafter als Arbeitgeber angesehen, weil eine nichtrechtsfähige Personenmehrheit kein Vertragspartner sein konnte. Ihnen sollte die Arbeitgeberstellung gemeinschaftlich zufallen.1280 Durch die Anerkennung von Rechts- und 1271 ErfK/Preis,

§ 611 BGB, Rn. 191. Lange, NZA 2012, 1121, 1122. 1273  Meyer, NZA 2013, 1326, 1328. 1274  Lange, NZA 2012, 1121, 1122. 1275  Für die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen den Arbeitgebern gem. §§ 741 ff. BGB, Lange, NZA 2012, 1121, 1123. 1276  Meyer, NZA 2013, 1326, 1328. 1277  BAG vom 27.3.1981 - 7 AZR 523/78 -, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitgebergruppe; Lange, NZA 2012, 1121, 1123; kritisch Schwerdtner, ZIP 1982, 900; Schulin, SAE 1983, 294. 1278  Lange, NZA 2012, 1121, 1123. 1279  Lange, NZA 2012, 1121, 1122. 1280  BAG vom 6.7.1989 - 6 AZR 771/87 -, AP Nr. 4 zu § 705 BGB. 1272 

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts hat sich jedoch eine Rechtsprechungsänderung ergeben, sodass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solche tauglicher Arbeitgeber sein darf.1281 Zulässige Arbeitgeber sind ferner die sonstigen Personenhandelsgesellschaften.1282 c)  Gemeinsamer Betrieb verschiedener Unternehmen Mitunter führen mehrere Unternehmen einen Betrieb zusammen. Allein dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht automatisch die Annahme, dass die beteiligten Unternehmen zu einem gemeinsamen Arbeitgeber der beschäftigten Arbeitnehmer werden.1283 Ein gemeinsamer Betrieb hat in der Regel nur den Zweck, die Tätigkeiten und das Direktionsrecht zu koordinieren.1284 Vielmehr bedarf es für ein einheitliches Arbeitsverhältnis eines rechtlichen Zusammenhanges (vgl. § 23 II 2 a.). Ein gemeinsamer Betrieb bewirkt allerdings bei arbeitsrechtlichen Nebengesetzen, wie etwa dem Betriebsverfassungsgesetz (vgl. § 1 BetrVG) und dem Kündigungsschutzgesetz1285, vereinzelt Konsequenzen. d) Gesamthafenbetriebe Ein weiteres Beispiel für die Verbindung von einem Arbeitnehmer mit mehreren Arbeitgebern sind die Arbeitsbeziehungen in Gesamthafenbetrieben. In der Regel ist der Bedarf nach Arbeitnehmern in einem Hafen infolge der schwankenden Leistungsnachfrage bei den Schiffsverladungen sehr wechselhaft. Daher erhalten viele Arbeitnehmer keine dauerhaften Arbeitsverhältnisse mit den Betrieben innerhalb eines Hafens. Um diese Situation zu mildern und vorübergebenden Personalbedarf der Einzelbetriebe zu befriedigen, hat der Gesetzgeber die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter durch eine schriftliche Vereinbarung zwischen den zuständigen Arbeitgeberverbänden bzw. einzelnen Arbeitgebern und den Gewerkschaften zugelassen.1286 Der Gesamthafenbetrieb soll danach die Möglichkeit erlangen mit den Arbeitnehmern ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis einzugehen.1287 Ungehindert eines solchen Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer jedoch mit den Hafeneinzelbetrieben gesonderte Arbeitsverhältnisse abschließen. Das Arbeitsverhältnis zum Gesamthafenbetrieb lebt insoweit grundsätzlich nur auf, falls kein Vertragsverhältnis zu einem Hafeneinzelbetrieb mehr besteht. Es hat in solchen Fällen lediglich eine Ausgleichsfunktion für Ar1281  BAG vom 1.12.2004 - 5 AZR 597/03 -, NZA 2005, 318; Schaub/Linck, § 16, Rn. 8; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 52. 1282 Schaub/Linck, § 16, Rn. 9. 1283 Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 312. 1284  BAG vom 16.2.2006 - 8 AZR 211/05 -, NZA 2006, 592, 594. 1285  BAG vom 18.1.1990 - 2 AZR 355/89 -, AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969. 1286  Vgl. Gesamthafenbetriebsgesetz vom 3.8.1950, BGBl. I, S. 352. 1287 MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 26 f.

§ 23  Individualarbeitsrecht

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beitnehmeransprüche, die eine längere Beschäftigung voraussetzen, wie beispielsweise Urlaub oder Krankheit.1288 Aufgrund der Subsidiarität muss der Arbeitnehmer wegen Arbeitsentgeltforderungen auch den Hafeneinzelbetrieb und nicht den Gesamthafenbetrieb in Anspruch nehmen, wenn er in der Zeit für ersteren tätig war.1289 Andererseits wird wegen des Vermittlungshintergrunds des nachrangigen Arbeitsverhältnisses ein geringeres Vertrauensverhältnis mit schwächeren wechselseitigen Treuepflichten zwischen den Parteien angenommen. Jedoch findet das Kündigungsschutzgesetz selbst hier Anwendung.1290 Im Übrigen geben die Details die unterschiedlichen Gesamthafenbetriebsregelungen der einzelnen Seehäfen vor.1291 1992 wurde beispielsweise für den Gesamthafen Hamburg ein Arbeitsverhältnis zwischen Hafeneinzelbetrieb und Arbeitnehmer mit Arbeitsantritt bejaht. Daneben hatte dieser Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis mit dem Gesamthafenbetrieb.1292 e) Netzwerkbezug Spiegelbildlich zu den Personenmehrheiten bei den Arbeitnehmern kommen solche ebenso auf Arbeitgeberseite vor. Damit erkennt auch das Arbeitsrecht netzwerkorientierte Organisationsformen auf Gläubiger- und Schuldnerseite an. Während die Arbeitgebergruppe regelmäßig gleichberechtigt mit strenger interner Bindung als ein einheitlicher Arbeitgeber zu behandeln ist, bestehen bei Gesamthafenbetrieben ein vorrangiges und ein nachrangiges Arbeitsverhältnis mit dazugehörigen Arbeitgebern. Ein Stufenverhältnis mit einer Abhängigkeit des einen Arbeitgebers vom anderen liegt allerdings vor dem Hintergrund der Rechtssituation im Rahmen des Gesamthafenverhältnisses vorbehaltlich einer besonderen Satzungsausgestaltung nicht vor. Als Beispiel für ein gestuftes Arbeitsverhältnis kann hier jedoch ebenso auf Arbeitgeberseite die Rechtskonstruktion beim mittelbaren Arbeitsverhältnis benannt werden. Einwirkungsmöglichkeiten hat insoweit der Hauptarbeitgeber auf den Drittarbeitnehmer im Wesentlichen nur über seinen unmittelbaren (Haupt-)Arbeitnehmer, denn dieser ist zugleich unmittelbarer Arbeitgeber des Drittarbeitnehmers.1293

Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 5, Rn. 56. BAG vom 23.2.1961 - 5 AZR 136/60 -, AP Nr. 2 zu § 1 GesamthafenbetriebsG. 1290  BAG vom 23.7.1970 - 2 AZR 426/69 -, AP Nr. 3 zu § 1 GesamthafenbetriebsG. 1291 Schliemann/Schliemann, § 611 BGB, Rn. 313. 1292  BAG vom 25.11.1992 - 7 ABR 7/92 -, EzA Nr. 5 zu § 9 BVerfG 1972. 1293  Vgl. Schaub/Linck, § 16, Rn. 5. 1288 Vgl. 1289 

2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

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III.  Arbeitsverhältnisse unter externer Beteiligung von Dritten Zusätzlich zu den oben aufgezählten Drittbeziehungen können Arbeitsverhältnisse einen unmittelbaren Bezug zu externen Dritten haben. Derartige Dreiecksverhältnisse entstehen beispielsweise bei der Leiharbeit und bei Arbeitsverhältnissen in einem Konzern. 1. Leiharbeitsverhältnis a) Grundlagen Die bekannteste Form der arbeitsrechtlichen Drittbeziehungen ist in der Praxis die Leiharbeit. Darunter wird eine Situation verstanden, in der ein Arbeitgeber (Verleiher) einer anderen Person, dem sogenannten Entleiher, auf der Grundlage einer Vereinbarung seinen Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) überlässt.1294 Das Ziel dieser Überlassung besteht in dem beabsichtigten Einsatz des Leiharbeitnehmers in einem anderen Betrieb nach den Vorstellungen des Entleihers. Während bei der echten Leiharbeit eine Beschäftigung auch beim Verleiher als beabsichtigt gilt, erfolgt diese bei der unechten Leiharbeit ausschließlich beim Entleiher.1295 Der Leiharbeit werden verschiedene Vor- und Nachteile zugeschrieben. Eine besondere Bedeutung hat die Deckung eines kurzfristigen Arbeitskräftebedarfs bei Auftragsspitzen ohne die Eingehung dauerhafter Verpflichtungen, vor allem infolge von Einstellungen neuer Arbeitskräfte. Andererseits benutzen einige diese Beschäftigungsform, um den Arbeitnehmerschutz zu umgehen.1296 Für die rechtliche Beurteilung ist neben den allgemeinen Gesetzen vorrangig das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) relevant. Nach der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG findet das Gesetz dann Anwendung, wenn die Arbeitnehmer­ überlassung in Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Arbeitgebers erfolgt.1297 Laut § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG bedarf eine Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Arbeitgebers grundsätzlich der behördlichen Erlaubnis. Fehlt diese Erlaubnis, dann gilt gem. § 9 Nr. 1 AÜG der zwischen Verleiher und Entleiher geschlossene Überlassungsvertrag ebenso wie der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmer als unwirksam. Gleichzeitig begründet der Gesetzgeber in einem solchen Fall einen Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Arbeitnehmer, § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG. Durch die Fiktion in § 10 Abs. 1 AÜG soll der Dütz/Thüsing, Rn. 336; Preis, IndividualarbR, § 10 VI, S. 106; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 21. 1295 Vgl. BAG vom 9.3.1971 - VI ZR 138/69 -, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Leiharbeitsverhältnis; vom 5.5.1988 - 8 AZR 484/85 -, AP Nr. 2 zu § 831 BGB; MünchHbArbR/Schüren, § 318, Rn. 6; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 21. 1296  Dütz/Thüsing, Rn. 344. Zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Kündigungen, Gaul/Ludwig, DB 2010, 2334. 1297  Preis, IndividualarbR, § 10 VI, S. 108. 1294 

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Arbeitnehmer so gestellt werden, als hätte ihn der Entleiher für die konkrete Tätigkeit direkt eingestellt.1298 Schließlich normiert § 10 Abs. 2 AÜG in einer derartigen Situation einen Schadensersatzanspruch gegen den Verleiher. Unter bestimmten Voraussetzungen sieht der Gesetzgeber statt der Erlaubnis eine Anzeigepflicht vor, § 1a AÜG. Selbst hierbei können aber Fehler die gleichen Rechtsfolgen auslösen.1299 b)  Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer Der Verleiher ist mit dem Leiharbeitnehmer durch ein Arbeitsverhältnis verbunden. Die Besonderheit zu einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis besteht darin, dass dem Verleiher im Gegensatz zu § 613 S. 2 BGB die Übertragung des Anspruches auf Dienstleistung an einen Dritten gestattet wird. In der Regel folgt die Erlaubnis schon aus der arbeitsvertraglichen Verpflichtung, die Arbeitsleistung gegenüber Dritten zu erbringen. Sollte der Wille allerdings nicht eindeutig hervorgehen, bedarf es einer Zustimmung des Leiharbeitnehmers. Im Unterschied zur Arbeitsleistung kommt es bei der Entgeltverpflichtung zu keiner abweichenden Vereinbarung. Vielmehr bleibt prinzipiell der Verleiher Schuldner des Entgeltanspruchs.1300 Ebenso obliegt die Beendigungsmöglichkeit des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich allein dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer.1301 Vor allem das AÜG bezeichnet die Beziehung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer als Leiharbeitsverhältnis. Nach dem AÜG erwachsen dem Verleiher insoweit verschiedene Schutz-, Informations- und Gleichbehandlungsverpflichtungen, die bei Missachtung sogar zu (Schadensersatz-)Ansprüchen des Leiharbeitnehmers führen können, vgl. § 11 AÜG. Besondere Aufmerksamkeit hat das Gleichbehandlungsgebot („equal pay“) gem. § 9 Nr. 2 AÜG erlangt. Nach dieser Regelung sind prinzipiell Vereinbarungen unwirksam, die dem Leiharbeitnehmer für den Überlassungszeitraum schlechtere Arbeitsbedingungen gewähren, als die beim Entleiher geltenden.1302 c)  Rechtsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer Soweit das AÜG zur Anwendung kommt und eine notwendige Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, besteht zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kein Arbeitsvertrag. In der Regel hat der Entleiher aber aufgrund einer Abtretung einen Anspruch auf Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitnehmer aus dem Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer. Während eine Abtretung nicht zwingend vereinbart werden muss, darf es jedoch für die Bejahung der

Junker, Rn. 113; MünchHbArbR/Schüren, § 318, Rn. 153 ff. Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 41 ff. 1300  Dütz/Thüsing, Rn. 341. 1301 MünchHbArbR/Schüren, § 318, Rn. 106; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 25. 1302  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 31 ff. 1298 

1299 

2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

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Leiharbeit zu keinem Arbeitgeberwechsel kommen.1303 Ebenso gilt der Entleiher gegenüber dem Leiharbeitnehmer zu Weisungen berechtigt.1304 Dieses Recht folgt als Annex zum abgetretenen Anspruch auf Arbeitsleistung zumindest aber aus einer Ermächtigung im Überlassungsvertrag.1305 Pflichtverletzungen des Leiharbeitnehmers berechtigen den Entleiher zu Ansprüchen gegenüber ihm. Der Entleiher muss allerdings kein Arbeitsentgelt leisten. Er ist jedoch gegenüber dem Leiharbeitnehmer nicht völlig frei. Ihn treffen vielmehr Schutz- und Rücksichtnahmepflichten.1306 Damit kommt es auch in diesem Fall zu einer sogenannten Teilung der Arbeitgeberfunktion.1307 Neben der Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen existieren insbesondere Informations- und Gleichbehandlungsverpflichtungen nach den §§ 13a f. AÜG.1308 Im Übrigen wird der Leiharbeitnehmer unter Umständen bei der Ermittlung von Schwellenwerten zum Betrieb des Entleihers gezählt.1309 Ferner bedarf noch die rechtliche Grundlage für das Verhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer einer abschließenden Klärung.1310 Hauptsächlich stehen ein Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten und ein echter Vertrag zugunsten Dritter zur Diskussion. Während für die erste Möglichkeit schon die Erfüllungsermächtigung ohne Verpflichtung spreche (§ 362 Abs. 2 BGB), machen andere für die zweite Alternative vor allem die Anwendung der Haftungsprivilegierung nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs geltend.1311 Dagegen wird die Fürsorgepflicht des Entleihers mitunter auch auf den (Überlassungs-)Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gestützt.1312 d)  Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und Entleiher Sinn und Zweck der Verbindung des Verleihers mit dem Entleiher ist die Überlassung eines Arbeitnehmers. Der Entleiher hat allerdings gegenüber dem Verleiher keinen Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung, sodass ein Arbeitsvertrag von vornherein ausscheidet. Vielmehr handelt es sich um einen Dienstverschaffungsvertrag auf der allgemeinen Grundlage des § 311 Abs. 1 BGB. Im Rahmen Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 23. BAG vom 30.1.1991 - AZR 497/89 -, AP Nr. 8 zu § 10 AÜG; Konzen, ZfA 1982, 259,

1303 Vgl. 1304 

265.

Konzen, ZfA 1982, 259, 281 f. Preis, IndividualarbR, § 10 VI, S. 106 f.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 25. 1307  Junker, Rn. 112 f.; Konzen, ZfA 1982, 259, 265. 1308  Lembke, NZA 2011, 319. 1309  Vgl. für das BetrVG: BAG vom 13.3.2013 - 7 ABR 69/11 -, NZA 2013, 789; vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10 -, AP Nr. 70 zu § 111 BetrVG 1972; für das KSchG: BAG vom 24.1.2013 - 2 AZR 140/12 -, NZA 2013, 726. 1310 MünchHbArbR/Schüren, § 318, Rn. 28. 1311 ErfK/Wank, Einl. AÜG, Rn. 32 ff. m. w. N.; vgl. Konzen, ZfA 1982, 259, 280 f.; Preis, IndividualarbR, § 10 VI, S. 107; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 35. 1312  Konzen, ZfA 1982, 259, 283 f. 1305 

1306 

§ 23  Individualarbeitsrecht

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des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unterliegt der Vertrag zudem bestimmten Anforderungen, insbesondere bedarf es der Einhaltung des Schriftformerfordernisses gem. § 12 AÜG. Wie bei anderen Verträgen erwachsen den Parteien auch hier verschiedene Schutz- und Rücksichtnahmepflichten. Schadensersatzansprüche können daher beispielsweise entstehen, wenn der Verleiher den überlassenen Arbeitnehmer pflichtwidrig aussucht. Weil die Arbeitsleistung nicht geschuldet wird, haftet der Verleiher dagegen nicht für ein Verschulden des Arbeitnehmers über § 278 BGB.1313 Im Übrigen muss der Verleiher dem Entleiher regelmäßig nur einen beliebigen Arbeitnehmer überlassen, der den Stellenanforderungen entspricht. Folglich kann der Verleiher den Arbeitnehmer austauschen und hat im Fall der Verhinderung sogar eine Verpflichtung zum Ersatz.1314 e) Umgehung Mitunter missbrauchen Personen die Arbeitnehmerüberlassung zur Umgehung des Arbeitnehmerschutzes. Ein solcher Fall liegt beispielsweise dann vor, wenn ein tatsächlicher Arbeitsvermittler als Verleiher fungiert, um tarifvertragliche Ansprüche nebst Bestandsschutz des (Leih-)Arbeitnehmers gegenüber dem „Entleiher“ zu verhindern. Der „Verleiher“ ist also insoweit lediglich Strohmann des „Entleihers“ und besitzt faktisch kein eigenes Recht, nach seinem Ermessen über die Zuweisung des Arbeitnehmers zu entscheiden. Demzufolge muss ein unmittelbares Arbeitsverhältnis zwischen „Entleiher“ und „Leiharbeitnehmer“ von vornherein angenommen werden.1315 2. Konzernarbeitsverhältnis a) Grundlagen Ein Konzern ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmen. Die hieran beteiligten Unternehmen sind auf keine bestimmte Rechtsform beschränkt.1316 Man unterscheidet zwischen Gleichordnungs- und Unterordnungskonzernen. Während bei einem Gleichordnungskonzern die zusammengeschlossenen Unternehmen eine gleichrangige Stellung haben, besteht in einem Unterordnungskonzern ein hierarchisches Prinzip. Als Unterordnungskonzern wird daher eine Verbindung eines herrschenden mit mindestens einem abhängigen Unternehmen verstanden. Hierbei besteht das Ziel, mit einer einheitlichen Leitung durch das herrschende Unternehmen die verschiedenen Tätigkeiten der einzelnen Rechtssubjekte zu einer

1313  BAG vom 9.3.1971 - VI ZR 138/69 -, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Leiharbeitsverhältnis; vom 30.1.1991 - AZR 497/89 -, AP Nr. 8 zu § 10 AÜG. 1314  Dütz/Thüsing, Rn. 343. 1315 MünchHbArbR/Schüren, § 317, Rn. 22 ff. 1316  Emmerich/Habersack, § 33, Rn. 1.

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

wirtschaftlichen Einheit zu verbinden.1317 Gesetzlichen Anhalt für die Begriffsbestimmung bietet zudem § 18 AktG. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis liegt danach vor, wenn das herrschende Unternehmen gegenüber dem anderen Weisungen für die Geschäftsführung erteilen und erzwingen oder auf längere Sicht Konsequenzen bei der Missachtung durchsetzen kann.1318 Reine wirtschaftliche Abhängigkeiten reichen nicht aus. Vielmehr müssen sie gesellschaftsrechtlich begründet sein.1319 Die Ursachen für eine Organisation in Form eines Konzerns sind vielfältig. Häufig wählen die Beteiligten diese Beziehungsstruktur jedoch um Produktionskosten zu senken, eine gezielte Expansionsstrategie zu verfolgen sowie Marktmacht zu erlangen.1320 Neben wirtschaftlichen Herausforderungen führt eine solche Struktur regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Während das herkömmliche Arbeitsrecht von einem weitgehend rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Arbeitgeber ausgeht, können konzernangehörige Arbeitgeber wirtschaftliche Entscheidungen vorgegeben bekommen.1321 Es existiert also die Möglichkeit, dass sie als Strohmann für die Verfolgung fremder Interessen fungieren. Hinzu kommt, dass mitunter Arbeitnehmer bei verschiedenen Konzernunternehmen ihre Leistung erbringen. In dem Zusammenhang ist weiterhin auf die zur Gewinnung von Effizienz- und Synergievorteilen vielfach geschaffenen Matrixstrukturen hinzuweisen. Die Unternehmensorganisation erfolgt hierbei nicht nur hierarchisch-eindimensional, sondern mehrdimensional. Dazu werden im Wesentlichen zentrale Funktionen bei bestimmten Unternehmen gebündelt, die neben die vertikalen Hierarchien als horizontale Verantwortlichkeiten treten.1322 Individualarbeitsrechtlich ergeben sich dadurch verschiedene Probleme, insbesondere im kündigungs- und haftungsrechtlichen Bereich. b) Arbeitsverhältnis Innerhalb eines Konzerns kann grundsätzlich nur ein bestimmtes Konzernunternehmen Arbeitgeber sein. Mangels Rechtsfähigkeit besteht mit dem Konzern als Gebilde kein Arbeitsverhältnis.1323 Die rechtliche Selbstständigkeit des Arbeitgebers wird durch eine Verbindung mit anderen Unternehmen nicht beeinträch1317  Vgl. MünchHbGesellR/Krieger, § 69, Rn. 67; MünchKomm/Mülbert, HGB, Konzernrecht der Personengesellschaften, Rn. 64. 1318 Kittner/Zwanziger/Deinert/Deinert, § 5, Rn. 59. 1319 Vgl. BGH vom 26.3.1984 - II ZR 171/83 -, NJW 1984, 1893; zum Ganzen Küttner/ Röller, Konzernarbeitsverhältnis, Rn. 1 f. 1320  Brockhaus, Stichwort: Konzern. 1321  Vgl. MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 6. 1322  Kort, NZA 2013, 1318, 1318 f.; Meyer, NZA 2013, 1326, 1329; Wisskirchen/Bissels, DB 2007, 340. 1323 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 198; Kittner/Zwanziger/Deinert/Deinert, § 5, Rn. 65.

§ 23  Individualarbeitsrecht

321

tigt.1324 Es existiert aber auch hier die Option, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers in Form von echter oder unechter Leiharbeit bei anderen Konzernunternehmen unter den allgemeinen Voraussetzungen erfolgt bzw. er mit mehreren Konzernunternehmen einen Arbeitsvertrag schließt.1325 Zum Doppelarbeitsverhältnis kommt es schon beim (konkludenten) Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem anderen Konzernunternehmen neben dem ersten Arbeitsvertrag, wobei der ursprüngliche ruht. Zusätzlich zur Annahme der Arbeitsleistung bedarf es in dem Fall jedoch auch der Risiko- und Pflichtenübernahme des Drittunternehmens.1326 Gegebenenfalls entsteht auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis (vgl. § 23 II 2 a.). Schließlich ist ein Arbeitgeberwechsel denkbar. Hierfür gelten keine Besonderheiten.1327 Diese Möglichkeiten finden sich zudem bei der Beschäftigung innerhalb von Matrixstrukturen. In den allermeisten Fällen hat der Arbeitnehmer hierbei jedoch nur einen Vertragsarbeitnehmer.1328 c) Weisung Das Weisungsrecht steht grundsätzlich dem Arbeitgeber zu. Ebenso gilt § 613 S. 2 BGB innerhalb von Konzernen. Demzufolge schließt das Recht selbst für die Konzernobergesellschaft ein unmittelbares arbeitsrechtliches Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern von untergeordneten Konzernunternehmen prinzipiell aus.1329 Abweichende Regelungen sind jedoch zulässig. Dies gilt vor allem im Rahmen der oben aufgeführten atypischen Arbeitsverhältnisse. Zu Besonderheiten kommt es ferner bei der Matrixstruktur, die durch eine vom Vertragsarbeitgeber unabhängig gestaltete Arbeitsorganisation gekennzeichnet ist. Hier haben regelmäßig neben dem Vertragsarbeitgeber weitere Personen innerhalb der Matrixorganisation das Weisungsrecht über den Arbeitnehmer. Den weiteren Personen wird jedoch grundsätzlich nur das fachliche Weisungsrecht zugestanden. Während die Übertragung des Weisungsrechts innerhalb des Vertragsarbeitsgebers kraft arbeitgeberinterner Delegation geschieht, erfolgt sie auf außenstehende Personen in der Regel über eine Ausübungsermächtigung bzw. -vertretung gem. §§ 164 ff. BGB. Das disziplinarische Weisungsrecht, etwa zum Ausspruch von Abmahnungen, Kündigungen und personeller Einzelmaßnahmen, bleibt dagegen beim Vertragsarbeitgeber.1330 1324  BAG vom 31.7.2002 - 10 AZR 420/01 -, NZA 2003, 213, 214; MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 26. 1325  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 29, Rn. 48. 1326  Rid, NZA 2011, 1121, 1122. 1327 Küttner/Röller, Konzernarbeitsverhältnis, Rn. 4; MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 9; Meyer, NZA 2013, 1326, 1327. 1328  Kort, NZA 2013, 1318, 1319 f.; Rieble, NZA-Beilage 2014, 28, 29; Wisskirchen/Bissels, DB 2007, 340, 341 f. 1329  Preis, IndividualarbR, § 11 III, S. 121; MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 24 f. 1330  Kort, NZA 2013, 1318, 1319; Meyer, NZA 2013, 1326, 1329.

322

2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Haben die Arbeitsvertragsparteien im Übrigen eine Versetzungsmöglichkeit innerhalb des Konzerns vereinbart, darf der Arbeitgeber davon grundsätzlich nur nach billigem Ermessen gem. § 106 GewO Gebrauch machen.1331 Der Arbeitnehmer muss hierbei keiner Versetzung Folge leisten, gegen die sachbezogene Gründe sprechen.1332 Besteht eine unwirksame Weisung für die Versetzung, kann eine Änderung lediglich mit der Zustimmung des Arbeitnehmers erreicht werden. d) Arbeitsentgelt Soweit keine abweichende Vereinbarung existiert, bleibt der Arbeitgeber Schuldner des Arbeitsentgeltsanspruchs. Ebenso zählt nach überwiegender Auffassung nicht der ganze Konzern bei Ansprüchen mit kollektiver Grundlage als maßgeblicher Bezugspunkt. Deswegen gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht für den Konzern.1333 Manche vertreten jedoch die Auffassung, eine Ausnahme soll bei der Aufstellung konzernweiter Regeln für einzelne Arbeitsvertragsinhalte gelten, sofern eine entsprechende Weisung erteilt werde. In derartigen Fällen könne selbst ohne direkte vertragliche Beziehung zur Konzernspitze ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber entstehen. Dies betreffe ebenso Ansprüche wegen einer betrieblichen Übung infolge eines konzernweiten Vertrauens­ tatbestandes.1334 Unabhängig von gewöhnlichen Entgeltansprüchen kann der Konzernverbund ferner im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Rolle spielen. Beispielsweise ist bei der Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG unter Umständen auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens abzustellen.1335 e) Haftung Grundsätzlich finden bei einem Arbeitsverhältnis mit einem konzernangehörigen Arbeitgeber dieselben Haftungsregeln Anwendung wie in anderen Arbeitsverhältnissen. Eine Konzernangehörigkeit begründet keine automatische Gesamthaftung der Konzernunternehmen.1336 Für Ansprüche des Arbeitgebers bleibt der Arbeitnehmer und für die des Arbeitnehmers der Arbeitgeber primär der richtige 1331 ErfK/Preis,

§ 611 BGB, Rn. 198. Rüthers/Bakker, ZfA 1990, 245, 265 f. 1333  BAG vom 20.8.1986 - 4 AZR 272/85 -, AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität. 1334  Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 198, 588; Kittner/Zwanziger/Deinert/Deinert, § 5, Rn. 72; Konzen, ZHR 151 (1987), 566, 590; MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 27 f.; kritisch Henssler, S. 112. 1335  BAG vom 4.10.1994 - 3 AZR 910/93 -, AP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG; vom 21.10.2014 3 AZR 1027/12 -, NZA-RR 2015, 90, 94; Küttner/Röller, Konzernarbeitsverhältnis, Rn. 7; Preis, IndividualarbR, § 11 III, S. 122. 1336 Küttner/Röller, Konzernarbeitsverhältnis, Rn. 6; MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 26. 1332 

§ 23  Individualarbeitsrecht

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Anspruchsgegner.1337 Gegebenenfalls kommt jedoch eine Haftungserweiterung für Arbeitnehmer von abhängigen Unternehmen infrage. Hierbei gilt die allgemeine Haftung im Zusammenhang mit Konzernen. Ist beispielsweise im Anwendungsbereich des Aktiengesetzes ein Unternehmen durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einem anderen verbunden, muss das herrschende Unternehmen unter den Voraussetzungen der §§ 302 ff. AktG die Verluste des abhängigen Unternehmens übernehmen und entsprechende Ausgleichzahlungen leisten.1338 Bei den übrigen Konzernen besteht etwa eine ähnliche Haftung nach § 826 BGB über den sogenannten existenzvernichtenden Eingriff.1339 Danach macht sich das herrschende Unternehmen gegenüber dem abhängigen Unternehmen schadensersatzpflichtig, wenn es das Gesellschaftsvermögen ohne angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten in einem ins Gewicht fallenden Maße mindert.1340 Dieser Anspruch gilt ohne Rücksicht auf die Rechtsform des Anspruchsgegners. Es haften sogar natürliche Personen mit herrschendem Einfluss auf eine Gesellschaft.1341 Auf diesen Anspruch des abhängigen Unternehmens kann der Arbeitnehmer wiederum nach den allgemeinen Regeln zugreifen.1342 In Betracht kommt zudem eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung. Neben einer zu geringen Kapitalausstattung, die einen ordentlichen Geschäftsbetrieb nicht ermöglicht, müssen dafür weitere Umstände hinzukommen, aufgrund deren eine rechtliche Selbstständigkeit nur der Form nach vorliegt.1343 f) Beendigung Neben der Haftung unterliegt vor allem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Konzern verbindungstechnischen Besonderheiten. Ausgangspunkt bildet auch in dem Fall das allgemeine Recht zum Kündigungsschutz. Kündigungsberechtigt sind somit grundsätzlich nur die Vertragspartner. Für Kündigungen des Arbeitgebers gilt insbesondere das Kündigungsschutzgesetz. Dies greift allerdings nur in Betrieben mit einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern ein, vgl. § 23 KSchG. Gewöhnlich wird unter einem Betrieb eine organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den Arbeitnehmern und sächlicher oder immaterieller Mittel einen arbeitstechPreis, IndividualarbR, § 11 III, S. 121. Altmeppen, DB 1999, 2453. 1339  Weitere Ansprüche folgen beispielsweise aus §§ 30, 31 GmbHG. 1340 Vgl. BGH vom 24.6.2002 - II ZR 300/00 -, NJW 2002, 3024; vom 16.7.2007 - II ZR 3/04 -, NJW 2007, 2689; MünchKomm/Reuter, vor § 21 BGB, Rn. 43 f.; Schaub/Linck, § 18, Rn. 3 ff. 1341  BGHZ 122, 123, 127. 1342  BAG vom 1.8.1995 - 9 AZR 378/94 -, AP Nr. 8 zu § 303 AktG. 1343 Vgl. BAG vom 3.9.1998 - 8 AZR 189/97 -, AP Nr. 21 zu § 826 BGB; Kittner/Zwanziger/Deinert/Deinert, § 5, Rn. 74 ff. 1337 

1338 Vgl.

324

2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

nischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der über die Befriedigung von Eigenbedarf hinausgeht.1344 Schwierigkeiten bereiten bei Konzernen etwa die oben genannten Matrixstrukturen mit dem mehrdimensionalen Gefüge. Hierzu hat die Rechtsprechung jedoch betont, dass ein Mindestmaß an Organisation für die Betriebseigenschaft ausreiche, insbesondere der Annahme eines Betriebes das Fehlen einer einheitlichen Leitung vor Ort nicht entgegenstehe.1345 Ebenso sind bei der Ermittlung des Schwellenwerts nach der Rechtsprechung des BAG die regelmäßig beschäftigten Leiharbeitnehmer mitzuzählen.1346 Weiterhin setzt die Anwendbarkeit des KSchG unter anderem den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber von über sechs Monaten voraus, § 1 Abs. 1 KSchG. Haben die Parteien keine andere Vereinbarung getroffen, wird hierbei eine Vor- oder Zwischentätigkeit bei einem anderen Konzernunternehmen nicht berücksichtigt.1347 Ferner finden lediglich die betriebliche und unternehmerische Ebene kündigungsschutzrechtliche Beachtung. Dagegen sind konzernrechtliche Verbindungen zu anderen Unternehmen oder gar eine Konzernabhängigkeit grundsätzlich keine tauglichen Zurechnungsgründe.1348 Demnach erlangt auch die arbeitnehmerbedingte Schädigung von Konzernschwestern bei der Beurteilung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen nur im Fall einer arbeitsvertraglich vereinbarten Pflicht zur Rücksichtnahme unmittelbare Anerkennung. Fehlt eine solche Vereinbarung, muss ein entsprechender Umstand dem außerdienstlichen Bereich zugeordnet werden. Ein Ladendiebstahl des Arbeitnehmers im Kaufhaus eines konzernangehörigen Schwesterunternehmens des Arbeitgebers gilt daher nicht als Straftat beim Arbeitgeber. Sie rechtfertigt folglich eine Kündigung nur, wenn sie geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zu beeinträchtigen.1349 Im Gegensatz zu den vorgenannten Kündigungsarten entscheiden über betriebsbedingte Kündigungen von vornherein lediglich Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers. Eine betriebsbedingte Kündigung verlangt dabei vor allem dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, § 1 Abs. 2 KSchG. Diese Voraussetzung liegt dann vor, wenn die unternehmerische Entscheidung die Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers entfallen lässt und sie nur durch die ausgesprochene Kündigung umgesetzt werden kann. Die unternehmerische Entscheidung darf auf außerbetrieblichen Gründen, wie zum Beispiel Auftrags- bzw. Rohstoffmangel, oder in-

BAG vom 28.10.2010 - 2 AZR 392/08 -, AP Nr. 48 zu § 23 KSchG 1969. LAG Hessen vom 13.4.2011 - 8 Sa 922/10 -, BeckRS 2011, 75839. 1346  BAG vom 24.1.2013 - 2 AZR 140/12 -, NZA 2013, 726. 1347 Kittner/Zwanziger/Deinert/Deinert, § 5, Rn. 73. 1348  BAG vom 23.3.2006 - 2 AZR 162/05 -, AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 29. 1349  BAG vom 20.9.1984 - 2 AZR 233/83 -, AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. 1344  1345 

§ 23  Individualarbeitsrecht

325

nerbetrieblichen, wie etwa Rationalisierungsmaßnahmen, beruhen.1350 Demzufolge müssen selbst Weisungen einer Konzernspitze gegenüber einem abhängigen Tochterunternehmen einen zulässigen Grund bilden können. Konzernrechtliche Bindungen stehen also einer anerkennenswerten unternehmerischen Entscheidung eines Arbeitgebers nicht entgegen. Ferner kontrolliert die Rechtsprechung die unternehmerische Entscheidung lediglich auf Missbrauch.1351 Die Sozialauswahl erfolgt sodann streng betriebsbezogen. Daran ändern auch unternehmens- und konzernbezogene Versetzungsklauseln nichts.1352 Zudem erfordert eine wirksame Kündigung das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Gegebenenfalls müssen die Arbeitsbedingungen geändert bzw. Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt werden, vgl. § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG. Als problematisch hat sich hierbei herausgestellt, ob auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Konzern infrage kommen. Nach Auffassung des BAG bleibt die Voraussetzung insbesondere aufgrund des Gesetzeswortlautes und der rechtlichen Selbstständigkeit des Arbeitgebers grundsätzlich auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im gleichen Unternehmen beschränkt.1353 Dies gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn die Kündigung mittelbar auf einer Maßnahme der Konzernspitze beruht.1354 Eine Erweiterung auf andere Konzerngesellschaften kommt dagegen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Hiervon ist etwa bei einem Übernahmeangebot des Konzernunternehmens und einer Selbstbindung des Arbeitgebers durch eine vertragliche Vereinbarung (zum Beispiel Einstellung für den Konzern, konzernweite Versetzungsklauseln) oder eines entsprechenden vorangegangenen Verhaltens auszugehen. In den letzteren Fällen bedarf es natürlich eines entsprechenden Einflusses auf das verbundene Unternehmen.1355 In manchen Situationen empfindet die überwiegende Auffassung die Berufung auf die 1350  BAG vom 29.3.1990 - 2 AZR 369/89 -, AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Preis, IndividualarbR, § 63 II, S. 801; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 26, Rn. 39. 1351  Rid, NZA 2011, 1121, 1122. 1352  BAG vom 2.6.2005 - 2 AZR 158/04 -, NZA 2005, 1175; Wisskirchen/Bissels, DB 2007, 340, 342. 1353  BAG vom 14.10.1982 - 2 AZR 568/80 -, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; vom 22.5.1986 - 2 AZR 612/85 -, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; vom 27.11.1991 - 2 AZR 255/91 -, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; vom 10.1.1994 - 2 AZR 489/93 -, AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; vom 21.1.1999 - 2 AZR 648/97 -, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; vom 26.9.2002 - 2 AZR 636/01 -, AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vom 18.9.2003 - 2 AZR 79/02 -, AP Nr. 14 zu § 17 KSchG 1969; vom 23.11.2004 - 2 AZR 24/04 -, AP Nr. 132 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 1354  BAG vom 14.10.1982 - 2 AZR 568/80 -, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; a. A. Martens, in: FS 25 Jahre BAG, S. 367, 376 ff.; Konzen, ZfA 1982, 259, 305 ff.; ders., RdA 1984, 64, 85 f. 1355  BAG vom 27.11.1991 - 2 AZR 255/91 -, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; Rid, NZA 2011, 1121, 1123; Meyer, NZA 2013, 1326, 1327 f.; Wisskirchen/Bissels, DB 2007, 340, 343.

