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German Pages 386 Year 2007
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1078
Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts Von
Albert Ingold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ALBERT INGOLD
Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1078
Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts
Von
Albert Ingold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2006/2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12539-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006/2007 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten teilweise bis März 2007 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Battis, für die Betreuung und Förderung der Arbeit, insbesondere für den großzügig gewährten Freiraum und für das in mich gesetzte Vertrauen. Seit Beginn meines Studiums verdanke ich ihm wertvolle Einblicke in die Materien des Öffentlichen Rechts, die ich im Rahmen der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl vertiefen durfte. Auch Herrn Prof. Dr. Jens Kersten möchte ich herzlich danken, da er nicht nur die Mühen der Erstellung des Zweitgutachtens auf sich genommen hat, sondern vor allem durch wertvolle Anregungen mein Studium und meine Promotionszeit maßgeblich geprägt hat. Hervorgehobener Dank gilt ferner Herrn Prof. Dr. Christoph Moench, der mich ausschlaggebend in der Themenwahl bestärkte. Bedanken möchte ich mich des Weiteren bei meinen Freunden und Kollegen, vor allem bei Franziska Drohsel, Felicitas Kaape, Laura Schopp, Kristian König, Tobias Mischlau und Pierre Thielbörger, die durch zahlreiche Diskussionen und begleitende Unterstützung gewichtig zum Gelingen der vorliegenden Arbeit beigetragen haben. Den Dank meinen Eltern gegenüber an dieser Stelle angemessen zum Ausdruck zu bringen, würde den Rahmen eines Vorwortes sprengen. Ihnen widme ich diese Arbeit. Berlin, im April 2007
Albert Ingold
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Anlass, Ziel und Gang der Untersuchung
15
A. Anlass und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Gang der Untersuchung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Kapitel
Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur A. Begriff der Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Planung und sog. „Planungsermessen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Struktur der Planung – das sog. „Planungsermessen“ . . . . . . . . . . . . . . . a) Behauptete Identität von „Planungsermessen“ und herkömmlichem Verwaltungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiede zwischen „Planungsermessen“ und herkömmlichem Verwaltungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine exklusive Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erstplanungspflicht / Änderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erstplanungspflicht / Planungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Differenzierung zwischen objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verdichtung des sog. „Planungsermessens“ zur Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsfigur der Verdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenüberstellung Planungspflicht / Planungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überblick über planungsspezifische und potentiell verdichtende Belange . . 1. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechtliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Staatszielbestimmung Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 17 17 22 23 25 28 30 34 39 44 44 48 49 49 51 52 52 53 54
C. Vergleich zu anderen pflichtbegründenden Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Generelle Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
8
Inhaltsverzeichnis 2. Verordnungsgebung / Satzungsgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwaltungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Objektiv determinierte Verdichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten zum Erlass von Rechtsverordnungen und Satzungen . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Subjektiv determinierte Verdichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verordnungsgebung / Satzungsgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 57 58 58 64 65 66 66 68 71
2. Kapitel Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
73
A. Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten bei § 35 BauGB . . . . . . . . . . . . . 73 I. § 35 II BauGB: Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei nicht privilegierten Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Verwaltungswissenschaftlicher Exkurs: Finale und konditionale Programmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Normstruktur des § 35 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Planungserfordernis als Kombination von finaler und konditionaler Programmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) Ergebnis des Exkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Entwicklungslinien in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Entwicklung des Planungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Beschränkung des Planungserfordernisses auf die Notwendigkeit der Binnenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 c) Wegfall der Unterscheidung Binnen-/Außenkoordination . . . . . . . . . . 89 d) Abhängigkeit der Rechtsprechungsentwicklung von den zu beurteilenden Vorhaben: Von Wohnsiedlungskomplexen über große Industrieansiedlungen/Windenergie bis zur Errichtung von FOC . . . . . . . . 92 3. Keine Anerkennung des Planungserfordernisses als „öffentlicher Belang“ 95 a) Argumentation gegen Planungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Unzulänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (2) Rechtliche Unzulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Alternative Lösungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Art. 28 II GG / Planungshoheit als „öffentlicher Belang“ . . . . . 101 (2) Unmittelbarer Rückgriff auf § 2 II BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (a) § 2 II BauGB als eigener Rechtmäßigkeitsmaßstab . . . . . . . 102
Inhaltsverzeichnis
4. 5. 6.
7.
(b) § 2 II BauGB als „öffentlicher Belang“ . . . . . . . . . . . . . . . . (3) § 36 BauGB statt Planungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gebot der Rücksichtnahme als öffentlicher Belang . . . . . . . . . . c) Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungserfordernis nur zur Binnenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungserfordernis nur zur Außenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungserfordernis zur Binnen- und Außenkoordination . . . . . . . . . . a) Grenzen konditionaler Programmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teleologische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik an Begründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 104 106 107 108 109 111 112 113 116 119 121
II. § 35 I BauGB: Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei privilegierten Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Klassische Literaturauffassung: kein Planungserfordernis bei § 35 I BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Generelle Ablehnung des Planungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Hoppe: Entprivilegierungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 c) Ablehnung des Planungserfordernisses vor dem Hintergrund des Planersatzcharakters der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Überwiegende Literaturauffassung: Planungserfordernis bei § 35 I BauGB nur aufgrund notwendiger Binnenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Keine Differenzierung zwischen § 35 I BauGB und § 35 II BauGB . . . 127 4. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Vor Anerkennung des Planungserfordernisses zur Außenkoordination bei § 35 II BauGB: Generelle Ablehnung der Rechtsfigur bei § 35 I BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Jüngster Beschluss – Rechtsprechungswandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Umfang des Planersatzcharakters von § 35 I BauGB . . . . . . . . . . . . 132 b) Planungserfordernis zur Binnenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Planungserfordernis zur Außenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 III. Zwischenergebnis zur Rechtsfigur des Planungserfordernisses bei § 35 I BauGB und § 35 II BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Folgeproblem: Art der konkreten Abhilfe im Fall eines Planungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vom Planungserfordernis geforderter Plantyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Raumordnungsrechtliche Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Flächennutzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bebauungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Generell zur Außenkoordination geeignet? . . . . . . . . . . . . . . . .
138 138 138 142 143 144
10
Inhaltsverzeichnis (2) Generell zur Binnenkoordination geeignet? . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unterscheidung einfacher/qualifizierter/vorhabenbezogener Bebauungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wegfall des Planungserfordernisses bei Abwägung auf höherer Ebene gem. § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Komplette „Hochzonung“ der abschließenden Abwägung . . . . . . . . b) Beschränkung auf abschließende Abwägung des Zielkerns . . . . . . . c) Überörtliche Relevanz der Koordinierungsbedürfnisse . . . . . . . . . . . (1) Binnenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Außenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gesamtzusammenfassung: Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei § 35 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 146 147 148 150 151 153 153 153 155 156 157
B. Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten bei § 34 BauGB . . . . . . . . . . . . I. § 34 I BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Planungserfordernis als öffentlicher Belang bei § 34 BBauG . . . . . . . . 2. Planungserfordernis als generelles Hindernis des „Einfügens“ bei § 34 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Planungserfordernis durch analoge Anwendung des § 2 II BauGB . . . . 4. Kein Planungserfordernis bei § 34 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei § 34 I BauGB als Folge des § 34 III BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßstab der „schädlichen Auswirkungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen des Maßstabs auf den Umfang der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 34 II BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 34 IV BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157 157 158
168 169 169 170 172
C. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB . . . . . . . . . I. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht beim Bebauungsplan . . . . . . 1. Existenz und Voraussetzungen der Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektive Determination der Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht beim Flächennutzungsplan? .
173 173 174 176 178 178
159 160 160 162 164 165
D. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 8 II S. 1 BauGB . . . . . . . . . . 181 E. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 5 I S. 3 BauGB a. F. . . . . . . . 184
Inhaltsverzeichnis F. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 166 I S. 2 BauGB . . . . . . . . I. § 166 I S. 2 BauGB als gesetzlich normierte, selbstständige Erforderlichkeit eines Bebauungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 166 I S. 2 BauGB als bloße Modifikation der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme und Bestimmung des Pflichtcharakters . . . . . . . . . . . . . . . .
11 186 187 187 188
G. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Kapitel Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
192
A. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 8 I S. 1, 9 I S. 1 ROG . . . 192 I. § 8 I S. 1 ROG – Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Landesplänen . . 194 II. § 9 I S. 1 ROG – Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Regionalplänen 195 B. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 5 I S. 1 BauGB i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 C. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 4c BauGB? . . . . . . . . . . . . . . 201 D. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB . . . . . . . . . . I. Objektive Determination der Planungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertreter einer subjektiven Bestimmung der pflichtbegründenden Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertreter einer objektiven Bestimmung der pflichtbegründenden Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einheitlicher Erforderlichkeitsmaßstab geboten? . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein grundsätzlicher Widerspruch der Begründungsalternativen . . . (1) Vertreter einer strikten Beschränkung auf objektiven Maßstab . (2) Innerhalb der subjektiven Ansicht: verbreitet Vermengungen bejaht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vereinigungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) EAG Bau 2004 und Begründung der Erstplanungspflicht . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung der „Ermessensverdichtung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stüer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bundesverwaltungsgericht / Gaentzsch / Gierke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204 204 205 206 211 211 213 214 214 215 218 220 221 221 222 224 229
E. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB . . . . . . . . . . . . . 230 I. Herleitung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . 230 1. „Anpassen“ als Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
12
Inhaltsverzeichnis a) Allgemeiner Normgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB . . . . . . . . . (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erstplanungspflicht auch bezüglich der Raumordnungsziele lediglich aus § 1 III S. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Erstplanungspflicht aus dem Prinzip der Gemeindetreue . . . . . . (6) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anerkennung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB . . . . . . . (1) Begründung der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendungsbereich: Beschränkung auf unbeplanten Innenbereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen des EAG Bau 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Objektive Determination der Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zur Pflicht aus § 1 III S. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anforderungen an pflichtenbegründende Ziele der Raumordnung . . . . . . . 1. Generelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Anforderungen an Ziele der Raumordnung . . . . . . . . . . b) Spezielle Anforderungen an planungspflichtbegründende Raumordnungsziele? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Problemfälle: Soll-Ziele; Regel/Ausnahme-Ziele . . . . . . . . . . . . . . . (1) Festsetzungen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ . . . . . . . . . . . . . (2) „Soll-Ziele“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezialfall: Bindungen durch das Zentrale-Orte-Konzept . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlende Zielqualität aufgrund genereller Einwände gegen das Zentrale-Orte-Konzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Zielqualität aufgrund mangelnder abschließender Abgewogenheit/Bestimmtheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kongruenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Negativplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verbotswirkung für Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Art. 28 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Art. 12 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Integrationsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231 233 233 235 240 242 243 245 245 246 249 251 254 254 256 256 257 257 260 262 263 264 274 274 275 275 279 282 284 285 286 289 296 298 298 301
Inhaltsverzeichnis III. Gesamtzwischenergebnis
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
F. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 188 I BauGB . . . . . . . . . . . . 302 I. Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Pflichtcharakter als objektiv determinierte Planungspflicht . . . . . . . . . . . . 305 G. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 247 III S. 2, IV BauGB . . . . I. Voraussetzungen einer Planungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolge: Erstplanungspflicht aus § 247 III S. 2 BauGB oder § 247 IV BauGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Objektive Determination der Erstplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 15, 16 BNatSchG . . II. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 29 I S. 1, IX KrW-/AbfG III. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 36, 36b WHG . . . . . IV. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 47, 47d BImSchG . . 1. § 47 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. §§ 47c I, 47d I BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten bei Schutzgebietsausweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
306 307 309 311 312 312 313 316 317 320 320 323 325 327
I. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten zur Aufstellung von Planfeststellungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 J. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht auf Grundlage des Landesplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Landesrechtliche Fachplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Landesrechtliche Gesamtplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
330 330 332 335
K. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus der Pflicht zur Umsetzung von europarechtlichen Planungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 4. Kapitel Zusammenfassung in Thesen
342
I. Kapitel 1: Begriff und Struktur von Erstplanungspflichten . . . . . . . . . . . . . 342 II. Kapitel 2: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten . . . . . . . . . . . . . 345 III. Kapitel 3: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 348 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Einleitung: Anlass, Ziel und Gang der Untersuchung A. Anlass und Ziel der Untersuchung Anlass und Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung ist die Analyse von zwei wegweisenden Urteilen des vierten Senats des Bundesverwaltungsgerichts, die bei genauer Betrachtung beide im Kontext zur Sicherung der Planmäßigkeit städtebaulicher Entwicklungen stehen: Es handelt sich dabei zum einen um die „Zweibrücken-Entscheidung“ 1 vom 01. 08. 2002, zum anderen um die „MülheimKärlich-Entscheidung“ 2 vom 17. 09. 2003. Beide Entscheidungen wirken sich gleichartig dahingehend aus, dass aufgrund interkommunalen Abstimmungsbedarfs bei der Ansiedlung von Factory-OutletCentern eine städtebauliche Weiterentwicklung ohne planerische Grundlage unterbunden werden sollte. Die damit erreichte Sicherung der Planmäßigkeit städtebaulicher Entwicklungen vollzieht sich in beiden Fällen dergestalt, dass die lokalen Planungsträger in Folge der Urteile zur Bauleitplanung verpflichtet werden. Gemeinsam ist beiden Urteilen inhaltlich zudem der argumentative Rekurs auf ein planerisches Bedürfnis nach interkommunaler Abstimmung gem. § 2 II S. 1 BauGB. Rechtlich sind diese jeweiligen Verpflichtungen zur Bauleitplanung jedoch unterschiedlich ausgestaltet: Während im ersten Fall die Verpflichtung zur erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplans lediglich „faktisch-indirekt“ über die bebauungsrechtliche Unzulässigkeit des beantragten Vorhabens ohne vorausgehende Planung („Planungserfordernis“) wirkt, handelt es sich im zweiten Fall um eine unmittelbar wirkende und selbstständig durchsetzbare Erstplanungspflicht auf dem Gebiet der Bauleitplanung. Zur systematischen Erfassung und Handhabe dieser Konstellationen ist also ein begrifflicher Differenzierungsansatz darzulegen, welcher im Sinne einer harmonischen Gesamtkonzeption neben den Unterschieden vor allem den gemeinsamen Auswirkungen und Hintergründen beider Ausgestaltungen angemessen Rechnung trägt. 1 2
BVerwGE 117, 25, 25 ff. BVerwGE 119, 25, 25 ff.
16
Einleitung
Deshalb soll als Ziel dieser Untersuchung für den (Rechts-)Begriff der Erstplanungspflicht eine neue Systematisierung entwickelt werden, die diesem Anspruch gerecht wird. Dies setzt zunächst voraus, die Struktur von Erstplanungspflichten als Ansatz für eine Neusystematisierung zu erfassen. Dabei geht es in erster Linie abstrakt um die Beantwortung der Frage, wann sich für einen Planungsträger dessen bloße Planungsbefugnis in eine strikte Planungspflicht wandelt. Es gilt also, sich im Folgenden mit den Wirkmechanismen von Erstplanungspflichten im Gesamtsystem des Planungsrechts auseinanderzusetzen. Die zu untersuchenden Pflichten können aus diesem Grund auch nicht auf den Bereich des Rechts der Bauleitplanung beschränkt werden. Vielmehr ist ein genereller Überblick über den Anwendungsbereich von Erstplanungspflichten (und des Systematisierungsansatzes) in allen Sachgebieten des Planungsrechts zu leisten.
B. Gang der Untersuchung Dementsprechend gliedert sich auch der Gang der Untersuchung. Im ersten Kapitel wird Begrifflichkeit der Erstplanungspflicht und die Struktur von Erstplanungspflichten dargelegt. Als eigener Systematisierungsansatz wird eine Unterscheidung von objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten entwickelt. Einen Schwerpunkt bilden daneben die Darlegung eines abstrakt-generellen Begründungsansatzes für Erstplanungspflichten sowie ein Vergleich mit anderen normativen Handlungspflichten. Das zweite Kapitel befasst sich im Anschluss an die allgemeinen Darlegungen mit einer konkreten Darstellung der subjektiv determinierten Erstplanungspflichten im Planungsrecht. Im dritten Kapitel gilt es sodann die normativen Grundlagen für objektiv determinierte Erstplanungspflichten einer eingehenden Betrachtung zuzuführen. Diesbezüglich erweist sich speziell das Geflecht verschiedener Planungsebenen bzw. deren Planungshierarchie für die Konstruktion von Erstplanungspflichten als besonders erörterungsbedürftig. Den Abschluss der Untersuchung bildet sodann die thesenartige Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse im vierten Kapitel.
1. Kapitel
Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur A. Begriff der Erstplanungspflicht Zu Beginn der Untersuchung erfolgt eine begriffliche Annäherung an die Erstplanungspflicht als rechtliche Erscheinungsform. Dies erfordert zunächst eine begriffliche Vorklärung, was im Rahmen dieser Arbeit generell unter „Planung“ verstanden werden soll und in welchen Strukturen selbige verankert ist (I.). Im Anschluss wird die systematische Besonderheit der Erstplanungspflichten innerhalb des Gesamtgefüges der Planungspflichten dargelegt (II.). Es folgt die begriffliche Abgrenzung der Planungspflicht vom Planungserfordernis, deren Berechtigung indes grundlegend in Frage gestellt wird (III.) und zugunsten eines eigenen Systematisierungsansatzes – der zu entwickelnden Unterscheidung von objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten – verworfen wird (IV.).
I. Planung und sog. „Planungsermessen“ Die begriffliche Auseinandersetzung mit Erstplanungspflichten setzt ein Verständnis von Planung – als nicht nur begrifflichem Bestandteil der Erstplanungspflicht – voraus. Vorab erscheint es deshalb angebracht, zunächst den Planungsbegriff dieser Untersuchung zu erörtern und die generelle Struktur der Planung aufzuzeigen, um die rechtliche Verankerung von Erstplanungspflichten im Gesamtzusammenhang des Planungsrechts betrachten zu können. 1. Begriff der Planung Die begriffliche Erfassung bzw. Definition der Planung ist Gegenstand einer umfassenden und in ihrem Umfang kaum zu erfassenden Debatte in der planungsrechtlichen Literatur. Die sozialgeschichtlichen Grundlagen der Planung als Ausgangspunkt einer Begriffsbildung lassen sich knapp darstellen. Es besteht Einigkeit darin, dass von staatlicher Seite stets geplant wurde. Als Beleg verweist Battis auf die alttestamentarische Überlieferung einer mittelfristigen Ressourcenplanung durch Josef von
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Ägypten. 1 Diese ermöglichte es, während der sieben fetten Jahre, Getreidevorräte für die folgenden sieben dürren Jahre anzulegen. Gemeinhin stellt sich Planung dementsprechend als zentrale Kategorie menschlichen Handelns dar. 2 Vor allem die Konzeption des modernen Sozialstaats als „Staat der Gewährleistungsverwaltung“ 3 ist zur Erfüllung des Sozialstaatsauftrags auf staatliche Planung notwendig angewiesen. 4 Diese Entwicklung verdeutlichte eindrücklich die „Planungseuphorie“ der 60er-Jahre („planification“), 5 welche indes als Folge enttäuschter Erwartungen und aufkommender Skepsis aus den Erfahrungen des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der planwirtschaftlich-sozialistischen Staaten Osteuropas einer zwischenzeitlichen „Planungsernüchterung“ 6 weichen musste. 7 Trotz fester Verankerung der Planung als realer Handlungsform des Staates in praktisch allen Handlungsfeldern und der intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung um den Planungsbegriff findet sich jedoch bislang keine positive und allgemein anerkannte Definition von Planung als Rechtsbegriff. 8 Zwar sind in der planungsrechtlichen Literatur vielfache Definitionsversuche und -ansätze erfolgt. So wollen Herzog/Pietzner unter Planung jene Tätigkeit verstehen, die auf die Ausarbeitung eines Entwurfs gerichtet ist, „in dem eine beabsichtigte Handlung bzw. eine Mehrheit von Handlungen sowie das damit verfolgte Ziel gedankl. vorweggenommen werden, um den gewünschten Erfolg möglichst sicher, leicht und rasch zu erreichen“. 9 Dezisionistischer versteht demgegenüber Obermayer Planung als die „Ausarbeitung eines Verwaltungsorgans, die durch verschiedene aufeinander abgestimmte Maßnahmen die Verwirklichung eines bestimmten Ordnungszustands anstrebt“. 10 Ein auf H. J. Wolff zurückgehender Definitionsansatz begreift Planung als „die systematische Vorbereitung und Festlegung rationalen Verhaltens, um unter gegebenen Umständen ein Ziel auf 1
Battis, AllgVerwR, S. 258. Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 1, S. 3; Peine, BauR, Rn. 5. 3 Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 56, Rn. 3b. 4 Maurer, AllgVerwR, § 16, Rn. 9 f.; Erbguth, DVBl 1981, 557, 561 f. 5 Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 19 ff.; Maurer, AllgVerwR, § 16, Rn. 10. 6 Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 21. 7 Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 8 f.; Battis (AllgVerwR, S. 258) weist demgegenüber allgemeiner auf die langfristige Entwicklung der zwischen „Planungsphobie und Planungseuphorie schwankenden Trends“ hin. Ausführlich zu den historischen Nachkriegsphasen des Verhältnisses von Planung und Recht: Lendi, UPR 2004, 361, 366 ff. 8 An dieser Stelle soll eine Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Ansätzen zur Erfassung des Phänomens „Planung“ unterbleiben; es geht im Folgenden allein um den Rechtsbegriff der Planung. Vgl. zu derartigen Ansätzen: Roellecke, DÖV 1994, 1024, 1025 ff. m. w. N.; Becker, Öffentliche Verwaltung, § 29, S. 481f. m. w. N.; Faber, in: AK-GG, Art. 20 I-III, V., Rn. 3 f. m. w. N. 9 Herzog/Pietzner, in: EvStL, Sp. 2503. 10 Obermayer, VVDStRL 18 (1960), 144, 150. 2
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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bestmögliche Weise zu erreichen“. 11 Ähnlich formuliert Badura, Planung sei als Aufgabe gestaltender Verwaltung eine besondere Form der lenkenden Verwaltung, deren Eigenart darin bestehe, dass sie „auf dem Boden längerfristiger Überlegungen systematisch und losgelöst vom Einzelfall die gewünschte Gestaltung eines Sozialbereichs [ . . . ] konzipiert“. 12 Gegenüber diesen eher materiell am Regelungsgegenstand ausgerichteten Definitionsansätzen findet sich in der jüngeren Literatur ein Definitionsansatz, welcher maßgeblich von systemtheoretischen Überlegungen beeinflusst ist. Dementsprechend versteht Becker Planung als das „Entscheiden über künftige Einscheidungen und darin die Herstellung von Handlungsprogrammen für künftige Entscheider und Entscheidungen“. 13 Ähnlich, jedoch die rechtliche Unterscheidung zwischen Norm und Plan berücksichtigend, definiert Roellecke Planung prägnant als „Selbstfestlegung eigenen künftigen Verhaltens“. 14 Der Ertrag derartiger Definitionsansätze ist indes gering. So haben Ossenbühl und Hoppe schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass derartige (General-)Definitionsversuche aufgrund der Vielgestaltigkeit des Phänomens „Planung“ entweder spezifische Essentialia einzelner Pläne vernachlässigen oder aber ein derartiges Abstraktionsniveau aufweisen, dass kein praktikabler und operationalisierbarer Umgang mit ihnen möglich ist. 15 Die Richtigkeit dieses Befundes lässt sich anhand eines praktischen Anwendungsfalls veranschaulichen: Eine Generaldefinition müsste, soll sie operationalisierbar sein, sich ihrerseits als geeignet erweisen, um durch den von ihr vorgegebenen Maßstab eine Zuordnung bzw. Einteilung verschiedener rechtlicher Erscheinungsformen positiv als Planung oder negativ als Nicht-Planung zu vollziehen. Beispielsweise für die praxisrelevante Frage der Charakterisierung von umweltrechtlichen Schutzgebietsausweisungen als Planungen ist aber mit keinem der genannten Ansätze eine eindeutige, trennscharfe Kategorisierung möglich. 16 Die abstrakte Begründung für dieses grundlegende Versagen rechtlicher Definitionsansätze leistet Battis in seiner Analyse des Planungsbegriffs: „Die rechtliche Beurteilung von Planung und Plan sieht sich der Schwierigkeit ausgesetzt, dass Planung zunächst einmal ein vorgegebener außerrechtlicher Vorgang ist, der eigenen Sachgesetzlichkeiten und Sachstrukturen unterliegt.“ 17 Mit anderen Worten ist somit festzustellen, dass ein „Rechtsbegriff der Planung“ 18 nicht existiert. 11
Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 56, Rn. 4. Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 165. 13 Becker, Öffentliche Verwaltung, § 29, S. 483. 14 Roellecke, DÖV 1994, 1024, 1031; ihm zustimmend: Battis, AllgVerwR, S. 257 f. 15 Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 50 f.; Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 1, S. 6. 16 Siehe zu dieser Problematik im Detail die folgenden Darstellungen: 3. Kap. H.V. 12
20
1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Folgerichtig geht deshalb die Mehrzahl der planungsrechtlichen Stimmen in der Literatur davon aus, dass Versuche zur rechtlichen Definition der Planung mangels Erfolgsaussichten einzustellen sind und stattdessen eine Beschränkung auf eine deskriptive, rechtstatsächliche Erfassung der Planung vorzunehmen ist. 19 Für eine derartige Typisierung der Erscheinungsformen der Planung wird eine Vielzahl von Differenzierungsansätzen gewählt, von welchen lediglich eine Auswahl im Rahmen dieser Arbeit dargestellt werden kann. Zur Abgrenzung von Planung zu sonstigen Handlungen staatlicher Stellen wird vornehmlich auf die Elemente der Zukunftsbezogenheit, 20 der Zielorientiertheit, der Prognostik, des Bestehens eines konkreten Zeithorizonts, der Mehrstufigkeit, des Ziels eines Ordnungsrahmens und der Bewältigung eines komplexen Interessengeflechts abgestellt. 21 Zudem kann die normstrukturelle Unterscheidung von konditionaler und finaler Programmierung 22 oder die auf Dworkin zurückgehende Differenzierung zwischen Regeln und Prinzipien 23 zur Abgrenzung dergestalt fruchtbar gemacht werden, als Planung sich – rein deskriptiv – als final programmiert bzw. prinzipiengeleitet darstellt. 24 Als Grundlage einer Planungstypologie werden innerhalb des Phänomens „Planung“ diverse Kategorisierungen zur Erfassung der Vielgestaltigkeit von Planung vorgenommen: So wird nach der Handlungsform der jeweiligen Planungsmaßnahme, also zwischen Planung in Gesetzesform, in Verordnungsform, als Verwaltungsakt oder informeller Planung, unterschieden. 25 Ferner wird verbreitet an die Wirkungsweise der Planung angeknüpft, so dass zwischen imperativen,
17
Battis, AllgVerwR, S. 258. Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 50. 19 Maurer, AllgVerwR, § 16, Rn. 13f.; Peine, BauR, Rn. 9; Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 1, S. 7; Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 56, Rn. 7; Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 31; Faber, in: AK-GG, Art. 20 I-III, V., Rn. 2; Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 52, wobei letzterer die Hoffnung äußert, auf dem Wege der Aufstellung einer Planungstypologie als Vorbedingung einer Begriffsbildung doch noch einen umfassende Planungsdefinition wissenschaftlich erarbeiten zu können. 20 Diesen Gesichtspunkt besonders hervorhebend: Kloepfer, in: FS Hoppe, 111, 113; Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 165. 21 Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 31 f.; Peine, BauR, Rn. 6; SchmidtAßmann, in: FS Schlichter, 1, 4 ff. 22 Zu diesem Ansatz und seiner Begrifflichkeit siehe die ausführlichen Darstellungen: 2. Kap. A.I.1. 23 Dazu prägnant: Röhl, Rechtslehre, § 32, S. 254ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71ff. 24 Di Fabio, in: FS Hoppe, 75, 82 ff.; Battis, AllgVerwR, S. 259. 25 Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 1, S. 11 f.; Maurer, AllgVerwR, § 16, Rn. 18; Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 14; kritisch zum Erkenntniswert dieses Differenzierungsansatzes: Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 32. 18
A. Begriff der Erstplanungspflicht
21
influenzierenden und indikativen Planungen unterschieden wird. 26 Übliche Typisierungsmerkmale sind zudem die jeweilige Planungsebene (politische bzw. staatsleitende/administative bzw. fachbezogene Planung), 27 die Planungsart (Aufgabenplanung/Ressourcenplanung; Gesamtplanung/Fachplanung; Programmplanung/ Maßnahmenplanung; Ordnungsplanung/Entwicklungsplanung), 28 der Konkretisierungsgrad der Planung (Rahmen-/Detailplanung), 29 der Planungsträger und der Planungsgegenstand (Fachplanung/integrierende (Gesamt-)Planung; allgemeine/ sektorale Planung) 30. 31 Im Rahmen dieser Arbeit muss kein eigener Beitrag zur Typologie oder Kategorisierung von Planung erfolgen. Hinsichtlich des Verständnisses von Erstplanungspflichten erscheint ein solcher als nicht erforderlich. Die dargestellten Kriterien ermöglichen als Umschreibung bereits eine thematische Eingrenzung und damit ein Grundverständnis für das Phänomen Planung. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Folgenden Erstplanungspflichten allein für die räumliche Planung im Sinne von Gesamt- oder Fachplanung mit Raumbezug untersucht werden; der Bereich der Finanzplanung und politischen Planung im weiteren Sinne bleibt ausgespart, da es sich nicht um Planung im engeren Sinne, die Materie des Planungsrechts, handelt. 32 Für den Bereich der Planungspflichten erweist sich ein charakteristisches Merkmal der Planung, welches hinter vielen Typisierungsansätzen steht, als besonders relevant: „das der Planung eigentümliche schöpferische Element der Gestaltung, der auswählenden Entscheidung im Rahmen interdependenter Problemfelder und widerstreitender Interessen“. 33 Diese Charakterisierung der Planung als schöpferischer Gestaltungsakt mit großer Gestaltungsfreiheit soll im Folgenden als zentrales Strukturelement der Planung gesonderte Betrachtung erfahren.
26 Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 198 f.; Blümel, in: EvStL, Sp. 2515; Maurer, AllgVerwR, § 16, Rn. 19 ff.; Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 15; es findet sich zudem diesbezüglich die Differenzierung zwischen Binnenplänen und Außenplänen (dazu: Wolff/ Bachof/Stober, VerwR II, § 56, Rn. 12). 27 Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 1, S. 8; Peine, BauR, Rn. 10. 28 Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 1, S. 9 f. 29 Peine, BauR, Rn. 12. 30 Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 17; Blümel, in: EvStL, Sp. 2516 ff. 31 Peine, BauR, Rn. 9; Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 1, S. 8 ff. 32 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch für diese Sachbereich Erstplanungspflichten analysiert oder diskutiert werden könnten; verwiesen sei nur auf Art. 110 I GG hinsichtlich der Haushaltsplanung. 33 Battis, AllgVerwR, S. 259.
22
1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
2. Struktur der Planung – das sog. „Planungsermessen“ Die gestalterische Freiheit des Planungsträgers, die sich im Vorgang des Planens und dem konkreten Plan als Ergebnis manifestiert, ist zentraler Gegenstand fast aller Darstellungen zum Planungsrecht. Ihre essentielle Bedeutung findet seitens des Bundesverwaltungsgerichts Ausdruck in der pointierten Formulierung, wonach „Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich“ sei. 34 Es besteht insoweit Einigkeit, als allgemein der Vorgang planerischer Abwägung als zentraler Ansatzpunkt dieses Gestaltungsakts angesehen wird. Bezüglich der Dogmatik und des Vorgangs der Abwägung kann an dieser Stelle knapp auf das Phasenmodell der Abwägung und die Abwägungsfehlerlehre der herrschenden Meinung verwiesen werden. 35 Es ist vielmehr der Blick auf die strukturellen Auswirkungen des Gestaltungsvorgangs „Abwägung“ für die Planung als solche und insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf Planungspflichten zu richten. Diesbezüglich ist indes festzustellen, dass bereits die Begrifflichkeit zur Umschreibung der gestalterischen Freiheit des Planungsträgers, die durch den Vorgang der Abwägung ausgelöst wird, kontrovers diskutiert wird. 36 Verbreitet wird in dieser Debatte vom sog. „Planungsermessen“ gesprochen, welches dem Planungsträger eröffnet sei. 37 Diese Wortwahl legt eine Parallelität zum herkömmlichen (Verwaltungs-)Ermessen nahe. Jenes wird mehrheitlich definiert als die bei Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes ausgelöste Wahlmöglichkeit der Verwaltung zwischen verschiedenen Handlungsalternativen, welche gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. 38 Zu erörtern ist demnach, ob auch der Vorgang der Planung mit dieser Begrifflichkeit zu fassen ist bzw. inwieweit eine Vergleichbarkeit der beiden normativen Gestaltungsfreiheiten besteht, die eine parallele Begrifflichkeit sachlich zu rechtfertigen vermag.
34
BVerwGE 34, 301, 304. Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 5, Rn. 1 ff. m. w. N.; zur Frage der verfassungsrechtlichen Fundierung des Abwägungsgebotes: Wickel/Bieback, Die Verwaltung 39 (2006), 571, 580 ff. 36 Eine parallele Debatte findet sich hinsichtlich der Begrifflichkeit für den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum; vgl. dazu die eingehenden Darstellungen von: Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 234 ff. m. w. N. 37 Beispielhaft sei an dieser Stelle verwiesen auf: BVerwGE 62, 86, 92; Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 160 ff.; Bartuneck, Drittschutz, S. 41; Rubel, Planungsermessen, S. 1 ff.; Wegener, Die Verwaltung 14 (1981), 305, 319 ff. 38 Maurer, AllgVerwR, § 7, Rn. 7; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 31, Rn. 31. 35
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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a) Behauptete Identität von „Planungsermessen“ und herkömmlichem Verwaltungsermessen Teilweise wird in der Literatur eine vollständige Identität von „Planungsermessen“ und herkömmlichem Verwaltungsermessen angenommen. 39 Folglich wird von den Vertretern dieser Auffassung allein der Begriff des „Planungsermessens“ verwendet, um die inhaltlichen Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Abwägungsanforderungen und des gerichtlichen Kontrollmaßstabs deutlich zu machen. Als zentrales Argument wird auf den vermeintlich strukturell einheitlichen Abwägungsvorgang verwiesen, den der jeweilige Verwaltungsträger zu leisten habe. Die planerische Abwägung unterscheide sich von der sog. „nachvollziehenden“ Abwägung im Bereich des herkömmlichen Verwaltungsermessens insoweit nicht, als in beiden Fällen maßgeblich „zweckrationale“ Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit anzuwenden seien und folglich in beiden Fällen einheitlich kein „normrational“ determinierter, deduktiver Gesetzesvollzug stattfinde. 40 Zugunsten der Annahme struktureller Identität von Planungs- und Ermessensnormen wird außerdem hervorgehoben, dass es sich in beiden Fällen um eine behördliche Ermächtigung zur selbstbestimmten Tatbestandsergänzung handele, so dass normstrukturell allein zwischen zwingenden Normen und Ermessensnormen zu unterscheiden sei. 41 Die von der Gegenauffassung als maßgeblich angeführte normstrukturelle Unterscheidung von konditionaler und finaler Programmierung wird auf Grundlage dieser Erwägungen abgelehnt und für generell ungeeignet erachtet: 42 Neben dem zugrunde gelegten finalen Einfluss im Bereich des Verwaltungsermessens ließen sich umgekehrt auch Planungsentscheidungen theoretisch als Konditionalprogramm formulieren, womit die generelle Tauglichkeit der Unterscheidung in Frage stehe. 43 Tatsächlich gebe es jedenfalls derart zahlreiche 39 Koch, DVBl 1983, 1125, 1125 ff.; Koch, in: Symposium Hoppe, 9, 22 f.; Rubel, Planungsermessen, S. 60 f.; Bartlsperger, in: Symposium Hoppe, 79, 108; Beckmann, DÖV 1987, 944, 947 ff.; Bartuneck, Drittschutz, S. 41; wohl implizit auch: Alexy, JZ 1986, 701, 711; neuerdings allerdings relativierend Koch/Rubel/Heselhaus (AllgVerwR, § 5, Rn. 115), die „quantitative, nicht aber qualitative Unterschiede“ anerkennen. 40 Bartlsperger, in: Symposium Hoppe, 79, 103 f.; Beckmann, DÖV 1987, 944, 948. 41 Rubel, Planungsermessen, S. 51 ff. 42 Siehe zur Begrifflichkeit die ausführlichen Darstellungen: 2. Kap. A.I.1. 43 Rubel, Planungsermessen, S. 48 ff.; Koch/Rubel/Heselhaus, AllgVerwR, § 5, Rn. 109 ff.; Koch, in: Symposium Hoppe, 9, 15 f.; Bartuneck, Drittschutz, S. 37 ff.; Ibler, Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 37 ff. Rubel betont dabei gesondert, dass es sich lediglich um einen „Scheingegensatz“ handele, da Konditional- und Finalprogramme perspektivisch jeweils einen anderen Bezugspunkt aufweisen würden, weil die Bezeichnung als Konditionalprogramm eine Aussage über die Normstruktur vornehme, während die Bezeichnung als Finalprogramm die Besonderheiten der Entscheidungsgewinnung und -erklärung beträfe (Rubel, Planungsermessen, S. 60 ff. u. S. 165). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass genau dieser unterschiedliche Bezugspunkt das materielle
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Vermengungen zwischen finaler und konditionaler Programmierung, dass dieses „idealtypische“ Modell praktisch nicht in Reinformen anzutreffen sei und sich mithin schwerlich als praktische Grundlage einer strukturellen Unterscheidung eigne. 44 Letztlich seien beide Entscheidungsspielräume der Verwaltung verfassungsrechtlich einheitlich im Rechtsstaatsprinzip bzw. im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fundiert, so dass auch dies eine einheitliche Behandlung nahe lege. 45 Zudem dürfe nicht außer Betracht bleiben, dass bereits der Planungsbegriff derartig unscharf sei, dass eine inhaltlich-sachliche Abgrenzung von Planung und Materien herkömmlichen Verwaltungsermessens aufgrund vielfacher Überschneidungen in den Abgrenzungskriterien nicht trennscharf erfolgen könne. 46 Diese Argumente überzeugen indes nicht. Eine einheitliche Behandlung von herkömmlichem Verwaltungsermessen und sog. „Planungsermessen“ kann nicht mit dem Verweis auf eine gleichartige, „zweckrationale“ Bindung gerechtfertigt werden. Eine derartige Betrachtung würde vielen Problemstellungen des Verwaltungsermessens – beispielhaft genannt sei an dieser Stelle allein die Behandlung des intendierten Ermessens – nicht gerecht. Dies wird von Bartuneck sogar offen eingeräumt, wenn sie formuliert, dass unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum nicht gemeinsam mit dem „Rechtsfolgeermessen“ (d. h. herkömmlichen Verwaltungsermessen) als einheitliche Abwägung verstanden werden können; genau dies müsste jedoch angenommen werden, wenn man die konditionale Programmierungsstruktur des Verwaltungsermessens, welche sich gerade in der für diese Differenzierung maßgeblichen Unterscheidung von Tatbestand und Rechtsfolge manifestiert, zugunsten einer einheitlichen Ermessensbetrachtung nicht anerkennen wollte. 47 Anderenfalls werde nämlich außer Acht gelassen, dass „Rechtsfolgeermessen“ einen Handlungsspielraum zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit bezwecke, wohingegen unbestimmte Rechtsbegriffe als Produkt der Schwierigkeit begrifflich exakter Festlegung lediglich strikte Rechtsanwendung ohne Berücksichtung von Einzelfallerwägungen erforderten. 48 Durch die Benennung dieses Problemfeldes leistet Bartuneck letztlich selbst einen Beleg für die Sinnhaftigkeit einer Unterscheidung von Tatbestand und Rechtsfolge und mithin für die normstrukturelle Analyse konditionaler Programmierungen bzw. Charakteristikum der Abwägung gegenüber dem bloßen Normvollzug darstellt (s. u.) und außerdem auch seitens der Anhänger dieser Differenzierung keine strikt-absolute „Gegensätzlichkeit“ behauptet wird, wie die Anerkennung von „Programmverbindungen“ und „Programmverschachtelungen“ deutlich macht [s. u.: 2. Kap. A.I.1.c)]. 44 Bartuneck, Drittschutz, S. 38 f. 45 Beckmann, DÖV 1987, 944, 947. 46 Beckmann, DÖV 1987, 944, 947. 47 Bartuneck, Drittschutz, S. 36 f. 48 Bartuneck, Drittschutz, S. 37.
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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die Bindung des herkömmlichen Verwaltungsermessens an die Unterscheidung von Tatbestand und Rechtsfolge. Dem kann auch nicht mit Rubel entgegengehalten werden, dass es sich bei jeglicher Einräumung von Ermessen um eine behördliche Ermächtigung zur Tatbestandsergänzung handele, da Planung gerade keinen Tatbestand aufweist, welcher zu ergänzen wäre, sondern für diesen Fall allein eine originäre Tatbestandsbildung angenommen werden könnte. Allein diese begriffliche Unterscheidung von Bildung und Ergänzung eines Tatbestands legt für sich betrachtet bereits einen qualitativen Unterschied nahe. 49 Das Argument Bartunecks, wonach die „idealtypische“ Unterscheidung zwischen Konditional- und Finalprogrammen aufgrund unzähliger Vermengungen in der Praxis zur Differenzierung untauglich sei, ist ebenfalls zurückzuweisen. Zwar ist die Analyse der vielfältigen Kombinationen innerhalb der Rechtspraxis richtig; dies stellt jedoch kein Argument gegen die jeweils zugrunde liegende Grundstruktur dar, sondern ist als Problem der „Programmverbindungen“ und „Programmverschachtelungen“ gesondert zu bewältigen. 50 Letztlich darf als materielles Gegenargument ferner nicht außer Betracht bleiben, dass die typische Planungssituation sich bereits aufgrund der Komplexität der Entscheidung bzw. der Komplexität des Abwägungsmaterials deutlich von einer herkömmlichen Verwaltungsermessensentscheidung unterscheidet. Üblicherweise liegt letzterer kein derart verzweigtes Interessengeflecht zugrunde, als dass aufgrund vielfältiger, oftmals kaum überschaubarer Interdependenzen und Interaktionen einem Belang nichts zugestanden werden kann, ohne dass es zugleich anderen Belangen genommen wird. 51 Diese gesteigerte Komplexität zieht zwecks ihrer sachgerechten Bewältigung korrespondierend eine erheblich größere Wahlfreiheit des Planungsträgers gegenüber jener der schlicht ermessensausübenden Verwaltungsstelle nach sich, welche auch in der Begrifflichkeit deutlich werden sollte. b) Unterschiede zwischen „Planungsermessen“ und herkömmlichem Verwaltungsermessen Die Gegenauffassung betont deshalb qualitative Unterschiede der planerischen Abwägung gegenüber dem auf bloßem Gesetzesvollzug basierenden, herkömmlichen Verwaltungsermessen und verwendet folglich den Begriff des „Planungsermessens“ nicht ohne Vorbehalt oder lehnt diesen sogar explizit ab. 52 49 Dreier, Normative Steuerung, S. 48; Müller, Planrechtfertigung, S. 88, Fn. 52; diese Differenzierung wiederum relativiert zurückweisend: Rubel, Planungsermessen, S. 52 ff. 50 Siehe zur rechtlichen Einordnung und Behandlung dieser Kombinationsmodelle die ausführlichen Darstellungen: 2. Kap. A.I.1.c) u. 2. Kap. A.I.6.a). 51 BVerwGE 34, 301, 309; Dreier, Normative Steuerung, S. 47.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Andere Stimmen in der Literatur bezweifeln zwar die Existenz qualitativer Unterschiede zwischen planerischer Gestaltung und herkömmlicher Verwaltungsermessensausübung. Sie grenzen jedoch beide quantitativ ab, 53 so dass auch seitens dieser Autoren die Begrifflichkeit nur unter dem Vorbehalt einer Differenz von herkömmlichem Ermessen und „Planungsermessen“ verwendet wird. Als Argumente für eine Unterscheidung von „Planungsermessen“ und herkömmlichem Verwaltungsermessen wird verbreitet angeführt, dass die finale Programmierungsstruktur der Planung diese wesentlich vom herkömmlichen Verwaltungsermessen unterscheide. Letzteres beruhe auf einer konditional programmierten, also input-gesteuerten Struktur von Tatbestand und Rechtsfolge und sei seitens des Rechtsanwenders durch Subsumtion bzw. Gesetzesvollzug gekennzeichnet. Demgegenüber entziehe sich Planung einer derartigen Struktur, da ein output-orientierter Prozess vorliege, welcher durch Abwägung und damit durch materielle Gesetzesverwirklichung gekennzeichnet sei. Die geringere Determination des Planungsträgers gegenüber dem herkömmlichen Verwaltungsträger führe zu einer größeren Wahl- bzw. Gestaltungsfreiheit. Die größere Gestaltungsfreiheit ergebe sich jenseits normstruktureller Unterschiede vor allem durch die größere Komplexität von Planungsentscheidungen gegenüber herkömmlichen Ermessensentscheidungen. Jene beträfen regelmäßig lediglich einen Einzelfall, während Planung typischerweise eine Mehrzahl von Fällen („kollektive Wirkungen“ 54) zum Gegenstand habe und sich durch eine qualifizierte Bedeutung des Zeitfaktors im Sinne einer angelegten Mehrstufigkeit der Planung auszeichne. 55 52 Hoppe, DVBl 1974, 641, 641 ff.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 208 u. 524; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 31, Rn. 59; Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 160 ff. u. 171 ff.; Di Fabio, in: FS Hoppe, 75, 77; Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 183 ff.; Ossenbühl, DVBl 1993, 753, 757; Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 290; Weyreuther, DÖV 1977, 419, 420 f.; Weyreuther, UPR 1981, 33, 34 f.; Ibler, Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 36 ff. u. S. 139; Wegener, Die Verwaltung 14 (1981), 305, 325 ff.; Blumenberg, DVBl 1989, 86, 87; Schulze-Fielitz, JURA 1992, 201, 205; Tsevas, Kontrollintensität, S. 36 ff.; Brohm, JZ 1995, 369, 371 f.; Bachof , Wege zum Rechtsstaat, S. 154; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 163; Kügel, Planfeststellungsbeschluss, S. 124 ff.; Hoppe, DVBl 1964, 165, 172 f.; Hoppe, DVBl 1994, 1033, 1034 ff.; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 129ff.; Erbguth, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, BesVerwR I, § 8, Rn. 147; Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen, Rn. 554; Brohm, BauR, § 11, Rn. 2 ff.; wohl auch Maurer, AllgVerwR, § 7, Rn. 63; zumindest für den Bereich der Raumplanung auch: Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 114 VwGO [Lfg.: 0.], Rn. 29. 53 Dreier, Normative Steuerung, S. 51 ff.; Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34, 221, 251 f.; Fouquet, VerwArch 87 (1996), 212, 234; Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 99; Müller, Planrechtfertigung, S. 89; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 181; Koch/Rubel/Heselhaus, AllgVerwR, § 5, Rn. 115; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 361 f. 54 Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 166.
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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Besonders deutlich werde der Unterschied zudem in der Ausgestaltung des Umfangs der Entscheidungsfindung für den Rechtsanwender. Gemäß § 40 VwVfG werde der zu berücksichtigende Zweck beim herkömmlichen Verwaltungsermessen allein aus der Ermächtigungsnorm bezogen, so dass eine rechtsinterne und damit gesellschaftliche Komplexität reduzierende Herangehensweise vorgegeben sei. 56 Demgegenüber erfordere die planerische Abwägung als „offenes Recht“ eine strukturelle Kopplung an rechtsexterne Zweckprogramme in Form eines Rückgriffs des Planungsträgers auf technische, ökonomische, soziologische, politische und ökologische Kenntnisse und Erfahrungen, welche dieser implementieren müsse. 57 Das daraus wiederum resultierende komplexe Interessengeflecht, welches durch besondere Interdependenz und Interaktion der jeweiligen öffentlichen und privaten Belange gekennzeichnet ist, begründe in Verbindung mit der Pluralität der zu berücksichtigenden Ziele ein wesentliches Kennzeichen der planerischen Abwägung und unterscheide diese deutlich vom herkömmlichen Rechtsfolgeermessen. 58 Ferner differiere die Planungsaufgabe durch die veränderte gesellschaftliche Aufgabe des Planungsträgers gegenüber einem herkömmlichen Verwaltungsträger: Dieser sei nicht wie im Bereich des originären Gesetzesvollzugs auf ein „Abarbeiten“ vorab gesetzlich determinierter und damit parlamentarisch verantworteter Interessenabwägungen festgelegt, sondern ihn treffe selbst die Aufgabe aktiver Interessenabstimmung und öffentlicher Konsensbildung. 59 Zudem wird darauf hingewiesen, es handele sich bei dem Begriff des „Planungsermessens“ um kaum mehr als eine „Verlegenheitsformel“. 60 Auch seitens des Gesetzgebers sei eine Abkehr von diesem Begriff festzustellen, da die vormals gewählte Begrifflichkeit des „Planungsermessens“ seit der Neufassung des § 2 III ROG aus dem Gesetz gestrichen wurde. 61 Um die Differenz zum herkömmlichen Verwaltungs- bzw. Rechtsfolgeermessen deutlich zu machen, verwenden die Vertreter dieser Auffassung demzufolge mehrheitlich eine Bezeichnung der normativen Wahl- und Gestaltungsmöglichkeit 55 Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 185; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 129; zur zeitlichen Komponente der Bauleitplanung insbesondere: Schmidt-Eichstaedt, DVBl 1992, 652, 653 ff.; Ausnahmen bzw. Vermengungen finden sich für den Fall der Planfeststellung – siehe dazu: 3. Kap. I. 56 Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 130 m. w. N.; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 362. 57 Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 164; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 130; Franzius, Die Verwaltung 39 (2006), 335, 362. 58 Dreier, Normative Steuerung, S. 47 ff. 59 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 101 f. 60 Bachof, Wege zum Rechtsstaat, S. 154; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 31, Rn. 59. 61 Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 31, Rn. 59.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
des jeweiligen Planungsträgers als „planerischer Gestaltungsspielraum“ oder als „planerische Gestaltungsfreiheit“. c) Keine exklusive Begrifflichkeit Fraglich ist indes, inwieweit dieser alternativen Begrifflichkeit ein exklusiver Geltungsanspruch dergestalt zukommt, dass allein diese zu verwenden wäre, während das sog. „Planungsermessen“ dann als Begriff abzulehnen sein könnte. Allein die Feststellung der Differenzen von „Planungsermessen“ und herkömmlichen Verwaltungs- bzw. Rechtsfolgeermessen rechtfertigen für sich betrachtet noch nicht die strikte Ablehnung ersteren Begriffes und dessen verbindliche Ersetzung durch den Begriff der „planerischen Gestaltungsfreiheit“ oder des „planerischen Gestaltungsspielraums“. Teilweise wird dennoch in der Literatur erwogen, vorrangig den Begriff der „planerischen Gestaltungsfreiheit“ zu verwenden, da dieser zum einen den speziellen Gestaltungsvorgang der Planung verdeutliche und zum anderen rechtsstaatlich eine Bildung sachgerechter Begriffe und Kategorien im Planungsrecht als einheitsstiftender Zusammenhang für das gesamte Verwaltungsrechts notwendig sei. 62 Dies überzeugt jedoch ebenfalls nicht: Zwar geht die teilweise angenommene Identität von „Planungsermessen“ und herkömmlichem Verwaltungsermessen – wie bereits dargelegt – fehl; 63 dies bedeutet jedoch keineswegs, dass nicht dennoch Ähnlichkeiten bestehen können, die eine vergleichende Begrifflichkeit zu rechtfertigen vermögen. 64 Zu denken ist ferner an die durch Meßerschmidt erneut etablierte Verwendung des Begriffs „Gesetzgebungsermessen“, welcher ebenfalls zur Umschreibung eines normativen Gestaltungsspielraums Anwendung findet, ohne dass deshalb eine begriffliche Gleichsetzung zum Verwaltungsermessen vollzogen wird. 65 Folgerichtig findet sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und mehrheitlich in der Literatur eine parallele Verwendung des gesamten Begriffsspektrums im Sinne eines weitgehend unterschiedslosen Nebeneinanders aller Begriffe. 66
62 Hoppe, DVBl 1974, 641, 642 ff.; Erbguth, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, BesVerwR I, § 8, Rn. 147; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 129. 63 Siehe oben: 1. Kap. A.I.2.a). 64 Dazu Brohm, BauR, § 11, Rn. 5. 65 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 238 ff.; zur Kritik an dieser Begrifflichkeit: Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 162; zum Verhältnis des „Planungsermessens“ zum „gesetzgeberischen Ermessen“: Brohm, BauR, § 11, Rn. 4. 66 BVerwGE 34, 301, 304 f.; BVerwGE 62, 86, 92 f.; BVerwGE 119, 25, 42; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 78 u. S. 524 f.; weitere Beispiele für die begrifflichen Vielfalt bei: Wolff , in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO, Rn. 213; Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechts-
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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Gegen diese Beliebigkeit in der Begriffswahl will Brohm abweichend im Sprachgebrauch dahingehend differenzieren, dass zwar beide Begriffe nebeneinander Verwendung finden könnten, jedoch jedem ein unterschiedlicher Bedeutungsgehalt beizumessen sei. So bezeichne der Begriff des „Planungsermessens“ seiner Auffassung nach die Frage nach dem „Ob“ einer Planung, während der Begriff des „planerischen Gestaltungsspielraums“ das „Wie“ der Planung kennzeichne. 67 Diese Unterscheidung erscheint indes angesichts des sowohl Entschließungs- als auch Auswahlermessen umfassenden Sprachgebrauchs beim herkömmlichen Verwaltungsermessen willkürlich und vermag als strikte Vorgabe ebenfalls nicht zu überzeugen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine strikt einzuhaltende und damit exklusive Begrifflichkeit zur Beschreibung der Struktur von Planung sinnvollerweise nicht anzunehmen ist. 68 Vielmehr existiert eine Vielfalt an Begriffen, welche jeweils unterschiedliche Aspekte der Planungsstruktur besonders hervorheben. Für die weiteren Darstellungen innerhalb dieser Arbeit soll vorrangig – wenn auch nicht ausschließlich 69 – auf den Begriff des „planerischen Gestaltungsspielraums“ zurückgegriffen werden, da das hinter diesem Begriff stehende Anliegen einer deutlichen Unterscheidung von Planung und herkömmlicher Ermessensentscheidung für den konkreten Untersuchungsgegenstand aus systematischen Gründen zweckmäßiger und damit vorzugswürdiger, wenn auch nicht zwingend geboten, erscheint. Diese präferierte Wortwahl verdeutlicht durch die explizite Betonung der Gestaltungsfreiheit bereits aus ihrer inneren Struktur, dass angesichts der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit die Annahme einer Erstplanungspflicht nur auf Ausnahmefälle beschränkt sein kann. Insoweit kommt ihr ein besonderer Erkenntniswert hinsichtlich der Systematik von Erstplanungspflichten zu, die im Speziellen Anlass und Hintergrund dieser Darstellung ist. 70
schutz bei der Planung von Straßen, Rn. 514 ff.; Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 160; Ibler, Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 139. 67 Brohm, BauR, § 11, Rn. 1. 68 Auch an dieser Stelle ist auf eine Parallele zum „Gesetzgebungsermessen“ nach Meßerschmidt hinzuweisen. Dieser präferiert im Rahmen seiner Habilitationsschrift zwar den titelgebenden Begriff, spricht sich jedoch für eine „friedliche Koexistenz“ gegenüber dem Begriff der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit aus (Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 264 ff.). 69 Insbesondere bei der Wiedergabe der Rechtsfigur der „Verdichtung des Planungsermessens zur Pflicht“ (s. u.: 1. Kap. B.) wird die seitens des Bundesverwaltungsgerichts konkret gewählte Begrifflichkeit Verwendung finden müssen. Generell wird jedoch durch die Anführungszeichen deutlich gemacht, dass es sich dabei jeweils um einen mit Vorbehalten übernommenen Begriff handelt. 70 Ähnlich: Ibler (Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 43 ff.), welcher für die „planerische Gestaltungsfreiheit“ besonders hervorhebt, dass diese Begrifflichkeit durch die Rechtsprechung perspektivisch vor allem negativ durch die Herausarbeitung von
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Eine allgemein verbindliche Festlegung auf einen Begriff kann allerdings im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen, da seitens aller Autoren, die ein Nebeneinander der jeweiligen Begriffe befürworten, jenseits der bloßen Bezeichnung zutreffend einheitlich als materielle Grundlage bzw. als planerische Grundstruktur die planerische Abwägung zugrunde gelegt wird, 71 so dass sich allein aus der Wortwahl keine inhaltlichen bzw. rechtlichen Konsequenzen ableiten.
II. Erstplanungspflicht / Änderungspflicht Nachdem Begriff und Struktur der Planung als Grundlage einer Auseinandersetzung mit Erstplanungspflichten eingegrenzt wurden, sollen im Folgenden Erstplanungspflichten von sog. Änderungspflichten abgegrenzt werden. Zunächst muss festgehalten werden, dass beide Begriffe jeweils Unterfälle von Planungspflichten bezeichnen. Es handelt sich insoweit um eine unter dem Gesichtspunkt der Planungssituation systematisierende und erschöpfende Unterscheidung; es lassen sich also generell alle Planungspflichten einer der beiden Kategorien zuordnen. Begrifflich ist von Änderungspflichten die Rede, wenn die Pflicht eines Planungsträgers zur Anpassung bereits bestehender Pläne in Frage steht. Regelmäßig – wenn auch nicht notwendig – liegen solchen Änderungspflichten Planungskonstellationen zugrunde, in denen die erstmalige Aufstellung oder Aktualisierung höherstufiger Planungen eine Modifikation der zwar bereits vorhandenen, aber nicht an die neuartigen Festsetzungen angepassten Planungsebenen erforderlich werden lässt, um eine effektiv-rechtsstaatliche Umsetzung im Interesse materieller Planungskonkordanz zu erreichen. Als typischer Beispielsfall sei an dieser Stelle die nach ganz herrschender Meinung bestehende Anpassungspflicht der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung aus § 1 IV BauGB genannt. 72 Abweichend von dieser Pflicht zur Änderung bestehender Pläne erfassen Erstplanungspflichten demgegenüber Konstellationen, in denen die Verpflichtung zur erstmaligen Aufstellung eines konkreten Plans vom jeweiligen Planungsträger gefordert ist. Eindeutig handelt es sich also um Erstplanungspflichten, wenn es für den zu beplanenden Regelungsbereich bislang noch keine Planung gibt. Gleiches gilt für den Fall, in dem eine vorgenommene Planung rechtlich nichtig ist. Speziell im Bauplanungsrecht kann auch eine Erstplanungspflicht für ein Gebiet in Frage
Schranken gekennzeichnet werde, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt für den Bereich der Erstplanungspflicht als eben solche Schranke diese Wortwahl vorzugswürdig ist. 71 Diesen Aspekt besonders betonend: Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen, Rn. 556. 72 Siehe dazu im Detail die Darstellungen: 3. Kap. E.I.1.a).
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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stehen, welches durch einen mittlerweile funktionslosen, und damit rechtlich außer Kraft getretenen Bauleitplan beplant war. 73 Anhand dieser Unterscheidungskriterien schwerlich handhabbar erscheint auf den ersten Blick die Abgrenzung von Erstplanungspflicht und Änderungspflicht, wenn eine Änderung bestehender Pläne notwendig ist, die einer Totalrevision, und damit einer kompletten Neuplanung gleichkommt. Es würde sich insbesondere die dogmatische Frage stellen, ob nicht im Rahmen jeder Änderung von Teilen eines Plans damit zugleich die „verbleibenden“ Teile inzident erneut geplant werden. Letztlich kann diese Problematik jedoch dahinstehen, da begrifflich eine rein formale Abgrenzung nach der Ausgangssituation der Planung möglich ist, indem für die Einordnung als Änderungspflicht allein auf die Existenz rechtsverbindlicher Pläne abgestellt wird, während eine Erstplanungspflicht allein in Betracht kommt, wenn keine wirksamen Pläne (mehr) vorhanden sind. Eine inhaltliche Abgrenzung erscheint auch insoweit entbehrlich, als es sich in beiden Fällen um Planungspflichten handelt, so dass sich die materiellen Anforderungen an den jeweiligen Pflichtentatbestand nur marginal unterscheiden. Eventuelle Unterschiede tragen vor allem dem Umstand Rechnung, dass die Pflicht zur erstmaligen Planung im Vergleich zu lediglich partiellen Modifikationen oftmals gerade für kleinere, kommunale Planungsträger mit erheblich höheren Kostenbelastungen verbunden sein wird, so dass die Verhältnismäßigkeit der Erstplanungspflicht speziell vor diesem Hintergrund gewährleistet sein muss. 74 Ferner könnte man erwägen, dass angesichts der auf Flexibilität und Zukunftsbezogenheit ausgerichteten Materie von Planung eine Aktualisierung durch Anpassung des Plans dem Rechtsinstitut wesensmäßig immanenter ist, als eine Pflicht zur erstmaligen Aufstellung eines Plans, was seinerseits ebenfalls eine geringere Schwelle bei den Begründungsvoraussetzungen an Änderungspflichten rechtfertigen würde. Derartige Differenzierungen im Detail dürfen indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass zunächst generell für Planungspflichten eine rechtsstaatlich gebotene materielle Rechtfertigung durch Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit derselben gegeben sein muss. Speziell in der besonders breit gefächert praxisrelevanten Bauleitplanung auf kommunaler Ebene folgt dieses Erfordernis einheitlich sowohl für Planungspflichten in Form von Erstplanungspflichten als auch für Änderungspflichten aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 28 II 73
Vgl. ferner: Löhr (in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 9, Rn. 7a), der zutreffend darauf hinweist, dass grundsätzlich lediglich einzelne planerische Festsetzungen durch Funktionslosigkeit außer Kraft treten. Dennoch besteht im Einzelfall die Möglichkeit (in Anlehnung an die Grundsätze der Teilnichtigkeit gem. § 139 BGB), dass der gesamte Bauleitplan außer Kraft tritt, wenn nur noch ein „Planungstorso“ übrig bliebe, der zur städtebaulichen Entwicklung ungeeignet sein würde. 74 Den Gedanken der finanziellen Folgekosten von Planungspflichten für Gemeinden besonders betonend: Faast, Erstplanungspflicht, S. 37 u. S. 191 ff.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
S. 1 GG: Planungspflichten stellen für Gemeinden nach allgemeiner Auffassung einen Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II S. 1 GG dar. Dabei kann vorliegend die strittige Frage, inwieweit die kommunale Planungshoheit dem Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zuzurechnen ist, 75 dahinstehen, da jedenfalls kein vollständiger und erst recht kein allgemein-institutioneller Entzug dieser Planungshoheit in Betracht kommt, sondern lediglich inhaltliche Vorgaben für das „Ob“ der Planung in einzelnen Gemeinden durch eine Planungspflicht statuiert werden, ohne deren weitergehend verbleibende Gestaltungsfreiheit anzutasten. Derartige, den Kernbereich nicht berührende Einschränkungen der gemeindlichen Aufgabenerfüllung gem. Art. 28 II GG müssen nach zutreffender, ganz herrschender Meinung zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. 76 Danach dürfen derartige Vorgaben nur ergehen, wenn und soweit sie durch schutzwürdige, überörtliche Interessen erfordert werden und diesen gegenüber dem örtlichen Bezug der jeweiligen öffentlichen Aufgabe der Vorrang einzuräumen ist. 77 Dies ist bei den gesetzlichen Ausgestaltungen durchgängig der Fall: Soweit es sich um eine Planungspflicht zur Angleichung der unteren Planungsebene an höherstufige Planungen handelt, spricht der Grundsatz materieller Plankonkordanz für die Zulässigkeit einer derartigen Pflicht. Anderenfalls wäre die Realisierbarkeit jeglicher höherstufig-überörtlicher und damit umsetzungsbedürftiger Planung allein dem planerischen Wohlwollen kommunaler Planungsträger überantwortet. Insoweit kann also – speziell für den Bereich der Bauleitplanung gem. § 1 IV BauGB 78 – von einem translokalen Einfluss durch Planungspflichten als Ausdruck der Verzahnung der Planungshoheit in die Planungshierarchie mehrerer Planungsebenen gesprochen werden, welchem grundsätzlich ein Vorrang gegenüber dem örtlichen Bezug der Planungsaufgabe zukommt. Diese Einschrän-
75
Dazu: Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 20 m. w. N.; Dreier, in: Dreier, Art. 28, Rn. 140, Fn. 594. 76 BVerwGE 119, 25, 30; Tettinger, in: vMangoldt/Klein/Starck, Art. 28 II, Rn. 194; Dreier, in: Dreier, Art. 28, Rn. 128; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 28, Rn. 22; Moench, DVBl 2005, 676, 676 f.; Faast, Erstplanungspflicht, S. 149 ff.; Just (in: Hoppe/Bönker/ Grotefels, § 2, Rn. 33 ff.), der zudem nachweist, dass auch in Folge des Rastede-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts letztlich nach jedem vertretbaren Interpretationsansatz eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden muss; a. A.: Schmidt-Aßmann, in: FS Sendler, 121, 135 f.; Krebs, JURA 2001, 228, 234 m. w. N.; Rennert, in: Umbach/Clemens, Art. 28 II, Rn. 141; auch nach der Gegenauffassung statuiert Art. 28 II GG indes Anforderungen an dessen Beschränkungen, deren Herleitung unterschiedlich begründet wird, die indes im materiellen Schutzniveau gegenüber den vorliegend zu beurteilenden Planungspflichten der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die herrschende Meinung entsprechen. 77 BVerfGE 76, 107, 119 f.; BVerfGE 59, 216, 230; Rennert, in: Umbach/Clemens, Art. 28 II, Rn. 141; Faast. Erstplanungspflicht, S. 150 ff. 78 Siehe zu diesem Problemkreis generell die weitergehenden Darstellungen: 3. Kap. E.
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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kung wird zudem durch die Einräumung gemeindlicher Mitwirkungsbefugnisse in den einschlägigen Verfahren (vor allem durch das raumordnungsrechtliche Gegenstromprinzip aus § 1 III ROG) im Sinne des Verhältnismäßigkeitserfordernisses zusätzlich kompensiert. 79 Doch auch Planungspflichten, deren zugrunde liegende Konstellationen keinen Bezug zu überörtlichen Planungen aufweisen, stellen sich generell als verhältnismäßige Ausgestaltung „im Rahmen der Gesetze“ (Art. 28 II S. 1 GG) dar. Diesbezüglich hat das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die „Bauleitplanung [ . . . ] der Gemeinde nicht zu beliebiger Handhabung, sondern als öffentliche Aufgabe anvertraut“ sei, „die sie nach Maßgabe des BauGB im Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zu erfüllen hat“. 80 Die Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung stellt sich danach als überörtliches Interesse von besonderem Gewicht dar, welches in Ausnahmefällen eine Planungspflicht als Ausgestaltung des Gesetzesvorbehalts von Art. 28 II S. 1 GG zu rechtfertigen vermag. Planungspflichten werden deshalb in ihrer generellen Ausgestaltung als mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 II GG vereinbar angesehen; allerdings kann eine konkrete Betrachtung einer Planungspflicht im Einzelfall dennoch deren Unverhältnismäßigkeit und damit einen Verstoß gegen die Anforderungen des Art. 28 II GG ergeben. 81 Insoweit kann an dieser Stelle allein die generelle Rechtmäßigkeit von Planungspflichten – vorbehaltlich des Überwiegens überörtlicher Belange im konkreten Einzelfall – festgestellt werden. Dies gilt für Änderungspflichten wie für Erstplanungspflichten gleichermaßen; die genannten Differenzierungsmerkmale zwischen beiden Pflichtarten fallen lediglich bei der Einzelfallbetrachtung im Rahmen der konkreten Verhältnismäßigkeit ins Gewicht. Danach ist deutlich geworden, dass innerhalb der Planungspflichten eine begriffliche Differenzierung nach der zugrunde liegenden Planungssituation vorgenommen werden kann, indem zwischen Änderungspflichten und Erstplanungspflichten unterschieden wird. Inhaltlich ergeben sich in den rechtlichen Begründungsanforderungen jedoch keine grundsätzlichen, erheblich ins Gewicht fallenden Unterschiede. Im Folgenden wird deshalb allein die höchstens etwas begründungsintensivere Konstellation einer Erstplanungspflicht Gegenstand näherer Untersuchungen sein.