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

rechtliche Selbstständigkeit des verbundenen Unternehmens aber auch als treuwidrig. Dies soll etwa dann der Fall sein, wenn infolge von einer Tätigkeitsverlagerung oder Unternehmensaufspaltung weitere selbstständige Unternehmen hervorgehen und damit Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten wegfallen. Hat der kündigende Arbeitgeber einen herrschenden Einfluss, wird daher bisherigen Arbeitnehmern eine Einbeziehung der ursprünglich zusammengehörigen Betriebsteile zugestanden.1356 3. Netzwerkbezug Neben den oben dargestellten Personenmehrheiten auf Arbeitgeberseite zeigen die Arbeitsverhältnisse bei Konzernunternehmen und Leiharbeitgebern weitere ähnliche netzwerkorientierte Beziehungen mit mehreren Beteiligten. Auch diese Konstruktionen werden gewählt um Wettbewerbsvorteile zu erzielen und eine höhere Anpassung an die Bedürfnisse des Marktes zu erreichen. Im Vergleich zu einer Arbeitgebergruppe kommt es jedoch vom Grundmodell her zu einer weniger intensiven Beziehung zwischen den Personen auf Arbeitgeberseite, sodass diese regelmäßig gegenüber dem Arbeitnehmer nicht als eine Art Einheit auftreten. Hier ist besonders an das Erklärungserfordernis bei Kündigungen von bzw. gegenüber allen Beteiligten auf der Arbeitgeberseite zu erinnern (vgl. § 23 II 2 a.). Eine derart starke Innenverbindung existiert prinzipiell weder zwischen Verleiher und Entleiher noch zwischen Unternehmen eines Konzerns. Vielmehr haben die Personen auf Arbeitgeberseite gegenüber dem jeweiligen Arbeitnehmer keine gleichwertige gemeinsame Bindung. Beim Konzern wird beispielsweise eine gesamtschuldnerische Haftung für vermögensrechtliche Ansprüche des Arbeitnehmers grundsätzlich selbst dann abgelehnt, wenn der Arbeitgeber zu den von der Konzernspitze beherrschten Unternehmen zählt. Stattdessen kommt es zu einer erweiterten Haftung nur ausnahmsweise. Zentral sind dabei Abhängigkeitsverhältnisse. Selbst die Befugnis zur Kündigung hat ausschließlich die andere Arbeitsvertragspartei und kein verbundener Dritter. Das gilt sogar, wenn die Konzernspitze einem Arbeitnehmer einer Konzerntochter kündigen will. In einem solchen Fall muss sie grundsätzlich das verbundene Unternehmen zum Handeln veranlassen. Ebenso besteht zwischen Verleiher und Entleiher eine vertragliche Bindung, die sich im Wesentlichen auf die Überlassung der Arbeitskraft des Leiharbeitnehmers beschränkt. Im Übrigen bleiben die bipolaren Vertragspflichten erhalten. Aus dem Grund berechtigt dies unter anderem ausschließlich den Verleiher und nicht den Entleiher zur Kündigung des Leiharbeitnehmers, soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde.

1356 Vgl. BAG vom 23.3.2006 - 2 AZR 162/05 -, AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; Küttner/Röller, Konzernarbeitsverhältnis, Rn. 9; MünchHbArbR/Richardi, § 23, Rn. 32 f. m. w. N.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 26, Rn. 50 m. w. N.

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IV.  Arbeitsverhältnisse unter dem Einfluss externer Dritter Neben unmittelbaren und mittelbaren Verflechtungen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite können ferner Ansprüche externer Personen einen Drittbezug haben und zu Verpflichtungen innerhalb der arbeitsvertraglichen Beziehung führen. Eine solche Konstellation herrscht beispielsweise im Rahmen der Haftung. 1. Haftung Vom Ausgangspunkt gelten auch für arbeitsvertraglich gebundene Personen die allgemeinen Haftungsregeln.1357 Während die Ersatzpflicht eines Arbeitgebers und eines Arbeitnehmers gegenüber außenstehenden Dritten keinen Sonderregeln folgt, unterliegen jedoch derartige Ansprüche zwischen den Arbeitsvertragsparteien gewissen Modifikationen. Ein Beispiel für die Abweichung ist etwa die Beweislastregelung in § 619a BGB für Forderungen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer wegen Pflichtverletzungen. Weiterhin bestehen sogar in den §§ 105 f. SGB VII Haftungsausschlüsse für bestimmte Ansprüche zwischen Arbeitnehmern sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen.1358 Besonderheiten können sich beim Zusammentreffen von Außen- und Innenhaftung ergeben. Ein solcher Sachverhalt liegt etwa vor, wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber zum Transport einer Maschine eingesetzt wird und dabei eine fremde Person wegen mangelnder Befestigung Verletzungen erleidet. Neben anderen Beteiligten ist vor allem der Arbeitnehmer Ansprüchen des verletzten Dritten ausgesetzt. Mangels besonderer Schutz- und Rücksichtnahmepflichten werden diese in erster Linie deliktsrechtlicher Natur sein, vgl. §§ 823 ff. BGB. Es kommen die allgemeinen Regeln ohne spezielle Haftungserleichterungen zur Anwendung. Eine Ausnahme gilt allerdings nach überwiegender Auffassung beispielsweise für Haftungsbeschränkungen, die aus einem Vertragsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und Dritten auch gegenüber dem Arbeitnehmer Anwendung finden (vgl. § 10 V.).1359

1357 Kittner/Lakies,

§ 62, Rn. 1. existiert ferner ein Drittbezug im Zusammenhang mit dem Haftungsausschluss gegenüber dem Arbeitgeber in § 104 SGB VII. Ohne die Regelung in den §§ 105 f. SGB VII würde der deliktische Arbeitnehmer nach allgemeinen Regeln haften und den Betrag mit Hilfe des innerbetrieblichen Schadensausgleichs vom Arbeitgeber ersetzt verlangen können. Im Ergebnis müsste der Arbeitgeber entgegen der Wertung in § 104 SGB II für den Schaden des Arbeitnehmers aufkommen. Um diesen Wertungswiderspruch zu beseitigen, hat der Gesetzgeber die §§ 105 f. SGB VII eingeführt, Dütz/Thüsing, Rn. 261. In dem Zusammenhang behaupten einige Stimmen in der Literatur sogar ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern, vgl. Riesenhuber, S. 120 ff. 1359  BGH vom 21.12.1993 - VI ZR 103/93 -, NJW 1994, 852 m. w. N.; Zöllner/Loritz/ Hergenröder, § 22, Rn. 22 m. w. N. 1358 Insoweit

328

2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Aus Fürsorgegesichtspunkten hat der Arbeitnehmer jedoch in einem solchen Fall grundsätzlich einen Anspruch gegen den Arbeitgeber. Dahinter steht der Gedanke, dass der Arbeitgeber aufgrund der betrieblichen Arbeitsteilung nicht die Möglichkeit haben soll, allein tätigkeitsbedingte Risiken auf den Arbeitnehmer zu verlagern. Schließlich erlangt er Gewinnchancen und müsste auch bei Eigenvornahme die Gefahren selbst tragen sowie für hieraus erwachsende Schäden aufkommen. Berücksichtigung verdient außerdem, dass schon ein geringer Sorgfaltspflichtverstoß schnell zu einem für den Arbeitnehmer existenzbedrohenden Schaden führen kann. Im Übrigen sind Schäden und vor allem deren Höhe erheblich von der betrieblichen Organisation des Arbeitgebers abhängig. Zusätzlich zu spezifischen Versicherungen hat der Arbeitgeber im Gegensatz zum Arbeitnehmer indes regelmäßig die Möglichkeit, durch finanzielle Rücklagen die Schäden auszugleichen.1360 Demzufolge wird dem Arbeitnehmer ein Anspruch gegen den Arbeitgeber zugestanden. Über die rechtliche Grundlage herrscht allerdings keine Einigkeit. Die überwiegende Position stützt die Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsvertrag aber auf den Rechtsgedanken der §§ 670, 257, 254 BGB. Inhaltlich entspricht der Anspruch dem Haftungsrecht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Der Arbeitnehmer darf danach den Betrag geltend machen, den er selbst nicht tragen müsste, falls er den Schaden beim Arbeitgeber verursacht hätte. Neben der vorausgesetzten betrieblichen Veranlassung folgt hieraus vor allem eine abgestufte Haftung.1361 Der Arbeitnehmer hat also einen Rückgriffsanspruch, der einzelfallabhängig ist und sich insbesondere daran orientiert, ob ihm Vorsatz, grobe, mittlere oder leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, berechtigt dies den Arbeitnehmer, vom Arbeitgeber rechtzeitige Freistellung durch eigene Leistung zu verlangen. Hat der Arbeitnehmer dagegen den Dritten schon selbst befriedigt, besteht statt der Freistellung ein entsprechender Ersatzanspruch.1362 2. Netzwerkbezug Die dargestellte Haftung der Arbeitsvertragsparteien für Ansprüche externer Dritter ist ein weiteres Beispiel für die rechtliche Beurteilung von netzwerkorientierten Organisationsformen. Hierbei muss besonders die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ausgangslage bei der Anspruchsbegründung zwischen den Arbeitsvertragsparteien beachtet werden. Aufgrund der speziellen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll im Ergebnis keine einseitige Risikoverlagerung auf Kosten des typisch Schwächeren erfolgen. Damit haftet ein Arbeitnehmer wegen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gegenüber dem 1360  Junker, Rn. 295 ff.; Brox/Rüthers/Henssler, Rn. 243 ff.; Dütz/Thüsing, Rn. 201; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 22, Rn. 21 f. 1361  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 22, Rn. 9 ff. 1362  Junker, Rn. 310 ff.; Brox/Rüthers/Henssler, Rn. 259 ff.; Dütz/Thüsing, Rn. 204; Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 22, Rn. 20.

§ 24  Kollektivarbeitsrecht

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Arbeitgeber nur beschränkt. Im Vergleich zu anderen rechtlichen Beziehungen im Wirtschaftsleben bildet diese Wertung eine Ausnahme. Schließlich erhält der Arbeitnehmer ebenso wie beispielsweise der Dienstleister und der Werkunternehmer eine Gegenleistung für die ordnungsgemäße Ausführung seiner eigenen Verpflichtung. Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Beziehung können demzufolge die mit der allgemeinen rechtlichen Selbstständigkeit von natürlichen Personen verbundenen Vorteile also nur bedingt genutzt werden. Dagegen bleibt es im Außenverhältnis trotz rechtlicher Verknüpfung mit dem Arbeitgeber grundsätzlich bei der Anwendung der allgemeinen Haftungsregeln. Unter Umständen profitiert der außenstehende Dritte sogar von der arbeitsteiligen Handlung der anderen. Insbesondere wurde eine Zusammenfassung der Arbeitsvertragsparteien trotz ihrer Nähebeziehung und der Arbeitsteilung als wirtschaftliche Einheit gegenüber dem Dritten vom BGH abgelehnt.1363 Durch die tatsächliche Verbindung zum Arbeitnehmer und die rechtliche Beziehung mit dem Unternehmer (Arbeitgeber) hat der Dritte zwei potenzielle Schuldner. Hierdurch verringert sich für den Dritten vor allem das Insolvenzrisiko. Im Ergebnis werden jedoch auch bei diesem Beispiel die bipolaren Bindungen mit ihren selbstständigen Beteiligten ausreichend berücksichtigt. Hieran ändert sogar eine arbeitgeberseitige Freistellung des Arbeitnehmers gegenüber Ansprüchen eines Dritten nichts. Schließlich kommt es nicht zu einer direkten Durchgriffshaftung, sondern nur zu einer Anspruchsverkettung.

§ 24  Kollektivarbeitsrecht I. Grundlagen Unter das kollektive Arbeitsrecht fassen die Juristen die gesetzlichen Regelungen für die arbeitsrechtlichen Kollektive selbst sowie die Beziehungen zu ihren Gegenspielern. Klassische Teilgebiete sind das Tarifvertrags-, Arbeitskampf-, Schlichtungs- und Mitbestimmungsrecht.1364 Im Gegensatz zum Individualarbeitsrecht stehen die Interessen des Einzelnen weniger im Vordergrund. Infolge dieses Umstandes treten hierbei zudem die Arbeitnehmer vielfach nicht gesondert in Erscheinung. Stattdessen werden sie als Gruppe durch ihre jeweilige Interessenvertretung, wie etwa den Betriebsrat oder die Gewerkschaft, repräsentiert. Dahinter verbirgt sich hauptsächlich die Einstellung, dass die Arbeitnehmerschaft nur als Einheit ihre Interessen angemessen wahrnehmen kann. Das kollektive Arbeitsrecht trägt somit auch der strukturellen Unterlegenheit der Arbeitnehmer entsprechend Rechnung.1365 BGH vom 21.12.1993 - VI ZR 103/93 -, NJW 1994, 852, 854. Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 7, Rn. 51. 1365  Preis, KollektivarbR, § 75, S. 1 f. 1363 

1364 

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Besonders deutlich zeigt sich der Hintergrund an der arbeitsrechtlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert. Infolge des starken Bevölkerungswachstums einerseits und der weitgehenden Vertragsfreiheit auf der anderen Seite war es den Arbeitgebern vielfach möglich, die einzelnen Arbeitnehmer gegeneinander auszuspielen und die Arbeitsbedingungen faktisch allein zu bestimmen. Um dieses Ungleichgewicht aufzuheben, haben sich die Arbeitnehmer zusammengeschlossen. Damit konnte eine angemessene Kompensation bei der Aushandlung der Arbeitsbedingungen mit dem Arbeitgeber erreicht werden.1366

II. Tarifvertragsrecht 1. Grundlagen Besonders sichtbar wird die kollektive Interessenwahrnehmung im Rahmen des Tarifrechts. Im Mittelpunkt dieses Rechtsgebiets steht der Tarifvertrag. Dem Vertrag schließen die Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeitnehmer auf der einen Seite mit den Arbeitgebern bzw. Arbeitgebervereinigungen auf der anderen Seite, § 2 TVG. Er soll im Wesentlichen die Rechts- und Planungssicherheit der Beteiligten wahren und die allgemeinen Arbeitsbedingungen gestalten.1367 Demzufolge ist in Tarifverträgen gem. § 1 Abs. 1 TVG eine Aufnahme von Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln, erlaubt. Der Tarifvertrag beeinflusst also unter Umständen sogar die Individualvereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Für Regelungen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, geschieht dies nach § 4 Abs. 1 TVG überdies mit unmittelbarer und zwingender Wirkung, soweit beide Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden und vom Anwendungsbereich des Tarifvertrages erfasst sind (sogenannte normative Wirkung). Einer individualrechtlichen Anpassung bedarf es nicht. Damit steht die Regelungsmöglichkeit im Gegensatz zum liberalen Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuches, dass eine individuelle Aushandlung zwischen den konkreten Vertragspartnern voraussetzt. Im Ergebnis genügt bei einer beiderseitigen Tarifbindung die pauschale Vereinbarung eines weitgehend inhaltsleeren Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Einzelheiten bestimmt regelmäßig der Tarifvertrag. Zum Teil genügt abweichend von einer beiderseitigen Tarifbindung iSd. § 4 Abs. 1 TVG aufgrund gesetzlicher Anordnung eine weniger starke Bindung zwischen allen Beteiligten. Für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Regelungen in einem Tarifvertrag reicht es beispielsweise nach § 3 Abs. 2 TVG schon, wenn allein der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Im Bereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages werden sogar nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfasst, § 5 Abs. 4 TVG. Allerdings sind in Tarifverträgen nur Mindestarbeitsbe1366  1367 

Preis, KollektivarbR, § 75, S. 2 f. Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 36, Rn. 14.

§ 24  Kollektivarbeitsrecht

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dingungen festgelegt. Hat etwa der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber eine für ihn günstigere Regelung getroffen, bleibt diese gem. § 4 Abs. 3 TVG vorrangig anwendbar. Neben dem normativen Abschnitt hat ein Tarifvertrag einen schuldrechtlichen Teil, vgl. § 1 Abs. 1 1. HS TVG. In diesem Bereich regeln die Tarifvertragsparteien grundsätzlich ihr Verhältnis untereinander. Dies geschieht gelegentlich auch stillschweigend. Zum schuldrechtlichen Teil zählen insbesondere die Friedens- und Durchführungspflicht. Aus dem Grund sind die Parteien verpflichtet Arbeitskampfmaßnahmen gegen einen wirksam bestehenden Tarifvertrag zu unterlassen. Zusätzlich zu einer jedem Tarifvertrag immanenten relativen Friedenspflicht kann eine absolute vereinbart werden, sodass keine Beschränkung auf den tarifvertraglichen Regelungsgegenstand existiert. Dagegen schreibt die Durchführungspflicht den Parteien die Erfüllung des Tarifvertrages vor. Dies beinhaltet alle Schwierigkeiten für die Abwicklung zu verhindern und gegebenenfalls die Unterrichtung der Mitglieder vom Vertragsinhalt. Schließlich obliegt den Tarifvertragsparteien die Einhaltung der verschiedenen Verpflichtungen durch ihre Mitglieder. Auf Arbeitgeberseite wird dies allerdings erst bei einem Verbandstarifvertrag relevant. Notfalls sind die Kollektivparteien in dem Zusammenhang verpflichtet, mit (vereins-) rechtlichen Mitteln auf die abweichenden Mitglieder einzuwirken, wie etwa mit Geldbußen oder dem Entzug von mitgliedschaftlichen Rechten. Die Einwirkungspflicht setzt jedoch eine erkennbare und unzweifelhafte Verletzung des Tarifvertrages voraus.1368, 1369 2. Netzwerkbezug Durch das Zusammenwirken der verschiedenen Beteiligten offenbart sich der Netzwerkbezug auch im Bereich des Tarifvertragsrechts.1370 Während nach der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuches die Bestimmung der Vertragsbedingungen grundsätzlich allein den Vertragspartnern überlassen ist, erfolgt bei tarifvertraglicher Anwendbarkeit eine zusätzliche Beteiligung von Dritten. Hiermit unterliegt das bipolare Arbeitsverhältnis einem multidimensionalen Einfluss. Unter Umständen können die Tarifvertragsparteien über den zwingenden Teil des Tarifvertrages nahezu den gesamten Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen. Durch den zulässigen Tarifvertragsinhalt, der unter anderem den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses definiert, hat der Gesetzgeber das Recht zur Festlegung des Vertragsinhalts Personen zugestanden, die nicht Teil des Arbeitsverhältnisses sind. Das Gestaltungsrecht der Tarifvertragsparteien gilt aber nicht grenzenlos. Vielmehr muss grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 S. 1 TVG eine beiderseitige Tarifbindung gegeben sein. Auf Seiten BAG vom 29.4.1992 - 4 AZR 432/91 -, NZA 1992, 846. Junker, Rn. 585 ff.; Schaub/Treber, § 200, Rn. 1 ff. 1370  Hergenröder, in: Gläubiger, Schuldner, Arme, S. 141, 150 f. für eine netzwerkartige Kooperation im gesamten Arbeitsrecht. 1368  1369 

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der Arbeitnehmer geschieht dies auf der Grundlage einer Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft, § 3 Abs. 1 TVG.1371 Auf Arbeitgeberseite genügt dafür die Verbandsmitgliedschaft aber auch der Abschluss des Tarifvertrages durch den einzelnen Arbeitgeber als Tarifvertragspartei, §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG. Im Ergebnis führt die Verbandsmitgliedschaft zu einer freiwilligen Kompetenzübertragung für die Aushandlung und Bestimmung der Mindestarbeitsbedingungen. Nicht zuletzt sollen auf diese Weise Vorteile erzielt werden. Schon in persönlicher Hinsicht besteht regelmäßig eine besondere Sachkunde auf Seiten der Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen. Wegen der Erfahrung und des umfangreichen Wissens ist etwa die Gewerkschaft gegenüber einem gewöhnlichen Arbeitnehmer spezialisierter und damit besser für die Aushandlung und Bestimmung der Mindestarbeitsbedingungen geeignet. Zudem schafft die Interessenvertretung auf Arbeitnehmerseite ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Tarifvertragsparteien, das wiederum den Grund für eine materielle Richtigkeitsvermutung des Regelwerks bildet. Im Gegensatz zu vorformulierten arbeitsvertraglichen Klauseln sind Tarifverträge deswegen nicht der Billigkeitskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterworfen, vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB.1372 Zudem vermeidet letztlich die Einschaltung der gemeinschaftlichen Interessenvertretung auch eine persönliche Konfrontation. Jeder gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer kann sich auf die Entscheidung der organisierten Arbeitnehmermehrheit berufen und muss so weniger eigene Nachteile fürchten. Andererseits partizipieren selbst zurückhaltende Arbeitnehmer im vollen Umfang von dem Verhandlungsergebnis. Weiterhin bringt ein Tarifvertrag vor allem verwaltungstechnische Vorteile. Während nach den privatautonomen Regeln des BGB jede rechtsverbindliche Anpassung des Arbeitsvertrages prinzipiell den Abschluss eines Änderungsvertrages erfordert, entfällt diese Notwendigkeit schon aufgrund der zwingenden Wirkung des Tarifvertrages.1373 Neben den Rechtsfolgen des normativen Teils zeigt sich der Drittbezug ferner im schuldrechtlichen Bereich. Gerade die Einwirkungspflicht der Tarifvertragsparteien gegenüber ihren Mitgliedern weist auf die Verantwortlichkeit für die mitgliedschaftlich verbundenen Personen hin. Demzufolge gewährleistet das Tarifvertragsrecht netzwerkorientiertes Verhalten und berücksichtigt den Einfluss der verschiedenen Beteiligten untereinander.

Dütz/Thüsing, Rn. 584. BAG vom 4.9.1985 - 5 AZR 655/84 -, NZA 1986, 225, 226. 1373  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 36, Rn. 16.

1371 

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III. Arbeitskampfrecht1374 1. Grundlagen In Art. 9 Abs. 3 GG wird für jedermann die Bildung einer Vereinigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gewährleistet. Aus diesem Grundrecht folgt neben der Freiheit zur Gründung von Koalitionen auch das Recht zur Koalitionsbetätigung. Als wesentlicher Teil der Betätigung gilt wiederum der Abschluss von Tarifverträgen. In der Regel geschieht die Begründung solcher Verträge auf dem Verhandlungsweg. Mitunter lassen sich die gewünschten Tarifvertragspartner jedoch nicht mit Argumenten zur Annahme des Tarifvertragsangebotes überzeugen. In einer solchen Situation bedarf es einer effektiven Beeinflussung der Gegenseite. Herkömmlich geschieht dies durch den Arbeitskampf.1375 Einen solchen dürfen jedoch nicht alle Koalitionen führen. Erforderlich ist unter anderem die soziale Mächtigkeit der Arbeitnehmervereinigung, die regelmäßig durch die Verbindung zu vielen Mitgliedern oder zumindest relativ vielen in Schlüsselstellungen entsteht. Nur durch gleich starke Parteien soll die Tarifautonomie gewährleistet sein.1376 Eine ähnliche Vorgehensweise lässt sich im Übrigen in sozialwissenschaftlichen Betrachtungen finden. Auch bei der soziologischen Statusfeststellung von Akteuren innerhalb von allgemeinen Netzwerken werden die Verbindungen zu anderen Beteiligten benutzt, um die Mächtigkeit und Zentralität eines Akteurs zu bestimmen. Die überwiegende Auffassung versteht unter einem Arbeitskampf die Störung der Arbeitsbeziehungen durch die Kampfparteien mit kollektiven Maßnahmen zur Erreichung eines bestimmten Ziels.1377 Die Beteiligten von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite können dabei ihre Ziele sowohl in Angriffs- und Abwehrkämpfen als auch in Haupt- und Nebenarbeitskämpfen verfolgen.1378 Ebenso sind etwa Arbeitskämpfe um Firmentarif- und Verbandstarifverträge möglich. Die Arbeitskampfmaßnahmen gehen dabei regelmäßig von Seiten der Arbeitnehmer aus, weil sie mit der gegenwärtigen Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen unzufrieden sind. Wichtigstes Kampfmittel ist insoweit der Streik. Hierzu legen die Arbeitnehmer planmäßig und ohne Einverständnis des Arbeitgebers die Arbeit nieder, um ihrer Forderung nach Abschluss eines (neuen) Tarifvertrages ausreichend Bedeutung zu verleihen. Mit einem solchen Vorgehen soll über die Erzeugung von Nachteilen kollektiver Druck auf die Arbeitgeberseite ausgeübt werden.1379 Als Arbeitskampfmaßnahmen zählen zudem etwa die gezielte VerrinWeber, in: Gesellschaftliche Teilhabe trotz Schulden?, S. 165, 187 ff. Junker, Rn. 590. 1376  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 37, Rn. 5. 1377 HWK/Hergenröder, Art. 9 GG, Rn. 146 m. w. N. 1378 HWK/Hergenröder, Art. 9 GG, Rn. 148. 1379  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 43, Rn. 3. 1374 Vgl. 1375 

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gerung der Arbeitsleistung, Sabotageaktionen, wie zum Beispiel der sogenannte Flash Mob, und auf Seiten der Arbeitgeber die Aussperrung.1380 2.  Folgen des Arbeitskampfes a) Grundlagen Die kampfbedingten Störungen der Arbeitsbeziehungen führen zu einer Reihe von Konsequenzen. Als wesentlichste Rechtsfolge eines rechtmäßigen Arbeitskampfes gilt die Suspendierung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten eines teilnehmenden Vertragspartners.1381 Unabhängig davon bleiben die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten grundsätzlich unberührt.1382 Demzufolge ist der rechtmäßig streikende Arbeitnehmer während eines Streikes nicht zur Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet. Von den Rechtsfolgen wird ebenfalls der Anspruch auf Arbeitsentgelt erfasst. Die Arbeitnehmer erhalten daher prinzipiell keinen Lohn, wenn sie ihre Arbeit streikbedingt niederlegen. Rechtlich folgt dies schon aus dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“, vgl. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer haben allerdings in solchen Konstellationen zum Teil Anspruch auf Streikgeld.1383 b)  Folgen eines Arbeitskampfes im Betrieb des Arbeitgebers Insbesondere bei einem Arbeitskampf um einen Firmentarifvertrag kommt es im Betrieb des Arbeitgebers zu Störungen. Während die Hauptleistungspflichten der unmittelbar am Arbeitskampf teilnehmenden Arbeitsvertragsparteien suspendiert sind, ist die Situation bei anderen arbeitskampfbetroffenen Arbeitnehmern fraglich. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein arbeitswilliger Beschäftigter nicht arbeiten kann, weil sein Kollege am Fertigungsband streikbedingt die Arbeit niedergelegt und erforderliche Vorarbeiten nicht erbracht hat. Nach den allgemeinen Vorschriften erlischt der Anspruch sowohl auf die Leistung (§ 275 BGB) als auch auf die Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 BGB), wenn die Erfüllung der Leistungsverpflichtung als unmöglich gilt. Allerdings wurde für den Dienstvertrag im Fall des Annahmeverzugs und des Betriebsrisikos in § 615 BGB eine Sonderregelung normiert. Danach darf eine dienstverpflichtete Person ihre Vergütung auch dann verlangen, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät oder der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Indes berücksichtigen diese Regelungen die Interessen beider Seiten im Fall eines Arbeitskampfes nicht ausreichend. Ein Arbeitgeber wäre demzufolge schon bei jedem Produktionsstopp wegen eines Streiks außerhalb des Betriebes zur Entgeltfortzahlung verJunker, Rn. 593. Brox/Rüthers/Henssler, Rn. 792; Dütz/Thüsing, Rn. 757. 1382  Dütz/Thüsing, Rn. 758. 1383  Brox/Rüthers/Henssler, Rn. 792. 1380  1381 

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pflichtet. Nach überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung entfallen vielmehr die Ansprüche und Rechte, wenn durch sie die Arbeitskampfparität beeinträchtigt würde, sogenannte Arbeitskampfrisikolehre. Demzufolge hat ein Arbeitgeber ein Lohnverweigerungsrecht1384, falls ihm unverschuldet die Beschäftigung der arbeitswilligen Arbeitnehmer unmöglich oder unzumutbar ist.1385 Anders war dagegen vor allem die vorherrschende Begründung in der Vergangenheit. Nach der auf das Reichsgericht zurückgehenden Sphärentheorie sind die Arbeitsvertragsparteien pauschal in ihre zwei sozialen Lager – das Unternehmertum und die Arbeiterschaft – einzuteilen.1386 Alle Arbeitnehmer sollen mit dem Abschluss ihres Arbeitsvertrages in eine „Arbeits- und Betriebsgemeinschaft“ eintreten und damit einer Art Gesamtorganisation des Betriebes angehören. Nach dieser Auffassung hängt das Ergebnis nicht allein vom Unternehmer mit seinem Kapital und von sonstigen Arbeitsmitteln ab. Ebenso sei der einzelne Arbeitnehmer nicht nur ein Werkzeug des Unternehmers. Vielmehr entstehe es aus dem gemeinschaftlichen Zusammenwirken von Unternehmer und Arbeiterschaft. Versage jedoch die Arbeitsgemeinschaft aus Gründen, die nicht allein von der Unternehmerschaft zu vertreten seien, werde der Kooperation die Grundlage entzogen und beide müssten die jeweiligen Folgen tragen. Einen solchen Fall regele das BGB nicht ausdrücklich. Insbesondere sei er nicht von § 615 BGB erfasst. Vielmehr liege eine rechtliche Lücke vor. Nach allgemeinen Rechtsprinzipien des BGB müssten daher die Folgen einer Betriebsstörung von den Personen getragen werden, der sie zuzurechnen sei. Demzufolge entfalle der Anspruch auf Arbeitsentgelt, wenn die Unmöglichkeit der Beschäftigung in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem Verhalten der Arbeitnehmer stehe. Neben den unmittelbar am Arbeitskampf teilnehmenden Arbeitnehmern sollte dies auch für die anderen gelten. Aufgrund einer Solidarität zwischen den gesamten Arbeitnehmern bestehe zudem eine Verpflichtung, die streikbedingten Handlungen allen zuzurechnen, sodass Ansprüche aller Arbeitnehmer entfallen würden. Im Ergebnis hatte daher das Reichsgericht auf der Grundlage der Sphärentheorie Arbeitnehmern einer elektrischen Straßenbahn ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt verneint, weil ein Kraftwerk aufgrund eines arbeitskampfbedingten Streiks seiner Arbeitnehmer nicht den benötigten elektrischen Strom lieferte. Die überwiegende Auffassung lehnt heute jedoch die Sphärentheorie ab.1387 Nach Ansicht des BAG ist sie ungeeignet, das Arbeitskampfrisiko nachvollziehbar zu begründen. Schon die Annahme, alle Arbeitnehmer seien ohne Rücksicht auf die Gruppenzugehörigkeit und Interessenverschiedenheit solidarisch, laufe auf eine 1384  So HWK/Hergenröder, Art. 9 GG, Rn. 215; a. A. Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 21, Rn. 78. 1385  Zöllner/Loritz/Hergenröder, § 21, Rn. 67 ff. 1386 MünchKomm/Henssler, § 615 BGB, Rn. 94 f.; RAG 3, 116; RGZ 106, 272, 274 ff. 1387  BAG vom 22.12.1980 - 1 ABR 2/79 -, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; vom 22.12.1980 - 1 ABR 76/79 -, AP Nr. 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; HWK/Hergenröder, Art. 9 GG, Rn. 215.