79
Dreier, in: Dreier, Art. 28, Rn. 141; Rennert, in: Umbach/Clemens, Art. 28 II, Rn. 125. BVerwGE 119, 25, 30. 81 BVerwGE 119, 25, 30; Moench, DVBl 2005, 676, 676 f.; Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 522, 523; aufgrund dieser Einzelfallprüfung sind die von Brohm (DÖV 1989, 429, 434) geltend gemachten Bedenken gegenüber dem Verstoß gegen das Übermaßverbot – wie er es im Folgenden selbst durch den Bezug auf landesrechtliche Ausgestaltungsmöglichkeiten eingesteht – nicht generell durchgreifend. 80
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
III. Erstplanungspflicht / Planungserfordernis Um sich dem Begriff der Erstplanungspflicht anzunähern, bietet sich zudem die Auseinandersetzung mit einem weiteren Begriffspaar an: Im Bereich des öffentlichen Baurechts wird vielfach zwischen dem Begriff der Erstplanungspflicht und dem sog. Planungserfordernis bzw. Planungsbedürfnis unterschieden. 82 Gegenüber der objektiv-planungsrechtlichen „Erforderlichkeit eines Bebauungsplans“ iSd § 1 III S. 1 BauGB als Grundlage einer planungsrechtlichen Pflicht zur erstmaligen Aufstellung eines Bauleitplans beschreibe das Planungserfordernis generalisiert betrachtet ein Zulassungshindernis für derartige konkrete Bauvorhaben, die nur durch eine vorangegangene Bauleitplanung rechtlich zu realisieren sein sollen. Die Rechtsfigur des Planungserfordernisses ist konkret für die Zulässigkeitstatbestände des § 35 BauGB anerkannt und wird für § 34 BauGB in der baurechtlichen Literatur diskutiert. 83 Das Planungserfordernis fungiert also im Bereich des Vorhabenzulassungsrechts als ein Vorbehalt förmlicher Bauleitplanung, wenn eine solche erforderlich ist. Nach bislang herrschender Literaturauffassung ist eine strikte Trennung der jeweiligen Erforderlichkeitsbegriffe geboten. 84 Dem Planungserfordernis liege ein „bebauungsrechtlicher“ oder „vorhabenzulassungsrechtlicher“ Erforderlichkeitsbegriff zugrunde, welcher weder mit dem „planungsrechtlichen“ noch mit dem „erschließungsrechtlichen“ Erforderlichkeitsbegriff verwechselt werden dürfe. 85 Auch das Bundesverwaltungsgericht hat die Unterschiede zwischen Planungserfordernis und Planungspflicht explizit hervorgehoben. 86 Diese Auffassung fußt argumentativ vornehmlich auf einer dogmatischen Trennung von Planungsrecht und Vorhabenzulassungsrecht innerhalb des öffentlichen Baurechts. 87 Danach soll im Rahmen des Regelungskomplexes des Vorhabenzulassungsrechts, also der bebauungsrechtlichen Frage nach der Zulässigkeit eines konkreten Vorhabens, kein Rückgriff auf Normen des Planungsrechts im engeren 82 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 43 f.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 41; Fackler, Individualanspruch, S. 45; Weyreuther, DVBl 1981, 369, 370 ff.; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 163; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 163. 83 Siehe dazu die ausführlichen Darstellungen: 2. Kap. A. u. 2. Kap. B. 84 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 43 f.; Fackler, Individualanspruch, S. 45 f.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 41; Weyreuther, DVBl 1981, 369, 370 ff.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 163 ff. 85 Weyreuther, DVBl 1981, 369, 370 ff.; Fackler, Individualanspruch, S. 45; SchmidtAßmann, Planungserfordernis, S. 43 f.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 41; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 163. 86 BVerwGE 96, 95, 109. 87 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 43.
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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Sinne (Bauleitplanungsrecht) erfolgen, da es sich insoweit um jeweils eigenständige Regelungskomplexe innerhalb des Bauplanungsrechts handele. Die begriffliche Unterscheidung von Planungserfordernis und Erstplanungspflicht wird argumentativ vor allem von der zugrunde liegenden Unterscheidung zwischen Binnen- und Außenkoordination getragen. 88 Ein Planungserfordernis als ein die Zulässigkeit eines konkreten Vorhabens durch Statuierung eines Vorbehalts förmlicher Planung hindernder „öffentlicher Belang“ im Sinne des § 35 III S. 1 BauGB komme lediglich in Betracht, wenn die sich innerhalb eines Vorhabens stellenden Konflikte eine öffentlich verantwortete, planerische Abwägung notwendig erscheinen ließen (sog. Binnenkoordination eines Vorhabens); es komme jedoch nicht in Betracht, wenn eine Außenkoordination im Sinne einer planerischen Einbettung des Vorhabens in seine Umgebung in Frage stehe. 89 Die bauleitplanerische Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB und damit die Erstplanungspflicht umfasse demgegenüber gleichermaßen Fragen der Binnen- wie der Außenkoordination des gesamten Gebietes, so dass dieser Maßstabsunterschied eine begriffliche Differenzierung rechtfertige und notwendig erscheinen lasse. Ferner wird zur argumentativen Untermauerung des Unterschieds von Bauleitplanungsrecht im engeren Sinne und Vorhabenzulassungsrecht auf einen erheblichen Ermessensunterschied verwiesen, welcher besonders deutlich an der unterschiedlichen Programmierungsstruktur der beiden Normkomplexe zu Tage trete. So sei die planerische Erforderlichkeit durch einen erheblichen Gestaltungsspielraum der Gemeinden gekennzeichnet, welcher in der „planerischen Gestaltungsfreiheit“ münde, während das Planungserfordernis als negatives Tatbestandsmerkmal fungiere und einer Ermessensausübung nicht zugänglich sei. 90 Bereits durch die unterschiedliche Programmierungsstruktur, wonach das Planungsrecht final programmiert und damit abwägungsbasiert sei, während das Vorhabenzulassungsrecht durch seine konditionale Programmierung die Erforderlichkeit „enger und streng rechtsgebunden“ zugrunde lege, trete ein Bedürfnis für eine strikte Trennung deutlich zu Tage. 91 Eine Unterscheidung müsse sachlich zudem erfolgen, weil nicht jede Erforderlichkeit iSd § 1 III S. 1 BauGB ein Planungserfordernis iSd § 35 III S. 1 BauGB nach sich ziehe. 92
88 Fackler, Individualanspruch, S. 33 ff.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 163. 89 Siehe zu dieser Differenzierung die ausführlichen Darstellungen: 2. Kap. A.I.2.–6. 90 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 161 ff. 91 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 43 f. 92 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 165.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Diese begrifflich strenge Trennung wird indes nicht von allen Seiten konsequent vollzogen: In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Beiträgen, die „Planungserfordernis“ und „Planungspflicht“ synonym verwenden oder keine materielle Maßstabsunterscheidung vornehmen. 93 Selbst Söfker, der soeben als Befürworter einer Unterscheidung von Planungspflicht und Planungserfordernis zitiert wurde, hält diese begriffliche Unterscheidung in seiner Kommentierung des BauGB nicht konsequent durch, sondern spricht von einem „Planungserfordernis“ aus § 1 III S. 1, IV BauGB. 94 Auch lässt sich eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anführen, in welcher im Rahmen der Bestimmung des Planungserfordernisses auf die Erforderlichkeit iSd § 1 III S. 1 BauGB und damit auf die Grundlage einer Planungspflicht abgestellt wird. 95 Letztlich sind diese begrifflichen Überschneidungen auch nicht zu beanstanden, da den argumentativen Grundlagen der strikten Begrifflichkeitsdifferenzierung gewichtige Bedenken entgegenstehen: Die normative Trennung von Bauleitplanungsrecht (§§ 1–28 BauGB) und Vorhabenzulassungsrecht (§§ 29 ff. BauGB) ist nicht mit dem Verbindlichkeitsanspruch haltbar, mit welchem sie von den Befürwortern einer strikten Begrifflichkeitsdifferenzierung gefordert wird. Zwar mag die generelle Unterscheidung von Vorhabenszulassung und Planung ein systematisches Verständnis der Normkomplexe des BauGB befördern und ist als Kategorie nicht ohne Erkenntniswert. Jedoch kann eine rigide Trennung dieser zwei Bereiche nicht sinnvoll statuiert werden. Dies zeigt sich offenkundig an zahlreichen Überschneidungen und Wechselwirkungen. So sind beispielsweise die §§ 11, 12 BauGB im Regelungskomplex des Planungsrechts normiert, obwohl die Anwendungsfälle der genannten öffentlichrechtlichen Verträge, insbesondere von § 11 I Nr. 3 BauGB, auch einen reinen oder zumindest schwerpunktmäßigen Bezug zum Vorhabenzulassungsrecht aufweisen können. Gleiches ist für die dem Regelungsbereich des Bauleitplanungsrechts zuzuordnende Handlungsmöglichkeit der Zurückstellung von Baugesuchen hervorzuheben, welche in ihrer Rechtswirkung ausschließlich und unmittelbar auf die Vorhabenszulassung gerichtet ist. Speziell für den hier entscheidenden Bereich der Planungspflichten zeigt sich die dogmatische Vermengung von Planungsrecht und Vorhabenzulassungsrecht explizit an dem Rückgriff auf Wertungen des § 2 II S. 1 BauGB bzw. auf die sog. „Krabbenkamp-Formel“ innerhalb der Vorhabenzulassung nach § 35 II BauGB: 96
93 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 29; Kleinlein, DÖV 1986, 1010, 1011 f.; Reichelt, BauR 2006, 38, 39; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 17; Kuschnerus, BPlan, Rn. 117; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 72. 94 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 2 [Lfg.: 75.], Rn. 103. 95 BVerwG, NJW 83, 2716, 2717. 96 Halama, DVBl 2004, 79, 81 f.
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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Das Bundesverwaltungsgericht hat in der „Zweibrücken-Entscheidung“ zutreffend die Beschränkung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses auf die Notwendigkeit einer Binnenkoordination des Vorhabens abgelehnt und stattdessen aus der Notwendigkeit einer Außenkoordination für ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben das Planungserfordernis abgeleitet. 97 Bereits mit dieser Abkehr von der bisherigen – die Unterscheidung von Vorhabenzulassungsrecht und Planungsrecht implizierenden – Argumentation wird der Verbindlichkeitsanspruch dieser Unterscheidung fundamental in Frage gestellt. Die Aussagen der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wirken indes noch grundlegender. Als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die erforderliche Außenkoordination wurde auf den Rechtsgedanken des § 2 II S. 1 BauGB, eine originäre Vorschrift des Planungsrechts, die ihren eigentlichen Regelungsgehalt in Form der interkommunalen Abstimmung ausschließlich in der Planung entfalten kann, abgestellt. Indem die Sicherung einer planerischen interkommunalen Abstimmung über die „Krabbenkamp-Formel“ zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt für Fragen der Vorhabenzulassung wurde, erübrigt sich speziell für die Praxis der Erstplanungspflichten eine strikte Trennung von Vorhabenzulassungsrecht und Planungsrecht. Dies verdeutlichte das Bundesverwaltungsgericht erneut in der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“, in der unter explizitem Rückgriff auf die „Zweibrücken-Entscheidung“ betont wurde, dass die Wertungen des § 2 II S. 1 BauGB sowohl ein Anknüpfungspunkt eines Planungserfordernisses bei § 35 III S. 1 BauGB als auch Anknüpfungspunkt einer Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB zu sein vermögen. 98 Jedenfalls für den Bereich des Planungserfordernisses und der Planungspflichten kann somit aufgrund der zu Recht anerkannten, gleichartigen Bedeutung des § 2 II S. 1 BauGB die strikte Trennung von Vorhabenzulassungsrecht und Planungsrecht nicht aufrechterhalten werden. Im Interesse materieller Konkordanz der Normen des BauGB als einheitlichem Regelungskomplex erscheint es vielmehr geboten, keine rigiden Beschränkungen des jeweils zu berücksichtigenden Normhorizonts vorzunehmen. Auch im Vergleich zum Einfluss anderer Planungsmaterien auf das Baurecht überzeugt eine dogmatisch strikte Trennung von Vorhabenzulassungsrecht und Bauleitplanungsrecht nicht. Wenn sogar das Raumordnungsrecht, als überörtliche und in eigenständigen Gesetzen normierte Materie des Planungsrechts, zunehmend Bedeutung für das baurechtliche Vorhabenzulassungsrecht gewinnt, 99 so erscheint
97 BVerwGE 117, 25, 31; siehe zu diesem Argumentationskomplex im Einzelnen die detaillierten Darstellungen: 2. Kap. A.I.2.–7. 98 BVerwGE 119, 25, 34 f.; siehe dazu vertiefend die Darstellung: 3. Kap. D. 99 Siehe zu dieser Entwicklung: Dafft/Grotefels/Heemeyer/u. a., DVBl 2005, 1149, 1159 ff.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
eine strikte Beschränkung innerhalb eines einheitlichen Gesetzes erst recht als unangebracht. Desgleichen können die als Argument angeführten normstrukturellen Programmierungsunterschiede zwischen Planungserfordernis als konditional programmierter und Planungspflicht als final programmierter Rechtsfigur eine strikte Trennung von Vorhabenzulassungsrecht und Planungsrecht nicht begründen. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass die Programmierungsunterschiede zwar grundsätzlich bestehen, aber speziell die Rechtsfigur des Planungserfordernisses als „Programmverbindung“ im Interesse einer materiellen Konkordanz des Baurechts bewusst zur Sicherung des Planmäßigkeitsprinzips ausgestaltet ist. 100 Deshalb kann auch nicht pauschal behauptet werden, dass kein Zusammenhang zwischen der Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB und dem Bestehen eines Planungserfordernisses besteht, da für den Fall, in dem eine erstmalige Planung objektiv iSd § 1 III S. 1 BauGB zwingend geboten ist, zugleich ein Planungserfordernis einem konkreten Vorhaben entgegensteht, weil ja gerade eine vorhergehende Planung zu sichern ist. 101 Die idealtypische Unterscheidung von konditionaler und finaler Programmierung stößt demnach beim Planungserfordernis insoweit an ihre Grenzen, als durch diese Rechtsfigur gerade der Begrenztheit konditionaler Programmierungsstrukturen angemessen begegnet werden soll. Indem diese Rechtsfigur innerhalb des Vorhabenszulassungsrechts einen Vorbehalt zugunsten finaler Programmierung statuiert, ist sie spezifischer Ausdruck der wechselseitigen „Verwobenheit“ von Planungsrecht und Vorhabenzulassungsrecht. Nachdem dargelegt wurde, dass der argumentative Hintergrund für eine strikte begriffliche Unterscheidung von Planungspflicht und Planungserfordernis hinfällig ist, erscheint diese Differenzierung auch nicht geeignet, die wesentlichen Eigenheiten und strukturellen Wirkmechanismen des öffentlichen Baurechts angemessen zu kennzeichnen, geschweige denn durch die bloße Wortwahl offen zu legen. Besonders das in verschiedenen Bedeutungszusammenhängen relevante „Erfordernis eines Bebauungsplans“ trägt dazu bei, dass der Begriff „Planungserfordernis“ jeweils in seinem konkreten Sinnzusammenhang analysiert werden muss und eine eindeutige Zuordnung allein auf Grundlage der bloßen Begrifflichkeit ausscheidet. 100
Siehe zu dieser Argumentation die ausführlichen Darstellungen: 2. Kap. A.I.1.c) u. 2. Kap. A.I.6.a). 101 Die gegenteilige Bewertung Scherers (Großvorhaben und Planungshoheit, S. 163 f.) beruht auf einem verkürzten Verständnis des § 1 III S. 1 BauGB, welches dieser Vorschrift lediglich die Normierung einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht zugestehen möchte und objektiv determinierte Erstplanungspflichten ausklammert. Siehe zu dieser Begrifflichkeit: 1. Kap. A.IV. Vgl. ferner zur Anerkennung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB: 3. Kap. D.I.
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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Ein nennenswerter Erkenntnisgewinn ist somit durch die Unterscheidung von Planungserfordernis und Planungspflicht nicht geleistet; die zugrunde liegende dogmatische Trennung von Vorhabenzulassungsrecht und Bauleitplanungsrecht ist hinfällig. Stattdessen ist es geboten, einen neuen, nicht nach normativer Einbettung differenzierenden Ansatz zu entwickeln. Dafür bietet es sich an, die tatsächliche Wirkweise der jeweiligen Rechtsfiguren als Anknüpfungspunkt für einen Systematisierungsansatz zu wählen, damit Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Konstellationen gleichermaßen deutlich werden. Ein derartiger Ansatz soll im Folgenden entwickelt und entfaltet werden.
IV. Differenzierung zwischen objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten Ausgehend von dem Befund, dass die speziell baurechtliche Differenzierung von Erstplanungspflicht und Planungserfordernis aufgrund der nicht aufrecht zu erhaltenden Trennung von Vorhabenzulassungsrecht und Planungsrecht keinen selbstständigen Erkenntniswert aufweist, kann nunmehr die Entwicklung einer systematisierenden Begrifflichkeit begonnen werden. Dazu bietet es sich an, zunächst die Gemeinsamkeit beider Rechtsfiguren in ihrer realen Wirkungsweise näher zu betrachten. Für den Planungsträger können sich nämlich beide Konstellationen tatsächlich als Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans darstellen. Im Fall der Planungspflicht ist dies unmittelbarer Kern der normativen Aussage. Doch auch im Fall des Planungserfordernisses ist der Planungsträger aufgrund der Unzulässigkeit des Vorhabens darauf verwiesen, einen Bebauungsplan aufzustellen, falls er das beabsichtigte Vorhaben dennoch ermöglichen möchte: In der Praxis wird sich also der Planungsträger in den meisten Fällen durch den Planungsvorbehalt in Gestalt des Planungserfordernisses als zur Planung „faktisch“ verpflichtet ansehen. Diese „faktische Verpflichtung“ legt es nahe, die Fallgruppen des Planungserfordernisses bzw. den Begriff des Planungserfordernisses nicht als Gegensatz, sondern vielmehr als Unterfall der Erstplanungspflicht zu verstehen. Neben dieser Gemeinsamkeit einer tatsächlichen Verpflichtung zur Planung tritt zugleich der wesentliche Unterschied der beiden Konstellationen einer Erstplanungspflicht zu Tage. So besteht die „faktische Erstplanungspflicht“ in Situationen des Planungserfordernisses ausschließlich dann, wenn die Gemeinde an einer Realisierung des unzulässigen Vorhabens weiterhin interessiert bleibt. Mit anderen Worten stellt sich die „faktische Wirkung“ der Planungspflicht ihrerseits als vom Willen des Planungsträgers abhängig dar. Die baurechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens im planerischen status quo führt folglich erst in Verbindung mit den subjektiven Vorstellungen des Planungsträgers zu einer „faktischen Verpflichtung“ zur Aufstellung eines Bebauungsplans.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Demgegenüber ist die Situation der Planungspflicht im engeren Sinne durch eine objektive Rechtspflicht gekennzeichnet, welche den Planungsträger nicht lediglich faktisch-indirekt bindet und von dessen Planungsvorstellungen unabhängig besteht. Abstrahiert vom konkreten Aufhänger der Fälle des Planungserfordernisses kann also innerhalb der Erstplanungspflichten folgenderweise unterschieden werden: Die jeweils in Frage stehenden Verpflichtungen eines Planungsträgers zur Aufstellung eines Plans lassen sich nach den Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers differenzieren. Hängt die in Frage stehende Planungspflicht in ihrem Bestand bzw. deren Wirkung als „faktische Planungspflicht“ maßgeblich von subjektiven Vorstellungen des betroffenen Planungsträgers ab, so handelt es sich um eine „faktische Erstplanungspflicht“. Die andere Kategorie bilden dann jene Erstplanungspflichten, bei welchen die Pflichtigkeit in Bestand und Wirkung unabhängig von planerischen Konzeptionen und Mitwirkungshandlungen der betroffenen Planungsträger autonom ausgestaltet ist. Als Konsequenz dieses Differenzierungskriteriums lässt sich auf einer zweiten Ebene der Durchsetzung von Erstplanungspflichten eindeutig zwischen beiden Konstellationen differenzieren. Aufgrund der Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers, welcher regelmäßig seine planerische Konzeption modifizieren kann, so dass keine „faktische Planungspflicht“ mehr besteht, scheidet eine selbstständige Durchsetzung im Wege der Kommunalaufsicht für diese Konstellationen generell aus. Anders stellt sich die Rechtslage für unabhängig von subjektiven Vorstellungen des Planungsträgers bestehende Planungspflichten dar. Diese sind als objektive Pflichten zumindest auf (kommunal-)aufsichtsrechtlichem Wege durchsetzbar. 102 Auf Grundlage dieser beiden Kriterien, der Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers und der selbstständigen Durchsetzbarkeit der Planungspflicht, lassen sich die beiden in Betracht kommenden Konstellationen von Erstplanungspflichten klar und eindeutig abgrenzen. Einzig eine treffende Begrifflichkeit für diese systematisierenden Kategorien steht zur Kennzeichnung dieses Differenzierungansatzes noch aus. Zur begrifflichen Fixierung dieses Systematisierungsansatzes findet sich in der Literatur vereinzelt eine Bezeichnung der Fälle einer „faktischen Verpflichtung“ zur Aufstellung eines Plans als „Planungsobliegenheiten“. 103 Der Begriff der Planungspflicht würde demgegenüber dann nur auf die verbleibende „klassische“ Konstellation Anwendung finden. 102 So für § 1 III S. 1 BauGB: BVerwGE 119, 25, 43 ff.; Schoch, JURA 2006, 188, 193; ein subjektiver Anspruch auf Planung scheidet demgegenüber zumindest für den Bürger regelmäßig aus – vgl. § 1 III S. 2 BauGB. 103 Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Großflächiger Einzelhandel, 147, 151; Jochum, BauR 2003, 31, 36.
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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Gegen die Wahl dieser Begrifflichkeit spricht indes, dass rechtstheoretisch der Begriff der Obliegenheit als Gegenbegriff zur Pflicht verstanden werden kann, so dass die soeben herausgearbeitete Gemeinsamkeit der beiden Konstellationen rein begrifflich wieder in Frage gestellt würde. Zudem wird die präzise Definition des Begriffs „Obliegenheit“ den Fällen der Erstplanungspflichten nicht gerecht, da – jenseits aller strittigen, vornehmlich zivilrechtlichen Fragen um die exakte Definition von Obliegenheiten 104 – insoweit Einigkeit herrscht, als unter Obliegenheiten lediglich Verhaltensanordnungen im eigenen Interesse verstanden werden. 105 Die öffentlich-rechtlichen Planungsaufgaben sind demgegenüber als Handlungsmöglichkeiten regelmäßig nicht allein im Interesse des jeweiligen Planungsträgers wahrzunehmen, sondern stehen als öffentliche Aufgabe im öffentlichen Interesse. Besonders deutlich wird dies für den Fall der gemeindlichen Bauleitplanung, deren Wahrnehmung den Gemeinden als Selbstverwaltungsaufgabe zwar auch im eigenen Interesse als Gebietskörperschaft überantwortet ist, jedoch gleichzeitig gem. § 1 III S. 1, V S. 1 BauGB der geordneten und nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und Ordnung als – zumindest auch – überörtlichem, allgemeinem staatlichen Interesse verpflichtet ist. Speziell in der Situation eines Planungserfordernisses kann also nicht festgestellt werden, dass die Abhängigkeit vom subjektiven Willen des Planungsträgers zugleich als Abhängigkeit allein im Eigeninteresse des Planungsträgers verstanden werden kann, sondern vielfältigen öffentlichen und privaten Interessen verpflichtet ist. Folglich kann für den Aufgabenbereich der Planungsträger nicht pauschal von Obliegenheiten gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich bei den hier in Frage stehenden Konstellationen um echte Verpflichtungen in allgemeinem staatlichem Interesse. Als anderes Begriffspaar zur Systematisierung ist eine Unterscheidung von unmittelbaren und mittelbaren Erstplanungspflichten in Betracht zu ziehen. 106 Vorteilhaft an dieser Begriffswahl erscheint besonders die sprachliche Anknüpfung für den Bereich der mittelbaren Erstplanungspflichten: Die subjektiven Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers – gegebenenfalls in Verbindung mit einer Unzulässigkeit eines konkreten Vorhabens ohne Planung – „vermitteln“ die eigentliche Verpflichtung; sie fungieren als „Mittler“ der Planungspflicht. Die unmittelbaren Erstplanungspflichten kommen demgegenüber ohne einen solchen „Mittler“ aus und bestehen allein aufgrund objektiver Gegebenheiten.
104 Vergleiche dazu im Detail: Wegmann, Obliegenheiten, S. 32 ff.; Schmidt, Obliegenheiten, S. 49 ff. 105 Larenz/Wolf , BGB-AT, § 13, Rn. 36; Köbler, Jur. Wörterbuch, S. 339; Alpmann Brockhaus Fachlexikon Recht, S. 967. 106 Finkelnburg/Ortloff , BauR I, § 5, S. 27.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Problematisch an einer Festlegung auf diese Begrifflichkeit ist jedoch, dass in der juristischen Literatur ein nahezu inflationärer Gebrauch der Unterscheidung von Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit vorherrscht, der sich unter anderem auf die Unbestimmtheit bzw. Uneindeutigkeit der Begriffe zurückführen lässt und diese Begrifflichkeit zusätzlich ihrer Konturen beraubt. So lässt auch vorliegend die isolierte Begrifflichkeit als solche keine Schlüsse auf inhaltliche Differenzierungskriterien zu; der Begriff der Mittelbarkeit beschreibt lediglich einen formalen Wirkmechanismus ohne dessen materiellen Hintergrund zu konkretisieren. Diese Inhaltsleere ist durch einen Verweis auf die Darstellungen Söfkers zu belegen: Dieser verwendet in seiner Kommentierung des § 1 BauGB ebenfalls den Begriff „Mittelbare Planungspflichten“, jedoch bezieht sich dieser Begriff dort vornehmlich auf den Umfang eventueller Planungen und die Bindungen des „Wie“ einer Planung durch das Gebot planerischer Konfliktlösung, den Grundsatz planerischer Zurückhaltung sowie durch die Pflicht zu konzeptgemäßer Planung. 107 Diese weitgehende Beliebigkeit in der Verwendung ist der Grund, warum von einer Fokussierung auf diese Begrifflichkeit im Folgenden abgesehen wird. 108 Diesen wesentlichen Kritikpunkt der Unbestimmtheit in materiell-inhaltlicher Hinsicht teilt die Unterscheidung von mittelbaren und unmittelbaren Erstplanungspflichten mit den alternativ in Betracht kommenden Begriffen der direkten bzw. indirekten oder der unbedingten bzw. bedingten Erstplanungspflicht, welche deshalb ebenso wenig als zentraler Anknüpfungspunkt eines Systematisierungsansatz dienen sollen. Wesentlich prägnanter erscheint vor diesem Hintergrund die auf Moench zurückgehende Einteilung in originäre und derivative Planungspflichten. 109 Dabei wird durch die Kennzeichnung „derivativ“ deutlich gemacht, dass den Konstellationen „faktischer Erstplanungspflichten“ ihre Wirkung erst durch die subjektiven Vorstellungen des Planungsträgers beikommt, so dass dieser Wirkmechanismus durch diese Begrifflichkeit zutreffend und anschaulich als lediglich abgeleitet gekennzeichnet wird. Leichte Vorbehalte sind jedoch gegenüber dem Begriff der originären Erstplanungspflicht geltend zu machen. So legt die Wortwahl „originär“ zunächst ein Verständnis als „ursprüngliche“ Erstplanungspflicht nahe, obwohl durch die Wortwahl weder zeitlich impliziert sein soll, dass die jeweiligen Erstplanungspflichten anfänglich bereits bestanden haben oder zuerst existierten, noch dass diese als
107
Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 41. Dennoch verbietet sich ein Rückgriff nicht gänzlich, da insbesondere auf die bereits skizzierte Argumentationsfigur über den „Mittler“ der Planungspflicht mehrfach zurückzugreifen sein wird. 109 Moench, DVB. 2005, 676, 686; diesen Ansatz übernehmend: Söfker, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39a. 108
A. Begriff der Erstplanungspflicht
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grundlegend neu verstanden werden müssen. Vielmehr liegt dieser Wortwahl ein begriffliches Verständnis zugrunde, welches „originär“ in der Bedeutung von „eigenständig“ verwendet. Insoweit ist die Bezeichnung zutreffend und verdeutlicht, dass die betreffenden Erstplanungspflichten unabhängig von äußeren Voraussetzungen jenseits des eigentlichen Pflichtentatbestands bestehen. Sie kann jedoch begrifflich missverstanden werden. Zudem handelt es sich bei dem Begriffspaar „originär“/„derivativ“ um juristisch mit den zivilrechtlichen Erwerbstatbeständen assoziierte Begriffe, was in der planungsrechtlichen Literatur ebenfalls zu Irritationen Anlass geben könnte. Letztlich ist dennoch festzuhalten, dass es sich bei richtigem Verständnis der Begriffe um eine treffende Bezeichnung für die vorliegend zu untersuchenden Konstellationen handelt. Dass im Folgenden dennoch eine andere Begrifflichkeit Verwendung finden soll, hat demgegenüber seinen Grund in der bereits erfolgten Analyse der Wirkmechanismen von Erstplanungspflichten: Allein die Bezeichnung als „originäre Erstplanungspflicht“ macht nicht hinreichend deutlich, dass es sich bei den Voraussetzungen der Pflichtigkeit um rein objektive Bedingungen handelt; auch die Wortwahl „derivative Erstplanungspflicht“ sagt noch nichts über den Ausgangspunkt der Ableitung, also die subjektiven Vorstellungen des Planungsträgers, aus. Vorzugswürdig erscheint es jedoch, diesen inhaltlichen Kern des Differenzierungsansatzes bereits in der systematisierenden Begrifflichkeit zum Ausdruck kommen zu lassen. Deshalb soll im Folgenden eine Differenzierung von objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten als kategorisierender Ansatz zugrunde gelegt werden. Anknüpfungspunkt dieses Systematisierungsansatzes ist also die bestimmende Ursache für das Entstehen und den Bestand der Erstplanungspflicht. Dabei sollen als objektiv determinierte Erstplanungspflichten jene Konstellationen bezeichnet werden, in welchen sich die Pflichtigkeit des Planungsträgers aus objektiven Kriterien ohne maßgebliche Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers ergibt und welche zudem selbstständig (aufsichtsrechtlich) durchsetzbar sind. Der Gegenbegriff der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht soll demgegenüber Anwendung finden, wenn es sich um eine lediglich „faktische Erstplanungspflicht“ handelt, wobei dem Planungsträger für Entstehen und Bestand der positiven konkreten Pflicht eine entscheidende Einflussmöglichkeit zukommen muss, so dass dieser letztlich durch sein subjektives Verhalten und seine subjektiven Vorstellungen die Pflicht herbeiführt und folglich ihre Durchsetzbarkeit gegen den Willen des Planungsträgers ausscheidet. Diese Kategorisierung weist gegenüber den anderen Begriffspaaren den Vorteil auf, dass bereits eine inhaltliche Aussage über die Struktur jenseits einer rein formalen Umschreibung geleistet wird. Insofern eignet sich dieser Differenzierungsansatz besonders, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Arten von Erstplanungspflichten darzustellen.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Insbesondere zeigt sich der Vorteil eines derartigen Differenzierungsansatzes in seiner konkreten Anwendung: So lassen sich allein durch die Anwendung dieses Differenzierungsansatzes vielfach Literaturkontroversen über die Voraussetzungen von Erstplanungspflichten auflösen. Bei sich nur vordergründig widersprechenden Auffassungen zum Erforderlichkeitsmaßstab bei § 1 III S. 1 BauGB wird z. B. deutlich, dass sie in Wirklichkeit auf jeweils unterschiedliche Erstplanungspflichtarten bezogen sind, welche jedoch nebeneinander anwendbar sind, so dass tatsächlich keine Uneinigkeit besteht, sondern lediglich unterschiedliche Wirkungsebenen einer Norm betrachtet wurden. 110 In den beiden folgenden Kapiteln dieser Untersuchung wird der soeben entwickelte Differenzierungsansatz zugunsten eines besseren systematischen Verständnisses von Erstplanungspflichten konkret auf die in Frage kommenden Pflichttatbestände angewendet werden. Da innerhalb der integrierten Entwicklung des Differenzierungsansatzes allerdings die subjektiv determinierten Erstplanungspflichten bislang im Vordergrund standen, soll der anwendungsorientierten Auseinandersetzung mit konkreten Erstplanungspflichten noch eine abstrakte Untersuchung der – vor allem objektiv determinierten – Erstplanungspflicht als Rechtsfigur vorausgehen.
B. Verdichtung des sog. „Planungsermessens“ zur Pflicht In diesem Zusammenhang ist im Wesentlichen von Interesse, wie sich der „objektive“ Charakter der Determination zur Erstplanungspflicht rechtlich fassen lässt. Da bei einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht in Abgrenzung zur subjektiv determinierten Erstplanungspflicht der Pflichtenbestand gegenüber Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers autonom ausgestaltet ist, muss ein allgemeiner Begründungsansatz diesem Charakteristikum in spezifischer Weise Rechnung tragen. Jenseits der konkreten Planungskonstellation bedarf es also der Entwicklung eines abstrakten Maßstabs, welcher alle Konstellationen der Erstplanungspflichten gleichermaßen erfasst und mittels dessen die Struktur jener Planungspflichten verdeutlicht werden kann.
I. Rechtsfigur der Verdichtung Als struktureller Begründungsansatz für Erstplanungspflichten soll im Rahmen dieser Untersuchung auf die Rechtsfigur der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zu einer strikten Planungspflicht abgestellt werden. 110
Siehe dazu die ausführlichen Darstellungen: 3. Kap. D.I.3.b).
B. Verdichtung des sog. „Planungsermessens“ zur Pflicht
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Bei der Entwicklung eines strukturellen Begründungsmodells für Planungspflichten muss zunächst verdeutlicht werden, von welchem Ausgangspunkt bzw. von welcher dogmatischen Grundfrage auszugehen ist: Bereits anlässlich der begrifflichen Darstellungen zur Planung wurde deutlich, dass es sich um eine durch weitgehende Gestaltungsfreiheit seitens des Planers geprägte Materie handelt. Insoweit ist hervorzuheben, dass üblicherweise die Befugnis zur Planung im Sinne einer Ermächtigung zur Gestaltung, also die Gestaltungsbefugnis, im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Demgegenüber lassen sich die Fallgruppen der Planungspflichten in ihrer Auswirkung als Gestaltungspflicht nur durch einen Bezug auf den Gestaltungsauftrag erklären. Ausgangspunkt kann für die vorliegend relevante Problematik also nicht die bloße Möglichkeit der Planung sein; vielmehr ist zu fragen, welche Erwartungen oder sogar Rechtspflichten sich aus der Einräumung einer solchen Gestaltungsmöglichkeit ergeben. Mit anderen Worten ist die Ausgangsfragestellung bei der Herleitung eines Begründungsmodells für Planungspflichten wie folgt abstrakt zu fassen: Wann bzw. unter welchen Bedingungen wandelt sich die bloße Betätigungsmöglichkeit, die einem Planungsträger eingeräumt ist, zu einer Betätigungspflicht? Dieser Grad des „Umschlagens“ der Planungsmöglichkeit bzw. Planungsbefugnis zur Planungspflicht lässt sich anknüpfend an die „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts durch die Rechtsfigur der Verdichtung des „Planungsermessens“ zu einer Planungspflicht kennzeichnen. 111 Diese Rechtsfigur zur Bestimmung einer Planungspflicht wird in der Literatur zahlreich rezipiert und findet breite Zustimmung. 112 Lediglich ein handhabbarer Maßstab für die Anwendung bzw. Begründung dieser Rechtsfigur ist – jenseits des konkret seitens des Gerichts entschiedenen Einzelfalls einer Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB – bislang in den Beiträgen nicht erfolgt. Einzige hervorzuhebende Ausnahme ist diesbezüglich die dogmatische Einordnung durch Moench. 113 Letzterer führt die Rechtsfigur der Verdichtung zutreffend auf eine inhaltliche Anleihe bei einer Argumentationsfigur des allgemeinen Verwaltungsrechts zurück. Diese Rechtsfigur der „Verdichtung“ ist für den Bereich des herkömmlichen Verwaltungsermessens anerkannt, bei welchem sich der Anspruch auf ermes-
111 BVerwGE 119, 25, 30, dort speziell hinsichtlich der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB formuliert. 112 Moench, DVBl 2005, 676, 681 f.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39a; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 27; Schrödter, in: Schrödter, § 1, Rn. 33; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 16; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 19; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 1, Rn. 3; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75. 113 Moench, DVBl 2005, 676, 681 f.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
sensfehlerfreie Entscheidung in bestimmten Situationen „zu einem Anspruch auf eine bestimmte (Ermessens-)Entscheidung verdichten“ kann. 114 Diese Form der Verdichtung der behördlichen Wahlfreiheit kennzeichnet die sog. „Ermessensreduzierung auf Null“ oder „Ermessensschrumpfung“. Sie wird allgemein angenommen, wenn nur eine theoretisch mögliche Rechtsfolgenentscheidung der Behörde ermessensfehlerfrei und damit allein rechtmäßig ist. 115 Der zugrunde liegende Rechtsgedanke lässt sich jedoch fernab des konditional programmierten Verwaltungsermessens verallgemeinern und speziell auf Planungskonstellationen übertragen. Danach ist generell eine Verdichtung des normativen Gestaltungsspielraums zu einer geforderten Maßnahme gegeben, wenn jede andere Entscheidung, einschließlich der „Null-Variante“, ihrerseits rechtswidrig wäre. Speziell für den Bereich der Planungspflichten kann also eine Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur strikten Planungspflicht nur für den Fall in Betracht kommen, dass jede planerische Entscheidung zum Absehen von einer Planaufstellung sich als abwägungsfehlerhaft darstellen würde. Dieser Rückgriff auf die Grundsätze der Abwägungsfehlerlehre gewährleistet eine klare und eindeutige Bestimmbarkeit und stellt einen nachvollziehbaren Indikator für Sachlagen dar, in denen sich die planerische Gestaltungsfreiheit ausnahmsweise auf eine konkrete Handlung verengt. Dieser abstrakte Maßstab zur Bestimmung der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zu einer strikten Planungspflicht lässt sich für die Fallgruppen objektiv determinierter Erstplanungspflichten inhaltlich in zwei Verdichtungskonstellationen unterteilen: Zum einen liegt eine derartige normative Verdichtung vor, wenn durch eine Rechtsnorm ausdrücklich und generell vorgeschrieben wird, dass Pläne aufzustellen sind. Als Beispiel kann auf die objektiv determinierten Erstplanungspflichten aus § 47 I BImSchG oder aus § 29 KrW-/AbfG verwiesen werden. 116 In dieser Konstellation ergibt sich die Verpflichtung zur erstmaligen Aufstellung von Plänen unmittelbar und generell aus den zugrunde liegenden Normen. Es handelt sich, aus der funktionalen Perspektive der Verdichtung betrachtet, in diesen Fällen also um eine generelle Verdichtung durch den Normgeber: Dieser gibt vor, dass zwingend Pläne aufzustellen sind und verengt insoweit den behördlichen Gestaltungsspielraum, so dass nur noch die Entscheidung zur Planung ihrerseits rechtmäßig sein kann. Diese Ausgestaltung objektiv determinierter Erstplanungspflichten ist re-
114
Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 31, Rn. 56; Battis, AllgVerwR, S. 146. Battis, AllgVerwR, S. 146; Maurer, AllgVerwR, § 7, Rn. 24; Ossenbühl, in: Erichsen/ Ehlers, AllgVerwR, § 10, Rn. 21. 116 Siehe dazu die Einzeldarstellungen: 3. Kap. H.IV.1. u. 3. Kap. H.II. 115
B. Verdichtung des sog. „Planungsermessens“ zur Pflicht
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gelmäßig eindeutig zu erkennen und stellt den Rechtsanwender lediglich vor das Problem, die einzelnen Voraussetzungen einer solchen Planungspflicht bestimmen zu müssen. Wesentlich komplexer in normsystematischer Hinsicht ist demgegenüber die zweite mögliche Verdichtungskonstellation, bei welcher die Erstplanungspflicht nicht unmittelbar und generell aus gesetzlich umschriebenen „Tatbestandsmerkmalen“ folgt, sondern sich erst als Konsequenz einer tatsächlichen Sach- bzw. Rechtslage im Einzelfall darstellt, bei der jede denkbare behördliche Entscheidung außer der Entscheidung zur erstmaligen Aufstellung eines Plans abwägungsfehlerhaft wäre. Typischerweise ergibt sich diese Konstellation einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums nicht aus der Planungsnorm selbst, sondern erst aus einem Einwirken von – meist normsystematisch – höherrangigen Belangen bzw. Interessen. Vornehmlich ist diesbezüglich an grundrechtliche Einwirkungen oder andere Verfassungsnormen zu denken; ebenfalls in Betracht kommen aber beispielsweise höherrangige planerische Festlegungen und eingeschränkt auch Zusagen oder vertragliche Verpflichtungen der Planungsträger. Diesen höherrangigen Belangen muss für den konkreten Einzelfall ein derartig hervorgehobenes Gewicht zukommen, dass die grundsätzlich umfassend gewährleistete planerische Gestaltungsfreiheit des Planungsträgers hinsichtlich des „Entschließungsermessens“ eindeutig hinter diesen zurücktritt. Lediglich in solchen Extremfällen ist eine Konstellation denkbar, in der sich jede Entscheidung des Planungsträgers jenseits des Entschlusses zur Planaufstellung als abwägungsfehlerhaft darstellen würde. In gleicher Weise lassen sich auch die bereits entwickelten Fallgruppen subjektiv determinierter Erstplanungspflichten als Verdichtungen des planerischen Gestaltungsspielraums verstehen, wobei aufgrund des verbleibenden Einflusses subjektiver Planungsvorstellungen keine so intensive Verdichtung wie im Fall objektiv determinierter Pflichten vorliegen kann. Insoweit beschränkt sich die eigentliche Verdichtung auf jene objektivrechtlichen Rahmenbedingungen, welche die „faktisch-mittelbare Pflicht“ zur Planung begründen. Dennoch ist festzuhalten, dass auch für diesen Bereich der Erstplanungspflichten eine dogmatische Rückkopplung an die Rechtsfigur der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht möglich und hinsichtlich deren Binnenstruktur aufschlussreich erscheint. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich Erstplanungspflichten in ihrer strukturellen Begründung auf eine Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht zurückführen lassen. Diese Verdichtung vollzieht sich speziell bei objektiv determinierten Erstplanungspflichten entweder explizit und generalisiert durch die planungsrechtliche Norm als solche oder erst als systematische Verdichtung in Folge des verengenden Einflusses tatsächlicher oder rechtlicher Faktoren auf die planerische Gestaltungsfreiheit.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Allein aus diesem Wirkmechanismus der Rechtsfigur einer „Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums“ wird bereits deutlich, dass es sich strukturell um Ausnahmeerscheinungen im Bereich des Planungsrechts handelt.
II. Gegenüberstellung Planungspflicht / Planungsverbot Dieser strukturelle Ausnahmecharakter der Erstplanungspflicht wird noch deutlicher, wenn man dem Begründungsansatz seine negative Kehrseite im Planungsrecht gegenüberstellt: Als Negativ zur Planungspflicht fungiert insoweit das Planungsverbot, welches im Bereich des Planungsrechts vor dem Hintergrund der grundsätzlich gewährleisteten planerischen Gestaltungsfreiheit ebenfalls nur in krassen Ausnahmefällen eingreift. Während im Fall der objektiv determinierten Erstplanungspflicht sich der planerische Gestaltungsspielraum dahingehend verdichtet hat, dass nur noch die Entscheidung zur Planung abwägungsfehlerfrei und damit rechtmäßig erfolgen kann, stellt sich die Situation im Fall des Planungsverbots als umgekehrte Verdichtung dar. Die Konstellation eines Planungsverbots ist danach gegeben, wenn die planerische Gestaltungsfreiheit sich dergestalt verdichtet, dass nur noch das Absehen von einer Planaufstellung abwägungsfehlerfrei und damit rechtmäßig sein kann. In gleicher Weise folgt als Konsequenz aus den beiden Verdichtungsarten, dass letztlich keine umfassende „Eröffnung von Planungsermessen“ gegeben ist, da zumindest hinsichtlich des „Entschließungsermessens“ keine Wahlfreiheit des Planungsträgers mehr angenommen werden kann. Die Negativverdichtung im Sinne eines Planungsverbots führt materiellrechtlich dazu, dass für die konkrete Planung keine Planrechtfertigung gegeben ist. Beim Planungshindernis der fehlenden Planrechtfertigung handelt es sich also um einen erzwungenen Planungsverzicht, welcher sich letztlich darauf zurückführen lässt, dass die Aufstellung der jeweiligen Pläne aufgrund genannter Verdichtung abwägungsfehlerhaft wäre. 117 Diese strukturelle, gemeinsame Grundlage von Planungspflicht und Planungsverbot wird im Bereich des öffentlichen Baurechts besonders deutlich durch die spezielle Ausgestaltung des § 1 III S. 1 BauGB: Einerseits ist nach dieser Norm jede erforderliche Planung geboten; andererseits wird jede nicht erforderliche Planung untersagt. 118 Insoweit wird durch eine einheitliche Normaussage zugleich 117 Vgl. diesbezüglich jüngst Müller (Planrechtfertigung, S. 71 ff.), der die Planrechtfertigung nicht als dogmatisch eigenständige fachplanungsrechtliche Kategorie ansieht, sondern (fast) ausnahmslos in die Abwägungsdogmatik einbetten will. 118 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 25; Reidt, in: Gelzer/Bracher/ Reidt, Rn. 29.
B. Verdichtung des sog. „Planungsermessens“ zur Pflicht
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abstrakt eine Planungspflicht, wie auch ein Planungsverbot statuiert. Dies ist widerspruchsfrei nur möglich, weil es sich um parallel ausgestaltete rechtliche Mechanismen handelt. Weiterhin wird speziell an § 1 III S. 1 BauGB bzw. den anerkannten Fallgruppen eines Ge- oder Verbots durch diese Norm besonders deutlich, 119 dass es sich bei „Verdichtungskonstellationen“ um strukturelle Ausnahmenfälle vom Regelfall des Planungsrechts handelt.
III. Überblick über planungsspezifische und potentiell verdichtende Belange Nachdem der Ausnahmecharakter der objektiv determinierten Erstplanungspflichten auf der Grundlage der Rechtsfigur einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht betont wurde, soll im Folgenden ein Überblick über planungsspezifische und potentiell verdichtende Belange geboten werden. Aufgrund der grundsätzlichen Weite des planerischen Gestaltungsspielraums und der damit einhergehenden Fülle an potentiell im Rahmen der planerischen Abwägung zu berücksichtigenden Belangen, ist eine abschließende Darstellung verdichtender Belange nicht realisierbar. Angesichts der Vielzahl möglicher Belange, welche theoretisch eine normative Verdichtung und damit eine Planungspflicht zu begründen vermögen, kann lediglich ein kursorischer Überblick über planungsspezifisch besonders markante Belange, denen potentiell verdichtende Wirkung zukommt, erfolgen. Diese generalisierte Zusammenstellung, in Verbindung mit dem bereits betonten Ausnahmecharakter, verspricht eine präzisere Einschätzung der Anforderungen an eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht im Einzelfall, so dass auf sie als Basis im weiteren Verlauf der Arbeit zurückgegriffen werden kann. 1. Rechtsstaatsprinzip Zentrale Bedeutung unter den Belangen, die potentiell eine Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit zur Planungspflicht nach sich ziehen können, kommt dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GG in vielfältigen Ausgestaltungen zu. 120 So lässt sich allgemein das Gebot materieller Plankonkordanz, wonach unterschiedliche Planungsebenen als „arbeitsteiliges System“ nicht auf „punktuelle 119 Siehe dazu: Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 32 ff.; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 29 ff., jeweils m. w. N. 120 Vgl. statt vieler: Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 150 ff.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Kooperation“, sondern auf materielle Übereinstimmung ausgelegt sein müssen, 121 vornehmlich auf das Rechtsstaatsprinzip zurückführen. Da – speziell im Bereich der Gesamtplanung – übergeordnete Planungsebenen auf die Umsetzung durch konkretisierende Planung angewiesen sein können, vermag im Einzelfall dieses rechtsstaatlich gebotene „Übereinstimmungserfordernis“ den planerischen Gestaltungsspielraum anderer Planungsträger dergestalt zu verengen, dass sich nur noch die Aufstellung eines Plans als rechtmäßige Maßnahme des Planungsträges darstellt und folglich eine Planungspflicht besteht. Diesbezüglich ist noch klarzustellen, dass die Begründung einer Planungspflicht aufgrund des Erfordernisses materieller Plankonkordanz nicht auf Fälle eines mehrstufigen Planungssystems verengt werden kann. Vielmehr ist generell und umfassend die Influenz anderer Planungen zu beachten. Als Beispiel sei darauf hingewiesen, dass auch durch Wirtschaftsplanung ausgelöste Bedürfnisse im Einzelfall zu einer Planungspflicht in anderen Planungssystemen führen können, 122 ohne dass ein planungshierarchisches Verhältnis zwischen den jeweiligen Plänen bestehen muss. Auch für den Bereich der nach § 38 BauGB privilegierten Fachplanungen ist aus dem Gedanken der Influenz anderer Pläne und der materiellen Plankonkordanz zu erwägen, dass eine bauleitplanungsbezogene Planungspflicht hinsichtlich des Umfelds von planfestgestellten Vorhaben gegeben sein kann. 123 Ferner kann dem Rechtsstaatsprinzip verdichtende Wirkung zukommen, wenn ein Planungsträger zuvor eine unwirksame Planung vorgenommen hatte. Aus dem Gedanken der Folgenbeseitigung bzw. der Ingerenz kann in solchen Situationen eine Planungspflicht entstehen, um den Rechtsschein der unwirksamen Planung zu zerstören und gegebenenfalls Realisierungen auf Grundlage der unwirksamen Planung entgegenzuwirken. Eine weitere Fallgruppe, in der sich letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip eine Planungspflicht ergeben kann, stützt sich auf den Gedanken der „Begrenztheit konditionaler Programmierung“. 124 So hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass es Sachlagen mit so weit gesteigertem Koordinierungsbedarf gibt, zu deren Bewältigung eine Handhabe von ordnungsrechtlich-konditional programmierten Normprogrammen nicht mehr ausreicht, sondern nur im Wege eines Finalprogramms eine sachgemäße Entscheidung möglich ist. 125 Dies ist bei komplexen
121 Dazu speziell für den Bereich der Gesamtplanung: BVerwGE 119, 25, 38 f.; siehe ferner im Folgenden die Darstellungen: 3. Kap. E.1.c)(1). 122 Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 102. 123 Koch/Hendler, BauR, § 13, Rn. 25; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 209. 124 Siehe dazu ausführlich die Darstellungen: 2. Kap. A.I.6.a). 125 BVerwGE 117, 25, 30; Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2217; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 91; Halama, DVBl 2004, 79, 82; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 2592, dort jeweils für den Bereich des öffentlichen Baurechts.
B. Verdichtung des sog. „Planungsermessens“ zur Pflicht
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Interessenlagen der Fall, wenn konkurrierende Belange nur durch planerische, also gestaltende Abwägung mit umfassenden Kompensationsmöglichkeiten zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden können. Besteht ein derartiges Koordinationsbedürfnis, kann sich im Ausnahmefall der planerische Gestaltungsspielraum eines Planungsträgers zu einer strikten Planungspflicht verdichten. Mit letzterer Fallgruppe in engem Zusammenhang steht der vor allem von Dolde und in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betonte Gedanke der Begründung einer rechtsstaatlich gebotenen Planungspflicht zur Sicherung einer öffentlich verantworteten Abwägung. 126 In Parallele zum Gedanken der Begrenztheit konditionaler Programmierungsstrukturen ist eine öffentlich verantwortete Abwägung – wie das Bundesverwaltungsgericht in der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ exemplarisch ausführt – vor allem notwendig, wenn die „Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren“ diese zwingend erfordern. 127 Aus dem Rechtsstaatsprinzip, häufig aufgrund partizipatorischer Elemente bei Gemeinden als Planungsträgern in Verbindung mit dem Demokratieprinzip, kann aus solchen Sachlagen eine pflichtbegründende Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit erwachsen. 2. Sozialstaatsprinzip Als zweiter bedeutender Anknüpfungspunkt für die Verdichtung planerischer Gestaltungsspielräume zu einer strikten Planungspflicht ist das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I GG hervorzuheben. 128 Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Daseinsvorsorge kann ein staatlich koordiniertes Handeln durch Planung geboten sein, um eine Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Beispielsweise hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich des Bodenrechts Folgendes instruktiv ausgeführt: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maß zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern.“ 129 Aus diesem sozialstaatlichen Gedanken heraus lässt sich unter bestimmten Umständen auch eine Verdichtung planerischer Gestaltungsfreiheit zu einer strikten Planungspflicht im Interesse staatlicher Daseinsvorsorgegewährleistungen begründen.
126
Dolde, NJW 1983, 792, 795 f.; BVerwGE 119, 25, 32. BVerwGE 119, 25, 32; vgl. dazu die ausführlichen Darstellungen: 3. Kap. D.II.3. 128 Besonders explizit.: Gierke (in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 150) für den Bereich der Bauleitplanung. 129 BVerfGE 21, 73, 82 f. 127
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Teilweise sind auch daseinsvorsorgebasierende Spezialregelungen planungspflichtbegründend ausgestaltet worden. So weist Hoppe beispielsweise darauf hin, dass der sozialstaatlich motivierte Versorgungsauftrag aus Art. 87f I GG normative Handlungspflichten nach sich ziehen kann. 130 Dies gilt vor allem für staatliche Infrastrukturplanungsmaßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Telekommunikationsversorgung. 131 3. Grundrechtliche Schutzpflichten Ebenso können auch Grundrechte, insbesondere in ihrer Funktion als staatliche Schutzpflichten, eine Verdichtung planerischer Gestaltungsspielräume zu einer strikten Planungspflicht nach sich ziehen. Es handelt sich indes um keine planungsspezifische Auswirkung; vielmehr bezieht sich dieser Wirkmechanismus allgemein auf jegliche normative Gestaltungsspielräume des Staates, so dass diesbezüglich auf die allgemeinen Ausführungen verwiesen werden kann. 132 4. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie Hervorgehobener Bedeutung für die Begründung von Erstplanungspflichten kam in letzter Zeit dem Gewährleistungsbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II GG zu. Dabei ist nicht auf die sonst vornehmlich im Vordergrund stehende „pflichtenbegrenzende“ Funktion des Art. 28 II GG für kommunale Planungsträger abzustellen, welche grundsätzlich eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Statuierung einer Planungspflicht erfordert. Eine auf Art. 28 II GG gestützte Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit eines – nicht notwendigerweise kommunalen – Planungsträgers kommt vielmehr positiv durch Einflüsse des kommunalen Rücksichtnahmegebots in Betracht. Zum einen verpflichtet dies Gebot der Rücksichtnahme überörtliche Planungsträger zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, so dass in Extremfällen nicht nur ein Planungsverbot zulasten der Kommunen, sondern auch eine Planungspflicht überörtlicher Planungsträger zugunsten betroffener Gemeinden bzw. Gemeindeverbände in Betracht kommen kann.
130
Hoppe, in: FS Badura, 877, 888 ff. Zum Problemkreis der Sicherung der Grundversorgung vor dem Hintergrund des demographischen Wandels jüngst: Kersten, DVBl 2006, 942, 947 ff. 132 Siehe dazu die Darstellungen: 1. Kap. C.II. 131
B. Verdichtung des sog. „Planungsermessens“ zur Pflicht
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Zum anderen kann sich auch eine Erstplanungspflicht für kommunale Planungsträger aus dem Gedanken der interkommunalen Rücksichtnahme rechtfertigen. Speziell für § 2 II BauGB als gesetzlicher Konkretisierung des interkommunalen Rücksichtnahmegebots wurde durch das Bundesverwaltungsgericht in der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ anerkannt, dass eine teleologisch begründete Reduzierung des planerischen Gestaltungsspielraums dergestalt in Betracht kommen kann, dass aufgrund drohender Umgehung einer interkommunalen Abstimmung in Verbindung mit einer materiell rücksichtslosen Konfliktlage im Verhältnis zu anderen Gemeinden die Verpflichtung des kommunalen Planungsträgers zu abstimmungspflichtigem Handeln und damit zur Planung entsteht. 133 5. Staatszielbestimmung Umweltschutz Zuletzt ist die Bedeutung von Umweltschutzbelangen für die Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit zur Planungspflicht zu betonen. So ist vor allem das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip durch seine strukturelle Ausrichtung dazu geeignet, 134 eine derartige Verdichtung zu begründen, da Planung aufgrund der dominierenden Elemente prognostischer Zukunftsgestaltung ein Hauptanwendungsfeld für Gewährleistungen der Risiko- bzw. der Gefahrvorsorge bildet. 135 Normstrukturell knüpft sich eine potentielle Verengung der planerischen Gestaltungsfreiheit an Art. 20a GG, welchem für Planungsträger als Exekutivorgane neben der allgemein interpretations- und ermessensleitenden Funktion speziell abwägungsbezogene Bedeutung zukommt. 136 In dem Fall, dass Erfordernisse des Umweltschutzes, speziell des Vorsorge- und des Nachhaltigkeitsprinzips, zwingend eine staatliche Planung erfordern, kann somit eine umweltschutzmotivierte Erstplanungspflicht für die jeweiligen Planungsträger greifen. Speziell im Bereich des Nuklear- oder Gentechnikrechts sind derartige Sachlagen vorstellbar. Doch auch im Bereich des Baurechts bzw. des Raumplanungsrechts kann, wie Kloepfer zutreffend betont, eine Planungspflicht aus Erfordernissen des Umweltschutzes ausgelöst sein. 137
133 BVerwGE 119, 25, 34 ff.; Moench, DVBl 2005, 676, 682; dazu ausführlich die folgenden Darstellungen: 3. Kap. D.II.3. 134 Instruktiv zum Vorsorgeprinzip: Kloepfer, UmweltR, § 4, Rn. 8 ff. 135 Zum Begriff der Planung siehe die Darstellungen oben: 1. Kap. A.I.1. 136 Kloepfer, UmweltR, § 3, Rn. 27 f. 137 Kloepfer, UmweltR, § 10, Rn. 68.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
IV. Ergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass objektiv determinierte Erstplanungspflichten sich dogmatisch auf die Rechtsfigur der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht zurückführen lassen. Dieses Verständnis von objektiv determinierten Erstplanungspflichten erweist sich speziell vor dem Hintergrund des gegensätzlichen Extrems eines Planungsverbots als wichtiger Baustein einer schlüssigen Gesamtkonzeption des Planungsrechts, zumal es insbesondere dem Ausnahmecharakter derartiger Planungspflichten anschaulich Rechnung trägt. Ferner resultiert bereits aus dem kursorischen Überblick über planungsspezifische, potentiell verdichtende Belange ein Verständnis für die hohen Anforderungen an eine Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit, welche sich regelmäßig auf Belange mit Verfassungsrang zurückführen lassen. Diese abstrahierten Darstellungen evozieren eine im Folgenden zu leistende Untersuchung der Frage, ob bzw. inwieweit die Verdichtung planerischer Gestaltungsspielräume mit anderen Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume staatlicher Hoheitsträger vergleichbar ist und ob eine methodische Einzigartigkeit dieser Rechtsfigur postuliert werden kann.
C. Vergleich zu anderen pflichtbegründenden Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume Eine methodische Einzigartigkeit der objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten käme lediglich in Betracht, falls aufgrund spezifisch planungsrechtlicher Strukturen der Verdichtung zur Planungspflicht jene nicht mit anderen staatlichen Handlungsformen vergleichbar wäre. Diesbezüglich ist jedoch festzustellen, dass eine umfassende Gestaltungsfreiheit staatlicher Organe nicht ausschließlich im Bereich des Planungsrechts gegeben ist. Vielmehr bestehen vielfältige normative Gestaltungsspielräume: Am Weitesten ist diese normative Gestaltungsfreiheit für den parlamentarischen Gesetzgeber gewährleistet. Doch auch verordnungs- und satzungsgebenden Stellen kommt im Rahmen ihrer Normsetzung ein Gestaltungsspielraum zu. Selbst im Rahmen von Ermessensentscheidungen der Verwaltung kann den Verwaltungsträgern ein gewisser normativer Gestaltungsspielraum nicht abgesprochen werden. Zunächst muss also methodisch die generelle Vergleichbarkeit anderer normativer Gestaltungsspielräume mit dem planerischen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Struktur von Gestaltungspflichten untersucht werden (I.). Im Anschluss soll sodann aufgezeigt werden, inwieweit bei den vergleichend gegenüberzustellenden normativen Gestaltungsspielräumen entsprechend der dieser Arbeit zugrunde liegenden Differenzierung zwischen objektiv und subjektiv determi-
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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nierten Pflichten auch Verdichtungen anderer Gestaltungsspielräume zu strikten Gestaltungspflichten anerkannt sind (II./III.).
I. Generelle Vergleichbarkeit Um die Tragfähigkeit eines generellen Vergleichs der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums mit anderen normativen Gestaltungsspielräumen darzulegen, bietet es sich an, die jeweils in Betracht kommenden Normebenen gesondert zu behandeln. 1. Gesetzgebung Für den Bereich der Gesetzgebung lässt sich gegenüber dem Bereich der Planung eine Vergleichbarkeit – wohlgemerkt keine Identität – der jeweiligen normativen Gestaltungsspielräume eindeutig begründen. So hat Meßerschmidt zu Recht darauf hingewiesen, dass für den Bereich der Planung ebenso wie für den Bereich der Gesetzgebung ein identisch gelagerter Begrifflichkeitsstreit in der Literatur geführt wird. 138 In beiden Fällen wird entweder die Terminologie des „Planungsermessens“ bzw. des „Gesetzgebungsermessens“ oder der „planerischen Gestaltungsfreiheit“ bzw. der „gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit“ gewählt, um Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zum herkömmlichen Verwaltungsermessen deutlich zu machen. 139 Auf formal-terminologischer Ebene besteht folglich bereits eine deutliche Ähnlichkeit. Materiell ist für die Vergleichbarkeit von planerischer und gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit anzuführen, dass es sich bei Gesetzgebungsvorgängen um originäre Rechtssetzung im Gegensatz zur reinen Rechtsanwendung handelt. Auch für den Bereich der Planung wurde bereits dargelegt, dass es nicht schwerpunktmäßig um subsumtionären Gesetzesvollzug geht, sondern um eine „Gestaltungsfunktion“, welche sich ebenfalls in Abgrenzung zur Gesetzesvollziehung als Rechtssetzung charakterisieren lässt. 140 Diese zumindest partielle Funktionsübereinstimmung 141 rechtfertigt als solche einen Vergleich der beiden normativen Gestaltungsspielräume. 142
138
Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 288. Vgl. für den Bereich des Planungsrechts die bereits erfolgten Darstellungen zur Begrifflichkeit: 1. Kap. A.I.2. 140 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 289. 141 Keineswegs soll an dieser Stelle indes die Gesetzesakzessorietät der Planung, insbesondere durch Planungsleitsätze, relativiert werden. 142 Zweifelhaft erscheint demgegenüber das Argument Meßerschmidts, wonach die demokratische Legitimation des Gemeinderats als „Kommunalparlament“ der unmittelbaren 139
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Zudem wird als spezielle Verschränkung von Planung und Gesetzgebung durch Meßerschmidt geltend gemacht, dass eine (modifizierte) Übertragung der jeweiligen planungsrechtlichen Erkenntnisse und Rechtsfiguren auf den Bereich der Gesetzgebung auch insofern gerechtfertigt sei, als sich moderne Gesetzgebung vor allem durch das Element prognostischer Zukunftsgestaltung auszeichne und deshalb selbst einen starken Planungscharakter aufweise. 143 Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich ein Vergleich zwischen planerischen und gesetzgeberischen Gestaltungsspielräumen aufgrund vielfältiger Parallelen nicht von vornherein verbietet. Es ist also im Anschluss der Frage nachzugehen, inwieweit auch für den Bereich der parlamentarischen Gesetzgebung objektiv oder subjektiv determinierte Pflichten zur Gesetzgebung anerkannt sind und inwieweit derartige normative Konstellationen auf den Bereich der Erstplanungspflichten übertragen werden können. 2. Verordnungsgebung / Satzungsgebung Sinngemäß gelten die oben genannten Ausführungen auch für die Ebenen der Verordnungs- und Satzungsgebung: In gleicher Weise handelt es sich auch bei dem Erlass einer Rechtsverordnung oder einer Satzung um Rechtssetzung im Gegensatz zur bloßen Rechtsanwendung, also vergleichbar der Planung um eine originäre Gestaltungsfunktion der jeweiligen Verwaltungsträger. Die Parallelität des normativen Gestaltungsspielraums beim Erlass von Rechtsverordnungen und Satzungen zum planerischen Gestaltungsspielraum lässt sich besonders eindeutig für die Bauleitplanung belegen: So ergehen Bauleitpläne in den Flächenstaaten gem. § 10 I BauGB als Satzung; in Berlin ergeht demgegenüber gem. § 246 II BauGB i. V. m. § 6 V AGBauGB der Bebauungsplan als Rechtsverordnung. Diese Beispiele verdeutlichen, dass der planerische Gestaltungsspielraum aufgrund des handlungsformübergreifenden Charakters der
demokratischen Legitimation des Gesetzgebers parallel entspreche (Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 289 f.). Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei den Kommunen um Träger mittelbarer Staatsverwaltung handelt und der Gemeinderat jeweils nur als ein Organ dieses einheitlichen Verwaltungsträgers tätig wird, so dass insofern eine Parallele zum parlamentarischen Gesetzgeber nicht zu rechtfertigen ist. 143 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 295; diese spezielle, inhaltliche Überschneidung rechtfertigt zudem den vorliegend präferierten Gebrauch der Terminologie „gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum“, um diese materiellen Parallelen zum „planerischen Gestaltungsspielraum“ deutlich zu machen (diesbezüglich abweichend von Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 264 ff. u. S. 304 f., der den Begriff des „Gesetzgebungsermessens“ bzw. des „Planungsermessens“ bevorzugt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass „Ermessen“ im Sinne Meßerschmidts vorrangig eine Bedeutung als umfassender Rationalitätsstandard zugemessen wird; zu dieser Konzeption eingehend: Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 305 ff.).
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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Planung im Einzelfall mit den satzungs- und verordnungsgeberischen Gestaltungsspielräumen übereinstimmen kann. Planung ergeht in diesen Fällen in Satzungsoder Verordnungsform. Eine wesensmäßige Verschiedenheit, welche der methodischen Ergiebigkeit eines Vergleichs entgegenstehen könnte, scheidet also aufgrund partieller Identität evident aus. 3. Verwaltungsermessen Anders ist demgegenüber die Tragfähigkeit eines Vergleichs des planerischen Gestaltungsspielraums mit dem herkömmlichen Verwaltungsermessen zu beurteilen. Zwar kann nicht bezweifelt werden, dass dem jeweiligen Verwaltungsträger durch die gesetzliche Einräumung von Ermessen ein normativer Gestaltungsspielraum zukommt, so dass ein Vergleich mit dem planerischen Gestaltungsspielraum methodisch nicht von vornherein ausscheidet. Wie bereits dargestellt, besteht jedoch zwischen dem herkömmlichen Verwaltungsermessen, verstanden als Rechtsfolgeermessen, und dem planerischen Gestaltungsspielraum ein erheblicher Unterschied in der Programmierungsstruktur. 144 Im Rahmen der final programmierten Planungsentscheidung besteht, anders als im Fall einer Ermessensentscheidung, keine Bindung an einen Tatbestand. Das Verwaltungsermessen als Rechtsfolgeentscheidung ist strukturell in Konditionalprogrammen zu verorten und stellt sich als Teil von deren „WennDann“-Struktur dar. Die unterschiedliche Normstruktur bedingt einen grundlegend verschiedenen Charakter des jeweiligen normativen Gestaltungsspielraums. Das herkömmliche Verwaltungsermessen unterliegt wesentlich strikteren Bindungen als die planerische Gestaltungsfreiheit. Bereits das Erfordernis der Erfüllung eines Tatbestands als Voraussetzung für das Entstehen eines normativen Gestaltungsspielraums bringt dies deutlich zum Ausdruck. Zudem ist allein durch den ausgeprägten Einzelfallbezug des Verwaltungsermessens strukturell eine intensivere Bindung und Begrenzung des normativen Gestaltungsspielraums möglich; Meßerschmidt spricht insoweit zu Recht von einem „derivativ-punktuellen Charakter“ des Rechtsfolgeermessens. 145 Die Ermessensentscheidung erweist sich als in der Entscheidungskomplexität deutlich reduziert, während das Wesen der planerischen Abwägung als Kerngewährleistung des planerischen Gestaltungsspielraums gerade auf einen quantitativ-strukturell unlimitierten Interessenausgleich fokussiert ist.