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reine Fiktion hinaus. Im Übrigen sei der Sphärengedanke ungenau. Bei konsequenter Anwendung könnten alle durch Arbeitnehmer verursachten Betriebsstörungen darunter gefasst werden, sodass die Arbeitnehmer ein erhebliches Risiko tragen müssten. Die Arbeitskampfrisikolehre fuße stattdessen auf der Tarifautonomie.1388 Als notwendige Voraussetzung für diese Autonomie gilt zudem die Gewährleistung eines effektiven Arbeitskampfes. Für die Sicherung ist es jedoch erforderlich, keinem Tarifpartner von einer staatlichen Stelle ein derart starkes Kampfmittel zur Verfügung zu stellen, dass der Gegenseite keine Verhandlungschance bleibt.1389 Hieran sind auch die (Arbeits-)Gerichte gebunden. Gerade bei Teil- und Schwerpunktstreiks von Schlüsselkräften würde ansonsten der Arbeitgeber einerseits keine Betriebserlöse erwirtschaften und auf der anderen Seite unter Umständen nicht unerhebliche Kosten durch die Entgeltverpflichtung gegenüber arbeitswilligen Beschäftigten haben, die er nicht oder nicht sinnvoll einsetzen könnte. Eine solche Sachlage erzeuge allerdings einen unzumutbaren Druck, sodass das Kräftegleichgewicht zwischen den Tarifvertragsparteien und damit die Arbeitskampfparität (zumindest potenziell) beeinträchtigt wären.1390 Demzufolge muss in einem mittelbar und unmittelbar arbeitskampfbetroffenen Betrieb die Entgeltverpflichtung des Arbeitgebers entfallen, wenn ihm unverschuldet die Beschäftigung der arbeitswilligen Arbeitnehmer unmöglich oder unzumutbar ist.1391 c)  Netzwerkspezifische Betrachtung von Arbeitskämpfen im Betrieb des Arbeitgebers Neben den verfassungsrechtlichen Erwägungen ist die Arbeitskampfrisikolehre auch verbindungstechnisch bemerkenswert. Sie führt zu einer drittbezogenen Einwendung gegenüber arbeitswilligen Arbeitnehmern, wenn andere betriebsangehörige Arbeitnehmer arbeitskampfbedingt ihre Leistungsverpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber nicht erfüllen und ihm die Beschäftigung der willigen Arbeitnehmer unmöglich oder unzumutbar wird. Dies ist eine Ausnahme vom Grundsatz, nach dem geschlossene Verträge zu erfüllen sind und jeder Arbeitgeber Risiken aus seinem Bereich selbst zu tragen hat, vgl. § 615 BGB. Während die Sphärentheorie über eine Pauschalierung zu dem Ergebnis kommt, erfolgt nach neuerer Auffassung eine stärkere Berücksichtigung der verbundorientierten arbeitskampfbedingten Beeinträchtigung des Arbeitgebers. Eine rechtsgeschäftliche Verbindung zwischen den streikenden und den arbeitswilligen, aber beschäftigungslosen Arbeitnehmern ist jedoch nach beiden Positionen nicht erforderlich. Ebenso bedarf es keiner gemeinsamen Verbindung zu einer Gewerkschaft. Nach dem Urteil des Reichsgerichts im Kieler Straßenbahnfall wurden die Arbeitnehmer zu einer eige1388  Für weitere Begründungen vgl. BAG vom 22.12.1980 - 1 ABR 2/79 -, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 1389  BAG vom 22.12.1980 - 1 ABR 2/79 -, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 1390  Vgl. MünchKomm/Henssler, § 615 BGB, Rn. 97 f. 1391 HWK/Hergenröder, Art. 9 GG, Rn. 215.

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nen Gemeinschaft zusammengefasst. Es reichte schon eine allgemeine Gruppenzugehörigkeit mit einer vermuteten Solidarität zwischen allen Arbeitnehmern aus, um den Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber abzulehnen. Die Arbeitnehmerschaft erbringe danach eine Art Gesamtleistung, die schon bei teilweiser streikbedingter Nichtleistung vollständig abgelehnt werden könne. Inwieweit die streikenden Arbeitnehmer mit den arbeitswilligen Arbeitnehmern konkret in Verbindung stehen, beachtet die Position allerdings nicht. Anders urteilt die neuere Auffassung. Hier wird neben dem Streik vor allem die tatsächliche Situation des Vertragspartners gegenüber dem arbeitswilligen Arbeitnehmer einbezogen. Daher muss der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt leisten, wenn ihm unverschuldet die Beschäftigung der arbeitswilligen Arbeitnehmer unmöglich oder unzumutbar ist. Im Ergebnis kann die Verbindung eines arbeitswilligen Arbeitnehmers mit seinem Arbeitgeber rechtlich erheblich beeinflusst werden, wenn andere ebenfalls mit dem Arbeitgeber verbundene Arbeitnehmer streiken. Das Arbeitskampfrecht iSd. Art. 9 Abs. 3 GG berücksichtigt also mit der Arbeitskampfrisikolehre Störungen im Rahmen der netzwerkorientierten Organisation mit einem Einwendungsdurchgriff. Neben der grundrechtlichen, netzwerkorientierten Wertung besteht eine Rechtfertigung des Entgeltverlustes bei den arbeitswilligen Arbeitnehmern überdies aus weiteren Gründen. Auch hierbei sind verbindungstechnische Gesichtspunkte anzuführen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft, profitiert er wegen der automatischen Anpassung ebenso von dem erkämpften Tarifvertrag. Im Übrigen kann der Arbeitnehmer sogar ohne Mitwirkung des Arbeitgebers und nach dem Arbeitskampf durch Beitritt in die tarifvertragschließende Gewerkschaft am Tarifvertrag partizipieren. Folglich unterliegt die bipolare arbeitsvertragliche Beziehung zudem wegen der tatsächlichen bzw. potentiellen Verbindung zur tarifvertragschließenden Gewerkschaft drittbezogener Einflüsse. d)  Folgen eines Arbeitskampfes um einen Verbandstarifvertrag Verbindungstechnische Besonderheiten treten ebenso bei einem Arbeitskampf für einen Verbands- bzw. Flächentarifvertrag auf. Während ein Firmentarifvertrag ausschließlich zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber geschlossen wird, sind beim Verbandstarifvertrag die Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband die Tarifvertragsparteien. Dementsprechend findet der Arbeitskampf um einen solchen Tarifvertrag auf Arbeitnehmerseite mit der Gewerkschaft und den Arbeitnehmern sowie auf Arbeitgeberseite mit dem Arbeitgeberverband und den einzelnen mitgliedschaftlichen Arbeitgebern statt. Ein derartiger Konflikt führt beispielsweise sogar dazu, dass ein Arbeitskampf bei Zulieferfirmen die Automobilproduktion bei einem Hersteller im selben Tarifgebiet stillstehen lässt, weil der Eingang von Vorprodukten unterbleibt. Von Arbeitnehmerseite werden bei derartigen Konflikten vor allem einzelne Arbeitsplätze in Schlüsselpositionen bestreikt. Dies entspricht der Wirkung einer

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flächendeckenden Arbeitsniederlegung. Im Vergleich zu einem Flächenstreik ist die Zahl der ausgleichsberechtigten Gewerkschaftsmitglieder jedoch in der Regel wesentlich geringer, sodass die arbeitskampfführende Gewerkschaft für das gleiche Ergebnis weniger Streikgeld zahlen muss. Damit wird die Mächtigkeit der Gewerkschaft erhöht. Aufgrund der multiplen Wirkung von derartigen Streikformen kann eine Arbeitsniederlegung in nicht schnell ersetzbaren Zulieferbetrieben ganze Fertigungsbranchen stilllegen und sie bleibt nicht auf den bestreikten Arbeitgeber beschränkt.1392 Auch in der Konstellation gelten die oben dargestellten Grundsätze. In jedem Fall haben streikende Arbeitnehmer aufgrund der suspendierten Hauptleistungspflichten keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Weiterhin entfallen nach der aktuellen Begründung der Arbeitskampfrisikolehre sonstige Ansprüche und Rechte, wenn eine Beeinträchtigung der Arbeitskampfparität erfolgt. Während die Kampfparität in unmittelbar betroffenen Unternehmen als grundsätzlich verletzt gilt, falls die Beschäftigung der Arbeitnehmer unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist, muss dies jedoch bei mittelbarer Betroffenheit des jeweiligen Arbeitgebers gesondert festgestellt werden.1393 Zu einer solchen Beeinträchtigung kommt es etwa, wenn das mittelbar betroffene Unternehmen dem unmittelbar kampfführenden Verband angehört oder eine enge organisatorische Verbindung vorliegt. Dieses Ergebnis beruht auf der Annahme, dass in solchen Situationen auf Arbeitgeberseite ein Binnendruck entsteht, der gegebenenfalls eine ungerechtfertigte Einflussnahme auf die innerverbandliche Willensbildung auslöst.1394 Demzufolge führen bestimmte Verbindungen des mittelbar betroffenen Arbeitgebers zu dem arbeitskampfführenden Arbeitgeberverband oder zu einem Arbeitgeberverband, der seinerseits mit dem arbeitskampfführenden Arbeitgeberverband eine Beziehung unterhält, zu einer Verletzung der Arbeitskampfparität. Grundsätzlich stellen die Rechtsprechung und die Literatur an die Verbindung keine übersteigerten Anforderungen. Bei einem Arbeitskampf im selben Tarifgebiet reicht etwa schon eine gewöhnliche Mitgliedschaft des Arbeitgebers im involvierten Arbeitgeberverband aus.1395 Weitergehende Verbindungen sind bei Auswirkungen von einem Arbeitskampf aus einem anderen Tarifgebiet erforderlich. Hier genügt allein die Mitgliedschaft im für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband nicht. Vielmehr muss zusätzlich eine Beziehung zwischen den Verbänden vorliegen. In der Regel geschieht dies durch eine Mitgliedschaft in einer Spitzenorganisation. Damit ist der betroffene Arbeitgeber über den Arbeitgeberverband Gamillscheg, § 27, S. 1244. Junker, Rn. 293. 1394  BAG vom 22.12.1980 - 1 ABR 2/79 -, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Junker, Rn. 633. 1395  Von einer gewöhnlichen Mitgliedschaft sind Mitgliedschaften ohne Tarifbindung zu unterscheiden. Wirksamkeitsvoraussetzung für eine sogenannte OT-Mitgliedschaft ist insbesondere, dass diese Mitglieder nach der Satzung des Verbandes keinen unmittelbaren Einfluss auf die tarifpolitischen Entscheidungen haben, vgl. BAG vom 22.4.2009 - 4 AZR 111/08 -, NZA 2010, 105; BVerfG vom 1.12.2010 - 1 BvR 2593/09 -, NZA 2011, 60. 1392  1393 

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aus dem unumkämpften Tarifgebiet und die Spitzenorganisation mit dem am Arbeitskampf beteiligten Arbeitgeberverband verknüpft. Auch hier soll die Gefahr eines unzumutbaren Binnendrucks bestehen. Nach dieser Auffassung werde die Einflussnahme auf die interne Willensbildung über die jeweiligen Verbindungen bis zu dem kämpfenden Arbeitgeberverband durchgereicht. Es herrscht letztlich die Befürchtung, dass er zur Vermeidung von Nachteilen für die unbeteiligten aber beeinträchtigten Arbeitgeber aufgrund des Binnendrucks zur Hinnahme der Arbeitskampfforderung gezwungen sei. Damit käme es jedoch zu einer Verletzung der Arbeitskampfparität. Neben den klassischen verbandsmäßigen Verbindungen sind auch weitere zulässig. Mitunter soll dies schon bei einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen unmittelbar bestreiktem und mittelbar betroffenem Arbeitgeber vorliegen. Ein solcher Fall ist etwa bei einer konzernrechtlichen Beziehung zwischen den Arbeitgebern gegeben.1396 Ebenso muss eine Beeinflussung der Arbeitskampfparität in Betracht gezogen werden, wenn der mittelbar betroffene Arbeitgeber in seinem Tarifvertrag auf den eines unmittelbar am Arbeitskampf beteiligten Arbeitgebers kraft Bezugnahme verweist. Nach der Rechtsprechung des BAG kann zumindest ein paralleler Streik bei einem solchen sogenannten Außenseiter-Arbeitgeber rechtmäßig sein. Hierbei wurde insbesondere die Einwirkungsmöglichkeit bejaht. Das Gericht betonte, dass Einfluss neben einer verbandsmäßigen Verknüpfung auch auf andere Art und Weise ausgeübt werden könne. Im Arbeits- und Wirtschaftsleben von Arbeitgebern derselben Branche und desselben Gebiets gebe es vielfältige Einfluss- und Reaktionsmöglichkeiten. Zusätzlich zu einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband beständen regelmäßig weitere Zusammenkünfte mit entsprechenden Verbindungschancen. Folgten daraus lediglich Beziehungen rein informeller Natur, seien sie jedoch nicht weniger wirksam.1397 e)  Netzwerkspezifische Betrachtung eines Arbeitskampfes um einen Verbandstarifvertrag Nachdem die Bedeutung von Verbindungen bei einem Arbeitskampf im Betrieb des Arbeitgebers sichtbar wurde, tritt nunmehr deren Einfluss beim Streit um einen Verbandstarifvertrag hervor. Auf der Grundlage der Arbeitskampfrisikolehre entfallen Ansprüche bei mittelbarer Betroffenheit unter anderem erst, wenn zwischen dem mittelbar betroffenen Arbeitgeber und der im Arbeitskampf befindlichen Partei eine bestimmte Beziehung besteht. Während naturgemäß bei einem Arbeitskampf im Tarifgebiet des Arbeitgebers schon eine Mitgliedschaft im kämpfenden Arbeitgeberverband ausreicht, muss bei vergleichbaren Fernwirkungen aus einem anderen Tarifgebiet eine Beziehungskette bis zur Partei vorliegen, die dort am eskalierten Tarifkonflikt beteiligt ist. Neben mitgliedschaftlichen Verbin1396 MünchHbArbR/Ricken, § 206, Rn. 4; differenzierend und wohl eher verneinend Gamillscheg, § 27, S. 1253. 1397  BAG vom 18.2.2003 - 1 AZR 142/02 -, AP Nr. 163 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

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dungen genügen auch sonstige, soweit sie geeignet erscheinen, einen die Arbeitskampfparität verletzenden Binnendruck zu erzeugen. Hat der mittelbar betroffene Arbeitgeber allerdings keine derartigen Verbindungen zu der arbeitskampfführenden Partei, bleiben die Ansprüche unbeeinflusst. Kann also ein beziehungsloser Arbeitgeber etwa aufgrund arbeitskampfbedingter Lieferschwierigkeiten von Vorprodukten eines fremden Betriebes seine Arbeitnehmer nicht beschäftigen, haben diese dennoch auf der Grundlage des § 615 BGB einen Anspruch auf Vergütung. Zudem muss trotz der weitreichenden Folgen die zustimmungslose Begründung der Beziehung des Arbeitgebers zu Dritten hingenommen werden. Insbesondere hat der Arbeitnehmer prinzipiell kein Mitspracherecht darüber, ob der Arbeitgeber eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband oder sonstige Verbindungen zu weiteren relevanten Personen unterhält. Hierbei ist jedoch grundsätzlich zu berücksichtigen, dass zumindest die Arbeitnehmer vom Abschluss des Verbandstarifvertrages profitieren, die in seinem Anwendungsbereich liegen. Im Übrigen fehlen in der spiegelbildlichen Konstellation ebenso dem Arbeitgeber die rechtlichen Mittel, um den Beitritt des Arbeitnehmers in einen gewerkschaftlichen Tarifpartner sowie die daraus folgenden Konsequenzen zu verhindern. Die nicht erforderliche Zustimmung erscheint also gleichfalls faktisch gerechtfertigt. Folglich unterliegen auch in diesen Fällen die bipolaren Arbeitsvertragspflichten Einflüssen von verbundenen Dritten und das Recht berücksichtigt das netzwerkorientierte Verhalten der Beteiligten.

IV. Betriebsverfassungsrecht 1. Grundlagen Das kollektive Arbeitsrecht verfolgt verschiedene Ziele. Neben dem Schutz der Arbeitsvertragsparteien geht es dabei unter anderem auch um Teilhabe. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber insbesondere das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geschaffen. In dem Gesetz wird der Arbeitnehmerseite in verschiedenen betrieblichen Situationen ein Beteiligungsrecht eingeräumt. Hierzu zählen etwa bestimmte soziale (§§ 87 ff. BetrVG), personelle (§§ 92 ff. BetrVG) und wirtschaftliche Angelegenheiten (§§ 106 ff. BetrVG). Die Wahrung der Rechte ist dabei nicht allein dem einzelnen Arbeitnehmer überlassen. Vielmehr geschieht die kollektivrechtliche Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft nach dem Betriebsverfassungsgesetz hauptsächlich durch den Betriebsrat.1398 2. Betriebsrat Der Betriebsrat ist die Voraussetzung für die Entstehung der meisten Rechte nach dem BetrVG. Er wird laut § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG in Betrieben mit in der Regel mehr als fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei 1398 Vgl.

Junker, Rn. 23.

§ 24  Kollektivarbeitsrecht

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wählbar sind, gewählt. Bei der Bestimmung der Betriebsgröße zählt nach weitgehender Aufgabe der Zwei-Komponenten-Lehre vor allem die Eingliederung des Arbeitnehmers im Betrieb.1399 Aus dem Grund sind nunmehr sogar die regelmäßig beschäftigten Leiharbeitnehmer mitzuzählen.1400 Im Übrigen kann aber der Arbeitnehmer trotz drittbezogenen Personaleinsatzes ebenso zum Betrieb des Vertragsarbeitgebers gehören. Hierfür spricht beispielsweise die Eingliederung kraft Rückrufsrechts bzw. (Weiter-)Führung der Personalverwaltung.1401 Ferner muss ein Betrieb vorliegen. Ähnlich wie im Zusammenhang mit dem KSchG reicht aber auch hier ein Mindestmaß an Organisation aus, insbesondere steht dem nicht das Fehlen einer einheitlichen Leitung vor Ort entgegen. Damit verhindern selbst Matrixstrukturen mit einem internationalen, mehrdimensionalen Gefüge nicht von vornherein die Entstehung eines Betriebes vor Ort und die Anwendbarkeit des territorialitätsbezogenen BetrVG. Vielmehr erfolgt dies nur, wenn die zu beurteilende Einheit im Wesentlichen keine eigenen Weisungsrechte ausüben kann, sodass sie mangels eigener Organisationsgewalt nicht mehr als Betrieb anzusehen ist.1402 Allerdings existiert keine Verpflichtung zur Betriebsratswahl, sodass dieser lediglich auf der Initiative der Belegschaft beruht. Kommt es nicht dazu, drohen neben dem weitreichenden Rechtsverlust jedoch keine zusätzlichen gesetzlichen Sanktionen.1403 Die Aufgabe eines Betriebsrats besteht in der Interessenvertretung der Belegschaft. Hierbei ist er nicht auf die Ziele der Gewerkschaftsmitglieder beschränkt. Vielmehr arbeitet er mit dem Arbeitgeber und den sonstigen Beteiligten zum Wohl aller betrieblichen Arbeitnehmer und des Betriebes vertrauensvoll zusammen, vgl. § 2 Abs. 1 BetrVG. Die Ausführung seiner gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nimmt der Betriebsrat grundsätzlich im eigenen Namen wahr. Rechtlich gilt die Tätigkeit nicht als Vertretung iSd. §§ 164 ff. BGB. Obendrein wird für dieses Gremium die Qualifikation, eine juristische Person zu sein, sowie die Fähigkeit Vermögen zu besitzen, abgelehnt. Stattdessen verfügt er im Rahmen seiner Aufgaben über eine partielle Vermögensfähigkeit und kann als tauglicher Partner mit dem Arbeitgeber gültige Vereinbarungen schließen.1404 Den verschiedenen Organisationsstrukturen Betrieb, Unternehmen und Konzern trägt das BetrVG durch die Möglichkeit zur Schaffung von Gesamt- und Konzernbetriebsräten Rechnung, §§ 47 ff., §§ 54 ff. BetrVG. Das BetrVG gilt ebenfalls für den gemeinsamen Betrieb von mehreren Unternehmen nach § 1 Abs. 2 BetrVG. Hierdurch soll eine bessere

BAG vom 5.12.2012 - 7 ABR 48/11 -, NZA 2013, 793. BAG vom 13.3.2013 - 7 ABR 69/11 -, NZA 2013, 789; Burkard-Pötter, NJW-Spezial 2013, 242; Boemke, JuS 2014, 272. 1401  Kort, NZA 2013, 1318, 1324 mit weiteren Anhaltspunkten. 1402 Vgl. LAG Hessen vom 13.4.2011 - 8 Sa 922/10 -, BeckRS 2011, 75839; ArbG Frankfurt a.M. vom 21.7.2009 - 12 BV 184/09 -, BeckRS 2013, 72862; Kort, NZA 2013, 1318, 1321. 1403  Junker, Rn. 672, 685. 1404  Preis, KollektivarbR, § 148, S. 572 ff. 1399 

1400 

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

Koordinierung der arbeitnehmerrechtlichen Mitbestimmung erreicht werden.1405 Dient ein Arbeitgeber allerdings bei einem drittbezogenen Personaleinsatz (etwa innerhalb eines Konzernverbundes) dem Arbeitnehmer lediglich zur kündigungsrechtlichen Absicherung, ohne die Arbeitsleistung unmittelbar entgegenzunehmen und das Direktionsrecht auszuüben, zählt er mangels gemeinsamer Leitung nicht als Träger eines gemeinsamen Betriebes.1406 Keinen Besonderheiten unterliegt die betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung beispielsweise beim Franchisesystem. Mangels eines umfassenden Abhängigkeitsverhältnisses wird jedoch regelmäßig die Bildung eines Konzernbetriebsrats beim Franchisegeber abzulehnen sein.1407 3.  Wirkung der verschiedenen Beteiligungsrechte Zu den zentralen Anliegen des Betriebsverfassungsgesetzes zählen die Beteiligungsrechte in bestimmten betrieblichen Angelegenheiten. Diese sind von ihrer Intensität unterschiedlich ausgestaltet. Die stärkste Form bilden die Mitbestimmungsrechte. Sie wurden etwa in den §§ 87 Abs. 1, 91 S. 1, 94 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 95 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BetrVG normiert und erlauben dem Betriebsrat eine gleichberechtigte Beteiligung. Daher ist eine Entscheidung in diesem Bereich grundsätzlich durch einvernehmliches Zusammenwirken vorgesehen. Insoweit wird dem Betriebsrat auch regelmäßig ein Initiativrecht zugestanden. Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Beteiligungsrechte schwächer ausgestaltet. Die sogenannten Mitwirkungsrechte geben zum Teil die Befugnis zur Zustimmungsverweigerung (§ 99 Abs. 2 - 4 BetrVG), zum Widerspruch (§ 98 Abs. 2, 102 Abs. 3 BetrVG), zur Beratung (§§ 74 Abs. 1, 111 S. 1 BetrVG), zur Anhörung (§ 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG) und zur Unterrichtung (§§ 99 Abs. 1, 105 BetrVG).1408 Beteiligungsrechte können überdies bei netzwerkbasierter Arbeitsweise zur Anwendung kommen. Zu einer solchen Arbeitsform zählt beispielsweise die Beschäftigung von Dienstleistern für die Bewirtschaftung des eigenen Lagers (vgl. § 3 II.). Ein wichtiges Beteiligungsrecht ist hierbei § 80 Abs. 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben ein rechtzeitiges und umfassendes Unterrichtungsrecht. Erfasst sind hiervon zudem Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, wie zum Beispiel Werkunternehmer. Damit darf der Betriebsrat in eigener Verantwortung die Einhaltung der anwendbaren Rechtsvorschriften beurteilen, vgl. § 75 Abs. 1 BetrVG. Weiterhin gesteht das Gesetz dem Betriebsrat verschiedene Unterrichtungs-, Vorschlags- und Beratungsrechte zum Zweck der Beschäftigungssicherung nach §§ 90 ff. BetrVG zu. Ebenso sind insoweit beispielsweise spezielle Beteiligungsrechte in den §§ 106, 111 BetrVG normiert. In personeller Hinsicht müssen insbesondere die Rechte Preis, KollektivarbR, § 147, S. 530 ff. Lange, NZA 2012, 1121, 1124. 1407  Schimansky, S. 150; a. A. für den Fall des Subordinationsfranchising Buschbeck-Bülow, BB 1989, 352, 353 f. 1408  Dütz/Thüsing, Rn. 892 ff.; Junker, Rn. 703. 1405 

1406 

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aus den §§ 99, 95 BetrVG auf ihre Anwendbarkeit geprüft werden. Dies gilt vor allem, weil auch § 99 BetrVG ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber nicht voraussetzt. Letztlich finden die Rechte vorwiegend dann Anwendung, wenn die Werkvertragsbasis nur zur Umgehung von Arbeitnehmerschutzrechten dient.1409 Ist bei einem drittbezogenen Personaleinsatz der Arbeitnehmer zwei Betrieben gleichzeitig zuzuordnen, wirken unter Umständen sogar Beteiligungsrechte von beiden Betrieben auf das Arbeitsverhältnis ein. Bei paralleler Regelung sollte der sachnäheren Norm Vorrang eingeräumt werden. Als Anhalt für die Abgrenzung kann zudem der Umfang des Weisungsrechts dienen.1410 4. Betriebsvereinbarung Als eine der wichtigsten Rechtsformen des Betriebsverfassungsgesetzes gilt die Betriebsvereinbarung. In einer solchen Vereinbarung dürfen Gegenstände der zwingenden und freiwilligen Mitbestimmung geregelt werden. Grundsätzlich geschieht dies durch Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, § 77 Abs. 2 BetrVG.1411 Im Bereich der zwingenden Mitbestimmung kann eine Betriebsvereinbarung zudem mit dem Spruch der Einigungsstelle gem. § 77 Abs. 1, 2 BetrVG iVm. § 76 Abs. 5, 6 BetrVG zustande kommen. Wie bei Tarifverträgen besteht auch für Betriebsvereinbarungen die Möglichkeit, die Regelungen danach zu unterteilen, ob sie den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen betreffen. Ebenso sind ein schuldrechtlicher und ein normativer Teil zu finden. Im schuldrechtlichen Abschnitt geht es um die Verpflichtungen des Arbeitgebers und des Betriebsrates. Hierzu gehört speziell die Durchführungspflicht des Arbeitgebers gem. § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Schließlich kann der normative Teil von Betriebsvereinbarungen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer beeinflussen, § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG.1412 Weiterhin unterliegen Betriebsvereinbarungen besonderen Wirksamkeitsanforderungen. Neben der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht ist im Rahmen der spezifischen Voraussetzungen für derartige Vereinbarungen vor allem der Vorrang von Tarifverträgen zu beachten. Nach § 77 Abs. 3 BetrVG besteht etwa prinzipiell ein Ausschluss für Betriebsvereinbarungen, wenn sie Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen festlegen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise bestimmt werden und keine Gestattung vorliegt. Beim erzwingbaren Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG gilt der Tarifvorrang allerdings nur 1409  Vgl. BAG vom 31.1.1989 - 1 ABR 72/87 -, AP Nr. 33 zu § 80 BetrVG 1972; vertiefend Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417 ff. 1410  Kort, NZA 2013, 1318, 1324 f.; Lambrich/Schwab, NZA-RR 2013, 169, 172. 1411  Weiterhin unterliegt die Einigungserklärung verschiedener Formvorschriften. Sie ist beispielsweise nach § 77 Abs. 2 BetrVG schriftlich niederzulegen, von beiden Seiten zu unterschreiben und im Betrieb bekanntzumachen. 1412  Dütz/Thüsing, Rn. 913 ff.

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

bei einem wirksamen und abschließenden Tarifvertrag. Insofern geht nach überwiegender Auffassung § 87 Abs. 1 BetrVG als Spezialnorm der Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG vor.1413, 1414 Im Ergebnis soll mit dem Vorrang die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gewährleistet bleiben.1415 5.  Folgen bei der Missachtung von Beteiligungsrechten Bei der Durchsetzung dieser Rechte stehen sich grundsätzlich der Arbeitgeber und der Betriebsrat gegenüber. Sind Regelungsstreitigkeiten gegeben, zum Beispiel über die Verlegung der täglichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 B ­ etrVG), entscheidet prinzipiell die Einigungsstelle gem. § 76 Abs. 5 BetrVG. Im Übrigen können die Betriebspartner Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich vor den Arbeitsgerichten klären lassen, vgl. §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG.1416 Zusätzlich zu den Konsequenzen im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber löst eine Missachtung von betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungspflichten mitunter Rechtsfolgen bei Dritten aus. Wird beispielsweise die Arbeitgeberkündigung eines Arbeitsvertrages ohne oder ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates ausgesprochen, ist sie nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam. Neben der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bei Nichtbeachtung kann eine unterlassene Beteiligung des Betriebsrates aber auch in anderen Fällen Konsequenzen auf individualarbeitsrechtlicher Ebene hervorrufen. So führt nach überwiegender Auffassung bei einer Verschlechterung der Arbeitnehmerstellung eine Nichtbeteiligung in den Fällen des § 87 Abs. 1 BetrVG ebenso zur Unwirksamkeit der Arbeitgeberentscheidung gegenüber dem Arbeitnehmer (sogenannte Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung). Dies wird primär mit dem Sinn und Zweck der Regelung begründet. Es sei eine Umgehung der kollektiven Regelung zu verhindern. Aus dem Grund könne dem Mitbestimmungserfordernis nur durch vorherige Zustimmung Rechnung getragen werden. Dagegen führe eine Genehmigung lediglich bei unmöglicher oder unzumutbarer Einholung der vorherigen Zustimmung zu einer Heilung.1417 1413  BAG vom 3.12.1991 - GS 2/90 -, NZA 1992, 749; GK-BetrVG/Kreuz, § 77 BetrVG, Rn. 151 ff. m. w. N. 1414  Eine weitere Ausnahme von der Sperrwirkung ist beispielsweise bei Sozialplänen gem. § 112 Abs. 1 S. 4 BetrVG zu finden. Als ungeklärt gilt dagegen die Anwendung auf freiwillige Betriebsvereinbarungen iSd. § 88 Nr. 3 BetrVG, Dütz/Thüsing, Rn. 924. 1415  BAG vom 1.12.1992 - 1 AZR 234/92 -, NZA 1993, 613, 614. 1416  Ausnahmsweise ist die Einigungsstelle für Rechtsstreitigkeiten zuständig, vgl. § 37 Abs. 6, 7, § 38 Abs. 2, § 109 BetrVG. Ebenso kann aber auch das Arbeitsgericht mitunter über Regelungsstreitigkeiten entscheiden, zum Beispiel § 76 Abs. 2 S. 2, 3 BetrVG, Dütz/ Thüsing, Rn. 899 ff.; Schaub/Koch, § 232, Rn. 2. 1417  BAGE 3, 207, 211 f.; 101, 288, 295 f. m. w. N.; Hromadka/Maschmann II, § 16, Rn. 436 ff.; Junker, Rn. 747; a. A. Dietz, RdA 1962, 390, 395; Richardi/Richardi, § 87 ­BetrVG, Rn. 109.