144 145
Siehe dazu die Darstellungen: 1. Kap. A.I.2. u. 2. Kap. A.I.1. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 274.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Zwar handelt es sich bei den aufgezeigten Differenzen nicht um derart gravierende Gesichtspunkte, als dass eine Gegenüberstellung von Rechtsfolgeermessen und planerischem Gestaltungsspielraum von vornherein methodisch ausgeschlossen wäre. Aufgrund dieser deutlichen Unterschiede soll in der weiteren Darstellung dennoch von einem Vergleich zwischen Verwaltungsermessen und planerischem Gestaltungsspielraum abgesehen werden. Eine Übertragung der hinter Ermessensreduzierungen stehenden rechtlichen Mechanismen auf Planungsentscheidungen erscheint aufgrund der aufgezeigten Unterschiede als nicht Erfolg versprechend. Aus diesem Grund ist auch kein Rückschluss für die Frage nach einer vermeintlichen methodischen Einzigartigkeit der Rechtsfigur einer Planungspflicht zu erwarten, zumal die Unterscheidung von objektiv und subjektiv determinierten Ermessensreduktionen keinen systematisierenden Gewinn verspricht. Als Zwischenergebnis ergibt sich somit für die folgenden Darstellungen eine eingegrenzte Untersuchung der Frage, ob auch für normative Gestaltungsspielräume auf Gesetzes-, Rechtsverordnungs- und Satzungsebene objektiv oder subjektiv determinierte Verdichtungen anerkannt sind und ob bzw. inwieweit eine derartige Differenzierung auch in diesen Zusammenhängen ergiebig sein kann.
II. Objektiv determinierte Verdichtungen Ausgehend von der bereits entwickelten Rechtsfigur der Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit zur strikten Planungspflicht gilt es nunmehr den Blick darauf zu richten, inwieweit auch für andere normative Gestaltungsspielräume eine vergleichbare Verdichtung in Betracht kommt. Speziell für den Fall der objektiv determinierten Verdichtungen erfordert dies nach den bereits dargelegten Grundsätzen, 146 dass die jeweils in Frage stehende Pflichtigkeit aus objektiven Kriterien ohne maßgebliche Einflussmöglichkeiten des Verpflichteten resultiert, so dass entweder explizit-wörtlich eine Pflicht zu normativem Tätigwerden besteht oder sich selbige durch eine normsystematische Verdichtung dergestalt ergibt, dass jede Entscheidung, nicht tätig zu werden, sich als rechtswidrig darstellen würde. 1. Gesetzgebungspflichten Für die Ebene der Gesetzgebung ist somit zu untersuchen, inwieweit objektiv determinierte Gesetzgebungspflichten anzuerkennen sind. In Anlehnung an einen Kategorisierungsansatz Meßerschmidts, welcher sich intensiv – wenn auch unter Zugrundelegung einer anderen Terminologie 147 – mit dem normativen Gestaltungs146 Siehe dazu die Darstellungen zur Rechtsfigur der objektiv determinierten Erstplanungspflicht: 1. Kap. A.IV. u. 1. Kap. B.I.
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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spielraum des parlamentarischen Gesetzgebers auseinandergesetzt hat, lassen sich drei Konstellationen von Gesetzgebungspflichten unterscheiden: 148 Zunächst sei diesbezüglich an die Fallgruppen grundrechtlicher Schutzpflichten zu denken, in denen Individualrechte als Gegenstand gesetzgeberischer Entscheidungen betroffen würden. Des Weiteren könne eine Verdichtung in Betracht kommen, wenn aufgrund bestehender Repräsentationsdefizite der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum reduziert sei. Zudem komme eine Verdichtung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums in Betracht, wenn es sich um Materien handele, welche für den demokratischen Prozess konstitutiv wirkten. In letzterer Fallgruppe der für den demokratischen Prozess konstitutiven Regelungen rechtfertige sich eine eventuelle Verdichtung aus der Notwendigkeit des Schutzes von Voraussetzungen eines demokratischen Willensbildungsprozesses. 149 Die Gesetzgebungsgewalt führe sich letztlich auf das demokratische Prinzip der Wahl zurück, so dass die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers hinsichtlich der Ausgestaltung dieser Wahl und der für den demokratischen Willensbildungsprozess bedeutsamen Regelungsbereiche verdichtenden Einschränkungen unterliegen könne. Diesbezüglich kämen für potentielle Verdichtungen vor allem Regelungen der Wahlgesetze und der Abgeordnetengesetze in Betracht. Aber auch Gesetze zur Abwehr von Gefahren einer Medienkonzentration für einen demokratischen Willensbildungsprozess könnten im Einzelfall einer Verdichtung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit unterliegen. Auch die Fallgruppe einer Verdichtung gesetzgeberischer Gestaltungsspielräume aufgrund von Repräsentationsdefiziten führt sich auf die Grundbedingungen der Gesetzgebungsgewalt, hier bezüglich des Prinzips der Repräsentation, zurück. Demgemäß könne eine Verengung und Verdichtung aus repräsentationsbezogenen Gründen in Betracht kommen, wenn es um Regelungen mit Bezug zu solchen gesellschaftlichen Gruppen und Interessen gehe, welche gerade nicht demokratisch repräsentiert seien bzw. nicht demokratisch repräsentiert sein könnten, so dass in diesen Fällen des Repräsentationsdefizits der repräsentierende Gesetzgeber speziellen Bindungen unterliegen könne. Als Beispiele nennt Meßerschmidt die „sogenannten Randgruppen“, also die nicht-stimmberechtigte ausländische Bevölkerung oder nicht-stimmberechtigte Jugendliche und Kinder, da „insoweit nicht schon die Logik des politischen Prozesses einer Diskriminierungsgefahr vorbeugt“. 150 Doch auch die repräsentationsschwachen Interessen künftiger Ge147 Meßerschmidt behandelt unter dem Begriff der „Varianz des Gesetzgebungsermessens“ sowohl Fallgruppen einer Erweiterung, als auch einer Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, während vorliegend allein der einschränkende Gesichtspunkt von Interesse sein soll. 148 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1053 ff. 149 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1058 f. 150 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1054 f.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
nerationen vermöchten als langfristige und schwer zu repräsentierende Belange aufgrund der wahrzunehmenden „Langzeitverantwortung“ eine beschränkende Wirkung auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum entfalten, so dass im Einzelfall auch eine darauf gestützte Gesetzgebungspflicht in Betracht kommen könne. Hinsichtlich der Konstellationen einer Gesetzgebungspflicht aufgrund der Verdichtung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei Repräsentationsdefiziten oder für den demokratischen Prozess konstitutiven Regelungen ist festzuhalten, dass es sich für derartige Extremfälle einer „Reduzierung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums auf Null“, bei Übertragung des Differenzierungsansatzes für Erstplanungspflichten, um objektiv determinierte Gesetzgebungspflichten handeln würde. Denn die Pflicht des Gesetzgebers entstünde allein durch objektive Kriterien, welche unabhängig von subjektiven Vorstellungen oder Bindungen des Gesetzgebers eingriffe. 151 Inwieweit tatsächlich ein Anwendungsbereich für derartige Gesetzgebungspflichten besteht, kann vorliegend ebenso wie die Frage nach der generellen Anerkennung der von Meßerschmidt entwickelten Konstellationen dahinstehen, da jedenfalls für den Bereich der Erstplanungspflichten als Untersuchungsgegenstand der Arbeit keine übertragenden Rückschlüsse zu erwarten sind: Demokratietheoretischen Erwägungen kommt im Anwendungsbereich des Planungsrechts keine dem Bereich der Gesetzgebung entsprechende Bedeutung zu. Es erscheint ausgeschlossen, dass die Aufstellung eines planungsrechtlichen Plans als für den demokratischen Prozess konstituierend angesehen werden kann. 152 Auch Repräsentationsdefiziten kommt keine hervorgehobene Bedeutung zu. Lediglich soweit Vorsorge für künftige Generationen planerische Maßnahmen im Einzelfall erfordert, könnte an eine Übertragung gedacht werden. Diesbezüglich wurde jedoch bereits dargelegt, dass derartige Fallgestaltungen durch Rückgriff auf die ausdrücklich normierte Verfassungsnorm des Art. 20a GG zu bewältigen sind, 153 so dass aus einer Gegenüberstellung von Gesetzgebungs- und Planungspflichten keine planungsbezogenen Erkenntnisse zu erwarten sind. Anders stellt sich demgegenüber die Situation hinsichtlich der verbleibenden Fallkonstellation einer Gesetzgebungspflicht aufgrund grundrechtlicher Schutz151 Zweifelhaft erscheint allenfalls die Übertragung jenes Merkmals, wonach eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zudem selbstständig vollstreckbar ausgestaltet ist. Eine Vollstreckung im eigentlichen Sinn ist gegenüber dem Gesetzgeber nicht möglich. Dennoch besteht die Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Geltendmachung gesetzgeberischen Unterlassens (BVerfGE 11, 255, 261 f.), die in ihrer faktischen Wirkung vergleichbare Bindungen erwirkt. 152 Außer Betracht bleibt in dieser Arbeit die Haushaltsplanung als nicht der Materie des Planungsrechts i. e. S. zugehörige Erscheinungsform, so dass die Frage, inwieweit die von Meßerschmidt genannten Belange diesbezüglich Verdichtungen normativer Gestaltungsfreiheit nach sich zu ziehen vermögen, keiner Erörterung bedarf. 153 Siehe dazu: 1. Kap. B.III.5.
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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pflichten dar. Aufgrund der objektiv-rechtlichen Wertentscheidung der Freiheitsrechte trifft staatliche Stellen die Verpflichtung, grundrechtlich verbürgte Freiheitssphären der Bürger zu schützen und zu sichern. 154 Bezüglich dieser generellen Schutzpflicht kommt dem Gesetzgeber indes ein weiter Gestaltungsspielraum zu, dem vor allem die Bestimmung von Art und Maß des Schutzes aufgrund vielfältig konkurrierender öffentlicher und privater, wirtschaftlicher, politischer und haushaltsrechtlicher Belange dem autonomen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich des Gesetzgebers überantwortet ist. 155 Eine Verengung dieser Gestaltungsfreiheit auf eine konkrete Gesetzgebungspflicht, kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn lediglich durch eine bestimmte gesetzgeberische Maßnahme der Schutzpflicht genüge getan werden kann, 156 so dass eine Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht ausschließlich festzustellen ist, „wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben“. 157 Insoweit kommt eine Gesetzgebungspflicht lediglich für den Fall eines gesetzgeberischen Verstoßes gegen das sog. Untermaßverbot in Betracht. 158 Die in derart gelagerten Ausnahmefällen bestehende Gesetzgebungspflicht ist bei Übertragung des planungsrechtlichen Systematisierungsansatzes eindeutig als objektiv determinierte Pflicht einzuordnen: Die Verdichtung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums führt sich auf die objektiv-rechtliche Wirkung der Grundrechte zurück; sie wird allein von ihr determiniert. Unabhängig von subjektiven Vorstellungen des Gesetzgebers besteht aufgrund objektiven Verfassungsrechts jenseits politischer Konzeptionen des Gesetzgebers ausnahmsweise eine strikte Pflicht zum gesetzgeberischen Tätigwerden. In derartigen Konstellationen erwiese sich also jede Ausübung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, welche vom Erlass eines Gesetzes absieht, als verfassungswidrig, so dass der Charakter einer objektiv determinierten Gesetzgebungspflicht gegeben ist. Zwar ist neben der grundrechtlichen Verdichtung ein Unterlassen des Gesetzgebers als subjektives Moment im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Gesetzgebungspflicht ebenfalls relevant. Diesem kommt jedoch nicht die Bedeutung zu, dass das Entstehen der Gesetzgebungspflicht deshalb maßgebend von subjektiven Entscheidungen abhängig ist, sondern vielmehr ist die bestehende, 154
BVerfGE 92, 26, 46; zum Ansatz einer abwehrrechtlichen Konzeption grundrechtlicher Schutzpflichten vgl.: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 380 ff. 155 BVerfGE 77, 170, 214 f.; BVerfGE 92, 26, 46; BVerfG, NJW 1998, 3264, 3265. 156 BVerfG, NJW 1998, 3264, 3265; BVerfGE 77, 170, 215. 157 BVerfGE 92, 26, 46; BVerfGE 77, 170, 214 f.; BVerfGE 88, 203, 251 ff. 158 BVerfGE 88, 203, 254; Isensee, in: HStR V, § 111, Rn. 165 ff.; Manssen, Grundrechte, Rn. 53.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
objektive Schutzpflicht dem Unterlassen schon logisch vorgelagert. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass eine nicht evident untaugliche Gesetzgebung sich positiv als „Erfüllung“ der Schutzpflicht darstellt, und deshalb negativ nicht zugleich deren Voraussetzung sein kann. Zur Verdeutlichung dieses Wirkmechanismus dienen im Folgenden einige Beispiele für den Anwendungsbereich grundrechtlicher Schutzpflichten als Grundlage einer objektiv determinierten Gesetzgebungspflicht. Zunächst ist auf Art. 6 V GG zu verweisen. Aus dieser Norm leitet sich ein bindender Auftrag an den Gesetzgeber ab, welcher verpflichtet wird, die Lage nichtehelicher Kinder der ehelicher Kinder anzupassen. 159 Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum ist also insoweit verengt, als der Gesetzgeber eine gesetzliche Gleichstellung objektiv und unbedingt vorzunehmen hat; die Norm wirkt also als objektiv determinierte Gesetzgebungspflicht. Einen vergleichbaren ausdrücklichen Schutzauftrag enthält auch Art. 6 IV GG. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lassen sich weitere Fälle nachweisen, in welchen eine Gesetzgebungspflicht als Auswirkung grundrechtlicher Schutzpflichten zumindest diskutiert wurde. Dabei ist besonders die zweite Abtreibungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervorzuheben. 160 Das Gericht hat hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Schwangerschaftsabbruchs entschieden, dass die staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben aus Art. 1 I GG und Art. 2 II GG durch das Untermaßverbot dem Gesetzgeber gebiete, „auf den Einsatz auch des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung für das menschliche Leben“ nicht „frei zu verzichten“. 161 Diesbezüglich wirkt sich also die grundrechtliche Schutzpflicht als objektiv determinierte Gesetzgebungspflicht hinsichtlich strafrechtlicher Vorschriften aus. Diese Wirkung als Gesetzgebungspflicht wird durch die Ausführungen der sog. „C-Waffen-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts dogmatisch ausdrücklich konkretisiert. 162 Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von Verfassungsbeschwerden gegen ein Unterlassen bezüglich der Stationierung von C-Waffen auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland wurden nach Ansicht des Gerichts nicht in hinreichend substantiierter Weise die Umstände dargelegt, welche eine Verletzung der grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 II S. 1 GG zu begründen vermögen. Diesbezüglich führt das Gericht aus: „Nur unter ganz besonderen 159 Umbach, in: Umbach/Clemens, Art. 6, Rn. 93; Schmitt-Kammler, in: Sachs, Art. 6, Rn. 87. 160 BVerfGE 88, 203, 251 ff. 161 BVerfGE 88, 204, 257 ff. 162 BVerfGe 77, 170, 214 f.
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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Umständen kann sich die Gestaltungsfreiheit in der Weise verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann.“ 163 Dieser ausdrückliche Rückgriff auf die Rechtsfigur der Verdichtung eines normativen Gestaltungsspielraums zur Pflicht verdeutlicht, 164 dass die ausnahmsweise bestehenden Fallgruppen grundrechtlicher Schutzpflichten bei einem Verstoß gegen das Untermaßverbot sich als objektiv determinierte Gesetzgebungspflichten charakterisieren lassen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich weiterhin nicht auf den Bereich grundrechtlicher Schutzpflichten aus Art. 2 II GG. Auch für Art. 12 I GG, 165 Art. 14 I S. 1 GG 166 und Art. 5 III S. 1 GG 167 wird in Entscheidungen des Gerichts eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten zumindest geprüft, wenn auch in den betreffenden Fällen eine daraus folgende Gesetzgebungspflicht nicht positiv angenommen wurde. Es ist also festzuhalten, dass grundrechtliche Schutzpflichten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts potentiell verdichtende Wirkung hinsichtlich des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zukommen kann, so dass sie Grundlage objektiv determinierter Gesetzgebungspflichten sein können. Im Gegensatz zu den vorab behandelten Fallgruppen von Gesetzgebungspflichten handelt es sich zudem bei solchen aus grundrechtlichen Schutzpflichten um eine aus planungsrechtlicher Perspektive ergiebige Gegenüberstellung: Aufgrund der umfassenden verfassungsrechtlichen Bindungswirkung grundrechtlicher Schutzpflichten kann theoretisch jeder grundrechtlichen Schutzpflicht auch für den planerischen Gestaltungsspielraum verdichtende Wirkung zukommen. Insoweit können die für Gesetzgebungspflichten anerkannten Schutzpflichten generell in identischer Wirkweise auch objektiv determinierte Erstplanungspflichten nach sich ziehen. Einer Maßstabsübertragung von Gesetzgebungspflichten zu Planungspflichten stehen keine grundsätzlichen Bedenken entgegen; aus den aufgezeigten Fällen lassen sich somit generell Rückschlüsse auf die Begründung von durch grundrechtliche Schutzpflichten determinierte Planungspflichten ziehen. 168
163
BVerfGE 77, 170, 215. Diese Terminologie ebenfalls verwendend: Manssen, Grundrechte, Rn. 53. 165 BVerfGE 92, 26, 46 f. 166 BVerfG, NJW 1998, 3264, 3265. 167 BVerfGE 111, 333, 353 ff. 168 Inwieweit eine umgekehrte Übertragung möglich ist, kann im Rahmen dieser Arbeit mangels Relevanz für Planungspflichten dahinstehen. Viele planungspflichtbegründende Belange mögen zwar grund- bzw. verfassungsrechtlich fundiert sein. Jedoch unterliegt der parlamentarische Gesetzgeber grundsätzlich geringeren Bindungen als die jeweiligen, ihre Planungskompentenz derivativ vom Gesetzgeber erhaltenden Planungsträger, so dass eine wechselseitige Übertragung zweifelhaft erscheint. 164
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Inhaltlich sind dabei indes Vorbehalte zu machen. Es ergeben sich durch die unterschiedlichen Bindungen von planerischem Gestaltungsspielraum und gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit bei einer Gegenüberstellung und Übertragung jenseits der Erkenntnis umfassender Wirkung grundrechtlicher Schutzpflichten keine spezifisch planungsrechtlichen Erkenntnisse. So ist zwar die generalisierte Übertragung der Fallgruppen gesetzgebungspflichtbegründender Schutzpflichten auch für den Bereich des Planungsrechts möglich. Allerdings verhindert der materielle Gehalt vieler Gesetzgebungspflichten vielfach eine Übertragung für die Praxis. Anschaulich lässt sich dies für eventuelle Gesetzgebungspflichten aus Art. 6 V GG zeigen: Zwar kommt die abstrakte verfassungsrechtliche Bindungswirkung der Norm in gleicher Weise auch im Bereich des Planungsrechts zum Tragen. Allein wird es in der Praxis an Fallgestaltungen fehlen, in welchen Planungsmaßnahmen einen derart intensiven Bezug zur Rechtsstellung nichtehelicher Kinder aufweisen, als dass eine pflichtbegründende Determinationswirkung jemals anzunehmen sein wird. Dennoch muss – hervorgehoben gilt dies für die Rechtsprechung zu grundrechtlichen Schutzpflichten – betont werden, dass den Fallgruppen grundrechtlich fundierter Gesetzgebungspflichten für den Bereich des Planungsrechts die Funktion eines zusätzlichen Orientierungsrahmens für die Bestimmung einer Verdichtung durch grundrechtliche Schutzpflichten zukommt. 2. Pflichten zum Erlass von Rechtsverordnungen und Satzungen Auch für den Bereich der Verordnungen und der Satzungen kann sich aus verfassungsrechtlichen oder auch einfachgesetzlichen Vorgaben eine objektiv determinierte Pflicht zum Erlass entsprechender Vorschriften ergeben. Aufgrund der bereits dargestellten partiellen Identität von planerischem Gestaltungsspielraum und satzungs- bzw. verordnungsgebendem Gestaltungsspielraum für den Fall, dass die Planung in entsprechender Rechtsform ergeht, besteht bereits ein sektoraler Anwendungsbereich für objektiv determinierte Erlasspflichten. Neben den planungsrechtlichen Belangen und neben den selbstverständlich auch auf diesen Normsetzungsebenen gegebenen Fallgruppen grundrechtlicher Schutzpflichten 169 kommen als objektiv verdichtende Belange normhierarchisch auch sonstige einfach- und untergesetzliche Vorschriften in Betracht. Die determinierenden Verdichtungen sind im Vergleich zur Gesetzgebung in wesentlich geringerem Maße grundrechtsfixiert; auch nicht-grundrechtlichen Vorgaben kommt in größerem Maße potentiell verdichtende Wirkung zu.
169 Für den Bereich des Verordnungserlasses vgl. insbes. zu Art. 4 I GG: BVerfGE 93, 1, 16 ff.
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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Als exemplarischer Beleg soll an dieser Stelle die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostenentschädigung für Gerichtsvollzieher genannt werden: Das Bundesverwaltungsgericht hat diesbezüglich anerkannt, dass § 49 III S. 1 BBesG für den Dienstherrn nicht lediglich die Ermächtigung zum Erlass einer Abgeltungsregelung sei, sondern vielmehr zugleich eine Verpflichtung zum regelmäßigen Ersatz der angefallenen Bürokosten enthalte, welche aus dem verfassungsrechtlichen Gebot amtsangemessener Alimentation gem. Art. 33 V GG folge. 170 Demnach verdichtet Art. 33 V GG vorliegend den normativen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers dahingehend, dass ein angemessener Ersatz der Bürokosten der Gerichtsvollzieher gewährleistet sein muss. Das „Ob“ der Normsetzung ist insoweit jedenfalls der Gestaltungsfreiheit entzogen. Art. 33 V GG kommt damit für § 49 III S. 1 BBesG objektiv determinierende Wirkung hinsichtlich der Verpflichtung zum Erlass einer Rechtsverordnung zu. Insoweit ergeben sich für den Bereich des Verordnungs- oder Satzungserlasses keine strukturellen Abweichungen für eine Anwendung der Rechtsfigur einer objektiv determinierten Verdichtung normativer Gestaltungsspielräume. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Analyse des Spektrums objektiv determinierter Erlasspflichten, welchen in ihrem Rahmen ein den Planungspflichten vergleichbarer Determinations- und Anwendungsbereich zukommt. Jedoch gelten auch für diese Normebene bei der Übertragung hier anerkannter, objektiv determinierender Belange auf die Ebene des Planungsrechts die bereits bezüglich der Gesetzgebungspflichten dargestellten Vorbehalte entsprechend. Gleichartig werden sich an dieser Stelle jenseits der Fallgruppen grundrechtlicher Schutzpflichten kaum planungsspezifisch relevante Verdichtungen finden, so dass eine Übertragung wenig ergiebig erscheint. 3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass eine Übertragung der Rechtsfigur einer objektiv determinierten Verdichtung planerischer Gestaltungsspielräume auf andere normative Gestaltungsspielräume, namentlich den Bereich der Gesetz-, Verordnungs- und Satzungsgebung, möglich ist und der Rechtsfigur zudem in diesen Bereichen jeweils ein realer Anwendungsbereich zukommt, ohne dass jedoch aus der Perspektive des Planungsrechts ein besonderer Erkenntnisgewinn aus einer solchen Übertragung zu gewinnen ist.
170
BVerwG, NVwZ-RR 2005, 214, 214; BVerwG, NVwZ 2002, 1505, 1506.
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III. Subjektiv determinierte Verdichtungen Nachdem bereits die Möglichkeit einer Übertragung der Dogmatik objektiv determinierter Erstplanungspflichten auf andere normative Gestaltungsspielräume dargelegt wurde, ist der Frage nachzugehen, inwieweit auch die entgegengesetzte Rechtsfigur des planungsrechtlichen Systematisierungsansatzes eine Entsprechung bei anderen normativen Gestaltungsspielräumen findet. Dabei ist darzustellen, ob auch subjektiv determinierte Verdichtungen anderer normativer Gestaltungsspielräume möglich sind und welcher Anwendungsbereich für diese gegeben ist. Eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht wurde angenommen, wenn es sich um eine lediglich „faktische Erstplanungspflicht“ handelt. Dem Planungsträger muss für Entstehen und Bestand der positiven, konkreten Pflicht eine entscheidende Einflussmöglichkeit zukommen, damit dieser letztlich durch sein subjektives Verhalten und seine subjektiven Vorstellungen die Pflicht herbeiführt bzw. bestehen lässt und folglich deren Durchsetzbarkeit gegen den Willen des Planungsträgers ausscheidet. 171 Übertragen auf die zu untersuchenden Fälle erfordert eine solche, subjektiv determinierte Verdichtung des normativen Gestaltungsspielraums also, dass sich die jeweilige Pflichtigkeit zum Normerlass nicht allein aus objektiv strukturierten Rechtsbindungen ergibt, sondern vielmehr im Kern entscheidend durch die subjektiven Vorstellungen oder Präferenzen des Normgebers bestimmt sein muss. Es ist indes – übereinstimmend mit den subjektiv determinierten Erstplanungspflichten – nicht zu fordern, dass keinerlei objektiv-angeknüpfte Bindung des Normgebers besteht, um eine subjektiv determinierte Verdichtung annehmen zu können; vielmehr können vielfältige objektiv bestehende (Handlungs-)Verbote den jeweiligen Normgeber in seinen subjektiven Vorstellungen dergestalt beeinflussen, dass er faktisch-indirekt zum Normerlass veranlasst wird. 1. Verordnungsgebung / Satzungsgebung Für den Sachbereich der Rechtsverordnungs- oder Satzungsgebung ist auch an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass die im Anschluss detailliert dargestellten Planungspflichten 172 sich hinsichtlich ihrer Handlungsform überwiegend als Verordnungs- und Satzungsgebungspflichten darstellen, so dass auf jeden Fall ein Anwendungsbereich für subjektiv determinierte Verdichtungen der jeweiligen Gestaltungsspielräume besteht. Jenseits dieses praxisbedeutsamsten Anwendungsfeldes kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall aus dem subjektiven Moment der „Selbstbindung der Verwaltung“ eine Verdichtung zu einer
171 172
Siehe dazu: 1. Kap. A.IV. Siehe dazu die Darstellungen des 2. Kapitels.
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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Erlasspflicht in Betracht kommen kann. Selbige wird jedoch regelmäßig im Sinne des hier verwendeten Differenzierungsansatzes objektiv durch Art. 3 GG vermittelt, so dass es sich zumeist um Fallgruppen objektiv determinierter Verdichtungen handeln dürfte. Typischerweise kommen subjektiv determinierte Erlasspflichten lediglich in jenen Bereichen in Betracht, welche sich durch einen gesondert rechtlich garantierten Gestaltungsspielraum auszeichnen, der wiederum bezüglich der jeweiligen Pflichtigkeit als Anknüpfungspunkt für die Maßgeblichkeit subjektiver Vorstellungen fungiert. Dies ist strukturell vor allem im Bereich der Selbstverwaltung möglich. Vorrangige Bedeutung kommt diesbezüglich Art. 28 II GG zu, welcher den Kommunen originär einen eigenständigen Gestaltungsspielraum eröffnet. Dies gilt in der Praxis jedoch vor allem für den Aspekt der kommunale Planungshoheit, welche letztlich hinter der Maßgeblichkeit subjektiver Kriterien bzw. Vorstellungen für den Fall der subjektiv determinierten Erstplanungspflichten – und dort vor allem im Fachbereich des öffentlichen Baurechts – steht. 173 Jenseits des Planungsrechts kommen subjektiv determinierte Pflichten zum Erlass einer Satzung oder Rechtsverordnung theoretisch somit vor allem für sonstige Bereiche der Selbstverwaltung in Betracht: Diesbezüglich ist aus dem Bereich der funktionalen Selbstverwaltung vor allem die Hochschul-Selbstverwaltung zu nennen. Doch auch wirtschaftsbezogenen oder freiberuflichen Kammern, Realkörperschaften (v. a. Wasser- und Bodenverbände und genossenschaftliche realiengebundene Verbände) oder Trägern sozialer Selbstverwaltung (v. a. Sozialversicherungsträger, Kassenärztliche Vereinigung, Studentenwerke) 174 kommt in bestimmten Satzungsfragen ein subjektiver Gestaltungsspielraum zu, welcher im Einzelfall eine subjektiv determinierte, „faktische Pflicht“ zur Satzungsgebung zwecks sachgerechter Aufgabenwahrnehmung bedingen kann. Ein Anwendungsbereich für subjektiv determinierte Verdichtungen verordnungs- oder satzungsgeberischer Gestaltungsspielräume ist somit vor allem für den Bereich der kommunalen und der funktionalen Selbstverwaltung theoretisch eröffnet.
173
Siehe dazu insbes. die Darstellungen: 2. Kap. A.–C. Zur thematischen Gliederung der funktionalen Selbstverwaltung vgl.: Wolff/Bachof/ Stober, VerwR III, § 97, Rn. 24 ff. 174
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
2. Gesetzgebung Auch für den Bereich der Gesetzgebung ergibt sich strukturell ein Ansatzpunkt für eine Übertragung des Differenzierungsansatzes in Form der Analyse subjektiv determinierter Gesetzgebungspflichten. Die Maßgeblichkeit subjektiver Vorstellungen des potentiell Pflichtigen, also hier des Gesetzgebers, ist im Bereich der demokratischen Gesetzgebung am weitesten gewährleistet; es handelt sich dabei um das eigentliche Tätigkeitsfeld politischer Einschätzung und Gestaltung. Die politische Opportunität der jeweils in Frage stehenden Tätigkeit bzw. Untätigkeit und deren konkrete Ausgestaltung durch das Parlament dient aus der Perspektive subjektiv determinierter Gesetzgebungspflichten also als rechtlich garantierter Gestaltungsspielraum für jene subjektiven Vorstellungen, denen für eine „faktische Gesetzgebungspflicht“ determinierende Wirkung zukommen kann. Institutionell wird diese parlamentarische Einschätzungsprärogative durch den Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalt gewährleistet. Bereits bei rein wörtlicher Betrachtung sticht insoweit eine Parallelität zu den subjektiv determinierten Erstplanungspflichten ins Auge: Als Anknüpfungspunkt für letztere ist im Rahmen des Zulassungsprogramms gem. § 35 BauGB die Rechtsfigur des Planungserfordernisses anerkannt. Diese wird teilweise auch als „Planungsvorbehalt“ bezeichnet, da die Realisierung des konkreten Vorhabens lediglich durch vorausgehende Bauleitplanung möglich sein soll bzw. einer Steuerung durch Planung vorbehalten ist. 175 Jener Planungsvorbehalt wirkt sich insoweit als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus, als die jeweilige Gemeinde aufgrund der Unzulässigkeit des Vorhabens faktisch zur Planung angehalten wird, wenn sie auf Grundlage ihrer Planungsvorstellungen das Vorhaben trotzdem realisieren will (subjektives Determinationsmerkmal). Vergleichbar diesem Planungsvorbehalt fungiert für den Bereich der Gesetzgebung, was bereits durch die partielle Übereinstimmung in der Begrifflichkeit deutlich wird, der Gesetzesvorbehalt bzw. der Parlamentsvorbehalt. Wie Gusy prägnant zusammenfasst, besteht die Funktion des Gesetzesvorbehalts darin, in seinem Anwendungsbereich für die Verwaltung ein Handlungsverbot zu bewirken, soweit für die zu beurteilende Handlung keine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht. 176 Dieses Handlungsverbot in Form eines Vorbehalts zugunsten einer gesetzlichen Rechtsgrundlage wird für den Fall des Parlamentsvorbehalts durch 175 Siehe zu den subjektiv determinierten Erstplanungspflichten die Darstellungen: 1. Kap. A.III.–IV. Vgl. ferner die Darstellungen des 2. Kapitels; speziell zum Planungserfordernis bei § 35 BauGB: 2. Kap. A. 176 Gusy, JA 2002, 610, 611; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VI [Lfg.: 18.], Rn. 55; Sachs, in: Sachs, Art. 20, Rn. 113.
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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ein Delegationsverbot dahingehend gesteigert, dass ein formelles Parlamentsgesetz als Rechtsgrundlage erforderlich ist. 177 Diesbezüglich können im Rahmen dieser Arbeit die inhaltlichen Kontroversen in Literatur und Rechtsprechung darüber, ob und inwieweit inhaltlich Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt zu unterscheiden sind, 178 welches Verhältnis zwischen Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie besteht 179 und in welchen Fällen ein entsprechender Vorbehalt ausgelöst sein kann, 180 dahinstehen, da vorliegend allein der Funktion und Wirkweise des Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalts Relevanz zukommt. Diese Wirkweise des Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalts hinsichtlich der Begründung von subjektiv determinierten Pflichten zur Gesetzgebung wird aus steuerungstheoretischer Perspektive von Schuppert überzeugend dargelegt: 181 Steuerungstheoretisch sei danach zu fragen, „wer wen wie intensiv steuern muß“, so dass aus dem Parlamentsvorbehalt durch seine „Funktion einer [exklusiven] Kompetenzzuweisung“ eine Selbstentscheidungspflicht des parlamentarischen Gesetzgebers erwachse. 182 Danach folge aus der Rolle des Gesetzes als zentralem verfassungsrechtlichem Steuerungsinstrument des demokratischen Rechtsstaates, dass dem Steuerungsanspruch des Gesetzes eine „Steuerungspflicht des Gesetzgebers“ entsprechen müsse, der sich dieser nicht sanktionslos entziehen könne. Dies werde rechtlich dadurch konstruiert, dass mittels der Wesentlichkeitstheorie und des Parlamentsvorbehalts „die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes in Parallelität zur Reichweite der Regelungspflicht des Gesetzgebers zu bestimmen“ sei. 183 Diese Wirkung der Verknüpfung von Wesentlichkeitstheorie und Parlamentsvorbehalt wird ferner auch in der Analyse Baduras betont, wonach sich die Wesentlichkeitstheorie an den Gesetzgeber wende, „dem sie Regelungspflichten auferlegt“. 184 Eine solche Vorstellung von den Wirkmechanismen der Wesentlichkeitstheorie liegt auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde. Deutlich wird dies in der insoweit instruktiven „Josefine-Mutzenbacher-Entscheidung“, 185 177
Schnapp, in: vMünch/Kunig. Art. 20, Rn. 56; Gusy, JA 2002, 610, 614 ff. Siehe diesbezüglich: Schuppert, Staatswissenschaft, S. 554 f. m. w. N.; Gusy, JA 2002, 610, 614; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 54; Roellecke, in: Umbach/Clemens, Art. 20, Rn. 73 f. 179 Vgl. dazu: Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 46 ff.; Roellecke, in: Umbach/Clemens, Art. 20, Rn. 80; Gusy, JA 2002, 610, 613 ff.; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 103 ff. 180 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, Rn. 70 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 47 ff.; jeweils m. w. N. 181 Schuppert, Staatswissenschaft, S. 553 ff. 182 Schuppert, Staatswissenschaft, S. 554 f.; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 134. 183 Schuppert, Staatswissenschaft, S. 553. 184 Badura, in: König/Siedentopf, Öffentliche Verwaltung, S. 59 f. 178
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
die diese aus der Wesentlichkeitstheorie folgende Regelungspflicht des Gesetzgebers thematisiert. Das Gericht führt diesbezüglich aus: „Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. [ . . . ] Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muß, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. [ . . . ] Hier ist der Gesetzgeber verpflichtet die Schranken der widerstreitenden Freiheitsgarantien jedenfalls so weit selbst zu bestimmen, wie sie für die Ausübung dieser Freiheitsrechte wesentlich sind“. 186 Vor diesem argumentativen Hintergrund lässt sich demnach folgender pflichtbegründender Mechanismus aufzeigen: Durch den Gesetzesvorbehalt, und noch deutlicher im Fall des Parlamentsvorbehalts, sind Grundrechtseingriffe und sonst „wesentliche“ Maßnahmen der Verwaltung solange verwehrt, wie keine gesetzliche Grundlage für derartige Handlungen gegeben ist. Dieses bewirkt faktischmittelbar eine Verpflichtung des Gesetzgebers, selbst tätig zu werden, wenn ein staatliches Einschreiten möglich werden soll. Dem Gesetzgeber steht insoweit zwar regelmäßig im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative die Möglichkeit offen, von einer gesetzlichen Regelung abzusehen und damit zugleich ein staatliches Handeln auszuschließen. Indes wird der Gesetzgeber für den Fall, dass nach den subjektiven Vorstellungen des Parlaments bzw. den politischen Mehrheiten staatliche Maßnahmen beabsichtigt werden, tatsächlich zu eigener Gesetzgebungstätigkeit angehalten. Bei letzterer „Bedingung“ handelt es sich um den subjektiven Determinationsfaktor der jeweiligen Pflicht, da letztlich die Wirkung als „faktische Gesetzgebungspflicht“ von subjektiven Steuerungsvorstellungen des Pflichtigen abhängt. Ausnahmsweise verdichtet sich der subjektive Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sogar, wie bereits gezeigt vornehmlich im Falle grundrechtlicher Schutzpflichten, 187 dergestalt zu einer objektiven Rechtspflicht, dass mangels Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers als maßgeblichem subjektivem Element sodann eine objektiv determinierte Gesetzgebungspflicht gegeben sein kann. Regelmäßig besteht indes im Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehalts lediglich die aufgezeigte „mittelbar-faktische“ und damit subjektiv determinierte Pflicht. Die Wirkung des Gesetzesvorbehalts wandelt sich also, wie Battis/Gusy zu Recht betonen, durch den Rückgriff auf die Wesentlichkeitstheorie von einer 185
BVerfGE 83, 130, 130 ff. BVerfGE 83, 130, 142; kursive Hervorhebungen erfolgen im Zitat durch den Verfasser dieses Textes. 187 Vgl. dazu bereits: 1. Kap. C.II.1. 186
C. Andere Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume
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Kompetenzsperre zu einer „faktischen Gesetzgebungspflicht“, damit der Staat „Wesentliches“ überhaupt vornehmen kann. 188 Tatsächlich kann die Unzulässigkeit staatlicher Maßnahmen aufgrund des Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalts funktional somit eine subjektiv determinierte Pflicht zur Gesetzgebung herbeiführen, wenn nach dem subjektiven Vorstellungen des Gesetzgebers staatliche Maßnahmen ergriffen werden sollen bzw. die Möglichkeit für diese bereitet werden soll.
IV. Ergebnis Als Ergebnis des Vergleichs der Differenzierung objektiv und subjektiv determinierter Erstplanungspflichten mit Verdichtungen anderer normativer Gestaltungsspielräume lässt sich also festhalten, dass sich auch für die Bereiche der Gesetzgebung, des Rechtsverordnungs- und des Satzungserlasses der planungsrechtliche Systematisierungsansatz als grundsätzlich übertragbar erweist. So konnten objektiv determinierte Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume sowohl als Grundlage von Gesetzgebungspflichten, als auch von Pflichten zum Erlass von Rechtsverordnungen oder Satzungen ausgemacht werden. Ebenfalls kommen für diese staatlichen Normierungsbereiche subjektiv determinierte Verdichtungen normativer Gestaltungsspielräume prinzipiell in Betracht. Es ist also festzuhalten, dass es sich bei der differenzierenden Systematisierung von objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten zwar um einen spezifisch planungsrechtlichen Ansatz handelt. Dieser kann jedoch keine „Singularität“ dergestalt für sich in Anspruch nehmen, als dass dieser Differenzierungsansatz als Konsequenz planungsrechtlicher Besonderheiten nicht auf andere normative Tätigkeitsbereiche des Staates ausgedehnt werden kann. Es soll im Rahmen dieser planungsrechtlichen Arbeit allerdings dahinstehen, inwieweit die mögliche Übertragung durch Anerkennung objektiv und subjektiv determinierter Pflichten zur Gesetz-, Verordnungs- und Satzungsgebung einen fachlichen Erkenntnisgewinn für die jeweiligen Normsetzungsebenen bietet. Jener besteht für den Bereich des Planungsrechts vornehmlich in einem Systematisierungsgewinn, der ein besseres Verständnis für die normativen Abhängigkeiten, für den Stellenwert eigener Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers und für die Frage der Durchsetzbarkeit der Erstplanungspflicht eröffnet. Ein vertieftes Nachgehen der Frage, ob ein vergleichbarer Nutzen auch für andere normative Gestaltungsspielräume anzuerkennen ist, so dass sich die mögliche Übertragung des Differenzierungsansatzes dieser Arbeit auch für andere Bereiche als sinnstiftend erweisen könnte, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
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Battis/Gusy, Staatsrecht, Rn. 258.
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1. Kap.: Erstplanungspflichten – Begriff und Struktur
Vielmehr erfolgte der soeben umrissene Vergleich lediglich vor dem Hintergrund, eventuelle Rückschlüsse für den Bereich des Planungsrechts und der Planungspflichten zu ermöglichen. Als solcher Rückschluss lässt sich im Ergebnis neben der Erkenntnis, dass es sich bei dem zugrunde gelegten Systematisierungsansatz nicht um ein planungsrechtliches „unicum“ handelt, lediglich auf die für alle dargestellten Ebenen gleichartig bestehende Determinationswirkung grundrechtlicher Schutzpflichten verweisen. Im Folgenden soll deshalb der Blick wieder allein aus der Perspektive des Planungsrechts erfolgen und es sollen die jeweiligen Erstplanungspflichten einer eingehenden Betrachtung zugeführt werden. Diesbezüglich wird im zweiten Kapitel eine Analyse und Darstellung der einzelnen subjektiv determinierten Erstplanungspflichten vorgenommen, bevor im Anschluss im dritten Kapitel eine Einzelanalyse der objektiv determinierten Erstplanungspflichten folgen wird.
2. Kapitel
Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten Eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht im Sinne des in dieser Arbeit entwickelten Differenzierungsansatzes liegt vor, wenn es sich um eine lediglich „faktisch-mittelbare“ Erstplanungspflicht dergestalt handelt, dass dem Planungsträger für Entstehen und Bestand der positiven, konkreten Pflicht eine entscheidende Einflussmöglichkeit zukommt, so dass dieser letztlich durch sein subjektives Verhalten und seine subjektiven Vorstellungen die Pflicht herbeiführt und folglich ihre Durchsetzbarkeit gegen den Willen des Planungsträgers tatsächlich ausscheidet. Schon die generelle Analyse subjektiver Determinationsstrukturen hat deren strukturellen Selbstverwaltungsbezug offen gelegt. Deshalb beschränken sich die potentiellen Anwendungsfelder für subjektiv determinierten Erstplanungspflichten auf Planungsträger mit Selbstverwaltungsgarantie, mithin auf den Bereich der kommunalen Bauleitplanung. Diese sind nun im Einzelnen darzustellen.
A. Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten bei § 35 BauGB Als erste subjektiv determinierte Erstplanungspflicht soll die Existenz einer solchen im Normbereich des § 35 BauGB untersucht werden. Diesbezüglich wird an die Rechtsfigur des Planungserfordernisses anzuknüpfen sein. Aus systematischen Gründen ist sinnvollerweise zwischen den beiden Zulassungstatbeständen zu unterscheiden, so dass zunächst für die Vorhaben im Sinne des § 35 II BauGB die Konstruktion einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht analysiert werden soll (I.). Sodann wird eine Übertragung des gefundenen Ergebnisses auf die privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 I BauGB in Frage stehen (II.-III.). Zuletzt soll dann aufgezeigt werden, wie im konkreten Fall dem Planungserfordernis genügt werden kann und damit wie die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht im Bereich des § 35 BauGB zu erfüllen ist (IV.).
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
I. § 35 II BauGB: Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei nicht privilegierten Vorhaben Im Folgenden wird zunächst untersucht, ob für den Normbereich des § 35 II BauGB eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht anzuerkennen ist. Als Anknüpfungspunkt für eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht kommt im Bereich der Zulässigkeit von Einzelvorhaben die Rechtsfigur des Planungserfordernisses in Betracht. Jene Konstruktion bewirkt die Unzulässigkeit eines konkreten Vorhabens, falls dieses unter dem Vorbehalt förmlicher Planung steht, so dass der jeweilige Planungsträger zu einer Planung zwecks Realisierung des Vorhabens angehalten sein kann, was dann die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht begründen könnte. Deshalb wird der Frage nachzugehen sein, ob die Rechtsfigur des Planungserfordernisses für nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben nach § 35 II BauGB anzuerkennen ist, und wie weit ein eventueller Anwendungsbereich zu ziehen ist. Schon 1982 traf Schmidt-Aßmann die Feststellung, dass „Ausdehnungstendenzen der Rechtsfigur des Planungserfordernisses bei § 35 nicht zu übersehen“ seien, deren Zulässigkeit ihm mehr als zweifelhaft erschien. 1 In Rechtsprechung und Literatur fanden seitdem breite Auseinandersetzungen um diese Rechtsfigur statt, welche eine große Anziehungskraft auszuüben scheint. Um diese Entwicklung des Planungserfordernisses nachzuvollziehen, ist es zweckmäßig, zunächst in einem verwaltungswissenschaftlichen Exkurs vorweg die Normstruktur des § 35 BauGB und die Einpassung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses in diese Normstruktur zu behandeln (1.). Sodann soll die Entwicklung des Planungserfordernisses in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nachgezeichnet werden (2.), bevor die Begründung und Anerkennung des Planungserfordernisses in der Literatur diskutiert werden wird (3.–6.). 1. Verwaltungswissenschaftlicher Exkurs: Finale und konditionale Programmierung Bereits bei der groben Skizzierung der Rechtsfigur „Planungserfordernis“ als Grundlage für die Einordnung als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht stellt sich deutlich das Problem, dass rechtliche Beurteilungen im Rahmen des § 35 II BauGB dem Vorhabenzulassungsrecht zugerechnet werden. Demgegenüber wird die Problematik der Erstplanungspflicht herkömmlich als solche des Planungsrechts verstanden. Inwieweit eine solche Trennung sinnvoll und aufrechtzuerhalten ist, wurde bereits behandelt. 2 1
Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 35 f.
A. § 35 BauGB
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Parallel zu dieser Problematik stellt sich jedoch auf reiner Normebene durch die Rechtsfigur des Planungserfordernisses ein Konflikt zwischen konditionaler und finaler Programmierung. Diese Frage betrifft zunächst die Normstruktur des § 35 BauGB und soll im Folgenden in einem verwaltungswissenschaftlichen Exkurs vorweg aufgezeigt werden, so dass später innerhalb der konkreten Begründung des Planungserfordernisses auf die abstrakten Vorüberlegungen zum Normverständnis zurückgegriffen werden kann. a) Begriffe Anfangs soll eine knappe Klärung der Begrifflichkeit erfolgen, die der weiteren Auseinandersetzung zugrunde gelegt werden kann. Die Programmierung von Entscheidungen bzw. der Begriff des Entscheidungsprogramms entstammt dem Bereich der automatischen Datenverarbeitung und wurde von Herbert A. Simon in die Verwaltungswissenschaft übertragen. 3 Verbreitung fand die Unterscheidung von konditionaler und finaler Programmierung durch Luhmanns verwaltungswissenschaftliche und rechtssoziologische Arbeiten. 4 Als Programm wird dabei die generalisierte Festlegung des Entscheidungsverhaltens von Verwaltungsträgern verstanden, welche die Informationsverarbeitung strukturiert, so dass sich Rechtsnormen generell als Programme faktischen Verhaltens darstellen. 5 Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Programmtypen unterschieden. Konditionalprogramme sind nach dem „Wenn-Dann-Schema“ aufgebaut. 6 Somit liegt eine konditionale Programmierung vor, wenn für eine definierte Handlungssitua-
2
Siehe oben: 1. Kap. A.III. Luhmann, VerwArch 55 (1964), 1, 6. 4 Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 165 ff.; Luhmann, Rechtssoziologie, S. 227 ff.; Luhmann, VerwArch 55 (1964), 1, 6 ff.; weitere Nachweise bei Oberndorfer (Die Verwaltung 5 (1972), 257, 261) und Di Fabio (in: FS Hoppe, 75, 82 f.), wobei letzterer noch Parallelen zu Dworkins Unterscheidung von Rechtsregeln und Rechtsgrundsätzen zieht. 5 Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 4, S. 121; den Aspekt der Informationsverarbeitung besonders in den Vordergrund stellend: Luhmann, VerwArch 55 (1964), 1, 6 f.; generell kritisch: Rubel (Planungsermessen, S. 48 ff. m. w. N.), der die Unterscheidung von konditionaler und finaler Programmierung als zur Abgrenzung von Normstrukturen ungeeignet erachtet. 6 Oberndorfer, Die Verwaltung 5 (1972), 257, 261; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 14; Stüer, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, B [Lfg.: 18.], Rn. 9; Luhmann, Rechtssoziologie, S. 227; Weyreuther, BauR 1977, 293, 305; Ossenbühl, DVBl 1978, 1, 7; Erbguth, DVBl 1981, 557, 561; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 206. Di Fabio (in: FS Hoppe, 75, 91) betont daneben noch die „binäre Schematisierung von öffentlichen Belangen und Individualrechtspositionen“, welche jeder Konditionalstruktur zur Sicherung der Gewichtung innerhalb des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes innewohnen müsse. 3
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
tion eine vorgesehene Handlungsfolge ausgelöst wird, 7 wobei offen bleibt, wie oft solche Anlasssituationen eintreten werden 8. Die generelle Struktur von aus Tatbestand und Rechtsfolge bestehenden Gesetzen ist also unmittelbarer Ausdruck der konditionalen Programmierungsstruktur. 9 Insoweit ist es zutreffend, wenn allgemein formuliert wird, dass klassische Rechtsnormen des liberalen Rechtsstaats (und ihnen folgend die jeweiligen Rechtsanwendungen) konditional programmiert sind. 10 Insbesondere wenn man als Funktion des Rechts die Stabilisierung kontrafaktischer Verhaltenserwartungen in den Vordergrund stellt, so ist die Konditionalstruktur aufgrund ihrer klaren Verhaltensvorgaben diesbezüglich ein wesentlicher Durchsetzungsfaktor. 11 Charakteristisch für die konditionale Programmierungsstruktur ist somit eine grundsätzliche Ausrichtung des Verwaltungshandelns auf den normativen Erkenntnisvorgang der Subsumtion als Gesetzesvollzug. 12 Im Gegensatz dazu führen Finalprogramme nicht zu einem „systematisch-deduktiven Nachvollzug prinzipiell determinierter Generalentscheidungen“ 13, sondern der Verwaltung kommt eine eigenschöpferische, maßstabsetzende und -anwendende Zweckverwirklichung im Rahmen gesetzlicher Ziel- und Mitteldirektiven zu. 14 Finalprogramme bedienen sich zur Ausgestaltung dieses Spielraums eines „Zweck-Mittel-Schemas“. 15 Der Verwaltung wird als Zweck ein zu verwirklichender Zustand bzw. ein zu verwirklichendes Ziel vorgegeben, wobei der Weg zur Zielerreichung, also die Mittelwahl, der Verwaltung weitestgehend freigestellt 7 Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 4, S. 121; König, VerwArch 62 (1971), 1, 3; König, Die Verwaltung 7 (1974), 137, 141. 8 Luhmann, VerwArch 55 (1964), 1, 9. 9 König, VerwArch 62 (1971), 1, 3; Engisch, Einführung in das jur. Denken, S. 33 ff.; Battis, AllgVerwR, S. 259. 10 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 228; König, VerwArch 62 (1971), 1, 3 f.; König, Die Verwaltung 7 (1974), 137, 142; den Bezug zum liberalen Rechtsstaat besonders betonend: Grimm, Zukunft der Verfassung, S. 359 ff.; Grimm, Verfassung und Politik, S. 75 ff.; Erbguth, DVBl 1981, 557, 561; Breuer, AöR 127 (2002), 523, 527 ff.; Oberndorfer (Die Verwaltung 5 (1972), 257, 264), welcher die konditionale Programmierung als Eingrenzung beliebiger Mittelwahl durch den Staat und damit als gegen die „typische Folgerungsweise des Polizeistaats (Otto Mayer)“ gerichtet, mithin letztlich als institutionalisierten Schutz vor Willkür versteht. In diesem Sinne auch Di Fabio (in: FS Hoppe, 75, 87), der jede Entscheidung mit Verbindlichkeitsanspruch konditionalisieren möchte und deshalb auch eine Konditionalisierung der Abwägungsdogmatik befürwortet. 11 Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 199. 12 Schmitt Glaeser / König, JA 1980, 321, 325; Müller, Planrechtfertigung, S. 86; Ossenbühl, DVBl 1978, 1, 7. 13 Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, B, S. 184. 14 Schmitt Glaeser / König, JURA 1980, 321, 325; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 207. 15 Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 15; König, Die Verwaltung 7 (1974), 137, 141 f.; Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 4, S. 121; Schmitt Glaeser / König, JURA 1980, 321, 325.
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bleibt; an die Stelle des konditionalen Gesetzesvollzugs tritt also in diesem Fall die finale Gesetzesverwirklichung. 16 Wie als typisches Anwendungsfeld der konditionalen Programmierung die klassischen Rechtsnormen zu nennen sind, 17 so handelt es sich bei finalen Programmierungsstrukturen um die vorherrschende ökonomische Entscheidungsform, wie sie schon dem wirtschaftswissenschaftlichen Modell des „homo oeconomicus“ zugrunde liegt. 18 Doch auch im juristischen Bereich finden sich finale Programmierungsstrukturen: 19 Ein typisches Beispiel für final programmierte Normen stellen solche des Planungsrechts dar. 20 Diese geben durch ihre Zielsetzungen sowie die planerischen Berücksichtigungsgebote bzw. Planungsgrundsätze einen Rahmen für die zu treffende Mittelwahl. Die Abwägung der verschiedenen Grundsätze innerhalb der Planung kennzeichnet das sog. „Planungsermessen“. Diesbezüglich sollte jedoch im vorliegenden Zusammenhang, wie bereits erörtert, 21 besser von „planerischer Gestaltungsfreiheit“ gesprochen werden, da keine für das herkömmliche Verwaltungsermessen vorzunehmende Zuordnung auf Rechtsfolgenseite möglich erscheint, sondern eher eine richtlinienartige Orientierung des gestalterischen Abwägungsprozesses erfolgt. 22 Diese Abwägung findet unter Berücksichtigung verschiedenster Optimierungsgesichtspunkte 23 statt und gewährleistet auf diesem Weg die Mittelwahl in Form der konkreten Ausgestaltung des Plans. Für das öffentliche Baurecht kann also generell festgestellt werden, dass im Bereich des Planungsrechts Normen mit finaler Programmierungsstruktur zu finden sind, wohingegen im Bereich des Vorhabenzulassungsrechts konditionale Programmierung dominiert.
16
Müller, Planrechtfertigung, S. 87; Schmitt Glaeser / König, JURA 1980, 321, 325. Breuer, AöR 127 (2002), 523, 527 ff.; ders., ZfW 2005, 1, 6, weist in seiner rechtsvergleichenden Untersuchung vornehmlich für den Bereich des Umweltrechts darauf hin, dass in anderen Rechtsordnungen (F, GB) und unter deren Einfluss im supranationalen europäischen Umweltrecht demgegenüber vornehmlich final programmiert werde. 18 König, VerwArch 62 (1971), 1, 4. 19 Kloepfer (NVwZ 2002, 645, 652) spricht von einem allgemeinen „Trend zur finalen Rechtssetzung“ unter hervorgehobener Bedeutung des europarechtlichen Einflusses. 20 Battis, AllgVerwR, S. 259; Stüer, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, B [Lfg.: 18.], Rn. 9. 21 Siehe oben: 1. Kap. A.I.2.c). 22 Diese Terminologie jüngst unter Verweis auf die tatsächlichen Überschneidungen von konditionaler und finaler Programmierung und der grundsätzlichen Überbetonung dieser Differenzierung in Frage stellend: Müller, Planrechtfertigung, S. 88 f. m. w. N.; zur Terminologie insgesamt bereits: 1. Kap. A.I.2. 23 Hoppe (Grundfragen des Planungsrechts, § 4, S. 123) nennt vor allem die KostenNutzen-Analyse, die Nutzwert-Analysen und andere Optimierungsmodelle. 17
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
b) Normstruktur des § 35 BauGB Die Anwendung dieser Begrifflichkeit zur Darstellung der Normstruktur des § 35 BauGB bereitet keine großen Schwierigkeiten: § 35 I BauGB enthält einen klaren Tatbestand privilegierter Vorhaben, welche zulässig sind, wenn keine „öffentlichen Belange“ entgegenstehen, so dass ein klassisches konditionales „Wenn-Dann-Schema“ gegeben ist. Gleiches gilt für den Auffangtatbestand des § 35 II BauGB, der für nicht privilegierte Vorhaben lediglich die Hürde der „öffentlichen Belange“ verstärkt, welche in diesem Fall nicht beeinträchtigt werden dürfen. 24 Für beide Fälle ist in § 35 BauGB jeweils eine Rechtsfolge bezüglich der Genehmigungserteilung normiert. Es handelt sich zweifelsfrei um eine in ihrer Grundstruktur konditional programmierte Norm. Auch die durch § 35 III S. 1 BauGB offen ausgestalteten „öffentlichen Belange“ sind elementarer Bestandteil dieses „Wenn-Dann-Schemas“, da ihnen die eigentliche Begrenzungsfunktion innerhalb des Tatbestandes der Norm zukommt. Bei strikter Übertragung der verwaltungswissenschaftlichen Begrifflichkeit ist also auch der unbenannte „öffentliche Belang“ eines Planungserfordernisses innerhalb der Binnenstruktur der Norm als ein Bestandteil konditionaler Programmierung anzusehen. Das Erfordernis förmlicher Bauleitplanung fungiert innerhalb der Normstruktur – insoweit den anderen Belangen identisch – als negatives Tatbestandsmerkmal. c) Planungserfordernis als Kombination von finaler und konditionaler Programmierung Problematisch erscheint diese eindeutige Einordnung des Planungserfordernisses als konditional programmiertes Merkmal aufgrund der formalen Binnenlogik der Norm jedoch vor dessen materiellem Hintergrund. So wird durch diese Rechtsfigur gerade ein Vorbehalt zugunsten finaler Programmierungsstrukturen durch das Erfordernis einer förmlichen Planung statuiert. Materieller Prüfungsschwerpunkt für die jeweilige Genehmigungsbehörde in diesen Fällen des Planungserfordernisses ist folglich die Gebotenheit finaler Programmierung, welche eben nur unter Rückgriff auf die dort zu erwartenden „Zweck-Mittel-Erwägungen“ ermittelt werden kann.
24 An dieser Stelle kann der Streit, inwieweit für den Fall des § 35 II BauGB der Behörde Ermessen verbleibt (dazu Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 43 m. w. N.), dahinstehen, da durch die bloße Frage der Ausgestaltung der Rechtsfolge nicht die grundsätzliche Struktur von Tatbestand und Rechtsfolge, mithin nicht die konditionale Programmierungsstruktur in Frage gestellt würde.
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Bei Gesamtbetrachtung kumulieren demnach im Planungserfordernis Elemente finaler und konditionaler Programmierung, da eben im Rahmen der konditionalen Programmierung ein Rückgriff auf die Erforderlichkeit von finalen Planungsentscheidungen erfolgt (bzw. von der jeweiligen Genehmigungsbehörde unter Zugrundelegung von „Zweck-Mittel-Erwägungen“ eben diese festzustellen ist). Es stellt sich demnach die Frage, wie eine derartige Konstruktion verwaltungswissenschaftlich einzuordnen ist. Die prinzipielle Begrenztheit konditionaler Programmierungsstrukturen vor dem Hintergrund der Beschränkung auf bestimmte, tatbestandsrelevante Informationsfaktoren ist strukturell bedingt. Die seitens des Gesetzgebers zu leistende generelle Determination durch die konditionale Programmierungsstruktur stößt an ihre Grenzen, wenn aufgrund vielfältiger Wechsel- und Fernwirkungen die Auswirkungen einer Entscheidung nicht mehr abstrakt vorhergesehen werden können, so dass mangels klarer Definition des „Dann“ auch eine Festlegung der Bedingungen des „Wenn“ ausscheiden muss. 25 Den reinen Konditionalprogrammen ist somit allgemein nur eine punktuelle Berücksichtigung unmittelbar betroffener Interessen eröffnet, was als logische Konsequenz der limitierenden Auswahlfunktion des Tatbestands erscheint. Um diesem Mangel abzuhelfen, werden in der verwaltungswissenschaftlichen Literatur Möglichkeiten der Kombination von Final- und Konditionalprogrammen diskutiert. So wird darauf verwiesen, dass die verwaltungswissenschaftliche Zweiteilung der Programmierungsstrukturen lediglich ein idealistisches Denkmodell darstellt, welches in der Praxis keineswegs in diesen Reinformen anzutreffen sei. 26 Im Übrigen sei eine strikte Separation der beiden Programmierungsarten auch gar nicht möglich, da im Rahmen der finalen Programmstruktur die Auswahl unter verschiedenen Mitteln nur durch konditionale Überlegungen geleistet werden könne und auf der Gegenseite auch bei konditionalen Programmierungen häufig auf teleologische Überlegungen und damit auf Zweckelemente zurückgegriffen werden müsse. 27 Etwaige Kombinationsmodelle werden als „offene Entscheidungsmuster“ 28 oder „sekundäre Elastizitäten“ 29 bezeichnet. In Anknüpfung an die Begrifflichkeit Luh25
Schmitt Glaeser / König, JA 1980, 321, 325. König, Die Verwaltung 7 (1974), 137, 142; König, VerwArch 62 (1971), 1, 4; Oberndorfer, Die Verwaltung 5 (1972), 257, 272; Müller, Planrechtfertigung, S. 89. 27 Schmidt, AöR 96 (1971), 321, 333 f.; Röhl, Rechtslehre, § 29, S. 220. 28 König, VerwArch 62 (1971), 1, 4; Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, § 4, S. 122. 29 Luhmann, VerwArch 55 (1964), 1, 12 ff.; Oberndorfer, Die Verwaltung 5 (1972), 257, 262. 26
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manns kommen zur Kombination von finaler und konditionaler Programmierung grundsätzlich zwei Modelle in Betracht: „Programmverbindung“ und „Programmverschachtelung“. Eine „Programmverschachtelung“ liegt vor, wenn die Eignungsauswahl der jeweils anzuwendenden Konditionalprogramme im Rahmen einer final programmierten Entscheidung getroffen wird. 30 Sie setzt somit eine gewisse Dominanz der Finalstruktur voraus. Für den Bereich des Vorhabenzulassungsrechts kann man formulieren, dass die final programmierte Bauleitplanung die Auswahl bezüglich des jeweils anzuwendenden Konditionalprogramms nach §§ 30 I, 31, 34, 35 BauGB vornimmt. Diese Situation liegt jedoch für den vorliegend zu beurteilenden Fall des Planungserfordernisses nicht vor; dieses wird vielmehr allein aus der Perspektive eines Konditionalprogramms (§ 35 BauGB) relevant und soll eine final programmierte Entscheidung gerade erst gewährleisten, so dass es sich ersichtlich nicht um einen Fall der „Programmverschachtelung“ handelt. Die zweite Kombinationsvariante einer „Programmverbindung“ wird angenommen, „wenn in die Ausführung eines Routineprogramms [d. h. Konditionalprogramms] Zweckprogramme eingebaut sind zur Kennzeichnung dessen, was im Einzelfall routinemäßig veranlasst werden soll“ 31. Die Rechtsfigur des Planungserfordernisses stellt eine immanente Grenze des Konditionalprogramms nach § 35 BauGB in Form eines Vorbehalts förmlicher, final programmierter Planung dar. Ein Vorhaben, welches unter diesem Vorbehalt steht, ist, die Anerkennung dieser Rechtfigur vorerst unterstellt, unzulässig. Insofern müssen im Rahmen der Anwendung des § 35 BauGB die Wertungen bzw. die Abwägungsbedürftigkeiten des konkreten Vorhabens unter Rückgriff auf Elemente finaler Programmierungsstrukturen beurteilt werden. Dennoch verbleibt eine klare Dominanz des Konditionalprogramms, da unmittelbare Rechtsfolge lediglich die Unzulässigkeit des Vorhabens ohne vorausgehende Planung ist, so dass sich die zweckprogrammierten Elemente nicht unmittelbar jenseits des „Wenn-Dann-Schemas“ auswirken. Die tatsächlich daraus resultierende subjektiv determinierte Erstplanungspflicht, welche Gegenstand der sich anschließenden Darstellungen sein soll, findet keinen direkten Niederschlag in der Programmierungsstruktur; sie ist jedoch faktisch als Einbruchstelle finaler Programmierungsstrukturen in der Rechtsanwendung durch die Behörde zu berücksichtigen. Es kommt somit in Fällen des Planungserfordernisses zu einer Kumulation der beiden Programmierungsstrukturen bei klarer Dominanz des Konditionalprogramms als Anwendungsrahmen. Dies spricht für die Einordnung des Planungserfordernisses als „Programmverbindung“.
30 31
Luhmann, VerwArch 55 (1964), 1, 11. Luhmann, VerwArch 55 (1964), 1, 16.
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d) Ergebnis des Exkurses Als Ergebnis des Exkurses kann also festgehalten werden, dass sich bei verwaltungswissenschaftlicher Analyse die Rechtsfigur des Planungserfordernisses als „Programmverbindung“ von konditionaler und finaler Programmierung darstellt. Damit ist jedoch noch nichts über die konkrete Zulässigkeit einer solchen Kombination ausgesagt. Diese soll anschließend im Rahmen der rechtlichen Begründung der Rechtsfigur untersucht werden. 2. Entwicklungslinien in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Im Folgenden soll zunächst die Entwicklung der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht für Vorhaben gem. § 35 II BauGB bzw. vormals § 35 II BBauG in der höchstrichterlichen Rechtsprechung dargestellt und die Entwicklungslinien dieser Rechtsfigur aufgezeigt werden. Diesbezüglich wird zu untersuchen sein, welchen Wandlungen die Rechtsprechung unterlag [a)–c)] und inwieweit die jeweils zugrunde liegenden Vorhaben und deren besondere städtebaulichen Konflikte eine Weiterentwicklung der Rechtsfigur bedingt haben [d)]. Hinzuweisen ist an dieser Stelle noch darauf, dass die Terminologie der subjektiv determinierten Erstplanungspflichten als Kategorisierung und Systematisierung dieser Arbeit zugrunde liegt, 32 während jedoch bei der Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung und der Diskussion in der Literatur auch die Begrifflichkeit des Bundesverwaltungsgerichts („Planungsbedürftigkeit“ 33/ „Erfordernis einer förmlichen Planung“ 34 / „Planungserfordernis“ 35) Verwendung findet, insbesondere soweit sie von den jeweiligen Gerichten/Autoren in ihren Darstellungen gewählt wurde. Dies stellt angesichts der dargestellten Austauschbarkeit der Begrifflichkeit keinen Widerspruch zum im ersten Kapitel gefundenen Ergebnis dar, da der Begriff der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht lediglich zusätzlich eine übergeordnete, systematisierende Komponente enthält. a) Entwicklung des Planungserfordernisses In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet sich die Konstruktion des Planungserfordernisses als eines „öffentlichen Belangs“ im Sinne 32 33 34 35
Siehe dazu bereits: 1. Kap. A.III.–IV. Z. B. in: BVerwG, NVwZ 84, 169 ff. Z. B. in: BVerwG, DVBl 1969, 359, 360. Z. B.: Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 1.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
des § 35 II BauGB erstmalig in der Entscheidung vom 29. 4. 1964. 36 Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, welcher als beabsichtigtes Vorhaben die Errichtung von mindestens 23 Wochenendhäusern auf einer Außenbereichsfläche von ca 23 000 m 2 zum Gegenstand hatte. Eher nebensächlich – die Entscheidung wurde gleichzeitig auf dem Vorhaben entgegenstehende Darstellungen des Flächennutzungsplans gestützt – stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass „schon die Tatsache, dass das umfangreiche Vorhaben ohne planerische Grundlage ausgeführt werden soll [ . . . ] für die Annahme, dass es öffentliche Belange beeinträchtigt“ spreche. Schmidt-Aßmann weist zu Recht darauf hin, dass in dieser Entscheidung noch keine Trennung zwischen dem abstrakten Planungserfordernis und den konkreten Planungsabsichten der Gemeinde erfolge und nicht hinreichend deutlich werde, ob das Planungserfordernis selbst den entgegenstehenden öffentlichen Belang ausmache oder diesen lediglich indiziere. 37 Des Weiteren war auch keine unmittelbare Begründung des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines solchen öffentlichen Belangs erkennbar. Eine Präzisierung erfolgte in der Entscheidung vom 22. 11. 1968: 38 Das Bundesverwaltungsgericht hatte über ein Siedlungsvorhaben im Außenbereich zu entscheiden, welches auf ca 95 000 m 2 mehrere, in ihrer Anzahl noch nicht genau abgrenzbare Ein- und Mehrfamilienhäuser vorsah. Auch diesem Vorhaben stand nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts das Erfordernis einer förmlichen Planung entgegen. So ließen sich Vorhaben von einer bestimmten Größe an lediglich ausführen, wenn eine Planung vorausgegangen sei, da ohne Planung durch die Gemeinde sonst allein aufgrund des Umfangs des Vorhabens eine private Planung durch den Vorhabensträger erfolgen müsse. Letztlich ließe die Planungshoheit der Gemeinde, hier in der Gestalt des entgegenstehenden Belangs eines Erfordernisses förmlicher Planung, nur die Alternative einer gemeindlichen Planung zur Ermöglichung des Vorhabens zu. Zur Begründung des öffentlichen Belangs eines Planungserfordernisses beruft sich das Bundesverwaltungsgericht somit auf zwei Argumente. Zum einen bedinge der Umfang bestimmter Vorhaben ein Planungserfordernis, wobei offen blieb, ab wann ein solcher Umfang anzunehmen sei. 39 Zum anderen stützte das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsfigur auf die kommunale Planungshoheit, welche durch das Planungserfordernis gesichert werde. 40 36 37 38 39
BVerwGE 18, 247, 252. Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 9. BVerwG, DVBl 1969, 359, 360. Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 115.
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Eine Bestätigung erfuhr diese bisherige Rechtsprechung durch die Entscheidung vom 7. 5. 1971, 41 welche bei einem nicht privilegierten Außenbereichswohnvorhaben auf einer Fläche von ca 20 000 m 2 aufgrund des vorgesehenen Umfangs ebenfalls eine förmliche Bauleitplanung als Zulässigkeitsvoraussetzung forderte. Zwar wurde nicht ausdrücklich auf die gemeindliche Planungshoheit Bezug genommen, allerdings war dies aufgrund des vollumfänglichen Verweises auf die vorausgehende Entscheidung auch nicht nötig. In gleicher Weise wurde in einer Entscheidung vom 1. 12. 1972 die Rechtsfigur des Planungserfordernisses bei einem beabsichtigten zehnfachen Wohnhochhausbaus von jeweils bis zu 19 Geschosse umfassenden Gebäuden auf einem ca. 19 000 m 2-Grundstück ohne weitere Begründung bestätigt. 42 Ebenfalls scheiterte ein 23 000 m 2 umfassendes Wohnvorhaben in der Entscheidung vom 14. 12. 1973 am Erfordernis förmlicher Planung aufgrund seines Umfangs, wobei zur Begründung gleichfalls auf Präjudizien verwiesen wird. 43 Der Anwendungsbereich des Planungserfordernisses wurde durch die Entscheidung vom 5. 7. 1974 erweitert. 44 So verwies das Bundesverwaltungsgericht pauschal auf vorangegangene Urteile zum Planungserfordernis, um die Unzulässigkeit nach § 35 II BBauG zu begründen. Eine anwendungsspektrumbezogene Erweiterung ist jedoch dahingehend festzustellen, dass erstmals das Planungserfordernis auf ein Industrievorhaben (60 ha Umfang) Anwendung fand, ohne dass eine spezifische Begründung für erforderlich gehalten wurde. 45 Eine Klarstellung, wie der eine subjektiv determinierte Planungspflicht begründende „Umfang“ eines Vorhabens zu ermitteln sei, lieferte die Entscheidung vom 14. 3. 1975. 46 Es ging um die Errichtung sanitärer Anlagen für einen Campingplatz. Obwohl die Sanitäranlage an sich nicht die notwendige „Größe“ aufweise, sei bezüglich des Planungserfordernisses auf den gesamten Zelt- und Campingplatz abzustellen, welcher nicht ohne förmliche Planung realisiert werden könne. Der pflichtbegründende „Umfang“ des Vorhabens wurde also nach dem Bundesverwaltungsgericht nicht durch die reine Größe der Bausubstanz ermittelt, sondern es fand eine wertende Betrachtung des Funktionszusammenhangs statt. Eine weitere Präzisierung der Voraussetzungen eines Planungserfordernisses lag der Entscheidung vom 13. 10. 1976 zugrunde. 47 Das Bundesverwaltungsgericht 40 41 42 43 44 45 46
Karlin, Planungserfordernis, S. 7. BVerwG, DVBl 1971, 588, 589. BVerwGE 41, 227, 236 f. BVerwG, Buchholz 406.11 § 19 BBauG Nr. 30, 41. BVerwG, BauR 1974, 311, 313. Fackler, Individualanspruch, S. 30. BVerwGE 48, 109, 117.
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stellte fest, dass das Instanzgericht zwar fehlerfrei im Rahmen einer stets gebotenen Einzelfallanalyse eine subjektiv determinierte Planungspflicht und folglich die Unzulässigkeit des Tankerweiterungsvorhabens festgestellt hatte. Jedoch wird allgemein dargelegt, dass zwar selbst große Erweiterungen nicht generell einem Planungserfordernis unterlägen, jedoch ebenso wenig das Gegenteil der Fall sei, so dass die Größe des Vorhabens als solche nicht die entscheidende Bezugsgröße für ein eventuelles Planungserfordernis darstelle. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den ersten 12 Jahren seit Begründung des öffentlichen Belangs eines Planungserfordernisses dieses argumentativ auf die kommunale Planungshoheit und den Umfang des Vorhabens zurückgeführt wurde. Die Reichweite der Rechtsfigur wurde dabei in einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung des Funktionszusammenhangs des Vorhabens ermittelt, ohne dass ausdrückliche, positive Kriterien zur Bestimmung aufgeführt wurden. b) Beschränkung des Planungserfordernisses auf die Notwendigkeit der Binnenkoordination In den folgenden Jahren erfuhr die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Modifikation dahingehend, dass bei der Beurteilung des Vorliegens einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht eine Unterscheidung zwischen der sog. Binnenkoordination und der sog. Außenkoordination zur Begründung eines Planungserfordernisses vorgenommen wurde. Erstmals finden sich diese neuen Argumentationsmuster in der Entscheidung vom 26. 11. 1976. 48 Diesem Fall lag ein Siedlungsvorhaben im Außenbereich zugrunde, wobei konkret 24 Reihenhäuser mit 28 Garagen und 9 Einstellplätzen genehmigt werden sollten. Das Bundesverwaltungsgericht berief sich unter Bezugnahme auf die bisherige Judikatur auf den öffentlichen Belang eines Planungserfordernisses, welcher vorliegend dem Vorhaben entgegenstehe. Jedoch erfolgte im Anschluss eine beachtliche Neuerung in der argumentativen Konstruktion dieser Rechtsfigur: Der Umfang eines Vorhabens, welcher ein Bedürfnis nach förmlicher Planung notwendig erscheinen lasse, sei nicht maßgeblich aus dem Verhältnis des Vorhabens zu seiner Umgebung, also der sog. „Einbettung“, zu ermitteln. Die Konstellationen, in welchen unüberwindbare Schwierigkeiten nach außen bestünden, bedürften nach dem Bundesverwaltungsgericht keines Planungserfordernisses, da diesbezüglich die dann berührten Belan47 48
BVerwG, Entsch. v. 13. 10. 1976, AZ: 4 B 149/76, JURIS, Rn. 7. BVerwG, NJW 1977, 1978, 1979.
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ge außerhalb des Vorhabens selbst ihrerseits bereits das Zulassungshindernis im Sinne des § 35 III BBauG darstellten. Vielmehr sei stattdessen aus dem Charakter der Bauleitplanung, welche sich durch einen komplexen Interessenausgleich auszeichne, ein spezifisches Koordinierungsbedürfnis für den sachgerechten Interessenausgleich der eigentliche Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Planungserfordernisses. Maßgebend zur Bestimmung des das Planungserfordernis bedingenden „Umfangs“ des Vorhabens seien folglich allein die Fragen, welche sich innerhalb des Vorhabens bezüglich eines notwendigen Interessenausgleichs stellten. 49 Zwar wird vom Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass eine Koordination auch bezüglich solcher Interessen und Belange nötig sein könne, welche außerhalb des Vorhabens liegen. Jedoch wird relativierend festgestellt, dass für das Planungserfordernis ein „erster und unmittelbarer Ansatz in der Koordinierung nach innen“ 50 liege, wenn die Koordinierung der „potentiell betroffenen Interessen nicht mehr – wie typischerweise bei einem einzelnen Gebäude – dem Bauherrn überlassen bleiben kann, sondern eine spezifisch planerische und für das Ergebnis auch gleichsam amtlich einstehende Abwägung erfordert“. Zur Begründung des Planungserfordernisses beruft sich das Gericht somit einerseits auf die Notwendigkeit einer öffentlich verantworteten Abwägung zur Legitimation des Vorhabens. Andererseits wird für den konkreten Fall ein Schutzgedanke zugunsten der späteren Einzeleigentümer der Reihenhäuser gegenüber dem Bauherrn fruchtbar gemacht: Die anstelle der Bauleitplanung sonst erfolgende Koordination durch den Vorhabensträger erfolge vor allem vor dem Hintergrund des Interesses an einer günstigen Verkäuflichkeit, so dass eine ausgewogene städtebauliche Planung im Sinne einer Binnenkoordination des Vorhabens vor allem im Interesse der späteren Käufer erforderlich sei. Festzuhalten bleibt auf jeden Fall, dass in der zitieren Entscheidung erstmals eine Unterscheidung zwischen der Außenkoordination, also dem Interessenausgleich vor dem Hintergrund der Einbettung des Vorhabens in seine Umwelt, und der Binnenkoordination, also dem Ausgleich der innerhalb des Vorhabens potentiell betroffenen Interessen, vorgenommen wurde. Offen blieb dabei jedoch, ob auch eine erforderliche Außenkoordination ein Planungserfordernis begründen kann, da einerseits relativierend nur ein Vorrang der Binnenkoordination („erster und unmittelbarer Ansatz“) bei gleichzeitiger Anerkennung der Außenkoordination statuiert wird, andererseits zuvor dargestellt wurde, dass Schwierigkeiten bei der Einbettung des Vorhabens kein Planungserfordernis begründen müssten, da die jeweils betroffenen Belange selbst dem Vorhaben entgegenstünden.
49 50
Karlin, Planungserfordernis, S. 9. BVerwG, NJW 1977, 1978, 1979.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Diese aufgezeigte Unterscheidung lag jedenfalls den folgenden Entscheidungen der nächsten Jahre zugrunde. So bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 11. 3. 1977 seine bisherige Rechtsprechung und führte aus, dass nicht allein die Grundstücksgröße von ca 15 000 m 2 bei einem 9 Wohnhäuser umfassenden Siedlungsvorhaben zur Begründung eines Planungserfordernisses ausreiche, sondern allein die in den vorausgegangenen Urteilen entwickelten Kriterien maßgebend seien, wonach vorliegend keine subjektiv determinierte Planungspflicht bestehe. 51 Eine Veränderung in der argumentativen Herleitung des Planungserfordernisses als öffentlichem Belang trat mit der Entscheidung vom 26. 10. 1979 ein. 52 Der bisherigen Begründung des Planungserfordernisses als einem letztlich auf die Planungshoheit der Gemeinden zurückzuführenden öffentlichen Belang wurde in Folge dieser Entscheidung, der selbst kein Sachverhalt zugrunde lag, welcher die Diskussion eines Planungserfordernisses notwendig erschienen ließ, der Boden entzogen. So stellte das Bundesverwaltungsgericht klar, dass ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 III BBauG allein für „inhaltlich konkretisierte“ Planungen in Betracht komme, was sich vor allem aus den Anforderungen der gesetzlich normierten Veränderungssperre als gesetzlichem Sicherungsinstitut für die Planungshoheit ergebe. Eine solche Veränderungssperre setze nach § 14 BBauG „ein Mindestmaß an Konkretisierung“ voraus. Der allgemeinen Planungshoheit komme somit schon nach der Konzeption des Gesetzes eindeutig keine derartige Bedeutung zu. Als Konsequenz aus dieser Entscheidung kam auch die Begründung des Planungserfordernisses mittels der kommunalen Planungshoheit in der Folgezeit nicht mehr in Betracht. 53 Abgestellt wurde vorerst allein auf das Koordinationsmodell. In der Entscheidung vom 12. 9. 1980 wurde der Fortfall der Planungshoheit zur Begründung des Planungserfordernisses noch einmal ausdrücklich bestätigt. 54 Mit Entscheidung vom 24. 10. 1980, 55 welche ein Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich zum Gegenstand des Verfahrens hatte, stellte das Bundesverwaltungsgericht beiläufig unter Bezug auf die Entscheidung vom 26. 11. 1976 – welche bezüglich des Verhältnisses von Außen- und Binnenkoordination nicht ganz eindeutig erschien – klar, dass ein Planungserfordernis ausschließlich für Vorhaben gem. § 35 BBauG und auch diesbezüglich nur im Falle der notwendigen Binnenkoordination anerkannt sei.
51 52 53 54 55
BVerwG, BauR 1977, 242, 243. BVerwG, NJW 1980, 1537, 1538. Bis zum Urteil vom 1. 8. 2002, BVerwGE 117, 25. BVerwG, BauR 1981, 54, 55. BVerwGE 61, 128, 133.
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Diese Klarstellung wurde jedoch mit der Entscheidung vom 18. 2. 1983, welche eine einzelne Windkraftanlage im Außenbereich als Vorhaben zum Gegenstand hatte, wieder relativiert: 56 Das Gericht wiederholte die Formulierung, wonach „der erste und unmittelbare Ansatz für ein Planungserfordernis [ . . . ] bei der Koordinierung nach innen liege“. Ob und unter welchen Umständen auch ein Bedürfnis aufgrund notwendiger Außenkoordination bestehe, könne vorliegend zwar dahinstehen. Dennoch traf das Bundesverwaltungsgericht die Aussage, dass allein die bloß abstrakte Möglichkeit der Interessenkollision bei der Einbettung des Vorhabens nicht für eine Notwendigkeit der Außenkoordination ausreichen könne, sondern es jedenfalls auf konkret konkurrierende Interessen oder Belange ankommen müsse. Des Weiteren ist die Entscheidung vor dem Hintergrund interessant, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein generelles Planungserfordernis für Windkraftanlagen abgelehnt wurde, wobei dies unter Bezugnahme auf eine fehlende Erforderlichkeit für einen Bebauungsplan im Sinne des § 1 III BBauG begründet wurde. Diese Vermengung von vorhabenzulassungsrechtlichen und planungsrechtlichen Überlegungen stellte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erstmals die strikte Unterscheidung gegenüber Planungspflichten im Sinne der § 1 III, IV BBauG bzw. BauGB in Frage. 57 In der Entscheidung vom 3. 6. 1983, 58 der eine Massentierhaltungsanlage als Vorhaben im Sinne des § 35 I BBauG zugrunde lag, traf der Senat vor allem Aussagen über die Anwendbarkeit des Planungserfordernisses bei privilegierten Vorhaben, die an dieser Stelle nicht dargestellt werden sollen. 59 Von Interesse ist allein, dass das Gericht auf die bisherige Rechtsprechung im Rahmen des § 35 II BBauG rekurrierte und feststellte, dass bislang allein ein Planungsbedürfnis aufgrund notwendiger Binnenkoordination anerkannt sei. In den folgenden Entscheidungen vom 6. 3. 1987 60 und vom 3. 4. 1987 61 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung, wonach lediglich eine planerisch zu bewältigende Binnenkoordination ein Planungsbedürfnis hervorrufen könne. In der zweiten Entscheidung wurde sogar die Errichtung eines Wochenendhauses auf einem 550 Wohnwagen und 11 Wohnhäuser umfassenden Gelände nicht als ein „umfangreiches Vorhaben“ im Sinne einer erforderlichen Binnenkoordination verstanden und ferner einer eventuell erforderlichen Außenkoordination „kein selbstständiger Erkenntniswert“ für das Vorliegen einer subjektiv 56 57 58 59 60 61
BVerwG, NJW 1983, 2716, 2717. Zu dieser Unterscheidung bereits: 1. Kap. A.III. BVerwG, NVwZ 1984, 169, 170. Siehe dazu: 2. Kap. A.II. BVerwG, BauR 1987, 422, 425. BVerwG, NVwZ 1988, 144, 145.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
determinierten Erstplanungspflicht beigemessen, da bereits andere „öffentliche Belange“ einschlägig gewesen seien. Unter bestätigender Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung verneinte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 3. 5. 1988 für ein einzelnes Vogelzuchtgebäude die Möglichkeit einer für ein Planungsbedürfnis allein maßgebenden Erforderlichkeit einer Binnenkoordination, da ein einzelnes Gebäude, selbst wenn dieses recht groß sei, eben schon begrifflich mangels kollidierender Binneninteressen bzw. -belange keine Koordination zu sich selbst erfordere. 62 Die Unbeachtlichkeit der Außenkoordination für das Planungserfordernis und die alleinige Berücksichtigung der Binnenkoordination innerhalb des Vorhabens wurde auch in den folgenden Entscheidungen zugrunde gelegt, so bei der Genehmigung eines Freisitzes für ein Sporthallenrestaurant, 63 bei einem Lebensmittelgeschäft (470 m 2) auf einem Bahnhofsgelände im Außenbereich, 64 bei der Erweiterung eines Zimmereibetriebs, 65 bei der Genehmigung von drei Windenergieanlagen 66 und bei der Teilungsgenehmigung für ein Segelzentrum mit sechs Gebäuden (40 000 m 2 Grundstück), 67 wobei in den genannten Entscheidungen deshalb jeweils ein Planungserfordernis abgelehnt wurde. Mit Entscheidung vom 3. 12. 1992 hatte das Bundesverwaltungsgericht angesichts eines Außenbereichswohnvorhabens von 400 Wohneinheiten für USStreitkräfte und deren Angehörige zwar eine grundsätzlich wegen notwendiger Binnenkoordination gegebene Planungsbedürftigkeit als entgegenstehenden öffentlichen Belang im Sinne des § 35 III BauGB angenommen, jedoch aufgrund § 37 II BauGB die Zulässigkeit in diesem speziellen Fall dennoch bejaht. 68 Im Ergebnis lässt sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zeitraum 1976 bis 1992 als eine feste Etablierung des Rechtsinstituts der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht verstehen. Nach anfänglichen Unklarheiten über die Berücksichtigung der Notwendigkeit einer planerisch zu bewältigenden Außenkoordination entwickelte sich eine ständige Praxis, wonach das Planungserfordernis ausschließlich im Rahmen von Vorhaben nach § 35 II BauGB aufgrund erforderlicher Binnenkoordination anzunehmen sei. Im Übrigen fand eine Verlagerung der argumentativen Herleitung der 62 63 64 65 66 67 68
BVerwG, BauR 1988, 576, 579. BVerwG, Beschl. v. 20. 10. 1988, AZ: 4 B 195/88, JURIS, Rn. 2. BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988, AZ: 4 C 48/86, JURIS, Rn. 52. BVerwG, Urt. v. 22. 6. 1990, NVwZ 1991, 64, 66. BVerwG, Beschl. v. 8. 2. 1991, AZ: 4 B 10/91, JURIS, Rn. 10. BVerwG, NVwZ-RR, 345, 345. BVerwG, Urt. v. 3. 12. 1992, AZ: 4 C 24/90, JURIS, Rn. 21.
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subjektiv determinierten Erstplanungspflicht von der Betonung der gemeindlichen Planungshoheit zur Begründung auf Grundlage der Sicherung einer öffentlich verantworteten Abwägung statt. 69 c) Wegfall der Unterscheidung Binnen-/Außenkoordination Mit Entscheidung vom 16. 6. 1994 zeichnete sich eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Verhältnisses der Außenkoordinationsnotwendigkeit zum Planungserfordernis bei § 35 III BauGB ab. 70 Gegenstand des Verfahrens war die Genehmigung einer einzelnen Windenergieanlage, welche jedoch durch eine Vielzahl weiterer paralleler Genehmigungsgesuche unter einem „Massendruck“ stand, so dass ein Planungsbedürfnis von der Genehmigungsbehörde geltend gemacht wurde. Zwar betonte das Bundesverwaltungsgericht den Vorrang der Binnenkoordination zur Auslösung eines Planungsbedürfnisses. Jedoch finden sich erhebliche Relativierungen bezüglich der Beachtlichkeit der Außenkoordination, welche nur noch „regelmäßig“ keiner förmlichen Planung bedürfe, da „grundsätzlich“ die in § 35 III BauGB genannten Belange (insbes. Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen, Naturschutz, Verbot der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart oder Erholungsfunktion der Landschaft) eine Außenkoordination ohne förmliche Planung gewährleisten könnten. Diese Formulierung lässt einerseits eine gewisse Anknüpfung an Formulierungen der Entscheidung vom 26. 11. 1976 71 erkennen – nur erfolgte nun erstmals eine detaillierte Prüfung eines Planungserfordernisses aufgrund notwendiger Außenkoordination als Ausnahme durch das Gericht. Im Rahmen dieser Prüfung entwickelte das Bundesverwaltungsgericht zudem eine strikte Trennung von Planungspflicht aus § 1 III BauGB und Planungserfordernis im Rahmen des § 35 III BauGB. 72 So begründe nicht jede Veranlassung einen Bebauungsplan aufzustellen (vorliegend aufgrund einer Vielzahl von Genehmigungsanträgen) ein Planungserfordernis, da gerade für die beabsichtigte Planung den Gemeinden spezifische Sicherungsmittel (§§ 14 ff. BauGB) zur Verfügung stünden, welche keiner erweiternden Auslegung des § 35 III BauGB bedürften. Eine subjektiv determinierte Planungspflicht wurde folglich abgelehnt. Die Entscheidung vom 5. 1. 1996 bestätigte diese Rechtsprechung. 73 Auch in diesem Fall ging es um die Genehmigung einer Windkraftanlage, welche in einer 69 70 71 72
So auch: Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 116. BVerwGE 96, 95, 107 ff.; BVerwG, NVwZ 1995, 64, 67 f. BVerwG, NJW 1977, 1978, 1979. Vgl. hierzu bereits: 1. Kap. A.III.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
unbeplanten Umgebung von mehr als 30 anderen Anlagen errichtet werden sollte. Das Gericht bestätigte den dargestellten Rechtsprechungswandel ausdrücklich und verwies darauf, dass, wie bereits entschieden, Windenergieanlagen auch bei „gehäufter“ Errichtung kein Planungserfordernis wegen nötiger Außenkoordination entgegenstehen könne, da dafür allein die Sicherungsmittel der §§ 14 ff. BauGB bestimmt seien. Nachdem somit bereits in zwei Entscheidungen der neunziger Jahre als Ausnahmefall zum grundsätzlichen Vorrang der Binnenkoordination Fragen der Außenkoordination im Zusammenhang mit dem Planungserfordernis Erörterung und Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht fanden, erfolgte durch die „Zweibrücken-Entscheidung“ vom 1. 8. 2002 eine umfassende Gleichstellung von Außen- und Binnenkoordination. 74 Die bisherige Rechtsprechung wurde explizit aufgegeben. Gegenstand des Verfahrens war die Anfechtung der Genehmigung für ein Factory-Outlet-Center – das Designer-Outlet Zweibrücken –, welches auf dem Gelände eines ehemaligen Militärflugplatzes errichtet werden sollte. Es war eine Flächennutzung von ca 48 000 m 2 genehmigt worden, welche eine Gesamtverkaufsfläche von 38 000 m 2 sowie diverse Erlebniseinrichtungen umfasste. Neben bedeutenden Aussagen zu den Rechtmäßigkeitsanforderungen einer Baugenehmigung im Hinblick auf § 33 BauGB, 75 verneinte das Bundesverwaltungsgericht eine Zulässigkeit nach § 35 II BauGB aufgrund eines entgegenstehenden Planungserfordernisses im Sinne des § 35 III BauGB, welches sich aus dem Bedürfnis nach planerischer Außenkoordination anlässlich dieses Vorhabens ergebe: Das Bundesverwaltungsgericht präzisierte zunächst die Herleitung des Planungserfordernisses als öffentlicher Belang im Sinne des § 35 III BauGB. Grundsätzlich sei die Genehmigungsfähigkeit im Außenbereich in Form eines Konditionalprogramms ausgestaltet. 76 Die Besonderheit des Planungserfordernisses im Verhältnis zu den anderen Belangen des § 35 III BauGB sei seine besondere Qualität dahingehend, dass es als Grenze des Konditionalprogramms fungiere, wenn „die in § 35 BauGB selbst enthaltenen Vorgaben nicht ausreichen, um i. S. des erwähnten Konditionalprogramms eine Entscheidung über die Zulässigkeit“ 77 zu treffen.
73
BVerwG, NVwZ 1996, 597, 598. BVerwGE 117, 25 = DVBl 2003, 62 ff. 75 Das Bundesverwaltungsgericht forderte für die formelle Planreife iSd § 33 I Nr. 1 BauGB zusätzlich, dass die Gemeinde unverzüglich die Voraussetzungen für das In-KraftTreten des Plans anstreben müsse; vgl. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 33, Rn. 7; Wurzel/ Probst, DVBl 2003, 197, 200; Nickel/Kopf , UPR 2003, 22, 22 f. 76 Zur Unterscheidung Konditional- und Finalprogramm siehe oben: 2. Kap. A.I.1. 77 BVerwG, DVBl 2003, 62, 63. 74
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Als unzureichend erweise sich die konditionale Programmierung, wenn ein Koordinierungsbedarf bestehe, welcher einen planerischen Ausgleich zwischen den jeweils berührten Belangen erfordere. Dieser Ausgleich könne jedoch allein nach Maßgabe der §§ 1 ff. BauGB erfolgen und folglich nicht im Rahmen eines Konditionalprogramms. Das Bundesverwaltungsgericht war im Folgenden an einer weiteren Präzisierung der Voraussetzungen des Planungserfordernisses bemüht. So erklärte es – unter Berufung auf das bereits dargestellte Urteil aus dem Jahr 1994 –, an der in der bisherigen Rechtsprechung vorgenommen Beschränkung der Rechtsfigur auf das Erfordernis einer Binnenkoordination sei nicht mehr festzuhalten. Vielmehr seien Probleme der „Einordnung des Vorhabens in seine Umgebung“, mithin solche der Außenkoordination, „zunächst“ zu berücksichtigen, was sogar als ein gewisser Vorrang der Außenkoordination verstanden werden kann. Als Anhaltspunkte für eine erforderliche Außenkoordination werden im Folgenden drei Gesichtspunkte herausgearbeitet. Zunächst lieferten die in § 35 III S. 1 BauGB genannten Belange wichtige Kriterien. Des Weiteren gelte dies auch für den Gesichtspunkt der Raumbedeutsamkeit des Vorhabens, welcher als gesetzliche Ausgestaltung auch § 35 III S. 2 BauGB zugrunde liege und damit mittelbar eine Koordinationsbedürftigkeit zu indizieren vermöge. Ferner sei es ein hinreichendes Kriterium für ein Planungserfordernis, wenn allein eine Abwägung (im gestaltenden Sinn) eine bodenrechtliche Koordination der Belange gewährleisten könne. Als einen speziellen Anwendungsfall dieses letzten Kriteriums bezeichnete das Bundesverwaltungsgericht das Bestehen eines „qualifizierten Abstimmungsbedarfs im Sinne des § 2 II BauGB“. Diese Begrifflichkeit und auch die zugrunde liegende Norm ist dem Planungsrecht entliehen und stellt einen Bruch zu der bislang angestrebten strikten Trennung zwischen Bebauungsrecht und Planungsrecht, wie sie insbesondere am Verhältnis der Planungspflicht aus § 1 III BauGB zum Planungserfordernis zum Ausdruck kam, dar. 78 Ein qualifizierter Abstimmungsbedarf zwischen Nachbargemeinden sei nach der „Krabbenkamp-Formel“ 79 anzunehmen, wenn die Planung als Folge „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ für eine Nachbargemeinde nach sich ziehen könnte. 80 Letztlich besteht die Funktion
78 Vgl. dazu die Ausführungen zur Unterscheidung Planungserfordernis/ Planungspflicht: 1. Kap. A.III. 79 BVerwGE 40, 323, 331. 80 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 22; Halama, DVBl 2004, 79, 79.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
dieser Formel im Schutz der kommunalen Planungshoheit, welche jedoch vom Bundesverwaltungsgericht zwischenzeitlich als argumentative Grundlage für die Rechtsfigur des Planungserfordernisses abgelehnt wurde. 81 Im Unterschied zur früher angenommenen Funktion der kommunalen Planungshoheit ist nunmehr jedoch ein Wechsel im Bezugsobjekt festzustellen. Sollte das Planungserfordernis nach alter Rechtsprechung vornehmlich dem Schutz der Planungshoheit der jeweiligen Vorhabensgemeinde dienen, so wird jetzt maßgebend auf die Planungshoheit der Nachbargemeinden abgestellt, welche einen bedeutsamen Belang innerhalb der Außenkoordination des Vorhabens darstellte. Zusammenfassend konnte also aufgezeigt werden, dass das Bundesverwaltungsgericht in der jüngsten Rechtsprechung die Beschränkung des Planungserfordernisses auf die Notwendigkeit der Binnenkoordination aufgegeben hat und Fragen der Außenkoordination einen hohen Stellenwert zukommen lässt. Zudem wurde die argumentative Herleitung der subjektiv determinierten Planungspflicht (wieder) um den Gedanken des Schutzes der Planungshoheit (vor allem derjenigen der Nachbargemeinden) erweitert und zudem die Unterscheidung von Konditionalund Finalprogrammen zur Funktionsbestimmung fruchtbar gemacht. d) Abhängigkeit der Rechtsprechungsentwicklung von den zu beurteilenden Vorhaben: Von Wohnsiedlungskomplexen über große Industrieansiedlungen/Windenergie bis zur Errichtung von FOC Zur besseren Einordnung der Rechtsprechungsentwicklung erscheint es sinnvoll, die jeweils hinter den Entscheidungen stehenden Bauvorhaben übergreifend zu betrachten, um zu untersuchen, inwieweit die jeweiligen Modifikationen durch die typischen Vorhabensprobleme bedingt sind. Dieser Ansatz wurde bereits den Arbeiten von Schmidt-Aßmann 82 und Karlin 83 zugrunde gelegt und er soll im Folgenden für die Darstellung der gesamten bisher erfolgten Rechtsprechung bis zur „Zweibrücken-Entscheidung“ fruchtbar gemacht werden. Das Bundesverwaltungsgericht entwickelte die Rechtsfigur des Planungserfordernisses in größere Wohnsiedlungsvorhaben betreffenden Entscheidungen. 84 Für diese Vorhaben kam vor allem unter Berücksichtigung des Schutzgedankens zugunsten künftiger Einzeleigentümer und vor dem Hintergrund diverser missratener Feriensiedlungsvorhaben der Rückgriff auf ein Planungserfordernis in Betracht, da das typische Konditionalprogramm im Rahmen der Baugenehmigung den be81 82 83 84
Siehe oben: 2. Kap. A.I.2.b). Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 16 ff. Karlin, Planungserfordernis, S. 21 ff. Karlin, Planungserfordernis, S. 21.
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teiligten Interessen und Belangen nicht ausreichend Rechung tragen konnte. 85 Ein Bedürfnis für eine komplexe Außenkoordination stellte sich bei Wohnnutzungen kaum, da der vornehmlich als Einbettungsfrage in Betracht kommende Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch die Nachbarschaft und der Gefahr von Splittersiedlungen im Rahmen des § 35 III BBauG bzw. BauGB ausreichend Rechnung getragen werden konnte, so dass sich die Beschränkung auf die Prüfung einer notwendigen Binnenkoordination sachlich anbot. Die wenigen Entscheidungen, welche Industrieanlagen oder Anlagen der Massentierhaltung zum Gegenstand hatten, brachten diesbezüglich keine wesentlichen Neuerungen. Auch hier stellen sich vornehmlich Einbettungsprobleme der § 35 III S. 1 Nr. 3, 5, 7 BauGB. So erschien die generelle Nichtberücksichtigung von Fragen der Außenkoordination folgerichtig, da keine im Rahmen des § 35 BauGB nicht angemessen zu bewältigenden Problemstellungen Gegenstand der Verfahren waren. 86 Im Zuge der verstärkten Nutzung der Windenergie veränderte sich die Problemlage unter planerischen Gesichtspunkten deutlich. So ist zu erkennen, dass schon in der Entscheidung vom 18. 2. 1983 die Problematik einer eventuell erforderlichen Außenkoordination aufgeworfen wurde. 87 In den neunziger Jahren erhöhte sich die Inanspruchnahme des Außenbereichs durch Windenergieanlagen deutlich, so dass sich die Behörden und Gerichte vielfach einer Situation gegenübersahen, in welcher das betreffende einzelne Vorhaben nach § 35 BauGB jeweils zulässig gewesen wäre, jedoch zeitgleich eine Vielzahl weiterer Genehmigungsgesuche gestellt wurden, so dass diese tief greifende Veränderung des Außenbereichs ohne Planung im Sinne einer öffentlich verantworteten Abwägung kaum zu rechtfertigen war. Insbesondere die vehemente Ablehnung der „Verspargelung der Landschaft“ als Eingriff in das Landschaftsbild durch Teile der Bevölkerung, sowie der Schutz von Anwohnern und einheimischen Vogelarten ließ ein hohes Konfliktpotential deutlich werden, 88 welches sich auf anderer Ebene beispielsweise in der Einfügung des § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB manifestierte. Dieser Veränderung trug 85
Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 17. Karlin (Planungserfordernis, S. 23 ff.) differenziert innerhalb der Industrieanlagen noch vor dem Hintergrund des Schutzgedankens künftiger Einzeleigentümer danach, ob das Industriegroßvorhaben später teilbar und isoliert nutzbar ist, oder ob es sich um eine einheitliche, untrennbare Anlage handelt. Diese Unterscheidung ist jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechungsentwicklung ohne Belang geblieben, da sich keine Entscheidungen finden, in denen diese Differenzierung gewinnbringend argumentativ geltend gemacht werden konnte. Zur Kritik Schmidt-Aßmanns (Planungserfordernis, S. 69), wonach die Binnenkoordination bei Industrieanlagen gerade kein tauglicher Anknüpfungspunkt sei, siehe unten: 2. Kap. A.I.5. 87 BVerwG, NJW 1983, 2716, 2717. 88 Taegen, DVBl 1994, 1146, 1146. 86
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die Rechtsprechung zunächst durch die aufgezeigte Relativierung des Ausschlusses der Außenkoordination für die Frage des Planungserfordernisses Rechnung. Zwar wurde stets betont, dass auch eine Häufung von Windenergieanlagen kein Planungserfordernis nach sich ziehe, sondern allein durch § 1 III BauGB in Verbindung mit den Sicherungsmitteln der §§ 14 ff. BauGB oder durch die Belange des § 35 III BauGB eine ausreichende Koordination erfolgen könne. Dennoch bestand aufgrund der damit implizit anerkannten ausnahmsweisen Beachtlichkeit der Außenkoordination eine gewisse Ausweitungstendenz. Die völlige Gleichstellung der Binnen- und Außenkoordination erfolgte dann durch die „Zweibrücken-Entscheidung“, welche wiederum einen neuartigen Vorhabenstyp zum Gegenstand hatte: Factory-Outlet-Center (FOC) 89 als Sonderform des großflächigen Einzelhandels werfen neben raumordnungsrechtlichen, verkehrsplanungstechnischen und emissionsschutzrechtlichen Problemstellungen ferner schwerpunktmäßig solche der interkommunalen Abstimmung auf. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund zu erwartender Kaufkraftabflüsse aus den Innenstädten und der Gefährdung der verbrauchernahen Versorgung. 90 Jene waren als Probleme der Außenkoordination auch nicht durch § 35 III BauGB zu bewältigen, da ihnen nur durch gestaltende Abwägung als Form des Interessenausgleichs im Rahmen einer förmlichen Planung angemessen Rechnung getragen werden kann. Dies wird bei FOC noch dadurch verstärkt, dass im Gegensatz zu Windenergie- und Industrievorhaben keine wehrfähigen Abwehrrechte einzelner Bürger gerichtlich geltend gemacht werden können, da der für diese vor allem relevante Wettbewerbsschutz nicht durch das öffentliche Baurecht gewährleistet wird, 91 so dass auch drohende Nachbarklagen keinen Anlass zu einer ausgewogenen Außenkoordination allein durch § 35 II BauGB bieten können. Im Ergebnis lässt sich somit feststellen, dass sich die Entwicklung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses maßgebend an den veränderten Problemstellungen bei der Vorhabenseinbettung als Folge neuer Außenbereichsnutzungen ausgerichtet hat und insoweit eine flexible Anpassung des Konditionalprogramms des § 35 BauGB an neuartige, komplexe Interessenkonflikte gewährleisten soll.
89 Zu Begriff und Erscheinungsformen vgl.: Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 191 ff.; Vogels/Will, Factory-Outlet-Center, S. 13 ff. 90 Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 206 ff. 91 Dazu: Uechtritz, in: Jarass, Abstimmung, 59, 63; Moench, in: FS Hoppe, 459, 471, Fn. 68.
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3. Keine Anerkennung des Planungserfordernisses als „öffentlicher Belang“ Nachdem die bisherige Rechtsprechung zur subjektiv determinierten Planungspflicht bei § 35 II BauGB aufgezeigt wurde, gilt es nun den Blick auf die inhaltlichrechtsdogmatische Begründung für diese Rechtsfigur zu richten. Als dogmatisch anspruchsvolle 92 und verlockende 93 Rechtsfigur ist das Planungserfordernis in der Literatur grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. Zur besseren Systematisierung dieser Kritik soll im Folgenden zunächst die generelle Argumentation gegen die Anerkennung eines Planungserfordernisses behandelt werden [a)], bevor alternative Lösungsansätze dargestellt und bewertet werden [b)]. a) Argumentation gegen Planungserfordernis (1) Unzulänglichkeit Eine generell ablehnende Argumentation gegen die Anerkennung des Planungserfordernisses als öffentlichem Belang im Sinne des § 35 III BauGB lässt sich zunächst auf Grundlage einer behaupteten Unzulänglichkeit dieser Rechtsfigur führen. So finden sich kritische Anmerkungen, welche die Unzulänglichkeit einer subjektiv determinierten Planungspflicht gerade für kleinere und mittlere Gemeinden behaupten, da diese oftmals nicht in der Lage wären, die aufwendigen Planaufstellungsprozesse durchzuführen und somit von der Ansiedlung von Großvorhaben de facto ausgeschlossen wären. 94 Ferner sei die Durchführung eines bauplanungsrechtlichen Planungsverfahrens praktisch entbehrlich, da die jeweils zu leistende Koordination im Rahmen spezieller Genehmigungsverfahren (z. B. nach §§ 4 ff. BImSchG) sachgerechter erfolge. 95
92 Vgl. als Beleg allein den Exkurs zur Verknüpfung von finaler und konditionaler Programmierung durch das Planungserfordernis: 2. Kap. A.I.1. 93 Fackler (Individualanspruch, S. 47) stellt eine Tendenz der Rechtsprechung zur primären Behandlung des Planungserfordernisses als „Begriffshülse für allerlei planerische Desiderate“ fest, welche herangezogen werde, um die oftmals schwerer zu handhabenden sonstigen öffentlichen Belange des § 35 III BauGB keiner eingehenden Prüfung unterziehen zu müssen. 94 Schmidt, Großvorhaben, S. 104. 95 Ottmann, BauR 1979, 297, 299; Schmidt, Großvorhaben, S. 103; dieses Argument, wenn auch nicht mit der Konsequenz der Ablehnung, sondern der Erweiterung des Planungserfordernisses als u. U. landes- oder regionalplanerisches Ausweisungsgebot, findet sich ebenfalls bei Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 17 f. u. S. 62.
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Diese Argumentation erweist sich jedoch als nicht stichhaltig. So besteht gerade für kleinere und mittlere Gemeinden die Möglichkeit der Vorhabenzulassung über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (§ 12 BauGB), bei welchem durch vertragliche Übernahme der Aufwand und die Kosten für Planung und Erschließung beim Vorhabensträger anfallen und somit die Gemeinde merklich entlastet werden kann. 96 Durch diese Gestaltungsvariante, aber auch durch die Möglichkeit der Gemeinden, selbstständig größere Planungsbüros zu beauftragen, erscheint die Annahme eines faktischen Ansiedlungsausschlusses für kleinere Gemeinden nicht tragfähig. Ferner muss beachtet werden, dass durch die Anerkennung des Planungserfordernisses noch nichts über die notwendige Planungsebene gesagt ist, so dass insbesondere kleinere Gemeinden auch durch raumordnungsrechtliche Ausweisungen – vor allem vor dem Hintergrund des § 35 III S. 2 2. HS BauGB 97 – entlastet werden können. Auch geht der Verweis auf die Koordinierungsfähigkeit anderer Genehmigungsverfahren fehl. Jene Wohnvorhaben, welche Grundlage für die Entwicklung der Rechtsfigur durch das Bundesverwaltungsgericht waren, unterliegen eben gerade keinen weiteren Genehmigungserfordernissen, so dass keine andere Koordinationsebene – selbst bei Beschränkung auf die Binnenkoordination – besteht. Zudem ist es auch nicht möglich, den vom Bundesverwaltungsgericht in den jüngsten Entscheidungen in den Vordergrund gestellten Schutz der Nachbargemeinden über § 2 II BauGB, der eine planerisch, gestaltende Abwägung an Stelle einer bloßen Zulassungsentscheidung fordert, in einem anderen Genehmigungsverfahren zu gewährleisten. Diese lassen zwar die Möglichkeit einer Berücksichtigung immissions- und naturschutzrechtlicher entgegenstehender Belange zu; dies gilt jedoch nicht für den speziellen städtebaulichen Gesichtspunkt des Schutzes der kommunalen Planungshoheit, also wenn es beispielsweise um die Gefährdung der verbrauchernahen Versorgung in den Nachbargemeinden als Folge von Kaufkraftabflüssen geht. Diese Gesichtspunkte zeigen, dass vor dem Hintergrund des „Planmäßigkeitsprinzips“ des § 1 I BauGB 98 ein Konflikttransfer von städtebaulichen Kernfragen in andere Regelungsbereiche jenseits des öffentlichen Baurechts nicht zu rechtfertigen ist. (2) Rechtliche Unzulässigkeit Eine Ablehnung des Planungserfordernisses mit der Begründung, es handele sich bei § 35 II BauGB – vergleichbar der Debatte bei § 35 I BauGB 99 – um einen gesetzlichen Planersatz, welcher ein Bedürfnis nach „anderer“ Planung 96
Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 12, Rn. 3. Vgl. dazu: 2. Kap. A.IV. 98 Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 90; Krautzberger, in: Battis/ Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 14. 97
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schon begrifflich ausschließe, kommt evident nicht in Betracht, da es § 35 II BauGB unstreitig an jeglicher positiver Zuweisungsfunktion als Vorraussetzung der Planähnlichkeit fehlt. 100 Eingehender Betrachtung bedarf jedoch die von Karlin geäußerte grundsätzliche Ablehnung des Planungserfordernisses aus methodologischen und grundrechtlichen Erwägungen. 101 Karlins Kritik fußt wesentlich auf einer behaupteten mangelnden rechtlichen Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit des öffentlichen Belangs eines Planungserfordernisses. Dieser Maßstab sei an das Planungserfordernis anzulegen, da zum einen jede Auslegung der „öffentlichen Belange“ im Sinne des § 35 III BauGB als Inhaltsund Schrankenbestimmung der grundrechtlich durch Art. 14 GG gewährleisteten Baufreiheit ihrerseits verhältnismäßig und mithin auch erforderlich sein müsse. 102 Zum anderen handele es sich bei der Bestimmung der unbenannten „öffentlichen Belange“ um „gesetzeskonkretisierendes Richterrecht“ 103, welches unzulässig sei, wenn für eine richterliche Konkretisierung kein Bedarf bestehe, da eine Problemlösung auch so bereits garantiert sei. 104 Der Fortfall dieser auf Grundlage der Methodenlehre geforderten „Notwendigkeit“ bzw. Erforderlichkeit, 105 liege also vor, wenn die benannten öffentlichen Belange jeden denkbaren Fall bereits hinreichend erfassten. Von diesem argumentativen Rahmen ausgehend untersucht Karlin die Problemlösungsfähigkeit der bislang anerkannten „Belange“ bei Vorhaben, welche ein Planungserfordernis auszulösen vermögen: Dabei stellt er zunächst dar, dass bezüglich eines Planungserfordernisses aus Gründen der Binnenkoordination die „Splittersiedlungsklausel“ des § 35 III S. 1 Nr. 7 BauGB hinreichende Problemlösungen leiste, da sie in seinem Verständnis als allgemeines Zersiedelungsverbot praktisch jedem Großvorhaben generell entgegenstehe, so dass immer geplant werden müsse und somit die Binnenkoordination generell gewährleistet sei. 106
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Siehe unten: 2. Kap. A.II. So auch Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 140. 101 Karlin, Planungserfordernis, S. 224 ff. 102 Karlin, Planungserfordernis, S. 72. 103 Zum Begriff: Ipsen, Richterrecht, S. 63 ff. 104 Karlin, Planungserfordernis, S. 78 f.; diesen Ansatz ebenfalls verwendend: Grooterhorst, UPR 1986, 251, 251 f., allerdings mit anderem Endergebnis (s. u.). 105 Zum synonymen Gebrauch von „Erforderlichkeit“ und „Notwendigkeit“ vgl. nur: Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 279 ff. 106 Karlin, Planungserfordernis, S. 160 u. S. 214 f. 100
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Bezüglich einer eventuell erforderlichen Außenkoordination sei durch den Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ in § 35 III S. 1 Nr. 3 BauGB das lückenlose Entscheidungsprogramm des BImSchG ausgelöst, welches die Vorsorge für Konflikte bei divergierenden Außenbereichsnutzungen ausreichend gewährleiste, so dass bei Großvorhaben daneben kaum planerischer Bedarf bestehe. 107 Im Übrigen sei die Außenkoordination auch durch den allgemeinen öffentlichen Belang des „Gebotes der Rücksichtnahme“ für jeden Fall erschöpfend gewährleistet, da durch diese Rechtsfigur nicht lediglich der Schutz vor Immissionen, sondern auch vor anderen nicht vom BImSchG erfassten Beeinträchtigungen gewährleistet sei. 108 Sollten dennoch im Einzelfall Belange nicht vom Rücksichtnahmegebot erfasst sein, so könne ihnen im Rahmen von Auflagen gem. § 36 VwVfG Rechnung getragen werden, so es sich überhaupt um städtebaulich relevante Koordinierungsbedürfnisse handele, was von Karlin für den seines Erachtens vornehmlich in Frage stehenden Bereich des Arbeitsschutzes entgegen dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 1 VI Nr. 1 BauGB verneint wird. 109 Folglich kommt Karlin zu dem Schluss, dass auch ohne Anerkennung eines Planungserfordernisses im Einzelfall eine ausreichende Gewähr für eine geordnete städtebauliche Entwicklung bestehe, so dass diese Rechtsfigur nicht erforderlich sei und folglich sowohl „gegen die Anforderungen der rechtswissenschaftlichen Methodenlehre an die Zulässigkeit gesetzeskonkretisierenden Richterrechts als auch gegen die verfassungsrechtlichen Grenzen, die Art. 14 GG jeder Bebauungsregel setzt“, verstoße. 110 Dieser Argumentation ist indes nicht zu folgen. Sowohl der argumentative Rahmen, als auch die konkrete Betrachtung des § 35 III BauGB unterliegen grundlegenden Bedenken: Zunächst erscheint bereits der Ansatz über die vermeintlichen methodologischen Anforderungen zweifelhaft. Im Bereich des Richterrechts eine derart strikte Schranke der Notwendigkeit einer Gesetzeskonkretisierung zu statuieren, ist wenig tragfähig. So hat Schmidt-Aßmann zu Recht darauf hingewiesen, dass im Bereich des Richterrechts eine klare Grenzziehung nicht erwartet werden kann. 111 Noch zweifelhafter wird die Wahl dieser Schranke durch die Parallelisierung zur Erforderlichkeitsprüfung bei Art. 14 GG. Karlin untersucht nämlich einheitlich die Erforderlichkeit des Planungsbedürfnisses als Inhalts- und Schrankenbestimmung 107 108 109 110 111
Karlin, Planungserfordernis, S. 179 f. Karlin, Planungserfordernis, S. 185 f. Karlin, Planungserfordernis, S. 216 f. Karlin, Planungserfordernis, S. 223. Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26, Rn. 66.
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im Sinne des Art. 14 GG 112 und als methodologische Anforderung, so dass er sichtlich von einer inhaltlichen Identität des Prüfungsmaßstabs ausgeht. Dem ist insoweit vom Wortsinn nichts entgegenzusetzen, wird doch in der Literatur vielfach Erforderlichkeit und Notwendigkeit synonym verwendet. 113 Jedoch müsste dann auch das aus der allgemeinen Grundrechtslehre gebräuchliche Verständnis des Erforderlichkeitsgrundsatzes einheitlich zugrunde gelegt werden, welches im Sinne eines „Interventionsminimums“ 114 fordert, dass es kein milderes, gleich wirksames Alternativmittel gibt. 115 Zugrundezulegen ist somit für die Erforderlichkeit in diesem Verständnis die Außenwirkung – vor allem für den betroffenen Grundrechtsträger – und jene ist vorliegend vollkommen identisch, 116 egal ob Vorhaben nun an unbenannten oder ausdrücklich benannten Belangen im Sinne des § 35 III BauGB scheitern, da die rechtliche Wirkung für die Vorhabenzulassung in beiden Fällen gleichartig über die „öffentlichen Belange“ erfolgt. Vielmehr macht es für die Betroffenen keinen Unterschied, ob ihr Vorhaben wegen Verstoßes gegen einen oder mehrere „öffentliche Belange“ nicht genehmigt wird, so dass die belastende Wirkung – gerade bei materieller Überschneidung bzw. Identität zwischen den einzelnen Belangen – gleich bleibt. Insoweit müsste bei folgerichtiger Ausfüllung des von Karlin gewählten Argumentationsrahmens festgestellt werden, dass das Planungserfordernis jedenfalls weder belastender, noch weniger wirksam sein kann und mithin nicht mangels Erforderlichkeit abzulehnen ist. Die bloße Effizienzüberprüfung, wie sie Karlin in seiner Arbeit stattdessen vornimmt, vermag auf jeden Fall schon bei abstrakter Betrachtung keine Unzulässigkeit des Planungserfordernisses im rechtlichen Sinn zu begründen. Doch selbst die materielle Untersuchung mit dem Ergebnis der Unzweckmäßigkeit des Planungserfordernisses vermag inhaltlich ihrerseits nicht zu überzeugen. Zwar ist zuzugeben, dass die Splittersiedlungsklausel des § 35 III S. 1 Nr. 7 BauGB in den meisten Fällen eine Sperrwirkung entfaltet, welche wiederum ausschließlich durch gemeindliche Bauleitplanung überwunden werden kann und folglich dem Planungserfordernis nahe kommt. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Vielmehr
112 Die hoch umstrittene Begründung der Baufreiheit aus Art. 14 GG bedarf für die Auseinandersetzung mit der Argumentation Karlins vorliegend keiner Vertiefung; vgl. dazu Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 7 m. w. N. 113 Vgl. Dreier, in: Dreier, Vorb., Rn. 148; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 279 ff. 114 Dreier, in: Dreier, Vorb., Rn. 148. 115 Clemens, in: Umbach/Clemens, Vor Art. 2 ff., Rn. 78; Sachs, in: Sachs, Art. 20, Rn. 152; von Münch, in: vMünch/Kunig, Vorb. Art. 1–19, Rn. 55; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 285. 116 Zumindest wenn man die von Karlin behauptete ergebnisgleiche Problemlösung über andere öffentliche Belange jenseits des Planungserfordernisses für jeden Einzelfall zunächst unterstellt. Zur Kritik an dieser Annahme siehe die folgenden Absätze.
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kann die Splittersiedlungsklausel einem Vorhaben nicht entgegengehalten werden, wenn es sich um die typische, herkömmliche Siedlungsform in einer Gemeinde handelt. 117 Ferner kann theoretisch die bloße Erweiterung eines Vorhabens im Außenbereich aufgrund organischer Unterordnung zum bestehenden Großvorhaben keine weitergehende Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen, 118 sehr wohl aber im Einzelfall ein Bedürfnis nach Binnenkoordination innerhalb der Gesamtanlage hervorrufen. Mag es sich bei diesen Einwendungen auch um krasse Ausnahmefälle handeln, so zeigen sie dennoch, dass nicht jedes vom Planungserfordernis erfasste Vorhaben zwingend an der Splittersiedlungsklausel scheitern muss. Folgerichtig kommt auch Grooterhorst im Rahmen des gleichen methodischen Vorgehens zu dem Ergebnis, dass jedenfalls für die Notwendigkeit der Binnenkoordination keine gesetzliche Regelung in den § 35 III BauGB zu finden sei, und folglich ein Bedürfnis für gesetzeskonkretisierendes Richterrecht bestehe. 119 Gleiches gilt für § 35 III Nr. 3 BauGB, da „schädliche Umwelteinwirkungen“ nach der Legaldefinition in § 3 I BImSchG lediglich Immissionen berücksichtigen, und somit diesbezüglich nicht die umfangreiche Außenkoordination des Planungserfordernisses, insbesondere im Verhältnis zu Nachbargemeinden vor dem Hintergrund der Sicherung der verbrauchernahen Versorgung, zu leisten ist. ZuletztvermagauchderVerweisaufdasallgemeine„GebotderRücksichtnahme“, welches das Planungserfordernis obsolet erscheinen lasse, nicht durchzugreifen. Zwar gilt für diesen öffentlichen Belang nicht die Beschränkung auf Immissionen wie bei § 35 III Nr. 3 BauGB, der als spezielle Ausprägung des Rücksichtnahmegebotes eingeordnet wird. 120 Allerdings wird jenes Gebot von Karlin als unbenannter „öffentlicher Belang“ im Sinne des § 35 III BauGB verstanden, 121 so dass es sich bei Zugrundelegung seines eigenen Argumentationsmusters um gesetzeskonkretisierendes Richterrecht handelt. Mithin kommt dem „Gebot der Rücksichtnahme“ keine andere Qualität zu als dem Planungserfordernis, und eine Sperrwirkung innerhalb gleichartigem Richterrecht kann nicht angenommen werden, da jedenfalls eine Möglichkeit der richterrechtlichen Präzisierung bestehen muss. Diese Einzelanalyse zeigt folglich, dass auch die inhaltliche Argumentation seitens Karlins – jenseits der grundsätzlichen Vorbehalte gegen die gewählte 117 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 109; Dürr, in: Brügelmann, § 35 [Lfg.: 42./59.], Rn. 100; als anschauliches Beispiel für eine überkommene Splittersiedlungsstruktur werden die niedersächsischen Moordörfer genannt. 118 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 67a. 119 Grooterhorst, UPR 1986, 251, 254. 120 Konrad, in: Schiwy, § 35, S. 58; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 55. 121 Karlin, Planungserfordernis, S. 180 ff.
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Argumentationsstruktur – keine mangelnde Notwendigkeit des Planungserfordernisses nachzuweisen vermag. Im Ergebnis greift die Kritik Karlins also nicht durch, da sie in sich unschlüssig ist und ferner im Rahmen der Argumentation die besondere Bedeutung des § 2 II BauGB für das Planungserfordernis vor dem Hintergrund der nachbargemeindlichen Außenkoordination nicht hinreichend berücksichtigt. Die bisherige Diskussion hat somit ergeben, dass eine allgemeine Ablehnung der subjektiv determinierten Planungspflicht als Rechtsfigur negatorisch nicht ausreichend begründet werden kann und zwar weder als rechtliche Unzulässigkeit noch als Unzulänglichkeit. b) Alternative Lösungsmodelle Nachdem nunmehr ausreichend geklärt ist, dass keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Anerkennung des Planungserfordernisses bestehen, muss jedoch die Frage der Zweckmäßigkeit der Rechtsfigur positiv dahingehend erörtert werden, ob nicht alternative Lösungsmodelle bessere Problemlösungen erwarten lassen. (1) Art. 28 II GG / Planungshoheit als „öffentlicher Belang“ Die Erforderlichkeit des Planungsbedürfnisses als öffentlichem Belang wird in der Literatur mit der Begründung bezweifelt, schon die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 II GG bzw. die durch selbige gewährte kommunale Planungshoheit 122 stehe den Vorhaben unmittelbar entgegen, so dass es eines Rückgriffs auf ein Planungserfordernis nicht bedürfe. 123 Zur Begründung lässt sich auf die anfängliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweisen, welche „letztlich“ die Planungshoheit als Grundlage der Rechtsfigur nannte. 124 Diesbezüglich ist jedoch festzustellen, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Folgezeit mehrfach ausdrücklich entschieden hat, dass die Planungshoheit der Gemeinden als solche keinen öffentlichen Belang im Sinne des § 35 III BauGB darstellt. 125 Dies ergebe sich schon vergleichend daraus, dass für die Veränderungs122 Die Problematik, inwieweit die kommunale Planungshoheit zum unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 II GG gehört, kann vorliegend dahinstehen, da jedenfalls auch sonstige Beschränkungen rechtfertigungsbedürftig sind; vgl. zum Problem Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 20 m. w. N. 123 Zuletzt Nickel/Kopf , UPR 2003, 22, 24; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 336 f.; Uechtritz, BauR 1999, 572, 577; Brocke, Rechtsfragen Standortvorsorge, S. 123 f. 124 BVerwG, DVBl 1969, 359, 360.
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sperre nach § 14 BauGB ein gewisses Maß an Konkretisierung vorausgesetzt sei, so dass der abstrakten Planungshoheit kein derartiges Gewicht in der Vorhabenzulassung zukommen könne. 126 Zwar kann die Schutzwirkung des Planungserfordernisses für die Planungshoheit nicht deutlich genug betont werden, jedoch handelt es sich dabei – wie Weyreuther zutreffend dargestellt hat 127 – um eine bloße Funktion und nicht die alleinige Begründung des Planungserfordernisses, da jenes Rechtsinstitut gerade im Spannungsverhältnis zwischen Planungshoheit der Vorhabensgemeinde, Planungshoheit der Nachbargemeinden und Rechtspositionen der betroffenen Eigentümer/ Vorhabensträger begründet ist und nicht einseitig fundiert werden kann. Das Planungserfordernis gewährleiste darüber hinaus die öffentliche Verantwortung gegenüber Privaten, 128 welche von Schmidt-Aßmann als „planungssystematische Wirkung“ des Instituts bezeichnet wird, und der die einseitige Herleitung aus der Planungshoheit nicht gerecht werde. 129 Zudem wäre bei Beschränkung auf die kommunale Planungshoheit die Betonung der Binnenkoordination nicht schlüssig zu begründen, da für die Planungshoheit vornehmlich Fragen der Außenkoordination relevant würden. 130 Eine Ersetzung des Planungserfordernisses durch einen unmittelbaren Rückgriff auf Art. 28 II GG bzw. die Planungshoheit der Gemeinde ist folglich abzulehnen. (2) Unmittelbarer Rückgriff auf § 2 II BauGB Eine andere Auffassung will die dem Planungserfordernis zugrunde liegenden Fälle mit Hilfe eines unmittelbaren Rückgriffs auf § 2 II BauGB ohne die Rechtsfigur des Planungserfordernisses lösen. (a) § 2 II BauGB als eigener Rechtmäßigkeitsmaßstab Teilweise wird dazu angenommen, § 2 II BauGB könne als Abwehrrecht unmittelbar gegen die jeweilige Einzelgenehmigung geltend gemacht werden. 131 Dies wird teleologisch damit begründet, dass das Abstimmungsgebot der planenden Gemeinde über die engere Bauleitplanung hinaus verbiete, durch andere Maßnahmen Weichen für die Zulassung eines Vorhabens zu stellen, welches für sich eine interkommunale Abstimmung notwendig erscheinen lasse. 132 Diese Konstruktion 125
BVerwG, NJW 1980, 1537, 1538; BVerwG, BauR 1981, 54, 54; BVerwG, NJW 1983, 2713, 2715; BVerwG, NJW 1983, 2716, 2717. 126 Dürr, in: Brügelmann, § 35 [Lfg.: 42.], Rn. 81; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 113. 127 Weyreuther, DVBl 1981, 369, 373; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 353. 128 Fackler, Individualanspruch, S. 33. 129 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 15 f. 130 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 16.
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über den „Umgehungsgedanken“ hätte den Vorteil, dass unabhängig von der Lage des abstimmungsbedürftigen Vorhabens einheitlich gem. § 2 II BauGB vorgegangen werden könnte, ohne dass eine An- oder Einpassung der Notwendigkeit interkommunaler Abstimmung in die §§ 30 ff. BauGB erforderlich wäre. Indes ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Die zur Unterstützung zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 133 sind nicht eindeutig. 134 In der jüngsten Entscheidung betreffend das Designer-Outlet Zweibrücken kam § 2 II BauGB nur über die Rechtsfigur des Planungserfordernisses zum Tragen, 135 so dass insoweit eine Klarstellung erfolgte. 136 Der Wortlaut und die systematische Stellung der Vorschrift im Recht der Bauleitplanung lassen eine Auslegung als Rechtmäßigkeitsanforderung für Einzelvorhaben nicht zu. 137 Die muss insbesondere gelten, wenn man wie die Rechtsprechung bemüht ist, die Maßstabsnormen der §§ 30 ff. BauGB von weiteren Genehmigungsschranken jenseits der unmittelbaren Zulassungstatbestände freizuhalten. 138 Im Übrigen kann diese Konstruktion nicht erklären, warum bei Nichtidentität von Planungsträger und Baugenehmigungsbehörde letztere, welche unstreitig nicht Normadressat des § 2 II BauGB ist, keine Genehmigung erteilen dürfen soll, da das gemeindliche Einvernehmen seitens der Gemeinde gem. § 36 II S. 1 BauGB nicht wegen § 2 II BauGB als Prüfungsmaßstab versagt werden kann, und der Gemeinde folglich in Ermangelung eines eigenen Spielraums keine „Umgehung des § 2 II BauGB“ als konkrete Handlung vorgeworfen werden kann. 139 Zuletzt muss vor dem Hintergrund der Änderungen des EAG Bau 2004 der neue § 34 III BauGB betrachtet werden: Der Gesetzgeber ging ersichtlich davon aus, dass § 2 II BauGB nicht selbstständig dem Vorhaben entgegengehalten werden
131 Jahn, BayVBl 2000, 267, 269; Jahn, GewArch 2002, 412, 413 f.; Gronemeyer, ZfIR 2001, 767, 768; Uechtritz, NVwZ 2003, 176, 177; wohl auch: Wagner, BWGZ 1999, 62, 65; unklar: Schrödter, in: Schrödter [6. Aufl.], § 2, Rn. 48. 132 Jahn, GewArch 2002, 412, 413; Kuschnerus, in: Jarass, Abstimmung, 1, 17. 133 BVerwGE 84, 209, 214 ff.; BVerwG, NVwZ 1994, 285, 288. 134 Dies aufzeigend: Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1026 f. 135 BVerwGE 117, 25; siehe eingehender: 2. Kap. A.I.2.c) u. 2. Kap. A.I.6.b). 136 Dies belegt auch der Aufsatz des damaligen Richters im 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts Halama, welcher ausdrücklich die §§ 29 ff. BauGB als alleinigen Rechtmäßigkeitsmaßstab betrachtet; vgl. Halama, DVBl 2004, 79, 79. 137 Uechtritz, BauR 1999, 572, 576. 138 Uechtritz, NVwZ 2003, 176, 179, der als Beleg für diese Tendenz die Rechtsprechung zum „Rücksichtnahmegebot“ anführt, welches ebenfalls in die einzelnen Zulassungstatbestände der §§ 30 ff. BauGB hineingelesen werde und nicht als allgemeine Genehmigungsschranke verstanden werde. 139 Ähnlich auch Uechtritz, BauR 1999, 572, 576, der jedoch seiner Argumentation den Fall des unrechtmäßig übergangenen Einvernehmens zugrunde legt.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
kann, da sonst die schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche als einer der Hauptanwendungsfälle des § 2 II BauGB nicht in einem gesonderten Absatz für den unbeplanten Innenbereich hätten aufgenommen werden müssen. 140 Insoweit wird in der Kommentarliteratur zu Recht von einer „Parallelbestimmung zu § 2 II BauGB“ 141 gesprochen. 142 Die gesetzliche Konzeption spricht also gegen die unmittelbare Anwendung von § 2 II BauGB, so dass auch dies dem teleologisch begründeten „Umgehungsgedanken“ entgegengehalten werden muss. Eine Lösung der Fälle des Planungserfordernisses über eine Anwendung des § 2 II BauGB als direktem Rechtmäßigkeitsmaßstab scheidet somit aus den genannten Gründen aus. (b) § 2 II BauGB als „öffentlicher Belang“ Eine andere Meinungsgruppe will § 2 II BauGB indirekt als „öffentlichen Belang“ im Rahmen des § 35 III BauGB berücksichtigen, so dass deshalb ein Rückgriff auf das Planungserfordernis entbehrlich sei. 143 So hat vor allem das OVG Rheinland-Pfalz betreffend der Genehmigung des Designer-Outlets Zweibrücken als Instanzgericht entschieden, dass § 2 II BauGB als „öffentlicher Belang“ mit der Maßgabe zur Anwendung komme, dass die getroffene Entscheidung im Ergebnis die Grenzen des nachbargemeindlichen Abstimmungsgebots verletze, wenn das Vorhaben zu unzumutbaren Auswirkungen für die Nachbargemeinde führe. 144 Nach dieser Auffassung führt also nicht jeder Fehler im Abwägungsvorgang – also für diesen Fall die unterbliebene Abstimmung als solche –, sondern nur materielle Fehler im Abwägungsergebnis zu einer Beeinträchtigung von § 2 II BauGB im Fall der Anwendung auf § 35 III BauGB. Andere Befürworter der Anwendung des interkommunalen Rücksichtnahmegebots stimmen der grundsätzlichen Berücksichtigung im Rahmen des § 35 III BauGB zu, halten jedoch die Differenzierung bezüglich der Anforderungen des 140
Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1027. Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 6. 142 So i. E. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 2 [Lfg.: 75.], Rn. 103. 143 Jochum, BauR 2002, 1480, 1482; Reidt, BauR 2002, 562, 566; Wurzel/Probst, DVBl 2003, 197, 199; Otting, DVBl 1999, 595, 597; Büchner, ZfBR 2003, 538, 539 u. 544; OVG RP, BauR 2002, 577, 582; nur bei Vorhaben iSd § 35 I BauGB: Bracher, in: Gelzer/Bracher/ Reidt, Rn. 2218; unklar insoweit Söfker (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 2 [Lfg.: 75.], Rn. 103), der die „Zweibrücken-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts als Anerkennung des öffentlichen Belangs eines Abstimmungserfordernisses versteht und dabei übersieht, dass § 2 II BauGB in der dortigen Argumentation nur mittelbare Berücksichtigung über das Planungserfordernis findet. Siehe dazu: 2. Kap. A.I.2.c) u. 2. Kap. A.I.6.b). 144 OVG RP, BauR 2002, 577, 582; Otting, DVBl 1999, 595, 597; Bannasch, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, Z II [Lfg.: 14.], Rn. 166. 141
A. § 35 BauGB
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§ 2 II BauGB im Planungs- und im Vorhabenzulassungsrecht für sachwidrig und sehen einen Verstoß allein in der unterbliebenen Abstimmung als solcher. 145 Gegen die Anerkennung des § 2 II BauGB als öffentlichen Belang lassen sich keine zwingenden rechtlichen Zulässigkeitserwägungen geltend machen. „Öffentliche Belange“ umfasst als Begriff alle für das Bauen im Außenbereich potentiell rechtserheblichen Belange. 146 § 2 II BauGB ist ein Teil der Garantie einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Rahmen des § 1 I BauGB und folglich kann eine Berücksichtigung als öffentlicher Belang grundsätzlich erfolgen. Allerdings stellt sich die Frage der Zweckmäßigkeit einer solchen Berücksichtigung. Der aufgezeigte Meinungsstreit um die Frage, ob § 2 II BauGB als „öffentlicher Belang“ nur bei Unzumutbarkeit des Ergebnisses oder generell bei unterbliebener Abstimmung greift, zeigt die Schwäche dieser Konstruktion auf: § 2 II BauGB fordert unstreitig eine materielle Abstimmung der Bauleitpläne innerhalb des Rahmens der nach § 1 VII BauGB erfolgenden gestaltenden Abwägung. 147 Eine teleologisch sachgerechte Lösung stellt sich somit ein, wenn eine solche Abwägung erfolgt. Dies ist jedoch nur im Rahmen der Bauleitplanung möglich. Wenn somit allein auf die Zumutbarkeit eines fiktiven Abstimmungsergebnisses abgestellt würde, so entspräche dies nur schwer dem Zweck, eine Abstimmung zu garantieren, da nicht jede zumutbare Planung zugleich eine abgestimmte Planung ist. 148 Auf der anderen Seite ist anzumerken, dass die „Harmonisierung“ der Anforderungen des § 2 II BauGB einer „faktischen Planungspflicht“ gleichkäme, da eine Abstimmung im Sinne einer gestaltenden Abwägung – im Gegensatz zur nachvollziehenden Abwägung bei § 35 II BauGB – nur durch formelle Planung im Rahmen der §§ 1 ff. BauGB geleistet werden kann. 149 Kern der Anwendung des § 2 II BauGB wäre folglich die Gewähr einer planerischen Abwägung. Wenn jedoch somit schon eine Verengung auf eine Planungspflicht Auswirkung dieser Auffassung ist, so ist es wesentlich konsequenter diese auch als solche zu bezeichnen. Die Rechtsfigur des Planungserfordernisses im Verständnis als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht gewährleistet wesentlich eindeutiger eine abgestimmte Abwägung, wobei § 2 II BauGB ebenfalls mittelbar im Rahmen der Erforderlichkeit einer Planung berücksichtigt werden muss und somit „unzumutbare Auswirkungen“ im Sinne des § 2 II BauGB ein Planungserfordernis zu 145
Reidt, BauR 2002, 562, 566 f.; Wurzel/Probst, DVBl 2003, 197, 199 f.; Wurzel/ Probst, Der Landkreis 2001, 633, 634 f. 146 BVerwGE 18, 247, 249; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 191; Peine, BauR, Rn. 814. 147 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 22; Moench, in: FS Hoppe, 459, 469 ff. 148 So zutreffend Reidt, BauR 2002, 562, 566. 149 OVG RP, BauR 2002, 577, 583.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
begründen vermögen. 150 Sie hat demgegenüber den Vorteil, dass keine Beschränkung auf die Abstimmung im Sinne des § 2 II BauGB erfolgt, sondern auch andere abwägungsrelevante Belange – vor allem solche der Binnenkoordination oder der Außenkoordination innerhalb der Vorhabensgemeinde – Berücksichtigung finden können, so dass unter dem Oberbegriff Planungserfordernis eine einheitlichere und übersichtlichere dogmatische Lösung gefunden werden kann. Ferner ist es auch nicht zutreffend, wenn von Vertretern der Lösung über § 2 II BauGB als öffentlichem Belang im Sinne des § 35 III S. 1 BauGB geltend gemacht wird, allein diese Lösung gewährleiste eine angemessene Problemlösung für die privilegierten Vorhaben des § 35 I BauGB, 151 da bei sachgerechter Anwendung des Planungserfordernisses dieses auch im Falle des § 35 I BauGB als Zulassungshindernis berücksichtigt werden muss. 152 Es ist also deutlich geworden, dass zwar die direkte Berücksichtigung von § 2 II BauGB keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, allerdings im Vergleich zu einer Lösung über ein Planungserfordernis jenes bezüglich der interkommunalen Abstimmung ebenso effektiv erscheint, jedoch bezüglich anderer Abstimmungsbelange darüber hinausgehende Problembewältigungen ermöglicht, so dass letztere Alternative als sachgerechterer Lösungsansatz erscheint. (3) § 36 BauGB statt Planungserfordernis Vereinzelt findet sich in der Literatur die Auffassung, eine angemessene Lösung könne über das gemeindliche Einvernehmen erzielt werden, so dass es der Rechtsfigur des Planungserfordernisses gar nicht bedürfe. 153 So sei die „Negativ-Abwehr“ durch § 36 BauGB bei Großvorhaben – speziell bei Kraftwerken im Außenbereich – ausreichend, da die landesplanerische Standortplanung für eine positive Gestaltung durch die Gemeinde kaum Raum lasse. Die bloße Verhinderung durch Versagung des Einvernehmens sei folglich ausreichende Gestaltungsmöglichkeit; eines Planungserfordernisses bedürfe es daneben nicht. Diese Auffassung wird indes der Bedeutung von § 36 BauGB in den hier in Frage stehenden Fallkonstellationen nicht gerecht. Der Baugenehmigungsbehörde steht im Rahmen einer Baugenehmigung nach § 35 II BauGB – entgegen dem Wortlaut
150
So ausdrücklich das Bundesverwaltungsgericht in der „Zweibrücken-Entscheidung“, BVerwGE 117, 25, 32 f. 151 Wurzel/Probst, DVBl 2003, 197, 200. 152 Zur Anwendung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses im Rahmen des § 35 I BauGB siehe eingehend: 2. Kap. A.II. 153 Ottmann, BauR 1979, 297, 300; im Ansatz auch Fackler, Individualanspruch, S. 33, der allerdings § 36 BauGB nur heranzieht, um die Begründung des Planungserfordernisses auf Grundlage der kommunalen Planungshoheit abzulehnen.