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6. Netzwerkbezug Das Betriebsverfassungsgesetz ermöglicht weitere Einflüsse auf die Arbeitsrechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Eine wesentliche Rolle kommt dabei dem Betriebsrat zu. Bei gültiger Wahl gilt er als ein weiterer Beteiligter, der vom Betriebsverfassungsgesetz zur Erfüllung verschiedener betrieblicher Aufgaben im Arbeitnehmerinteresse geschaffen wurde. Die gesetzlich eingeräumten Befugnisse gehen dabei mitunter soweit, dass die Durchsetzung sogar selbstständig vom Betriebsrat mithilfe eines gerichtlichen Verfahrens verfolgt werden können. Trotz seiner fehlenden allgemeinen Rechts- und Vermögensfähigkeit zählt der Betriebsrat insofern als ein vollwertiger Akteur. Zu seinen Berechtigungen gehören auch die Abschlussbefugnisse von verschiedenen Vereinbarungen. Eine besondere Beachtung verdient hierbei die Betriebsvereinbarung. Diese kommt grundsätzlich zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zustande und kann auf die Arbeitsverhältnisse direkt einwirken. Auch insoweit unterliegt das bipolare Vertragsverhältnis einem multilateralen Einfluss. Im Gegensatz zu tarifvertraglichen Einwirkungen auf der Basis von § 3 TVG ist für die Anwendbarkeit einer Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis keine Mitgliedschaft oder dergleichen im Betriebsrat erforderlich. Vielmehr gilt eine Betriebsvereinbarung, entsprechend eines auf den Betrieb beschränkten Gesetzes, für alle dort beschäftigten Arbeitnehmer.1418 Trotz der großen Gemeinsamkeiten zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft sowie Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag findet im Verhältnis zueinander der Spezialitätsgrundsatz keine Anwendung. Stattdessen räumt der Gesetzgeber der gewerkschaftlichen Betätigung vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 3 GG einen grundsätzlichen Vorrang ein. Zu einer konkurrierenden Einwirkung einer Betriebsvereinbarung und eines Tarifvertrages auf ein Individualarbeitsverhältnis kommt es daher prinzipiell nicht. Zusätzlich zu den spezifischen Rechten und Pflichten zwischen Betriebsrat, Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmern schafft das Betriebsverfassungsgesetz weitere Verbindungen. Insbesondere für die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften werden Befugnisse zum Beispiel bei Betriebsratswahlen (vgl. § 14 Abs. 3, 5, § 16 Abs. 1 S. 6, Abs. 2, § 17 Abs. 2 - 4, § 18 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3 S. 2, § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG), Pflichtverletzungen (§ 23 Abs. 1, 3 BetrVG), Betriebsratssitzungen (§ 31 BetrVG), Betriebs- oder Abteilungsversammlungen (§ 46 BetrVG) und bestimmten Betriebsratsbeschlüssen (§ 35 Abs. 1 BetrVG) eingeräumt. Neben Antragsrechten zählen hierzu ferner Vermittlungs- und Beratungsaufgaben.1419 Auf diese Weise ermöglicht das Gesetz weitere Beziehungen zwischen den verschiedenen Beteiligten. Besonders die gewerkschaftlichen Hilfs- und Kontrollfunktionen führen zu einer gewissen Beeinflussung. Während der erhöhte gewerkschaftliche Sachverstand auf der einen Seite die Chance auf eine verbesserte Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen bietet, bestehen andererseits Gefahren etwa aufgrund 1418  1419 

Dütz/Thüsing, Rn. 915. Dütz/Thüsing, Rn. 889.

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2. Teil, 6. Abschn.:  Arbeitsrecht

von Konflikten. Schließlich kann die Ausübung der gewerkschaftlichen Rechte zu Konsequenzen für Dritte führen. Wird beispielsweise auf Antrag einer betrieblich vertretenen Gewerkschaft der Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten gem. § 23 Abs. 1 BetrVG aufgelöst, entstehen gegebenenfalls Betriebsvereinbarungen nicht, später oder anders. Unter Umständen kommen aus dem Grund Arbeitnehmer nicht in den Genuss von vorteilhaften Regelungen. Das System der Arbeitnehmerbeteiligung bringt jedoch auch in seiner Gesamtheit Nachteile für die Arbeitnehmerschaft. Potenzielle Beeinträchtigungen folgen insbesondere aus den verbindungstechnischen Möglichkeiten des Arbeitgebers. Je mehr der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte wahrnimmt, desto größer ist die Gefahr, dass der Arbeitgeber andere Arten der Aufgabenerledigung wählt, bei denen keine oder weniger Beteiligungsrechte einschlägig sind. Dies gilt vor allem für die Beschäftigung von Werkunternehmern. Insoweit wird allerdings von gesetzlicher Seite versucht, beispielsweise mit Unterrichtungs-, Vorschlags- und Beratungsrechten bei der Personalplanung diesem Umstand entgegenzuwirken. Schließlich beachtet das Betriebsverfassungsrecht verschiedene Untergliederungen und Verbindungsstrukturen auf Arbeitgeberseite mit den Möglichkeiten zur Gründung von Betriebsräten bei gemeinsamen Betrieben mehrerer Unternehmen sowie von Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsräten. Hierdurch sollen die betriebsverfassungsrechtlichen Ziele gewahrt werden. Nicht zuletzt zeigt dieser Punkt, dass die Vernetzung vom Arbeitsrecht Anerkennung und Berücksichtigung erfährt. Probleme verursacht jedoch die grundsätzliche Ausrichtung des BetrVG nach einer hierarchischen Organisationsstruktur. Dies bereitet vor allem bei funktioneller, variabler und dezentraler Arbeitsweise, wie bei netzwerkorientierten Verhalten, gewisse Herausforderungen.1420

V.  Weitere kollektivarbeitsrechtliche Regelungen Das kollektive Arbeitsrecht ist ein Gebiet mit vielen verschiedenen Beteiligten und Verbindungen. Neben den aufgezählten Akteuren gibt es solche auch in anderen Teilgebieten, denen Rechte und Pflichten gegenüber den Arbeitsvertragsparteien eingeräumt sind. Vielfach handelt es sich dabei um Vertretungen für spezielle Berufsgruppen, wie etwa dem Sprecherausschuss für leitende Angestellte, vgl. § 1 Sprecherausschussgesetz, oder für benachteiligte Personen, wie beispielsweise die Schwerbehindertenvertretung nach §§ 93 ff. SGB IX. Hierdurch entstehen weitere Beziehungen, die mitunter sogar Drittwirkungen entfalten.

1420 

Rieble, NZA-Beilage 2014, 28, 29.

3. Teil

Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen im Wirtschaftsleben 3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

§ 25  Charakterisierung der rechtlichen Grundlage bei qualifizierten Netzwerken I. Ausgangspunkt Zusätzlich zu den bekannten Formen der wirtschaftlichen Betätigung mit mehreren Beteiligten bilden sich fortlaufend neue Gestaltungen heraus, um Anpassungen und Wettbewerbsvorteile zu ermöglichen. Neben einer allgemeinen netzwerkorientierten Arbeitsteilung erfolgt hierbei zunehmend eine wirtschaftliche Zusammenarbeit der selbstständigen Akteure bei gleichzeitiger Spezialisierung auf bestimmte Wertschöpfungsprozesse.1 Zu solchen qualifizierten Ausprägungen zählt insbesondere das Franchisesystem. Diese Entwicklung ist allerdings problematisch, weil im Gesetz keine Franchiseverträge oder sonstige Spezialvorschriften zu finden sind. Ebenso wirft die Zuordnung zu den herkömmlichen Rechtsformen mit ihrem Pflichtenumfang Zweifel auf.2 Dies betrifft obendrein die Beziehungen zwischen den individualvertraglich nicht verbundenen Akteuren. Abgesehen von den verschiedenartigen Ausprägungen folgt die Schwierigkeit im Wesentlichen aus der Positionierung zwischen Markt und Hierarchie.3 In dem Zusammenhang werden den Netzwerkbeziehungen eine Interessenverbindung, eine Interessenwahrung und ein Interessengegensatz bzw. eine Mischung davon zugeschrieben.4 Einige charakterisieren daher das Wesen der qualifizierten Netzwerke auch als widersprüchlich. Sie sollen bilateralem Austausch und multilateralem Verbund, Konkurrenz und Kooperation sowie der Vielheit autonomer Akteure und (äußerlicher) Einheit gleichzeitig genügen.5 Bei einer gewöhnlichen Marktbeziehung verkauft etwa der Hersteller seine produzierte Ware mehreren interessierten Großabnehmern, die diese an bestimmte Einzelhändler abgeben, um sie schließlich den Endverbrauchern zu veräußern. In den Fällen der traditionellen Absatzkette können vom Grundsatz her alle Akteure 1  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, § 6 IV; Sydow, Strategische Netzwerke, S. 82 ff. 2 Vgl. Lange, S. 108 ff. 3  Teubner, S. 58 f. 4  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 188; vgl. Ulmer, P., S. 265 ff. 5  Teubner, S. 146 ff., 176 ff., 208 ff.

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

der einen Ebene mit allen Parteien der benachbarten Ebene ungehindert Verträge schließen. Die jeweiligen Personen sind in einem freien Markt ohne Präferenzen nicht auf einen bestimmten Vertragspartner angewiesen bzw. von ihm abhängig.6 Es herrscht eine beliebige Austauschbarkeit. Der Nachfrager darf ungehindert auf alternative Anbieter zurückgreifen, wenn beispielsweise überhöhte Preise, mangelhafte Vertragserfüllungen oder andere unvorteilhafte Vertragsbedingungen vorliegen. Durch solche vorbehaltlosen Marktbeziehungen bestehen keine über die gewöhnlichen Vertragsanforderungen7 hinausgehenden Verpflichtungen zwischen den individualvertraglich verbundenen Parteien. Das Recht trägt diesem Umstand mit Austauschverträgen, wie dem Kaufvertrag, Rechnung. Bei der Zusammenwirkung zwischen Netzwerkbeteiligten kann es allerdings zu Abweichungen kommen. Diese folgen vor allem aus dem dauerhaften und wechselseitigen Verbindungshorizont. Schließt etwa ein Netzwerkakteur mit einem anderen in einem Fertigungsnetzwerk eine Vereinbarung über die Herstellung bzw. gemeinsame Entwicklung eines Vorproduktes, hat dies automatisch fortlaufende Auswirkungen auf die Netzwerkbeteiligten, die das Vorprodukt weiterverarbeiten wollen bzw. sogar müssen. Erbringt beispielsweise ein Netzwerkakteur minderwertige Vorleistungen, können die nachfolgenden Verbundpartner wegen der Bindung regelmäßig keine wettbewerbsfähigen Anforderungen beim Endprodukt erfüllen. Ähnliche Konsequenzen werden dann hervorgerufen, wenn in einem Vertriebsnetzwerk der Zentraleinkäufer erhöhte Einkaufspreise mit einem Ausgangslieferanten vereinbart und die verbundenen (Weiterver-)Käufer zur Abnahme verpflichtet sind. Die Herausforderung des Rechts besteht folglich in der ausgewogenen Beurteilung von bilateralen Beziehungen mit derart multilateralen Einflüssen.8

II. Rechtsgrundlage Neben den gewöhnlichen Rechtsformen mit netzwerkartigen Bezügen ist fraglich, wie die juristische Beurteilung in den vorliegenden Konstellationen erfolgt. Festzuhalten bleibt, dass das Netzwerk weder zu den Rechtsbegriffen zählt, noch zu einem solchen gemacht werden kann. Auf der Grundlage von empirischen Untersuchungen behaupten zudem manche einen gewissen Einfluss von Alter und Größe des Netzwerkes auf die Steuerung.9 Unabhängig von den Erfahrungen aus der Praxis haben die Beteiligten aber in jedem Fall nach Art. 2 Abs. 1 GG die Teubner, S. 19. den gewöhnlichen Vertragspflichten gehören zum einen die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, wie beim Kaufvertrag die Verpflichtung des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung des Kaufobjekts gem. § 433 Abs. 1 BGB und die des Käufers zur Bezahlung des Kaufpreises gem. § 433 Abs. 2 BGB. Zum anderen sind auch die Nebenpflichten, wie Treue- und Rücksichtnahmepflichten, zu nennen (vgl. § 241 Abs. 2 BGB). 8  Teubner, S. 9. 9  Glückler/Nèmeth/Beauregard, DB 2011, 2701. 6 Vgl.

7  Zu

§ 25  Charakterisierung der rechtlichen Grundlage bei qualifizierten Netzwerken 349

Freiheit, die Rechtsform grundsätzlich selbst zu wählen.10 Der Autonomie sind lediglich dort Grenzen gesetzt, wo die Handlungsräume von anderen Personen eine unzumutbare Beeinträchtigung erfahren. Eine solche Beschränkung darf jedoch nur aus zwingendem Recht hervorgehen.11 1. Austauschvertrag Für eine Betrachtung des anwendbaren Rechts muss die Institution des Tauschvertrages (mit Dauerschuldcharakter) der Ausgangspunkt sein. Schließlich kommt es bei Netzwerken mit qualifiziertem wirtschaftlichem Hintergrund auf der Basis von Vereinbarungen, wie bei Franchisebeziehungen, regelmäßig zum Wechsel von Gütern und Dienstleistungen gegen Entgelt. In die Richtung ging auch Art. 1 Abs. 3 der EG-GruppenfreistellungsVO von 1988.12 Die konkrete Vertragsart versuchen einige sodann nach der Entgeltverpflichtung abzugrenzen. Bei einer reinen Umsatzbeteiligung des Franchisenehmers liege etwa ein Geschäftsbesorgungsvertrag und bei einer fixen Franchisegebühr oder einem Mindestsatz ein Pachtvertrag vor.13 Je nach Situation werden bei der Umsetzung qualifizierter Netzwerke auch Bestandteile verschiedener Vertragsformen verwirklicht.14 Eine Reihe von Personen nehmen daher einen gemischten Vertrag an.15 In jedem Fall soll es sich aber um eine austauschvertragliche Rechtsgrundlage handeln.16 Als weiteres Argument für die Annahme eines Austauschvertragsverhältnisses führen viele die Privatautonomie an. Möchten die Parteien die Netzwerkverbindungen austauschvertraglich organisieren, sei der Wille der Parteien entsprechend zu berücksichtigen.17 Andere bringen dagegen die organisatorischen Elemente innerhalb einer solchen Beziehung vor. Kritisch sehen manche Stimmen zudem, ob das herkömmliche Vertragsmodell mit der Zweierbeziehung geeignet ist, derartige multilatera10  Druey, KritV 2006, 163, 168; vgl. Glückler/Németh/Beauregard, DB 2011, 2701, 2705 ff. 11  Konzen, ZfA 1982, 259, 264; Lange, Rn. 178 ff. 12  VO Nr. 4087/88/EWG vom 30.11.1988, ABl. EG Nr. L 359 vom 28.12.1988. Diese Vorschrift bezeichnete Franchising als ein Absatzmittelungsinstrument, das durch die entgeltliche Überlassung einer Gesamtheit von Rechten an gewerblichen oder geistigen Eigentum gekennzeichnet sei, die zum Weiterverkauf von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen an den Endverbraucher unter gemeinsamen Namen oder Zeichen und einheitlicher Aufmachung und mit fortlaufender kommerzieller oder technischer Unterstützung des Franchisenehmers durch den Franchisegeber genutzt werde. Die Verordnung wurde abgelöst durch die VO Nr. 2790/1999/EG vom 22.12.1999 über vertikale Vertriebsvereinbarungen, ABl. EG Nr. L 336 vom 29.12.1999, vgl. Haager, NJW 2002, 1463, 1472. 13 MünchKomm/Harke, § 581 BGB, Rn. 19 m. w. N. 14  Baumgartner, S. 53 ff. m. w. N. 15  Oechsler, Rn. 1280; Möller, AcP 2003, 319, 325 ff.; Weber, JA 1983, 347, 351 f. 16 MünchKomm/Harke, § 581 BGB, Rn. 19 ff. 17  Teubner, S. 59.

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

le Wirtschaftsabläufe zu erfassen.18 Gegen solche Einwände sprechen jedoch die mit den Handelsvertreterverhältnissen verbundenen Wertungen.19 Auch hier hat der Gesetzgeber die Leistungsbeziehung zwischen Handelsvertreter und Anbieter in einem austauschvertraglichen Zweipersonenverhältnis geregelt, obwohl organisatorische Elemente der Beziehung innewohnen und neben den unmittelbaren Vertragspartnern weitere Personen beteiligt sind. Entsprechende Einschätzungen gehen zudem aus den Regelungen für Kommissions- und Maklerverbindungen hervor. Selbst die Rechtsprechung hat bei der Beziehung zwischen einem Hersteller und einem Importeur mit Vertriebs- und Lagerverpflichtung einen Austauschvertrag in Form des Eigenhändlervertrages angenommen.20 2.  Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Neben dem Vertragsrecht kommt als taugliche Beurteilungsgrundlage das Gesellschaftsrecht infrage. Schon in der Vergangenheit bejahte das Reichsgericht bei Entscheidungen über Vertragshändlernetze eine „gesellschaftsähnliche“ Organisation und trug diesem Umstand mit einer analogen Anwendung des Gesellschaftsrechts Rechnung.21 Auch heute wird zum Teil bei qualifizierten wirtschaftlichen Netzwerken eine solche Beurteilung vorgeschlagen.22 Danach soll in vertriebsorientierten Franchiseverhältnissen der gemeinsame Zweck im verbesserten Absatz der hergestellten bzw. eingekauften Sachen oder allgemein in der Förderung des Betriebskonzepts bestehen.23 Die schuldrechtlichen Leistungen, sogenannte Beiträge iSd. § 706 BGB, seien etwa die Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen und spezifischen Vertriebskonzepten, der Zentraleinkauf sowie die überregionale Werbung durch den Franchisegeber. Zugunsten des Franchisenehmers wertet die Position dagegen lokale Tätigkeiten im Absatz, in der Werbung und im sonstigen unmittelbaren Kundenservice zur Erfüllung dieser Verpflichtung.24 Viele sehen allerdings in Franchisebeziehungen austauschvertragliche und gesellschaftsrechtliche Elemente. Hierzu werden verschiedene Auffassungen vertreten. Hauptsächlich kommt es insofern zu einer gesellschaftsrechtlichen Wertung Teubner, S. 45. Ulmer, P., S. 323. 20  BGHZ 54, 338. 21  RGZ 65, 37; 78, 385; 95, 166. 22 Vgl. OLG Hamm vom 7.11.1984 - 8 U 338/83 -, EWiR § 705 BGB 1/85, 281; Baumgartner, S. 114 ff.; Engel, RabelsZ 1993 (57), 556, 561. Zu den gesellschaftsrechtlichen Einflüssen auf das Arbeitsverhältnis Adomeit, S. 1 ff. Einschränkend BGH vom 1.7.1985 - II ZR 7/85 -, EWiR § 705 BGB 4/85, 665, der meint, sollten Interesse an einer Vertriebs- und Betreuungsorganisation parallel auf denselben Zweck gerichtet sein, würden sie allein dadurch nicht zu einem gemeinsamen. 23 Vgl. Baumgarten, S. 122 mit Verweis auf Ackermann; Skaupy, DB 1982, 2446, 2448 f.; Bunte, NJW 1986, 1406. 24  Baumgarten, S. 127 f. 18 

19 

§ 25  Charakterisierung der rechtlichen Grundlage bei qualifizierten Netzwerken 351

erst, wenn die vertraglichen Komponenten zu vernachlässigen sind. Martinek differenziert bei Franchisebeziehungen beispielsweise nach Subordination, Koordination, Koalition und Konföderation. Während er das Subordinations- und das Koordinationsfranchising wegen ihrer lockeren organisationalen Zusammenhalte dem Vertragsrecht unterstellt, sollen die beiden anderen Formen den gesellschaftlichen Regeln folgen. Aufgrund der Kooperationsdichte zwischen den Beteiligten sei etwa beim Koalitionsfranchising ein Bündel von BGB-Gesellschaften und beim Konföderationsfranchising eine einzelne große BGB-Gesellschaft anzunehmen.25 Ähnliche Differenzierungen schlägt die Literatur bei anderen qualifizierten Wirtschaftsnetzwerken, etwa Just-in-time-Beziehungen und sonstigen Unternehmensnetzwerken, vor.26 Teilweise unterscheiden die Positionen auch zwischen den Transaktionen. Während die Primärtransaktionen der individuellen Zweckverfolgung dienen würden, seien kooperative Strukturen auf der Sekundärebene zu finden.27 Wieder andere raten zur Abgrenzung nach dem Rang der gemeinsamen Zweckverfolgung. Gesellschaftsrechtliche Regeln sollen dann anwendbar sein, wenn die Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks gegenüber dem Austauschzweck Priorität genieße. Der Leistungsaustausch müsse hiernach lediglich das Mittel sein, um das gemeinsame Projekt zu fördern. Ermögliche andererseits die Zusammenarbeit nur den Leistungsaustausch, liege keine gesellschaftsrechtliche Beziehung vor.28 Neben dem vorbehaltlosen Gebrauch der gesellschaftsrechtlichen Regeln wird auch deren Heranziehung nach entsprechender Differenzierung kritisch gesehen. Hauptvorwurf ist die Vernachlässigung des Doppelcharakters. Selbst die letzte Abgrenzung ermögliche nicht die sachgerechte Erfassung aller streitgegenständlichen Beziehungen. Gerade in typischen Netzwerksituationen diene der gemeinsame Zweck dem Austauschzweck und umgekehrt. Beim Vertriebsfranchisekonzept fördere etwa die gemeinsame Werbung den individuellen Verkauf und dieser wiederum den gemeinsamen Einkauf. Die Abgrenzung solle danach im Ergebnis das zirkuläre Verhältnis zwischen beiden Zwecken übersehen.29 Manche verneinen den Gebrauch gesellschaftsrechtlicher Regelungen aber schon wegen des Fehlens eines gemeinsamen Zwecks.30 Im Gegensatz zu einem gemeinsamen Zweck sollen bei den gegenständlichen Verbindungen nur ein einheitlicher Zweck31 bzw. übereinstimmende Interessen32 zwischen den involvierten Personen vorliegen. Martinek, S. 231 ff., 378 ff. Engel, RabelsZ 1993 (57), 556, 561; Zirkel, NJW 1990, 345, 350; Ernsthaler/ Gesmann-Nuissl, BB 2000, 2265, 2266 ff. 27  Rohe, S. 65 ff., 385 f., 413 f. 28  Wiedemann/Schultz, ZIP 1999, 1, 3. 29  Teubner, S. 64 ff. 30  Lange, S. 425 f. 31  Saxinger, S. 144; MünchKomm/Ulmer/Schäfer, vor § 705 BGB, Rn. 123. 32  Ebenroth, S. 35; Ulmer, P., S. 322. 25 

26 Vgl.

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

3. Konzern Einige Stimmen ziehen die Anwendung des Konzernrechts in Betracht.33 Eine solche Auffassung gibt es etwa für streng hierarchische Netzwerkverbindungen. Im Bereich von Franchise soll Konzernrecht beispielsweise einschlägig sein, wenn der Franchisevertrag als Beherrschungsvertrag iSd. § 291 Abs. 1 AktG angesehen werden müsse.34 Erforderlich sei hierfür gem. § 308 AktG ein Weisungsrecht der Konzernspitze gegenüber dem abhängigen Unternehmen. Dies beinhalte gem. §§ 76 ff. AktG die Leitung in allen Aufgaben der Geschäftsführung und der Vertretung. Als Folge dieser Befugnisse sehe das Gesetz eine Ausgleichshaftung vor, vgl. §§ 302 ff. AktG. Entsprechende Regeln existierten bei einem GmbH-Konzern.35 Allerdings tragen andere ebenso vor, dass eine solche Situation lediglich in Ausnahmefällen vorkomme. Gewöhnlich sollen Franchiseverträge nur ein Weisungsrecht hinsichtlich der Umsetzung und des Schutzes des Geschäftskonzepts gewähren. Die Führung der laufenden Geschäfte werde gerade dem Franchisenehmer übertragen. Anderenfalls würde der Franchisegeber eine Filiale eröffnen.36 Weitaus kritischer ist die Einschätzung vor dem Hintergrund eines faktischen Unterordnungskonzerns zu sehen. Auch in dem Fall können erhebliche Konsequenzen folgen.37 Als Voraussetzung hierfür bedarf es zunächst eines einfachen Abhängigkeitsverhältnisses iSd. § 17 AktG. Eine Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG liegt vor, wenn ein Unternehmen auf ein anderes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Als problematisch für diese These gilt allerdings eine Entscheidung des BGH, die eine Abhängigkeit iSd. § 17 AktG nur anerkennt, wenn sie gesellschaftsrechtlich bedingt bzw. vermittelt ist. Eine Austauschbeziehung, wie infolge von Liefer-, Lizenz- oder Kreditverträgen, genüge dagegen allein nicht. Stattdessen sollen Austauschverträge nur wirtschaftliche Abhängigkeiten begründen. Insbesondere die Konzernhaftung würde zu tief in das Marktgeschehen eingreifen. Risiken allgemeiner Art seien vielmehr mit Hilfe des Zivil- und Wettbewerbsrechts zu begegnen.38 Hiergegen wird jedoch beim Franchising die organisatorische Struktur vorgebracht. Es könne zu einem Umschlagen der externen, marktbedingten Abhängigkeit in eine verwaltungstechnische kommen. Der Franchisegeber wirke dann beispielsweise nicht nur auf den Franchisenehmer als solchen, sondern auf dessen Organisation, insbesondere die Betriebsführung, ein. Regelmäßig bestehe jedoch selbst beim Subordinationsfranchising

Für den Bereich des Arbeitsrechts Däubler, CR 1988, 834. Martinek, S. 642. 35  Emmerich/Habersack, § 29, Rn. 5. 36  Schimansky, S. 139. 37  Emmerich/Habersack, § 24, Rn. 1. 38  BGHZ 90, 381, 395 f.; 121, 137, 145; einschränkend Oechsler, ZGR 1997, 464. 33 

34 

§ 25  Charakterisierung der rechtlichen Grundlage bei qualifizierten Netzwerken 353

keine vollständige Entmündigung, vor allem bei der Finanz- und Personalpolitik.39 Entsprechende Positionen existieren zu den Just-in-time-Zulieferverhältnissen.40 4. Gemeinschaftsverhältnis Weiterhin wird die juristische Grundlage für Drittbeziehungen in verschiedenen rechtlichen Gemeinschaftsverhältnissen gesehen. Nach einer Auffassung sind Gläubigermehrheiten mit gleichgerichteten Interessen jedoch ohne einen gemeinsamen Zweck nach den Regeln der Bruchteilsgemeinschaft zu beurteilen. Es bestehe eine sogenannte Interessengemeinschaft.41 Ebenso entwickelten einige Wissenschaftler Lösungen, die ein Gemeinschaftsrecht weitgehend ohne individuelle Verbindung quasi kraft sozialer Beziehung neben dem Gesellschaftsrecht begründen.42 Nach einer Position müsse die Beurteilung derartiger gemeinschaftlicher Personenverbindungen nach sozialrechtlichen Normen erfolgen. Diese seien solche Vorschriften, die die Beteiligung mehrerer Personen an einem gemeinsamen Rechtskreis und an der zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen erforderlichen gemeinschaftlichen Willensbildung regeln. Sie sollen weder ein Objekt der alleinigen Herrschaft einer Person unterwerfen, noch sich in einem Tun, Dulden oder Unterlassen erschöpfen. Vielmehr bestehe bei ihnen Ähnlichkeit mit den Organisationsnormen eines Verbandes.43 5.  Gemischttypischer Vertrag Als nächste Rechtsgrundlage für die Beziehung zwischen den beteiligten Netzwerkakteuren kommt der gemischttypische Vertrag infrage. Neben der oben aufgeführten vertraglichen Zusammenfügung von Elementen aus unterschiedlichen Austauschverträgen wird eine solche zum Teil auch mit gesellschaftsrechtlichen Bestandteilen vorgeschlagen. Eine derartige Mischung zwischen austauschvertraglichen und gesellschaftsrechtlichen Komponenten soll vor allem den tatsächlichen Gegebenheiten aus beiden rechtlichen Organisationsformen Rechnung tragen, also insbesondere die ausgeprägten organisatorischen Elemente berücksichtigen.44 6. Netzvertrag Eine weitere Position sieht die passende rechtliche Basis für derartige Konstruktionen in einem sogenannten Netzvertrag. Grundsätzlich wird hierbei eine vertragliche Verknüpfung zwischen allen Beteiligten angenommen. Schließt beiMartinek, S. 640 ff.; Bayreuther, S. 527 ff., 579 ff.; a. A. Pasderski, S. 75 ff. Lange, S. 426 ff. 41  Würdinger, S. 1 ff.; Wüst, S. 1 ff. 42 Vgl. Paschke, AcP 187 (1987), 60, 63 ff. m. w. N.; Wolf, AcP 173 (1973), 97 ff. 43 Vgl. Larenz, Jherings Jahrbücher 83, 108, 142 f. 44  Zirkel, NJW 1990, 345, 350 f.; Weber, JA 1983, 347, 351 f. 39 

40 Vgl.

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

spielsweise eine außenstehende Person mit einem Netzwerkakteur einen Vertrag, entstünden entsprechend dieser Auffassung gleichzeitig Verträge mit allen anderen Netzwerkbeteiligten. Rechtstechnisch soll dies durch eine Stellvertretung erfolgen. Jeder Netzwerkakteur sei danach neben seiner eigenen Willenserklärung infolge der Netzwerkzugehörigkeit berechtigt, auch für die übrigen Personen des Netzwerkes Willenserklärungen abzugeben und zu empfangen. Zur Bevollmächtigung komme es schon mit dem Abschluss der ersten (bipolaren) Vereinbarung. Hierbei mache es keinen Unterschied, ob die außenstehende Person dauerhaft dem Netzwerk beitrete oder der Kontakt auf eine einmalige Beziehung begrenzt sei. Im Ergebnis würden hierdurch vertragliche Leistungspflichten zwischen allen verbundenen Personen entstehen.45 7. Vertragsverbund Ferner behauptet eine Ansicht den Vertragsverbund als Rechtsgrundlage für qualifizierte Netzwerke.46 Zusätzlich zu den einzelnen Verträgen soll danach ein rechtsgeschäftlicher Verbund bestehen. Während die Individualverträge vorrangig den bipolaren Vereinbarungen dienen würden, sei die rechtsgeschäftliche Verbundbeziehung insbesondere für die formierte Zweckstruktur zuständig. Für eine solche Konstruktion sieht die Position die wirtschaftliche Einheit von getrennten Verträgen als konstitutiv an. Ausdrücklich wird hierbei auf die spezielle Ausformung für den Fall des finanzierten Vertrages in § 358 BGB Bezug genommen.47 In beiden Situationen bestehe zwischen den Beteiligten des Netzwerkes ein rechtswirksamer Verbund, ohne dass diese eine ausdrückliche genuin multilaterale Absprache treffen müssten. Vielmehr gehe die Multilateralität schon im Wege der Selbstorganisation am Markt aus der Mehrzahl der bilateralen Vereinbarungen hervor. Dementsprechend werde in den bilateralen Verträgen privatautonom ein übergreifender Finalnexus konstituiert, der wiederum eine normative Zweckstruktur im Verbund begründe.48 Im Gegensatz zur Gesellschaft soll auch der Einzelne unmittelbarer Entscheidungsträger und Zurechnungspunkt für Folgen sein. Nur mit dieser Grundlage könne die netzwerkbedingte Widersprüchlichkeit aufgrund der gleichzeitigen Verfolgung von individuellen und kollektiven Zielen eine adäquate Berücksichtigung finden.49 In Anlehnung an § 358 Abs. 3 S. 2 BGB sei ein solcher Verbund jedoch erst dann anzunehmen, wenn eine Leistungsverpflichtung und die Verknüpfung mit den anderen Verträgen als Vertragsinhalt vereinbart werde. Kennzeichen einer solchen Verknüpfung seien insbesondere (1) eine wechselseitige Verweisung der bilateralen Verträge aufeinander im Leistungsprogramm und/oder in der VertragsRohe, insbesondere S. 169 ff.; Möschel, AcP 186 (1986), 187, 211 ff. Teubner, S. 103 ff. 47  Teubner, S. 103 ff. 48  Teubner, S. 106. 49  Teubner, S. 78 ff., 110 ff. 45 

46 

§ 25  Charakterisierung der rechtlichen Grundlage bei qualifizierten Netzwerken 355

praxis (sogenannte Mehrseitigkeit), (2) ein inhaltlicher Bezug auf das gemeinsame Projekt des Vertragsverbundes (Verbundzweck) und (3) eine rechtlich relevante enge Kooperationsbeziehung zwischen den Verbundbeteiligten (wirtschaftliche Einheit). Nicht erforderlich sei dagegen eine synallagmatische Verknüpfung zwischen den Einzelleistungen im Verbund. Machten die Beteiligten etwa in allgemeinen Geschäftsbedingungen systemeinheitliche Vorgaben für Verkaufstechniken, Betriebsausstattung und Verhalten, seien dies starke Indizien (beim Franchising) für einen rechtlichen Verbund. Eine parallele Verpflichtung von mehreren Vertragspartnern zur Kostensenkung reiche allein also noch nicht aus. Vielmehr müsse eine arbeitsteilige Aufsplitterung einer Gesamttransaktion auf selbstständige Akteure erfolgen, die allein individuell abgestimmt werde und die als einheitliche Koordination Teil der vereinbarten Verbundleistung sei.50 Ergebnis dieser tatbestandlichen Konstruktion mit Vertrag und Verbund sei schließlich eine selektive Doppelzurechnung auf die Vertragspartner und den Verbund. Je nach Umstand sollen Zurechnungen kumulativ auf beiden Ebenen, alternativ auf der einen oder anderen Ebene oder komplementär teilweise auf der einen und teilweise auf der anderen Ebene erfolgen. In Anlehnung an das Synallagma iSd. §§ 320 ff. BGB seien auch hierbei genetische, konditionelle und funktionelle Bereiche zu trennen. Ebenso wie Leistung und Gegenleistung in einem synallagmatischen Vertrag finde zudem eine Kopplung der Einzelverträge im Vertragsverbund in ihrem Geltungsbereich aneinander statt. Diese komme insbesondere dann zum Tragen, wenn der Systembestand des Verbundes infrage stehe. Eine weitere genetische Folge soll ein Zusammenhang des Verbundes mit der inneren Erwartungsstruktur der Einzelverträge sein. Danach würden Verbundpflichten entstehen, die die bipolaren Vereinbarungen wechselseitig aufeinander und auf das Gesamtsystem ausrichten. Neben den genetischen Folgen gingen auch Regeln für den Fortsetzungszusammenhang hervor. So könnten Binnendurchgriffe etwa bei Einwendungen zulässig sein, wenn der Verbundzweck selbst tangiert werde.51 8. Zwischenergebnis Die Frage nach der richtigen Rechtsgrundlage zur Beurteilung von qualifizierten Netzwerkverbindungen kann nicht allgemein beantwortet werden. Vielmehr kommt hierbei dem Einzelfall eine ausschlaggebende Bedeutung zu. In erster Linie bedarf es der Berücksichtigung des Parteiwillens. Eine andere Sichtweise würde gegen den Grundsatz der Privatautonomie verstoßen. Erst wenn ein solcher Wille unwirksam oder nicht eindeutig einem gesetzlichen Rechtsinstitut zuzuordnen ist, besteht Raum für eine autonome Bestimmung. Grundlegende Herausforderung für die freie Festlegung ist allerdings die charakteristische Stellung zwischen Markt und Hierarchie bzw. Wettbewerb und Koope50  51 

Teubner, S. 117 ff. Teubner, S. 129 ff.

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

ration.52 Während spiegelbildlich der Markt und der Wettbewerb im Wesentlichen austauschvertraglich beurteilt werden, geschieht dies bei hierarchischen Beziehungen sowie Kooperationen nach gesellschaftsrechtlichen Regeln. Die gesuchte Rechtsgrundlage muss also in der Lage sein, austauschvertragliche und organisatorische Elemente angemessen zu würdigen. Überdies bedarf es entsprechend der gesetzlichen Grundentscheidung der Grenzwahrung zum Deliktsrecht. Plausibel ist hierbei die Auffassung, die den Vertragsverbund für maßgeblich hält. Das Rechtsinstitut trägt den unterschiedlichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten bei gleichzeitiger rechtlicher Selbstständigkeit der Netzwerkakteure Rechnung. Ebenfalls wird die Wechselwirkung zwischen individuellen und kollektiven Zielen adäquat berücksichtigt. Gerade letztere Eigenschaft stößt bei der Heranziehung von anderen Rechtsgrundlagen auf Probleme. Mit den §§ 358 ff. BGB bestehen zudem hinreichende Anhaltspunkte, wie der Gesetzgeber qualifizierte Netzwerkverbindungen rechtlich beurteilen wollte. Eine gesellschaftsrechtliche Verbindung der Netzwerkakteure verlangt das Gesetz danach nicht zwangsläufig. Gegen eine solche Annahme spricht außerdem das häufige Fehlen entsprechender Strukturen, wie des Gesellschaftsvertrags, der Geschäftsführung, der Vertretung und gemeinschaftlichen Vermögens. Entscheidend sind jedoch die grundsätzlich verschiedenen Wesenseigenschaften. Während bei der Gesellschaft zumindest als notwendiges Zwischenziel ein gemeinsamer Zweck und gegebenenfalls ein individuelles Endergebnis verfolgt werden, streben die Akteure von qualifizierten Netzwerken regelmäßig kollektive und individuelle Ziele gleichzeitig an. Zudem hat bei der Gesellschaft das gemeinschaftliche Ziel Vorrang, wohingegen bei Netzwerken der umgekehrte Fall vorliegt.53 Beim Einkauf von Waren durch einen Franchisenehmer wünscht dieser beispielsweise eigene Einkaufsvorteile und solche für die übrigen Netzwerkbeteiligten, um den eigenen Umsatz und den der Verbundpartner zu steigern. Jeder Netzwerkbeteiligte ist sich darüber bewusst, dass der eigene Vorteil mit dem Erfolg des Netzwerkes in direkter Verbindung steht. Ferner können reine zweigliedrige Austauschverhältnisse die Beziehung zwischen derartigen Netzwerkpartnern nicht gebührend erfassen.54 Hier fehlt es an einer ausreichenden rechtlichen Würdigung der organisatorischen Elemente innerhalb der komplexen Strukturen. Dies zeigt sich auch an der grundsätzlichen bipolaren Gestaltung der gesetzlichen Austauschverhältnisse ohne qualifizierten multilateralen Bezug mit einer Gläubiger- und einer Schuldnerseite. Eine Franchise­beziehung erschöpft sich nicht im Austausch von Gegenständen und Dienstleistungen zwischen nur zwei Personen. Vielmehr werden individuelle und kollektive Vorteile angestrebt. Ein Teil der organisatorischen Elemente ist zudem häufig die Außendarstellung. Infolge der Festlegung von Standards erzeugen die Sydow, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 373, 405. Teubner, S. 68. 54 Ebenso Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, § 6 III 2 a. 52  53 

§ 26  Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken 357

Akteure gegenüber Dritten das Bild einer Unternehmenseinheit, dem rein austauschvertragliche Regelungen ungenügend Rechnung tragen. Ebenso wenig überzeugen Austauschverträge mit organisatorischen Elementen, wie die Dauerschuldverhältnisse, als auch die Versuche, die austauschvertraglichen und gesellschaftlichen Elemente zu mischen. Im Ergebnis berücksichtigen die Vorschläge den Doppelcharakter unzureichend. Vielmehr kommt es in qualifizierten Netzwerken zu einer Symbiose der verschiedenen Elemente, sodass eine ausschließliche oder parallele Anwendung bestimmter Normen nicht möglich ist. So dient etwa der individuelle Verkauf des Franchisenehmers infolge gemeinschaftlicher Standards zugleich der (gemeinschaftlichen) Werbung. Es besteht eine untrennbare Verbindung. Wegen der synchronen und zirkulären Verfolgung von Individual- und Kollektivzielen sind außerdem Rechtskonstruktionen mit Gemeinschaftsverhältnissen neben der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts untauglich. Im Übrigen unterscheiden sich qualifizierte Netzwerkbeziehungen von reinen Interessengemeinschaften durch die bereits bestehenden rechtlichen Vereinbarungen zwischen den Netzwerkakteuren. Selbst das Konzernrecht bietet aufgrund der erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Verbindung keine allgemein geeignete Rechtsgrundlage. Netzwerke sind lediglich vertragliche Gebilde mit organisatorischen Elementen, sodass schon der Schutzzweck des Konzernrechts regelmäßig nicht eingreift.55 Schließlich erscheint der Netzvertrag trotz Anerkennung der multipolaren Beziehungsstruktur als rechtlicher Maßstab nicht brauchbar. Eine automatische Bevollmächtigung bei Eintritt in das Netzwerk stellt eine ungerechtfertigte Fiktion dar.

§ 26  Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken I.  Besondere Pflichten 1. Problemstellung Fraglich ist, inwieweit Akteuren von Netzwerken konkrete Rechte und Pflichten zuzuschreiben sind. Während in den herkömmlichen Rechtskonstruktionen die Verpflichtungen von verbundenen Netzwerkakteuren schon mit den weitgehend normierten Regeln bestimmt werden können, bestehen vor allem bei qualifizierten Netzwerken Unsicherheiten. Für eine zusätzliche Ausweitung könnten vor allem die gesteigerten Erwartungen der Beteiligten sprechen.

55 Vgl.

Schimansky, S. 143.

358

3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

Den Ausgangspunkt bildet wiederum der gewöhnliche Austauschvertrag. Bei einem solchen Vertrag dominieren die Einzelinteressen der Vertragspartner. Jeder Beteiligte möchte den maximalen Gewinn für sich selbst erzielen. Der Profit der Vertragspartner hat dagegen eine zweitrangige Position. Als Folge dieses Interesses ist auch jeder bestrebt, Risiken nicht zu übernehmen oder zumindest zu minimieren.56 Anders soll die Interessenlage nach einigen Stimmen bei Akteuren eines qualifizierten Netzwerkes sein. Hier gehe die Zusammenarbeit über die im Wirtschaftsleben übliche Verknüpfung von Verträgen hinaus, wenn sie das Merkmal der Mehrseitigkeit erfülle, dem Verbundzweck diene und die Vertragsverbindungen eine wirtschaftliche Einheit bildeten.57 Als Beispiel verweisen manche schon auf die mit einer Banküberweisung befassten Personen.58 Bedeutend sei dabei jedoch, dass eine Bestimmtheit bzw. zumindest eine Bestimmbarkeit der Netzwerkgrenzen für die Beteiligten vorliege. Bei Franchisepartnerschaften genüge allerdings die Kenntnis über die Zahl sowie der Sitz der Systempartner und bei der Herstellung komplexer Produkte die Just-in-time-Zulieferer eines Herstellers. Ebenso sollen alle Akteure solcher Netzwerke auf sekundärer Ebene einen übergeordneten Zweck verfolgen, der zumindest konkludent in die Verträge einbezogen werde. Schließlich würden derartige Verbindungen nach außen einheitlich in Erscheinung treten. Im Ergebnis handele es sich also um eine Kooperationsgemeinschaft von gewisser Dauer und mit gegenseitigem Vertrauen zwischen den einzelnen Personen.59 Demzufolge würden sich bei Netzwerken mit diesen Voraussetzungen verschiedene Rechtsfolgen ableiten. In erster Linie müsse bei der Auslegung der Verpflichtungen aus den einzelnen Verträgen zwischen den Netzwerkakteuren der übergeordnete Sinnzusammenhang berücksichtigt werden.60 Eine Ausprägung sehen die Vertreter dieser Ansicht vor allem bei den Schutzpflichten. So sollen die Beteiligten insbesondere zu Kooperation, Information, Geheimhaltung, Gleichbehandlung, Vorteils- und Risikoteilung verpflichtet sein. 2.  Allgemeine Kooperationspflichten Die Herleitung von allgemeinen Kooperationspflichten erfolgt vor allem aus dem Ziel des Netzwerkverbundes zur dauerhaften, organisierten und systematischen Zusammenarbeit.61 Nur so sei eine gemeinsame Tätigkeit mit Erfolg möglich. Schließlich setze der Erfolg des Verbundes die Erfüllung der Pflichten aus dem Einzelvertrag voraus. Unter einer solchen allgemeinen Kooperationspflicht wird also eine Verpflichtung zur gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen den BeteiligNicklisch, BB 2000, 2166, 2168. Teubner, S. 125 ff. 58  Heermann, KritV 2006, 173, 177. 59  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 191. 60  Teubner, S. 148 ff. 61 Vgl. Wiedemann/Schultz, ZIP 1999, 1. 56  57 

§ 26  Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken 359

ten verstanden.62 Die Parteien müssten demnach die Auswirkungen ihrer Tätigkeit für das gesamte Netz und die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Vertragsbeziehungen beachten. Der Netzwerkverbund erschöpfe sich daher nicht nur in der Aneinanderreihung von Einzelverhältnissen.63 Nach anderer Auffassung sollen die Kooperationspflichten zur Erreichung des Netzwerkszwecks lediglich aus der bipolaren Vereinbarung mit den Vertragspartnern folgen. Nur zwischen diesen Partnern würden der unmittelbare Kontakt und der vereinbarte Leistungsaustausch stattfinden. Wünschten sich die Parteien dagegen eine umfassende Verpflichtung von weiteren Beteiligten, müsse eine solche von diesen konkret vereinbart werden, wie zum Beispiel bei gemeinsamen Werbeaktionen. Trotz Berücksichtigung des Netzzwecks bei den Kooperationspflichten zwischen den Vertragspartnern bestehe regelmäßig kein unmittelbarer Drittbezug.64 3.  Loyalitäts- bzw. Systemförderpflichten In Verbindung mit den Kooperationspflichten ist zuweilen die Rede von Loyalitäts- bzw. Systemförderpflichten gegenüber den anderen Netzwerkangehörigen.65 Vergleichbar mit einer gesteigerten Treuepflicht müssten die beteiligten Personen danach alles unterlassen, was den Netzwerkzweck gefährden würde.66 Im Rahmen von Franchisebeziehungen sollen sie die Beteiligten insbesondere zu gleichförmigem Verhalten anhalten. Hintergrund sei die Funktionsfähigkeit derartiger Verbindungen. Die erfolgreiche Umsetzung von Franchisegeschäftskonzepten erfordere regelmäßig ein einheitliches Auftreten mit standardisierten Merkmalen. Nur mit der Einhaltung von gleichmäßig hohen Qualitätsstandards durch alle Beteiligten könne Vertrauen beim Kunden erzeugt werden und aufgrund des Wiedererkennungseffekts ein Nutzen bei allen eintreten. Als konkretes Beispiel verweisen die Vertreter dieser Ansicht auf die Produktions- und Vermarktungsanforderungen bei McDonald´s. Dort könne die Vernachlässigung der vorgeschriebenen Grilltemperatur sogar zur Beendigung der Franchisebeziehung führen.67 Weitere Ausprägungen seien bei Kündigungen zu finden. Infolge der gesteigerten Rücksichtnahme- und Treueverpflichtungen bedürfe es etwa bei problembedingten Verbindungsbeendigungen vorab grundsätzlich eines Hilfsangebots und schadensbegrenzender Maßnahmen durch den Kündigungswilligen. Vor dem Hintergrund hoher und kundenspezifischer Investitionen sowie daraus folgender Lange, Rn. 1449. Wellenhofer, KritV 2006, 187, 192. 64  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 192. 65  Teubner, ZHR 168, 78, 89; Wiedemann/Schultz, ZIP 1999, 1. 66  Lange, Rn. 430, 965. 67 Vgl. BGH vom 3.10.1984 - VIII ZR 118/83 -, NJW 1985, 1894; Oechsler, Rn. 1280; als Teil der Loyalitätspflicht Teubner, ZHR 168, 78, 89. 62 

63 

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

längerer Amortisationszeiten fordern ferner viele für die vorzeitige Beendigung prinzipiell einen nachvollziehbaren Grund. Zudem soll mitunter eine Entschädigungs- und Rücknahmepflicht entstehen, wenn die fremdbestimmten und im schutzwürdigen Vertrauen auf den Fortbestand getätigten Investitionen anderweitig nicht verwendbar seien.68 Ähnliche Beachtung finden die Verpflichtungen bei der Kündigung zur Unzeit. In einem solchen Fall spreche der Kündigende die Lösung zwar grundsätzlich berechtigt aus, jedoch zu einem Zeitpunkt, in dem die Interessen des Kündigungsempfängers ungerechtfertigt verletzt würden. In Hinblick auf die oben aufgeführten Netzwerkkonstellationen sollen neben Individualrechtsverletzungen vor allem Missachtungen von Verbundinteressen genügen. Denkbar seien Kündigungen von Netzwerkakteuren, die mit den Gegebenheiten und Verpflichtungen der übrigen Beteiligten nicht konform gingen, sodass Ausfälle und Schäden entstünden. Ein derartiger Fall69 liege etwa vor, wenn ein für Kühltransporte zuständiger Franchisenehmer seine vertragliche Verbindung mit sofortiger Wirkung löse und damit das gesamte Verteilsystem in einem Gebiet unterbreche sowie ein Verderb der zu verteilenden Lebensmittel eintrete. Eine spezielle Ausformung erfahre die Verpflichtung zudem gegenüber Netzwerkakteuren, die eine leitende Funktion innehaben. Wegen der weitreichenden Folgen für alle Beteiligten seien die leitenden Personen zur Überwachung der Netzwerkstandards bei allen ausführenden Parteien berechtigt und verpflichtet. Dies gelte insbesondere für Systemzentralen von Franchiseorganisationen.70 Nach anderer Auffassung lässt sich selbst bei Netzwerksituationen ohne besondere Vereinbarung keine unmittelbare Drittwirkung einer Systemförderpflicht feststellen.71 4. Informationspflichten Weiterhin werden in Netzwerken besondere Informations- und Hinweispflichten befürwortet.72 Darauf aufbauend diskutieren einige Juristen Informations- und Offenbarungspflichten selbst im vorvertraglichen Bereich.73 Aufgrund des Netzzusammenhangs soll beispielsweise schon ein neuer Akteur alle Beteiligten über 68  Lange, Rn. 1331 ff., 1352 f., 1372 ff., 1397 ff. Aufgrund des unvollständigen Schutzes vor den oben beschriebenen nicht amortisierten Investitionen durch die §§ 675, 670 BGB und § 89b HGB werden für die Begründung des Entschädigungs- und Rücknahmeanspruchs auch die §§ 128, 138, 242 BGB herangezogen. Ein derartiges Verhalten kann schikanös, widersprüchlich, sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich sein. 69 Vgl. BGH vom 17.12.1998 - I ZR 106/96 -, NJW 1999, 1177. 70 Vgl. Schmidt, HandelsR, § 28, Rn. 36 ff.; Teubner, ZHR 168 (2004), 78, 89 f.; Rohe, S. 439 ff. 71  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 194. 72  Teubner, S. 151 f., 160 f.; Lange, Rn. 1388. 73  Vgl. für die Franchisebeziehung Emmerich, JuS 1995, 761, 763; eher allgemein Flohr, DStR 2004, 93, 93 f.; a. A. Böhner, NJW 1994, 635.

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mangelnde Fähigkeiten oder Möglichkeiten aufklären müssen, soweit Konsequenzen für den Verbund zu befürchten seien. Nur somit könne die Leistungsfähigkeit des Verbundes erhalten bleiben. Diese Erwägungen bestehen zudem für Personen, die schon im Netzwerk involviert sind.74 Die Gegenauffassung verneint allerdings drittbezogene Informationspflichten gegenüber allen Netzwerkangehörigen. Nach dieser Position gebe es hierfür kein Bedürfnis. Zur Vermeidung von Problemen würden schon die Informationsverpflichtungen in der Vertragsbeziehung ausreichen. So sei selbst in Dauerschuldverhältnissen die Verpflichtung anerkannt, den Vertragspartner rechtzeitig über alle wichtigen Veränderungen zu informieren. Dies umfasse etwa Hinweise auf Abweichungen beim Zuliefermaterial bis hin zu Abwicklungsproblemen wegen verspäteter Lieferungen. Ebenso sollen Franchisegeber, Endproduktehersteller und vergleichbare Personen zu angemessenen Hinweisen insbesondere bei Änderungen im Belieferungssystem oder Vertrieb verpflichtet sein. Jeder Netzwerkbeteiligte müsse auf eine Weiterreichung von relevanten Informationen von Vertragspartner zu Vertragspartner vertrauen dürfen. Am Ende dieses Prozesses wäre jeder aufgeklärt, sodass für eine übergeordnete Verpflichtung gegenüber allen keine Notwendigkeit existiere. Hiergegen könne auch nicht eingewandt werden, dass sich ein Schaden im Netzwerk vor allem aufgrund von Kettenreaktionen potenziere oder er generell erst später bei einem entfernteren Netzwerkakteur hervortrete. Vielmehr erhöhe sich das Schadensrisiko bei jeder Wertschöpfungskette. Im Übrigen seien netzwerkbezogene Hinweis- und Warnpflichten schwer handhabbar. Erkenne oder vermute ein Netzwerkakteur etwa eine Schlechtleistung, Insolvenz usw. bei einer anderen Netzwerkpartei, ohne mit ihr vertraglich verbunden zu sein, führten derartige Warnungen gegebenenfalls zu unerwünschten Einmischungen. Würden sie fälschlicherweise gegenüber anderen Netzwerkbeteiligten ausgesprochen, herrsche zudem die Gefahr von Schadensersatzansprüchen.75 5. Geheimhaltungspflichten Zu den besonderen Verpflichtungen der Netzwerkakteure werden von einigen Stimmen gleichfalls die Geheimhaltungspflichten gezählt. Infolge der Wahrnehmung ganzer Wertschöpfungsprozesse für andere Netzwerkbeteiligte kommt es regelmäßig zu einer verstärkten Teilhabe von Wissen.76 Aufgrund der Teilhabe müsse eine Pflicht zur Geheimhaltung von Know-how herrschen und die Weitergabe von Bauteilen an Außenstehende verboten sein.77 Nach Auflösung der Ver-

74  Teubner, S. 151 f.; Rohe, S. 438; zu den Aufklärungspflichten im Franchiseverhältnis Braun, NJW 1995, 504 ff.; Emmerich, JuS 1995, 761, 763; zur Qualitätssicherung zwischen Zulieferer und Hersteller Schmidt, NJW 1991, 144. 75  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 195 f. 76  Klebe/Roth, CR 1990, 677, 678 f.; Lange, Rn. 150 f. 77  Rohe, S. 406; Teubner, ZHR 168, 78, 88.

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bindung stehe die Verwendung des Wissens grundsätzlich nur dem zu, der für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit aufgekommen sei.78 Laut einer anderen Auffassung ist selbst in diesem Fall keine netzwerkweite Verbundpflicht zu sehen. Eine Pflicht zur Geheimhaltung folge vielmehr aus einer ausdrücklichen Vereinbarung, die gegebenenfalls mit Hilfe der Vertragsauslegung zu ermitteln sei. Ein derartiger Schutz könne nicht aus dem Zweck von Netzwerken oder eines Verbundes hergeleitet werden. Vielmehr sei er in diversen Verträgen als Konkurrentenschutz üblich.79 6. Gleichbehandlungspflichten Ferner steht eine Gleichbehandlungspflicht infrage. In oben genannten Netzwerken sollen beispielsweise die zentralen Netzwerkakteure zu einer Gleichbehandlung der übrigen Beteiligten verpflichtet sein. Die Einbeziehung von Umständen sei zudem umso weitläufiger, je straffer der Verbund geführt werde.80 Einige sehen das Gleichbehandlungsgebot auch als Ausfluss der Fürsorge- und Treuepflicht zwischen den Parteien81 oder als Pendant zum Weisungsrecht zentraler Akteure82. Nach anderer Auffassung sei eine Gleichbehandlung aus den Gesichtspunkten der Vereinfachung, Befriedung und Funktionsfähigkeit aller Beteiligten in einem Netzwerk nachvollziehbar. Eine damit korrespondierende Netzwerkverpflichtung könne insoweit jedoch nicht wahrgenommen werden. Hierbei spielten arbeitsrechtliche Erwägungen keine Rolle, zudem seien Netzwerkakteure regelmäßig keine unselbstständigen, abhängigen Personen, sondern im Wirtschaftsleben häufig Kaufleute. Es gelte vielmehr der Grundsatz der Vertragsfreiheit als Ausdruck des freien Wettbewerbs. Zulässig sei lediglich eine Herleitung zur Gleichbehandlung aus der Treuepflicht. Insbesondere bei intensiver Organisationseinbindung mit Einfluss- und Beherrschungsmöglichkeiten verdiene eine begrenzende Verpflichtung Anerkennung. Dies sei Ausdruck der mit der speziellen Rechtsmacht verbundenen Verantwortung der verpflichteten Person. Eine Verstärkung erfahre diese Überlegung obendrein bei langfristigen Beziehungen. Nur auf diese Weise könne der integrations- und kooperationswillige Netzwerkpartner Schutz erhalten. Konkurrierende Franchisenehmer sollen etwa gleiche Vertragsbedingungen erhalten und bei Engpässen eine anteilige Lieferung bekommen. Die dogmatische Grundlage sei vor allem § 242 BGB, aber auch § 311 Nr. 2 BGB bringe den Rechtsgedanken zum Ausdruck. Gleichwohl gelte die Verpflichtung nur im Vertragsverhältnis. Dass eine parallele Anwendung von vielen gleichartigen Verträgen stattfinde oder Lange, Rn. 1351. Wellenhofer, KritV 2006, 187, 196. 80  Teubner, S. 153 f.; vgl. Vertragshändler und Franchisebeziehungen Lange, Rn. 715 f.; Rohe, S. 441, 478 f. 81  Lange, Rn. 715; Ulmer, P., S. 434. 82  Teubner, S. 154. 78 

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ein Vertragsverbund vorliege, führe jedoch nicht zu einer zwangsläufigen Ausdehnung der Verpflichtung gegenüber allen Netzwerkbeteiligten. Diese Umstände seien vielmehr nur die Voraussetzung des individualvertraglichen Anspruchs.83 7. Vorteilsteilungspflicht Eine der wahrscheinlich umstrittensten Pflichten von Netzwerkakteuren ist die Verpflichtung die anfallenden Vorteile zu teilen. Nach einer Auffassung folgt die Pflicht zum sogenannten „profit sharing“ aus dem Netzwerkhintergrund. Vielfach seien Vorteile nur bei der Mitwirkung aller Beteiligten erreichbar. Da die Erfolge dem Verbund als Ganzes zuzurechnen seien, müsse auch entsprechend geteilt werden.84 Im Gegensatz zu gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilungen erfolgen jedoch nicht zuerst eine Zurechnung zur Kollektiveinheit und später eine Aufteilung an die einzelnen Beteiligten. Vielmehr soll jeder Netzwerkakteur aufgrund des Doppelcharakters sofort seine individuelle Leistung (abzugsweise) einbehalten dürfen.85 Nicht zuletzt resultiere die Verpflichtung zur Gewinnteilung aus dem Gleichbehandlungs- und Fairnessprinzip.86 Sei keine ausdrückliche vertragliche Regelung getroffen worden, ergebe sich die Verpflichtung schon aus der Natur einer solchen vertraglichen Verbindung.87 Nach der Gegenauffassung besteht jedoch keine derartige Verpflichtung, die einem Netzwerk ohne ausdrückliche Abmachung immanent sein soll.88 Selbst im Arbeitsrecht habe ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Erfolgsprämie, wenn diese nicht vereinbart wurde. Es sei daher fraglich, ob die lose Verbindung durch den gemeinsamen Netzwerkzweck mit der Übernahme des eigenen Risikos eine Teilhabe rechtfertige oder im Fall von Franchise dem Franchisegeber als Gründer und Organisator des Systems der Mehrverdienst gebühre. Eine generelle Verpflichtung zur Vorteilsweiterleitung überschreite jedoch die Grenzen der ergänzenden Vertragsauslegung.89 8. Risikoteilungspflicht Neben der Teilung von Vorzügen wird eine solche ebenfalls für die Risiken in Betracht gezogen. Dies soll vor allem dort der Fall sein, wo eine Individualzurechnung aufgrund von qualifizierten Netzwerkstrukturen Schwierigkeiten bereite. In der Begründung führen die Vertreter die Rechtsprechung zu der RisikoverlageWellenhofer, KritV 2006, 187, 196 ff. Teubner, ZHR 168, 78, 90 ff.; a. A. für das GWB BGH vom 11.11.2008 - KVR 17/08 -, GRUR 2009, 424 mit kritischer Anmerkung von Oechsler, in: LMK 2009, 276152. 85  Teubner, S. 161. 86  Teubner, S. 156 ff. 87  Böhner, KritV 2006, 227, 242. 88  Flohr, DStR 2004, 93, 95 ff. 89  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 198 f. 83 

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rung im Zusammenhang mit Kreditkartensystemen an. Danach könne ein Kreditkartenunternehmen das Missbrauchsrisiko nicht einseitig auf das Vertragsunternehmen mit allgemeinen Geschäftsbedingungen verlagern.90 Dementsprechend sei beispielsweise auch eine formularmäßige Abbedingung der handelsrechtlichen Rügepflicht nach §§ 377 f. HGB bei einer Just-in-time-Belieferung nur dann zulässig, wenn eine hohe Integration des Zulieferers in den Herstellungsprozess erfolge, sodass eine Verwässerung der Unternehmensgrenzen stattfinde und kompensatorische Klauseln eine echte Risikoteilung vorsehen würden. Bei der Risikoteilung müssten zudem die Kosten der Kontrolle, das Restrisiko sowie das Wertverhältnis zwischen den Zulieferbeiträgen zum Endprodukt eine angemessene Berücksichtigung erfahren.91 9. Zwischenergebnis Es existiert kein fester Katalog von besonderen Pflichten, die durch Akteure eines qualifizierten Netzwerkes eingehalten werden müssen. Entscheidend sind wiederum grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls, insbesondere ein Bedürfnis für Pflichten nicht nur gegenüber dem direkten Vertragspartner, und die rechtliche Grundlage. Die Privatautonomie muss gewährleistet bleiben. Sollte keine ausdrückliche Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsinstitut möglich sein, gilt nach vorzugswürdiger Auffassung die Maßgeblichkeit des Vertragsverbundes (vgl. § 25 II 8.). Bei der Bestimmung sind die gleichzeitige Verfolgung von individuellen und kollektiven Zwecken sowie die daraus folgende Beziehung, in der die Beteiligten konkurrieren als auch kooperieren, zu berücksichtigen. Eine pauschale Übernahme der einzelnen austauschvertraglichen oder gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen scheidet daher aus. Vielmehr entstehen spezielle Verpflichtungen nur dann, wenn die Sicherung des Verbundzwecks dies erfordert. Insoweit handelt es sich um Loyalitäts- und Treuepflichten in verschiedenen Ausprägungen. Hierbei ist der allgemeinen Regel zu folgen, je enger die gegenseitigen Rechtsbeziehungen sind, desto intensiver müssen die gegenseitigen Verpflichtungen ausfallen.92 Die Pflichten dürfen die gewünschten wirtschaftlichen Vorteile, wie etwa Flexibilität und Kostenersparnis (vgl. § 3 IV.), auch nicht unangemessen beeinträchtigen oder gar aufheben. Nur so kann die regelmäßig beabsichtigte Selbstständigkeit der Akteure mit dem nötigen Raum für Anpassungen und die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen aufrechterhalten bleiben. Bei vertriebsorientierten Netzwerken bedarf es insbesondere der Beachtung des Handelsvertreterrechts nach den §§ 84 ff. HGB.93 Gerade diese Vorschriften bieten ein gesetzlich normiertes Modell eines interessenwahrenden AbsatzmittlungsBGH vom 16.4.2002 - XI ZR 375/00 -, JZ 2002, 1167. Insbesondere vor dem Hintergrund einer AGB-Kontrolle Teubner, S. 161 ff. vor allem S. 170 f. Zur Abbedingung der Rügepflicht Martinek, in: FS Günther Jahr, S. 305 ff. 92 Vgl. Bayreuther, S. 176 f. 93 Vgl. Lange, Rn. 1370. 90  91 

§ 26  Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken 365

verhältnisses.94 Kommt es daher beispielsweise infolge der Zusammenarbeit der Netzwerkakteure zu einer Teilhabe von relevantem Wissen, muss dieses geheim gehalten werden. In Anlehnung an § 86 Abs. 2 HGB gebietet ebenso die Loyalitätsverpflichtung eines Beteiligten gegenüber den anderen Netzwerkakteuren zu einer frühzeitigen Ankündigung, wenn er seine Position nicht länger ausführen will bzw. kann. Gegebenenfalls sind auftauchende Nachteile auszugleichen, vgl. etwa § 89b HGB. Die gegenseitige Abhängigkeit verstärkt die Vertrauensstellung im Vergleich zu Positionen in herkömmlichen Beziehungen. Nur so kann mit einer Anpassung die Erfüllung des Verbundzwecks weiterhin gewährleistet bleiben. Entsprechendes bestätigen die sozialwissenschaftlichen Annahmen zu den Cliquen. Hiernach soll der soziale Einfluss innerhalb eines solchen Verbundes zu einem Konsensdruck mit der Tendenz zur gegenseitigen Angleichung samt verstärktem Informationsaustausch führen. Ähnlich verhält es sich bei der Pflicht zur Gewinnteilung. Zwar folgt diese nicht aus der Abhängigkeit der Netzwerkakteure untereinander, wie der Vergleich zum Arbeitsverhältnis zeigt. Eine solche Verpflichtung entsteht allerdings dann, wenn der Verbundzweck betroffen wird. Ist beispielsweise ein Franchisepartner mit dem Einkauf von Vertriebsware für die anderen Franchisepartner befasst, muss er die Einkaufsbedingungen weitergeben, wenn sie auf der konzentrierten Nachfragemacht des Verbundes beruhen und gerade daraus die Existenz der Verbindung ihre Rechtfertigung erfährt. Hierin liegen vielfach die betriebswirtschaftlich angestrebten Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Verkaufskonzepten. Sind diese Vorteile nicht erreichbar, können die anderen Netzwerkakteure keine Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten erzielen. Letztlich gilt der Verbund als infrage gestellt. Andererseits darf jedoch keine Ausbeutung des handelnden Netzwerkakteurs eintreten. Schließlich erbringt jeder Akteur innerhalb seines individuellen Tätigkeitsbereichs eine wertvolle Leistung, sodass auch ihm ein tätigkeitsäquivalenter Anteil gewährt werden muss. Im Ergebnis ist die Stellung des preisverhandelnden Akteurs aufgrund seiner Verbindung zu den übrigen Netzwerkakteuren nebst gegenseitiger Treue und Loyalität weniger mit einem unabhängigen Zwischenhändler als vielmehr mit einem Treuhänder oder Makler vergleichbar. Selbst letztere Personen müssen im Sinne der Interessen ihrer Geschäftspartner entscheiden. Gerade in der Verfolgung individueller und kollektiver Ziele sowie der Konkurrenz als auch der Kooperation fußt das Wesen von Netzwerken.95 Zurückhaltung ist indes bei der Verpflichtung zur Gleichbehandlung geboten. In Hinblick auf die Privatautonomie und die notwendige Anpassungsfähigkeit sollte eine solche Pflicht nur bei willkürlichen Verletzungen des Verbundzwecks eingreifen. 94  Emmerich, JuS 1995, 761, 763; Weber, JA 1983, 347, 352 f.; kritisch Möller, AcP 2003, 319, 331 f. 95 Ebenso Teubner, S. 159 ff.

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Problematisch erscheint schließlich eine Risikoteilungspflicht. Sogar eine qualifizierte Vernetzung darf allerdings nicht zu einer pauschalen Kollektivierung aller Kosten führen. Anderenfalls würde einer solchen Beziehungsart die Grundlage entzogen. Jeder Beteiligte müsste die Befürchtung haben, von den Verbundpartnern ausgebeutet zu werden. Richtig ist jedoch eine erschwerte Risikozuordnung durch netzwerkbedingtes Verhalten. Eine Risikoverlagerung auf den Verbund mit entsprechender Teilung kann daher erst zulässig sein, wenn die Risikosphäre des Netzwerkakteurs verlassen wurde und das Recht für den Fall keine angemessene Regelung vorsieht. Allein die Abschaffung der Lagerhaltung begründet daher keine Abbedingung der gesetzlichen Rügepflicht. Selbst die organisatorische Abstimmung führt nicht zu einer solchen Konsequenz, sodass es andernfalls zu einer unangemessenen Vermischung von der Individualsphäre mit der Kollektivebene käme. Schließlich richtet sich der personelle Anwendungsbereich der Verpflichtungen nach den Umständen des Einzelfalls. Sind die speziellen Verbundmerkmale zu bejahen und erfordert es der Verbundzweck, muss allerdings ein rein bipolarer Wirkungskreis abgelehnt werden. Schließlich stehen die Netzwerkpartner zueinander nicht wie Fremde. Ferner hängt von der Erfüllung der Verpflichtungen die Verwirklichung der Netzwerkziele ab. Die einzelnen Pflichten geben quasi die Erwartungen der Beteiligten wieder, auf welche die Netzwerkakteure erkennbar vertrauen. Für den Drittbezug spricht zudem der Rechtsgedanke der §§ 330 f. BGB. Auch in diesen Fällen gewährt der Gesetzgeber den Dritten ohne originäre individualvertragliche Beteiligung eigene Rechte, wenn die Erfüllung für sie eine besondere Wichtigkeit hat. Im Übrigen würden reine bipolare Verpflichtungen wegen des grundsätzlichen Verschuldenserfordernisses bei Schadensersatzansprüchen Schutzlücken schaffen. Beispielsweise wird häufig der unmittelbare Vertragspartner des Franchisenehmers nicht wissen und nicht vorhersehen können, dass ein anderer mit ihm individualvertraglich nicht verbundener Franchisenehmer Schwierigkeiten bei der Leistungserfüllung hat. Spätestens durch die einheitliche Außendarstellung kommt es allerdings zu Auswirkungen auf alle Beteiligten.