A. § 35 BauGB
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(„können“) als Folge des Art. 14 GG – kein Ermessen zu. 154 Die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens richtet sich gem. § 36 II S. 1 BauGB allein nach § 35 II BauGB, so dass folglich auch für die Gemeinde kein Ermessen besteht und somit bei einem Rechtsanspruch auf Zulassung nach dem Normprogramm des § 35 BauGB eine Verpflichtung zur Erteilung des Einvernehmens gegeben ist. 155 § 36 BauGB bietet also entgegen der Begründung dieser Auffassung gerade keine ausreichende Sicherung der Standortgemeinde bei planungsbedürftigen Großvorhaben. Zudem verkennt eine einseitige Fixierung auf § 36 BauGB auch die Bedeutung der kommunalen Planungshoheit als Begründungsansatz für die Rechtsfigur des Planungserfordernisses. Zwar mag eine Betonung des Einvernehmens zur Sicherung der Planungshoheit der Vorhabensgemeinde noch praktisch in Betracht kommen. 156 Gänzlich ungeeignet erscheint dieses Mittel jedoch, wenn man vor dem Hintergrund eines durch § 2 II BauGB gebotenen Planungserfordernisses gerade die nachbargemeindliche Planungshoheit gewährleisten muss. 157 Eine sachgerecht Lösung käme dann nur in Betracht, wenn man § 2 II BauGB als „öffentlichen Belang“ im Sinne des § 35 II BauGB verstünde, was jedoch aus den bereits genannten Gründen ausscheidet, 158 so dass auch dieser Lösungsansatz nicht die umfassende Konfliktbewältigung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses zu leisten vermag. Der alternative Lösungsweg über § 36 BauGB ist also abzulehnen. (4) Gebot der Rücksichtnahme als öffentlicher Belang Als weitere Alternative zum Planungserfordernis als öffentlichem Belang im Sinne des § 35 III BauGB wird von Karlin eine Lösung über das Gebot der Rücksichtnahme und die ausdrücklich benannten Belange befürwortet, welche einen Rückgriff auf das Planungserfordernis nicht erforderlich erscheinen lasse. 159 Neben den bereits erörterten Bedenken gegen die grundsätzliche Argumentationsstruktur überzeugt auch der Verweis auf die sonstigen öffentlichen Belange nicht vollends. Unter dem Gesichtspunkt der Binnenkoordination eines Vorhabens sind nicht alle Konstellationen hinreichend zu lösen, da diesbezüglich allein die 154 Ganz herrschende Meinung; vgl. nur Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 43; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 73. 155 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 36, Rn. 12; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 36 [Lfg.: 61.], Rn. 30; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 36, Rn. 42 f.; Dürr, in: Brügelmann, § 36 [Lfg.: 48.], Rn. 35. 156 Weniger aufgrund der tatsächlichen Versagungsmöglichkeit als aufgrund der Möglichkeit nach Kenntniserlangung eine anderweitige dem Vorhaben entgegenstehende Planung zu initiieren und zwischenzeitlich durch eine Veränderungssperre zu sichern. 157 Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 207. 158 Siehe: 2. Kap. A.I.3.b)(2).
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Splittersiedlungsklausel des § 35 III S. 1 Nr. 7 BauGB fruchtbar gemacht werden kann, welche jedoch nicht alle erdenklichen Fälle abdeckt. 160 Des Weiteren ist im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebotes nicht automatisch die Beachtung von § 2 II BauGB als spezieller Ausprägung des Rücksichtnahmegebotes gewährleistet. Auch gestaltet sich die Berücksichtigung raumordnungsrechtlicher Ausweisungen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebotes wesentlich komplizierter als dies bei der Rechtsfigur der Planungserfordernisses der Fall wäre, da bei letzterem im Rahmen der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht noch keine zwingende Aussage über die Ebene der planerisch erforderlichen Konfliktbewältigung getroffen ist. Letztlich ermöglicht die gesonderte Anerkennung eines Planungserfordernisses auch im Vergleich zu den jeweiligen Einzelmerkmalen – und der teilweise notwendigen extensiven Auslegung selbiger – eine bessere Handhabe in der rechtlichen Einzelentscheidung, da bei der Rechtsfigur des Planungserfordernisses wesentlich offener zutage tritt, dass eine konkrete, ausgewogene Planung im Rahmen einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht erwartet wird, um das Vorhaben zu ermöglichen, und nicht die Orientierung an einem schwer eingrenzbaren Belang der allgemeinen Rücksichtnahme im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Selbst wenn im Ergebnis somit über das Gebot der Rücksichtnahme – ebenfalls als sonstiger, ungeschriebener „öffentlicher Belang“ – fast in allen Fällen die gleichen Ergebnisse erzielt werden können, so scheint es doch, allein im Interesse einer eindeutigen Benennung, sachdienlicher ausschließlich die Rechtsfigur des Planungserfordernisses zu bemühen. c) Zusammenfassende Stellungnahme Die bisherige Darstellung hat ergeben, dass die Ablehnung des Planungserfordernisses als solche nicht tragfähig erscheint. Auch die Begründungen für andere Lösungsansätze vermögen entweder keine ausreichende Berücksichtigung der interkommunalen Abstimmung gem. § 2 II BauGB zu leisten oder sie beschränken sich auf eine einseitige Berücksichtigung eben dieses Aspekts, was ebenso unzweckmäßig wäre.
159 Karlin, Planungserfordernis, S. 227 f.; vgl. bereits die ausführliche Darstellung der Argumentation unter: 2. Kap. A.I.3.a)(2); in ähnlicher Weise argumentierend auch Söfker (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 112), der jedoch lediglich für Fragen der Außenkoordination allein auf die sonstigen „öffentlichen Belange“ abstellen will, so dass eine Auseinandersetzung später im Rahmen der Anerkennung des Umfangs des Planungserfordernisses erfolgt (s. u.: 2. Kap. A.I.4.–6.) 160 Siehe oben: 2. Kap. A.I.3.a)(2).
A. § 35 BauGB
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Zugrundezulegen ist im Folgenden somit die grundsätzliche Berechtigung des Planungserfordernisses als Rechtsfigur im Rahmen des § 35 III BauGB. Eingehender Betrachtung bedarf jedoch die Frage, welche Funktionen dieser Rechtsfigur zukommen sollen, bzw. welche Auslöser für diese Rechtsfigur anzuerkennen sind. 4. Planungserfordernis nur zur Binnenkoordination Die früher herrschende Meinung bejaht ein Planungserfordernis lediglich zur Binnenkoordination eines Vorhabens. 161 Begründet wird diese Beschränkung des Anwendungsbereiches vornehmlich mit einem Verweis auf die hinreichende Gewähr einer Außenkoordination durch die benannten öffentlichen Belange in § 35 III S. 1 BauGB. In Wirklichkeit stünden diese Belange dem Vorhaben entgegen und folglich sei ein Planungserfordernis diesbezüglich überflüssig. 162 Teilweise wird – in deutlicher Parallele zur Diskussion um den Planersatzcharakter des § 35 I BauGB 163 – sogar davon ausgegangen, dass dem gesamten Normprogramm des § 35 BauGB inklusive des zweiten Absatzes eine gesetzgeberische Außenkoordination durch § 35 III BauGB zugrunde liege, so dass gerade unabhängig von förmlicher Planung – im Gegensatz zur im Entscheidungsprogramm offen gebliebenen Binnenkoordination – eine Zulassung erfolgen solle. 164 Im Übrigen sei bei Betonung jenes Begründungsansatzes des Rechtsinstituts, welcher sich vor allem auf das Schutzinteresse künftiger Einzeleigentümer bei einheitlich errichteten Großanlagen gründet, dieser seiner Struktur nach lediglich auf Fragen der Binnenkoordination anwendbar. 165 Dies ergebe sich daraus, dass durch Veränderungen der Eigentümerstruktur mangels Auswirkungen auf die
161 Dürr, in Brügelmann, § 35 [Lfg.: 42.], Rn. 69; Brohm, BauR, § 21, Rn. 23; Finkelnburg/Ortloff , BauR I, § 32, S. 363; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 112; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 25; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 163; Gaentzsch, § 35, Rn. 51; Dolde, NJW 1983, 792, 795 f.; ders., NVwZ 1984, 158, 159; ders., NJW 1984, 1713, 1724; Kröncke, UPR 1982, 10, 12; Grooterhorst, UPR 1986, 251, 252 ff.; Kraft, UPR 1988, 288, 293; Kühne, DVBl 1984, 709, 715; Bosch, BauR 1978, 268, 275; Peine, BauR, Rn. 820; Oldiges, in: Steiner, BesVerwR (5. Aufl.), IV. Rn. 209; Fackler, Individualanspruch, S .35; Weyreuther, BauR 1981, 1, 11 ff.; Schmaltz, in: Schrödter [6. Aufl.], § 35, Rn. 93 f.; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht [1. Aufl.], Rn. 1376; Kröncke, Genehmigung von Kernkraftwerken, S. 30 ff. 162 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 163; Dürr, in Brügelmann, § 35 [Lfg.: 42.], Rn. 102a (mittlerweile abgeschwächt: § 35 [Lfg.: 59.], Rn. 102). 163 Siehe dazu die Darstellungen zum Planungserfordernis bei Vorhaben nach § 35 I BauGB: 2. Kap. A.II. 164 Dolde, NJW 1983, 792, 796; Fackler, Individualanspruch, S. 34 f. 165 Karlin, Planungserfordernis, S. 22 ff.; Schmaltz, in: Schrödter [6. Aufl.], § 35, Rn. 93; Fackler, Individualanspruch, S. 37 f.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Einbettung des Vorhabens in seine Umgebung nur die Innenstruktur des Vorhabens relevant werde, so dass auf dieser Grundlage keine Begründung einer notwendigen Außenkoordination im Wege förmlicher Bauleitplanung zu leisten sei. Die genannten Argumente für eine strikte Beschränkung des Planungserfordernisses auf die Notwendigkeit einer Binnenkoordination greifen jedoch zu kurz. Dem Normprogramm des § 35 II BauGB mangelt es an einem konkreten Ortsbezug, so dass die Annahme einer gesetzlichen Außenkoordination fehlgeht. 166 Zudem weist § 35 III BauGB durch die Einbeziehung unbenannter öffentlicher Belange speziell eine tatbestandliche Offenheit auf, welche der Annahme einer abschließenden, legislativen Zulassungsentscheidung bezüglich der Außenkoordination durch die benannten Belange – jedenfalls für nicht privilegierte Vorhaben – nahezu diametral entgegensteht. Bei teleologischer Betrachtung des Normprogramms des § 35 II BauGB hat Scherer zu recht darauf hingewiesen, dass sich der Ausnahmecharakter von nicht privilegierten Bauvorhaben im Außenbereich als besondere Gewähr des Planmäßigkeitsgrundsatzes – Unzulässigkeit bestimmter Vorhaben ohne Planung führt faktisch zur Planung durch die Gemeinden – darstellt und dieses Anliegen wiederum durch die Annahme eines Planungserfordernisses zur Außenkoordination unmittelbar zu verwirklichen ist. 167 Auch kann – wie bereits dargestellt 168 – nicht die Berechtigung eines Planungserfordernisses zur Außenkoordination durch den bloßen Verweis auf die hinreichende Koordinierung durch andere Belange in Abrede gestellt werden, da die lediglich partiellen inhaltlichen Überschneidungen innerhalb benannter und unbenannter öffentlicher Belange rechtlich unerheblich sind. Bezüglich der Zurückführung der Beschränkung des Planungserfordernisses auf die Binnenkoordination aus dem Schutzgedanken zugunsten künftiger Eigentümer ist zuzugeben, dass dieser Gesichtspunkt für die Außenkoordination wenig ergiebig ist. Es darf jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass es sich lediglich um einen Begründungsansatz – vornehmlich bei Wohnvorhaben – von vielen handelt. Selbst Dolde als Vertreter einer Beschränkung auf Fragen der Binnenkoordination führt als maßgebliches Begründungsmodell die Interessenausgleichsfunktion der Planung an, 169 wobei es dann wenig konsequent erscheint, wenn er die „kompen-
166 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 240; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 142; Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 82. 167 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 258. 168 Siehe dazu oben [2. Kap. A.I.3.a)(2)] die Darstellungen zur Argumentation Karlins, welcher die Erforderlichkeit der Rechtsfigur als solche unter Rückgriff auf derartige Erwägungen in Frage stellt. 169 Dolde, NJW 1983, 792, 796.
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satorische Entscheidung“ als nur durch förmliche Planung zu leistendes Element nicht gleichsam auf die Außenkoordination des Vorhabens erstreckt, obwohl gerade in letzterem Problemkreis vielfach planerischer Ausgleich gefordert ist. Die gleichfalls zur Begründung herangezogene „planungssystematische Aufgabe“ 170 oder die Herleitung aus der kommunalen Planungshoheit legen für sich ebenfalls eine Einbeziehung der Außenkoordination nahe, so dass die Argumentation über die Struktur der Begründung des Planungserfordernisses keine Beschränkung auf die Binnenkoordination zu leisten vermag. Vielmehr zeigt die Beschränkung auf Fragen der Binnenkoordination ein Verständnis des Planungserfordernisses, welches im Problembewusstsein hauptsächlich an den großen Wohnungsbauvorhaben der 60er und 70er Jahre ausgerichtet wurde und heute angesichts von Windenergie- und Einzelhandelsgroßvorhaben – bei letzteren insbesondere im Verhältnis zu Nachbargemeinden als einer dominanten Frage der Außenkoordination – keine angemessene Problemlösung zu leisten vermag. Offen zutage tritt in diesen Fällen die Begrenztheit eines rein konditional ausgerichteten Zulassungsprogramms, der nur durch die Anerkennung der Notwendigkeit eines Finalprogramms auch bezüglich der Außenkoordination Rechnung getragen werden kann. Diese früher herrschende Meinung ist somit als überholt abzulehnen. 5. Planungserfordernis nur zur Außenkoordination Schmidt-Aßmann misst der Rechtsfigur des Planungserfordernisses in seiner Monographie zum Planungserfordernis aus dem Jahr 1982 vornehmlich bei Notwendigkeit einer Außenkoordination von Vorhaben praktische Bedeutung bei. 171 Dieses Ergebnis folge daraus, dass im Rahmen von Industrieansiedlungen eine räumliche Binnenkoordination zum Schutze künftiger Eigentümer entbehrlich sei, da zum einen jeweils nur ein Betreiber vorhanden sei. Zum anderen würden spezielle Genehmigungsverfahren die Zuordnung einzelner Anlagenteile besser gewährleisten, als dies dem Bebauungsplan – allein zeitlich angesichts der in diesem Verfahrensstadium kaum zu bewältigenden quadratmetergenauen Lokalisierung
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Begriff nach Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 15 f. Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 69 f.; ferner könnte in diesem Zusammenhang noch Nachreiner (Verbrauchermärkte, S. 197 ff.) genannt werden. Dieser lehnt die Binnenkoordination als Anknüpfungspunkt für das Planungserfordernis ab, da es sich genauso genommen auch in diesen Fällen um die Außenkoordination der Einzelgebäude zu anderen Gebäuden handele (Nachreiner, Verbrauchermärkte, S. 204 ff.). Da Nachreiner jedoch im Folgenden ein Planungserfordernis im Fall der Außenkoordination – wenn auch mit differierender Begründung – anerkennt und damit bei herkömmlicher Begrifflichkeit das Planungserfordernis für Binnen- und Außenkoordination generell anwendbar hält, wird er der nachfolgenden Meinungsgruppe zugerechnet. 171
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
der Anlagenteile, welche tatsächlich vornehmlich im Wege der Teilgenehmigungen bewältigt werde – möglich sei. Fraglich ist jedoch, ob die argumentative Fokussierung allein auf die Außenkoordination den praktischen Anforderungen gerecht zu werden vermag. Zwar mag man in Rechnung stellen, dass es Schmidt-Aßmann im Rahmen seiner Darstellung vornehmlich darum ging, die Verengung des Planungserfordernisses auf ein Bebauungsplanerfordernis zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung raumplanerischer Elemente zu durchbrechen. Diesbezüglich ist jedoch festzustellen, dass bei Wohnungsbaugroßvorhaben gerade die Binnenkoordination im Wege eines Standortbebauungsplans das geeignete und gesetzeskonzeptionell vorgegebene Steuerungsmittel ist, so dass schon aus diesem Grund eine Beschränkung auf Fragen der Außenkoordination wenig sinnvoll erscheint. Des Weiteren kann auch im Rahmen von großen Industrieansiedlungen eine Binnenkoordination kraft Bebauungsplan sinnvoll sein: 172 Zu denken ist beispielsweise an eine planerische Zuordnung von Verwaltungsgebäuden und Produktionsanlagen oder an die Binnenkoordination von verschiedenen Zwecken dienenden (und damit theoretisch auch zwischen verschiedenen Eigentümern aufteilbaren) Einzelanlagen innerhalb großflächiger Industrieansiedlungen. Es besteht somit durchaus ein rechtliches Bedürfnis auch Fragen der Binnenkoordination innerhalb des Planungserfordernisses gleichrangig zu behandeln. Den Ausführungen Schmidt-Aßmanns stehen folglich in diesem Punkt zu gewichtige Argumente entgegen. 6. Planungserfordernis zur Binnen- und Außenkoordination Die mittlerweile herrschende Meinung vertritt spätestens im Anschluss an die „Zweibrücken-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts eine extensive Anwendung des Planungserfordernisses sowohl zur Binnen-, als auch zur Außenkoordination. 173
172 Karlin, Planungserfordernis, S. 23 ff.; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 132 ff.; Fackler, Individualanspruch, S. 36. 173 Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 224; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 69 f.; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 91 f.; Bracher, in: Gelzer/Bracher/ Reidt, Rn. 2217; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 238 ff.; Konrad, in: Schiwy, § 35, S. 57; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 2, Rn. 57; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 11 BauNVO [Lfg.: 72.], Rn. 42a f.; Dürr, in: Brügelmann, § 35 [Lfg.: 59.], Rn. 102a f.; Volpert/Bachmann/Diederichsen, Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, S. 237; Oldiges, in: Steiner, BesVerwR (7. Aufl.), IV, Rn. 229; Taegen, in: Berliner Kommentar [2. Aufl.], § 35, Rn. 90; Ferner, in: HK-BauGB, § 35, Rn. 36; Roeser, in: Berliner Kommentar, § 35 [Lfg.: 5.], Rn. 95; Moench, DVBl 2005, 676, 680; Reidt, UPR 2005, 241, 242 f.; Paul, NVwZ 2004, 1033, 1034; Uechtritz, NVwZ 2004, 1025,
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Wie bereits dargelegt, 174 war Anlass für die ausdrückliche Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung die Ansiedlung eines Factory-Outlet-Centers, welches Nachbargemeinden möglicherweise rücksichtslos in ihrer Versorgungsfunktion zu tangieren vermochte und deshalb eine Außenkoordination jenseits der in § 35 III BauGB ausdrücklich aufgeführten Belange notwendig erschienen ließ, so dass die Gleichstellung von Binnen- und Außenkoordination maßgeblich als Reaktion auf in dieser Form neuartige Problemstellungen im gemeindlichen Nachbarverhältnis verstanden werden muss. 175 Der bloße Verweis auf eine neuartige Problemstellung enthält jedoch für sich noch keine dogmatische Begründung einer Beachtlichkeit von Außen- und Binnenkoordination. Diese wird im Wesentlichen auf zwei unterschiedlichen Argumentationsebenen geleistet: So wird die Begrenztheit eines Konditionalprogramms als Grund für die Berücksichtigung auch der Außenkoordination angeführt [a)]. Daneben finden sich vornehmlich teleologisch begründete Erwägungen zu § 2 II BauGB und der Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit, welche die Anerkennung der Außenkoordination notwendig erscheinen lassen [b)]. a) Grenzen konditionaler Programmierung Für die gleichrangige Berücksichtigung der Außenkoordination im Rahmen des Planungserfordernisses kann die Normstruktur des § 35 II BauGB argumentativ fruchtbar gemacht werden. Wie bereits erörtert, 176 handelt es sich um ein Konditionalprogramm und die Anerkennung des Planungserfordernisses bedeu-
1027; ders., NVwZ 2003, 176, 177; Halama, DVBl 2004, 79, 82; Schröppel/SchübelPfister, JuS 2005, 415, 418; Stüer, NVwZ 2004, 814, 816 f.; Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 207; Jochum, BauR 2003, 31, 35; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 443 ff.; Kuschnerus, in: Jarass, Abstimmung, 1, 15; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 300; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 2 [Lfg.: 75.], Rn. 103; Schmitz, Entwicklungsrecht und militärische Konversionsgebiete, S. 134 f.; Schmidt-Eichstaedt, Städtebaurecht, S. 214 f.; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 2591 f.; Kuschnerus, B-Plan, Rn. 117; Erbguth, NuR 1989, 49, 50; Hofmann, NVwZ 1989, 225, 231; Hoppe, NJW 1978, 1229, 1233; Ziegler, ZfBR 1979, 140, 143; Holzhauser, Probleme der Standortvorsorge für Großvorhaben, S. 122 f.; Nachreiner, Verbrauchermärkte, S. 211 f.; Grae, Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, S. 128; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 192; Koch/Hendler, BauR, § 26, Rn. 98; Rieger, in: Schrödter, § 35, Rn. 104 ff.; Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Großflächiger Einzelhandel, 147, 149; Stüer, DVBl 2006, 403, 406. 174 Siehe oben: 2. Kap. A.I.2. 175 Als neuartige Entwicklung in diesem Sinne ist mit Battis (in: Jarass, Abstimmung, 19, 20 f.) gerade auch die missbräuchliche Praxis einiger Gemeinden anlässlich von FOCPlanungen bzw. -Zulassungen zu berücksichtigen. Dieses Fehlverhalten speziell im interkommunalen Verhältnis hebt Kuschnerus (in: Jarass, Abstimmung, 1, 2 u. 5) deutlich hervor. 176 Siehe oben: 2. Kap. A.I.1.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
tet eine Verschränkung mit Elementen finaler Programmierung im Sinne einer „Programmverbindung“. Nunmehr gilt es jedoch zu untersuchen, ob und inwieweit eine solche abstrakt mögliche „Programmverbindung“ für den konkreten Anwendungsfall eines Planungserfordernisses zu rechtfertigen ist. Für die Gebotenheit dieser „Programmverbindung“ wird verbreitet geltend gemacht, dass ein starres Konditionalprogramm ab einem gewissen Koordinierungsbedarf nicht mehr ausreiche, sondern nur im Wege eines Finalprogramms eine sachgemäße Entscheidung möglich sei. 177 Dies sei insbesondere bei komplexen Interessenlagen der Fall, wenn konkurrierende Belange nur durch planerische, also gestaltende Abwägung, welche im Gegensatz zum Normprogramm nach § 35 III BauGB auch Kompensationen ermögliche, zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden könnten. 178 Ein solcher planerischer Ausgleich wird verbreitet für Situationen gefordert, in denen ein Kompromiss deshalb erforderlich ist, da eine Vielzahl von Belangen konkurrieren und konfligieren bzw. einem Belang nichts zugestanden werden kann, ohne dass nicht zugleich ein anderer Belang zurückstehen muss und eine feingliedrige, einzelfallabhängige Abwägung der jeweils zugrunde zu legenden Priorisierung erfolgen muss. 179 Im Rahmen der Vorhabenzulassung beispielsweise eines FOC bedarf es einer Auseinandersetzung mit raumordnungsrechtlichen Zielen und Grundsätzen, einer interkommunalen Abstimmung (insbesondere vor dem Hintergrund eines eventuellen die verbrauchernahe Versorgung gefährdenden Kaufkraftabflusses), dem möglichst umfassend zu gewährleistenden Umweltschutz, Belangen der Wirtschaft und der Verkehrsplanung, 180 so dass ein Komplexitätsgrad erreicht wird, der nicht mehr in gesetzlicher Form im voraus für alle möglichen Ausgestaltungen zur Grundlage eines Konditionalprogramms gemacht werden kann. Dies zeigt sich beispielsweise innerhalb der interkommunalen Abstimmung daran, dass zwar jedenfalls eine Abstimmung erfolgen muss, damit aber noch nichts über das Ergebnis ausgesagt ist, da selbst schwere Beeinträchtigungen der verbrauchernahen Versorgung bei überwiegenden, rechtfertigenden Belangen auf Seiten der Standortgemeinde hinzunehmen sind. 181 Diese jeweilige Wertung kann jedoch nur durch ein Finalprogramm erfolgen, da nach § 35 III BauGB im
177
BVerwGE 117, 25, 30; Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2217; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 91; Halama, DVBl 2004, 79, 82; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 2592. 178 Halama, DVBl 2004, 79, 82; Reidt, UPR 2005, 241, 243; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 247 f.; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 69; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 238. 179 BVerwGE 34, 301, 309; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 209; Halama, DVBl 2004, 79, 82. 180 Vgl. dazu aus jüngster Zeit Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 198 ff. 181 Beispiel nach Uechtritz, NVwZ 2003, 176, 177.
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Rahmen der nachvollziehenden Abwägung eine Kompensation im Sinne einer Saldierung von Vor- und Nachteilen eben gerade nicht möglich ist. 182 Für einen Vorbehalt zugunsten einer echten planerischen Abwägung spricht zudem die Funktion von Konditionalprogrammen. Diese entlasten den jeweiligen Entscheider, weil dieser nicht mehr selbst die Zweck-Mittel-Überlegungen treffen muss, da diese in pauschalisierter Weise durch den Gesetzgeber vorweggenommen werden und somit diesbezüglich ein weitgehender Verantwortungsübergang gegeben ist. 183 Entlastungsfunktion und Verantwortungsübergang können jedoch nicht aufrechterhalten werden, wenn anderenfalls eine sachgerechte Entscheidung verhindert wird, also mit den Worten Offes die „Aufgabe eigener aktiver Interessenabstimmung und Konsensbildung“ 184 auf Verwaltungsebene erforderlich erscheint. Dies ist bei Vorliegen eines Planungserfordernisses der Fall, da die einzig sachgerechte Lösung derartig komplexer Fälle allein durch Kompensation, und somit nicht mehr innerhalb des Entscheidungsprogramms des § 35 III BauGB getroffen werden kann. Eine Entlastung der Verwaltung durch den Gesetzgeber ist für diese Fälle gerade nicht gewollt, sondern gemäß dem Planmäßigkeitsgrundsatz ist vielmehr eine vollumfängliche Zweck-Mittel-Überlegung im Rahmen der planerischen Abwägung angezeigt. Ebenfalls spricht ein Vergleich der Struktur von final programmierter Planungsnorm und Konditionalprogramm vorliegend für eine Zulassung auf der Grundlage einer Planung: Ein wesentliches Element der Planung ist ihr Zukunftsbezug, 185 wohingegen konditionaler Programmierung ein Vergangenheitsbezug dergestalt zu Eigen ist, dass Ereignisse in der Vergangenheit als Auslöser einer Rechtsfolgenentscheidung für die Gegenwart dienen. 186 Vorliegend geht es – vor allem beim FOC-typischen Kaufkraftabfluss – innerhalb der Außenkoordination um stark prognostische Elemente, welche bewusst zukunftsbezogen sind und aufgrund ihrer Prognoseabhängigkeit nur schwer in ein starres Konditionalprogramm zu integrieren wären. 187 182 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 45 u. 47; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 250. 183 Diesen Aspekt konditionaler Programmierung besonders betonend: Luhmann, Rechtssoziologie, S .231 f.; Röhl, Rechtslehre, § 29, S. 219; Schmidt (AöR 96 (1971), 321, 329) differenziert bezüglich der Entlastungsfunktion zusätzlich zwischen einer Legitimitätsentlastung durch den Gesetzgeber und einer Entlastung in Form reduzierter Folgenverantwortung. Zusätzlich betont Breuer (ZfW 2005, 1, 4) in diesem Zusammenhang den Bedeutungszuwachs gerichtlicher Letztentscheidungen im Rahmen von Konditionalprogrammen als „Fluchtpunkt des Systems“. 184 Offe, Leviathan 1974, 333, 339 f. 185 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 98; Badura, in: FS 25 Jahre BayVerfGH, 157, 165; Schmitt Glaeser / König, JURA 1980, 321, 324 f. 186 Röhl, Rechtslehre, § 29, S. 218 f.; den Zeitaspekt konditionaler Programmierung ebenfalls besonders betonend: Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 197 f.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Insoweit erscheint für komplexe Interessenlagen – gerade im Rahmen der Außenkoordination – das Argument der Begrenztheit konditionaler Programmierung, welches in Form des Planungserfordernisses den Vorbehalt zugunsten einer Vorhabenssteuerung durch förmliche Planung sichert, überzeugend und vermag sowohl die Rechtsfigur Planungserfordernis generell, als auch die Berücksichtigung der Außenkoordination neben Fragen der Binnenkoordination zu rechtfertigen. b) Teleologische Begründung Als zweite Argumentationsebene werden für die Anerkennung der Außenneben der Binnenkoordination innerhalb der Rechtsfigur des Planungserfordernisses vielfältige teleologische Erwägungen (besonders plakativ: Bezeichnung als „Gebot planerischer Vernunft“ 188) angeführt. Zunächst lässt sich die Herleitung des Planungserfordernisses auf der Grundlage der kommunalen Planungshoheit als Argument ins Feld führen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht, wie bereits gezeigt, zwischenzeitlich eine direkte Herleitung des Planungserfordernisses aus der Planungshoheit abgelehnt. 189 Unbestritten ist jedoch insoweit, dass die Rechtsfigur teleologisch zumindest auch dem Schutz der Planungshoheit dienen soll, ohne dass damit eine Aussage über die Herleitung getroffen ist. 190 Ferner ist in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinzuweisen, dass nunmehr vornehmlich der Schutz der Planungshoheit der Nachbargemeinden als argumentative Grundlage herangezogen wird und nicht, wie dies in der ursprünglichen Herleitung der Rechtsfigur durch das Bundesverwaltungsgericht der Fall war, die Vorhabensgemeinde maßgebliches Bezugsobjekt ist. Folgerichtig kommt speziell § 2 II BauGB innerhalb der Außenkoordination hervorgehobene Bedeutung zu. Wenn ein Vorhaben unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Nachbargemeinde habe, so bestehe ein qualifizierter Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 II S. 1 BauGB, welcher wiederum aufzeige, dass aufgrund der Fernwirkungen des Vorhabens im Rahmen der Außenkoordination ein Planungserfordernis bestehe. 191 Zwar handelt es sich bei § 2 II BauGB um 187
In diesem Zusammenhang wäre zwar denkbar, dass man die Prognose als solche zum Tatbestandsmerkmal im Rahmen des Konditionalprogramms macht. Allerdings ist dies nur in engen Grenzen möglich (so z. B. im Rahmen der typischerweise zu erwartenden Immissionen) und komplexere Wechselwirkungen, wie diese eben gerade im Rahmen von Einzelhandelsstrukturen und Verbraucherpräferenzen gegeben sind und wie sie in den Fallgestaltungen des Planungserfordernisses in Frage stehen, entziehen sich einer solchen Normierung weitgehend. 188 Nachreiner, Verbrauchermärkte, S. 204. 189 Siehe oben: 2. Kap. A.I.2.b). 190 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 16; Weyreuther, DVBl 1981, 369, 373.
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eine Vorschrift aus dem Planungsrecht, welche innerhalb des Vorhabenzulassungsrechts nach herkömmlicher Betrachtung nicht heranzuziehen ist. Diesbezüglich hat die bisherige Darstellung bereits ergeben, dass eine strikte Trennung in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten ist. 192 Anderenfalls könnte sich die Vorhabensgemeinde der wechselseitigen kommunalen Rücksichtnahme in Form der interkommunalen Abstimmung nach § 2 II S. 1 BauGB durch Nichtplanung entziehen, und eine effektive Konkordanz der baurechtlichen Normen könnte nicht gewährleistet werden. 193 Die mittelbare Heranziehung des § 2 II BauGB innerhalb des Vorhabenzulassungsrechts als Indikator eines Außenkoordinationsbedarfs knüpft dazu interessanterweise an die sog. „Krabbenkamp-Formel“ an. Ursprünglich im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 2 II BauGB zur Ermittlung der Erforderlichkeit einer interkommunalen Abstimmung innerhalb der Planung vom Bundesverwaltungsgericht entwickelt, kommt es nunmehr zu einem Bedeutungswandel: Als Auslöser des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots genügt innerhalb einer erfolgenden Planung ein „einfacher Abstimmungsbedarf“ („Belange mehr als geringfügig betroffen“), wohingegen ein Planungserfordernis erst bei „qualifiziertem Abstimmungsbedarf“ („Auswirkungen gewichtiger Art“) angenommen wird, so dass sich der eigentliche Anwendungsbereich der „Krabbenkamp-Formel“ nicht mehr bezüglich der Abwägungsrelevanz, sondern im Rahmen der Vorhabenzulassung niederschlägt. 194 Als eine beispielhafte Konkretisierung dieser Neuinterpretation greift das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung des „qualifizierten Abstimmungsbedarfs“ insbesondere auf die Wertung des § 11 III S. 1 BauNVO zurück, da bei Vorliegen dessen Voraussetzungen sogar in den meisten beplanten Gebieten mit Einzelhandelsstruktur das Vorhaben unzulässig sei, so dass dies erst recht für Vorhaben ohne Planung gelten müsse. 195 Auch dieser Rückgriff auf die BauNVO zeigt deutlich das 191 BVerwGE 117, 25, 31 f.; Moench, DVBl 2005, 676, 680; Halama, DVBl 2004, 79, 82; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 BauNVO [Lfg.: 72.], Rn. 42b; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 180. 192 Siehe oben: 1. Kap. A.III. 193 Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 92; BVerwG, DVBl 2004, 239, 243; Battis (in: Jarass, Abstimmung, 19, 21) spricht davon, das Planungsrecht werde „bewusst missbraucht“; „Umgehungspraktiken“ benennt Halama (DVBl 2004, 79, 82). 194 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 22; Uechtritz, NVwZ 2003, 176, 178; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 180; Halama, DVBl 2004, 79, 83; an dieser Stelle soll dahinstehen inwieweit die Begründung, angesichts der ausgefeilten Abwägungsdogmatik sei ein Rückgriff auf die „KrabbenkampFormel“ im Rahmen des Planungsrechts nicht mehr sachgerecht, überzeugt, da diesem Gesichtspunkt für die Beurteilung im Rahmen des Planungserfordernisses keine Relevanz beizumessen ist. 195 BVerwGE 117, 25, 35 ff.
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Bestreben zur Herstellung umfassender Konkordanz zwischen den Normen des Planungsrechts sowie innerhalb des Vorhabenzulassungsrechts in den jeweiligen Gebietstypen. Zugleich zeigt sich im Rückgriff auf § 2 II BauGB i. V. m. § 11 III BauNVO eine weitere teleologisch begründete Funktion des Planungserfordernisses in planungssystematischer Hinsicht, welche die Ausdehnung auf Fragen der Außenkoordination nahe legt. So liegt § 35 II BauGB die Grundsatzentscheidung zugrunde, dass der Außenbereich prinzipiell von nicht privilegierter Bebauung freizuhalten ist. Die eigentliche Bebauungskoordination soll nach dem Planmäßigkeitsgrundsatz des § 1 BauGB im Rahmen einer öffentlich verantworteten Bauleitplanung erfolgen. Insofern ist Scherer darin zuzustimmen, dass die Rechtsfigur des Planungserfordernisses gerade dem Planmäßigkeitsgrundsatz und der generellen Funktion des § 35 II BauGB entspricht, da sie deren zugrunde liegende Wertungen besonders intensiv und effektiv verwirklicht. 196 Diese Zweckbestimmung ist jedoch umfassend relevant und ist nicht notwendigerweise auf Fragen der Binnenkoordination beschränkt. Vielmehr spricht gerade diese „Schutzfunktion“ des Planungserfordernisses für eine umfassende Gewährleistung, welche sowohl Binnen- als auch Außenkoordination berücksichtigt. 197 Im Übrigen spricht auch die bisherige Praxis des Gesetzgebers für die Anerkennung des Planungserfordernisses. So wurde bereits 1991 darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber sowohl bei Schaffung des BauGB als auch bei späteren Reformen die Rechtsfigur des Planungserfordernisses als öffentlicher Belang bekannt war und eine ablehnende Haltung keinen Niederschlag im Gesetz gefunden hat. 198 Vielmehr kann § 246 VII BauGB, welcher es den Ländern ermöglichte, großflächige Handelsbetriebe im Rahmen von § 34 BauGB generell auszuschließen, entnommen werden, dass für den Außenbereich keine Notwendigkeit einer Ausschlussmöglichkeit festgestellt wurde, was sicherlich maßgeblich auf die bereits
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Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 258. Teilweise wird sogar eine Dominanz bzw. ein Vorrang der Außenkoordination angenommen, da das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung für das Vorliegen eines Planungserfordernisses „zunächst“ die Einordnung des Vorhabens in seine Umgebung (= Außenkoordination) als maßgeblich erachtete und den Belangen des § 35 III S. 2 BauGB unter dem Gesichtspunkt der Raumbedeutsamkeit einen mittelbaren Verweis auf eine eventuelle Planungsbedürftigkeit entnahm; vgl. BVerwGE 117, 25, 31; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 223. Dies mag angesichts der Praxis der Entscheidungen der letzten Jahre empirisch zutreffend sein, da im Rahmen von Einzelhandelsvorhaben und Windenergieanlagen der Binnenkoordination keine herausragende Bedeutung zukam. Inwieweit diese Ausführungen allgemein dogmatisch überzeugen, braucht vorliegend nicht von Interesse zu sein, da damit keinesfalls die Anerkennung der Binnenkoordination versagt wird, und somit jedenfalls beide Gesichtspunkte für das Planungserfordernis konstituierend sein können. 198 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 258 f. 197
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existenten Abwehrmöglichkeiten in Folge der Rechtsprechung zum Planungserfordernis zurückzuführen ist. Insofern kann man durchaus von einer indirekten Bestätigung dieser Rechtsfigur durch den Gesetzgeber ausgehen. Battis hat zu recht darauf hingewiesen, dass die jüngsten Gesetzesänderungen im Zuge des EAG Bau 2004 199 in der „Zweibrücken-Entscheidung“ zeitlich keine Berücksichtigung finden konnten und vor dem Hintergrund der abzuwartenden Wirkung dieser Änderungen eine vorschnelle Ausdehnung bzw. Übertragung der „Zweibrücken-Entscheidung“ unterbleiben sollte. 200 Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass § 35 III BauGB bezüglich der missbräuchlichen Zulassungspraxis im Gegensatz zu §§ 2, 34 BauGB für beplanten und unbeplanten Innenbereich gerade keine Modifizierung erfahren hat, so dass auch insoweit die jüngste Rechtsprechung zum Planungserfordernis inhaltlich bestätigt wurde. 201 Die extensive Anwendung des Planungserfordernisses sowohl beim Binnen-, als auch beim Außenkoordinationsbedürfnis stimmt folglich mit dem Gesetzeszweck überein und fügt sich stimmig in die Gesamtkonzeption seitens des Gesetzgebers ein, indem Grenzen konditionaler Programmierung gezogen werden, wo ein planerischer Ausgleich zur effektive Gewährleistung des Planmäßigkeitsgrundsatzes geboten erscheint. c) Kritik an Begründungen Jenseits der generellen Kritik an der Rechtsfigur des Planungserfordernisses 202 muss im Folgenden eine Auseinandersetzung mit der speziellen Kritik an der Ausweitung des Planungserfordernisses auf Fragen der Außenkoordination erfolgen. So wird geltend gemacht, es entstehe durch die Berücksichtigung der Außenkoordination mangels klarer Abgrenzungskriterien eine große Rechts- und Investitionsunsicherheit, ob im Einzelfall ein Planungserfordernis gegeben sei. 203 Folglich müsse den Vorhabensgemeinden regelmäßig zu einer Planung geraten werden, 204 so dass sich die Berücksichtigung der Außenkoordination als eine
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Siehe dazu: Battis/Krautzberger/Löhr, NJW 2004, 2553, 2553 ff. Battis, in: Jarass, Abstimmung, 19, 25. 201 Krautzberger (UPR 2004, 41, 46) weist auf die Parallelität der Entwicklung von EAG Bau 2004 und Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Erstplanungspflichten hin; ebenso Krautzberger/Stüer, DVBl 2004, 781, 783. In der Gesetzesbegründung findet sich ebenfalls nur ein Hinweis auf die unzureichende Praxis bei § 34 BauGB, so dass ersichtlich kein Handlungsbedarf bei § 35 BauGB gesehen wurde, vgl. BR-Drs. 756/03, S. 91. 202 Zur Darstellung und Gründen der Ablehnung bereits unter: 2. Kap. A.I.3. 203 Jochum, BauR 2003, 31, 36. 204 Nickel/Kopf , UPR 2003, 22, 24. 200
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gemeindliche „Planungsobliegenheit“ 205 auswirke. 206 Dieser faktische Zwang zur Planung vertrage sich als schwerwiegender Eingriff in die kommunale Planungshoheit nicht mit der ursprünglichen Intention der Rechtsfigur, welche eben diese Planungshoheit schützen sollte. 207 Diese Kritik ist jedoch zurückzuweisen. Selbstverständlich handelt es sich bei der Wirkung des Planungserfordernisses als subjektiv determinierter Erstplanungspflicht um einen Eingriff in die kommunale Planungshoheit. Es darf diesbezüglich jedoch nicht der Blick einseitig auf die Vorhabensgemeinde verengt werden. Vielmehr dient das Planungserfordernis gerade bei der Berücksichtigung von Fragen der Außenkoordination ebenso dem Schutz der nachbargemeindlichen Planungshoheit, so dass ersichtlich keine Unvereinbarkeit mit dem ursprünglichen Anliegen der Rechtsfigur angenommen werden kann, sondern vielmehr durch diese ein tatsächlicher Schutz der kommunalen Planungshoheit bei allen Beteiligten gewährleistet werden kann. Die Ausdehnung fungiert somit in ihrer Wirkung nicht als Beschränkung der Planungshoheit, sondern als deren effektive Gewährleistung. Des Weiteren kann auch der Grundannahme einer „Planungsobliegenheit“ in dieser Form nicht zugestimmt werden. Zwar ist der Funktion des Planungserfordernisses als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht eine verpflichtende Wirkung für die Gemeinde zu Eigen, wenn diese an dem Vorhaben festzuhalten gewillt ist. Dies ist jedoch unmittelbarer Sinn der Rechtsfigur und kann nicht Gegenstand dieser allein umfangsbezogenen Kritik sein. 208 Vielmehr zielt die genannte Argumentation auf jene Vorhaben ab, bei welchen unklar ist, ob sie planungsbedürftig sind oder nicht. Diesbezüglich ist dann jedoch festzustellen, dass die Bezüge zu § 2 II BauGB und § 11 III BauNVO schon eine starke Präzisierung vornehmen, so dass im Vergleich zum bisherigen pauschalen Abstellen auf den „konkreten Umfang“ und die „Koordinierungsbedürftigkeit“ eher eine Verringerung der Rechtsunsicherheit eintreten dürfte. Ferner ist in Rechnung zu stellen, dass die durch ein falsch verstandenes Planungserfordernis erfolgende Planung für sich nicht im Widerspruch zur Intention des öffentlichen Baurechts vor dem Hintergrund des Planmäßigkeitsgrundsatzes stehen würde. Zwar wird diesbezüglich geltend gemacht, dass § 35 II BauGB als gesetzgeberische Zulassungsentscheidung intentionswidrig verkürzt werde, wenn neben den explizit erwähnten Außenkoordinationsbelangen des § 35 III BauGB die Rechtsfigur des Planungserfordernisses auch auf sonstige Außenkoordinationsprobleme Anwendung findet. 209 Wie bereits dargelegt, 210 steht bei § 35 II BauGB jedoch 205 Zu Vorbehalten gegen den Begriff der „Planungsobliegenheit“ siehe bereits die Darstellungen: 1. Kap. A.IV. 206 Jochum, BauR 2003, 31, 36. 207 Jochum, BauR 2003, 31, 36. 208 Zur generellen Ablehnung der Rechtsfigur siehe oben: 2. Kap. A.I.3.
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telelogisch die Gewährleistung des Planmäßigkeitsgrundsatzes durch grundsätzliche Freihaltung des Außenbereichs und damit mangels Planersatzcharakters die Gewährleistung des Vorrangs der beplanten Bebauung im Vordergrund, so dass die behauptete Intentionswidrigkeit nicht besteht, sondern im Gegenteil durch die Rechtsfigur gerade die gesetzgeberische Grundentscheidung effektiv durchgesetzt wird. Außerdem muss insofern berücksichtigt werden, dass in der Praxis zudem in den seltensten Fällen ein Großvorhaben im Außenbereich intendiert nach § 35 II BauGB zugelassen wurde, sondern vielmehr eine Planung bewusst fehlerhaft vorgenommen wurde oder gar nicht abgeschlossen wurde, um das Vorhaben zu ermöglichen und somit der Rechtmäßigkeitsmaßstab § 35 II BauGB nur indirekt ausgelöst war. 211 In diesen Fällen ist sich die Vorhabensgemeinde regelmäßig der Planungs- und Abstimmungsbedürftigkeit bewusst – von Unsicherheiten kann diesbezüglich nicht ausgegangen werden. Im Übrigen verkennt diese Kritik den Ausnahmecharakter des Planungserfordernisses. Eine Sachlage, welche allein im Wege förmlicher Planung angemessen zu bewältigen ist, stellt mit Sicherheit nicht den Regelfall der Vorhaben im Außenbereich dar. Vielmehr handelt es sich um ein flexibles Rechtsinstrument zur Bewältigung von Missbrauchsfällen und extremen Ausnahmekonstellationen, so dass eine pauschale „Planungsobliegenheit“ nicht zu befürchten ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Kritik an der Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Planungserfordernisses nicht überzeugt. Der nunmehr herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur stehen keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Ein Planungserfordernis kann demnach sowohl durch die Notwendigkeit einer öffentlich verantworteten planerischen Außen-, wie Binnenkoordination ausgelöst werden. 7. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die Rechtsfigur des Planungserfordernisses im Sinne eines Vorbehalts förmlicher Planung für Außenbereichsvorhaben anzuerkennen ist, wenn durch das beabsichtigte Vorhaben ein Koordinationsbedürfnis ausgelöst wird. Dieses Bedürfnis kann sich sowohl aus einer erforderlichen Binnen-, wie Außenkoordination ergeben. Damit fungiert das Planungserfordernis für die jeweilige Vorhabensgemeinde als „bedingte Planungspflicht“: 212 Will die Gemeinde das beabsichtigte Vorhaben 209 210 211
Jochum, BauR 2003, 31, 37. Siehe oben: 2. Kap. A.I.6.b). Kuschnerus, in: Jarass, Abstimmung, 1, 14; Battis, in: Jarass, Abstimmung, 19, 20.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
trotz Unzulässigkeit nach § 35 II BauGB realisieren, so ist sie „faktisch“ zu einer förmlichen Planung verpflichtet. Die Unzulässigkeit infolge des Planungserfordernisses in Verbindung mit dem fortbestehenden Realisierungswillen der Gemeinde fungieren also als „Mittler“ einer tatsächlichen Pflicht zur Planung; mithin existiert für diese Fälle eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht.
II. § 35 I BauGB: Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei privilegierten Vorhaben Nachdem die grundsätzliche Anerkennung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses für Vorhaben gem. § 35 II BauGB begründet wurde, stellt sich nunmehr die Frage, ob auch privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 I BauGB ein Planungserfordernis entgegenstehen kann und inwieweit den aktuellen Ausweitungstendenzen der Rechtsprechung bezüglich der Erstreckung auf Außenkoordinationsbedürfnisse Bedeutung auch für die privilegierten Vorhaben zukommt. Zunächst ist festzustellen, dass bei bloßer Betrachtung der Normsystematik eine Übertragung des Planungserfordernisses möglich erscheint. Die bisherige Herleitung und Begründung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses verortete dieses als „öffentlichen Belang“ im Rahmen des § 35 III S. 1 BauGB. Zwar legt der Wortlaut der Norm („Beeinträchtigung“) lediglich eine Anwendung auf nicht privilegierte Vorhaben nahe, da bei privilegierten Vorhaben der strengere Maßstab des „Entgegenstehens“ erforderlich ist. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass zwischen § 35 I BauGB und § 35 II BauGB kein grundsätzlicher Unterschied in der Auswahl der zu berücksichtigenden Belange besteht, sondern ein solcher sich allein in deren unterschiedlicher Gewichtung niederschlägt, so dass die in § 35 III BauGB genannten Belange auch für privilegierte Vorhaben Anwendung finden. 213 Normsystematisch ist also eine Anwendung möglich. Es könnte sich jedoch aus dem Charakter des Planungserfordernisses als unbenanntem öffentlichen Belang etwas anderes ergeben, wenn man dessen Anwendungsbereich aus inhaltlichen Gründen auf die Vorhaben in § 35 II BauGB beschränken würde. Diese Problematik wird in Rechtsprechung und Literatur bislang äußerst kontrovers beurteilt, so dass zunächst das vorhandene Meinungsspektrum 212
Moench, DVBl 2005, 676, 679; ein vergleichbarer Begründungsansatz liegt der Darstellung von Kleinlein (DÖV 1986, 1010, 1016) zugrunde, welcher die Unzulässigkeit des Vorhabens als Ursache der „Planungsbedürftigkeit“ sieht. Auch Kuschnerus (B-Plan, Rn. 117) behandelt die Fallgruppen des Planungserfordernisses bei § 35 BauGB als Praxisfall einer Planungspflicht. 213 Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 193; Dürr, in: Brügelmann, § 35 [Lfg.: 59./42.], Rn. 66; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 75 u. 61.
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dargestellt werden soll, bevor eine eigene Stellungnahme zu dem Problem erfolgen wird. 1. Klassische Literaturauffassung: kein Planungserfordernis bei § 35 I BauGB Zunächst ist die klassische Literaturauffassung darzustellen, welche die Anwendung des Planungserfordernisses bei privilegierten Vorhaben generell ablehnt. Zu diesem Ergebnis kommen die Vertreter dieser Meinungsgruppe im Wesentlichen durch drei unterschiedliche Begründungsansätze. a) Generelle Ablehnung des Planungserfordernisses Einerseits kommen jene Stimmen in der Literatur, welche die Rechtsfigur des Planungserfordernisses auch für den Fall des § 35 II BauGB ablehnen, aufgrund ihrer generellen Ablehnungsgründe für Vorhaben nach § 35 I BauGB zu dem gleichen Ergebnis. Bezüglich der Auseinandersetzung mit dieser Argumentation kann vollumfänglich auf die bisherigen Darstellungen verwiesen werden; aus genannten Gründen ist diese Auffassung abzulehnen. 214 b) Hoppe: Entprivilegierungsthese Ein alternativer Lösungsansatz unter Vermeidung einer direkten Anwendung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses bei privilegierten Vorhaben liegt älteren Aufsätzen von Hoppe zugrunde. 215 Dieser vertrat unter Geltung des BBauG die Auffassung, dass bei Großvorhaben – insbesondere bei Kraftwerken –, falls diese ein Koordinierungsbedürfnis auslösen, die Privilegierung fortfalle, so dass sich das Problem des Planungserfordernisses innerhalb des § 35 I BBauG nicht stelle. Insoweit berücksichtigt Hoppes Modell die Koordinationsbedürfnisse der Großvorhaben innerhalb derselben Zulassungsentscheidung doppelt: Auf der ersten Stufe führen die ein Planungserfordernis auslösenden Konflikte zu einem Wegfall der Privilegierung des § 35 I BauGB; auf der zweiten Stufe fungiert sodann das Planungserfordernis im Rahmen der Zulässigkeit nach § 35 II BauGB als Zulassungshindernis. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die „Entprivilegierungsthese“ sei die in § 35 I Nr. 5 BBauG (heute: § 35 I Nr. 4 BauGB) enthaltene Wertung des „Sol-
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Vgl. dazu die Darstellungen: 2. Kap. A.I.3. Hoppe, NJW 1978, 1229, 1229 ff.; Hoppe, NJW 1979, 255; Hoppe, DVBl 1982, 913, 913 ff. 215
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lens“. 216 Dieser Privilegierungstatbestand verzichte als einziger auf eine gegenständliche Bezeichnung der privilegierungswürdigen Vorhaben in funktionsspezifischer Hinsicht, so dass eine spezielle Außenbereichsadäquanz und eine spezielle Rechtfertigung für die jeweilige Art des konkreten Vorhabens im Rahmen der gebotenen engen Auslegung zu fordern seien. 217 Für den Fall, dass ein Großvorhaben ab einem bestimmten Flächenverbrauch oder bei erheblicher Konfliktträchtigkeit eine Planung erfordere, sei festzustellen, dass ein derartiges Vorhaben eben nicht im Außenbereich errichtet werden „solle“, sondern vielmehr einem gemeindlichen Planungsakt vorbehalten bleibe. 218 Auf diesem Wege könne für den Anwendungsbereich des § 35 I Nr. 5 BBauG von einer generellen Entprivilegierung bei Großvorhaben ausgegangen werden. Diese Auffassung modifizierte Hoppe später dahingehend, dass eine Einzelfallbetrachtung der jeweiligen Großvorhaben in Bezug auf ihre Abwägungsbedürftigkeit erfolgen müsse, so dass diese nicht mehr als generell entprivilegiert zu betrachten seien. 219 In beiden Ausgestaltungen überzeugt diese „Tatbestandslösung“ des Problems der Anwendung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses auf Vorhaben nach § 35 I BauGB indes nicht. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch der Autor selbst mittlerweile die „Entprivilegierungsthese“ aufgegeben hat. 220 Inhaltlich mag dies vornehmlich daran liegen, dass die von Seiten Hoppes zum Anlass genommenen Kraftwerksvorhaben mittlerweile als eigenständige Privilegierungstatbestände in § 35 I Nr. 3, 5, 6, 7 BauGB ausgestaltet wurden, so dass diese Auffassung für einen Großteil der Großvorhaben mangels „Sollens“-Klausel leer liefe und zu großen Ungereimtheiten führen würde, wenn bei diesen Vorhaben keine Berücksichtigung des Planungserfordernisses erfolgen könnte. 221 Der Gesetzgeber hat somit indirekt die Anwendung dieser Auffassung verhindert. Zudem erscheint auch die Interpretation des „Sollens“ in § 35 I Nr. 4 BauGB bereits für sich betrachtet nicht tragfähig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf welche sich Hoppe zum Beleg seiner Auffassung bezieht, wird diese Einschränkung bei materieller Betrachtung verwendet, um Vorhaben, welche allein der Verfolgung individueller Interessen dienen, vor dem Hinter-
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Hoppe, NJW 1978, 1229. 1233. Hoppe, NJW 1978, 1229, 1232. 218 Hoppe, NJW 1978, 1229, 1233. 219 Hoppe, DVBl 1982, 913, 916 f. 220 Als Beleg kann auf die aktuelle Auflage des Hoppe/Bönker/Grotefels verwiesen werden, in welcher dieses Modell Hoppes keine Erwähnung findet. 221 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 103. 217
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grund des Gleichheitssatzes bezüglich der Außenbereichsnutzung von der Privilegierung auszuschließen. 222 Es wird somit maßgebend auf den (Gemein-)Nutzen des Vorhabens abgestellt, wohingegen Hoppe bei seiner Interpretation Koordinationserwägungen heranzieht, welche die Nützlichkeit der Großvorhaben (bzw. den Allgemeinheitsbezug) nicht betreffen. 223 Diese stellen vielmehr ein typisches Problem der Zulässigkeitsentscheidung in Form der öffentlichen Belange und eben nicht der generellen Privilegierungsentscheidung dar. 224 Vielmehr liefe die generelle Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers leer, welcher den öffentlichen Belangen in § 35 I BauGB und § 35 II BauGB ein unterschiedliches Gewicht beigemessen hat, was gerade vor dem Hintergrund der Außenkoordination in Fällen des Planungserfordernisses bei Hoppes Lösungsansatz nicht hinreichend berücksichtigt werden kann, jedoch bei Verortung des Planungserfordernisses als öffentlichem Belang voll zur Geltung kommt. 225 Die „Entprivilegierungsthese“ ist somit aus den genannten Gründen abzulehnen. c) Ablehnung des Planungserfordernisses vor dem Hintergrund des Planersatzcharakters der Norm Die breite Mehrheit der ein Planungserfordernis für Vorhaben gem. § 35 I BauGB ablehnenden Autoren 226 begründet diese Auffassung durch einen Verweis auf einen behaupteten Unterschied von privilegierten und nicht privilegierten Vorhaben bezüglich des Planmäßigkeitsprinzips. So liege § 35 II BauGB die Wertung zugrunde, dass der Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freizuhalten sei. Damit werde mittelbar ein bauleitplanerischer Vorbehalt statuiert. Demgegenüber habe der Gesetzgeber in § 35 I BauGB ausdrücklich Vorhaben privilegiert, so dass diese – so keine öffentlichen Belange entgegenstehen – ohne eine spezielle Bau-
222 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 55; SchmidtAßmann (Planungserfordernis, S. 26) bezeichnet „einseitige Sonderinteressen, vor allem Liebhabereien“ als durch den Begriff des „Sollens“ auszuscheidende Nutzungen. 223 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 27; Fackler, Individualanspruch, S. 41. 224 Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 384; Karlin, Planungserfordernis, S. 114; Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 28. 225 Zu den Bedenken Schmidt-Aßmanns (Planungserfordernis, S. 32), der eine begriffliche Aufwertung für Belange der Außenkoordination befürchtet, welche die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen „entgegenstehen“ und „beeinträchtigen“ gefährde, siehe unten: 2. Kap. A.II.5.c). 226 Römermann, NJW 1978, 2286; ders., UPR 1982, 373, 374; Ottmann, BauR 1979, 297, 298 f.; Ferner, in: HK-BauGB, § 35, Rn. 36; Konrad, in: Schiwy, § 35, S. 57; Schmaltz, in: Schrödter [6. Aufl.], § 35, Rn. 95; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 25; Battis, BauR, S. 155; Peine, BauR, Rn. 820; Nachreiner, Verbrauchermärkte, S. 212; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rn. 105; Rieger, in: Schrödter, § 35, Rn. 108.
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leitplanung realisierbar seien. 227 Dem Außenbereich komme für diese Vorhaben eine originäre Zuweisung zu, welche von den Vertretern dieser Auffassung als „Planersatzcharakter“ der Privilegierung gekennzeichnet wird. Die Anerkennung des Planungserfordernisses für privilegierte Vorhaben würde eben diese Planersatzfunktion leer laufen lassen, da jene Vorhaben gerade ohne konkrete Bauleitplanung allein durch die vom Gesetzgeber antizipierte Entscheidung zulässig sein sollen. 228 Der Planungsvorbehalt durch die Rechtsfigur des Planungserfordernisses stehe somit im Widerspruch zur gesetzlichen Intention und sei folglich für diese Fälle abzulehnen. Zudem ergebe die Anerkennung des Planungserfordernisses bei § 35 I BauGB auch keine Vorteile, da eine hinreichende Außenkoordination vorhabensspezifisch durch die eventuell entgegenstehenden öffentlichen Belange gewährleistet sei, und sich Fragen der Binnenkoordination bei Großvorhaben im Sinne des § 35 I BauGB mangels differenzierter Eigentümerstrukturen – auch für die Zukunft – nicht stellen würden. 229 Zum in den praktischen Auswirkungen gleichen Ergebnis gelangt auch Bracher, wenngleich mittels anderer Argumentation: 230 Die grundsätzliche Zulässigkeit privilegierter Vorhaben dürfe nicht durch das Planungserfordernis aufgehoben werden. Zwar sei es in Ausnahmefällen denkbar, die Rechtsfigur heranzuziehen. Dieses käme jedoch allenfalls in Betracht, wenn durch das Vorhaben Belange betroffen würden, die nicht bereits als öffentliche Belange innerhalb des § 35 III S. 1 BauGB berücksichtigt werden könnten. Da diese Vorschrift jedoch in der Praxis alle Belange umfasse – insbesondere nach Auffassung Brachers auch das Gebot interkommunaler Abstimmung gem. § 2 II S. 1 BauGB 231 – gäbe es keinen praktischen Anwendungsbereich für die Rechtsfigur des Planungserfordernisses bei Vorhaben nach § 35 I BauGB. 2. Überwiegende Literaturauffassung: Planungserfordernis bei § 35 I BauGB nur aufgrund notwendiger Binnenkoordination Die überwiegende Literaturauffassung will demgegenüber bei privilegierten Vorhaben ein Planungserfordernis lediglich bei der Notwendigkeit einer öffentlich verantworteten Binnenkoordination zur Anwendung kommen lassen. 232 Gegen eine Erstreckung auf Fragen der Außenkoordination spreche der Planersatzcharakter 227
Ottmann, BauR 1979, 297, 298. Römermann, NJW 1978, 2286. 229 Schmaltz, in: Schrödter [6. Aufl.], § 35, Rn. 95. 230 Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2218. 231 Zur Frage der Berücksichtigung von § 2 II S. 1 BauGB im Rahmen von § 35 III S. 1 BauGB und der Ablehnung dieser Ansicht vgl. die Darstellungen: 2. Kap. A.I.3.b)(2). 228
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des § 35 I BauGB. 233 Die gesetzliche Privilegierungsentscheidung (als „Grobsteuerung“) gewährleiste in Verbindung mit den öffentlichen Belangen, welche nicht entgegenstehen dürften (als „Feinsteuerung“), die Außenkoordination ausreichend, so dass diesbezüglich kein Planungsbedürfnis bestehe. 234 Die mangelnde Sperrwirkung der Privilegierung für die Anerkennung des Planungserfordernisses aufgrund erforderlicher Binnenkoordination ergebe sich aus einem Vergleich mit der Planersatznorm des § 34 BauGB: Bei jener gewährleiste die prägende Wirkung der vorhabenden Umgebungsbebauung als engerer Maßstab auch eine Binnenkoordination, wohingegen den öffentlichen Belangen im Sinne des § 35 III S. 1 BauGB keine Rechtswirkungen im Hinblick auf die interne Zuordnung innerhalb eines Großvorhabens entnommen werden könne, und es diesbezüglich an einem „durch konkrete Maßstabhaftigkeit ausgezeichneten Entscheidungsprogramm“ fehle. 235 Die Anerkennung des Planungserfordernisses zur Binnenkoordination führe auch nicht zu einer Angleichung der Zulassungstatbestände des § 35 BauGB, da nach wie vor die Unterscheidung zwischen „Entgegenstehen“ und „Beeinträchtigen“ vorzunehmen sei, welche der Privilegierung bezüglich ihrer Durchsetzungskraft hinreichend Rechnung trage. 236 3. Keine Differenzierung zwischen § 35 I BauGB und § 35 II BauGB Schließlich findet sich – vor allem seit der Aufgabe der Unterscheidung zwischen Binnen- und Außenkoordination durch das Bundesverwaltungsgericht – in der Literatur zum Planungserfordernis die Auffassung, dass keine Differenzierung zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben bezüglich der vollumfänglichen Anerkennung des Planungserfordernisses vorgenommen werden soll. 237 Die Vertreter dieser Auffassung befürworten also die Anwendung des Planungs-
232 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 69; Dürr, in: Brügelmann, § 35 [Lfg.: 42.], Rn. 69; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß [3. Aufl.], § 35, Rn. 222; Fackler, Individualanspruch, S. 42 f.; Dolde, NJW 1986, 1021, 1025; ders., NJW 1983, 792, 796; ders., NVwZ 1984, 158, 159; ders., NJW 1984, 1713, 1724; Bosch, BauR 1978, 268, 275; Grooterhorst, UPR 1986, 251, 257 f.; Kröncke, UPR 1982, 10, 12; Kraft, UPR 1988, 288, 293; Weyreuther, BauR 1981, 1, 10 f.; Kühne, DVBl 1984, 709, 715; Söfker (in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 63) relativiert den Anwendungsbereich zudem insofern, als „allenfalls“ zur Binnenkoordination ein Planungserfordernis angenommen werden könne. 233 Fackler, Individualanspruch, S. 42; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß [3. Aufl.], § 35, Rn. 222; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 63. 234 Dolde, NJW 1983, 792, 796 f.; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 69. 235 Fackler, Individualanspruch, S. 42; Dolde, NJW 1983, 792, 796. 236 Dolde, NJW 1983, 792, 796.