II.  Dogmatische Begründung 1. Problemstellung Bei Annahme besonderer Verpflichtungen stellt sich die Frage nach deren Rechtsgrundlage für die Durchsetzung. Während bei vertraglich verbundenen Akteuren das Individualrechtsverhältnis herangezogen werden kann, ist dies bei Netzwerkbeteiligten ohne unmittelbare Rechtsvereinbarung fraglich. Zu letzterer Gruppe zählt etwa die Konstellation, dass ein Franchisenehmer die im Verbund geltenden Standards missachtet, die Franchisezentrale nicht rechtzeitig angemessen einschreitet und der pflichtwidrig handelnde Franchisenehmer dadurch auf Kosten der anderen Verbundpartner Wettbewerbsvorteile erreicht, das sogenannte Freeride. Hierzu kommt es insbesondere, wenn die Systemzentrale wegen Unwissenheit,

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Trägheit, Personalmangel oder aus Angst vor einem bedeutenden Franchisenehmer nicht handelt bzw. die Beschreitung des Rechtsweges gegen die Systemzentrale zu irreparablen Beeinträchtigungen führen würde.96 Wegen des weitläufigen Anwendungsbereichs von Netzwerken soll die Darstellung im Folgenden hauptsächlich auf allgemeingültige Rechtsinstitute des Zivilrechts begrenzt bleiben. 2. Erfüllungsgehilfenhaftung Die Regelung in § 278 BGB bietet keine Hilfe für die Begründung einer dogmatischen Grundlage von drittwirkenden Pflichten. In erster Linie findet hiernach nur eine Zurechnung von fremdem Verschulden statt. Anspruchsgegner ist der direkte Vertragspartner und gerade nicht der Dritte. Hat der Dritte den Schaden verursacht, wird er über § 278 BGB nicht zum Anspruchsgegner. Im Übrigen gilt der Dritte regelmäßig nicht als Erfüllungsgehilfe des eigenen Vertragspartners.97 Dies betrifft zumindest den Zulieferungs- und Franchisebereich. Der Franchisenehmer darf prinzipiell nicht als Erfüllungsgehilfe des Franchisegebers gegenüber einem anderen Franchisenehmer angesehen werden.98 3.  Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte Einige schlagen für die dogmatische Begründung das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte vor. Bestärkt wird diese Position durch die ältere Rechtsprechung. Der BGH hatte etwa unter Zuhilfenahme dieses Konstrukts einen Schadensersatzanspruch eines Scheckinhabers direkt gegen die Deutsche Bundesbank bejaht, nachdem dieser über sein Kreditinstitut einen Scheck eingezogen und die Bank die Weiterleitung schuldhaft verzögert hatte.99 Auch in anderen Konstellationen, wie beispielsweise in Just-in-time-Beziehungen, wird die Schutzwirkung von bipolaren Verträgen auf die übrigen Netzwerkakteure herangezogen.100 Voraussetzungen sind für einen solchen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach allgemeiner Auffassung die Leistungsnähe des Dritten, seine Gläubigernähe, die Erkennbarkeit der Einbeziehung für den Schuldner und die Schutzbedürftigkeit des Dritten (vgl. § 10 V.).101 Allerdings stellen viele die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale infrage.102 Dies beginnt schon bei der Leistungsnähe. Nach dem Sinn und Zweck soll damit im WeWellenhofer, KritV 2006, 187, 199. Vgl. für den Bankbereich RGZ 105, 48, 51; Rohe, S. 120 ff. 98 Vgl. Hüffer, ZHR 151, 93, 95; ähnlich für die Mieter-Vermieterbeziehung gegenüber einem anderen Mieter BGH vom 12.5.1969 - VIII ZR 164/67 -, VersR 1969, 754; enger Riesenhuber, S. 270 ff. m. w. N. 99  BGHZ 96, 9, 17 ff.; a. A. BGHZ 176, 281. 100  Lange, Rn. 380 ff. 101  Brox/Walker, SchuldR AT, § 33. 102  Für Bankgeschäfte BGHZ 176, 281, 291 ff. m. w. N. 96 

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sentlichen eine Begrenzung der Anspruchsberechtigten erfolgen. Nur die Personen, die bestimmungsgemäß mit der Leistung und den Gefahren in Kontakt geraten wie der Gläubiger selbst, werden erfasst.103 Nicht erforderlich ist jedoch der unmittelbare Bezug des Anspruchstellers zur Hauptleistung, eine individuelle Bekanntschaft oder gar ein Nutzen des Dritten aus der Leistung, wie beispielsweise die verschiedenen miet- und kaufvertraglichen Fälle zeigen. Im Gemüseblattfall war etwa ein Kind, das seine Mutter beim Einkauf begleitete, auf einem Gemüseblatt ausgerutscht.104 Da allerdings in den Netzwerkfällen keine räumlich geprägte Nähebeziehung existiere, fehlt es nach einer Auffassung schon an der Leistungsnähe. Ebenso sei der Bezug des Einzelverhältnisses zu den übrigen Vertragsverhältnissen im Netzwerk zu lose.105 Außerdem zweifelt die Rechtsprechung an der erforderlichen Nähebeziehung des Gläubigers zum Dritten bei Beziehungsketten auf Kauf- bzw. Werkvertragsbasis.106 Zusätzliche Bedenken herrschen im Rahmen der Schutzbedürftigkeit. Bei zentralen Netzwerken sollen regelmäßig inhaltsgleiche Ansprüche gegen den unmittelbaren Vertragspartner vorliegen. Im Zusammenhang mit Franchisesystemen verweisen einige speziell auf solche gegen den Franchisegeber.107 Weitere verneinen aufgrund der anderen Ansprüche einen Einbeziehungswillen.108 Schließlich wird die Ungeeignetheit des Rechtsinstituts in seiner Gesamtheit eingewandt. Das Rechtsinstitut könne die Multilateralität in Vertragsnetzen nicht ausreichend nachvollziehen, weil das bilaterale Verhältnis im Vordergrund stehe.109 Obendrein führen die Gegner die Beschränkung auf Schadensersatzansprüche an, wodurch die vielfältigen Wechselwirkungen und Steuerungsmechanismen keine angemessene Würdigung erfahren würden.110 4. Drittschadensliquidation Weiterhin wird die Drittschadensliquidation herangezogen, um vertragliche Ansprüche zwischen den Parteien zu begründen, die miteinander keine Individualvereinbarung getroffen haben. Vor allem die neuere Rechtsprechung hat auf Grundlage dieses Rechtsinstituts einen Anspruch eines Bankkunden gegen eine fremde Auszahlungsbank in einer Überweisungskette angenommen, als diese sich sorgfaltspflichtwidrig verhielt.111

103 MünchKomm/Gottwald,

§ 328 BGB, Rn. 181. BGH vom 28.1.1976 - VIII ZR 246/74 -, NJW 1976, 712. 105  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 200 f. 106  BGHZ 51, 91, 96 ff. 107  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 200. 108  Zirkel, NJW 1990, 345, 350. 109  Teubner, S. 230 f. 110  Lange, Rn. 397. 111  BGHZ 176, 281. 104 

§ 26  Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken 369

Allgemein setzt die Drittschadensliquidation mehrere Bedingungen voraus. Zum einen muss eine Person die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage erfüllen, aber keinen ersatzfähigen Schaden haben. Weiterhin ist ein Geschädigter erforderlich, der jedoch keinen Anspruch hat. Und schließlich bedarf es einer zufälligen Schadensverlagerung vom Anspruchsberechtigten auf den Dritten sowie des Fehlens eines anderweitigen Ersatzanspruchs. Ein Ausschlussgrund soll dann vorliegen, wenn der Schaden adäquat auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage geltend gemacht werden kann.112 Überwiegend anerkannt sind die Voraussetzungen insbesondere bei Fällen einer obligatorischen Gefahrentlastung, der mittelbaren Stellvertretung, der Obhut für fremde Sachen und bei Treuhandverhältnissen.113 Sind die Voraussetzungen gegeben, wird zunächst der Schaden zum Zweck der Liquidation zum Anspruch gezogen. Sodann findet eine Anspruchsabtretung oder sonstige Schadenskompensation des nichtgeschädigten Anspruchsinhabers an den geschädigten Dritten statt (vgl. § 23 VII.). In der oben genannten Entscheidung führt das Gericht insbesondere an, dass beim mehrgliedrigen Zahlungsverkehr eine Situation der mittelbaren Stellvertretung vorliege. Die vom Kunden beauftragte Bank handele bei der Vereinbarung mit der nächsten Girobank im eigenen Namen, aber für Rechnung und Interesse ihres Kunden. Bei der Weiterleitung des Auftrages könne dem Kunden allerdings durch eine Sorgfaltspflichtverletzung ein Schaden entstehen, für den die von ihm beauftragte Bank nicht haften müsse, der aber gegebenenfalls einen vertraglichen Ersatzanspruch seiner Bank gegen die von ihr beauftragte Bank begründe. Damit wurden im Ergebnis die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation angenommen.114 Allerdings haben nicht alle die Anwendung der Drittschadensliquidation unkritisch aufgenommen. Erste Hindernisse hat die Literatur schon bei der Anspruchsabtretung ausgemacht. Diese sei ein praktischer Nachteil.115 Ebenso soll die Interessenlage nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Abwicklung über die verschiedenen Beteiligten erfülle nicht das beabsichtigte Ziel einer effektiven Anspruchsverfolgung. Zudem gebe es Fälle, bei denen der eingetretene Schaden typischerweise nur beim tatsächlich Geschädigten eintrete.116 5.  Vorvertragliche Haftung Bei der Begründung von Ansprüchen zwischen individualvertraglich nicht verbundenen Netzwerkbeteiligten ist zudem an die Haftung im vorvertraglichen 112  Brox/Walker, SchuldR AT, § 29, Rn. 14 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1023 ff.; MünchKomm/Oetker, § 249 BGB, Rn. 289 ff. 113  BGHZ 40, 91, 100 f.; 51, 91, 93 f. 114  BGHZ 176, 281, 293. 115  Schmidt, HandelsR, § 35 II, Rn. 42 a. E. 116  Rohe, S. 96 ff., 103.

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

Bereich zu denken. Nach § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit den Schutzpflichten iSd. § 241 Abs. 2 BGB auch durch sogenannte „ähnliche geschäftliche Kontakte“. Die Variante gilt als Auffangtatbestand. Für einen derartigen Kontakt bedarf es keines Vertrages oder einer Vertragsanbahnung. Aufgrund des Merkmals „geschäftlich“ genügen allerdings rein soziale Kontakte nicht.117 Daneben wird in der Literatur jedoch beispielsweise bei einmaligem Kontakt das Verhältnis eines Headhunters zum Altarbeitgeber nicht unter § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB gefasst, weil der gesetzlich immanente Vertrauensschutzgesichtspunkt überdehnt und wirtschaftliche Innovationen zu stark eingeschränkt würden.118 Ebenso soll keine Anwendbarkeit gegeben sein, wenn Werbung mit der Konzernzugehörigkeit stattfinde.119 Insbesondere gegen eine Heranziehung der Norm innerhalb von Netzwerken führt eine Position den fehlenden Kontakt an. Nach dem Gesetzeswortlaut soll ein Kontakt eine unmittelbare Berührung und Begegnung voraussetzen. Eine reflexartige Verletzung oder eine solche infolge einer Kettenreaktion genüge diesen Anforderungen hingegen nicht. Zudem lasse die Bezeichnung als „geschäftlicher Kontakt“ auf eine in gewisser Hinsicht zielgerichtete und bewusste Begegnung schließen.120 6.  Sonderverbindung wegen Anschlussverhältnisses Eine besondere dogmatische Grundlage wird für Rechtsverhältnisse mit Nebenparteien behauptet. Nach dieser Position soll etwa eine Sonderverbindung zwischen Parteien eines Mietshauses und Arbeitnehmern desselben Betriebes bestehen. Als Grundlage dient der Vertrag zugunsten Dritter. Für die Annahme einer solchen Verbindung sei weniger die Gläubiger- und Leistungsnähe als vielmehr die vertragliche Einordnung in eine tatsächliche Gemeinschaft entscheidend.121 Hierzu bedarf es jedoch einer bestimmungsgemäßen, nicht nur zufälligen Beziehung.122 Im Ergebnis werde nach der Auffassung der Rechtskreis des Individuums in einem einheitlichen Rechtskreis der Gemeinschaft integriert und (mit-)bestimmt.123 Je nach Art der Tätigkeit und Einwirkungsbereich würden sich verschiedene Pflichten ergeben. Möglich seien beispielsweise Schutz-, Rücksichtnahme-, Informations- und Geheimhaltungspflichten.124

117 Palandt/Grüneberg,

§ 311 BGB, Rn. 24. Benecke/Pils, NZA-RR 2005, 561, 568. 119  Vgl. zur Konzernvertrauenshaftung Rieckers, BB 2006, 277, 277 ff. 120  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 202. 121  Riesenhuber, S. 181. 122  Riesenhuber, S. 188. 123  Riesenhuber, S. 205. 124 Vgl. Riesenhuber, S. 182, 193 ff. 118 

§ 26  Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken 371

7.  Vertragsverbund als Sonderverbindung Eine andere Position sieht den Vertragsverbund als pflichtenbegründende Sonderverbindung an. Voraussetzungen hierfür sollen die wechselseitige Verweisung der Verträge, ein konkreter Verbundzweck und ein Kooperationsverhältnis sein (vgl. § 25 II 7.). Im Ergebnis entstehe durch einen solchen Vertragsverbund auch zwischen den vertraglich nicht gebundenen Akteuren eine rechtliche Sonderverbindung vergleichbar mit der culpa in contrahendo.125 Allerdings seien die Ansprüche auf den Verbundbereich begrenzt.126 Im Zusammenhang mit hierarchischen Netzwerken, wie Franchisesystemen, soll zudem eine Subsidiarität gegenüber einer Pflichtendurchsetzung vonseiten des zentralen Akteurs existieren. In Anlehnung an die Grundsätze der actio pro socio müsse die Anspruchsberechtigung vorrangig auf die Fälle der Untätigkeit oder Weigerung begrenzt bleiben.127 Trotz Anerkennung einer Schadensvorbeugung wird hierbei jedoch die Geltendmachung eines individuellen Schadens über die Rechtsfigur der actio pro socio kritisch gesehen.128 8.  Multilaterale Sonderverbindung Neben den speziellen Formen der Sonderverbindung wegen eines Anschlussverhältnisses und im Vertragsverbund sehen manche eine solche auch generell bei bestimmten multilateralen Verbindungen. Die Legitimation folge aus den Erwartungen der Beteiligten. Schon aus den Verweisen auf die Verkehrssitte in den §§ 151, 157, 242 BGB werde eine Anerkennung des nicht staatlich gelenkten Rechtsverkehrs zwischen einzelnen Personen sichtbar. Komme zu den (spontanen) Erwartungen ein ordnungsgebendes Projekt oder ein übergreifender Zweck hinzu, sollen wiederum eine semi-spontane Ordnung und schließlich eine Sonderverbindung entstehen. Rechtlich würden sich hieraus vor allem zwischen den individualvertraglich ungebundenen Beteiligten Netzpflichten ergeben, wie Kooperations-, Treue- und Schutzpflichten. Andere Verpflichtungen aus bilateralen Verträgen blieben unberührt. Somit sei die isolierte reflexartige Realisierung des allgemeinen Vertragsrisikos nicht erfasst. In Bezug auf die Unsicherheiten bei den legitimatorischen Grundlagen herrsche hier im Übrigen eine vergleichbare Sachlage, wie etwa bei der culpa in contrahendo vor ihrer gesetzlichen Normierung.129

So schon für den finanzierten Kauf Gernhuber, in: FS Larenz, S. 455, 493. Teubner, S. 193 ff. 127  Teubner, S. 197 ff. m. w. N.; ebenso für die Anwendung der actio pro socio Riesenhuber, S. 28. 128  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 202 f. 129  Heldt, KritV 2006, 208, 222 ff. 125 

126 

372

3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

9. Netzvertrag Weiterhin schlägt eine Position den Netzvertrag als taugliche Rechtsgrundlage für Ansprüche zwischen den beteiligten Akteuren vor. Infolge der konkludenten Bevollmächtigung kommen laut der Auffassung Verträge zwischen allen Netzwerkbeteiligten zustande (vgl. § 25 II 6.). Jeder Akteur könne danach bei Pflichtverletzungen den anderen vertraglich in Anspruch nehmen. Ausnahmen lässt die Theorie allerdings bei hierarchischen Netzwerken zu. Hier soll nur die Zentrale zur Einhaltung der Netzwerkfunktionen verpflichtet sein. Schließlich müsse gerade sie die Interessen aller Netzwerkbeteiligten angemessen berücksichtigen.130 10.  § 826 BGB Zusätzlich zu den vertraglichen und vertragsähnlichen Grundlagen wird schließlich das Deliktsrecht für die dogmatische Begründung von Ansprüchen zwischen nicht individualvertraglich verbundenen Netzwerkbeteiligten herangezogen. Häufig ist hier jedoch die Vermögensbeschädigung streitig, sodass § 823 Abs. 1 BGB schon ausscheidet.131 Daher sehen viele die dogmatische Basis für die Beziehung zwischen vertraglich nicht unmittelbar verbundenen Netzwerkakteuren allein in § 826 BGB. Ansprüche dürfe folglich nur derjenige stellen, dem in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zufügt worden sei. Im Ergebnis könne der auf einer unmittelbaren oder mittelbaren Handlung beruhen. Nach dieser Position entscheide lediglich, dass eine sittenwidrige Handlung vorliege, d. h. sie müsse das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzen.132 Ausschlaggebende Bedeutung erlange hierbei die moralische Anschauung des betroffenen Verkehrskreises. Im wirtschaftlichen Bereich würden diese vielfach durch Handelsbräuche und Verkehrssitten zum Ausdruck gebracht.133 Bei Netzwerken soll eine Konkretisierung speziell durch die Mindeststandards an Verhaltenserwartungen und -notwendigkeiten eintreten. Insofern seien auch die erstrebten Verbundvorteile, wie Kostensenkung und Flexibilisierung, zu berücksichtigen, die allein über eine entsprechende Mitwirkung aller Beteiligten erreicht würden. Abgesehen von der Gewinnerwartung nehme aber jeder Netzwerkakteur durch die Beteiligung auch alle Risiken eines solchen Verbundes bewusst in Kauf. Ein sittenwidriges Verhalten könne deshalb nicht schon bei gewöhnlichen Schäden bestehen, sondern erst im Fall einer erheblichen Gefährdung der Grundlage des Gesamtsystems. Allein die Verwirklichung des Gesamtsystems bewege die Verbundparteien zu einer Mitwirkung – unter Umständen bis hin zur existenziellen Abhängigkeit. In der 130 

Rohe, S. 494 ff.

131 MünchKomm/Wagner,

§ 823 BGB, Rn. 247. RGZ 48, 114, 124; BGH vom 19.7.2004 - II ZR 217/03 -, NJW 2004, 2668, 2670. 133  Vgl. MünchKomm/Wagner, § 826 BGB, Rn. 10; Staudinger/Oechsler, § 826 BGB, Rn. 37. 132 

§ 26  Ausgewählte Pflichten im Binnenverhältnis bei qualifizierten Netzwerken 373

Regel werde daher eine solche Gefährdung gegeben sein, wenn ein Netzwerkakteur mit einem rücksichtslosen Verhalten die Systemregeln verletze und so sich auf Kosten von anderen Beteiligten Vorteile verschaffe.134 Subjektiv müsse der Anspruchsgegner vorsätzlich handeln. Neben der Kenntnis von dem Schaden sei diese zudem bezüglich der Ursächlichkeit der eigenen Handlung und der sittenwidrigen Umstände erforderlich. Eine Schädigungsabsicht oder eine individuelle Bekanntschaft mit dem Geschädigten verlange der Tatbestand dagegen nicht.135 Manche Stimmen in der Literatur halten die Anwendung des § 826 BGB auf die Haftung zwischen nicht vertraglich verbundenen Netzakteuren in vielfacher Hinsicht für vorteilhaft. Die weitgehend auf schwerwiegende Pflichtverletzungen begrenzte Haftung vermeide einerseits eine starke Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit, sodass auch unternehmerische Freiheiten und ein fairer Wettbewerb möglich blieben. Unterstrichen werde dies zudem durch die Darlegungsund Beweisbelastung des Geschädigten. Andererseits erfordere aus dogmatischer Sicht eine solche Lösung keine besonderen Rechtskonstruktionen. Schließlich genieße die Heranziehung des § 826 BGB eine allgemeine rechtliche Anerkennung, da auch die Rechtsprechung bei Streitigkeiten in Mehrpersonenverhältnissen oft auf § 826 BGB zurückgreife.136, 137 11.  Wettbewerbsrechtliche Ansprüche Neben zivilrechtlichen Grundlagen wird auch das deliktisch geprägte Wettbewerbsrecht als Ursprung für die Ansprüche diskutiert.138 Normativ ist insbesondere auf § 4 Nr. 4 iVm. § 3 Abs. 1 UWG abzustellen. Ein solcher Anspruch kommt grundsätzlich in Frage, wenn ein Unternehmen innerhalb eines Preis- oder Vertriebsbindungssystems eine massive Absatzbehinderung erfährt, weil ein anderes unlauter die Systemware ohne Rücksicht auf die Preis- oder Vertriebsbindung vertreibt und somit den gebundenen Personen die weitere Beachtung der Preis- oder Vertriebsbindung erheblich erschwert bzw. unmöglich macht.139 12. Stellungnahme Die Anerkennung des Vertragsverbundes als pflichtenbegründende Sonderverbindung überzeugt. Wirken Netzwerkakteure in einem wirtschaftlichen Verbund Wellenhofer, KritV 2006, 187, 203 f. § 826 BGB, Rn. 23 ff. 136 Vgl. BGH vom 5.12.1972 - VI ZR 120/71 -, NJW 1973, 321; vom 26.11.1986 - IVa ZR 86/85 -, NJW 1987, 1758; vom 13.2.1992 - III ZR 28/90 -, NJW 1992, 2080. 137  Wellenhofer, KritV 2006, 187, 205 f. 138  Teubner, S. 186 f. 139  Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 6, Rn. 22 ff.; Boesche, § 9, Rn. 411; Köhler/ Bornkamm/Köhler, § 10 UWG, Rn. 10.63. 134 

135 MünchKomm/Wagner,

374

3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

zusammen, erfolgt keine Begrenzung ihrer Beziehung auf den rein sozialen Bereich. Vielmehr befinden sie sich in einem spezifischen geschäftlichen Umfeld. Durch die wechselseitige Verweisung der Verträge, den einheitlichen Verbundzweck und das enge Kooperationsverhältnis liegt zudem eine fundierte Vertrauensgrundlage vor. Auf dieser Basis müssen selbst dann Verpflichtungen bejaht werden, wenn sie nicht unmittelbar individualvertraglich vereinbart wurden. Jeder Beteiligte ist sich mit der individualvertraglichen Verbindung zu einem Verbundpartner auch über die spezielle individuell-kollektive Verfolgung des Verbundzwecks bewusst. Gerade durch die sowohl konkurrierende als auch kooperierende Art des Zusammenwirkens werden (Wettbewerbs-)Vorteile im Vergleich zu einer reinen Individualhandlung versprochen (vgl. § 25 I.). Neben dieser Annahme gegenüber den anderen Netzwerkakteuren muss sich aber gleichzeitig jeder über die an ihn gerichteten Erwartungen im Klaren sein.140 Gerade im wirtschaftlichen Bereich ist infolge der Bedeutung für die Beteiligten ein darauf gerichteter Rechtsbindungswille anzunehmen. Demzufolge beschränkt sich die rechtliche Verpflichtung nicht auf das individualvertragliche Ausgangsverhältnis. Vielmehr bestehen die Pflichten auf der Grundlage einer kollektivvertraglichen Sonderverbindung nach dem Vorbild der culpa in contrahendo. In dieselbe Richtung zielen die Positionen, die Sonderverbindungen aufgrund eines Anschlussverhältnisses und wegen Multilateralität annehmen. Problematisch erscheinen dabei nur die lokale Gebundenheit bei Anschlussverhältnissen und die relative Unbestimmtheit der Theorie von multilateralen Sonderverbindungen. Der Netzvertrag wurde schon oben wegen seiner konstruierten Begründung mithilfe konkludenter Vollmachten abgelehnt. Ebenso ist der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für die dogmatische Begründung ungeeignet. Vorwiegend werden hiervon nur Schutzpflichten erfasst, sodass nicht alle Pflichten dogmatisch begründet wären. Im Übrigen wird eine reine deliktsrechtliche Beurteilung der Situation nicht gerecht. Selbst individualvertraglich unverbundene Netzwerkakteure stehen sich aufgrund der kollektiven Verfolgung des Verbundzwecks nicht bloß wie Fremde gegenüber. Entsprechendes gilt für die Anspruchsgrundlage des deliktisch geprägten Wettbewerbsrechts. Schließlich verdient die Anwendung der Drittschadensliquidation keine Zustimmung. Aufgrund der engen wechselseitigen Zusammenarbeit existiert eine gewollte Sonderverbindung, die das Anwendungsbedürfnis der besonderen Liquidationsform aufhebt. Eine mittelbare Anspruchsbegründung berücksichtigt in derartigen Fällen nicht angemessen den Parteiwillen und die Interessenlage. Ebenso verhält es sich mit einer gestuften Anspruchsdurchsetzung im Rahmen der individualvertraglichen Verbindungen. Wäre beispielsweise ein Franchisenehmer gezwungen 140 Ebenso Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, § 6 III 3, der Sonderrechtsbeziehungen zwischen mehreren Beteiligten nicht nur dort annimmt, wo dies von den jeweiligen Schuldnern ausdrücklich versprochen werde, sondern auch dort, wo die jeweiligen Gläubiger im Vertrauen auf die Leistungsversprechen eine entsprechende Pflichtenübernahme erwarten dürften.

§ 27  Außenhaftung

375

seinen Franchisegeber auf Einschreitung gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Franchisenehmer in Anspruch zu nehmen, beständen zu viele unzumutbare Risiken. Neben den zeitlichen Verzögerungen, könnten vor allem das regelmäßige Verschuldenserfordernis bei jedem einzelnen Anspruch und Individualvereinbarungen im Verhältnis zwischen Franchisegeber und pflichtwidrigem Franchisenehmer gegen eine erfolgreiche Durchsetzung sprechen. Zugleich ungeeignet ist der Verweis auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Franchisegeber, weil auch in dem Fall neben der Verschuldensbedingung letztlich die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit herrscht.

§ 27  Außenhaftung I. Problemstellung Eine weitere Problematik stellt sich im Bereich der Haftung von und gegenüber außenstehenden Personen. Grundsätzlich ist die Bestimmung von Außenstehenden in einem Netzwerk nicht einfach, weil mitunter zwischen allen Beteiligten Verbindungen geschaffen werden, bestehen oder erlöschen. Die Grenzen zwischen innen und außen sind also häufig fließend. Die Außenhaftung bezieht sich daher vor allem auf die Fälle, in denen ein signifikanter Unterschied zwischen den Akteuren des Netzwerkes und den übrigen Personen herrscht. Hierzu zählen vorwiegend die qualifizierten Netzwerkbeziehungen, wie zum Beispiel die Franchiseverbindungen. In dem Zusammenhang bedarf es der Unterscheidung zwischen der Schädigung von Außenstehenden und gegenüber solchen Personen. Hat beispielsweise ein Kunde einen Schaden durch einen Franchisepartner erlitten, stellt sich die Frage, ob auch die übrigen Franchiseakteure dem Geschädigten unmittelbar haften. Für solche Ansprüche lassen sich mehrere Gründe anführen. Zum einen können Unbeteiligte regelmäßig schwer nachvollziehen, wer der richtige Anspruchsgegner ist. Häufig wird nämlich in Netzwerken viel Wert auf eine einheitliche Außenwirkung gelegt, um den Kunden den Eindruck eines (einzelnen) Unternehmens mit einem einheitlichen Standard zu vermitteln. Damit haben Geschädigte in derartigen Situationen ein höheres Rechtsverfolgungsrisiko. Zum anderen besteht für einen solchen Direktanspruch wegen einer potenziellen Zahlungsunfähigkeit des direkten Vertragspartners ein gesteigertes Bedürfnis. Während die Netzwerkbildung einerseits zur gezielten wirtschaftlichen Ressourcenausnutzung erfolgt, kann damit aber ebenso in anderen Bereichen eine planorientierte Verteilung stattfinden. Denkbar sind sogar Gewinnmaximierungen in der Form, dass die Akteure mit unmittelbaren Außenkontakten ihre Gewinne an Beteiligte ohne derartige Verbindungen ausschütten und für den Fall einer Haftung ausschließlich ohne Masse zur Verfügung stehen.141

141 Vgl.

Ehricke, ZGR 1996, 300, 318 ff., 323.

3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

376

Neben der Haftung von Netzwerkakteuren bereitet Probleme, ob im umgekehrten Fall der Außenstehende gegenüber allen Beteiligten des Netzwerkes aufzukommen hat. Geschädigt können insbesondere Personen sein, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum unmittelbar Betroffenen stehen und so Verluste erleiden. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn außenstehende Personen vor Produkten des Netzwerkverbundes warnen.

II.  Grundlagen für eine Haftung von außenstehenden Personen Ausgangspunkt für die Haftung zwischen außenstehenden Personen und Netzwerkakteuren bilden die allgemeinen Regeln. Fraglich ist, ob diese durch den Netzwerkbezug einer Anpassung unterliegen. Da vertragliche Ansprüche regelmäßig mangels tauglicher Vereinbarung ausscheiden werden, kommt vor allem dem Deliktsrecht Bedeutung zu. Warnt beispielsweise eine Person rechtswidrig vor Produkten des Franchisegebers, kann dieser gegen den Warner Forderungen geltend machen. Sollte keine vertragliche Vereinbarung existieren, kommt als Anspruchsgrundlage grundsätzlich § 823 Abs. 1 BGB mit der Verletzung am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb infrage. Danach darf etwa der Franchisegeber seinen entgangenen Gewinn als Schaden einfordern. Hierunter fällt jedoch prinzipiell nicht der Gewinn der verbundenen Franchisenehmer. Eine Ausnahme besteht bei der Verpflichtung des Franchisegebers seinerseits gegenüber den Franchisenehmern zum Schadensersatz. Dies erfordert allerdings grundsätzlich ein Verschulden des Franchisegebers gegenüber den Franchisenehmern, das nur in Sonderfällen vorliegt. Überaus fraglich sind daher direkte Ansprüche der verbundenen Akteure gegen den primären Schadensverursacher. Insoweit kommt auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BGH erfasst dies allerdings nur Eingriffe, die sich gegen den Betrieb als solchen richten und nicht nur die vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbaren Rechte oder Rechtsgüter berühren.142 Gerade bei mittelbaren Eingriffen von Dritten in vertragliche Lieferbeziehungen wird insofern die Betriebsbezogenheit grundsätzlich nicht verletzt. Daran anknüpfend zweifeln viele an Schadensersatzansprüchen von Franchisenehmern gegenüber Personen, die rechtswidrig eine Produktwarnung ausgesprochen haben. Demzufolge würde ein solcher Geschädigter lediglich Ersatz erhalten, wenn er speziellem Schutz untersteht. Im Bereich des BGB kommt es dazu im Wesentlichen nur bei Lizenzverletzungen.143 Eine andere Position tritt dagegen stärker für eine Berücksichtigung des Netzwerkbezugs bei der Beurteilung der Schadensersatzverpflichtung nach § 823 Abs. 1 BGB ein, wenn feste (Liefer-)Beziehungen vorliegen. Eine derartige Verbindung soll bei einer Vergleichbarkeit mit unternehmensinternen Liefer- und Pro142  143 

BGHZ 29, 65, 74. Wolf, KritV 2006, 253, 254 ff., 257 f.

§ 27  Außenhaftung

377

duktionsverhältnissen auftreten. Dies sei etwa bei ausschließlicher oder zumindest vorrangiger Liefer- oder Bezugspflicht der Fall, nicht aber bei herkömmlichen Kettenverträgen, wie bei einfachen Durchlieferungen aufgrund von faktisch verbundenen Kaufverträgen. Gerade wegen der Zusammenarbeit von Netzwerkakteuren, wie in Franchise- und engen Just-in-time-Liefersystemen, komme es erst zu einer Wertschöpfung. Würde die Organisation ohne rechtlich selbstständige Personen stattfinden, käme es ebenso zu einer Ausdehnung des Schadensersatzes auf die übrigen Bereiche, deren Wahrnehmung etwa beim Franchisesystem durch die Franchisenehmer erfolge. Zudem seien nicht alle Netzwerkverbindungen mit herkömmlichen Marktbeziehungen vergleichbar. Während auf dem idealen Markt neben dem Wettbewerbsprinzip eine relativ schnelle Austauschbarkeit zwischen den Akteuren herrsche, bereite dies innerhalb eines Unternehmens bzw. einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung größere Schwierigkeiten. Vor allem würden sich die letzteren Beziehungen sorgfältiger den speziellen Bedürfnissen der Beteiligten anpassen, damit sie weniger ersetzbar und letztlich beständiger seien. Gerade aus diesem Blickwinkel bestehe bei festen Netzwerkverbindungen infolge der gebundenen Organisation zwischen den Akteuren mit gesellschaftsrechtlichen Organisationen eine Vergleichbarkeit. Eine Ungleichbehandlung gegenüber unternehmensinternen Lieferbeziehungen könne folglich nach dieser Auffassung nicht gerechtfertigt werden. Schließlich seien auch die Interessen der Geschädigten die gleichen. Insoweit ziehen manche rechtlich ergänzend das Institut der Bruchteilsgemeinschaft heran. Der Franchisegeber und die Franchisenehmer sollen nach dieser Position zu einem Bruchteil an dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beteiligt sein.144 Nach diesseitiger Überzeugung erscheint eine Berücksichtigung von qualifizierten Netzwerkverbindungen bei der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Durch die Verwendung des Begriffes „sonstiges Recht“ hat der Gesetzgeber eine normgerechte Weiterentwicklung zugelassen. Neben der Vergleichbarkeit mit den aufgezählten Rechtsgütern ist hierbei vor allem eine wertende Betrachtung vorzunehmen. Im Ergebnis herrschen zwischen dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie qualifizierten Netzwerkverbindungen große Übereinstimmungen. Aufgrund der vertraglichen Gebundenheit zwischen Netzwerkpartnern fungieren diese gegenüber Dritten, wie jeder andere Gewerbebetrieb. Allein das Vorliegen einer ausschließlich vertraglichen Verbindung berechtigt nicht zur Ungleichbehandlung gegenüber ebenso auflösbaren gesellschaftsrechtlichen Verbindungen. Maßgeblich muss vielmehr eine gewerbebetriebsähnliche Beständigkeit sein, die wiederum eine unmittelbare Beeinträchtigung erfährt. Nur mit Hilfe einer solchen Nachhaltigkeit kann eine uferlose Ausdehnung bis zum reinen Vermögensschutz verhindert werden. Zu Recht sind daher reine Durchlieferungsgeschäfte ausgeschlossen. Trotz netzwerkartiger Verbindungen zwischen den Vertragsparteien kommt es insoweit zu keiner besonderen betriebsähnlichen Organisationsbeziehung. Wie reine Wettbewerbsverbindungen unterliegen sie 144 

Wolf, KritV 2006, 253, 259 ff.