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erfordernisses bei Notwendigkeit einer staatlich verantworteten Binnen- oder Außenkoordination auch für die privilegierten Vorhaben. Zur Begründung für diese weite Erstreckung wird ebenfalls auf den Planersatzcharakter des § 35 I BauGB Bezug genommen: So stelle die Norm als bloßer Planersatz gerade keine abschließende, konkret standortbezogene Ersatzplanung dar, so dass für die konkreten Vorhaben durchaus auch Konflikte im Rahmen der Einbettung des Vorhabens denkbar wären, welche nur durch eine konkrete Bauleitplanung zu lösen seien. 238 Diese Erkenntnis liege auch der gesetzgeberischen Konzeption des § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB zugrunde, welcher speziell auch privilegierte Vorhaben unter einen Planvorbehalt stelle. 239 Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass gerade die häufig privilegierten Großvorhaben weit reichende Auswirkungen auf die Umgebung haben könnten, so dass hier das Planungserfordernis auch zur Außenkoordination besonders geboten sein könne. 240 Zudem bestehe der Unterschied zwischen § 35 I BauGB und § 35 II BauGB nicht in der generellen dogmatischen Konstruktion bzw. Auswahl der öffentlichen Belange, sondern vielmehr allein in der unterschiedlichen Gewichtung der Belange vor dem Hintergrund der Durchsetzungskraft des Vorhabens. 241 Dieses Verständnis im Sinne einer einheitlichen Begrifflichkeit innerhalb einer Norm sei ferner auch ein Erfordernis des Gebotes der Rechtssicherheit und der Einheit 237
Moench, DVBl 2005, 676, 680; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 224; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 93; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 243 ff.; Taegen, in: Berliner Kommentar [2. Aufl.], § 35, Rn. 90; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 239; Karlin, Planungserfordernis, S. 149 ff.; Hornmann, NVwZ 2006, 969, 971; Holzhauser, Probleme der Standortvorsorge für Großvorhaben, S. 125; Hofmann, NVwZ 1989, 225, 231; wohl auch Peine (DÖV 1983, 909, 909), der sich allgemein für § 35 I und II BauGB einheitlich äußert; ebenso Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 2, Rn. 57; Brocke, Rechtsfragen Standortvorsorge, S. 123; Ziegler, ZfBR 1979, 140, 143 ff.; Kühne, NVwZ 1986, 620, 621; nicht eindeutig Stüer (Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 2591), der einerseits darstellt, dass eine Koordination unterschiedlicher Belange bei einer Genehmigung privilegierter Vorhaben nicht erwartet werden könne, auf der anderen Seite jedoch betont, dass sowohl Binnen-, wie Außenkoordination auch bei privilegierten Vorhaben ein Planungsbedürfnis vermitteln würden; deutliche Sympathien für die vollumfängliche Ausdehnung der Rechtsfigur auch durch den RiBVerwG Rojahn (in: Spannowsky/Krämer, Großflächiger Einzelhandel, 147, 149); dogmatisch wohl auch Schmidt-Aßmann (Planungserfordernis, S. 32 ff.), der allerdings die Eignung zur Binnenkoordination verneint und folglich allein die Außenkoordination als Anknüpfungspunkt wählt – zur Darstellung und Ablehnung dieser Argumentation siehe oben: 2. Kap. A.I.5. 238 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 243; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 93; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Vorb.§§ 29–38 [Lfg.: 77.], Rn. 46. 239 Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 93. 240 Taegen, in: Berliner Kommentar [2. Aufl.], § 35, Rn. 90. 241 Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 224; Moench, DVBl 2005, 676, 680; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 245.
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der Rechtsordnung, da zumindest innerhalb eines einheitlichen Gesetzes auch ein einheitlicher Begriffsinhalt gegeben sein müsse. 242 4. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Nachdem die wesentlichen Literaturstimmen zum Anwendungsumfang der Rechtsfigur des Planungserfordernisses auf Vorhaben gem. § 35 I BauGB dargestellt wurden, soll im Folgenden, bevor eine abschließende Stellungnahme zu dieser Frage erfolgt, noch die bisherige Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nachgezeichnet werden. 243 a) Vor Anerkennung des Planungserfordernisses zur Außenkoordination bei § 35 II BauGB: Generelle Ablehnung der Rechtsfigur bei § 35 I BauGB Parallel zur Entwicklung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses und dessen Beschränkung auf die Notwendigkeit der Binnenkoordination nahm das Bundesverwaltungsgericht erstmals in der Entscheidung vom 27. 6. 1983 244 zur Problematik der Erstreckung des Anwendungsbereichs der Rechtsfigur auf privilegierte Vorhaben Stellung: 245 Dem Entscheidungssachverhalt lag eine Geflügelmastanlage mit 180.000 Mastplätzen im Außenbereich zugrunde. Das Gericht bejahte eine Privilegierung nach § 35 I Nr. 5 BBauG. Als nicht rechtsgrundsätzlich wurde jedoch die Frage bezeichnet, ob bei derartigen Vorhaben ein Planungserfordernis als öffentlicher Belang anzuerkennen sei. Vielmehr bedürfe diese Frage keiner Klärung, da nach der Rechtsprechung des Gerichts privilegierte Vorhaben durch den Gesetzgeber planartig dem Außenbereich zugewiesen seien, so dass einem derartigen Vorhaben „als solchem“ kein Planungsbedürfnis entgegengehalten werden könne. Ferner werfe der konkrete Fall lediglich Fragen der Außenkoordination auf, welche selbst bei sonstigen Vorhaben kein Planungserfordernis zu begründen vermögen, so dass auch aus diesem Grund die Revision nicht zugelassen wurde. Insofern ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Erstreckung des Planungserfordernisses auf privilegierte Vorhaben allgemein abgelehnt hatte. 242 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 244; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 261 f. 243 Vgl. auch die ausführliche Rechtsprechungsdarstellung (2. Kap. A.I.2.) zur allgemeinen Einordnung der Entwicklung des Planungserfordernisses in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 244 BVerwG, BRS 40, Nr. 74, S. 180 f. 245 Erstmaligen Niederschlag in der obergerichtlichen Rechtsprechung fand die generelle Ablehnung des Planungserfordernisses für Vorhaben gem. § 35 I BauGB soweit ersichtlich bereits in der Entscheidung des OVG Lüneburg v. 17. 10. 1977, DVBl 1978, 67, 70 f.
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Bemerkenswerter Weise wird in der Literatur diese Unterscheidung als Bestätigung für jeweils konträre Auffassungen angeführt. So berufen sich Jäde und Dürr auf diese Entscheidung als Beleg für die Anerkennung des Planungserfordernisses zur Binnenkoordination bei Vorhaben gem. § 35 I BauGB. 246 Dieses ergebe sich daraus, dass inhaltlich „nur“ eine Auseinandersetzung mit der Außenkoordination des Vorhabens geboten gewesen sei, was als Hinweis auf eine andere Bewertung des Gerichts im Falle der Binnenkoordination hindeute. Auf der anderen Seite stützen sich gleichfalls die ein Planungserfordernis generell ablehnenden Stimmen auf diese Entscheidung, 247 insbesondere deren deutlichen, zweiten Leitsatz: „2. Ein Planungserfordernis kann einem [ . . . ] privilegiert zulässigen Einzelvorhaben nicht als öffentlicher Belang entgegenstehen“. Auch Dolde und Krautzberger, die Befürworter der Anwendung des Planungserfordernisses unter Beschränkung auf die Binnenkoordination sind, sehen in der Entscheidung eine deutliche und generelle Ablehnung durch das Bundesverwaltungsgericht. 248 Fraglich ist also, wie diese Rechtsprechung einzuordnen ist. Der Hinweis auf den klaren Wortlaut des Leitsatzes wird durch eine genaue Analyse der Entscheidungsgründe bestärkt. So wird die generelle Ablehnung des Planungserfordernisses aufgrund der planartigen Zuweisung durch den Gesetzgeber zuerst allgemein dargelegt und explizit bzw. abschließend benannt. Erst nach dieser Darstellung wird unterstützend darauf abgestellt, dass vorliegend allein Fragen der Außenkoordination relevant sind, was sich auch deutlich an der einleitenden Formulierung „Darüber hinaus“ 249 erkennen lässt. Die Entscheidung kann somit zutreffend nur als generelle Ablehnung des Planungserfordernisses verstanden werden. Diese Ablehnung wurde im Folgenden in der Entscheidung vom 19. 12. 1985 unter expliziter Bezugnahme auf das vorangegangene Urteil mit Verweis auf die generelle gesetzgeberische Zuweisung privilegierter Vorhaben für den Außenbereich in dieser Allgemeinheit bestätigt. 250
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Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 239; Dürr, in: Brügelmann, § 35 [Lfg.: 42.], Rn. 69; ebenso: Fackler, Individualanspruch, S. 42. 247 Schmaltz, in: Schrödter [6. Aufl.], § 35, Rn. 95. 248 Dolde, NVwZ 1984, 158, 158; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 70. 249 BVerwG, BRS 40, Nr. 74, S. 181. 250 BVerwGE 72, 300, 326.
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b) Jüngster Beschluss – Rechtsprechungswandel? Nach der „Zweibrücken-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts, 251 welche eine beachtliche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Rechtsfigur des Planungserfordernisses mit sich brachte, stellte sich die Frage, ob dies auch einen Rechtsprechungswandel für die privilegierten Vorhaben nach sich ziehen würde. 252 In der jüngsten Entscheidung vom 11. 8. 2004 hatte sich das Gericht mit einem privilegierten Windkraftvorhaben im Außenbereich zu beschäftigen. 253 In Frage stand die Verpflichtung zur Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids, welchem ein Planungserfordernis entgegenstehen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich mit der Herleitung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses in der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere unter Bezugnahme auf die „Zweibrücken-Entscheidung“, auseinander und verneinte für den vorliegenden Fall ein Bedürfnis für ein Korrektiv zur gesetzgeberischen Grundkonzeption, da eine ausreichende Steuerungsmöglichkeit bei Windkraftanlagen, vor allem vor dem Hintergrund der „Planungsbefugnisse“ des § 35 III S. 3 BauGB, bestehe. 254 Vordergründig betrachtet kann ein Rechtsprechungswandel für privilegierte Vorhaben somit nicht festgestellt werden. In der Literatur wird dieses Urteil dahingehend gedeutet, dass das Gericht die Anwendung des Planungserfordernisses bei § 35 I BauGB zwar offen gelassen habe, jedoch zugleich die Andeutung formulierte, dass bei einer Häufung von Windkraftanlagen ein planungserforderndes Koordinationsbedürfnis anzunehmen sei. 255 Bei eingehender Betrachtung der Entscheidungsgründe muss sogar festgestellt werden, dass seitens des 4. Senats eine ausführliche Herleitung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses aus dem Gedanken der umfassenden Koordinierungsbedürftigkeit vorgenommen wurde, welche vor dem Hintergrund eines alternativ möglichen Verweises auf die bisherige gefestigte Rechtsprechung entbehrlich gewesen wäre. Dies könnte zwar auch als bloße Reaktion auf den in Folge des mittlerweile erfolgten Rechtsprechungswandel bei § 35 II BauGB entstandenen Klärungsbedarf aufgefasst werden. Das Gericht geht jedoch über das diesbezüglich Notwendige bei weitem hinaus. So wird zunächst festgestellt, dass die in § 35 III BauGB genannten öffentlichen Belange lediglich „regelmäßig“ eine hinreichende
251
Urt. v. 1. 8. 2002, BVerwGE 117, 25 ff. Bönker, in Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 224; Moench, DVBl 2005, 676, 680; Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Großflächiger Einzelhandel, 147, 149. 253 BVerwG, BauR 2005, 832, 832 f. 254 BVerwG, BauR 2005, 832, 833. 255 Moench, DVBl 2005, 676, 680, Fn. 50. 252
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Interessenbewertung ermöglichten. Zudem fehlt jede Bezugnahme auf die bisherige, das Planungserfordernis vollumfänglich ablehnende Rechtsprechung. Dies deutet schon auf einen beabsichtigten Wandel in der Rechtsprechung hin und stünde im Einklang mit der zeitlich vorgelagerten Stellungnahme eines Richters des erkennenden Senats. 256 Völlig entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist jedenfalls der diesbezüglich abschließende Satz der Entscheidungsgründe einzuordnen: „Der Gesetzgeber geht ersichtlich davon aus, dass jedenfalls im Grundsatz bei Anlagen nach § 35 I Nr. 2– 6 BauGB das [ . . . ] Konditionalprogramm die Zulässigkeit von derartigen Anlagen ausreichend zu steuern vermag.“ 257 Durch die enthaltene Relativierung erkennt das Bundesverwaltungsgericht inhaltlich an, dass in bestimmten Konstellationen auch bei privilegierten Vorhaben ein Koordinierungsbedürfnis bestehen kann, welches dann ausnahmsweise als Planungserfordernis dem Vorhaben entgegenzustehen vermag. Der jüngste Beschluss des 4. Senats muss somit sogar als positive Anerkennung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses für Vorhaben nach § 35 I Nr. 2–6 BauGB aufgrund eines Koordinierungsbedürfnisses der Binnen- oder Außenkoordination verstanden werden. Es bleibt abzuwarten, ob in Folgeentscheidungen aus Klarstellungsgesichtspunkten noch eine ausdrückliche Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung erfolgen wird. 258 5. Stellungnahme Die erfolgte Darstellung der Literaturauffassungen und der Rechtsprechungsentwicklung zeigt deutlich, dass zentraler Ansatzpunkt der Auseinandersetzung mit der Frage der Anwendung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses auf die privilegierten Vorhaben gem. § 35 I BauGB die Reichweite des Planersatzcharakters dieser Norm sein sollte. a) Umfang des Planersatzcharakters von § 35 I BauGB Zunächst ist dazu der allgemeine Umfang des Planersatzcharakters von § 35 I BauGB zu bestimmen.
256
Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Großflächiger Einzelhandel, 147, 149. BVerwG, BauR 2005, 832, 833; kursive Hervorhebungen erfolgten durch den Verfasser dieser Arbeit. 258 Ebenso steht bislang eine Begründung aus, warum land- und forstwirtschaftliche Betriebe nach § 35 I Nr. 1 BauGB vom erkennenden Senat diesbezüglich ausdrücklich ausgespart wurden. Inhaltliche Anknüpfungspunkte gibt die Entscheidung diesbezüglich nicht her. 257
A. § 35 BauGB
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Ursprünglich ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass durch § 35 I BauGB in einer § 30 BauGB vergleichbaren Weise durch den Gesetzgeber „selbst sozusagen generell geplant“ wurde, so dass die privilegierten Vorhaben dem Außenbereich planartig zugewiesen seien. 259 Der Norm wurde daran anschließend der Status einer umfassenden „Ersatzplanung“ zuerkannt. 260 Diese Rechtsprechung erfuhr jedoch eine Korrektur durch die Entscheidung vom 20. 1. 1984, in welcher der erkennende Senat ausdrücklich betonte, dass in dieser Allgemeinheit nicht an der planartigen Vergleichbarkeit mit § 30 BauGB festzuhalten sei. 261 Zwar würden Vorhaben im Sinne des § 35 I BauGB „sozusagen generell geplant“, allerdings sei ebenso hervorzuheben, dass kein vergleichbarer Detailgrad erreicht würde. Insbesondere fehle jede „Entscheidung über den konkreten Standort“, welche § 35 I BauGB von den §§ 30, 34 BauGB unterscheide. 262 Damit wurde in Übereinstimmung mit der praktisch allgemeinen Literaturauffassung dargelegt, dass es sich nicht um eine vollumfängliche „Ersatzplanung“ handelt, sondern vielmehr im Rahmen der jeweiligen gesetzgeberischen Konzeption, welche gerade die konkrete Standortfrage ausspare, um einen „Planersatz“. 263 Im Folgenden ist also zu untersuchen, inwieweit die generelle gesetzgeberische Privilegierungsentscheidung als Planersatz einer Anwendung der Rechtsfigur entgegensteht bzw. inwieweit durch die Anwendung des Planungserfordernisses diese gesetzgeberische Wertung leer zu laufen droht. b) Planungserfordernis zur Binnenkoordination Zunächst ist darzulegen, inwieweit ein Planungserfordernis bei notwendiger Binnenkoordination mit dem Planersatzcharakter des § 35 I BauGB vereinbar sein kann. Wie bereits ausgeführt kann der generellen gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten der Privilegierung keine Standortbestimmung dergestalt entnommen werden, dass solche Vorhaben schlechterdings an jedem konkreten Außenbereichsstandort zulässig sein sollen. 264 Vielmehr kommt gerade diesbezüglich den öffentlichen Belangen des § 35 III BauGB maßgebliche Steuerungsfunktion zu.
259
BVerwGE 28, 148, 150. Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 140 f. 261 BVerwGE 68, 311, 314. 262 BVerwGE 68, 311, 315. 263 Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 125; Oldiges, in: Steiner, BesVerwR (7. Aufl.), IV, Rn. 171 u. Rn. 222; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 144. 264 BVerwGE 68, 311, 315. 260
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Fragen der Binnenkoordination eines Vorhabens finden zudem in den ausdrücklich benannten öffentlichen Belangen des § 35 III S. 1 BauGB keinen Niederschlag, so dass auch diesbezüglich keine gesetzgeberische Entscheidung unterlaufen zu werden droht, und im Gegenteil der konkrete Standortbezug bezüglich der Binnenkoordination allein durch die Rechtsfigur des Planungserfordernisses gewährleistet werden kann. Auch geht die Behauptung fehl, Fragen der Binnenkoordination würden sich mangels Zersplitterung in der Eigentümerstruktur bei privilegierten Großvorhaben gar nicht stellen, welche von den Gegnern der Anwendung der Rechtsfigur erhoben wird: 265 Vielmehr wurde von Kraft und Hofmann für den Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage und von Kühne für Braunkohletagebauvorhaben eindrucksvoll dargelegt, dass durchaus ein intensives Bedürfnis für eine planerische und öffentlich verantwortete Zuordnungsentscheidung mittels Bauleitplanung bestehen kann. 266 Auch die vom OVG Münster erhobenen Bedenken, die Anwendung des Planungserfordernisses führe zu dem paradoxen Ergebnis, dass zwar positiv Darstellungen in einem Flächennutzungsplan einem privilegierten Vorhaben nie entgegenstehen könnten, wohingegen negativ die bauplanerische Untätigkeit der Gemeinde sehr wohl zur Unzulässigkeit führen würde, 267 greifen letztlich nicht durch. Zum einen ist mittlerweile anerkannt, dass auch Darstellungen in einem Flächennutzungsplan einem Vorhaben nach § 35 I BauGB entgegenstehen können; 268 dies ist sogar unmittelbarer Regelungsgegenstand des § 35 III S. 3 BauGB. Zum anderen hat Dolde zurecht darauf hingewiesen, dass die Argumentation insoweit fehlgeht, als einem bestehenden Planungsbedürfnis aufgrund notwendiger Binnenkoordination durch einen Flächennutzungsplan mangels detaillierter Festsetzungsmöglichkeiten gar nicht begegnet werden könne, 269 so dass der Vergleich unzulässig erscheint. Der Anwendung des Planungserfordernisses bei Notwendigkeit der Binnenkoordination des Vorhabens stehen somit keine durchgreifenden Argumente entgegen. c) Planungserfordernis zur Außenkoordination Problematischer erscheint die Anwendung des Planungserfordernisses in Fällen, welche eine planerisch verantwortete Außenkoordination nötig erscheinen lassen. 265
Schmaltz, in: Schrödter [6. Aufl.], § 35, Rn. 95. Kraft, UPR 1988, 288, 293; Hofmann, NVwZ 1989, 225, 231; Kühne, DVBl 1984, 709, 715. 267 OVG Münster, Urt. v. 14. 9. 1981, 12 A 2479/80, JURIS, 4. LS. 268 BVerwGE 68, 311, 313. 269 Dolde, NJW 1983, 792, 796. 266
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Zwar kann auch für diese Konstellation darauf verwiesen werden, dass die gesetzgeberische Zuweisung durch die Privilegierungsentscheidung keinen konkreten Standortbezug aufweist. Allerdings leisten die benannten öffentlichen Belange, welche als unmittelbarer Bestandteil der gesetzlichen Konzeption auch im Hinblick auf die Zulässigkeit von privilegierten Vorhaben verstanden werden müssen, durchaus eine Außenkoordination des Vorhabens, welche wiederum vor allem durch die erhöhte Durchsetzungskraft aufgrund des Erfordernisses des „Entgegenstehens“ speziell der Privilegierung Rechnung zu tragen vermag. Dennoch erscheint es zweifelhaft, aus diesem Grunde eine abschließende Außenkoordination für privilegierte Vorhaben anzunehmen. Allein die Existenz ausdrücklicher öffentlicher Belange vermag für sich nicht die Beschränkung auf diese zu rechtfertigen, wenn eine bewusst offene Gesetzesgestaltung vorliegt. Auch ist nicht erkennbar, inwieweit der Planersatzcharakter des § 35 I BauGB durch die Anwendung weitere öffentlicher Belange entwertet würde. Denn durch die bloße Anerkennung der Rechtsfigur ist noch nichts darüber ausgesagt, ob im konkreten Einzelfall auch ein „Entgegenstehen“ angenommen werden kann, da speziell im Rahmen dieser nachvollziehenden Abwägung der Privilegierungsentscheidung angemessen Rechnung zu tragen ist. Außerdem erscheint eine Argumentation auf Grundlage der gesetzgeberischen Zuweisung der privilegierten Vorhaben bezüglich der Außenkoordination dergestalt, dass diesbezüglich gerade eine Realisierung ohne Planung möglich sein solle, vor dem Hintergrund des § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB nicht haltbar. Vielmehr erkennt der Gesetzgeber durch jene Normen ausdrücklich an, dass auch privilegierte Vorhaben einem Planungsvorbehalt unterliegen können (§ 35 III S. 2, 1. HS BauGB und § 35 III S. 3 BauGB) oder positiv allein in Folge planerischer Abwägung im Außenbereich realisierbar sein können (§ 35 III S. 2, 2. HS BauGB). 270 Die Anerkennung des Planungserfordernisses zur Außenkoordination steht demnach nicht in Widerspruch zur gesetzlichen Grundkonzeption. Ganz im Gegenteil: Der Gedanke der Begrenztheit des Konditionalprogramms, welcher ein maßgeblicher Ansatz für die Anerkennung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses als solcher ist, lässt sich in gleicher Weise auf die privilegierten Vorhaben übertragen. Auch bei privilegierten Großvorhaben kann es zu einer Konfliktlage kommen, der durch die konditionale Entscheidungsstruktur des § 35 I BauGB nicht angemessen Rechnung getragen werden kann. 271 Diesbezüglich ist die bereits dargelegte Argumentation vollkommen übertragbar. 272 Gleiches gilt
270 Diesen Aspekt betonen bzgl. § 35 III S. 3 BauGB: Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 93; Anklänge diesbezüglich finden sich auch schon bei: Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 166 ff. 271 Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 93. 272 Siehe oben: 2. Kap. A.I.6.a).
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
für die teleologischen Erwägungen bezüglich der effektiven Gewährleistung des § 2 II S. 1 BauGB, die für privilegierte Vorhaben ebenfalls Bedeutung gewinnen kann. 273 Diese Argumentation zeigt deutlich, dass die vom Bundesverwaltungsgericht geleistete Neukonzeption des Planungserfordernisses inhaltlich nicht vor den Vorhaben im Sinne des § 35 I BauGB halt macht und vollumfänglich übertragen werden kann. Zweifelhaft erscheint vor diesem Hintergrund allein die Beschränkung im jüngsten Beschluss des 4. Senats, wonach land- und forstwirtschaftliche Vorhaben nicht an der aufgezeigten Öffnung zugunsten des Planungserfordernisses teilhaben sollen. 274 Dieses lässt sich allein pragmatisch daraus erklären, dass für das Gericht keine Situation denkbar erscheint, in welcher sich ein Planungserfordernis für derartige Betriebe, die selten Großvorhaben im Maßstab des Planungserfordernisses darstellen werden und ferner durch die Betriebsflächeneingrenzung in ihren Auswirkungen relativiert werden, über die Grenze des „Entgegenstehens“ hinwegzusetzen vermag. Im Interesse einer stringenten Dogmatik und einer einheitlichen Begriffshandhabe 275 wäre es jedenfalls einfacher, für die Zukunft das Planungserfordernis auch auf diese Vorhaben zu erstrecken, gerade weil damit mangels praktischer Relevanz keine tatsächliche Änderung der Genehmigungspraxis einhergehen würde. Zuletzt ist noch festzustellen, dass die Bedenken Schmidt-Aßmanns an der Erstreckung des Planungserfordernisses auf privilegierte Vorhaben, wonach an jener kritisiert wird, dass die Begrifflichkeit des Planungserfordernisses eine Aufwertung der dahinter stehenden Koordinationsbelange mit sich bringe, welche die Privilegierung ihrerseits zu entwerten drohe, 276 bei richtiger Anwendung der Rechtsfigur sich als wenig gewichtig darstellen. Denn zentraler Unterschied bei der Handhabe des Planungserfordernisses als öffentlicher Belang bzgl. § 35 I BauGB und § 35 II BauGB ist die Unterscheidung zwischen „beeinträchtigen“ und „entgegenstehen“, welche alleiniger, aber auch ausreichender Ansatzpunkt dafür ist, der gesetzgeberischen Privilegierung angemessen Rechnung zu tragen. 277 So ist bei der Beurteilung, ob ein bestehendes Planungserfordernis konkret auch dem Vorhaben entgegensteht, zwischen dem Zweck des Vorhabens und dem öffentlichen Belang abzuwägen, 278 wobei das besondere Gewicht, welches dem Vorhaben aufgrund der gesetzlichen Privilegierung zukommt, besonders in Rechnung zu 273
Siehe oben: 2. Kap. A.I.6.b). Siehe oben: 2. Kap. A.II.4. 275 Diesen Gedanken für die gesamte Rechtsfigur besonders betonend: Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 244. 276 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 32. 277 So auch Moench, DVBl 2005, 676, 680; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 245; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 224. 278 Abwägung ist hierbei als nachvollziehende Abwägung zu verstehen. 274
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stellen ist. 279 Dies ermögliche nach Bracher sogar in engen Grenzen eine saldierende Betrachtungsweise zugunsten des Vorhabens, wenn dessen Privilegierung wenigstens teilweise im öffentlichen Interesse erfolge. 280 Insofern ist davon auszugehen, dass das „Entgegenstehen“ eines Planungserfordernisses bei Vorhaben nach § 35 I BauGB lediglich in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann. Dennoch ist festzuhalten, dass theoretisch diese Möglichkeit besteht, und diese folglich von den Genehmigungsbehörden zu beachten ist. d) Ergebnis Als Ergebnis bleibt also festzuhalten, dass auch privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 I BauGB im Einzelfall ein Planungserfordernis entgegenstehen kann, wobei der Anwendungsumfang dieser Rechtsfigur bezüglich der zu berücksichtigenden Koordinationsbelange keinen Einschränkungen gegenüber der Anwendung bei § 35 II BauGB unterliegt. Lediglich die Durchsetzungskraft, auch hierin besteht kein Unterschied zur allgemeinen Normsystematik der öffentlichen Belange, ist in Folge ihrer Privilegierung im Rahmen der Prüfung des „Entgegenstehens“ stärker zu gewichten.
III. Zwischenergebnis zur Rechtsfigur des Planungserfordernisses bei § 35 I BauGB und § 35 II BauGB Als Zwischenergebnis ist für den Anwendungsbereich des § 35 BauGB festzuhalten, dass durch die Rechtsfigur des Planungserfordernisses die jeweilige Vorhabensgemeinde einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht unterliegen kann. Das Planungserfordernis als öffentlicher Belang im Sinne des § 35 III S. 1 BauGB steht einem Vorhaben entgegen, wenn dieses ein Bedürfnis nach planerisch verantworteter Außen- oder Binnenkoordination hervorruft, und vermittelt insoweit die subjektive Pflichtdetermination. Diese Wirkung liegt darin begründet, dass der Planungsträger bei fortbestehendem Realisierungswillen bezüglich des Vorhabens allein durch förmliche Planungsmaßnahmen eine Baugenehmigung für eben jenes erreichen kann. Somit stellt die Unzulässigkeit nach § 35 III S. 1 BauGB für den Fall, dass an einer Realisierung trotzdem festgehalten werden soll, einen „Mittler“ für die „faktische Pflicht“ zur Planung dar.
279 Tyczewski, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, A III [Lfg.: 11.], Rn. 109; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 60; Bracher, in: Gelzer/ Bracher/Reidt, Rn. 2150. 280 Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2151.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
IV. Folgeproblem: Art der konkreten Abhilfe im Fall eines Planungserfordernisses Im Folgenden stellt sich jedoch die Frage, wie im Falle eines Planungserfordernisses diesem abgeholfen werden kann. Unzweifelhaft bedarf es dazu der zugrunde gelegten gestalterischen Abwägung im Wege förmlicher Planung. 281 Damit ist aber noch nichts über die Rechtsnatur des geforderten Plans gesagt. Es ist also vornehmlich zu klären, welche Art von Plan generell dazu in der Lage ist, der durch das Planungserfordernis ausgelösten subjektiv determinierten Erstplanungspflicht zu genügen (1.). Daneben ist § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB hinsichtlich seiner Wirkungen auf das Planungserfordernis zu betrachten (2.). 1. Vom Planungserfordernis geforderter Plantyp Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Planungserfordernisses als Grundlage der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht wurden bereits umfassend erörtert. Es soll nunmehr dargestellt werden, welche Art von Plan durch das Planungserfordernis gefordert wird bzw. durch welche Plantypen eine „Erfüllung“ der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht erfolgen kann. Diesbezüglich kommen raumordnungsrechtliche und bauplanungsrechtliche Instrumente in Betracht, welche im Folgenden auf ihre generelle Eignung diesbezüglich untersucht werden sollen. a) Raumordnungsrechtliche Pläne Die Raumordnungspläne gliedern sich im Wesentlichen in Landes- und Regionalpläne (§§ 8, 9 ROG 282), welche vorliegend in ihrem Verhältnis zum Planungserfordernis zusammen behandelt werden können. Zur planerischen Problembewältigung vorhabensbezogener Gesichtspunkte kommen als Ziele der Raumordnung gem. § 7 II Nr. 3, III, IV ROG Standortfestlegungen in Form von Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebieten in Betracht, die gem. § 7 VII ROG eine raumplanerische Abwägung voraussetzen und somit als Anknüpfungspunkt für den durch den Planungsvorbehalt geforderten planerischen Ausgleich in Betracht kommen. Fraglich ist jedoch, ob gerade dem Koordinierungsbedürfnis eines konkreten Vorhabens im Sinne des § 35 BauGB durch Raumordnungsrecht genügt werden kann. Denn die Ziele der Raumordnung sind in ihrer Grundanlage als Rahmen-
281 So i. E. auch: Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 179 f. 282 Zur Rechtslage und zur Bindungswirkung des ROG als Rahmengesetz nach den Grundgesetzänderungen im Zuge der Föderalismusreform vgl. die Darstellungen: 3. Kap. A.
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bedingungen für die örtliche Planung tendenziell auf weitere Konkretisierung gerichtet 283 und nur sehr selten parzellenscharf, 284 so dass eine umfassende Binnenund Außenkoordination allein auf raumordnungsrechtlicher Grundlage nicht realisierbar erscheint. Dennoch wird namentlich von Schmidt-Aßmann ein raumordnungsrechtlicher Bezug des Planungserfordernisses bejaht, ja sogar als sachgerechteste Planungsebene für industrielle Großvorhaben dem Planungserfordernis vorrangig zugrunde gelegt. 285 Bei Verständnis des Planungserfordernisses als Erfordernis systemgerechter Problembewältigung sei die öffentlich verantwortete Abwägung konkret auf derjenigen Stufe zu leisten, die die umfassendste Koordinationsleistung zu erbringen vermöge. 286 Regelmäßig verbleibe bei Großvorhaben für den Bebauungsplan kaum Gestaltungsspielraum zwischen raumordnungsrechtlichen Standortfestlegungen und speziellen fachrechtlichen Genehmigungserfordernissen. 287 So vollziehe sich die Standortfestlegung bei Großanlagen angesichts von Verkehrsanbindungs- und Infrastrukturbedürfnissen mittlerweile praktisch auf der Ebene der Raumordnung, während umweltbelastenden Wirkungen und „Einbettungsproblemen“ im fachbehördlichen Genehmigungsverfahren besser begegnet werden könne. Der Bebauungsplan vermöge demgegenüber keine wirkliche Standortsicherung zu garantieren, da er weder der Bestandskraft noch der Präklusion fähig sei, zudem ein noch zu grobes Prüfungsraster im Vergleich zum Fachgenehmigungsverfahren aufweise, 288 und außerdem eine wirkungsvolle Binnenkoordination einer Großanlage zeitlich noch nicht umfassend zu leisten sei, so dass unnötige Planänderungen und Dispenserteilungen hervorgerufen würden 289. Lediglich ausnahmsweise komme bei besonders kleinräumigen Vorhaben eine adäquate Koordinationswirkung mittels eines Bebauungsplanes in Betracht. 290 Es stelle, so Schmidt-Aßmann, sogar einen Verstoß gegen Art. 14 GG dar, wenn durch Begrenzung des Planungserfordernisses auf ein Erfordernis der Bauleitplanung eine Verengung des Planungsraums und des Planungsinstrumentes vorgenommen würde, so dass § 35 BauGB unverhältnismäßig beschränkt würde. 291 283 Battis, BauR, S. 40; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 11; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 48 ff.; Dafft/Grotefels/Heemeyer/ u. a., DVBl 2005, 1149, 1159 f. 284 BVerwG, NVwZ 1993, 167, 168; Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2214; Battis, BauR, S. 41 f.; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 47 m. w. N. 285 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 82 f. 286 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 70. 287 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 53 ff. 288 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 65. 289 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 70. 290 Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 70.
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In der Auseinandersetzung mit dieser Auffassung um die erforderlichen Koordinationswirkungen der jeweils präferierten Plantypen muss zunächst mit Karlin darauf hingewiesen werden, dass ein behaupteter Verstoß gegen Art. 14 GG von Schmidt-Aßmann nicht näher begründet wird. 292 Es sind auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die diese Auffassung zu stützen vermögen. So ist § 35 III BauGB als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums bewusst offen hinsichtlich „öffentlicher Belange“ formuliert. Eine Unverhältnismäßigkeit eines strikten Bebauungsplanerfordernisses als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zur Sicherung des baurechtlichen Planmäßigkeitsgrundsatzes kann angesichts der gewichtigen öffentlichen Interessen bzw. der Sozialbindung von Grund und Boden und der praktisch identischen Belastung des betroffenen Bürgers durch ein Erfordernis raumordnungsrechtlicher Planung nicht angenommen werden. Die Argumentation auf Grundlage von Art. 14 GG geht somit fehl. Doch auch die der Konzeption Schmidt-Aßmanns zugrunde liegende Annahme einer umfassenden Koordinierungsfunktion auf der Ebene der Raumordnung ist in Zweifel zu ziehen. So handelt es sich bei allen raumordnungsrechtlichen Plantypen – ebenso wie beim Flächennutzungsplan – um sog. „vorbereitende Pläne“ in Form von Rahmenvorgaben. Eine endgültige Gestaltungswirkung im Außenverhältnis kommt ihnen grundsätzlich nicht zu. Vielmehr bleiben sie auf Konkretisierung angelegt, die letztverbindlich gegenüber Privaten erst auf der Ebene eines Bebauungsplans erfolgt. Dies zeigt sich besonders deutlich im Fall von Zielkonflikten, also wenn mehrere Ziele der Raumordnung sich überschneiden bzw. widersprechen. 293 Für diesen Fall fällt die Auslegung, welches Ziel Vorrang hat oder die generelle Abkehr von der Beachtenspflicht beider Ziele im Bereich der Bauleitplanung an. 294 Diesbezüglich erfolgt also die eigentliche Koordinierung des Vorhabens auf Ebene des Bebauungsplans. Ebenso muss auf die Möglichkeit eines Zielabweichungsverfahrens gem. § 11 ROG anlässlich der Aufstellung eines Bebauungsplans hingewiesen werden, welche verdeutlicht, dass im Rahmen der Bauleitplanung noch beachtliche Änderungen jenseits bloßer Konkretisierung möglich sind. Doch selbst jenseits dieser Extremfälle ist darauf hinzuweisen, dass auf der Ebene der Bebauungsplanung generell eine eigenständige planerische Konfliktbewältigung erfolgt, welche nicht durch raumordnungsrechtliche Pläne vorweggenommen werden kann. So umfasst die Konkretisierungsfunktion der Bauleitplanung im Hinblick auf die Ziele der Raumordnung neben der Frage nach dem „Ob“ ebenfalls
291 292 293 294
Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 63. Karlin, Planungserfordernis, S. 100 f. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 68. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 41.
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die Problemlösung der konkreten Zielverwirklichung als Frage nach dem „Wie“, welche für kein Vorhaben als unbedeutend abgetan werden kann. 295 Aufgrund des Grundsatzes der „ebenenspezifischen Abwägung“ 296 ist die Koordinationsfähigkeit auf der Ebene der Raumordnung vornehmlich übergeordnet und überörtlich strukturiert. 297 Zwar besteht ausnahmsweise die Möglichkeit parzellenscharfer Ausweisungen durch Raumordnungspläne, welche besonders rechtfertigungsbedürftig sind. 298 Jedoch findet eine umfassende Abwägung örtlicher Belange jedenfalls nicht statt, 299 so dass selbst in einem solchen Fall ein Bedürfnis für einen Bebauungsplan bestehen bleibt. Die Gesamtheit des städtebaulichen Konzepts kann nie Gegenstand landesplanerischer Abwägung sein; 300 eine Absorbierung der Ortsplanung ist insoweit schon aufgrund des unterschiedlichen Abwägungsmaterials auf den jeweiligen Planungsebenen unmöglich. 301 Auch vor dem Hintergrund der durch Art. 28 II GG gewährleisteten Planungshoheit wäre eine Beschränkung auf landesplanerische Abwägungen als „Erfüllung“ des Planungserfordernisses problematisch, da eben jene örtlichen Belange nicht zu Genüge in die Abwägung eingestellt werden können und zudem das Anhörungsrecht der Gemeinden als Forderung des raumordnungsrechtlichen Gegenstromprinzips gegenüber der (mit-)verantwortenden Abwägung nur die bloße Berücksichtung als partikulares Interesse garantiert. 302 Doch auch bei Betrachtung der behaupteten Unfähigkeit der Bebauungspläne zur angemessenen Bewältigung der geforderten Binnen- oder Außenkoordination erweisen sich die Ausführungen Schmidt-Aßmanns als nicht durchschlagend. Allein die von Scherer herausgearbeiteten Praxisbeispiele zeigen die Fähigkeit des Bebauungsplans zur wirksamen Binnenkoordination auf; im Fall der BMW-Ansiedlung in Regensburg sogar gerade beim Zusammentreffen der Bauleitplanung mit einem Raumordnungsverfahren. 303 Die Binnenkoordination ist eine praktisch ausschließlich durch den Bebauungsplan zu leistende Aufgabe. 295
Wahl, DÖV 1981, 597, 605 f.; Karlin, Planungserfordernis, S. 120 f. Wahl, DÖV 1981, 597, 603. 297 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 172 ff.; Karlin, Planungserfordernis, S. 115 ff. 298 Zum Rechtfertigungsmaßstab: Battis, BauR, S. 42 m. w. N.; ferner: Grigoleit, Die Verwaltung 33 (2000), 79, 87; zu den Auswirkungen derartiger Ausweisungen auf die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials jüngst: Steinebach/Rumberg, UPR 2005, 321, 325. 299 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 172. 300 Wahl, Landesplanung I, S. 94 f. 301 Hoppe, DVBl 1982, 913, 918; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 264; Wahl, DÖV 1981, 597, 602; Karlin, Planungserfordernis, S. 117 ff. 302 Scherer. Großvorhaben und Planungshoheit, S. 263. 303 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 176 ff. 296
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Dagegen kann auch nicht mit Schmidt-Aßmann auf die spätere fachbehördliche Genehmigung abgestellt werden. Wie bereits aufgezeigt, kann in diesen Verfahren vor allem die Bedeutung von § 2 II BauGB für das Planungserfordernis nicht hinreichend geltend gemacht werden. Angesichts des baurechtlichen Planmäßigkeitsprinzips ist zudem ein Konflikttransfer baurechtlicher Belange nicht möglich. 304 Im Übrigen spricht auch die Struktur des Planungserfordernisses für eine Beschränkung auf das Erfordernis eines Bebauungsplans. Dogmatisch handelt es sich beim Planungserfordernis um eine Grenze des Konditionalprogramms nach § 35 BauGB in Form einer Programmverbindung. 305 Die baurechtliche Zulassung erfolgt jedoch im Normgefüge allein auf Grundlage der §§ 29 ff. BauGB. Wenn also aus dem Gedanken der „Begrenztheit konditionaler Programmierung“ eine Anwendung des § 35 BauGB im Falle des Planungserfordernisses zugunsten einer notwendigen final programmierten Planung verwehrt wird, so fordert dies als Konsequenz die Zulassung in einem anderen baurechtlichen Normprogramm. Diesbezüglich kommen tatsächlich allein die §§ 30, 33 BauGB in Betracht, da ein unbeplanter Innenbereich für ein ursprünglich nach § 35 BauGB zu behandelndes Vorhaben aufgrund der negativen Definition des Außenbereichs offensichtlich nie in Betracht kommen kann. 306 Diese Vorschriften setzen jedoch einen Bebauungsplan, bzw. dessen zeitnahen Erlass, voraus. Somit ergibt sich auch aus der dogmatischen Struktur des Planungserfordernisses, dass allein ein Bebauungsplan der geforderte Plantyp sein kann. Inwieweit durch § 35 III S. 2 BauGB ausnahmsweise auch Raumordnungspläne ein bestehendes Planungserfordernis zu überwinden vermögen, kann an dieser Stelle noch dahinstehen, da es sich bei den Raumordnungsplänen jedenfalls nicht um den von der Struktur des Planungserfordernisses positiv geforderten Plantyp handelt. 307 Die Ansicht SchmidtAßmanns ist aus den genannten Gründen abzulehnen. b) Flächennutzungsplan In gleicher Weise wie bei den Raumordnungsplänen stellt sich die Frage, ob auch ein Flächennutzungsplan als „geforderter“ Plantypus im Sinne des Planungserfordernisses in Betracht kommt. Diesbezüglich kann jedoch weitestgehend auf die schon zu den Raumordnungsplänen erfolgte Argumentation verwiesen werden: In gleicher Weise handelt es 304
Siehe oben: 2. Kap. A.I.3.a). Siehe dazu ausführlich: 2. Kap. A.I.1. 306 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 2; Bracher, in: Gelzer/Bracher/ Reidt, Rn .2102; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 35, Rn. 1. 307 Siehe dazu näheres unter: 2. Kap. A.IV.2. 305
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sich beim Flächennutzungsplan um einen „vorbereitenden Plan“. Ebenfalls ist durch den regelmäßigen Bezug auf das gesamte Gemeindegebiet jedenfalls eine Binnenkoordination, vielfach aber auch eine detailliert-parzellenscharfe Außenkoordination, nicht zu gewährleisten und diesbezüglich somit eine Steuerungsschwäche festzustellen. 308 Hinzu kommt noch, dass als Voraussetzung für einen möglichen Plantypus im Sinne des Planungserfordernisses quasi im Wege des Umkehrschlusses feststehen muss, dass bei bestehendem Plan das Vorhaben zulässig sein müsste. 309 Mit anderen Worten muss der geforderte Plantyp die normative Kraft aufweisen, das Vorhaben generell zu ermöglichen, da sonst die negative Wirkung des Plans im Missverhältnis zu seiner positiven Wirkung stünde. Dies ist bei isolierter Betrachtung für den Fall des Flächennutzungsplans nicht der Fall. Der Flächennutzungsplan verändert nicht den Gebietscharakter im Sinne des § 35 BauGB und hat auch nicht die Kraft andere entgegenstehende Belange vergleichbar den Zielen der Raumordnung gem. § 35 III S. 2 2. HS BauGB zu entkräften. 310 Zum gleichen Ergebnis kommt man durch einen Vergleich mit § 33 BauGB: 311 Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass Bebauungspläne erst ab einem fortgeschrittenen Vorbereitungsstadium ein Vorhaben ermöglichen, so dass dies erst recht für den „vorbereitenden Bauleitplan“ (§ 1 II BauGB) als noch weiter vorgelagertem Planungsstadium gelten muss. Somit ist festzustellen, dass der Flächennutzungsplan als vom Planungserfordernis geforderter Plantypus nicht in Betracht kommt. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass sich das Planungserfordernis als Bebauungsplanerfordernis tatsächlich aufgrund des Entwicklungsgebots aus § 8 II BauGB in den meisten Fällen zugleich als subjektiv determinierte Flächennutzungsplanungspflicht auswirkt. 312 c) Bebauungsplan Aus der bisherigen Untersuchung hat sich bereits ergeben, dass allein ein Verständnis des Planungserfordernisses als Bebauungsplanerfordernis aus den bereits genannten Gründen in Betracht kommt. Dennoch bedarf es einer Erörterung, inwieweit ein Bebauungsplan die planerische Außen- und Binnenkoordination zu
308
Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 278 f. Dieser Ansatz geht zurück auf Karlin (Planungserfordernis, S. 122 ff.), der jedoch nach der negativen Ausschlussfunktion des bestehenden Plantypus fragt. 310 Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 280. 311 Karlin, Planungserfordernis, S. 132. 312 Auf diese Funktion ebenfalls hinweisend: Karlin, Planungserfordernis, S. 138, Fn. 1. 309
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leisten vermag und ob bezüglich des Planungserfordernisses zwischen einfachen und qualifizierten Bebauungsplänen differenziert werden muss. (1) Generell zur Außenkoordination geeignet? Die generelle Eignung des Bebauungsplans zur Bewältigung der „Einbettung des Vorhabens in seine Umgebung“ als Hauptanliegen der Außenkoordination wird von der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur angenommen. 313 Dies ergibt sich schon aus dem Status des Bebauungsplans als letzter raumbezogener Planungsebene, welche umfassend alle städtebaulich relevanten Belange aufzugreifen in der Lage ist. Im Übrigen wird gerade in der jüngsten Rechtsprechung zum Designer-Outlet Zweibrücken dem geforderten Bebauungsplan vor dem Hintergrund des interkommunalen Abstimmungsgebotes aus § 2 II BauGB die Fähigkeit zur übergemeindlichen Außenkoordination bezüglich potentieller Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung der Nachbargemeinden explizit zuerkannt. 314 § 2 II BauGB ist insoweit als ausdrückliche gesetzliche Normierung einer Pflicht zur Außenkoordination durch Bebauungsplanung zu verstehen. 315 Auch § 1 IV BauGB liegt innerhalb der Anpassungspflicht eine ausdrückliche Berücksichtigungspflicht für überörtliche Gesichtspunkte zugrunde, so dass auch dies als Beleg für die Außenkoordinationsfähigkeit eines Bebauungsplans anzusehen ist. 316 Gleiches gilt für die in § 1 VI BauGB genannten Belange – insbesondere der Berücksichtigung des Umweltschutzes –, welche ebenfalls eine planerische Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des Vorhabens für seine Umgebung erfordern und somit eine Außenkoordinationsfähigkeit des Bebauungsplans voraussetzen. Des Weiteren erscheint es sachgerecht, angesichts der Abstimmung mit bereits vorhandenen Bebauungsplänen in der Umgebung des Vorhabens und der Verortung des Vorhabens in ein bestehendes Planungskonzept gleichfalls auf den Plantyp des Bebauungsplans zur Außenkoordination zurückzugreifen. Durch die Wahl der gleichen Planungsebene wird zudem die einheitliche Verantwortlichkeit der Vorhabensgemeinde auch nach außen für jedermann kenntlich gemacht. Es ist bereits deutlich geworden, dass die Kritik Schmidt-Aßmanns an der Koordinationsfähigkeit des Bebauungsplans bezüglich der Außenkoordination 313 314 315 316
Siehe Nachweis unter: 2. Kap. A.I.2. und 2. Kap. A.I.6. BVerwGE 117, 25, 30 ff. So auch: Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 288. Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 287.
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nicht durchgreift. 317 Die generelle Eignung eines Bebauungsplans zur angemessenen Bewältigung einer planerisch erforderlichen Außenkoordination ist also anzunehmen. (2) Generell zur Binnenkoordination geeignet? Auch die Eignung des Plantypus Bebauungsplan zur Lösung von Problemstellungen der Binnenkoordination des Vorhabens kann nicht überzeugend in Zweifel gezogen werden. 318 Auch diesbezüglich greift die Kritik seitens Schmidt-Aßmanns nicht durch, welche die Eignung zur Binnenkoordination vornehmlich unter Verweis auf die in diesem Verfahrensstadium vermeintlich noch nicht mögliche abschließende Zuordnung von Anlagenteilen verneint. 319 Wie bereits dargestellt gibt es eine Vielzahl von realisierten Vorhaben, bei welchen erfolgreich durch Bebauungsplanung eine sinnvolle Binnenkoordination gewährleistet wurde. 320 Zudem kann bezüglich der Zweifel an der zeitlichen Realisierbarkeit von abschließenden Festsetzungen zur Binnenkoordination für die Praxis auf die Möglichkeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gem. § 12 I BauGB verwiesen werden. Dieser stellt gerade für die von Schmidt-Aßmann in den Mittelpunkt gestellten Industrieansiedlungen ein adäquates Planungsinstrument dar. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan gewährleistet durch die Verlagerung der Planungserarbeitung auf den jeweiligen Investor in Verbindung mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan sowie dem Durchführungsvertrag eine detaillierte und endgültige Zuordnung der einzelnen Anlagenteile. 321 Der vorhabenbezogene Bebauungsplan stellt somit wohl das wirkungsvollste Planungsinstrument für eine erfolgreiche Binnenkoordination dar. Jedenfalls kann die generelle Eignung eines Bebauungsplans zur Binnenkoordination eines Vorhabens angesichts dieser Möglichkeiten nicht überzeugend in Zweifel gezogen werden.
317
Siehe oben: 2. Kap. A.IV.1.a). Dolde, NJW 1983, 792, 797; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 289. 319 Siehe oben: 2. Kap. A.IV.1.a). 320 Vergleiche nur die Praxisbeispiele bei Scherer (Großvorhaben und Planungshoheit, S. 176 ff.) oder die den Bundesverwaltungsgerichts-Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte unter: 2. Kap. A.I.2. 321 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 12, Rn. 3, 6ff; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 12, Rn. 3. 318
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(3) Unterscheidung einfacher/qualifizierter/vorhabenbezogener Bebauungsplan Nachdem die grundsätzliche Eignung des Bebauungsplans zur umfassenden planerischen Koordination im Sinne des Planungserfordernisses festgestellt wurde, ist im Folgenden zu untersuchen, ob dem Erfordernis eines Bebauungsplans alle Plantypen gerecht werden oder ob diesbezüglich zwischen den möglichen Plantypen in Form des einfachen (§ 30 III BauGB), qualifizierten (§ 30 I BauGB) oder vorhabenbezogenen (§ 30 II BauGB) Bebauungsplan differenziert werden muss. Teilweise wird eine Differenzierung nicht für notwendig erachtet; vielmehr sei der einfache Bebauungsplan sogar vielfach die sachgerechteste Lösung, wenn lediglich Standort und Art der baulichen Nutzung sowie Verkehrsflächen festgesetzt würden, da dann der hohe Aufwand und die hohen Anforderungen an eine qualifizierte Planung nicht anfallen würden, und somit ein sinnvoller Ausgleich zwischen § 35 BauGB und dem Planungserfordernis gegeben sei. 322 Dieser Auffassung ist jedoch entgegenzuhalten, dass ein einfacher Bebauungsplan gem. § 30 III BauGB lediglich im Bereich seiner Festsetzungen das Vorhaben ermöglicht, wohingegen im Übrigen § 35 BauGB ergänzend heranzuziehen ist. 323 Insofern würde dem Planungserfordernis im Fall eines einfachen Bebauungsplans nicht die Funktion einer „Grenze konditionaler Programmierung“ im Rahmen des § 35 BauGB zukommen, da in weiten Teilen das identische Normprogramm angewendet werden müsste. Es konnte jedoch bereits gezeigt werden, dass es sich teleologisch beim Planungserfordernis um das Erfordernis einer „Überleitung“ in den Zulässigkeitsmaßstab des § 30 BauGB handelt, welcher eine vorausgehende finale Programmierung voraussetzt. 324 Im Fall des § 30 III BauGB wird jedoch gerade kein völlig selbstständiger Zulässigkeitsmaßstab ausgelöst. Die Funktion des Planungserfordernisses – wie sie insbesondere der inhaltlichen Begründung des Bundesverwaltungsgerichts anlässlich der „Zweibrücken-Entscheidung“ zugrunde liegt – würde für diese Fälle also teilweise leer laufen. Ferner spricht auch die zu gewährleistende Koordinationsaufgabe gegen den Plantyp des einfachen Bebauungsplans. Insbesondere das anlässlich der Entwicklung der Rechtsfigur früher sogar alleinig zugrunde gelegte Binnenkoordinationsbedürfnis ist ohne die Festlegung der überbaubaren Grundstücksflächen durch Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen gem. § 23 I BauNVO nicht
322 Kröncke, UPR 1982, 10, 13; in diesem Sinne – jedoch bei gleichzeitiger Ablehnung des generellen Planungserfordernisses – auch: Ottmann, BauR 1979, 297, 300. 323 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 30, Rn. 8; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 1146; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 30, Rn. 8; Dürr, in: Brügelmann, § 30 [Lfg.: 38.], Rn. 14. 324 Siehe oben: 2. Kap. A.IV.1.a).
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zu leisten. 325 Auch kann die fehlende Zuordnung von Anlagenteilen im einfachen Bebauungsplan einer angemessenen Außenkoordination gegenüber benachbarten Bebauungsplänen oder Nachbarn entgegenstehen, so dass insoweit festzustellen ist, dass der einfache Bebauungsplan nicht als vom Planungserfordernis zugrunde gelegter Plantypus einzuordnen ist. Etwas anderes gilt neben dem qualifizierten Bebauungsplan als systematischem Regelfall des Planungserfordernisses für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Dieser ersetzt gem. § 30 II BauGB unabhängig vom Umfang der getroffenen Festsetzungen die Zulassung nach den §§ 34, 35 BauGB, 326 so dass es sich um eine vollkommene Überleitung in ein eigenes und gegenüber § 35 BauGB selbstständiges Zulassungsprogramm handelt. Auch in inhaltlicher Hinsicht bestehen an der generellen Gewährleistungsfähigkeit hinreichender Außen- und Binnenkoordination keine Bedenken – vielmehr erscheint der vorhabenbezogene Bebauungsplan aufgrund der aktiven Einbindung des Investors in die Planerstellung als ein besonders wirksamer Plantypus vor dem Hintergrund der unter Umständen erforderlichen Binnenkoordination. Es steht somit in Folge dieser Erörterungen fest, dass das Planungserfordernis systematisch als angestrebten Plantypus einen vorhabenbezogenen oder qualifizierten Bebauungsplan voraussetzt. Lediglich ein einfacher Bebauungsplan genügt den Anforderungen des Planungserfordernisses nicht. d) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ergibt sich also folgendes Bild: Das Planungserfordernis kann aus sich heraus lediglich als Erfordernis eines Bebauungsplans, genauer sogar ausschließlich eines qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplans, verstanden werden. Das Planungserfordernis fordert keine Bewältigung auf Ebene der Raumordnung oder im Wege eines Flächennutzungsplans. Damit ist jedoch lediglich die Frage nach der binnenstrukturell durch die Rechtsfigur des Planungserfordernisses geforderten Planung beantwortet. Der Bebauungsplan stellt sich bei dieser Betrachtung folglich als „Erfüllung“ des Planungserfordernisses dar, wobei insbesondere der Wechsel im Zulassungsprogramm für das zugrunde liegende Vorhaben diesbezüglich eine erhebliche Rolle spielt. Neben dieser immanenten Betrachtung des Planungserfordernisses als Rechtsfigur darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass innerhalb des Normgefüges 325
So auch: Karlin, Planungserfordernis, S. 139. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 30, Rn. 7; Dürr, in: Brügelmann, § 30 [Lfg.: 38.], Rn. 13. 326
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des § 35 III BauGB das Planungserfordernis lediglich einen von vielen „öffentlichen Belangen“ darstellt. Diese öffentlichen Belange können aber einem Vorhaben unter Umständen nicht entgegengehalten werden (§ 35 III S. 2 2. HS BauGB). Diese Unbeachtlichkeit eines öffentlichen Belangs ergibt sich somit jenseits seiner eigenen Anforderungen aufgrund der generellen Einordnung in das Normgefüge des § 35 III BauGB. Zugespitzt formuliert stellt sich somit die Frage, ob neben der „Erfüllung“ des Planungserfordernisses durch Bauleitplanung auch dessen „Unbeachtlichkeit“ oder dessen „Wegfall“ durch Abwägung auf Ebene des Raumordnungsrechts denkbar ist. 2. Wegfall des Planungserfordernisses bei Abwägung auf höherer Ebene gem. § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB? Eine Beantwortung der Frage, ob ein grundsätzlich bestehendes Planungserfordernis aufgrund notwendiger Binnen- oder Außenkoordination des Vorhabens als entgegenstehender öffentlicher Belang im Sinne des § 35 III S. 1 BauGB in Folge einer auf Ebene des Raumordnungsrechts erfolgten Abwägung wegfallen kann, erfordert eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 35 III S. 2 2. HS BauGB, welcher diesbezüglich allein als Grundlage für die Unbeachtlichkeit des Planungserfordernisses in Betracht kommt. Gemäß der „Abwägungsabschichtungsklausel“ des § 35 III S. 2 2. HS BauGB können privilegierten Vorhaben solche öffentlichen Belange nicht entgegengehalten werden, die bereits im Rahmen einer raumordnungsrechtlichen Planung Gegenstand einer Abwägung waren. 327 Damit ist bereits festzuhalten, dass für Vorhaben nach § 35 II BauGB eine derartige Wirkung ausscheidet, da die Abwägungsabschichtungsklausel auf diese nicht anwendbar ist. Raumordnungspläne haben für nicht privilegierte Vorhaben demnach generell keine Auswirkungen auf das Planungserfordernis. Für die privilegierten Vorhaben nach § 35 I BauGB kommt jedoch grundsätzlich eine Anwendung des § 35 III S. 2 2. HS BauGB in Betracht. Diesbezüglich soll im Folgenden lediglich dargestellt werden, ob das einem Vorhaben grundsätzlich entgegenstehende Planungserfordernis durch diese Norm unbeachtlich werden kann. Außer Betracht bleiben dabei die vielfältigen Auseinandersetzungen um § 35 III S. 2 BauGB im Allgemeinen. 328 327 Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 207; Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 69. 328 Dabei handelt es sich vor allem um die Fragen, ob an Ziele der Raumordnung im Sinne des § 35 III BauGB andere Anforderungen im Sinne eines höheren Konkretisierungsgrades zu stellen sind (siehe dazu Hoppe, in: Hoppe/Bönker/ Grotefels, § 6, Rn. 15 ff.
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Da § 35 III S. 2 2. HS BauGB voraussetzt, dass die zu überwindenden öffentlichen Belange bereits Gegenstand der raumordnungsrechtlichen Abwägung waren, ist zu untersuchen, ob die das Planungserfordernis auslösenden Belange ihrerseits überhaupt auf Ebene der Raumordnung zum Abwägungsmaterial zählen können. Grundsätzlich sind in der raumordnungsrechtlichen Abwägung aufgrund des übergeordneten, überörtlichen und rahmensetzenden Charakters der Raumordnung lediglich solche Belange relevant, welche ihrerseits einen überörtlichen Bezug aufweisen. 329 Dies ist aufgrund des üblicherweise gemeindescharfen Ausweisungsgrades in Landes- und Regionalplänen durchaus sachgerecht. Problematisch angesichts von Art. 28 II GG wird die Bestimmung des Abwägungsmaterials jedoch für den Fall der gebiets- oder parzellenscharfen Ausweisung durch ein Ziel der Raumordnung, welche ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn überwiegende übergemeindliche Gründe eine selbige erfordern, eine qualifizierte Begründung erfolgt und eine qualifizierte Beteiligung der betroffenen Gemeinde vollzogen wird. 330 § 7 VII S. 3 ROG verlangt generell eine Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange, die auf der Ebene der Raumordnungsplanung erkennbar und von Bedeutung sind. Nun stellt sich die Frage, ob bei Zielen der Raumordnung mit höherem Konkretisierungsgrad auch eine detaillierte Einstellung jener Belange erfolgen kann bzw. muss, die auf der Ebene des Städtebaurechts ein Planungserfordernis zu begründen vermögen. Dies ist der Fall, wenn sie auf der Ebene der Raumordnung überhaupt von Bedeutung sind. An dieser Stelle kann die allgemeine Auseinandersetzung, ob im Rahmen der Ziele der Raumordnung im Sinne des § 35 III S. 2 BauGB eine typisierende Globalabwägung 331 oder eine Detailabwägung erfolgen muss, 332 dahinstehen, da Einigkeit darüber besteht, dass für diesen Ausnahmefall jedenfalls eine eingehendere Beschäftigung mit Auswirkungen und eventuell berührten privaten Interessen geboten ist. 333 Unstreitig sind somit für diesen Spezialfall, der § 35 III S. 2 2. HS BauGB regelmäßig zugrunde liegen wird, nicht lediglich überm. w. N.; Kirste, DVBl 2005, 993, 997 ff.) und ob eine strikte Bindungswirkung im Gegensatz zur „nachvollziehenden Abwägung“ des § 35 III S. 1 BauGB angenommen werden muss (dazu Kment, UPR 2002, 428, 428 ff. m. w. N.; Kment, NVwZ 2003, 1047, 1049 ff.; Grooterhorst, DÖV 1987, 910, 912). 329 BVerfGE 3, 407, 425 f.; BVerwG, NVwZ 2003, 742, 744; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 130. 330 Battis, JA 1981, 313, 317; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 85; Battis, BauR, S. 42; Beckmann, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, N [Lfg.: 16.], Rn. 33 f.; Runkel, in: Bielenberg/ Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 114 ff.; Reidt, ZfBR 2004, 430, 424. 331 BVerwGE 118, 33, 44; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 129 f.; Erbguth, NVwZ 2005, 241, 245 u. 247. 332 Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 50 ff.; ders., DVBl 2003, 1345, 1353 f.; Anders/Jankowski, ZUR 2003, 81, 84 ff. zu § 35 III S. 3 BauGB; wohl auch Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 68.
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örtliche Belange in die Abwägung einzustellen. 334 Problematisch ist allerdings, ob gerade die konkret ein Planungserfordernis auslösenden Bedürfnisse einer Binnenoder Außenkoordination zu den „örtlichen Belangen“ gehören können, welche bei gebiets- oder parzellenscharfen Zielen der Raumordnung abzuwägen sind. a) Komplette „Hochzonung“ der abschließenden Abwägung Teilweise wird eine praktisch vollumfängliche „Hochzonung“ der Abwägung angenommen mit der Konsequenz, dass alle auch auf der Ebene der Bauleitplanung abwägungsrelevanten Belange schon bei Aufstellung des Raumordnungsziels abschließend zu ermitteln und abzuwägen sind. 335 Diese Erweiterung ergebe sich daraus, dass eine abschließende Nutzbarkeitsregelung bestimmter Grundstücke, welche das Ergebnis nach § 35 III S. 2 2. HS BauGB sei, auch eine „erschöpfende“ Abwägung eben unter Berücksichtigung der bauleitplanerischen und insbesondere der einzelnen privaten Belange erfordere. 336 Der raumplanerische Zugriff auf das „Kerngeschäft der Träger der Bauleitplanung“ im Rahmen einer Durchgriffswirkung der in Rede stehenden Vorschrift ziehe insofern auch den bauplanungsrechtlichen Aufwand nach sich. 337 Es sei zu berücksichtigen, dass die Gesetzgebungskompetenz für § 35 III S. 2 BauGB, welcher die unmittelbare Durchgriffsregelung des Raumordnungsplans im Umfang seiner Abwägung erstmalig begründe, sich in Art. 74 Nr. 18 GG – also im Bodenrecht – finde und rechtshistorisch nicht die rahmenrechtliche Raumordnungskompetenz des Art. 75 I S. 1 Nr. 4 GG a. F. (mittlerweile die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr. 31 GG) einschlägig gewesen sei, 338 was nicht ohne Konsequenzen für die zu fordernde Abwägungsentscheidung sein könne. Diese Argumentation für eine vollumfängliche „Hochzonung“ der Abwägung ist indes zurückzuweisen. Zum einen handelt es sich bei den raumordnungsrechtlichen Plänen trotz eventueller Durchgriffswirkung im Einzelfall um eine grundsätzlich vorbereitende Planung, welche lediglich eine ebenenspezifische Abwägung erforderlich macht und somit maßgeblich „übergeordnet und überörtlich geprägt“ ist. 339 Zwar mag sich mit zunehmender Konkretisierung des Raumordnungsziels 333 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 75; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 15 ff. 334 Hoppe, in: FS Weyreuther, 89,108; Söfker, DVBl 1987, 597, 601. 335 Hoppe, DVBl 2003, 1345, 1354; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 53. 336 OVG Münster, Urt. v. 1. 10. 2001, AZ: 20 A 1945/99, JURIS, Rn. 158 ff. ; Hoppe, DVBl 2003, 1345, 1354. 337 Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 53. 338 Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 33, Fn. 41; Hoppe, DVBl 2003, 1345, 1349; eine Veränderung – keine Identität zum Bauplanungsrecht (s. u.) – der Abwägung aus diesem Grund feststellend auch Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 81.