3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

378

folglich nicht dem Schutz aus § 823 Abs. 1 BGB. Sollten dennoch im Übrigen unberechtigte Schadenspositionen verbleiben, können diese beispielsweise über das Mitverschulden gem. § 254 BGB eine Korrektur erfahren.

III.  Grundlagen für eine Außenhaftung von Netzwerkakteuren Weiterhin ist im umgekehrten Fall fraglich, inwieweit Netzwerkstrukturen die Haftung der Beteiligten gegenüber außenstehenden Personen beeinflussen. Obwohl Außenstehende bestimmungsgemäß mit der Leistung von mehreren Netzwerkakteuren in Berührung kommen, sind sie ungeachtet der einheitlichen Außendarstellung der verschiedenen Netzwerkpartner unter gewöhnlichen Umständen nur mit einem individualvertraglich verbunden. Regelmäßig hat dies seinen Grund in der rechtlichen Selbstständigkeit. Beispielsweise bedeutet Franchise, dass alle beteiligten Personen trotz wirtschaftlicher Abhängigkeit von den übrigen Partnern und einheitlichem Auftreten ihre Handlungen im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung und Gefahr vornehmen.145 Dies schafft vor allem wegen der potentiellen finanziellen Überforderung des direkten Vertragspartners und der eingeschränkten deliktischen Einstandspflichten Risiken. Deswegen gilt allgemein die Inanspruchnahme der individualvertraglich nicht verbundenen Netzwerkbeteiligten als problematisch. Hierbei werden verschiedene Rechtskonstruktionen in Erwägung gezogen. 1. Netzvertrag Nach der Theorie vom Netzvertrag besteht eine vertragliche Verbindung zwischen allen Beteiligten. Trifft eine außenstehende Person mit einem Netzwerkakteur eine Vereinbarung, sollen gleichzeitig Verträge mit allen anderen Netzwerkbeteiligten zustande kommen. Schließt beispielsweise ein Kunde mit seiner Bank einen Überweisungsvertrag, habe er auch vertragliche Direktansprüche gegen die Bank des Überweisungsempfängers, wenn sie gegen ihre Pflichten verstoße.146 Der Kunde werde also grundsätzlich selbst zum Netzwerkakteur.147 Zu Ausnahmen komme es bei hierarchischen Netzwerken (vgl. § 25 II 6.).148 2. Rechtsscheinhaftung Manche Stimmen in der Literatur greifen für die Anspruchsbegründung von ungebundenen Netzwerkakteuren gegenüber außenstehenden Dritten auf die Rechtsscheinhaftung zurück. Aufgrund einheitlicher Standards entstehe bei Außenstehenden vielfach der Eindruck, es handele sich um ein einheitliches UnterVogt, S. 39. Möschel, AcP 186, 187, 211 ff. 147  Rohe, S. 169. 148  Rohe, S. 418 f. 145 

146 

§ 27  Außenhaftung

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nehmen. Schließe etwa ein Kunde in dem Geschäft eines Franchisenehmers einen Vertrag, müsse dieser mangels anderer Anhaltspunkte die Vorstellungen haben, er befinde sich in einer Filiale des Franchisegebers. Der Vertrag kommt nach dieser Auffassung nicht mit dem Franchisenehmer als Vertragspartner, sondern nur zwischen Franchisegeber und Dritten zustande. Ferner könne sich der Franchisegeber vom Verkaufsvorgang Kenntnis verschaffen und mit entsprechenden Abreden einen falschen Eindruck verhindern. Obendrein sei der Dritte schutzbedürftig, weil er regelmäßig die Unternehmensstrukturen nicht kenne und auf das äußere Erscheinungsbild, insbesondere den Markennamen des Franchisegebers, gutgläubig vertrauen werde.149 3.  Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte Weiterhin kommt der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte als taugliche Anspruchsgrundlage infrage. Wie oben schon ausgeführt, werden dazu die Leistungsnähe des Dritten, seine Gläubigernähe, Erkennbarkeit der Einbeziehung für den Schuldner und die Schutzbedürftigkeit des Dritten vorausgesetzt.150 Die Rechtsprechung hält in dem Zusammenhang auch die Einbeziehung von Dritten bei Massengeschäften eines bestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren für möglich. Erforderlich sei dafür allerdings zum einen, dass es dem Rechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf sach- und interessengerechte Abwicklung angeboten werde. Zum anderen müsse das Verfahren für den Dritten bestimmte verfahrenstypische Risiken in sich bergen und den mit der Durchführung betrauten Verfahrensbeteiligten ohne weiteres zuzumuten sein, diese Risiken klein zu halten.151 Überdies wurde die Einbeziehung von bestimmten Dritten in den Schutzbereich aufgrund des Vertragszwecks und wegen der erkennbaren Auswirkung der vertragsgemäßen Leistung auf sie für geboten erachtet. Das Verhältnis zwischen Gläubiger und Dritten setze danach zwangsläufig keinen personenrechtlichen Einschlag voraus.152 Aber auch diese Position blieb nicht ohne Kritik. Gegen die Tauglichkeit wurde etwa vorgebracht, das Haftungsmodell stelle zu einseitig auf einen einzelnen Vertrag ab und berücksichtige die Multilateralität des Netzwerkverbundes nicht ausreichend.153 Ebenso herrschen bei Beziehungsketten auf Kauf- bzw. Werkvertragsbasis Zweifel an der erforderlichen Nähebeziehung des Gläubigers zum Dritten.154

Wolf/Ungeheuer, BB 1994, 1027, 1032; a. A. Rohe, S. 431 ff. Oechsler, Rn. 1318 ff.; Brox/Walker, SchuldR AT, § 33. 151  BGHZ 69, 82, 86; 96, 9, 17. 152  BGHZ 69, 82, 86. 153  Teubner, S. 222 ff. 154  BGHZ 51, 91, 96 ff. 149 

150 

380

3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

4. Drittschadensliquidation Ferner zieht eine Auffassung die Drittschadensliquidation heran, um vertragliche Ansprüche zwischen nur mittelbar verbundenen Parteien zu begründen. Wie oben schon dargelegt, setzt die Liquidationsform mehrere Bedingungen voraus. Zum einen muss eine Person die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage erfüllen, aber keinen ersatzfähigen Schaden haben. Weiterhin bedarf es eines Geschädigten ohne Anspruch. Und schließlich verlangt die Rechtsform eine zufällige Schadensverlagerung vom Anspruchsberechtigten auf den Dritten nebst Ausschluss von adäquaten Ersatzmöglichkeiten.155 Überwiegend anerkannt sind daher die Voraussetzungen bei Fällen mit einer obligatorischen Gefahrentlastung, der mittelbaren Stellvertretung, mit Treuhandverhältnissen und der Obhut für fremde Sachen.156 Liegen diese Punkte vor, wird zunächst der Schaden zum Zweck der Liquidation zum Anspruch gezogen. Sodann findet eine Anspruchsabtretung oder sonstige Schadenskompensation des nichtgeschädigten Anspruchsinhabers an den geschädigten Dritten statt (vgl. § 10 VII.). Auf der Grundlage der Drittschadensliquidation hat die Rechtsprechung beispielsweise einen Anspruch eines Bankkunden gegen eine fremde Auszahlungsbank in einer Überweisungskette angenommen, als diese sich sorgfaltspflichtwidrig verhielt. Der BGH sah eine Vergleichbarkeit des mehrgliedrigen Zahlungsverkehrs mit dem Fall der mittelbaren Stellvertretung. Auch hier handele eine Person im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung, sodass Schaden und Anspruch getrennt seien.157 Die Anwendung stößt ebenso bei diesem Hintergrund nicht auf ungeteilte Zustimmung. Insoweit ist auf oben158 zu verweisen. 5.  Eigenhaftung Dritter nach § 311 Abs. 3 BGB Wegen der Mitwirkung weiterer Personen kommt ferner die Eigenhaftung Dritter als taugliche Rechtsgrundlage für Ansprüche des Außenstehenden infrage. Hiernach haften vertraglich ungebundene Dritte speziell bei der Inanspruchnahme von besonderem Vertrauen oder wirtschaftlichem Eigeninteresse, § 311 Abs. 3 BGB (vgl. § 10 VI.).159 Dabei wird vor allem ein Vergleich zur Prospekthaftung angeführt. Problematisch sei ebenso in den Fällen, dass mit dem Prospektverantwortlichen dem Anleger ein nur schwer fassbarer Vertragspartner gegenübertrete. Grundsätzlich geschehe die Entwicklung unter Zuhilfenahme verschiedener Experten und der Vertrieb erfolge durch eine mehr oder weniger verselbstständig155  Brox/Walker, SchuldR AT, § 29, Rn. 14 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1023 ff.; MünchKomm/Oetker, § 249 BGB, Rn. 289 ff. 156  BGHZ 40, 91, 100 f.; 51, 91, 93 f. 157  BGHZ 176, 281, 293. 158 Vgl. § 26 II 4. 159  Brox/Walker, SchuldR AT, § 5, Rn. 11 f., § 33, Rn. 2.

§ 27  Außenhaftung

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te Vertriebsorganisation. Im Ergebnis müsse der Anleger also eine Vielzahl von Erklärungen auf deren Verlässlichkeit einschätzen.160 Haftbar sei daher nicht nur der Verfasser des Textes, sondern alle Personen, die aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise typischerweise Verantwortung für den Inhalt des Prospekts übernehmen.161 Auch dieses differenzierte Organisationsgefüge lasse sich mit gängigen zivilrechtlichen Haftungsregeln nur schwer erfassen.162 Dieselbe Problematik sollen Leistungsbezieher von Netzwerkakteuren haben. Gleichfalls würde eine Leistung von mehreren (unbekannten) Personen erbracht und es sei zufällig, welcher Beteiligte die vertragliche Beziehung zum außenstehenden Dritten eingehe. Während bei bipolaren Verträgen die involvierten Personen in der Regel bis zur Abwicklung beständig blieben, würden die Vertragsverhandlung, der Abschluss und die Durchführung von Verträgen mit Netzwerkakteuren häufig unter Beteiligung von anderen Personen stattfinden. Daher bestehe das Vertrauen zum gesamten Vertriebssystem.163 Im Übrigen lässt sich noch anführen, dass die Regelung in § 311 Abs. 3 BGB nicht abschließend164 und Eigenhaftungen selbst während der Vertragsdurchführung möglich sind.165 6. Verbundhaftung Schließlich vertritt eine Position die Verbundhaftung gegenüber dem Dritten. Nach dieser Auffassung soll für den vorliegenden Fall der Drittschutzvertrag mit den Voraussetzungen der Sachwalterhaftung kombiniert und auf den Vertragsverbund bezogen werden. Nur so sei vernetzter Arbeitsteilung entsprechend Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf Franchisebeziehungen folge die Drittbezogenheit aus der Abstimmung der externen Kundenverträge mit den internen Vorgaben des Franchiseverbundes. Beabsichtigt sei im Ergebnis eine Leistungserbringung der Verbundpartner an einen Dritten ohne die Verpflichtung eines echten Vertrages zugunsten Dritter. Dem Franchisegeber komme dabei ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertrag zwischen Franchisenehmer und Drittem zu. Ebenso nehme er eine besondere Vertrauensstellung ein, indem er mit Hilfe von einheitlichen Standards und Werbung Vertrauen in die Leistung des Verbundes mitsamt den angeschlossenen Franchisenehmern schaffe. Zudem verfüge der Franchisegeber aufgrund seiner Weisungsmacht über Vertragsherrschaft. Bezogen auf den Vertragsverbund müsse daher jeder für die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben innerhalb der Franchisebeziehung gegenüber dem Dritten haften. Danach solle sich der Franchisegeber insbesondere für Systemmängel verantworten, wie etwa für Fehler innerhalb des Konzeptes und deren Überwachung. Ferner müsse ein vertragAssmann, in: FS 600 Jahre Universität Heidelberg, S. 299, 319. Oechsler, Rn. 1302. 162  Oechsler, Rn. 1304 f.; Assmann, in: FS 600 Jahre Universität Heidelberg, S. 299, 307. 163  Teubner, S. 226 f. 164  BT-Drucksache 14/6040, S. 163. 165  BGHZ 70, 337, 342 ff.; MünchKomm/Ernst, § 280 BGB, Rn. 107. 160  161 

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

lich ungebundener Franchisenehmer haften, falls er in die Leistungserbringung mit einbezogen werde. Schnittstellenrisiken oblägen dagegen bei hierarchischen Netzwerken der Zentrale und bei heterarchischen Verbindungen den einzelnen Verbundbeteiligten.166 7. Stellungnahme Im Vergleich zur Innenhaftung gibt es bei der Einstandspflicht gegenüber Außenstehenden keine allgemein vorzugswürdige vertragliche Rechtsgrundlage. Wegen der umfangreichen Fiktion bei der Begründung muss auch in diesem Fall der Netzvertrag als untauglich gelten. Zudem scheint die Anerkennung des Dritten als rechtlich vollwertigen Netzwerkakteur bedenklich. Insoweit sind Dritte Personen, die nicht mit denen des Netzwerks vergleichbar sind, insbesondere mit denen kein Vertragsverbund mit einer wechselseitigen Vertragsverweisung, einem einheitlichen Verbundzweck und einem engen Kooperationsverhältnis besteht. Die Intention des Außenstehenden wird im Gegensatz zu den übrigen Beteiligten regelmäßig eine andere sein. Während Netzwerkakteure individuelle und kollektive Zwecke verfolgen, haben Außenstehende – wie bei gewöhnlichen Austauschverträgen – primär nur ihre eigenen Interessen im Sinn. Zutreffend ist jedoch an der Position, dass ebenso Akteure in die vertragliche Haftung einbezogen werden, die keine Vertragspartner sind, aber am Netzwerk als selbstständige Personen zumindest partiell mitwirken. Nachvollziehbar erscheint auf den ersten Blick ferner die Position, die über die Anscheinsvollmacht einen Vertrag zwischen Drittem und Franchisegeber begründen will. Unabhängig davon, ob bekannt ist, dass Franchisenehmer als Selbstständige zählen, erweckt die Position jedoch für eine generelle Haftungsbeurteilung einige Zweifel. Neben möglichen Hinweisen auf die juristische Eigenständigkeit des handelnden Netzwerkakteurs im konkreten Fall wird es zum Teil schwierig sein, den richtigen Vertragspartner zu bestimmen. Schließlich sind nicht alle qualifizierten Netzwerkstrukturen auf ein einheitliches Erscheinungsbild ausgerichtet, mit der Folge, dass gegebenenfalls schon kein Rechtsschein vorliegt. Zudem besteht nach der Lösung eine einseitige Ausrichtung der vertraglichen Haftung auf eine Person, sodass es zu einer Alles-oder-Nichts-Lösung käme. Eine bessere Berücksichtigung erfährt die Netzwerkskonstellation dagegen bei der Dritthaftung nach § 311 Abs. 3 BGB. Hiernach bleibt die vertragliche Verbindung unberührt und die übrigen Netzwerkakteure werden zusätzlich verpflichtet. Aus dem Wortlaut des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB ist jedoch ersichtlich, dass der Dritte eine „besondere“ Stellung gegenüber beiden Vertragsparteien haben muss, um eine „erhebliche“ Beeinflussung zu erzielen. Neben einer besonderen Vertrauensstellung liegt dies etwa bei eigenem wirtschaftlichem Interesse vor. Ein solches erforderliches wirtschaftliches Interesse geht auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts für die Vertreterhaftung zurück. Wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses 166 

Teubner, S. 230 ff.

§ 27  Außenhaftung

383

musste der Vertreter haften, wenn er der eigentliche Vertragspartner war und nur aus formalen Gründen nicht selbst als Vertragspartei auftrat.167 Auch heute fordern die überwiegende Rechtsprechung und Literatur, dass sich der Anspruchsgegner wirtschaftlich betrachtet in eigener Sache als Quasipartei betätigt. Mittelbares Interesse, wie etwa eine Provision oder ein Entgelt, soll nicht ausreichen.168 Allgemein sind hieran strenge Anforderungen zu stellen, um den Ausnahmecharakter entsprechend zu würdigen. Daher verneint die Rechtsprechung grundsätzlich auch bei einem geschäftsführenden Alleingesellschafter einer GmbH ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse an einem Vertrag der GmbH mit einem Dritten. Dies soll obendrein dann gelten, wenn der Geschäftsführer für die Gesellschaft Sicherheiten aus seinem Vermögen bestellt und somit seine wirtschaftliche Existenz weitgehend mit dem Erfolg der Gesellschaft verknüpft hatte.169 Gleichfalls lehnen die Gerichte eine Haftung der Konzernmutter ab.170 Im Vergleich hierzu kommt es in qualifizierten Netzwerken regelmäßig nur zur Aufspaltung von Wertschöpfungsprozessen. Sogar in hierarchischen Franchisebeziehungen wird eine gezielte Steuerung, sodass der Franchisegeber als Quasipartei erscheint, nur ausnahmsweise vorliegen. Den Franchisenehmern verbleibt gewöhnlich ein eigener Handlungsbereich, der nur von ihnen wahrzunehmen ist (vgl. etwa § 23 I 1.). Vielfach geht es den Franchisegebern hauptsächlich um die Erzielung von Gebühren, die eher mit einem Provisionsinteresse gleichzusetzen sind.171 Selbst ein Franchisegeber hat daher in der Regel nur mittelbares Interesse. Ebenso wenig kommt eine besondere Vertrauensstellung der übrigen Netzwerkakteure generell infrage. Eine Voraussetzung wäre die Abgabe einer persönlichen Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages, die über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgeht.172 Netzwerkakteure treffen jedoch vielfach nur allgemeine Werbeaussagen. Anders wird die Sachlage lediglich bei rechtsverbindlichen Erklärungen von Netzwerkbeteiligten beurteilt, die eine Gewähr für das Gelingen des Geschäfts übernehmen.173 Die einheitlichen Standards in manchen Netzwerken sind allerdings regelmäßig nur für den internen Bereich gedacht und erfüllen deswegen diese Anforderungen nicht. Folglich fehlt es auch an den Voraussetzungen für eine an die Sachwalterverantwortlichkeit angelehnte Haftung. Demnach kann § 311 Abs. 3 BGB nicht als allgemeingültige Haftungsgrundlage dienen. Da vom Grundsatz her weder ein generelles wirtschaftliches Eigeninteresse noch eine besondere Vertrauensstellung bei qualifizierten Netzwerken vorliegen, 167 

RGZ 120, 249, 252 f. BGH vom 17.6.1991 - II ZR 171/90 -, NJW-RR 1991, 1241, 1242; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB, Rn. 61. 169  BGHZ 126, 181, 182. 170  Rieckers, BB 2006, 277, 279. 171  BGH vom 13.12.2005 - KZR 12/04 -, NJW-RR 2006, 993, 994. 172 Palandt/Grüneberg, § 311 BGB, Rn. 63. 173  BGH vom 13.12.2005 - KZR 12/04 -, NJW-RR 2006, 993. 168 

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3. Teil:  Die rechtliche Beurteilung von qualifizierten Netzwerkbeziehungen

fehlt es gleichzeitig an den Voraussetzungen für die vorgeschlagene Verbundhaftung. Ebenso ungeeignet ist die Drittschadensliquidation für die Begründung einer allgemeinen vertraglichen Haftung gegenüber Außenstehenden. Nur in Ausnahmefällen findet eine zufällige Schadensverlagerung statt. Schon bei herkömmlichen Franchiseverbindungen handelt der Franchisenehmer auf eigene und nicht auf fremde Rechnung. Im Übrigen wird der Franchisenehmer vor allem beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen eher im Auftrag des Franchisegebers und nicht im Interesse des Außenstehenden bzw. potenziellen Anspruchstellers tätig. Insoweit besteht regelmäßig keine Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des BGH für Überweisungen. Als Rechtsgrundlage ist noch der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte zu betrachten. Diese Konstruktion berücksichtigt die (Schutz-)Pflichten gegenüber außenstehenden Personen, die nicht mit allen Beteiligten vertraglich verbunden sind, aber dennoch mit der Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen.174 Sie erfasst also andere Netzwerkakteure, die neben dem Vertragspartner stehen, falls dem Rechtsverhältnis zwischen den Netzwerkangehörigen eine Schutzwirkung für Dritte innewohnt. Gerade bei einer arbeitsteiligen Leistungserbringung auf der einen Seite und einer vertraglichen Verbindung nur eines Netzwerkakteurs mit dem Dritten auf der anderen trägt die Rechtsfigur den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend Rechnung. Dieser Umstand wurde frühzeitig auch generell von der Rechtsprechung anerkannt. Während ursprünglich nach der Wohl-und-WeheFormel ein personenrechtlicher Einschlag für die Anwendung des Rechtsinstituts erforderlich war, rückten die Gerichte später von dieser Voraussetzung ab. Als Begründung wurden der Vertragszweck und die verfahrenstypischen Risiken bei Massengeschäften mit einem einheitlich praktizierten Verfahren angegeben (§ 27 III 3.). Je nach Einzelfall können bei Netzwerken Schutzwirkungen für Dritte angenommen werden. Aufgrund der speziellen Art der Leistungserbringung realisieren sich Risiken verfahrensbedingt vielfach bei Personen, mit denen der Verursacher vertraglich nicht zwangsläufig in Verbindung steht, die aber dennoch mit der Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Planmäßig nimmt der mit der außenstehenden Person vertraglich verbundene Netzakteur weitere Netzwerkpartner für seine Leistungserfüllung zur Hilfe.175 Vergleichbar mit der Haftung von Sachverständigen hat obendrein der Netzwerkakteur das erforderliche Interesse an der Einbeziehung seines Kunden.176 Die besondere Fürsorge für den Vertragskunden folgt aus seinem Interesse an der einwandfreien und verbundorientierten Leistungserbringung. Dies ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn die Leistung 174 

Vgl. § 10 V. Teubner, S. 224. 176  Vgl. zur Haftung von Sachverständigen BGH vom 2.11.1983 - IV a ZR 20/82 -, NJW 1984, 355, 356; a. A. Zirkel, NJW 1990, 345, 350. 175 Ebenso

§ 27  Außenhaftung

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nicht nur im Weiterverkauf von Fremdware besteht, sondern der Franchisegeber mit den Franchisenehmern eine eigene Produktentwicklung betreibt. Wer im Lichte des einheitlichen Erscheinungsbildes netzwerkorientierte Vorteile generiert, muss ebenso die dadurch verursachten Nachteile ausgleichen. Aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit gibt der kundenseitig gebundene Netzwerkakteur die vollständige oder teilweise Leistungserbringung an den nachgeordneten Akteur weiter. Dass jeder Akteur durch sein Entgeltinteresse auch auf eigene Rechnung handelt, hindert das Ergebnis nicht. Dieser Umstand beschränkt sich auf die netzwerkinterne Beziehung. Dem Rechtsverhältnis zwischen den Netzwerkakteuren muss also eine Schutzwirkung für Dritte beigemessen werden. Zudem macht es keinen Unterschied, ob die Leistung des nachgeordneten Akteurs vor Abschluss des Kundenvertrages oder danach vorgenommen wurde. Schließlich wissen alle Netzwerkbeteiligten von der Weiterverwendung ihrer Leistung. Ferner sind die qualifizierten Netzwerke nicht mit einfachen Beziehungsketten vergleichbar. Vielmehr führen die besonderen Verbundmerkmale mit abhängiger und drittbezogener Leistungserbringung zu einer ausreichenden Nähebeziehung des Kunden.177 Für den unverbundenen Dritten stellt sich die Leistungserstellung wie von einer einheitlichen Verbundperson dar. Das Rechtsinstitut begründet auch keine allgemeine Ausfallhaftung. Sie erfordert daher immer eine eigene Pflichtverletzung des Anspruchsgegners. Entgegen der Kritik berücksichtigt das Rechtsinstitut damit die multilaterale Verbindungsstruktur und begründet mit den Schutzpflichten eine angemessene Haftung gegenüber Dritten.

177  Im Ergebnis ähnlich für die Begründung eines Direktanspruchs gegenüber dem individualvertraglich nicht verbundenen Netzwerkakteur Picker, in: FS Medicus, S. 397, 428 ff.; Krebs, S. 381 f.

4. Teil

Zusammenfassung 4. Teil:  Zusammenfassung

§ 28  Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung I.  Der erste Teil der Bearbeitung hat gezeigt, dass Netzwerke ein breites Anwendungsgebiet haben und in vielfältigen Lebenslagen vorkommen können. Vom Grundsatz her geht es um die Erreichbarkeit von anderen Personen über Beziehungen sowie die damit verbundenen spezifischen Vor- und Nachteile. Einen umfassenden Allgemeinüberblick liefert die Netzwerkforschung in den Sozialwissenschaften. Hier sehen die Wissenschaftler ein Netzwerk schon in der abgegrenzten Menge von Akteuren und der zwischen ihnen verlaufenden Kanten. Ziel der Forschung ist es, soziale Regelmäßigkeiten und die darauf aufbauenden Verhaltensweisen vorherzusagen. Eine wesentliche Bedeutung hat insofern der Begriff „soziales Kapital“ erlangt. Neben materiellem Kapitaleinsatz und eigenen Fähigkeiten sollen Handlungsmöglichkeiten auch aus der sozialen Unterstützung von verbundenen Personen hervorgehen. Bei optimalem Zusammenwirken folgt laut den Soziologen aus dieser Form der Unterstützung ein Ergebnis, das die Summe der Einzelleistungen übersteigt. Dem Ansatz nach stehen überwiegend die persönlichen Beziehungen zu anderen Akteuren und deren Struktur im Mittelpunkt der Betrachtung. Zentrale Kriterien sind hierbei Solidarität, Vertrauen, Information, strukturelle Autonomie, Selbstorganisationsfähigkeit und Macht wegen sozialen Einflusses. Je nach Konstellation werden spezielle Merkmale mehr und andere weniger stark ausgeprägt, was wiederum bestimmte Folgen positiv oder negativ beeinflusst. Eine speziellere Betrachtung findet in den Wirtschaftswissenschaften statt. Die Ökonomen sehen Netzwerke vor allem als Konstrukt zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Eine netzwerkorientierte Verbindung wird insbesondere dann angenommen, wenn formal unabhängige Akteure deutlich kooperativer zusammenarbeiten, als dies bei einer herkömmlichen wirtschaftlichen Austauschbeziehung der Fall ist. Für unternehmensexterne Wirtschaftsnetzwerke führt die Literatur etwa die Bewirtschaftung des Lagers vom Abnehmer durch den Lieferanten und die Produktentwicklung unter Einbeziehung des Abnehmers an.1 Unternehmens­ interne Netzwerke sollen sich dagegen innerhalb der Belegschaft entwickeln. Der Beziehungsschwerpunkt liegt hierbei sowohl auf dem Wettbewerb als auch auf der 1 

Sieber, in: Management von Netzwerkorganisationen, S. 215, 225 f.

§ 28  Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung

387

Kooperation, sodass eine Stellung zwischen Markt und Hierarchie besteht. Nach dem theoretischen Ansatz beabsichtigen Netzwerke über eine bessere Ausnutzung von materiellen und immateriellen Ressourcen die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen. Unter anderem führt dies dazu, dass die Ausübung der Tätigkeit nur durch den erfolgt, der die Aufgabe am besten ausführen kann. Zudem schreiben Wirtschaftswissenschaftler dieser Verbindungsform etwa Effizienzsteigerungen durch Spezialisierung, ein Flexibilitätspotential, Regelungsarbitrage, einen Ausgleich von Beschäftigungsschwankungen, interorganisationale Lernmöglichkeiten, Innovationen, gegenseitiges Vertrauen, eine Unabhängigkeit aufgrund (rechtlicher) Selbstständigkeit, eine relativ ungehinderte Informationsverbreitung und Größenvorteile wegen des Auftritts als „Quasi-Firma“ zu. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Annahme, dass jeder Netzwerkakteur eine dem Geschäftspartner betreffende Frage so regeln soll, als ob es seine eigene wäre. Gleichwohl sind in den Wirtschaftswissenschaften auch potenzielle Nachteile bekannt. Dazu kommt es vor allem, wenn einzelne Akteure ohne Rücksicht auf die übrigen Beteiligten nur ihre individuellen Vorteile verfolgen. Zur Vermeidung schlägt die Literatur beispielsweise die Aufstellung von Verhaltensregeln, die Schaffung einer kooperativen Kompetenz, die (wechselseitige) Beteiligung und die Ausschlussmöglichkeit von einzelnen Akteuren vor. Unabhängig von bestimmten Formen geschieht die Umsetzung in der Praxis durch verschiedene Ausprägungen. Unternehmensintern machen dies viele an einem breit gefächerten Aufgabenzuschnitt, an flachen Hierarchien, einem partizipativen Führungsstil sowie dem Einsatz von qualifiziertem Personal fest. Im Vergleich dazu geschieht die Verwirklichung von rücksichtsvollem Umgang zwischen den einzelnen Unternehmensakteuren etwa mit der Vereinbarung von Zielen in Form von Lieferterminen, Qualitätsanforderungen, einer klaren kompetenzspezifischen Rollenverteilung sowie der Wesensbestimmung des Netzwerkes. Ebenso existieren Netzwerke in der Politik. Ihr Anwendungsbereich liegt vor allem im Vorfeld von Entscheidungen. Einer der Hauptgründe sind die komplexen Sachverhalte, welche die Erfahrungen und Fähigkeiten der zuständigen staatlichen Stellen übersteigen. Zum Teil wird in einigen Verfahren die Beteiligung anderer Akteure sogar vorgesehen, um eine breite Anerkennung der Entscheidung zu erreichen. Aus diesen Gründen nimmt die Wissenschaft Netzwerke selbst in der Politik als neue Handlungsform wahr. Auch sie sollen zwischen Verträgen mit staatlicher Beteiligung und einseitiger hierarchischer Hoheitsentscheidung zu verorten sein. Vorteilhaft sieht man hierbei insbesondere die Kombination von marktimmanenter Ausgewogenheit durch die verschiedenen Beteiligten und hierarchischer Durchsetzungskraft an. Probleme bereiten dagegen die Legitimationszweifel infolge von unlauterer Beeinflussung. Neben den Netzwerken mit soziologischem, wirtschaftlichem oder politischem Hintergrund bestehen Ausprägungen in einer Vielzahl anderer Bereiche. Zu diesen weiteren Gebieten zählt etwa die raumplanerische Geografie. Dort wird versucht mit Hilfe von Verbindungen zwischen Beteiligten Innovationen zu generieren und somit eine Region wirtschaftlich und gesellschaftlich nachhaltig voranzubringen.

4. Teil:  Zusammenfassung

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Ein Ansatz sieht die Aufgabe der Raumentwicklung daher in der Vermittlertätigkeit zwischen den Akteuren um die Netzwerkvorteile, wie Vertrauen, Reputation und Fairness, zu erzeugen. Hierbei gilt es Gegebenheiten zu schaffen, dass die Netzwerkpartner bei ihrer Tätigkeit auf Strukturen Rückgriff nehmen können, ohne diese selbst begründen zu müssen. Im Ergebnis wird festgehalten, dass die Arbeit einem weiten Begriffsverständnis folgt und das Netzwerk hauptsächlich als Metapher für den Verflechtungscharakter von mehreren Beziehungen sieht. Danach ist ein Netzwerk primär ein Verbund von mindestens drei verschiedenen Akteuren, das sich vor einem bestimmten Hintergrund bildet. Zusätzliche Begrenzungen, etwa auf den sozialen Bereich ohne rechtliche Verpflichtungen, unterbleiben dagegen. Entgegen anderer Positionen sind Netzwerkbeziehungen nicht auf den Austausch von Informationen auf der Gefälligkeitsebene beschränkt. In der Lebenswirklichkeit zerfällt keine mehrgliedrige Personenbeziehung, wenn die gegenseitigen Erwartungen der Beteiligten so stark werden, dass die Juristen von einer Verbindlichkeit sprechen.

II.   Im Mittelpunkt der Untersuchung des zweiten Teils steht die rechtliche Beurteilung von Netzwerkbeziehungen. Schwierigkeiten bereitet hierbei vor allem die weitläufige Verbreitung des Netzwerks. Hinzu kommt, dass der Begriff keiner des Rechts ist bzw. eine anerkannte Legaldefinition nicht existiert. Ebenso kann die Juristerei ein Netzwerk zu keinem Rechtstatbestand machen.2 Wegen der Beurteilungsfunktion des Rechts wird vorliegend das weite Verständnis zugrunde gelegt. Nur so können umweltsensibel einerseits die Chancen und andererseits das Schadensrisiko in den vielfältigen Lebenssachverhalten eine angemessene Berücksichtigung finden. Die Menge der Sachverhalte verdeutlicht, dass kein Rechtsinstitut von vornherein für die Aufstellung von pauschalen Netzwerkregeln geeignet ist. Während rein soziale Kontakte vorwiegend der deliktischen Rechtskontrolle unterliegen,3 zeigt sich bei verbindlicheren Beziehungen ein differenzierteres Bild. In jedem Fall folgt jedoch aus einer tatsächlichen Erreichbarkeit nicht zwangsläufig ein umfassend rechtlicher Zugang zu Dritten. Verbinden sich Netzwerkakteure durch zielgerichtetes privatautonomes Verhalten, gilt aus juristischer Sicht vor allem das Vertrags- und Gesellschaftsrecht. Hierbei kommt dem Rechtsbindungswillen grundsätzliche Bedeutung zu. Für die Einschätzung der Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren muss danach differenziert werden, ob und inwieweit diese als Realakte, rechtsgeschäftsähnlich oder rechtsgeschäftlich zu qualifizieren sind. Es gelten die allgemeinen Regeln. Allein aufgrund der Beteiligung an einem Netzwerk resultiert keine bestimmte Rechtsfolge. Problematisch erweisen sich insoweit vor allem Situationen, die sich 2 

Druey, KritV 2006, 163, 168. Wellenhofer, KritV 2006, 187, 189.