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auf eine bestimmte Standortfestlegung der raumordnungsrechtlich relevante Abwägungsumfang erhöhen; die volle Detailschärfe der bauleitplanerischen Abwägung wird jedoch nicht erreicht, da in jedem Fall ein bauleitplanerischer Konkretisierungsspielraum bestehen bleibt. 340 Die Identität der planerisch erfassten Flächen bedeutet nicht zugleich die Identität der zu berücksichtigenden Belange. 341 Zum anderen ist der gesetzlichen Regelung in § 35 III S. 2 BauGB selbst zu entnehmen, dass eine abschließende Abwägung nicht erforderlich ist. So findet sich in der Formulierung „öffentliche Belange stehen [ . . . ] nicht entgegen, soweit die Belange [ . . . ] als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind“ inzident die Möglichkeit, dass nicht alle Belange bereits abgewogen wurden. 342 Dabei kann es sich auch nicht um die Außerachtlassung von fehlerhafterweise nicht umfassend abgewogenen Zielen handeln, da abwägungsfehlerhafte und damit rechtwidrige Ziele selbstverständlich auch ohne ausdrückliche Anordnung außer Betracht zu bleiben haben, so dass dies nicht das Anliegen der Formulierung sein kann. Folglich geht § 35 III S. 2 BauGB selbst davon aus, dass nicht alle Belange anlässlich einer Zielausweisung abgewogen werden müssen. Die Rechtskonstruktion einer kompletten Berücksichtigung aller bauleitplanerisch relevanten Belange bereits auf der Ebene der Raumordnung ist somit nicht haltbar. b) Beschränkung auf abschließende Abwägung des Zielkerns Die überwiegende Auffassung geht dementsprechend zu Recht davon aus, dass keine vollständige Identität der Abwägungsbelange besteht, sondern dass sich aus dem raumordnungsrechtlichen Bezug durchaus Einschränkungen ergeben. 343 Besonders anschaulich erklärt Runkel die differierenden Anforderungen an den raumordnungsrechtlichen Abwägungsumfang: 344 Aus dem rahmensetzenden 339
Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 173. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 75. 341 Wahl, DÖV 1981, 597, 603; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowski, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 73. 342 Ähnliche Argumentation auf Grundlage des Wortlautes des § 35 III S. 2 2. HS BauGB bei Hendler (UPR 2003, 256, 259), der die Vorschrift jedoch dahingehend interpretiert, dass sogar raumordnungsrechtlich beachtliche Belange im Sinne eines abgeschwächten Gebots planerischer Konfliktbewältigung im Raumordnungsrecht außer Betracht bleiben dürfen. 343 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 75; Söfker, DVBl 1987, 597, 601; Schmidt, DVBl 1998, 669, 673; Böttger/Broosch, UPR 2002, 420, 426; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 35, Rn. 73; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 133; Reidt, ZfBR 2004, 430, 433; Kment, UPR 2002, 428, 432; Hendler, UPR 2003, 256, 259; Erbguth, NVwZ 1988, 289, 296; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 [Lfg.: 63.], Rn. 122; Beckmann, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, N [Lfg.: 16.], Rn. 107. 344 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG, [Lfg.: 38.] Rn. 74 ff. 340
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Charakter der Raumordnungspläne folge deren grundsätzliche Struktur, welche aus einem bindenden Kern und einem konkretisierungsbedürftigen Rahmen bestehe. Hinsichtlich des Zielkerns sei eine abschließende Abwägung erforderlich, da nachfolgende Planungsentscheidungen diesbezüglich starr gebunden seien. Dies gelte jedoch nicht für die seinerseits weiterer planerischer Konkretisierung und damit zugleich weiterer planerischer Abwägung zugängliche Ausgestaltung des Zielrahmens. Maßgeblich sei somit die Betrachtung, wie weitgehend der Zielkern bindend wirke, da dies den Umfang der Abstimmung bestimme. Regelmäßig werde in der raumordnerischen Abwägung keine erschöpfende Abwägung erfolgen, sondern vielmehr würden nur Teilaspekte eines räumlich komplexen Vorhabens aus raumordnungsrechtlicher Sicht ebenenspezifisch entschieden. 345 Zwar steige mit genauerer räumlicher Festsetzung im Raumordnungsplan die Detailschärfe der Abwägung; diese erreiche jedoch nie jenen Detailgrad der Bauleitplanung, welcher beispielsweise die detaillierte Berücksichtigung privater Belange vor dem Hintergrund parzellenscharfer Bereichsfestlegungen obliege. 346 Typischerweise wird selbst bei gebiets- oder parzellenscharfer Ausweisung im Raumordnungsplan lediglich eine standortbezogene Abwägung erfolgt sein. Deshalb bleiben nach ganz herrschender Meinung projektbezogene Fragen der Vorhabensausführung, also z. B. solche der Erschließung, außer Betracht. 347 Diese gehören unstreitig zum Zielrahmen, da sie raumordnungsrechtlich irrelevant sind, der Ebene der Bauleitplanung obliegen und deshalb nicht vom Zielkern umfasst sein können. Eine Relevanz für die Abwägung kann demnach nur für solche Belange angenommen werden, die im Zusammenhang mit der Festsetzung des Zielkerns bedeutsam werden. Diese Bedeutsamkeit im Sinne des § 7 VII S. 3 ROG wird nicht auf überörtliche Belange reduziert; allerdings wird eine überörtliche Relevanz gefordert. In der Literatur wird dieses Kriterium vornehmlich negativ umschrieben: Nicht zu den im Sinne von § 35 III S. 2 2. HS BauGB erfassten Abwägungsbelangen gehören danach solche, die ausschließlich bei der Ausführung des Vorhabens relevant würden, 348 die allein die Anordnung innerhalb der Anlage oder die Einbettung in die Umgebung beträfen oder die der Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit überantwortet seien, 349 die überörtlich nicht relevant seien 350 oder abstrakt nicht in der Lage seien, den Standort generell in Frage zu stellen 351. 345
Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 77 f. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 75. 347 Schmidt, DVBl 1998, 669, 673; Böttger/Broosch, UPR 2002, 420, 426; Söfker, DVBl 1987, 597, 601; Hoppe, in: FS Weyreuther, 89, 108. 348 Schmidt, DVBl 1998, 669, 673; Böttger/Broosch, UPR 2002, 420, 426. 349 Söfker, DVBl 1987, 597, 601; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 172. 350 Erbguth, NVwZ 1988, 289, 296. 346
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c) Überörtliche Relevanz der Koordinierungsbedürfnisse Vorliegend ist folglich zu betrachten, inwieweit den einem Planungserfordernis möglicherweise zugrunde liegenden Koordinierungsbedürfnissen eine überörtliche Relevanz in diesem Sinne zuzukommen vermag, so dass sie Gegenstand der Abwägung des Zielkerns sein können. Scherer vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass für Fallkonstellationen des Ortsplanungserfordernisses § 35 III S. 2 2. HS BauGB generell keine Bedeutung zukomme. 352 Die ebenenspezifische Reduktion der raumordnungsrechtlichen Abwägungsbelange führe im Falle des Planungserfordernisses aufgrund dessen konkreter, örtlicher Verschränkung zu einer allgemein fehlenden Ersetzungsmöglichkeit auf Ebene der Raumordnung. Es ist angezeigt, die Haltbarkeit dieser generellen und pauschalisierenden Aussage anhand der jeweiligen Koordinationsbedürfnisse in den unterschiedlichen Konstellationen des Planungserfordernisses differenzierend zu untersuchen. (1) Binnenkoordination Für den Fall eines Planungserfordernisses aufgrund der Notwendigkeit einer Binnenkoordination ist eine fehlende raumordnungsrechtliche Relevanz evident. 353 Die Zuordnung einzelner Anlagenteile – vor allem vor dem Hintergrund des Schutzes möglicher künftiger Einzeleigentümer – vermag als bloße projektbezogene Ausführungsfrage unter keinen Umständen eine übergemeindliche bzw. überörtliche Bedeutung im räumlichen Sinn zu gewinnen. Zudem wird es in den meisten Fällen auch an der Erkennbarkeit im Sinne des § 7 VII S. 3 ROG fehlen. Eine Berücksichtigung in der Abwägung als Voraussetzung für die „Abwägungsabschichtungsklausel“ kommt danach nicht in Betracht. (2) Außenkoordination Nicht so einfach ist die Beurteilung demgegenüber bei notwendiger Außenkoordination. Das Planungserfordernis kann diesbezüglich durch vielgestaltige Problemstellungen ausgelöst sein. Typischerweise handelt es sich bei Fragen der Außenkoordination um solche der Einbettung des Vorhabens in seine nähere Umgebung. Einen Hauptanwen-
351
Hoppe, in: FS Weyreuther, 89, 108; Schmidt, DVBl 1998, 669, 673. Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 173 f. 353 Söfker, DVBl 1987, 597, 601; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 172; Schmidt, DVBl 1998, 669, 673. 352
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
dungsfall der Einbettungsprobleme stellt die Immissionsbelastung der näheren örtlichen Bebauung dar. Fälle, in denen Einbettungsprobleme auf das jeweilige Gebiet der Vorhabensgemeinde beschränkt sind, mögen zwar im Einzelfall eine planerische Kompensation erforderlich erscheinen lassen; sie stellen jedoch eine der Binnenkoordination insoweit vergleichbare Situation dar. Auch in diesem Fall ist eine überörtliche Relevanz nicht erkennbar, so dass die Einbeziehung als raumordnungsrechtlicher Abwägungsbelang ausscheidet. Anders verhält es sich demgegenüber bei erforderlicher Außenkoordination aufgrund interkommunalen Abstimmungsbedürfnisses. Schon die übergemeindlichen Auswirkungen eines Vorhabens indizieren eine überörtliche Relevanz des Vorhabens und für den Fall, dass die einzelnen Auswirkungen durch die eventuell betroffenen Gemeinden im Rahmen ihrer raumordnungsrechtlichen Beteiligung gem. § 7 VI ROG geltend gemacht wurden, ist neben der raumordnungsrechtlichen Relevanz auch die Erkennbarkeit im Sinne des § 7 VII S. 3 ROG gegeben. Insbesondere im Musterfall für ein Planungsbedürfnis aufgrund notwendiger interkommunaler Außenkoordination – der Entscheidung zum Designer-Outlet Zweibrücken 354 – kann schon allein aufgrund des Rückgriffs innerhalb des interkommunalen Abstimmungsgebotes auf das raumordnungsrechtliche ZentraleOrte-Konzept 355 gem. §§ 2 II Nr. 2 S. 2, 7 II S. 1 Nr. 1b ROG eine raumordnungsrechtliche Relevanz nicht bestritten werden, so dass eine raumplanerische Zielfestlegung diesbezüglich eine Abwägung zu treffen vermag. Jedoch ist gerade für diese Fallkonstellation festzustellen, dass regelmäßig keine privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 I BauGB vorliegen werden, so dass die Wirkung des § 35 III S. 2 2. HS BauGB schon aus diesem Grund versagt bleibt und mithin auf raumordnerischer Ebene für diese Konstellationen keine „Überwindung des Planungserfordernisses“ in Betracht kommt. Es verbleiben also für die „Abwägungsabschichtungsklausel“ in der Praxis nur solche Vorhaben, welche überörtliche Auswirkungen hervorrufen, die jedoch nicht im Zusammenhang mit der verbrauchernahen Versorgungsstruktur stehen; mithin kommen praktisch nur solche Vorhaben in Betracht, die aufgrund gravierender Umweltauswirkungen einem Planungserfordernis unterliegen. Zu denken wäre hier beispielsweise an Verkehrsinfrastrukturprojekte oder Tagebau- bzw. Bergbauvorhaben, die potentiell erhebliche Umweltfolgen nach sich ziehen. Bei diesen Vorhaben ist jedoch festzustellen, dass diese raumbeanspruchenden und raumbeeinflussenden Vorhaben häufig ein spezielles Planfeststellungsverfahren erfordern. 356
354
BVerwGE 117, 25, 25 ff.; siehe ausführliche Darstellung unter: 2. Kap. A.I.2.c). Dazu Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 22; ders., NVwZ 2004, 282, 285 f. ; Peine, BauR, Rn. 151 f. spricht leicht abweichend von der „Zentrale-Orte-Theorie“. 355
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Gem. § 38 BauGB entfällt für planfestgestellte Vorhaben eine Bindung an die §§ 29–37 BauGB, so dass das Planungserfordernis als öffentlicher Belang ebenso wie die Abwägungsabschichtungsklausel des § 35 III S. 2 2. HS BauGB keine Anwendung finden. Da § 38 BauGB Anwendung auf alle Planfeststellungen bzw. -genehmigungen bei Fernstraßen-, Eisenbahn-, Luftverkehrs-, Energiewirtschafts-, Personenbeförderungs-, Wasserstraßen-, Wasserhaushalts- und Bergbauvorhaben sowie Abfalldeponien findet, 357 ist somit der Großteil der Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen im Rahmen der Abwägungsabschichtungsklausel nicht zu berücksichtigen. Zudem greift § 38 BauGB auch bezüglich öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen, welche nach BImSchG zugelassen werden, so dass insbesondere die konfliktträchtigen Müllverbrennungsanlagen ebenfalls nicht im Rahmen von § 35 III S. 2 2. HS BauGB relevant werden. Diesbezüglich verbleibt also allein für betriebseigene Anlagen zur Eigenentsorgung, bei denen der Kreis der Anlieferer von vornherein begrenzt ist, 358 die Möglichkeit einer raumordnungsplanerischen Abwägung zur „Überwindung“ entgegenstehender öffentlicher Belange. Ebenfalls sperrt § 38 BauGB nicht die Anwendung der baurechtlichen Vorhabenzulassungsvorschriften für alle anderen nach BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen, bei welchen gem. § 6 I Nr. 2 BImSchG die §§ 29 ff. BauGB zu berücksichtigen sind, 359 so dass viele Industrieansiedlungen theoretisch von einer raumplanerischen Abwägungsabschichtung profitieren könnten. Ein weiterer nicht von § 38 BauGB erfasster Bereich, in welchem § 35 III S. 2 2. HS BauGB potentiell Bedeutung zukommen kann, ist die atomrechtliche Anlagengenehmigung nach § 7 I S. 1 AtG. 360 (3) Zwischenergebnis Wenn auch im Rahmen dieser letztgenannten Vorhaben der kommunale Ortsbezug eventueller schädlicher Umwelteinwirkungen stark in den Hintergrund tritt, da großräumige Belastungen zu erwarten sind, ist durchaus eine raumplanerische Kompensation im Rahmen einer raumplanerischen Abwägung denkbar, welche gem. § 35 III S. 2 2. HS BauGB unter anderem den entgegenstehenden öffentlichen Belang eines Planungserfordernisses zu überwinden vermag. Insofern ist die 356
Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 106. Genauer Nachweis der einzelnen Planfeststellungen bei: Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 38, Rn. 9 ff. 358 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 38, Rn. 24. 359 Jarass, § 6 BImSchG, Rn. 17 ff.; Kloepfer, UmweltR, § 14, Rn. 137. 360 Zum Umfang der Genehmigung, der Bedeutung des § 7 I S. 2 AtG für Neuerteilungen sowie der Stilllegung gem. § 7 III AtG sei auf die ausführlichen Darstellungen von Kloepfer (UmweltR, § 15, Rn. 49 ff.) verwiesen. 357
156
2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
pauschale Ablehnung einer Bedeutung der Norm für Fälle des Planungserfordernisses durch Scherer als solche nicht aufrechtzuerhalten, wenngleich die in der Praxis relevantesten Vorhaben in der Tat aus den genannten Gründen nicht von der Abwägungsabschichtungsklausel profitieren können. Diese Einschränkung bezüglich einer Vielzahl von potentiellen Vorhaben verbietet es auch, § 35 III S. 2 2. HS BauGB als eine Antwort des Gesetzgebers auf die Rechtsfigur des Planungserfordernisses zu verstehen. 361 Zwar besteht durchaus eine dogmatische Parallele, da die Abwägungsabschichtungsklausel in ihrer Wirkungsweise vergleichbar dem Planungserfordernis das strikt konditional programmierte Normprogramm des § 35 BauGB mit seiner rein „nachvollziehenden Abwägung“ gegenüber einer planerischen Konfliktbewältigung im Wege einer final programmierten „echten, planerischen Abwägung“ mit der Möglichkeit der Kompensation öffnet. 362 Diese erreicht lediglich nicht den Umfang, um als gesetzgeberische Antwort verstanden zu werden – dies gilt besonders vor dem Hintergrund der Beschränkung auf privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 I BauGB. Im Übrigen war es historisch-teleologisches Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung der Norm, die unmittelbare Bindung privater Vorhabensträger an die Raumordnungsziele zu verstärken („Durchgriffswirkung auf die Zulässigkeitsentscheidung von Außenbereichsvorhaben“ 363), um auf diesem Wege der fortschreitenden Privatisierung für die Ebene der Raumordnung zu begegnen, 364 so dass auch diese Erwägung gegen eine direkte Bezugnahme der Vorschrift auf die Rechtsfigur des Planungserfordernisses spricht. Zusammenfassend lässt sich dennoch feststellen, dass in Einzelfällen eine Unbeachtlichkeit des Planungserfordernisses als Folge einer erfolgten raumplanerischen Abwägung durch § 35 III S. 2 2. HS BauGB möglich sein kann. Allerdings unterbleibt für die meisten Anwendungsfälle in der Praxis eine Ersetzung der Wirkungen des Planungserfordernisses durch diese Norm. 3. Ergebnis Als Ergebnis dieses Teils ist festzuhalten, dass die Rechtsfigur des Planungserfordernisses in ihrer normativen Binnenstruktur auf die Bewältigung durch einen Bebauungsplan ausgerichtet ist. Dennoch besteht – wenn auch in begrenzten 361
Insofern im Ergebnis wieder zutreffend Scherer (Großvorhaben und Planungsrecht, S. 174), allerdings auf der Grundlage einer ausnahmslosen Negierung einer Wirkung der Vorschrift auf die Rechtsfigur des Planungserfordernisses. 362 Diesen Wirkungsaspekt der Abwägungsabschichtungsklausel arbeitet auch Grooterhorst (DÖV 1987, 910, 912) heraus, allerdings ohne Berücksichtigung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses als öffentlichem Belang im Sinne des § 35 III S. 1 BauGB. 363 Genauer zu dieser Wirkung: Kirste, DVBl 2005, 993, 1001 f. 364 Kment, UPR 2002, 428, 430.
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Ausnahmefällen – die Möglichkeit, dass ein bestehendes Planungserfordernis in Folge raumordnungsrechtlicher Festsetzungen gem. § 35 III S. 2 2. HS BauGB unbeachtlich wird, so dass praktisch auch eine raumplanerische Abwägung für Fälle des Planungserfordernisses ausnahmsweise ausreichend sein kann.
V. Gesamtzusammenfassung: Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei § 35 BauGB Bei zusammenfassender Betrachtung der Rechtsfigur der Planungserfordernisses bei Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB ergibt sich aus dieser eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht, welche bei besonders koordinationsbedürftigen Vorhaben auf Grundlage der Unzulässigkeit nach § 35 BauGB bei fortbestehendem Realisierungswillen der Vorhabensgemeinde selbige typischerweise zu einer Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichtet. In Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, dass dieser subjektiv determinierten Erstplanungspflicht auch durch raumplanerische Koordinationsmaßnahmen genügt wird.
B. Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten bei § 34 BauGB Nachdem subjektiv determinierte Erstplanungspflichten im Anwendungsbereich des § 35 BauGB eingehend dargestellt wurden, soll im Folgenden untersucht werden, ob auch für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB in bestimmten Konstellationen eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht angenommen werden kann. Dabei wird es zunächst schwerpunktmäßig um die Frage gehen, ob dies im Rahmen der Vorhabenszulassung nach § 34 I BauGB in Form eines Vorbehalts förmlicher Planung, also vergleichbar dem Planungserfordernis bei § 35 BauGB, angenommen werden kann oder ob eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei § 34 I BauGB auf anderem Wege anzunehmen ist (I.). Sodann wird zu untersuchen sein, inwieweit sich die gewonnenen Ergebnisse auf § 34 II BauGB übertragen lassen (II.). Im Anschluss soll dann für den Bereich der Satzungen nach § 34 IV BauGB untersucht werden, ob ein solcher Satzungserlass seinerseits durch einen Vorbehalt zugunsten anderer Planungen dahingehend beschränkt sein kann, dass nur durch Aufstellung eines Bebauungsplans gehandelt werden darf, was ebenfalls eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht begründen könnte (III.).
I. § 34 I BauGB Ob eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht im Rahmen der Vorhabenszulassung nach § 34 I BauGB angenommen werden kann, hängt zunächst davon
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
ab, ob auch für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich ein Planungserfordernis dergestalt anzuerkennen ist, dass Vorhaben mit einem gesteigerten Koordinationsbedürfnis, dem nur durch formale Bauleitplanung entsprochen werden kann, nach § 34 I BauGB unzulässig sind. Wäre dies der Fall, so wäre die Vorhabensgemeinde bei fortbestehendem Realisierungswunsch gezwungen, einen Bebauungsplan aufzustellen, und es läge eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht vor. Maßgeblich kommt es also darauf an, ob innerhalb des gesetzlichen Zulassungstatbestands des § 34 I BauGB ein derartiger Planungsvorbehalt angenommen werden kann. Diesbezüglich werden in Literatur und Rechtsprechung vielfältige Auffassungen vertreten, welche im Folgenden zunächst dargestellt werden sollen, bevor im Anschluss eine Stellungnahme zu diesem Problemkreis erfolgt. 1. Planungserfordernis als öffentlicher Belang bei § 34 BBauG Unter Geltung des BBauG war eine direkte Übertragung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses als „öffentlicher Belang“ im Sinne des § 35 III BauGB umstritten. Grundlage des Streits war jene zusätzliche Zulassungsvoraussetzung in § 34 I BBauG, wonach „sonstige öffentliche Belange“ dem Vorhaben nicht entgegenstehen durften. Nach einer Ansicht – in der Rechtsprechung vertreten durch das OVG Münster – konnte die Rechtsfigur des Planungserfordernisses vollumfänglich auf § 34 I BauGB übertragen werden und stand somit im unbeplanten Innenbereich dem Vorhaben entgegen. 365 Die Möglichkeit einer Übertragung ergebe sich aus der strukturellen Ähnlichkeit von § 34 I BBauG und § 35 I BBauG, 366 zumal beide Zulassungstatbestände keine Binnenkoordination des Vorhabens gewährleisten könnten 367. Die herrschende Gegenauffassung vertrat demgegenüber, dass aufgrund der Grundentscheidung des § 34 BBauG, wonach Bauen im Innenbereich grundsätzlich möglich sein solle, eine Übertragung des öffentlichen Belangs eines Planungserfordernisses ausscheiden müsse, zumal es sich bei dem Erfordernis des „Einfügens“ bereits um ein eng eingrenzendes Erfordernis handele, welches keiner weitergehenden ungeschriebenen Einschränkungen bedürfe. 368
365 OVG Münster, NJW 1978, 2314, 2314; Bosch, BauR 1978, 268, 275; Ziegler, ZfBR 1979, 140, 143; Lenz, BauR 1980, 130, 137; Hüttenbrink, BauR 1982, 412, 418. 366 OVG Münster, NJW 1978, 2314, 2314. 367 Bosch, BauR 1979, 140, 143. 368 BVerwGE 61, 128, 133; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 70 u. 72; Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 22 und S. 46; Fackler, Individualanspruch, S. 44.
B. § 34 BauGB
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Aufgrund der Streichung der sonstigen öffentlichen Belange durch den Gesetzgeber bei Erlass des BauGB wurde diesem Streit um die Anerkennung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses jedoch die gesetzliche Grundlage entzogen, da nunmehr keine selbstständige Anknüpfung an „sonstige öffentliche Belange“ mehr erfolgen kann. 369 Diese Konstruktion eines Planungsvorbehalts ist also nicht mehr haltbar. 370 2. Planungserfordernis als generelles Hindernis des „Einfügens“ bei § 34 BauGB Teilweise wird in der Literatur dennoch im Anwendungsbereich des § 34 I BauGB auf die Rechtsfigur des Planungserfordernisses zurückgegriffen: Ein Vorhaben, welches ein Planungsbedürfnis auslöse, füge sich nicht im Sinne des § 34 I BauGB ein, 371 so dass auf diesem Weg indirekt das Planungserfordernis zur Unzulässigkeit des Vorhabens führe. Die Berücksichtigung im Rahmen des „Einfügens“ sei speziell vor dem Hintergrund von Art. 28 II GG geboten, wenn durch das Vorhaben konkrete gemeindliche Planungen betroffen würden oder wenn sich in Folge des Vorhabens weite Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entziehen würden, damit (nachbar-)gemeindliche Beteiligungs- und Abwehrrechte wirksam gewährleistet werden könnten. 372 Das Planungserfordernis sei auch – in Abweichung zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nicht als bloßes Indiz für ein Nichteinfügen zu verstehen, sondern begründe stets die Unzulässigkeit des jeweiligen Vorhabens. 373 Bei Zugrundelegung dieser Auffassung würde sich eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht für die Vorhabensgemeinde dahingehend ergeben, dass planungsbedürftige Vorhaben sich in jedem Fall nicht im Sinne des § 34 I BauGB einfügten und allein aufgrund von § 30 BauGB zugelassen werden könnten, so dass die Gemeinde, wenn sie an dem Vorhaben festhalten will, einen Bebauungsplan aufstellen müsste.
369 Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 9 ff.; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 27; Schlichter/Hofherr, in: Berliner Kommentar [2. Aufl.], § 34, Rn. 57. 370 So auch Moench, DVBl 2005, 676, 680; Fackler, Individualanspruch, S. 43; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 217 f.; ferner Schmitz/Federwisch (Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 434), die jedoch als rechtspolitischen Vorschlag die Berücksichtigung des Planungserfordernisses als öffentlichem Belang durch den Gesetzgeber befürworten. 371 Stüer, NVwZ 2004, 814, 817; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 2353; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 34, Rn. 74; Büchner, ZfBR 2003, 538, 539; Hoppe, in: FS von Unruh, 555, 581. 372 Stüer, NVwZ 2004, 814, 817. 373 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 34, Rn. 74.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
3. Planungserfordernis durch analoge Anwendung des § 2 II BauGB Eine andere Auffassung konstruiert ein Planungserfordernis als Vorbehalt zugunsten förmlicher Bauleitplanung durch analoge Anwendung des § 2 II S. 1 BauGB als selbstständigem Rechtmäßigkeitsmaßstab innerhalb des Zulassungsprogramms nach § 34 I BauGB. 374 Das Erfordernis einer interkommunalen Abstimmung gem. § 2 II S. 1 BauGB dürfe nicht dadurch umgangen werden, dass die Gemeinde ein materiell abstimmungsbedürftiges, und damit folglich planungsbedürftiges Vorhaben ohne Planung ermögliche. 375 Anknüpfungspunkt für eine „Umgehung“ des § 2 II S. 1 BauGB durch die Vorhabensgemeinde wäre nach dieser Auffassung für Fälle des § 34 I BauGB allerdings allein die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB. 376 Auch nach dieser Auffassung käme es für den Fall interkommunaler Auswirkungen durch das Vorhaben also zu einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht der Vorhabensgemeinde, da diese, um eine Realisierung des Vorhabens zu erreichen, zur erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplans gezwungen wäre. 4. Kein Planungserfordernis bei § 34 BauGB Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur lehnt jede Konstruktion eines Planungserfordernisses im Rahmen des Zulassungsprogramms nach § 34 BauGB ab. 377
374 VGH München, BRS 62 Nr. 65, S. 341; im Übrigen kann vollumfänglich auf die bereits dargestellten Fundstellen verwiesen werden: 2. Kap. A.I.3.b)(2)(a). 375 Vergleiche die ausführliche Darstellung und Ablehnung dieser Auffassung unter: 2. Kap. A.I.3.b)(2). 376 Uechtritz, NVwZ 2003, 176, 179, nennt dies eine „dogmatisch kühne Konstruktion“; zur Ablehnung dieser Argumentation siehe auch: 2. Kap. A.I.3.b)(2)(a). 377 BVerwGE 61, 128, 133 f.; BVerwGE 68, 352, 357 f.; BVerwG, BRS 55, Nr. 174, S. 478 f.; BVerwG, DVBl 2004, 239, 243; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 20; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Vorb. §§ 29–38 [Lfg.: 77.], Rn. 36; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 72; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 BauNVO [Lfg.: 72.], Rn. 42a; Hofherr, in: Berliner Kommentar, § 34 [Lfg.: 4.], Rn. 55; Decker, in: Schiwy, § 34, S. 55; Dürr, in: Brügelmann, § 34 [Lfg.: 51], Rn. 38; Reidt, UPR 2005, 241, 243; Paul, NVwZ 2004, 1033, 1034; Moench, DVBl 2005, 676, 680 f.; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 36; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 153; Rieger, in: Schrödter, § 34, Rn. 31; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 304; Weyreuther, BauR 1981, 1, 11 f.; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 435; Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 522, 522; Finkelnburg/Ortloff , BauR II, S. 258; Nachreiner, Verbrauchermärkte, S. 173 f.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 217; Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191,
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Die in § 34 I BauGB ausdrücklich genannten Erfordernisse des „Einfügens“, der gesicherten Erschließung, der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Nichtbeeinträchtigung des Ortsbildes gewährleisten nach dieser Auffassung als abschließendes Normprogramm des Gesetzgebers die grundsätzliche Bebaubarkeit des unbeplanten Innenbereichs, die nicht durch zusätzliche öffentliche Belange unterlaufen werden dürfe. 378 Dem Planungserfordernis könne somit keine selbstständige Bedeutung zukommen. Dies bedeute jedoch nicht, dass materiell jene Koordinationsbedürfnisse, welche der Rechtsfigur des Planungserfordernisses zugrunde liegen, generell unberücksichtigt bleiben müssten. Bei Vorliegen einer Koordinierungsbedürftigkeit im Nahbereich komme dem Planungserfordernis sogar eine Indizwirkung zu. 379 Diese Indizwirkung bestehe allerdings nicht abstrakt; vielmehr müsse der Blick auf die konkreten Wirkungen des Vorhabens in der unmittelbaren Umgebung gerichtet werden. 380 Prüfungsmaßstab bleibe dabei allein das „Einfügen“ in die nähere Umgebung mit der Konsequenz, dass „Fernwirkungen“, also Koordinationsbedürfnisse des Vorhabens, die jenseits der näheren Umgebung im Sinne des § 34 I BauGB relevant werden, für die Vorhabenszulassung unbeachtlich seien. 381 Ein Rückgriff auf die Rechtsfigur des Planungserfordernisses als solche, welche auch die Außenkoordination in größeren Distanzen umfassen würde, hat nach dieser Auffassung jedenfalls zu unterbleiben. Als „Kompensation“ 382 für diese Nichtanwendung wurde in jüngster Zeit seit der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht auf Grundlage von § 1 III, IV BauGB angenommen, 383 welche jedoch die Zulässigkeit nach § 34 I BauGB unberührt lässt. 384
211; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 189 ff.; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 182 ff. 378 BVerwGE 68, 352, 357 f.; BVerwG, BRS 55, Nr. 174, S. 478 f.; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 435; Rieger, in: Schrödter, § 34, Rn. 31. 379 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 20; Hofherr, in: Berliner Kommentar, § 34 [Lfg.: 4.], Rn. 52; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 153; Dürr, in: Brügelmann, § 34 [Lfg.: 51.], Rn. 38; Hoppe, BauR 2004, 607, 612; Moench (DVBl 2005, 676, 680) spricht davon, dass in diesen Fällen „das Kriterium des Einfügens [ . . . ] besonders sorgfältig zu prüfen“ sei. 380 BVerwGE 68, 352, 358; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 72. 381 BVerwG, BRS 55, Nr. 174, S. 476; Bericht der Expertenkommission zum EAG Bau, Rn. 213; Reidt, UPR 2005, 241, 243; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 10; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 217. 382 Berkemann, in Berkemann/Halama, § 34, Rn. 10; die gleiche Bewertung liegt auch dem Diskussionsbeitrag des RiBVerwG Rojahn zugrunde: Böttcher, in: Jarass, Abstimmung, 31, 34.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Als Konsequenz dieser herrschenden Meinung kann auf der Grundlage des Planungserfordernisses – vor allem hinsichtlich der in der letzten Zeit besonders relevanten Außenkoordination aufgrund interkommunaler Auswirkungen – somit keine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht festgestellt werden. 5. Stellungnahme Die differierenden Auffassungen, inwieweit ein Planungserfordernis auch bei § 34 I BauGB angenommen werden kann, erfordern eine abschließende Stellungnahme, da es sich für den Fall der Anerkennung desselben um einen Auslöser für eine subjektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 34 I BauGB handeln könnte. Für die Annahme eines Planungserfordernisses lassen sich indes keine überzeugenden argumentativen Konstruktionen finden. Andere Auffassungen verkennen den Planersatzcharakter des § 34 I BauGB, welcher – spätestens seit Streichung der „sonstigen öffentlichen Belange“ aus dem Normprogramm – abschließend die Zulassungsschanken normiert. 385 Die generelle gesetzgeberische Entscheidung für die grundsätzliche Bebaubarkeit des Innenbereichs liefe auch bei einem erweiternden Verständnis des „Einfügen“-Erfordernisses leer. Zwar mag vor dem Hintergrund der Begründung des Planungserfordernisses auf der Grundlage einer immanenten Begrenzung konditionaler Programmierungsstrukturen in besonders komplexen Koordinationssituationen 386 auch für die konditional programmierte Entscheidungsstruktur des § 34 I BauGB eine materielle Plausibilität für ein Bedürfnis nach einem Vorbehalt zugunsten förmlicher Planung gegeben sein. Dieser Gedanke ist vorliegend jedoch rechtlich nicht tragfähig, da, im Gegensatz zu den „öffentlichen Belangen“ des § 35 BauGB, für den unbeplanten Innenbereich gerade keine tatbestandliche Einbruchstelle für allgemeine städtebauliche Erwägungen besteht. Vielmehr ist das Merkmal des „Einfügens“ stattdessen streng an die nähere Umgebung des Vorhabens geknüpft. Zudem ist Uechtritz zuzustimmen, der zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die Annahme eines Planungserfordernisses einen Systembruch in der Dogmatik der §§ 30–34 BauGB darstellen würde. 387 Denn die bisherige Praxis vermeide explizit, wie vor allem anschaulich an der Rechtsprechung zur Verankerung des
383 384 385 386 387
BVerwGE 119, 25, 25 ff. Siehe dazu die ausführlichen Darstellungen: 3. Kap. D. Battis, in: Jarass, Abstimmung, 19, 27 f. Siehe zu diesem Begründungsansatz die Darstellungen unter: 2. Kap. A.I.6.a). Uechtritz, NVwZ 2003, 176, 179.
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„Rücksichtnahmegebots“ in den jeweiligen einzelnen Zulassungstatbeständen zu erkennen ist, 388 den Rückgriff auf übergreifende Zulassungskriterien in Form von ergänzenden Genehmigungsschranken. Im Übrigen würde die Konstruktion des Planungserfordernisses der gesetzlichen Konzeption zuwiderlaufen: So hat Battis schon frühzeitig – vor Erlass des EAG Bau 2004 – darauf hingewiesen, dass der bisherigen gesetzlichen Konzeption des § 246 VII S. 1 BauGB, wonach den Ländern die befristete Möglichkeit des Ausschlusses großflächiger Einzelhandelsvorhaben im Anwendungsbereich des § 34 BauGB eingeräumt wurde, indirekt entnommen werden könne, dass jenseits des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift ein Planungserfordernis nicht angenommen werden soll, da jene Vorschrift sonst funktionslos wäre. 389 Auch den jüngsten Gesetzesänderungen durch das EAG Bau 2004 liegt die gesetzgeberische Konzeption zugrunde, dass ein Planungserfordernis als solches nicht besteht. Der neu eingefügte § 34 III BauGB normiert, dass von Vorhaben gem. § 34 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgehen dürfen. Durch diese Regelung reagiert der Gesetzgeber auf die im Rahmen des „Einfügens“ unterbleibende Berücksichtigung von Fernwirkungen des Vorhabens. 390 Berkemann versteht diese Gesetzesänderung sogar ausdrücklich als mittelbare und gegenständlich begrenzte Korrektur der Entscheidung des Gesetzgebers zur Streichung der „sonstigen öffentlichen Belange“ anno 1987. 391 Dabei handelt es sich also lediglich um die Aufnahme eines speziellen Aspekts der Außenkoordination bestimmter Vorhaben, welcher allerdings für die verschiedenen Literaturauffassungen einen Hauptanlass für die Diskussion um das Planungserfordernis bei § 34 BauGB darstellte. Ausschließlich für versorgungsrelevante Großvorhaben wird faktisch als Folge des § 34 III BauGB eine Kern- oder Sondergebietspflichtigkeit durch Bebauungspläne statuiert. 392 Durch diese inhaltliche Beschränkung bringt der Gesetzgeber zugleich zum Ausdruck, dass weiterhin keine generelle Berücksichtigung von „Fernwirkungen“ und damit des Planungserfordernisses im Normprogramm des § 34 BauGB erfolgen kann. Der Diskussion um das Planungserfordernis innerhalb des unbeplanten Innenbereichs ist somit durch diese Gesetzesänderung endgültig die Grundlage entzogen worden. 393 Die
388
Vgl. zu dieser Entwicklung: Battis, in: FS Weyreuther, 305, 310 ff. Battis, in: Jarass, Abstimmung, 19, 28; ferner: Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 217; zum Umfang des Ausschlusses vgl. Hoppe/Schlarmann, DVBl 1999, 1078, 1079 f.; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 314 ff. 390 Bericht der Expertenkommission zum EAG Bau, Rn. 216; BT-Drs. 15/2250, S. 54; Krautzberger/Stüer, DVBl 2004, 781, 785; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, Vorb. §§ 29–38 [Lfg.: 77.], Rn. 36. 391 Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 11. 392 Reidt, UPR 2005, 241, 244; siehe dazu unten: 2. Kap. B.I.6. 389
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
gesetzgeberische Konzeption steht der Annahme eines Planungserfordernisses entgegen. Für die Rechtsfigur des Planungserfordernisses besteht somit kein Anwendungsbereich bei § 34 I BauGB. Es kann folglich auch keine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht auf dieser Grundlage in Betracht kommen. 6. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht bei § 34 I BauGB als Folge des § 34 III BauGB Es stellt sich jedoch als Konsequenz der gesetzgeberischen Tätigkeiten im Rahmen des EAG Bau 2004 die Frage, ob nicht der neu eingefügte § 34 III BauGB seinerseits eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht für bestimmte Vorhaben gem. § 34 I BauGB nach sich zieht. Teilweise wird in der Literatur ein aus § 34 III BauGB resultierendes Planungserfordernis – und damit zugleich die Wirkung als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht – ausdrücklich angenommen. 394 Eine derartige Wirkung setzt voraus, dass die Gemeinde als Planungsträger die Realisierung eines ursprünglich im unbeplanten Innenbereich vorgesehenen Vorhabens nur durch die Aufstellung eines Bebauungsplans rechtlich herbeizuführen vermag. Die Unzulässigkeit nach § 34 III BauGB in Verbindung mit den fortbestehenden Realisierungsvorstellungen der Vorhabensgemeinde müssten also als vorgelagerte „Mittler“ einer subjektiven Erstplanungspflicht anzusehen sein. 395 Eine faktische Verweisung der Gemeinde auf planerische Maßnahmen wird bei Unzulässigkeit nach § 34 I BauGB allgemein angenommen. 396 Dies allein ist jedoch für den Charakter als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht nicht ausreichend; vielmehr muss hinzukommen, dass auch die tatsächliche Möglichkeit einer rechtmäßigen Bauleitplanung für die jeweils nach § 34 I BauGB unzulässigen Vorhaben besteht. Dies wäre nicht der Fall, wenn Vorhaben, welche nach § 34 III BauGB unzulässig sind, zugleich auch nicht zulässig aufgrund eines rechtmäßigen Bebauungsplans sein könnten. Maßgebend sind somit die Anforderungen des durch das
393 So ausdrücklich Berkemann (in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 32) für den Streit um die Berücksichtigung des § 2 II BauGB im Rahmen der Einzelgenehmigung nach § 34 BauGB. 394 Reidt, UPR 2005, 241, 241 u. 243; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 165; wohl auch: Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 183. 395 Zu den einzelnen, abstrakten Voraussetzungen einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht vgl. die Darstellungen unter: 1. Kap. A.IV. 396 Runkel, UPR 1998, 241, 245; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 165.
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EAG Bau 2004 neu eingefügten § 34 III BauGB. Je strenger die Anforderungen für „schädliche Auswirkungen“ zu verstehen sind, desto geringer sind für den Fall des Vorliegens eben jener die Realisierungschancen durch rechtmäßige Bauleitplanung angesichts der materiellen Abstimmungspflicht gem. § 2 II BauGB bzw. der Möglichkeit der Kompensation dieser Auswirkungen im Wege einer rechtmäßigen Abwägung. a) Maßstab der „schädlichen Auswirkungen“ Die Anforderungen an „schädliche Auswirkungen“ im Sinne des § 34 III BauGB werden in der Literatur kontrovers beurteilt. Reidt und Schmitz/Federwisch wollen zur Bestimmung, wann „schädliche Auswirkungen“ vorliegen, auf die Vermutungen des § 11 III BauNVO zurückgreifen. 397 Danach wären Einkaufszentren generell unzulässig; für großflächige Handels- und Einzelhandelsbetriebe würde die Regelvermutung des § 11 III S. 3 BauNVO greifen, wonach ab einer Geschossfläche, die mindestens 1200 m 2 umfasst, von schädlichen Auswirkungen auszugehen ist. 398 Dies sei durch den identischen Normzweck gerechtfertigt, wonach gerade Einzelhandelsvorhaben Anlass für die Änderung wären und diese generell nur in Kerngebieten und Sondergebieten verwirklicht werden sollten. 399 Die überwiegende Literatur lehnt dagegen einen Rückgriff auf die Vermutungen des § 11 III BauNVO mit überzeugenden Argumenten ab. 400 So muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass schon begrifflich eine Übertragung zweifelhaft erscheint: In § 11 III S. 1 BauNVO ist von „nicht nur unwesentlichen Auswirkungen“ die Rede, wohingegen § 34 III BauGB „schädliche Auswirkungen“ erfordert. 401 Ferner werden von § 11 III S. 2 BauNVO Auswirkungen „auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche“ erfasst, während § 34 III BauGB nach seinem Wortlaut lediglich tatsächlich vorhandene Versorgungsbereiche schützt. 402 Zudem wird von § 34 III BauGB gefordert, dass keine schädlichen Auswirkun-
397 Reidt, UPR 2005, 241, 243 ff.; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 434; offen gelassen, aber wohl mit leichter Sympathie für diese Auffassung, auch: Janning, BauR 2005, 1723, 1725 ff. 398 Reidt, UPR 2005, 241, 244 ff. 399 Reidt, UPR 2005, 241, 245. 400 Vietmeier, BauR 2005, 480, 487; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 23ff.; Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1032; Uechtritz, DVBl 2006, 799, 808 f.; Gatawis, NVwZ 2006, 272, 275; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 44; Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2068 ff.; Rieger, in: Schrödter, § 34, Rn. 75. 401 Vietmeier, BauR 2005, 480, 487; Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2070, Fn. 2; Rieger, in: Schrödter, § 34, Rn. 75; Gatawis, NVwZ 2006, 272, 275; Uechtritz, DVBl 2006, 799, 808 f. 402 Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2068.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
gen „zu erwarten“ und nicht zu „vermuten“ sind, wie dies die Rechtsfolge des § 11 III BauNVO wäre. 403 Neben diesen Wortlautargumenten erscheint eine Übertragung der Vermutungsregel auch als nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar. Im Anwendungsbereich des § 11 BauNVO geht der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben eine planerische Entscheidung durch die jeweilige Gemeinde voraus, welche durch die Wahl der meisten Gebietstypen großflächige Einzelhandelsgebiete bewusst ausschließt. 404 Eine Übertragung wäre nur gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber bei Erlass des § 34 III BauGB gleichfalls einen generellen Ausschluss und eine alleinige Beschränkung auf Kern- und Sondergebiete bezweckte. Dafür finden sich indes keine Anhaltspunkte. Nach Gesetzesbegründung und Bericht der Expertenkommission ging es allein um die Berücksichtigung von bestimmten „Fernwirkungen“; ein generell-typisierender Ausschluss war nie Gegenstand der Debatte. 405 Vor dem Hintergrund nicht belegbarer gesetzgeberischer Vorstellungen erscheint eine verschärfende Auslegung von Gesetzesrecht anhand eines Verordnungsmaßstabs zudem normhierarchisch nicht geboten. Keine Einigkeit besteht wiederum über den stattdessen anzuwendenden Maßstab. Verbreitet wird unter Rückgriff auf die „Krabbenkamp-Formel“ gefordert, dass „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ vorliegen müssten. 406 Diese Formel ist der Rechtsprechung zu § 2 II S. 1 BauGB entnommen und kennzeichnet dort den sog. „qualifizierten Abstimmungsbedarf“, welcher unter anderem Grundlage des Planungserfordernisses bei § 35 III BauGB ist. 407 Zur Bestimmung dieser Auswirkungen gewichtiger Art soll vornehmlich der städtebaulich relevante Kaufkraftabfluss im Einzelfall maßgeblich sein. Als Faustformel wird ab einem zentrenrelevanten Sortimentsabfluss von 10% ein solcher Kaufkraftabfluss angenommen. 408 Von Berkemann wird gegen die Heranziehung der „Krabbenkamp-Formel“ geltend gemacht, dass diese dem Planungsrecht entstamme und somit als Maßstab abwägungsbezogen sei, wohingegen § 34 III BauGB als starres Ergebnis einer
403
Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1032. Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1032; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 30. 405 BT-Drs. 15/2250, S. 54; Bericht der Expertenkommission zum EAG Bau, Rn. 213 ff.; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 30; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 44; Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1032. 406 Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 44; Vietmeier, BauR 2005, 480, 487; Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1031; Uechtritz, DVBl 2006, 799, 809; Janning, BauR 2005, 1723, 1730; Rieger, in: Schrödter, § 34, Rn. 75: Gatawis, NVwZ 2006, 272, 275. 407 Vgl. dazu Darstellungen: 2. Kap. A.I.6.b). 408 Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1032 m. w. N. 404
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„gesetzlichen Abwägung“ und als Zulassungshindernis deutlich höhere Anforderungen erfordere als § 2 II S. 1 BauGB, welcher allein die Abwägungsbedürftigkeit behandle, ohne eine Aussage über die endgültige Zulässigkeit des Vorhabens zu treffen. 409 Zur Bestimmung der „Schädlichkeit“ sei vielmehr indiziell auf den spürbaren Kaufkraftentzug abzustellen, der im Sinne eines „Anfangsverdachts“ bei 20% prognostiziertem Kaufkraftentzug nicht hinnehmbar sei. Diese Auffassung verkennt indes, dass seitens der Gegenmeinung nicht allgemein § 2 II S. 1 BauGB, sondern speziell die „Krabbenkamp-Formel“ zur Bestimmung des „qualifizierten Abstimmungsbedarfs“ zugrunde gelegt wird, welche ihrerseits Bedeutung gerade im Vorhabenzulassungsrecht entfaltet, und nicht lediglich den „einfachen Abstimmungsbedarf“ des § 2 II S. 1 BauGB kennzeichnet. Die Argumentation, es handele sich um einen Maßstab, welcher lediglich die Abwägungsbedürftigkeit kennzeichne, geht also fehl. An anderer Stelle wurde bereits dargelegt, dass diese Anforderung als Zulassungshindernis im Bereich des § 35 BauGB anerkannt ist und sich teleologisch rechtfertigt. 410 Für den Bereich des § 34 III BauGB, dem ebenfalls Planersatzcharakter zukommt, kann diesbezüglich nichts anderes gelten. Die Konzeption der Gegenauffassung liefe ferner darauf hinaus, dass nur solche Vorhaben unzulässig wären, welche auch nicht abwägungsfehlerfrei planbar wären, so dass die Neuregelung des § 34 III BauGB aus diesem Grund keine Planungspflicht begründen könnte und weitgehend leer liefe. 411 Zudem kann bei Zugrundelegung der „Krabbenkamp-Formel“, auch dies bei Übertragung der Argumentation der „Zweibrücken-Entscheidung“ zu § 35 II BauGB, eine umfassende Harmonisierung bzw. Konkordanz durch Rückgriff auf die Wertungen – nicht die Vermutungen – des § 11 III BauNVO erfolgen, 412 wonach für bestimmte Vorhaben ein Erst-Recht-Schluss dergestalt möglich sein muss, dass diese, wenn schon nicht in jedem Plangebiet, so erst recht nicht in jedem unbeplanten Gebiet zulässig sein können. 413
409 Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 24; ähnlich Söfker (in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 86b), der geltend macht, dass es sich nur um ein bloßes Indiz handeln könne, da sich die Schädlichkeitsgrenze darin nicht erschöpfe und schädliche Auswirkungen konkret auch unterhalb dieser Grenze liegen könnten. 410 Vgl. dazu Darstellungen: 2. Kap. A.I.6.b). 411 Uechtritz, DVBl 2006, 799, 809. 412 Dieser Aspekt stimmt also im Ergebnis wieder mit den Ausführungen von Söfker (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 86b) überein, da auf diesem Wege überzeugend begründet die Wertungen des § 11 III BauNVO dogmatisch Berücksichtigung finden können. 413 Siehe oben: 2. Kap. A.I.6.b); im Ergebnis ebenso: Decker, in: Schiwy, § 34, S. 60.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Des weiteren hat der Rekurs auf die „Krabbenkamp-Formel“ den Vorzug, dass die offene Formulierung „gewichtiger Art“ im Einzelfall auch Vorhaben zu erfassen vermag, welche schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche jenseits eines Kaufkraftabflusses bewirken, so dass er eine flexiblere Handhabe im Sinne der Gesetzesintention, welche eine Beschränkung auf Einzelhandelsvorhaben gerade vermeiden wollte, 414 gewährleistet. Im Interesse einer Harmonisierung des Vorhabenzulassungsrechts und einer einheitlichen Konzeption der subjektiv determinierten Erstplanungspflichten ist also richtigerweise auf die „Krabbenkamp-Formel“ als Maßstab abzustellen. Damit ist auch keine große Verschiebung in den Anforderungen des § 34 III BauGB verbunden, da beide Auffassungen regelmäßig zum gleichen Ergebnis kommen würden: Die 10% Kaufkraftabfluss dienen nur als „Faustformel“ bzw. die 20% Kaufkraftabfluss nur als Indiz, so dass für das einzelne Vorhaben nach beiden Auffassungen die gleiche differenzierende Einzelfallbetrachtung erfolgen muss. Es konnte also gezeigt werden, dass „schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche“ unter Rückgriff auf den Maßstab der „qualifizierten Abstimmungsbedürftigkeit“ nach der „Krabbenkamp-Formel“ zu bestimmen sind, wobei dem Kriterium des Kaufkraftabflusses besondere Bedeutung für die Frage zukommt, wann „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ zu prognostizieren sind. b) Auswirkungen des Maßstabs auf den Umfang der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht Bezüglich der Auswirkungen auf den Umfang der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht nach § 34 III BauGB ist nunmehr festzustellen, inwieweit überhaupt bei Unzulässigkeit des Vorhabens nach § 34 III BauGB eine Realisierung auf Grundlage eines Bebauungsplans in Betracht kommt. Eine solche würde ausscheiden, wenn die „schädlichen Auswirkungen“ in keinem Fall rechtmäßig durch eine Abwägung im Wege der Bauleitplanung überwunden werden könnten. Diesbezüglich ist jedoch anzumerken, dass schon die Bezeichnung des Maßstabs auf Grundlage der „Krabbenkamp-Formel“ als „qualifizierter Abstimmungsbedarf“ aufzeigt, dass dieser einer Abstimmung im Wege planerischer Abwägung grundsätzlich zugänglich sein muss. Zwar mögen vielfach die Auswirkungen derart stark sein, dass keine entgegenstehenden Interessen eine abwägungsfehlerhafte Überwindung bei Aufstellung des Bebauungsplans gewährleisten können. Im Einzelfall ist dies bei besonders gewichtigen Belangen der Vorhabensgemeinde 414
Bericht der Expertenkommission zum EAG Bau, Rn. 221.
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jedoch durchaus möglich; dies kommt insbesondere in Betracht, wenn es sich um einen eher geringeren zu erwartenden Kaufkraftabfluss handelt oder das konkrete Vorhaben durch die jeweilige Zentrenzuordnung der Vorhabensgemeinde im Sinne des Zentrale-Orte-Konzepts gedeckt ist. Auch wenn Vorhaben bei Verstoß gegen § 34 III BauGB vielfach keiner rechtmäßigen Bebauungsplanung zugänglich sein werden, so besteht doch im Einzelfall die diesbezügliche Möglichkeit. Ein Verstoß gegen § 34 III BauGB statuiert somit nicht für jeden Fall zugleich die endgültige und allumfassende Unzulässigkeit des Vorhabens. Raum für eine planerische Realisierung auf Grundlage des § 30 BauGB verbleibt jedenfalls in Ausnahmefällen, so dass auch eine Wirkung als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht für den Fall der Unzulässigkeit nach § 34 III BauGB bei fortbestehendem Realisierungswillen der Vorhabensgemeinde anzuerkennen ist. 7. Zwischenergebnis Für den unmittelbaren Normbereich des § 34 I BauGB kann also keine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht angenommen werden. Diese Diskussion ist jedoch für die Zukunft durch die jüngste gesetzgeberische Entscheidung praktisch bedeutungslos geworden, da § 34 III BauGB seinerseits für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich im Einzelfall eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht nach sich ziehen kann.
II. § 34 II BauGB Für den Bereich des § 34 II BauGB stellt sich in gleicher Weise die Frage nach Wirkmechanismen der Norm, welche eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zu begründen vermögen. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass gem. § 34 II BauGB lediglich die Art der baulichen Nutzung eine Modifizierung erfährt; sonst verbleibt es bei der Beurteilung des „Einfügens“ nach § 34 I BauGB. Insofern kann bereits vollumfänglich das soeben Dargestellte übertragen werden: Ein Vorbehalt zugunsten förmlicher Planung kann diesbezüglich nicht angenommen werden. Für den eigenen Normbereich des § 34 II BauGB, also wenn ein nicht beplantes Innenbereichsgebiet einem Gebiet nach der BauNVO gleicht, kann eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht in Form eines Planungserfordernisses ebenfalls nicht angenommen werden: Die Zulässigkeit nach der Art der baulichen Nutzung wird für diesen Fall durch den Planersatzcharakter des § 34 II BauGB umfassend und abschließend bestimmt. 415 Es erfolgt eine diesbezügliche Gleichstellung
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
mit qualifiziert beplanten Gebieten nach § 30 I BauGB, so dass die Annahme eines Planungserfordernisses jeder materiellen Grundlage entbehrt, da faktisch die durch Planung zu erzielenden identische Koordinierungsleistung bereits gegeben ist. Eine „Einbruchstelle“ für ein Planungserfordernis ist innerhalb dieses Zulassungsprogramms generell nicht gegeben. Im Einzelfall mag jenseits der Rechtsfigur des Planungserfordernisses aber eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht im Anwendungsbereich des § 34 II BauGB in Betracht kommen, wenn aufgrund des § 11 BauNVO ein konkretes Vorhaben unzulässig ist, 416 und die Vorhabensgemeinde dieses Vorhaben durch Planung realisierbar ausgestalten will. Diesbezüglich gelten hinsichtlich dieses Wirkmechanismus dann die zu §§ 34 I, 35 BauGB dargestellten Erkenntnisse entsprechend. Im Übrigen kann knapp festgestellt werden, dass § 34 III BauGB auch auf § 34 II BauGB Anwendung findet, so dass sich unter den oben dargestellten Voraussetzungen auch für Vorhaben nach § 34 II BauGB eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht ergibt. 417
III. § 34 IV BauGB Für die Vorhabenszulassung nach § 34 BauGB wurde eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht in bestimmten Ausnahmefällen bejaht. Gem. § 34 IV BauGB besteht für Gemeinden die Möglichkeit des Erlasses einer Satzung zur klarstellenden Definition oder zur Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 34 BauGB. Diese Gestaltungsmöglichkeit wirft ihrerseits die Frage auf, ob auch der Satzungserlass seinerseits einem Bebauungsplanvorbehalt unterworfen sein kann, so dass auch für diesen Bereich eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht in Betracht käme. Bei erster Betrachtung scheint eine Anwendung eines Planungserfordernisses ausgeschlossen zu sein, da ein Vorbehalt planerischer Abwägung kaum für die Handlungsform der Satzung in Betracht kommen kann, welche ihrerseits einen normativen Gestaltungsspielraum beinhaltet. Indes ist speziell für den Bereich der Satzungen nach § 34 IV BauGB umstritten, inwieweit diese eine planerische Abwägung erfordern. 418
415
Dürr, in: Brügelmann, § 34 [Lfg.: 51.], Rn. 90 ff; Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 2020; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 298; Krautzberger, in: Battis/ Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 46. 416 Zu den Problemkreisen einer Anwendung der BauNVO auf großflächige Handelsbetriebe vgl. die eingehenden Darstellungen von Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 298 ff. u. S. 43 ff. m. w. N. 417 Siehe dazu oben: 2. Kap. B.I.6.
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Für die Konstruktion einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht kann diese Problematik jedoch außer Betracht bleiben: Die für ein Planungserfordernis allein relevanten Satzungen nach § 34 IV S. 1 Nr. 2, 3 BauGB 419 müssen als materielle Anforderung des § 34 V S. 1 Nr. 1 BauGB jeweils mit der „geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar“ sein. Jene ist nach allgemeiner Auffassung nicht mehr gegeben, wenn der Vorbehalt der Bauleitplanung in Form eines Planungserfordernisses eingreift, weil für das konkrete Satzungsgebiet allein die Aufstellung eines Bebauungsplans eine angemessene Regelungs- und Steuerungswirkung zu gewährleisten vermag. 420 Ein derartiges Planungserfordernis wird vor allem für Situationen angenommen, die aufgrund ihrer Komplexität der Bewältigung durch einen Bebauungsplan bedürfen, weil die betroffenen Flächen für die aus der reinen „Ergänzungsfunktion“ folgende verringerte Regelungsdichte der Innenbereichssatzung zu groß sind, so dass eine ausreichende Interessenkoordination – z. B. allein aufgrund der geringeren Beteiligungsvorschriften in der Satzungsaufstellung gem. § 34 VI BauGB – nicht erreicht werden kann. 421 Dies wird jenseits der Größe der umfassten Fläche auch dann der Fall sein, wenn umfassende Erschließungskonzepte, besondere Infrastrukturerfordernisse oder naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sind. 422 Generell gilt das Gleiche für jede Form von grundstücks- oder umweltschutzbezogenen Kompensationslösungen, da diese auch allein durch die Festsetzungsund Abwägungsmöglichkeiten eines Bebauungsplans geleistet werden können, so 418 Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 138 f. m. w. N.: Teilweise wird eine Abwägung im Sinne des § 1 VII BauGB verneint, da diese Konstruktion mit dem ausdrücklichen Vorbehalt des § 34 V S. 1 Nr. 1 BauGB unvereinbar sei. Die herrschende Meinung neigt dazu, die Abwägungsbezogenheit zu bejahen, wobei vor allem auf Art. 14 GG abgestellt wird, welcher aufgrund der vielfältigen Wirkung der Satzung auf schutzwürdige Interessen von Einzeleigentümern eine Abwägung zur Bewältigung bodenrechtlicher Spannungen erfordere. 419 Für den Bereich der Klarstellungssatzung (§ 34 IV S. 1 Nr. 1 BauGB), welcher nach allgemeiner Auffassung lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt, stellt sich kein eigener Anwendungsbereich für eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht. Vielmehr lösen sich diese Fälle direkt über die subjektiv determinierten Erstplanungspflichten im Rahmen der jeweiligen Einzelvorhabenszulassung. 420 BVerwG, Beschl. v. 13. 3. 2003, AZ: 4 BN 20/03, JURIS, Rn. 3; OVG Bautzen, NVwZ 2001, 1070, 1070 f.; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 1983; Bönker, in: Hoppe/ Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 120; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 71; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 106; Dürr, in: Brügelmann, § 34 [Lfg.: 59.], Rn. 111; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 142; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 34, Rn. 52 ff.; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 51; Schink, DVBl 1999, 367, 372 f. 421 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 34, Rn. 52; Schink, DVBl 1999, 367, 372; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 7, Rn. 120; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 71. 422 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 1983.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
dass zusammenfassend festgestellt werden kann, dass eine Satzung gem. § 34 IV BauGB nur in einfachen und konfliktarmen Fällen der Einbeziehung weniger Grundstücke nicht gegen das Planungserfordernis verstößt. 423 Zur Begründung der Anwendung dieser Form des Planungserfordernisses wird zudem verbreitet auf § 1 III BauGB abgestellt, da die sich aus dieser Norm ergebende Bauleitplanungspflicht der Gemeinde nicht durch extensiven Gebrauch der Innenbereichssatzungen leer laufen dürfe. 424 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass dieser Argumentation die allgemein anerkannte subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III BauGB zugrunde liegt, welche maßgeblich auf der planerischen Konzeption der Gemeinde basiert. 425 Das werde auch durch die Beschränkung der Festsetzungsmöglichkeiten nach § 34 V S. 2 BauGB deutlich, welche aus dem gleichen Grund keinesfalls die Dichte eines qualifizierten Bebauungsplans erreichen dürfen, sondern sich auf im Sinne der „Ergänzungsfunktion“ unerlässliche Festsetzungen zu beschränken habe. 426 Dies führt im Ergebnis dazu, dass für Innenbereichssatzungen der Anwendungsbereich des Planungserfordernisses sich auf eine Vielzahl von Fällen erstreckt. Es existiert also eine weitgehende subjektiv determinierte Erstplanungspflicht im Bereich der Satzungen nach § 34 IV BauGB, da für viele Fälle dieses Gestaltungsmittel an einem Vorbehalt zugunsten einer Planung durch Bebauungsplan scheitert, so dass die Gemeinden faktisch zur Realisierung der jeweilig zugrunde liegenden Vorhaben auf eben jenen Weg der Bauleitplanung verwiesen werden.
IV. Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich danach, dass subjektiv determinierte Erstplanungspflichten im unbeplanten Innenbereich in zwei unterschiedlichen Konstellationen bestehen können. Zum einen unterliegen konkrete Vorhaben nach § 34 I, II BauGB einer derartigen Erstplanungspflicht, wenn sie „schädliche Auswirkungen“ im Sinne des § 34 III BauGB hervorrufen würden, und diese Auswirkungen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Abwägung bei der Bebauungsplanaufstellung kompensierbar wären bzw. überwunden werden könnten. Zum anderen existiert 423
Schink, DVBl 1999, 367, 372 f. BVerwG, Beschl. v. 13. 3. 2003, AZ: 4 BN 20/03, JURIS, Rn. 3; OVG Bautzen, NVwZ 2001, 1070, 1070 f.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 34 [Lfg.: 80.], Rn. 106; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 142; Krautzberger (in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 71) betont daneben besonders die Bedeutung des § 1 IV BauGB bzw. der Ziele der Raumordnung. 425 Vgl. dazu die Darstellungen: 2. Kap. C. Zur Abgrenzung zwischen subjektiv und objektiv determinierter Erstplanungspflicht speziell bei § 1 III BauGB siehe: 3. Kap. D. 426 BVerwG, Beschl. v. 13. 3. 2003, AZ: 4 BN 20/03, JURIS, Rn. 3; OVG Bautzen, NVwZ 2001, 1070, 1070 f.; Erbguth/Wagner, § 8, Rn. 51; Schink, DVBl 1999, 367, 373. 424
C. § 1 III S. 1 BauGB
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eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht im Bereich des Satzungserlasses nach § 34 IV BauGB, da jene Satzungen oftmals einem breiten Vorbehalt förmlicher Bauleitplanung unterliegen.
C. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB Es ist im Folgenden zu erörtern, ob eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB hergeleitet werden kann. Die bereits dargestellten Determinationsfaktoren der jeweiligen Erstplanungspflichten resultierten materiellrechtlich aus dem Vorhabenzulassungsrecht. Mit der Vorschrift des § 1 III S. 1 BauGB ist nun jedoch eine Vorschrift des materiellen Planungsrechts Gegenstand der Betrachtung, so dass neben der Konstruktion einer Planungspflicht aus dieser Norm vor allem der anders zu begründenden subjektiven Determination dieser Planungspflicht besondere Bedeutung zukommt. Es ist bereits deutlich geworden, 427 dass die Differenzierung zwischen subjektiv determinierten und objektiv determinierten Erstplanungspflichten unter anderem der präziseren Diskussion und Erfassung von Normen dient, welche potentiell beide Erstplanungspflichttypen beinhalten könnten. Diesbezüglich wurde bereits angedeutet, dass für die Aufstellung eines Bebauungsplans durch § 1 III S. 1 BauGB beide Arten von Erstplanungspflichten zugleich in Betracht kommen, was teilweise verwirrende Kommentierungen in der Literatur nach sich zieht. 428 Im Folgenden soll die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht Schwerpunkt der Darstellungen sein, wobei diese für beide Bauleitplanarten des § 1 II BauGB gesondert behandelt werden soll. 429
I. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht beim Bebauungsplan Zunächst soll die Konstruktion einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans aus § 1 III S. 1 BauGB nachvollzogen werden.
427
Siehe oben: 1. Kap. A.IV. Vgl. die Kommentierung von Krautzberger (in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 27 f.), welcher zunächst eine Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB annimmt, wenn „qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht“ vorliegen (objektives Kriterium) und in der nächsten Randnummer ohne Bezug auf die vorherigen Darstellungen die Planungspflicht im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB maßgeblich subjektiv nach der „planerischen Konzeption der Gemeinde“ bestimmt. Dazu bereits oben: 1. Kap. A.IV. 429 Vgl. zur objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB: 3. Kap. D. 428
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
1. Existenz und Voraussetzungen der Erstplanungspflicht § 1 III S. 1 BauGB lautet: „Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.“ Nach dem eindeutigen Wortlaut statuiert diese Norm eine Planungspflicht der Gemeinden. Die Existenz einer auf § 1 III S. 1 BauGB gründenden Erstplanungspflicht ist folglich auch inhaltlich unbestritten und allgemein anerkannt. 430 Differenzen bestehen jedoch in der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Erstplanungspflicht angenommen werden kann. Verbreitet wird die Annahme einer Erstplanungspflicht an einem subjektiven Kriterium festgemacht. So sei allgemein anerkannt, dass die negative Funktion des § 1 III S. 1 BauGB als Schranke der planerischen Gestaltungsfreiheit erst ausgelöst werde, wenn der Bebauungsplan nach der planerischen Konzeption der Gemeinde nicht erforderlich sei. 431 Da der Gemeinde negativ die nicht erforderliche Planung durch die Vorschrift verwehrt sei, liege es nahe, die positiv erforderliche Planung am gleichen Maßstab zu bestimmen, so dass auch diesbezüglich die planerische Gestaltungsfreiheit zum Ausgangspunkt zu machen sei. 432 Demnach ist nach dieser Auffassung eine Erstplanungspflicht gegeben, wenn eine Planung nach dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde erforderlich wäre; 433 es handele sich mithin in erster Linie um eine „Pflicht zu konzeptgemäßen Verhalten“. 434 Zur Bestimmung des planerischen Konzepts der Gemeinde sei im Wesentlichen auf den Flächennutzungsplan, die Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung und 430 Die teilweise in der Literatur zu findende Aussage, entgegen dem Wortlaut „statuiert die Vorschrift jedoch keine Planungspflicht der Gemeinde“, da eine solche die Planungshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken würde (Jochum, BauR 2003, 31, 33), ist missverständlich formuliert, da sie lediglich auf die objektiv determinierte Erstplanungspflicht bezogen ist. Dies lässt sich im Folgenden an der zustimmenden Bezugnahme auf die „selbstverwaltungsfreundlich“ zu beachtende planerische Konzeption der Gemeinde erkennen. 431 BVerwG, DÖV 1971, 633, 634; BVerwGE 116, 144, 146 f.; BVerwG, DVBl 2004, 239, 240; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 29 ff. 432 Fackler, Individualanspruch, S. 23 f. 433 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 28; Krautzberger, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Vorb. §§ 1–13 [Lfg.: 77.], Rn. 18; Dirnberger, in: Jäde/ Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 17; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 100; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 51; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39; Moench, DVBl 2005, 676, 677; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 160; Fackler, Individualanspruch, S. 24; Dürr/Korbmacher, BauR Berlin, Rn. 14; Brocke, Rechtsfragen Standortvorsorge, S. 42; Mitschang, Steuerung durch Bauleitplanung, S. 195 f.; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 104 f. 434 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39; Fackler, Individualanspruch, S. 24; Koch/Hendler, BauR, § 13, Rn. 1.