3 Vgl.

§ 28  Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung

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an der Schnittstelle zu einem rechtlich unerheblichen Verhalten befinden. Konkret gehören dazu etwa die Aufforderungen zur Abgabe einer Willenserklärung, Gefälligkeitsverhältnisse, Auskünfte und Ratschläge. Eine Teilnahme an einem feierlichen Anlass eröffnet zwar mithilfe von anderen Menschen die Möglichkeit, wichtige Kontakte zu Dritten zu knüpfen oder auszubauen, begründet jedoch regelmäßig keinen rechtserheblichen Anspruch auf Vorstellung gegenüber den begehrten Personen. Lediglich die Absicht, Sozialkapital mithilfe persönlicher Beziehungen zu schaffen, um Ressourcen nutzen zu können, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts. Ähnliches gilt für Auskünfte und Ratschläge von Personen, zu denen kein regelmäßiger Kontakt herrscht. In den Fällen folgt die rechtliche Verbindlichkeit nicht schon aus der Chance auf Informationsgewinne samt den damit zusammenhängenden Vorteilen. Vielmehr entscheiden die allgemeinen Kriterien auf der Grundlage des Einzelfalls über die Annahme einer rechtserheblichen Verbindung. Ebenso kann nur auf der Basis der jeweiligen konkreten Situation ermittelt werden, ob und inwieweit über den Einzelverhältnissen ein (Gesamt-)Verhältnis zwischen allen Beteiligten entsteht. Hat die Verbindung zwischen den Netzwerkbeteiligten einen privatautonomen Ursprung und einen rechtserheblichen Charakter, stellt das Schuldrecht verschiedene Regelungen zur Verfügung. Hierzu gehören vor allem vertragliche Normierungen. Während einige Vertragstypen des BGB allerdings in ihrer Grundform von einem Zweipersonenverhältnis ausgehen, setzen andere eine Mehrpersonenbeziehung von vornherein voraus. Zu den Vertragstypen mit einer standardisierten Prägung für ein Zweipersonenverhältnis zählen etwa der Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB), der Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB), der Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB) und der Auftrag (§§ 662 ff. BGB). Liegt ein netzwerkorientiertes Verhalten vor, können diese Vorschriften die tatsächlichen Gegebenheiten nur mit Anpassungen regeln. Zu einem Netzwerkbezug kommt es insbesondere bei einem gemeinsamen Gegenstand von mehreren Beziehungen. Verkaufen sich zum Beispiel vier Personen nacheinander dieselbe Sache und soll die Lieferung ohne Einbeziehung der Mittelsmänner direkt von der ersten zur letzten Person erfolgen (sogenanntes Streckengeschäft), ist dies eine Abweichung vom Leitbild der §§ 433 ff. BGB. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB spricht ausdrücklich von einer Übergabe an den Käufer. Trotzdem erkennt die allgemeine Auffassung eine ordnungsgemäße Erfüllung iSd. § 362 BGB an, wenn dies der Vereinbarung der Vertragsparteien entspricht. Schließlich entsteht infolge der abweichenden Liefervereinbarung grundsätzlich kein gemeinsamer Kaufvertrag zwischen allen Beteiligten. Entsprechendes gilt für die Gewährleistung. Selbst in den Fällen muss sich prinzipiell jeder gegenüber seinem Vertragspartner für eine mangelfreie Lieferung verantworten. Eine normierte Ausnahme herrscht etwa bei Verträgen mit Verbrauchern für den Rückgriff des Unternehmers, vgl. §§ 478 f. BGB. Ebenso sind abweichende Vereinbarungen zulässig. Ein gemeinsamer Vertragsgegenstand bewirkt zudem bei Mietsachverhalten einen Netzwerkbezug. Wird eine gemietete Sache an einen Dritten weitervermie-

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4. Teil:  Zusammenfassung

tet, führt dies jedoch auch in dem Fall nicht automatisch zu einem einheitlichen Gesamtmietvertrag mit allen Personen. Für die rechtlichen Pflichten sind grundsätzlich die individuellen Vereinbarungen zwischen den Parteien des Mietverhältnisses maßgeblich. Andererseits ist die rechtliche Befugnis im Untermietverhältnis durch die Vereinbarungen im Hauptmietverhältnis beeinflusst. Der Gesetzgeber trägt derartigen Situationen etwa mit einer Erlaubnispflicht (§ 540 Abs. 1 BGB), einer Vertretungserweiterung bei Untervermietung (§ 540 Abs. 2 BGB) und der Rückgabeverpflichtung in § 546 Abs. 2 BGB Rechnung. Ein Netzwerkbezug kann aber ebenso ohne einen gemeinsamen körperlichen Vertragsgegenstand entstehen. Im werkvertraglichen Bereich kommt es dazu etwa bei der Leistungserstellung unter Einbeziehung von Dritten. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich beispielsweise in § 641 Abs. 2 BGB Regelungen für die Fälligkeit des Werklohnanspruchs vom Dritten gegenüber dessen Besteller erlassen. Darüber hinaus können weitere Verpflichtungen hervorgehen. Gerade bei Projekten mit mehreren Beteiligten betrifft dies Mitwirkungserfordernisse. Insoweit sind selbst ohne ausdrückliche Normierung Koordinierungsverpflichtungen neben den Regelungen in §§ 642 ff. BGB anerkannt. Ferner setzt die Auftragssituation nicht zwingend ein netzwerkorientiertes Verhalten voraus. Neben dem klassischen Zweipersonenverhältnis können allerdings auch hier weitere Akteure beteiligt sein und es kann sogar zu einer Übertragung des Auftrages an einen Dritten kommen. Der Gesetzgeber berücksichtigt eine zulässige Übertragung etwa in § 664 Abs. 1 S. 2 BGB. Demnach haftet der Beauftragte nur für ein ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden. Findet jedoch ein unzulässiger Wechsel bei der Ausführung statt, ist der Beauftragte für jeden deswegen verursachten Schaden ohne ein Verschuldenserfordernis des Dritten verantwortlich. Genauso verhält es sich bei einer unberechtigten Hinzuziehung eines Gehilfen. Neben den Vorschriften für die speziellen Vertragstypen erfolgt eine rechtliche Anpassung zudem über allgemeingültige Bestimmungen. Im Zusammenhang mit der Abgabe und dem Zugang von Willenserklärungen geschieht dies beispielsweise mit den Instituten der Stellvertretung und der Botenschaft. Nach den Regeln der Stellvertretung kann etwa eine Person prinzipiell für eine andere rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben oder entgegennehmen, wenn sie dafür Vertretungsmacht hat und nach außen erkennbar als deren Vertreter auftritt, vgl. §§ 164 ff. BGB. Unter Umständen darf sich der Stellvertreter auch von einem weiteren Stellvertreter aushelfen lassen. Liegt eine wirksame Vertretung vor, wird im Ergebnis ausschließlich der Vertretene Partei des Rechtsgeschäfts. Für Willensmängel und die Wissenszurechnung gelten zum Schutz vor Missbrauch Sonderregelungen in § 166 BGB. Ähnlich trägt die Botenschaft den arbeitsteiligen und netzwerkorientierten Gegebenheiten Rechnung. Hier kommt es zu einer Zurechnung einer schon inhaltlich festgelegten fremden Erklärung der Hilfsperson gegenüber dem Geschäftsherrn, damit dieser für die Abgabe bzw. den Empfang nicht persönlich vor Ort sein muss.

§ 28  Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung

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Für die Berücksichtigung von weiteren Personen im Bereich der Verantwortlichkeit hat der Gesetzgeber insbesondere § 278 BGB erlassen. Danach sind ein Verschulden des gesetzlichen Vertreters und des Erfüllungsgehilfen dem Schuldner wie eigenes zuzurechnen. Gerade bei der Erfüllung von vertraglichen Pflichten durch Gehilfen können hiermit netzwerkorientierte Verhaltensweisen selbst in Zweipersonenvertragsverhältnissen beachtet werden. Darüber hinaus erfolgt eine Anpassung mit den Vorschriften für Personenmehrheiten. Besonders bei der Beteiligung von mehreren Personen auf einer oder beiden Seiten des Vertrages herrscht eine große Abweichung von den jeweiligen Grundformen. Insoweit besteht zudem ein wesentlicher Unterschied zur Mitwirkung von Hilfspersonen. Auf Gläubigerseite geschieht dies durch die Regeln für die Teilgläubigerschaft, die Gesamtgläubigerschaft, die Gesamthandsgläubigerschaft, die Bruchteilsgläubigerschaft und die Mitgläubigerschaft. Mit der Differenzierung wird der unterschiedlichen Beziehungsintensität zwischen den Akteuren Rechnung getragen. Während beispielsweise eine Teilgläubigerschaft eine weniger starke Verbindung zwischen den beteiligten Gläubigern voraussetzt, sodass hauptsächlich zu zwei selbstständigen Verträgen abzugrenzen ist, beruht die Gesamthandsgläubigerschaft auf derart starken Verbindungen zwischen den einzelnen Gläubigern, dass manche sogar eine eigene Rechtspersönlichkeit annehmen. Entsprechendes gilt auf der Schuldnerseite. Hier findet die Berücksichtigung mit den Instituten der Teilschuldnerschaft, der Gesamtschuldnerschaft und der Schuldnergemeinschaft statt. Neben der ursprünglichen Beteiligung von mehreren Personen sieht die Rechtsordnung zudem Regeln für die nachträgliche Begründung von Personenmehrheiten vor. Hierzu zählen insbesondere der Schuld-, der Gläubiger- und der Vertragsbeitritt. Mit diesen Konstruktionen können dynamische Entwicklungen grundsätzlich bei allen Vertragstypen rechtliche Beachtung finden. Sie beziehen sich auf die völlige und teilweise Einbeziehung von ursprünglich außenstehenden Personen. Selbst für einen Austausch von Akteuren in einer Vertragsbeziehung hält das Recht Anordnungen bereit. Während die Schuldübernahme und die Forderungsübertragung die personelle Veränderung für bestimmte Teile erfassen, ist es bei der Vertragsübernahme der vollständige Wechsel einer Person. Im Fall eines teilweisen Austauschs bleiben die übrigen Vertragsrechte und -verpflichtungen zum bisherigen Vertragspartner bestehen. Dies führt jedoch zur eingeschränkten Wahrnehmbarkeit von Gestaltungsrechten, die den Bestand der Rechtsverbindung beeinträchtigen. Im Vergleich dazu kann der Vertragsübernehmer aufgrund des vollständigen Austritts des ursprünglichen Beteiligten naturgemäß freier handeln. Die Anpassungsfähigkeit umfasst jedoch nicht nur die Beziehung zwischen den originären Parteien des Schuldverhältnisses. Vielmehr berücksichtigt das Gesetz mitunter selbst Verbindungen zu außenstehenden Personen, die nie Teil des (bipolaren) Vertrages waren und auch keine derartige Absicht hegten bzw. hegen. Nach dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte sind beispielsweise Personen mit einer

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4. Teil:  Zusammenfassung

gewissen für den Schuldner erkennbaren Nähe zur Leistung und zum Gläubiger geschützt, sofern sie keine gleichwertige Anspruchsposition innehaben. Liegen die Voraussetzungen vor, kann selbst die außenstehende Person eigene Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen, wenn ein Beteiligter des Schuldverhältnisses etwa eine nichtleistungsbezogene Nebenpflicht verletzt. Neben der Rechtsangleichung bei einem Vertragsverhältnis kennt das Bürgerliche Gesetzbuch auch die Verknüpfung verschiedenartiger Rechtsverbindungen. Im Rahmen von Verbraucher-Unternehmerbeziehungen zeigt sich dies beispielsweise in den §§ 358 f. BGB. Nach § 358 BGB ist ein Verbraucher an einen verbundenen Darlehensvertrag selbst dann nicht gebunden, wenn er den anderen Vertrag mit einem weiteren Unternehmer wirksam widerrufen hat. Ebenso normierte der Gesetzgeber für derartige Fälle in § 359 BGB einen weitgehenden Einwendungsdurchgriff. Mit dieser Regelung soll Nachteilen aufgrund der lediglich formal-juristischen Trennung von Parteien vorgebeugt werden. Schließlich bilden sie wegen ihrer internen (starken) Verbindung eine wirtschaftliche Einheit. Zusätzlich zu den Vertragstypen für das einfache Zweipersonenverhältnis stellt das Recht vertragliche Konstrukte zur Verfügung, die originär für Sachverhalte mit einer Mehrpersonenbeziehung vorgesehen sind. Hierzu gehören beispielsweise die Bürgschaft, der Maklervertrag und die mittelbare Stellvertretung. Zwar werden diese Verträge, ebenso wie der Kaufvertrag, grundsätzlich zwischen zwei Personen geschlossen, sie beziehen sich jedoch nach dem juristischen Leitbild von vornherein auf Verbindungen außerhalb des eigentlichen Vertragsverhältnisses. Der Bürgschaftsvertrag setzt etwa eine Forderung des Gläubigers gegen einen Dritten, der Maklervertrag die Vermittlung bzw. die Chance zum Vertragsabschluss mit einem Dritten und die Fälle der mittelbaren Stellvertretung neben dem Vertragsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und mittelbarem Stellvertreter ein weiteres zwischen letzterem und einem Dritten voraus. Ein Zeichen für die wesensgemäße Drittbezogenheit des Maklervertrages ist zudem, dass der Vergütungsanspruch des Maklers entfällt, wenn der angestrebte Vertrag mit ihm selbst und nicht wie gewöhnlich mit einem Dritten zustande kommt. Unabhängig von der Ausrichtung auf Mehrpersonenverhältnisse können aber auch diese insoweit beteiligten Vertragstypen mit Hilfe der allgemeinen Regeln für noch weitläufigere Verbindungen mit zusätzlichen Akteuren fortentwickelt werden. Für die rechtliche Erfassung von netzwerkorientiertem Verhalten auf privatautonomer Grundlage ist zudem das Gesellschaftsrecht geeignet. Im Wesentlichen geschieht dies einerseits auf der Basis des Vereinsrechts und andererseits nach den Regeln für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Hierbei werden prinzipiell mehrpolare Situationen vorausgesetzt. Jedes einzelne Mitglied hat beispielsweise eine mitgliedschaftliche Verbindung zum Verein und dieser besitzt wiederum Beziehungen zu Dritten. Die juristische Berücksichtigung der Verbindungen zwischen allen Parteien erkennt man insbesondere bei der Haftung. Eine spezielle rechtliche Bedeutung kommt dabei der Anerkennung des Vereins als juristische

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Person zu. Erst durch diesen Status haften grundsätzlich weder der Handelnde noch die Mitglieder gegenüber Dritten, sondern nur der Verein selbst. Im Übrigen herrscht beim nicht rechtsfähigen Verein trotz der überwiegenden Charakterisierung als Gesamthand je nach Form eine weitergehendere Einstandspflicht. Für die Verbindlichkeiten eines konzessionslosen Vereins mit wirtschaftlicher Zielrichtung haften die Mitglieder etwa unbeschränkt und gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen. Ferner kann der Handelnde bei allen Arten des nicht rechtsfähigen Vereins über § 54 S. 2 BGB bei Rechtsgeschäften persönlich in Anspruch genommen werden. Aus umgekehrter Perspektive erkennt der Gesetzgeber aber zum Beispiel in gleicher Weise die Arbeitsteilung zwischen Verein und Organen gegenüber Dritten mit der Haftungszurechnung in § 31 BGB an. Nach dieser Vorschrift muss jeder Verein für Schäden seiner verbundenen Organe aufkommen. Ebenso finden bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts die Verbindungen zu verschiedenen Beteiligten entsprechende Berücksichtigung. Auch hier verdeutlicht dies nicht zuletzt die Haftung. Trotz anerkannter Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft müssen etwa die Gesellschafter für Forderungen der Gesellschaft gegenüber Dritten persönlich und gesamtschuldnerisch einstehen. Zudem hat selbst in der Konstellation die GbR ein schadensersatzpflichtiges Verhalten ihrer geschäftsführenden Gesellschafter gem. § 31 BGB analog auszugleichen. Außer dem Schuld- und Gesellschaftsrecht würdigt das Sachenrecht netzwerk­ orientierte Beziehungen. Sie werden vor allem beim Übereignungsvorgang berücksichtigt. Während die einfachste Form der eigentumsrechtlichen Übertragung eine solche zwischen Veräußerer und Erwerber zum Gegenstand hat, kennt das Recht dabei aber ebenso die Beteiligung von weiteren Personen. Neben den speziellen Erwerbstatbeständen in den §§ 931 ff. BGB folgt dies vor allem aus der generellen Beachtung von Hilfspersonen. Im rechtsgeschäftlichen Teil der Übereignung sind es dieselben Personen wie bei Verträgen, also insbesondere Stellvertreter und Boten. Dagegen findet sie im Bereich der Übergabe mit Hilfe der Institutionen Besitzdiener, Besitzmittler und Geheißperson statt. Hilfspersonen können in dem Kontext sowohl auf einer als auch auf beiden Seiten handeln. Zulässig ist ferner die Umwandlung einer Hilfsperson zu einer (Haupt-)Partei bei der Veräußerung. Weiterhin erfasst das Gesetz Netzwerkstrukturen beim Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten nach den §§ 932 ff. BGB und von belastetem Eigentum gem. § 936 BGB. Allerdings darf wegen des Verbots bei abhandengekommenen Sachen in § 935 BGB grundsätzlich ein solcher Erwerb beispielsweise nur stattfinden, wenn eine willensgetragene, besitzrechtliche Verbindungskette zwischen dem ursprünglichen Eigentümer, dem nichtberechtigten Veräußerer und dem gutgläubigen Erwerber vorliegt. Selbst in den Fällen sind jedoch Hilfspersonen durchweg erlaubt und ihre Handlungen beachtet das Recht regelmäßig nach dem Prinzip der Veranlassung. Zusätzliche Beispiele für die Berücksichtigung von Netzwerken im Sachenrecht lassen sich im Bereich der Sicherheiten finden. Hierher gehört etwa das Pfandrecht. Deutlich wird dies bei der Verpfändung eines Gegenstandes durch einen Dritten.

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4. Teil:  Zusammenfassung

In derartigen Fällen reagiert der Gesetzgeber auf das Mehrpersonenverhältnis beispielsweise mit Einwendungsdurchgriffen, Mitwirkungspflichten und einer subsidiären Haftung. Neben Pfandrechten für bewegliche Sachen und Rechte sind Sicherheiten selbst an Grundstücken begründbar. Die Rechtsordnung stellt dafür vor allem die Hypothek und die Grundschuld zur Verfügung. Auch diese Rechtsformen erkennen netzwerkartige Strukturen an. Ein Beispiel ist die Mithaftung von Miet- und Pachtforderungen gegenüber Mietern und Pächtern nach § 1123 BGB. Im Übrigen kann etwa der Eigentümer außerdem die Einreden des persönlichen Schuldners gegenüber dem Gläubiger geltend machen, wenn bei der Hypothek keine Identität mit dem persönlichen Schuldner besteht, vgl. § 1137 BGB. Ein weiteres Gebiet ist das Bereicherungsrecht. Netzwerkartige Sachverhalte beachtet das Recht hier sowohl bei den Arten der Leistungskondiktion als auch bei den Nichtleistungskondiktionen. Im Rahmen der Leistungskondiktion kommt es dazu beispielsweise, wenn vertragliche Mehrpersonenverhältnisse nach einem Leistungsaustausch rückgängig zu machen sind. Zur Vermeidung von Unbilligkeiten infolge von Einwendungen werden insbesondere die rechtlichen Leistungsbeziehungen von den abweichenden Erfüllungsvereinbarungen auseinandergehalten. Selbst in den Fällen erkennt die Rechtsordnung die Mitwirkung von Hilfspersonen an. Aufseiten der Nichtleistungskondiktion trägt der Gesetzgeber Verbundbeziehungen speziell mit den §§ 816, 822 BGB Rechnung. Im Übrigen verschließen sich ebenso die sonstigen bereicherungsrechtlichen Vorschriften nicht gegenüber einer Beteiligung von weiteren Personen. Außerdem ist das Deliktsrecht für netzwerkartige Verbindungen offen. Gerade bei schädigenden Ereignissen außerhalb von vertraglichen Beziehungen kommt diesem Rechtsgebiet eine tragende Rolle zu. Setzt beispielsweise eine Person bei der Verrichtung einen anderen ein, hat der Gesetzgeber eine spezielle Haftung des Bestellers gegenüber Dritten in § 831 BGB vorgesehen. Eine ähnliche Ersatzpflicht wurde etwa für den Aufsichtspflichtigen und den Tieraufseher normiert. Sogar bei Haftungen wegen Amtspflichtverletzungen berücksichtigt das Deliktsrecht in § 839 BGB iVm. Art. 34 GG, dass der Staat als juristisches Gebilde nicht selbst handelt und sich zur Ausführung von Aufgaben anderer Personen bedienen muss. Ebenso findet eine unerlaubte Rechtsverletzung in Form der Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe in diesem Rechtsgebiet hinreichende Beachtung, vgl. § 830 BGB. Neben den speziellen Vorschriften wird eine Netzwerkorientierung auch im Rahmen der allgemeinen Deliktshaftung anerkannt. Für bestimmte Mängel im Zusammenhang mit der Produkthaftung hat etwa die Rechtsprechung eine Verschuldensvermutung des Herstellers angenommen, um den Geschädigten vor Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten infolge der arbeitsteiligen Handlungsweise zu schützen. Ferner verschließt sich das Arbeitsrecht nicht gegenüber netzwerkartigen Gestaltungen. Im Rahmen des Individualarbeitsrechts kommt es zu einer juristischen Berücksichtigung von Netzwerkstrukturen allerdings nur in Ausnahmefällen. De-

§ 28  Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung

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ren Zulässigkeit folgt primär aus § 613 BGB. Zwar ist danach dem zur Dienstleistung Verpflichteten im Zweifel nur eine höchstpersönliche Leistungserbringung erlaubt und dem Dienstempfänger ebenso grundsätzlich eine Übertragbarkeit untersagt. Vereinbaren die Parteien allerdings die Hinzuziehung eines Dritten aufseiten des Leistenden oder des Empfängers, lässt der Gesetzgeber die Abweichung zu. Generell trägt das Recht der Beteiligung von Dritten auf Arbeitnehmerseite insbesondere mit den Gruppenarbeitsverhältnissen und dem mittelbaren Arbeitsverhältnis Rechnung. Zum Teil werden hierbei sowohl bipolare Kettenarbeitsverhältnisse zwischen den einzelnen Beteiligten als auch multipolare Arbeitsverhältnisse mit allen Vertragspartnern geschlossen. Dementsprechend ergeben sich unterschiedliche Rechte und Pflichten. Obendrein erlaubt die Rechtsordnung Beteiligungen von weiteren Personen auf Arbeitgeberseite. Hierzu gehören beispielsweise die Arbeitgebergruppe und bestimmte Gesamthafenbetriebe. Darüber hinaus erfasst die Juristerei Dritte, die Dienste des Arbeitnehmers nach eigenen Weisungen in Anspruch nehmen ohne selbst formaler Arbeitgeber zu sein, weil sie Rechtsbeziehungen zum Arbeitgeber haben. Die Regelung der Beziehungen geschieht unter anderem im Rahmen von Leiharbeitsverhältnissen. Netzwerkartige Verbindungen werden jedoch auch an anderen Stellen berücksichtigt. Ein Bereich ist etwa die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten. Hier führt die Verbindung zum Arbeitgeber zu einer Rückgriffsmöglichkeit des Arbeitnehmers auf der Grundlage arbeitsrechtlicher Maßstäbe, weil dieser bei einer unerlaubten Handlung dem Geschädigten ohne Beschränkungen haftet. Während das Individualarbeitsrecht vor allem bürgerlich-rechtlich geprägt ist, überwiegen im kollektiven Bereich speziellere Normen. Für das Tarifvertragsrecht hat der Gesetzgeber beispielsweise das Tarifvertragsgesetz (TVG) erlassen. Das TVG befasst sich vorwiegend mit Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern sowie Arbeitgebervereinigungen, die auf Individualarbeitsverhältnisse über Mindestarbeitsbedingungen einwirken. Hierher gehört ferner das Arbeitskampfrecht. Dieses Rechtsgebiet widmet sich Störungen der Arbeitsbeziehungen durch kollektive Maßnahmen zur Erreichung eines oder mehrerer Ziele. Unter bestimmten Umständen führt eine solche Auseinandersetzung sogar zu Anspruchsverlusten bei unbeteiligten Personen. Im Gegensatz zum breiten Anwendungsbereich des Tarifrechts hat das Betriebsverfassungsgesetz vordergründig die Beziehungen innerhalb des Betriebes im Blick. Auch diese Regelungen erlauben weitreichende Einflüsse der besonderen Betriebspartner auf die individualvertragliche Arbeitsrechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Weiterhin ermöglicht das Gesetz, in bestimmten Situationen den Arbeitgeber zum Schutz bestehender Beziehungen zu beeinflussen, wenn er Verbindungen zu Dritten eingehen will. Trotz der vielfältigen Anhaltspunkte im Recht bereiten qualifizierte netzwerk­ artige Beziehungen im Wirtschaftsleben Schwierigkeiten bei der juristischen Beurteilung. Eine allgemeingültige Lösung verbietet sich allerdings an der Stelle.

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4. Teil:  Zusammenfassung

Vielmehr sind die Rechtsgrundlage und die einzelnen Verpflichtungen in erster Linie den Umständen des Einzelfalls zu entnehmen. Erst wenn kein eindeutiger und wirksamer Wille zwischen den Beteiligten ermittelt werden kann, spricht viel für die Konstruktion des Vertragsverbunds als übergeordnete Rechtsgrundlage zwischen den Netzwerkakteuren. Nur diese Rechtsfigur schafft es, die relativ freie Stellung der Beteiligten mit ihren gleichzeitigen, symbiotischen Streben nach individuellen und kollektiven Zielen angemessen zu berücksichtigen. Dementsprechend sind besondere Verpflichtungen lediglich dann anzunehmen, wenn und soweit es die Sicherung des Verbundzwecks erfordert. Konkret können dies beispielsweise Kooperations-, Loyalitäts-, Systemförderungs-, Informations-, Geheimhaltungs-, Gleichbehandlungs-, Vorteilsteilungs- und Risikoteilungspflichten sein. Bei vertriebsorientierten Netzwerken hilft zudem die Beachtung des Handelsvertreterrechts nach den §§ 84 ff. HGB. Rechtsdogmatisch verdient die Auffassung Zustimmung, die die Pflichten in einer kollektivvertraglichen Sonderverbindung nach dem Vorbild der culpa in contrahendo begründet sieht. Durch die wechselseitige Verweisung der Verträge, den einheitlichen Verbundzweck und das enge Kooperationsverhältnis liegt eine ausreichende Vertrauensgrundlage zwischen allen Netzwerkakteuren vor. Jeder Beteiligte ist sich mit der individualvertraglichen Verbindung zu einem Verbundpartner auch über die kollektive Verfolgung des Verbundzwecks und die Begründung kollektiver Verpflichtungen bewusst. Besonderheiten zeigen sich weiterhin bei der Außenhaftung. Hier können qualifizierte Netzwerkverbindungen sogar zu einem deliktischen Haftungsschutz gegenüber außenstehenden Personen führen. Vor allem bei Akteuren mit Netzwerkbeziehungen, die mit unternehmensinternen Liefer- und Produktionsverhältnissen vergleichbar sind, muss eine Rechtsgutverletzung iSd. § 823 Abs. 1 BGB angenommen werden. Umgekehrt können nach den Umständen des Einzelfalls ebenso Netzwerkakteure gegenüber Dritten haften. Sollte kein (Individual-)Vertrag zwischen dem Akteur und dem Dritten existieren, ist nach diesseitiger Auffassung der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte eine taugliche Rechtsgrundlage für entsprechende Ansprüche. Gerade wegen der verbundorientierten Leistungserbringung realisieren sich Risiken verfahrensbedingt vielfach bei Personen, mit denen der Verursacher vertraglich nicht zwangsläufig in Verbindung steht, aber dennoch mit der Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt.

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Sachwortverzeichnis Sachwortverzeichnis Sachwortverzeichnis

Abtretung  178, 273 Allgemeine Geschäftsbedingungen  86 Anschlussverhältnis 370 Arbeitsrecht 293 – Arbeitgebergruppe 312 – Arbeitnehmer 293 – Arbeitnehmerähnliche Personen  296 – Arbeitskampfrecht 333 – Betriebsverfassungsrecht 340 – gemeinsamer Betrieb verschiedener Unternehmen 314 – Gesamthafenbetriebe 314 – Gruppenarbeitsverhältnisse 306 – Haftung 327 – Konzernarbeitsverhältnis 319 – Leiharbeitsverhältnis 316 – Mittelbares Arbeitsverhältnis  299 – Personengesellschaften 313 – Tarifvertragsrecht 330 Auftrag 128 Auslegung 83 Außenhaftung 375 – von Dritten  376 – von Netzwerkakteuren  378 Austauschvertrag 349 Banküberweisungen 271 Bereicherungsrecht 262 Besitzdiener 216 Besitzmittler 217 Betriebsgruppe 306 Betriebsrat 340 Betriebsübergang 183 Betriebsvereinbarung 343 Botenschaft 108

Bruchteilsgemeinschaft 212 Bruchteilsgläubigerschaft 161 Bürgschaft 145 Deliktsrecht 284 Dienstvertrag 129 Drittschadensliquidation  195, 368, 380 Eigengruppe 308 Eigenhaftung Dritter nach § 311 Abs. 3 BGB  194, 380 Eingerichteter und ausgeübter Gewerbe­ betrieb 285 Erfüllungsgehilfen  111, 367 Erfüllungsübernahme 156 Ermächtigung 259 Forderungsübertragung 178 Franchise  55, 295, 297, 347 Garantievertrag 156 Gefälligkeitsverhältnisse 79 Geheimhaltungspflichten 361 Geheißperson 221 Gemeinschaftsverhältnis 353 Gemischttypischer Vertrag  349, 353 Geografie 61 Gesamtgläubigerschaft 158 Gesamthandsgläubigerschaft 160 Gesamtschuldnerschaft 163 Geschäftsähnliche Handlungen  75 Geschäftsbesorgungsvertrag 129 Gesellschaft des bürgerlichen Rechts  204, 350 Gläubigerbeitritt 171 Gläubigermehrheit 157 Gleichbehandlungspflichten 362

418

Sachwortverzeichnis

Gruppenarbeitsverhältnisse 306

Politik 58

Handelsvertretervertrag 133 Hilfspersonen  88, 216, 231, 265

Qualifizierte Netzwerkbeziehungen  347

Informationspflichten 360 Kaufvertrag 113 – gemeinsamer Kaufgegenstand  113 – Gewährleistung 116 – verbundene Verträge  119 Kommissionsvertrag 135 Konzern 352 Konzernarbeitsverhältnis 319 Kooperation 64 Kooperationspflichten 358 Kundenstamm 285 Leistungskondiktionen 262 – Dreiecksverhältnisse 267 – Hilfspersonen 265 – Leistungsketten 265 Loyalitätspflichten 359 Maklervertrag 141 Mietvertrag 125 Mitgläubigerschaft 161 Multilaterale Sonderverbindung  371 Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis  260 Nebentätigkeit 298 Netzvertrag  353, 372, 378 Netzwerkbegriff  28, 40, 58, 64, 68, 72 Nichtleistungskondiktionen 279 Organisation 66 Pfandrechte 247 – gesetzliche Pfandrechte  252 – Grundschuld 257 – Hypothek 253 – vereinbarte Pfandrechte an beweg­ lichen Sachen  247 – vereinbarte Pfandrechte an Rechten  251

Realakte 74 Rechtsbindungswille 78 Rechtsscheinhaftung 379 Rechtsscheinvollmacht 96 Reisevertrag 123 Risikoteilungspflicht 363 Schuldbeitritt 169 Schuldnergemeinschaft 167 Schuldnermehrheit 162 Schuldübernahme 174 Schwerbehindertenvertretung 346 Sonderverbindung – wegen Anschlussverhältnisses  370 – wegen Multilateralität  371 – wegen Vertragsverbundes  371 Soziologie 27 – Netzwerke und Systeme  36 – soziologischer Netzwerkbegriff  28 Sprecherausschuss 346 Stellvertretung 89 – Mittelbare 109 Streckengeschäfte  113, 267 Systemförderpflichten 359 Teilgläubigerschaft 158 Teilschuldnerschaft 162 Treuhandverhältnis 139 Übereignung von Sachen  214 – Erwerb vom Nichtberechtigten  230 – Erwerb von lastenfreiem Eigentum  243 – Hilfspersonen 216 – Rechtsfolge 229 Übernahme fremder Schulden  276 Unerlaubte Handlungen  284 – § 823 Abs. 1 BGB  284 – § 823 Abs. 2 BGB  286

Sachwortverzeichnis – § 826 BGB  287 – § 830 BGB  287 – § 831 BGB  288 – § 832 BGB  289 – § 839 BGB  290 – § 840 BGB  291 Untervollmacht 93

Vertragsbeitritt 172

Verbundhaftung 381 Verein 198 Verkehrssicherungspflichten 284 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte  187, 367, 379 Vertrag zugunsten Dritter  151 – bereicherungsrechtliche Rückabwicklung 277

Willenserklärung 74

Vertragsübernahme 183 Vertragsverbund  354, 371, 381 Vorteilsteilungspflicht 363 Vorvertragliche Haftung  369 Werkvertrag 120 Wettbewerbsrecht 373 Wirtschaftswissenschaften 39 – Vorteile und Nachteile  42 – wirtschaftswissenschaftlicher Netzwerkbegriff 40 Wissensvertreter 107 Zahlung auf fremde Schulden  274

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