C. § 1 III S. 1 BauGB
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die unter Berücksichtigung der Planungsgrundsätze des § 1 V BauGB aus dem Planmäßigkeitsprinzip sich ergebenden Vorstellungen abzustellen. 435 Konsequenz dieser Auffassung sei jedoch, dass diese Planungspflicht letztlich in der Hand der Gemeinde selbst liege, da jene ihre zu Grunde liegende planerische Konzeption jederzeit modifizieren könne. 436 Demgegenüber knüpfen andere Autoren eine Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB an das Vorliegen objektiver Kriterien. Nach Gierke und Erbguth/Wagner bedürfe es für eine Planungspflicht zusätzlich zum normalen Bedarf besonderer qualifizierter städtebaulicher Gründe als objektivem städtebaulichen Missstand. 437 Gaentzsch nimmt eine objektiv verankerte Erstplanungspflicht in Parallele zur subjektiv determinierten Erstplanungspflicht bei § 35 BauGB an, wenn Außenoder Binnenkoordination allein durch Bebauungsplanung gewährleistet werden könnten. 438 Das Abstellen auf die städtebauliche Konzeption der Gemeinde sei jedenfalls nicht zweckdienlich, da dies zur Konsequenz hätte, dass eine konzeptionslose Gemeinde keiner Planungspflicht unterliegen könne. 439 Zudem sei eine rein subjektive Bestimmung mit der Funktion des § 1 III S. 1 BauGB nicht vereinbar, da die Norm leer liefe, wenn der Gemeinde über ihre subjektiven Vorstellungen eine „Kompetenz-Kompetenz“ hinsichtlich der ihr gesetzlich als Schranke des kommunalen „Planungsermessens“ aufgegebenen Norm zukomme. 440 Diese gesetzliche Schrankenfunktion könne nur „vorrangig nach äußeren, der Gemeinde vorgegebenen Kriterien tatsächlicher oder normativer Art“ bestimmt und erfüllt werden. Des Weiteren finden sich Stimmen in der Literatur, welche objektive und subjektive Kriterien verbinden. So befürworten Schrödter und Fackler eine subjektive Anknüpfung der Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB, welche jedoch ausnahmsweise auf objektive Kriterien zurückzuführen sei, wenn keinerlei Planungskonzeption der Gemeinde vorliege. 441 Ein bedingungsloses Nebeneinander beider Begründungsansätze liegt den Darstellungen von Krautzberger, Bönker, Stüer und neuerdings Söfker, sowie der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde. 442
435 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 28; Reidt, in: Gelzer/Bracher/ Reidt, Rn. 52. 436 BVerwGE 119, 25, 29; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 51. 437 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 205a; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75. 438 Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 20. 439 Weyreuther, DVBl 1981, 369, 372; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75. 440 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 220. 441 Schrödter, in: Schrödter, § 1 [6. Aufl.], Rn. 33; Fackler, Individualanspruch, S. 25.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
In der Tat sind keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar, dass sich die unterschiedlichen Begründungsansätze einer Erstplanungspflicht durch § 1 III S. 1 BauGB gegenseitig ausschließen. Es handelt sich nämlich um dogmatisch grundverschiedene Ansätze, welche im konkreten Einzelfall konfliktfrei nebeneinander bestehen können. Vielmehr drängt sich die Frage auf, ob es sich überhaupt bei beiden Begründungsansätzen um subjektiv determinierte Erstplanungspflichten handelt oder ob nicht eher an diesem Punkt die Differenzierung zwischen objektiv determinierten und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten sinnvoll Anwendung finden kann, um das „Nebeneinander“ zu erklären. 2. Subjektive Determination der Erstplanungspflicht Subjektiv determinierte und objektiv determinierte Erstplanungspflichten unterscheiden sich nach dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Systematisierungsansatz in der Struktur der pflichtauslösenden Voraussetzungen. Bei objektiv determinierten Erstplanungspflichten ist der jeweilige Planungsträger für feststehende, von ihm selbst nicht direkt beeinflussbare Fälle zu einer Planung verpflichtet; die Pflicht besteht demnach „originär“ 443 allein aus der jeweiligen normativen Grundlage. Wenn eine Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB allein an objektive Kriterien, wie zum Beispiel die Existenz greifbarer städtebaulicher Missstände angeknüpft wird, so handelt es sich nach dieser Begrifflichkeit um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht, da objektiv und unmittelbar, also ohne dass es auf weitere Voraussetzungen (z. B. fortbestehende Realisierungswünsche des Planungsträgers) ankommt, die Gemeinde direkt zur Planung verpflichtet ist. Inwieweit die Begründung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB haltbar ist, wird im Folgenden gesondert behandelt werden und kann vorliegend außer Betracht bleiben. 444 Demgegenüber kann für den Fall, dass eine Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB angenommen wird, wenn ein Bebauungsplan nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich erscheint, keine „objektive Determination“ festgestellt werden. Vielmehr legt die Gemeinde zunächst als Ausdruck ihrer
442 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 27 f.; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 100 ff.; Stüer, NVwZ 2004, 814, 818; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39a; BVerwGE 119, 25, 29 ff., wenngleich der subjektive Ansatz als „zur näheren Bestimmung einer gemeindlichen Erstplanungspflicht ungeeignet“(BVerwGE 119, 25, 31) dargestellt wird. Näher dazu: 2. Kap. C.I.2. 443 Moench, DVBl 2005, 676, 681. 444 Vgl. zur objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB: 3. Kap. D.
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Planungshoheit selbst ihre städtebaulichen Ziele fest und in Abhängigkeit von dieser Zielsetzung erfolgt die gesetzliche Zuweisung einer Planungspflicht, so dass diese Pflicht „derivativ“ allein von den Absichten der Gemeinde abhängt. 445 Die Absichten der Gemeinde fungieren somit – vergleichbar dem fortbestehenden Realisierungswillen trotz Vorhabensunzulässigkeit nach § 35 BauGB 446 – als subjektive „Mittler“ innerhalb der Erstplanungspflicht aus § 1 III BauGB und begründen damit deren „Mittelbarkeit“ bzw. deren „subjektive Determination“. Diese Analyse der unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich der Struktur der Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB hinter den unterschiedlichen Auffassungen zeigt deutlich, wie gewinnbringend eine systematisierende Differenzierung zwischen objektiv und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten im Einzelfall sein kann. Die scheinbare Uneinigkeit in der Literatur erledigt sich durch die saubere begriffliche Trennung. 447 Denn dass beide Ansätze in Form von subjektiven und objektiv determinierten Erstplanungspflichten nebeneinander stehen können, ist dogmatisch kein Problem, da sich beide Funktionen des § 1 III S. 1 BauGB nicht ausschließen. 448 Vielmehr fällt bei genauerer Betrachtung auf, dass selbst die Argumentation der Befürworter rein objektiver Kriterien keinen logischen Ausschließlichkeitsanspruch formuliert, sondern vielmehr allein die Singularität subjektiver Kriterien angreift. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ 449 also zu Recht beide Arten der Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB als nebeneinander anwendbar erachtet. 450 445
Moench, DVBl 2005, 676, 677. Vgl. dazu die Darstellungen: 2. Kap. A.I. 447 Insoweit ist die gegenüberstellende Darstellung von Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 219, irreführend, da ein Meinungsstreit evoziert wird, obwohl lediglich unterschiedliche Argumentationsobjekte gegeben sind. 448 Vergleiche dazu die ausführlicheren Darstellungen: 3. Kap. D.I.3. 449 BVerwGE 119, 25, 25 ff. 450 Zwar könnte man angesichts der Formulierung, die subjektive Bestimmung „nach der planerischen Konzeption“ ziele auf die Planrechtfertigung und Verbotsqualität des § 1 III S. 1 BauGB und sei für den Planungspflichtcharakter „ungeeignet“, darauf schließen, dass das Bundesverwaltungsgericht generell von der Konstruktion der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht Abstand genommen hätte. Dies würde jedoch außer Betracht lassen, dass die konstatierte Ungeeignetheit lediglich „zur näheren Bestimmung der gemeindlichen Planungspflicht“ (BVerwGE 119, 25, 31) und nicht grundsätzlich festgestellt wurde. Ferner bezog sie sich lediglich auf die konkret zu beurteilende Situation, welcher eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zugrunde lag. Zudem wird vorweg in der Urteilsbegründung dargestellt, dass die allein subjektive „Pflicht zu konsequenter Planung“ den pflichtbegründenden Regelungsgehalt des § 1 III S. 1 BauGB nicht „erschöpft“ habe, was die Anwendung nicht ausschließt, sondern nur als nicht in jeder Beziehung ausfüllend kennzeichnet. Ausdrücklich anerkennt das Gericht ferner, dass „im Einzelfall“ eine derartige subjektiv determinierte Planungspflicht „denkbar“ (BVerwGE 119, 25, 29) sei. Die Entscheidung ist demnach so zu verstehen, dass das Bundesverwaltungsgericht der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht zwar für die Praxis aufgrund fehlender externer 446
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
3. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass sich aus § 1 III S. 1 BauGB eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht dahingehend ergibt, dass die jeweilige Gemeinde zur Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichtet ist, wenn ein solcher „nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich ist“, wenngleich für die Praxis damit aufgrund der jederzeitigen Änderungsmöglichkeiten bezüglich der „planerischen Konzeption“ kaum eine näher bestimm- und durchsetzbare Erstplanungspflicht verbunden sein dürfte.
II. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht beim Flächennutzungsplan? Die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans aus § 1 III S. 1 BauGB wirft die Frage auf, inwieweit das gefundene Ergebnis auf den Flächennutzungsplan übertragen werden kann. Dieser ist nach dem Wortlaut des § 1 III S. 1 BauGB als vorbereitender Bauleitplan (§ 1 II BauGB) gleichfalls aufzustellen, „sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.“ Bei Übertragung jener Formel, wonach die Erforderlichkeit zu bejahen ist, wenn nach der planerischen Konzeption der Gemeinde eine Planung als geboten erscheint, könnte also eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zudem für den Flächennutzungsplan anzunehmen sein. Auch die Existenz einer grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinden einen Flächennutzungsplan aufzustellen, wird in der Literatur praktisch allgemein zugrunde gelegt. 451 Zweifelhaft ist indes, ob die Verpflichtung zur erstmaligen Aufstellung eines Flächennutzungsplans, also die auf der „Erforderlichkeit“ im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB gründende Erstplanungspflicht, sich auch für diesen Fall an der planerischen Konzeption der Gemeinde – ihrerseits Grundlage der „subjektiven Determination“ der Pflicht – auszurichten hat, oder ob nicht diesbezüglich ein anderer Erforderlichkeitsmaßstab zu bemühen ist. Der Doppelfunktion des Flächennutzungsplans, welcher sowohl überörtliche Planungen (Raumordnungspläne, Fachplanungen) umzusetzen und nachfolgende Planungen zu steuern hat, 452 wird eine Erstplanungspflicht auf der Grundlage einer Durchsetzungsmöglichkeiten eine geringe Relevanz zumisst, allerdings die grundsätzliche Anwendung neben der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB bejaht, was vor dem Hintergrund der Sicherung des Planmäßigkeitsprinzips durch § 1 I, III S. 1 BauGB zu begrüßen ist. 451 Moench, DVBl 2005, 676, 678; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 19; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 199; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 5, Rn. 1; Decker, in: Schiwy, § 1, S. 15; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 225.
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der Pflicht selbst vorgelagerten „planerischen Konzeption der Gemeinde“ nicht gerecht, da der überörtliche Planungsbezug so allein vom Vorhandensein einer planerischen Konzeption abhängig wäre und sich Gemeinden diesem durch Konzeptionslosigkeit entziehen könnten. Eine geordnete städtebauliche Entwicklung erscheint nur möglich, soweit deren Grundzüge durch einen Flächennutzungsplan festgelegt werden, 453 so dass eine Erforderlichkeit für einen Flächennutzungsplan praktisch immer gegeben ist, 454 und folglich kein Raum für eine der Pflicht logisch vorgelagerte städtebauliche Konzeption ist. Inwieweit die Herleitung dieser grundsätzlichen Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB unabhängig von der städtebaulichen Konzeption als gesetzlich angeordneter Regelfall einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht auf der Grundlage des § 5 I S. 1 BauGB begründet werden kann, 455 soll an dieser Stelle noch dahinstehen. 456 Jedenfalls erscheint der Flächennutzungsplan seinerseits als Grundlage und unmittelbarer Ausdruck der planerischen Konzeption, so dass diese Konzeption einer Pflicht zu dessen Aufstellung nicht vorgelagert sein kann und folglich auch keine „subjektive Determination“ zu begründen vermag. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 8 II S. 2 BauGB. Zwar liegt dieser Durchbrechung der Zweistufigkeit der Bauleitplanung der Fall zugrunde, dass ein Flächennutzungsplan zur Ordnung der städtebaulichen Entwicklung neben den beabsichtigten Bebauungsplänen nicht erforderlich ist. Doch ist damit noch keine Aussage über den Erforderlichkeitsmaßstab dahingehend getroffen, dass dieser allein auf der Grundlage der planerischen Konzeption der Gemeinde zu beurteilen wäre. Zudem wäre die Norm bei diesem Verständnis überflüssig, da ein nicht erforderlicher Flächennutzungsplan wegen Verstoßes gegen § 1 III S. 1 BauGB in dessen Funktion als Planungsschranke unwirksam wäre, und somit nicht Grundlage des Entwicklungsgebotes sein könnte. Vielmehr ergibt jene Norm nur Sinn, wenn man die mangelnde Erforderlichkeit im Sinne des § 8 II S. 2 BauGB als eine Durchbrechung der grundsätzlich bestehenden objektiv determinierten Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans versteht, da für diesen Fall diese abstrakte Pflicht ausnahmsweise nicht Grundlage für die nachfolgende Bebauungsplanung sein soll. Auch § 8 II S. 2 BauGB lässt sich also nicht zur Konstruktion einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht anführen.
452
Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 5, Rn. 4. Decker, in: Schiwy, § 1, S. 12. 454 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 225; Grauvogel, in: Brügelmann, § 5 [Lfg: 5.], Rn. 5. 455 So ausdrücklich Moench, DVBl 2005, 676, 678; Löhr, in: Battis/Krautzberger/ Löhr, § 5, Rn. 1; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 19; Grauvogel, in: Brügelmann, § 5 [Lfg: 5.], Rn. 1 u. Rn. 5. 456 Vgl. dazu die Darstellungen zur objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 5 I S. 1 i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB: 3. Kap. B. 453
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Gleichermaßen lag auch dem Verweis des § 5 I S. 3 BauGB a. F., wonach eine Änderung des Flächennutzungsplanes „soweit nach § 1 Abs. 3 Satz 1 erforderlich“ erfolgen solle, keine Festlegung auf eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zugrunde. Über die Bestimmung der Erforderlichkeit allein auf Grundlage der planerischen Konzeption der Gemeinde ist der Norm keine eindeutige Aussage zu entnehmen oder zugrunde gelegt, zumal es sich im Anwendungsbereich dieser Norm vornehmlich um einen Fall der Änderungs- und nicht der Erstplanungspflicht handelt, so dass diesbezüglich auch keine Identität des Prüfungsmaßstabs gegeben sein muss. 457 Die Begründung einer subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans scheitert also am Fehlen eines subjektiven „Mittlers“ in Form der Abhängigkeit von der planerischen Konzeption der Gemeinde. Selbst ein Nebeneinander von subjektiv und objektiv determinierter Erstplanungspflicht, wie dies beim Bebauungsplan anzunehmen ist, ergibt für den Flächennutzungsplan innerhalb dieser Vorschrift keinen Sinn, da die objektiv determinierte Erstplanungspflicht als fast ausnahmsloser Regelfall einschlägig ist 458 und daneben kein eigenständiger Anwendungsbereich für eine subjektiv determinierte Pflicht auf Grundlage der städtebaulichen Konzeption verbliebe. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass die planerische Konzeption der Gemeinde für den Flächennutzungsplan generell als Erforderlichkeitsmaßstab unbeachtlich ist. Jenseits der prinzipiellen Verpflichtung zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans verbleibt ihr ein weiter Anwendungsbereich für die inhaltliche Ausgestaltung des Plans, also dass „Wie“ der Planung. 459 Nur für die Frage des „Ob“ einer Flächennutzungsplanung scheidet ein Abstellen auf die planerische Konzeption der Gemeinde aus. Da jedoch lediglich dieser Maßstab die „subjektive Determination“ der Planungspflicht begründen kann, scheitert eine derartige Konstruktion beim Flächennutzungsplan. Eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zu einem solchen Plantyp resultiert danach nicht aus § 1 III BauGB.
457
Vgl. dazu: 2. Kap. E. Als Ausnahme der grundsätzlichen Verpflichtung zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans ist allein § 8 II S. 2 BauGB zu nennen (s. o.); vgl. ferner die Darstellungen zur objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 i. V. m. § 5 I S. 1 BauGB: 3. Kap. B. 459 Zwar mag dann diese Maßgeblichkeit der planerischen Konzeption für die inhaltliche Ausgestaltung des Flächennutzungsplans möglicherweise eine subjektiv determinierte Planungspflicht auf einen konkreten Planinhalt auslösen. Dies wirkt sich jedoch als Änderungspflicht aus und stellt sich nicht als Erstplanungspflicht neben der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB dar (dazu: 3. Kap. B. und 2. Kap. E.). 458
D. § 8 II S. 1 BauGB
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D. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 8 II S. 1 BauGB Als weiterer Anknüpfungspunkt für eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht kommt § 8 II S. 1 BauGB in Betracht. Aus dieser Norm könnte sich für die Aufstellung eines Flächennutzungsplans eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht für die jeweiligen Gemeinden ergeben. Der unmittelbare Regelungsgehalt des sog. Entwicklungsgebots aus § 8 II S. 1 BauGB betrifft die Aufstellung eines Bebauungsplans, welcher vom aufstellenden Planungsträger „aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln“ ist. Dieses Entwicklungsgebot ist erfüllt, wenn sich der aufzustellende Bebauungsplan als inhaltliche Konkretisierung im Sinne einer planerisch konzeptionellen Ableitung aus dem in dieser Zeit wirksamen Flächennutzungsplan als Rahmenplan darstellt. 460 Diese dem Entwicklungsgebot zugrunde liegende Zweistufigkeit der Bauleitplanung setzt allein nach dieser grundsätzlichen Systematik für die Aufstellung eines Bebauungsplans die Existenz eines Flächennutzungsplans voraus. 461 Grundsätzlich wird also eine Gemeinde, die einen Bebauungsplan aufstellen will, durch das Entwicklungsgebot des § 8 II S. 1 BauGB dazu angehalten zunächst einen Flächennutzungsplan zu erlassen, um überhaupt eine rechtmäßige Bebauungsplanung betreiben zu können. Für Gemeinden, die bislang keinen Flächennutzungsplan aufgestellt haben, aber durchaus die städtebauliche Entwicklung durch Bebauungspläne steuern wollen, wirkt sich § 8 II S. 1 BauGB somit als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus. 462 Als subjektiv determinierender Faktor wirkt dabei die vorgelagerte Entscheidung des Planungsträgers, einen Bebauungsplan aufzustellen, da ohne dieses subjektive Moment – von den Fällen einer objektiv determinierten Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans vorerst abgesehen – keine subjektiv determinierte Pflicht aus dem Entwicklungsgebot folgen kann, so dass die Pflichtigkeit als solche im Regelfall maßgeblich durch subjektive Planungsvorstellungen bedingt ist. Diese subjektiv determinierte Erstplanungspflicht stellt zwar den materiell voraussetzungslosen Regelfall dar, allerdings wirkt sie nicht ausnahmslos. In
460 BVerwGE 56, 283, 286; BVerwGE 70, 171, 178 f.; Bielenberg/Runkel, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 8 [Lfg.: 63.], Rn. 6 ff.; Ferner, in: HK-BauGB, § 8, Rn. 2; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 39. 461 Zur Einordnung der Vorschrift in die generelle „Stufenfolge der Planung“ bezüglich der Raumnutzung vgl. Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr, § 8, Rn. 2 f. 462 So auch Söfker (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 40), der allerdings von einer „indirekten Planungspflicht“ spricht. Dem folgend auch: Decker, in: Schiwy, § 1, S. 12.
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2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
speziell normierten Ausnahmefällen kann vom Entwicklungsgebot abgewichen werden, so dass auch die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht für diese Fälle fortfällt. § 8 II S. 2 BauGB liegt der Fall zugrunde, in welchem mangels Erforderlichkeit eines Flächennutzungsplans zur Ordnung der städtebaulichen Entwicklung allein durch Bebauungsplan gehandelt werden kann. Eine solche Ausnahmesituation von der grundsätzlichen Zweistufigkeit der Bauleitplanung wird angenommen, wenn allein durch Bauleitplanung die städtebauliche Ordnung im gesamten Gemeindegebiet auch hinsichtlich der weiteren baulichen Entwicklung und infrastrukturellen Ausstattung gewährleistet werden kann, obwohl unter Umständen lediglich Teile des Gebiets beplant werden. 463 Eine derartige Sachlage wird in der Praxis allein für Gemeinden mit abgeschlossener oder sehr geringer Siedlungstätigkeit anzunehmen sein, wobei gerade die dafür in Betracht kommenden ländlichen Gebiete auf einen Flächennutzungsplan aufgrund der Komplexität der Entwicklung von Gemeindegebieten und speziell für Maßnahmen der Flurbereinigung oder zur sonstigen Verbesserung der Agrarstruktur angewiesen sein werden, so dass die praktische Relevanz der Norm als sehr gering zu veranschlagen ist. 464 Falls jedoch ein derartiger Ausnahmefall dennoch gegeben sein sollte und ein Flächennutzungsplan nicht erforderlich ist, kann selbstverständlich auch keine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht in Betracht kommen. Keine Ausnahme zum Entwicklungsgebot nach § 8 II S. 1 BauGB stellt demgegenüber der Fall des § 8 III BauGB dar. 465 Das Parallelverfahren, also die zeitgleiche Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplan, sichert vielmehr eine effektive Konkordanz zwischen den Bauleitplänen 466 und verdeutlicht zugleich die generelle Abhängigkeit des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens von einem zugrunde liegenden Flächennutzungsplan. Diesbezüglich ist also keine Ausnahme gegeben; die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht greift in diesen Fällen zeitgleich, aber unverändert. 467
463 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 8, Rn. 7; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 192 f. 464 Bielenberg/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 8 [Lfg.: 63.], Rn. 12; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 8, Rn. 7. 465 So auch Bielenberg/Runkel (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 8 [Lfg.: 63.], Rn. 4), die das Parallelverfahren lediglich als „besondere Verfahrensgestaltung“ des Entwicklungsgebots bezeichnen. 466 Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 42. 467 So auch ausdrücklich Moench (DVBl 2005, 676, 679), mit besonderer Betonung des derivativen Gehalts der im Fall des § 8 III BauGB gegebenen Änderungspflicht im Falle einer Unvereinbarkeit der beiden Pläne, die zugunsten des Bebauungsplans eine Änderung des Flächennutzungsplans erforderlich mache.
D. § 8 II S. 1 BauGB
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Eine weitere Durchbrechung der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht wird jedoch für den Fall des § 8 IV BauGB erreicht. Der sog. vorzeitige Bebauungsplan kommt danach in Betracht, wenn ein wirksamer Flächennutzungsplan nicht gegeben ist, dringende Gründe die Aufstellung eines Bebauungsplans erfordern und die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung dem Bebauungsplan nicht entgegensteht. § 8 IV BauGB liegt somit, wie Reidt treffend festgestellt hat, ein Zielkonflikt zwischen dem Entwicklungsgebot auf der Grundlage der Zweistufigkeit der Bauleitplanung und der Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB zugrunde: 468 „Dringende Gründe“ liegen danach vor, wenn die beschleunigte, isolierte Aufstellung des Bebauungsplans gegenüber der grundsätzlich vorrangigen Ableitung aus dem Flächennutzungsplan im Einzelfall aus planerischen Gründen der Vorrang gebührt. Dies kommt vornehmlich für Situationen in Betracht, in denen ein Abwarten der Flächennutzungsplanung nicht erfolgen kann, ohne dass dies zu einem unvertretbaren Schaden der Gemeinde oder einer ungeordneten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets führen würde. 469 Als konkrete Situationen wird ein derart gesteigertes Planungsinteresse bei gewichtigen Investitionen und Sanierungsmaßnahmen in Betracht kommen. 470 Ferner mag die Entwicklung einer unerwünschten Gemengelage ohne schnelle Steuerung durch Bebauungsplan oder einer städtebaulich entgegenzuwirkenden Wohnungsnot im Einzelfall als „dringender Grund“ anzusehen sein. 471 Für diese Fälle kann dann bei Fehlen eines wirksamen Flächennutzungsplans und Vereinbarkeit des Bebauungsplans mit der städtebaulichen Entwicklung ausnahmsweise von einer vorherigen Aufstellung eines Flächennutzungsplans abgesehen werden, so dass die grundsätzlich bestehende subjektiv determinierte Erstplanungspflicht diesbezüglich entfällt. Damit sind die beiden Abweichungen vom Entwicklungsgebot des § 8 II S. 1 BauGB, die damit zugleich als Abweichungen von der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht anzusehen sind, dargestellt. Festzuhalten bleibt indes, dass die Fälle der Abweichung vom Entwicklungsgebot als Ausnahme von der Regel konzipiert sind. Regelmäßig kommt es demgegenüber durch das Erfordernis des § 8 II S. 1 BauGB zu einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht der Gemeinden. Für den Fall, dass als Grundlage des Entwicklungsgebotes eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht die Aufstellung eines Bebauungsplans verlangt und zudem keine Ausnahme nach § 8 IV BauGB einschlägig ist, kann ausnahmsweise auch eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 8 II S. 1 BauGB resultie468
Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 201. Bielenberg/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 8 [Lfg.: 63.], Rn. 20. 470 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 8, Rn. 11. 471 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 205. 469
184
2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
ren, da den jeweiligen Planungsträgern in dieser Situation keine subjektiv-mittelbare Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Aufstellung des pflichtauslösenden Bebauungsplans zukommt. Der aus § 8 II S. 1 BauGB resultierenden Erstplanungspflicht kommt also – wie auch § 1 III S. 1 BauGB 472 – ein Doppelcharakter bezüglich der potentiell begründeten Planungspflichten zu: Es können sowohl objektiv also auch subjektiv determinierte Erstplanungspflichten aus dieser Norm folgen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass als Konsequenz dieser Norm praktisch jede – egal ob subjektiv oder objektiv determinierte – Erstplanungspflicht bezüglich eines Bebauungsplans gleichsam indirekt eine Planungspflicht auf der Grundlage des § 8 II S. 1 BauGB bezüglich des Flächennutzungsplans (für die meisten Fälle allerdings aufgrund bestehenden Flächennutzungsplans als Planänderungspflicht) herbeiführt.
E. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 5 I S. 3 BauGB a. F. Als weiteren Auslöser einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht kam bislang die Überprüfungsverpflichtung des § 5 I S. 3 BauGB a. F. in Betracht. Diese Norm ist indes durch das „Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte“ 473 vom 21. 12. 2006 mit Wirkung zum 01. 01. 2007 vom Gesetzgeber zwecks verwaltungsmäßiger Entlastung der Gemeinden gestrichen worden. 474 Im Folgenden ist also nunmehr allein rechtsgeschichtlich darzulegen, ob eine Pflicht zur erstmaligen Aufstellung eines Flächennutzungsplans subjektiv-mittelbare Folge dieser Norm sein konnte. Die erst durch das EAG Bau 2004 aufgenommene Vorschrift des § 5 I S. 3 BauGB a. F. erforderte eine Überprüfung des aufgestellten Flächennutzungsplans spätestens nach 15 Jahren. Es handelte sich dabei nicht um eine unmittelbare Verpflichtung zur Neuaufstellung. 475 Vielmehr sollten alle für den Inhalt des Flächennutzungsplans maßgeblichen Aspekte Gegenstand der Überprüfung des bestehenden Flächennutzungsplans sein; vor allem waren geänderte Grundsätze der Bauleitplanung, Änderungen bei Zielen der Raumordnung oder bei Fachplanungen im Sinne des § 38 BauGB, planerische Veränderungen auf dem Gebiet des Umweltrechts oder der planerischen Konzeption der Gemeinde dahingehend zu berücksichtigen, ob vor dem Hintergrund dieser Veränderungen der bisherige Flächennutzungsplan seine Steuerungsfunktion für die städtebauliche Entwick-
472
Vgl. dazu im Einzelnen: 2. Kap. C. und 3. Kap. D. BGBl. I, 3316. 474 Battis/Krautzberger/Löhr, NVwZ 2007, 121, 123. 475 BR-Drs. 756/03, S. 131; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 31; Bericht der Expertenkommission zum EAG Bau, Rn. 206. 473
E. § 5 I S. 3 BauGB a. F.
185
lung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde noch zu erfüllen vermochte. 476 Prägnant formuliert war also zu prüfen, ob die Darstellungen des bestehenden Flächennutzungsplans noch den Anforderungen des § 1 III, IV BauGB genügten. 477 Die Überprüfung sollte zudem dazu beitragen, dem prognostizierten Bedeutungszuwachs der Innenentwicklung und dem demographischen Wandel in der Bevölkerung angemessen planerisch zu begegnen. 478 Die Annahme einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht, welche sich aus den Erkenntnissen der Überprüfung ergeben könnte, musste für den Regelfall bereits daran scheitern, dass § 5 I S. 3 BauGB a. F. einen bereits existierenden Flächennutzungsplan voraussetzte, so dass bereits begrifflich für die meisten Praxisfälle eine Erstplanungspflicht nicht angenommen werden konnte, sondern vielmehr eine Änderungspflicht diskutiert werden müsste. 479 Allein für den Fall, dass durch eine Überprüfung eines aufgestellten Flächennutzungsplans, welcher mittlerweile funktionslos geworden ist oder von Anfang an unwirksam war, eben diese Mängel der planenden Gemeinde bekannt wurden, konnte sich theoretisch eine Erstplanungspflicht ergeben. Doch auch für diesen Fall bot § 5 I S. 3 BauGB a. F. ausweislich seines Wortlautes keine hinreichende Grundlage für eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht, da eine neue Aufstellung des Flächennutzungsplans „soweit nach § 1 Abs. 3 Satz 1 erforderlich“ vorgenommen werden sollte. Dieser Verweis auf § 1 III S. 1 BauGB verdeutlichte, dass aus der Überwachung lediglich Erkenntnisse gewonnen werden sollten, die dann ihrerseits selbstständig eine Pflicht zu begründen vermochten, aber keine direkte Verpflichtung aus § 5 I S. 3 BauGB a. F. gesetzlich konzipiert wurde. 480 Vielmehr verblieb es auch nach früherer Rechtslage für den Flächennutzungsplan unverändert allein bei der objektiv determinierten Erstplanungspflicht gem. § 1 III S. 1 BauGB i. V. m. § 5 I S. 1 BauGB und der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 8 II S. 1 BauGB. 481
476 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 5 [Lfg.: 76.], Rn. 18d; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 34. 477 Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 5, Rn. 12. 478 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 5, Rn. 9c. 479 Eine ausdrückliche Charakterisierung als Änderungspflicht liegt den Darstellungen von Berkemann (in: Berkemann/Halama, § 5, Rn. 15) zugrunde; zur Unterscheidung von Erstplanungspflicht und Änderungspflicht s. o.: 1. Kap. A.II. 480 So Söfker (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 5 [Lfg.: 76.], Rn. 18e), der sich allerdings missverständlich ausdrückt, wenn er zunächst betont, dass der Überprüfungspflicht des § 5 I S. 3 BauGB keine „eigenständige Pflicht“ aus § 1 III S. 1 BauGB gegenüberstehe, sondern diese im „untrennbaren Zusammenhang“ zueinander stünden, jedoch im Folgenden für die Pflichtbegründung allein auf die planerische Konzeption der Gemeinde abstellt und betont, dass „keine unmittelbare Planungspflicht“ aus der Überwachung folge, sondern „hierfür allein § 1 Abs. 3 Satz 1 maßgeblich“ sei.
186
2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
Eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 5 I S. 3 BauGB a. F. war damit nicht anzuerkennen.
F. Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 166 I S. 2 BauGB Die systematische Analyse subjektiv determinierter Erstplanungspflichten bezog sich bislang auf die Gebiete des allgemeinen Städtebaurechts. Nunmehr soll jedoch anhand von § 166 I S. 2 BauGB untersucht werden, ob auch im besonderen Städtebaurecht eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans in Betracht kommt. Der Wortlaut der Vorschrift deutet unzweifelhaft auf eine Erstplanungspflicht hin: „Die Gemeinde hat für den städtebaulichen Entwicklungsbereich ohne Verzug Bebauungspläne aufzustellen“. Nach Erlass einer Entwicklungssatzung gemäß § 165 III BauGB trifft die Gemeinde nach dieser Norm die Pflicht zur unverzüglichen Aufstellung eines Bebauungsplans. Problematisch erscheint allein die systematische Einordnung dieser Erstplanungspflicht. So spricht die weitgehend unbedingte, voraussetzungslose Formulierung der Pflicht in § 166 I S. 2 BauGB zunächst für die Annahme einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht. Dieses ist jedoch keineswegs ein zwingendes Indiz, wie der Vergleich zu § 1 III S. 1 BauGB, welcher sowohl subjektiv determinierte, als auch objektiv determinierte Erstplanungspflichten zu begründen vermag, zeigt. Für die Beurteilung der „subjektiven Determination“ dieser Erstplanungspflicht ist vielmehr maßgebend, ob die planerische Konzeption der jeweiligen Gemeinde den Bestand der Erstplanungspflicht derartig bedingt, dass jene „derivativ“, also als allein vom Willen der Gemeinde abhängig, erscheint und folglich diese planerische Konzeption als determinierender „Mittler“ der Pflicht fungiert. Die Maßgeblichkeit der planerischen Konzeption, welche, wie bereits gezeigt, 482 den Erforderlichkeitsmaßstab bei der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB begründet, wirft die Frage nach dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen diesen beiden Normen bzw. Erstplanungspflichten auf. Diesbezüglich werden in der Literatur zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten.
481 482
Vgl. dazu die Darstellungen: 3. Kap. B. und 2. Kap. D. Siehe oben: 2. Kap. C.
F. § 166 I S. 2 BauGB
187
I. § 166 I S. 2 BauGB als gesetzlich normierte, selbstständige Erforderlichkeit eines Bebauungsplans Teilweise wird in der Literatur angenommen, dass § 166 I S. 2 BauGB selbstständig die generelle Erforderlichkeit des Bebauungsplans normiere, so dass ein Rückgriff auf § 1 III S. 1 BauGB und dessen Maßgeblichkeit der planerischen Konzeption bezüglich des „Ob“ der Planung unterbleiben könne. 483 Dieses ergebe sich schon aus der systematischen Gesetzesentwicklung: Die BauGB-Novelle im Jahr 1984 habe dazu geführt, dass für Sanierungsgebiete Bebauungspläne nur noch nach Maßgabe des Erforderlichkeitsmaßstabs des § 1 III BauGB aufzustellen seien, während der Gesetzgeber eine derartige Änderung für die Entwicklungsmaßnahmen gerade nicht vorgenommen habe, so dass erkennbar von einer generalisierten Erforderlichkeit auszugehen sei. 484 Historisch fand diese Annahme des Gesetzgebers ihre Grundlage darin, dass diese Norm praktisch ausschließlich großräumige Außenentwicklungsmaßnahmen betraf, welche einer erstmaligen planerischen Steuerung jenseits des Maßstabs des § 35 BauGB bedurften. 485 Doch auch die aktuell steigende Bedeutung von Innenbereichsentwicklungsmaßnahmen führe nicht zu einer Veränderung dieser gesetzlichen Festlegung, zumal auch für derartige Vorhaben das Regelungsprogramm des § 34 BauGB fast immer unzureichend sei, so dass es auch diesbezüglich der Aufstellung eines Bebauungsplans stets bedürfe. 486
II. § 166 I S. 2 BauGB als bloße Modifikation der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB Die Gegenauffassung versteht § 166 I S. 2 BauGB lediglich als Modifikation des Erforderlichkeitsmaßstabs des § 1 III S. 1 BauGB, auf dessen „Planungsermessen“ zurückzugreifen sei. 487 Innerhalb dieser Meinungsgruppe wird die exakte Konstruktion wiederum unterschiedlich vorgenommen. So befürwortet Krautzberger ein Verständnis des § 166 I S. 2 BauGB als im Einzelfall widerlegliche Vermutung der Erforderlichkeit einer Bebauungsplanauf483 Schlichter/Roeser, in: Berliner Kommentar, § 166 [Lfg.: 1.], Rn. 4; Köhler, in: Schrödter, § 166, Rn. 2a; Neuhausen, in: Brügelmann, § 166 [Lfg.: 37.], Rn. 13. 484 Neuhausen, in: Brügelmann, § 166 [Lfg.: 37.], Rn. 13. 485 Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 166 [Lfg.: 72.], Rn. 9. 486 Schlichter/Roeser, in: Berliner Kommentar, § 166 [Lfg.: 1.], Rn. 4. 487 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 166, Rn. 1; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 166 [Lfg.: 72.], Rn. 9; Schäfer, ZfBR 1997, 125, 134; Arndt, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, S. 65.
188
2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
stellung. 488 Es handele sich um „eine Verdeutlichung der sich aus § 1 Abs. 3 S. 1 ergebenden allgemeinen Pflicht [ . . . ] entsprechend der von der Gemeinde verfolgten planerischen Konzeption“ Bebauungspläne aufzustellen, so dass „letztlich“ das „Planungsermessen“ durch die Vermutung des Erfordernisses einer Bauleitplanung „unberührt“ bliebe. Argumentativ wird diese „Annäherung“ der Planungspflicht aus § 166 I S. 2 BauGB an § 1 III S. 1 BauGB von Runkel damit begründet, dass zum einen mittlerweile durch den Bedeutungszuwachs der Innenbereichsentwicklungsmaßnahmen, welche in ihrer Struktur „kleinteiliger“ geworden seien, nicht generell von der Erforderlichkeit der zügigen Aufstellung eines Bebauungsplanes ausgegangen werden könne, sondern vielmehr eventuell bestehende Pläne für Teilbereiche in Verbindung mit § 34 BauGB für die verbleibenden Teile ausreichend sein könnten. 489 Zum anderen müsse dem Bedeutungszuwachs einer Abstimmung mit privaten Investoren bestmöglich Rechnung getragen werden, was ebenfalls nur bei flexiblem Verständnis der Erforderlichkeit mit der Möglichkeit einer Verzögerung der Planaufstellung im Einzelfall zu gewährleisten sei. Neben dieser Interpretation der Vorschrift in Bezug auf den materiellen Maßstab der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB nimmt Schäfer innerhalb dieser Meinungsgruppe eine andere Gewichtung vor. Bei Auslegung des § 166 I S. 2 BauGB sei auf die allgemeine Vorschrift des § 1 III S. 1 BauGB zurückzugreifen, wobei sich herausstelle, dass erstere Norm eine Modifikation der Planungspflicht allein in zeitlicher Hinsicht („ohne Verzug“) enthalte. 490 Eine strikte Planungspflicht ohne Berücksichtigung des „Planungsermessens“ in Form der planerischen Konzeption der Gemeinde stelle eine unzulässige Beschränkung des planerischen Spielraums der Planungsträger dar, welche der „aktualisierenden und konkretisierenden“ Funktion der Norm bezüglich der allgemeinen Planungspflicht nicht entspreche. Vielmehr laufe auch die besondere Planungspflicht auf der Grundlage des § 166 I S. 2 BauGB lediglich auf eine Pflicht zu konzeptgemäßem Verhalten hinaus.
III. Stellungnahme und Bestimmung des Pflichtcharakters Die letztgenannte Meinungsgruppe vermag in beiden Ausgestaltungsarten nicht zu überzeugen. Gegen die von Schäfer angeführte Argumentation muss eingewendet werden, dass sich der Wortlaut des § 166 I S. 2 BauGB („hat [ . . . ] Bebauungspläne auf-
488
Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 166, Rn. 1. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 166 [Lfg.: 72.], Rn. 9. 490 Schäfer, ZfBR 1997, 125, 134; dem folgend: Arndt, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, S. 65. 489
F. § 166 I S. 2 BauGB
189
zustellen“) nicht auf die zeitliche Komponente beschränkt, sondern vielmehr eine unbedingte Verpflichtung zum Inhalt hat, welche noch dazu – gerade in Abgrenzung zu Sanierungssatzungen – vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Zudem kann eine Argumentation auf Grundlage einer zu weitgehenden Beschränkung des planerischen Spielraums der Gemeinde in diesen Fällen nicht durchgreifen, da der Entwicklungssatzungserlass seinerseits auf eine Betätigung des planerischen Spielraums zurückzuführen ist, und der Gemeinde die Konsequenzen nicht nur frühzeitig bekannt sind, sondern diese sogar von ihr positiv gewollt sein müssen. Maßgeblicher Auslöser der Planungspflicht ist insoweit gerade der Gebrauch des planerischen Spielraums, so dass die Annahme einer Beschränkung des Gestaltungsspielraums (selbst in zeitlicher Hinsicht, da der Erlass der Entwicklungssatzung ebenfalls allein von der Gemeinde abhängt) eben jener für diese Situationen widersinnig ist. Doch auch der Argumentation Runkels, wonach durch die Rechtsentwicklung vor dem Hintergrund der Innenbereichsentwicklung und der stärkeren Einbindung privater Investoren eine Annäherung an die Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB erfolgen müsse, ist nicht zu folgen. Zum einen hätte der Gesetzgeber den insoweit eindeutigen Wortlaut spätestens anlässlich des EAG Bau 2004 anpassen können und hat davon abgesehen. Zum anderen haben Schlichter/Roeser überzeugend dargelegt, dass auch unter den veränderten Bedingungen der Innenbereichsentwicklungsmaßnahmen in gleicher Weise ein generelles Erfordernis für eine spezielle Bauleitplanung besteht, so dass der Grundannahme des Gesetzgebers weiterhin volle Aktualität zukommt. 491 Letztlich vermag auch der Verweis auf die Einbindung privater Investoren nicht zu überzeugen, da durch das Institut des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, welcher nach allgemeiner Auffassung den Anforderungen des § 166 I S. 2 BauGB genügt, 492 eine besonders effektive Einbindung möglich ist, und die Gemeinden in sonstigen Fällen bereits im Vorfeld der Aufstellung der Entwicklungssatzung eine zeitlich unbegrenzte Koordinationsmöglichkeit haben. Zuletzt erscheint auch die von Krautzberger vertretene Vermutungsregel als nicht haltbar: Sie findet keine Stütze im Gesetzeswortlaut und erscheint in der Auslegung nicht zwingend, da eine Sicherung des „Planungsermessens“ der Gemeinden vor dem Hintergrund deren planerischer Konzeption bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung weiterhin nach § 1 III S. 1 BauGB zu beurteilen ist und somit als gesichert gelten kann. 493 Lediglich die Frage, ob ein Bebauungsplan aufzustellen ist, wird allein durch § 166 I S. 2 BauGB bestimmt, ohne dass es sich 491
Schlichter/Roeser, in: Berliner Kommentar, § 166 [Lfg.: 1.], Rn. 4. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 166, Rn. 1; Neuhausen, in: Brügelmann, § 166 [Lfg.: 37.], Rn. 13a; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 166 [Lfg.: 72.], Rn. 7; Arndt, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, S. 61. 492
190
2. Kap.: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten
dabei um eine wirkliche Beschränkung des planerischen Gestaltungsspielraums handelt, da diese Pflicht allein auf der Grundlage eines gemeindlichen Satzungsbeschlusses zustande kommt und somit ihrerseits als positiv vom planerischen Konzept und Willen der Gemeinde abhängig erscheint. Demnach ist davon auszugehen, dass § 166 I S. 2 BauGB eine eigenständig normierte Erstplanungspflicht begründet und die „subjektive Determination“ dieser Pflicht nicht allein durch Verweis auf die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB als zugrunde liegender allgemeiner Regelung begründet werden kann. Dennoch liegt der soeben erfolgten Stellungnahme zur Auseinandersetzung in der Literatur ein Anknüpfungspunkt für ein Verständnis als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zugrunde: Die Pflicht im Sinne dieser Vorschrift knüpft sich formal an den Satzungsbeschluss nach § 165 VI BauGB. Insofern lässt sich also feststellen, dass seinerseits eine der planerischen Gestaltungsfreiheit des jeweiligen Planungsträgers überantwortete Planung Grundlage der Pflicht ist. Insoweit ist ein direkter Vergleich zum Stellenwert der planerischen Konzeption bei § 1 III S. 1 BauGB möglich: Auch in diesem Fall stellt sich das Bestehen einer Erstplanungspflicht als allein auf der Grundlage eines Willensentschlusses des jeweils verpflichteten Planungsträgers dar. Der Eintritt der gesetzlich angeordneten Pflicht ist insoweit durch einen positiven Willensentschluss des Verpflichteten bedingt. Diese Bedingung der vorherigen und allein dem „Planungsermessen“ der Gemeinde überlassenen Aufstellung einer Entwicklungssatzung begründet somit den subjektiven Determinationsfaktor der Pflicht im Sinne des § 166 I S. 2 BauGB, da der Eintritt der Pflicht allein von deren planerischem Willen abhängt. Als Ergebnis ist demnach festzuhalten, dass § 166 I S. 2 BauGB eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach sich ziehen kann.
493 Systematisch ist sie zudem zweifelhaft, da § 188 I BauGB, welcher von Krautzberger mit identischer Argumentation als „Konkretisierung“ der Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB verstanden wird (Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 188, Rn. 2; vgl. ferner die Darstellungen: 3. Kap. F.), eben gerade eine ausdrückliche Ausnahme für den Fall der fehlenden Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung enthält, so dass diesbezüglich die Annahme einer Vermutungsregel vertretbar erscheint, jedoch im Gegenschluss bei § 166 I S. 2 BauGB die Annahme selbiger in Ermangelung einer derartigen, gesetzgeberisch vorgesehenen Abweichungsmöglichkeit nicht überzeugt. Vielmehr verdeutlicht dieser Unterschied in Bezug auf Ausnahmen von der Planungspflicht den strengen Pflichtcharakter dieser Norm, was sie insofern von der wesentlich flexibleren Ausgestaltung der §§ 1 III S. 1, 188 I BauGB abhebt.
G. Zwischenergebnis
191
G. Zwischenergebnis Die Untersuchungen dieses Kapitels haben somit gezeigt, dass im Bereich der Bauleitplanung zahlreiche subjektiv determinierte Erstplanungspflichten analysiert werden können. Vor allem im baurechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB eröffnet sich ein breites und praxisrelevantes Anwendungsspektrum für subjektiv determinierte Erstplanungspflichten. Doch auch für den unbeplanten Innenbereich kann aus § 34 III, IV BauGB der Wirkmechanismus einer subjektiv determinierte Erstplanungspflicht resultieren. Ferner begründen die §§ 1 III S. 1, 8 II S. 1, 166 I S. 2 BauGB bauplanerische Erstplanungspflichten mit subjektiver Determinationsstruktur.
3. Kapitel
Objektiv determinierte Erstplanungspflichten Das folgende Kapitel stellt den konkreten Anwendungsbereich von objektiv determinierten Erstplanungspflichten dar. Um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht im Sinne des in dieser Arbeit zugrunde gelegten Differenzierungsansatzes handelt es sich, wenn sich die jeweilige Pflichtigkeit allein aus objektiven Kriterien ohne maßgebliche Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers ergibt und die jeweilige Erstplanungspflicht zudem selbstständig durchsetzbar ist. Diesbezüglich erfolgt eine Analyse derartiger Determinationsstrukturen im Bereich des gesamten Planungsrechts, wobei zunächst raumordnungsrechtliche und bauplanungsrechtliche Erstplanungspflichten dargestellt werden, bevor näher auf mögliche Erstplanungspflichten in den Planungsgebieten des Umweltrechts, des sonstigen Fachplanungsrechts, auf der Ebene des Landesrechts und des Europarechts eingegangen wird.
A. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 8 I S. 1, 9 I S. 1 ROG Als erste objektiv determinierte Erstplanungspflichten sollen selbige für den Bereich des Raumordnungsrechts dargestellt werden. Diesbezüglich wird nach dem Pflichtobjekt zwischen Landesplänen und Regionalplänen zu differenzieren sein. Bis zur jüngsten Grundgesetzänderung im Zuge der Föderalismusreform handelte es sich bei den bundesrechtlichen Vorschriften des Raumordnungsrechts um eine Materie der Rahmengesetzgebung gem. Art. 75 I Nr. 4 GG a. F. Nunmehr wurde die Gesetzgebungsmaterie „Raumordnung“ gem. Art. 74 Nr. 31 GG als konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Sinne einer Vollkompetenz ausgestaltet, so dass der Bundesgesetzgeber zukünftig im ROG unmittelbar wirkende Erstplanungspflichten für die jeweiligen Planungsträger selbst erlassen dürfte, ohne dabei auf landesgesetzliche Umsetzungen angewiesen zu sein. 1 Be-
1 Battis/Kersten, DVBl 2007, 152, 154 f.; Rengeling, DVBl 2006, 1537, 1542; Ipsen, NJW 2006, 2801, 2803 f.; Klein/Schneider, DVBl 2006, 1549, 1552.
A. §§ 8 I S. 1, 9 I S. 1 ROG
193
züglich dieser neuen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz ist jedoch darauf hinzuweisen, dass den Landesgesetzgebern gem. Art. 72 III S. 1 Nr. 4 GG eine Abweichungsmöglichkeit eingeräumt wurde, so dass auf diesem Wege auch von eventuellen, bundesrechtlich normierten Erstplanungspflichten landesrechtlich abgewichen werden könnte. 2 Übergangsweise gilt indes gem. Art. 125b I S. 1 GG das bisherige ROG als Bundesrecht fort, wobei ausdrücklich nach Art. 125b I S. 2 GG die Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung insoweit bestehen bleiben. 3 Zwar können die Länder auch von diesem übergangsweise geltenden Recht gem. Art. 125b I S. 3 GG abweichen; derzeit ist jedoch noch keine diesbezügliche Gesetzgebung auf Länderebene erfolgt, so dass im Folgenden die Vorschriften des ROG uneingeschränkt heranzuziehen sind. Konzeptionell sind diese Normen des derzeitigen ROG also als Rahmenrecht grundsätzlich nicht unmittelbar gegenüber dem Planungsträger bindend, sondern auf landesgesetzliche Ausgestaltung angelegt. Folglich müsste für den Bestand und die Struktur von Erstplanungspflichten im Bereich des Raumordnungsrechts weiterhin maßgeblich auf die jeweiligen Landesplanungsgesetze abgestellt werden. 4 Vorliegend ergeben sich jedoch die inhaltliche Festlegung und die Struktur der Erstplanungspflichten mangels eines diesbezüglichen Ausgestaltungsspielraums der Landesgesetzgeber für alle Länder materiell gleichermaßen aus dem ROG, so dass im Interesse der Übersichtlichkeit und zur Verdeutlichung der einheitlichen dogmatischen Struktur im Rahmen der folgenden Darstellungen maßgeblich an die Normen des ROG angeknüpft wird, auch wenn sich rechtstechnisch die direkte Pflichtigkeit der einzelnen Planungsträger erst aus den landesrechtlichen Vorschriften ergeben mag.
2 Degenhart, NVwZ 2006, 1209, 1212; Selmer, JuS 2006, 1052, 1056 f.; Rengeling, DVBl 2006, 1537, 1542; zur Gefahr einer „Ping-Pong-Gesetzgebung“ vgl.: Klein/Schneider, DVBl 2006, 1549, 1552; Hoppe, BauR 2007, 26, 30; zur Auseinandersetzung um die Anerkennung ungeschriebener „abwägungsfester Kerne“ im Raumordnungsrecht vgl. Battis/Kersten, DVBl 2007, 152, 157 ff.; Spannowsky, UPR 2007, 41, 44 ff.; Hoppe, DVBl 2007, 144, 145 ff.; Hoppe, BauR 2007, 26, 30 f.; Degenhart, NVwZ 2006, 1209, 1213. 3 Zur generellen Konzeption der Übergangsbestimmungen: Rengeling, DVBl 2006, 1537, 1545 ff.; Degenhart, NVwZ 2006, 1209, 1212 f. 4 Beispielsweise: Art. 14 I S. 1, 18 I S. 1 BayLPlG; §§ 17 ff. LPlGNRW; §§ 3 I S. 1, 4 I SächsLPlG.
194
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
I. § 8 I S. 1 ROG – Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Landesplänen Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 8 I S. 1 ROG sind die Länder zur Aufstellung eines zusammenfassenden und übergeordneten Raumordnungsplans bundesrechtlich verpflichtet. 5 Die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit dieser Planungspflicht ist unstreitig zu bejahen: Für die Raumordnung im Bereich der Länder stand dem Bund im Erlasszeitpunkt nach Art. 75 I Nr. 4 GG a. F. die Rahmengesetzgebungskompetenz zu. 6 Der Verzicht des Bundes auf eine eigene raumordnungsrechtliche Planaufstellung für das gesamte Bundesgebiet auf Grundlage einer Kompetenz kraft Natur der Sache 7 führte für die materielle Planaufstellungspflicht der Länder zur Erforderlichkeit jener im Sinne der Art. 75 I, 72 II GG a. F., um rahmenrechtlich sicherzustellen, dass eine Raumordnungsplanung als „zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes“ 8 generell gewährleistet ist. 9 Hinsichtlich der weitgehenden Gestaltungsfreiheit in den Ländern aufgrund fehlender Vorgaben inhaltlicher Art für den konkreten Landesplan (jenseits der Anforderungen des § 7 ROG), einer fehlenden Regelung der Rechtswirkungen des Plans sowie einer fehlenden Festlegung des konkreten Planungsorgans, 10 war auch diesbezüglich keine Kompetenzüberscheitung des Bundes nach den Art. 75 I Nr. 4, II, 72 II GG a. F. festzustellen. Die Erstplanungspflicht des § 8 I S. 1 ROG gilt uneingeschränkt. Nach § 8 I S. 2 ROG kann zwar für die Länder Berlin, Bremen und Hamburg durch Flächennutzungsplanung der Planungsaufgabe begegnet werden. Dabei handelt es sich ersichtlich jedoch nicht um eine Ausnahme von der Planungspflicht; vielmehr wird für die Stadtstaaten lediglich eine weitere optionale Abhilfemöglichkeit eröffnet. Die Erstplanungspflicht des § 8 I S. 1 ROG ist also inhaltlich unbedingt. Da ihr Bestand ferner nicht von einer vorgelagerten Planungsentscheidung der Länder als Planungsträger abhängig ist und die Länder mithin – jenseits des bestehenden inhaltlichen Ausgestaltungsspielraums – originär und abschließend durch diese 5
Dallhammer, in: Cholewa / Dyong / u. a., § 8 ROG [Lfg.: 11.], Rn. 14 ff. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 75 [Lfg.: 25.], Rn. 137; Kunig, in: vMünch/Kunig, Art. 75, Rn. 33. 7 Herrschende Meinung, vgl. Nachweise bei: Battis, BauR, S. 27 f.; Kunig, in: vMünch/ Kunig, Art. 75, Rn. 33. 8 BVerfGE 3, 407, 425; Kunig, in: vMünch/Kunig, Art. 75, Rn. 33; zur umstrittenen Kompetenzlage nach der Föderalismusreform, insbesondere hinsichtlich des Fortbestands einer Bundeskompetenz kraft Natur der Sache, vgl.: Battis/Kersten, DVBl 2007, 152, 158 f.; Hoppe, DVBl 2007, 144, 145 ff.; Spannowsky, UPR 2007, 41, 41 ff. 9 Peine, BauR, Rn. 189. 10 Peine, BauR, Rn. 215. 6
A. §§ 8 I S. 1, 9 I S. 1 ROG
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Norm zur Planaufstellung verpflichtet werden, handelt es sich um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 8 I S. 1 ROG. 11
II. § 9 I S. 1 ROG – Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Regionalplänen Strukturell vergleichbar stellt sich die Rechtslage bezüglich einer Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Regionalplänen gemäß § 9 I S. 1 ROG dar. Nach § 9 I S. 1 ROG sind in Ländern mit Verflechtungsbereichen mehrerer Oberzentren Regionalpläne aufzustellen. Übereinstimmend mit der Rechtslage bei der zentralen Landesplanung ist auch auf der Ebene der Regionalplanung deren Wahrnehmung durch die Länder nicht ihrem freiem „Entschließungsermessen“ überlassen. Im Gegensatz zur unbedingten Planungspflicht nach § 8 I S. 1 ROG steht die Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Regionalplänen allerdings unter der Bedingung, dass in den jeweiligen Ländern Oberzentren im Sinne des Zentrale-Orte-Konzepts mit Verflechtungsbereichen bestehen. Durch § 9 I S. 2 ROG erstreckt sich die Planungspflicht zudem auf über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg bestehende Verflechtungen, so dass eine länderübergreifende, im Einzelfall auch internationale Abstimmung durch die Regionalplanung zu gewährleisten ist. 12 Diese Regelungen haben zur Folge, dass in der Praxis alle Flächenstaaten eine Regionalplanung vornehmen, 13 zumal die in Erfüllung der Erstplanungspflicht aus § 8 I S. 1 ROG aufgestellten Festsetzungen der Landesplanung aufgrund ihres üblicherweise großräumigen Rahmencharakters als konkretisierungsbedürftig erscheinen 14. Bezüglich der Analyse des Pflichtcharakters ist auch für die Ebene der Regionalplanung eine Einordnung als objektiv determinierte Erstplanungspflicht der
11 An diesem Ergebnis ändert auch die neuerdings bestehende Abweichungsmöglichkeit von den bundesrechtlichen Vorgaben gem. Art. 72 III S. 1 Nr. 4 GG bzw. gem. Art. 125b I S. 3, 72 III S. 1 Nr. 4 GG nichts, da es sich diesbezüglich um eine Entscheidung des Landesgesetzgebers handeln würde und deshalb keine Abhängigkeit von planerischen Vorstellungen des Planungsträgers gegeben sein würde. Lediglich für den Fall, dass der Landesgesetzgeber eine Modifizierung in Form der Normierung einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht vornähme, könnte sich für die Praxis der Pflichtcharakter ändern; die bundesrechtliche Erstplanungspflicht bliebe indes auch in diesem Fall unverändert als objektiv determiniert bestehen, da dem abweichenden Landesrecht gem. Art. 72 III S. 3 GG lediglich Anwendungsvorrang zukommt, ohne dass das Bundesrecht deshalb außer Kraft träte. 12 So zutreffend Battis (BauR, S. 36), der zudem als prägnantestes Beispiel für die Bedeutung von Regionalplänen in Verflechtungsbereichen das Ruhrgebiet und das RheinMain-Gebiet nennt. 13 Peine, BauR, Rn. 275. 14 Battis, BauR, S. 36.
196
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Länder geboten. Zwar lässt die Anknüpfung des § 9 I S. 1 ROG an die Oberzentren die Annahme einer gewissen Abhängigkeit des Bestehens der Planungspflicht von vorausgehenden planerischen Festsetzungen der Länder erkennen. Diesbezüglich ist jedoch festzustellen, dass Raumordnungspläne rahmenrechtlich gemäß §§ 2 II Nr. 2 S. 2, 7 II S. 1 Nr. 1 b) ROG Festsetzungen eines Konzepts zentraler Orte enthalten sollen, woraus folgt, dass die Existenz – nicht die konkrete Auswahl – derartiger Oberzentren in den Ländern faktisch gewährleistet und vom planerischen Willen der Länder unabhängig ist. Zudem weist das Zentrale-OrteKonzept generell einen ausgeprägt deskriptiven Charakter hinsichtlich der faktischen Zentrenbildung auf, so dass auch aus diesem Grund die Annahme einer objektiven Verpflichtung nahe liegt. Der Bestand der Planungspflicht ist zudem von keinen weiteren „Mittlern“ jenseits der objektiven, von der Norm geforderten Sachlage abhängig, so dass § 9 I S. 1 ROG als originäre, objektiv determinierte Erstplanungspflicht der Länder zur Aufstellung von Regionalplänen einzuordnen ist. Zusammenfassend ergibt sich also, dass in der bisherigen rahmenrechtlichen Konzeption des Raumordnungsrechts durch §§ 8 I S. 1, 9 I S. 1 ROG, genauer durch die diese Rahmenvorgaben umsetzenden Landesgesetze, objektiv determinierte Erstplanungspflichten für die Länder als Planungsträger umfangreich vorgesehen sind. Zukünftig kann der Bundesgesetzgeber durch die im Zuge der Föderalismusreform eingeräumte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 Nr. 31 GG selbst unmittelbar wirkende Erstplanungspflichten erlassen. Ferner ist jedoch auf die seitens der Landesgesetzgeber bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten aus Art. 72 III S. 1 Nr. 4 GG bzw. Art. 125b I S. 3, 72 III S. 1 Nr. 4 GG hinzuweisen, welche es ermöglichen, von den bundesrechtlichen Vorschriften abzuweichen, und somit im Einzelfall auch die Anwendung der objektiv determinierten Erstplanungspflichten des Raumordnungsrechts betreffen können.
B. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 5 I S. 1 BauGB i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB Inwieweit auf der Ebene der Gesamtplanung auch die Gemeinden objektiv determinierten Erstplanungspflichten unterliegen, soll zunächst bezüglich der Pflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans auf der Grundlage von § 5 I S. 1 BauGB untersucht werden. Es wurde bereits nachgewiesen, dass in der Literatur breite Einigkeit über den generellen Bestand einer Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans besteht. 15 Ferner wurde bereits festgestellt, dass die Gemeinden einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 8 II S. 1 BauGB unterliegen, welche sich ausnahmsweise in eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht
B. § 5 I S. 1 BauGB i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB
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wandeln kann. 16 Des Weiteren ergibt sich aus den bisherigen Darstellungen, dass eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans nicht auf Grundlage von § 1 III S. 1 BauGB und § 5 I S. 3 BauGB a. F. angenommen werden kann, sondern vielmehr generell eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht der gesetzlichen Konzeption zugrunde liegen muss. 17 Im Folgenden geht es also um die Herleitung dieser objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Aufstellung eines Flächennutzungsplans. Verbreitet wird zur Begründung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht auf § 5 I S. 1 BauGB Bezug genommen, 18 welcher wie folgt lautet: „Im Flächennutzungsplan ist für das gesamte Gemeindegebiet die [ . . . ] Art der Bodennutzung [ . . . ] darzustellen.“ Aus diesem Wortlaut der Norm ergebe sich eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans für das ganze Gemeindegebiet. 19 Eine Norminterpretation, welche der Vorschrift lediglich die inhaltliche Vorgabe entnimmt, dass ein Flächennutzungsplan für den Fall seiner Aufstellung materiell das Gemeindegebiet vollständig beplanen muss, ohne dass damit zugleich eine Pflicht zur Aufstellung gegeben sei, wird nach dieser Auffassung verworfen. So verweist Löhr darauf, dass die Aufstellung eines Flächennutzungsplans „zwingend“ durch die Norm vorgesehen sei; 20 Moench umschreibt den Normgehalt prägnant: „Die Gemeinde muss für das ganze Gemeindegebiet einen Flächennutzungsplan aufstellen, der die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung darstellt.“ 21 Diese Auslegung des § 5 I S. 1 BauGB steht in Einklang mit der bereits dargestellten Auslegung des § 8 II S. 2 BauGB, 22 wonach diese Norm nur eigenständig Sinn ergebe, wenn man sie als Ausnahme zur generellen Erforderlichkeit einer Flächennutzungsplanung nach § 5 I S. 1 BauGB versteht, da anderenfalls lediglich die
15 Moench, DVBl 2005, 676, 678; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 19; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 199; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 5, Rn. 1; Decker, in: Schiwy, § 1, S. 15; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 225; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 5, Rn. 8. 16 Siehe dazu die Darstellungen: 2. Kap. D. 17 Vergleiche dazu die Darstellungen: 2. Kap. C.III. und 2. Kap. E. 18 Moench, DVBl 2005, 676, 678; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 5, Rn. 1; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 15; Grauvogel, in: Brügelmann, § 5 [Lfg: 5.], Rn. 1 u. 5; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 5, Rn. 8. 19 Grauvogel, in: Brügelmann, § 5 [Lfg: 5.], Rn. 1; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 5, Rn. 1. 20 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 5, Rn. 1. 21 Moench, DVBl 2005, 676, 678. 22 Vergleiche dazu die Darstellungen: 2. Kap. C.II.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Entwicklung aus einem wegen Verstoßes gegen die Erforderlichkeit aus § 1 III S. 1 BauGB ohnehin unwirksamen und damit unbeachtlichen Flächennutzungsplans überflüssigerweise untersagt würde. 23 Des weitern ermöglicht die Annahme einer generellen Verpflichtung zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans aus § 5 I S. 1 BauGB eine effektive Konkordanz zum Raumordnungsrecht für den Spezialfall der Stadtstaaten. Diese können nach § 8 I S. 2 ROG einen zentralen Landesplan durch die Aufstellung eines Flächennutzungsplans funktionell ersetzen. Von dieser Vorschrift unberührt bleibt jedoch die raumordnerische, objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 8 I S. 1 ROG, so dass tatsächlich in den Stadtstaaten, welche von speziellen Maßnahmen der Landesraumordnung absehen und lediglich Flächennutzungspläne aufstellen, aus diesem Grund sogar eine raumordnungsrechtlich vermittelte Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Flächennutzungsplänen bestehen kann, welche wiederum durch eine parallele Pflicht aus § 5 I S. 1 BauGB für diese Länder in der Praxis effektiv gewährleistet würde. Andererseits betonen Söfker und Decker, dass § 5 I S. 1 BauGB nicht als Anknüpfungspunkt einer Erstplanungspflicht dienen kann, da dieser Norm nach ihrer systematischen Stellung in der gesetzlichen Konzeption allein eine Bedeutung bezüglich des Inhalts bei Aufstellung des Plans („Wie“), nicht aber der Verpflichtung zur Aufstellung („Ob“) zukomme. 24 Auch den weiteren Absätzen der Norm seien ausschließlich inhaltliche Vorgaben an den Flächennutzungsplan zu entnehmen. Eine Planungspflicht ergibt sich nach dieser Auffassung allein aus § 1 III S. 1 BauGB. 25 Zur Begründung dieser Interpretation wird zum einen auf den zwischenzeitlich eingefügten § 5 I S. 3 BauGB a. F. verwiesen, welcher ausdrücklich eine Planungsobliegenheit nach § 1 III S. 1 BauGB für den Fall der Erforderlichkeit einer Änderung nach Überprüfung des bestehenden Flächennutzungsplans normierte. Aus der Vorschrift ergebe sich somit, dass für das planerische Tätigwerden bezüglich des Flächennutzungsplans allein die Grundsätze des § 1 III S. 1 BauGB in Betracht kommen. 26 Dieses Argument ist jedoch nicht zwingend, da eine Überprüfung nach § 5 I S. 3 BauGB a. F. einen bereits aufgestellten Flächennutzungsplan voraussetzte (d. h. einer Pflicht aus § 5 I S. 1 BauGB wäre bereits genügt) und mithin lediglich eine Änderungspflicht betreffen konnte, wohingegen § 5 I S. 1
23 Wie hier Moench (DVBl 2005, 676, 678, Fn. 26), der § 8 II S. 2 BauGB ebenfalls als Ausnahme vom Grundsatz des § 5 I S. 1 BauGB versteht. 24 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 5 [Lfg.: 76.], Rn. 6; Decker, in: Schiwy, § 5, S. 3 f. 25 Decker, in: Schiwy, § 1, S. 15 u. S. 12; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 5 [Lfg.: 76.], Rn. 18e u. Rn. 6. 26 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 5 [Lfg.: 76.], Rn. 18e.
B. § 5 I S. 1 BauGB i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB
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BauGB eine erstmalige Aufstellung im Sinne einer Erstplanungspflicht beträfe und folglich eine Maßstabsübertragung nicht zwingend sachgerecht sein muss. Zum anderen wird die Ablehnung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht direkt aus § 5 I S. 1 BauGB durch Berufung auf die Gesetzesbegründung erklärt. So finde sich in der Gesetzesbegründung die Bemerkung, dass aus § 5 BauGB „keine eigenständige Verpflichtung neben der des § 1 besteht“, 27 so dass sich die Verpflichtung zu Darstellungen im Flächennutzungsplan allein auf Grundlage des § 1 III S. 1 BauGB ergeben könne. 28 Ein argumentativer Schluss aus diesem Teil der Gesetzesbegründung auf das Verhältnis von § 5 I S. 1 BauGB zu § 1 III S. 1 BauGB ist indes zurückzuweisen. Vielmehr ist zu beachten, dass sich die zitierten Passagen in der Gesetzesbegründung lediglich auf § 5 II BauGB beziehen; bezüglich der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der jeweiligen Planung („Wie“ der Planung) ergeben sich Planungspflichten jedoch unstreitig allein auf Grundlage des Erforderlichkeitsmaßstabs der planerischen Konzeption der Gemeinde nach § 1 III S. 1 BauGB. Eine Aussage über die Existenz einer generellen Planungspflicht („Ob“ der Planung) ist an dieser Stelle jedoch nicht getroffen. Der vorliegend maßgebende § 5 I BauGB ist in der Gesetzesbegründung bezüglich seines Erstplanungspflichtcharakters nicht Gegenstand tieferer Ausführungen, 29 so dass eine Argumentation auf der Grundlage dieser Gesetzesbegründung nicht durchgreift. Dennoch erscheint eine Auflösung dieser Unstimmigkeit in der dogmatischen Begründung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht möglich und vorzugswürdig. Letztlich kann als sachgemäße Begründung eine Kombination beider Ansätze dergestalt erfolgen, dass sich eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus einer Verbindung von § 5 I S. 1 BauGB mit § 1 III S. 1 BauGB ergibt. Wie bereits anlässlich der Ablehnung einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans gezeigt, ist zur Bestimmung des Erforderlichkeitsmaßstabs bei § 1 III S. 1 BauGB für Flächennutzungspläne die „planerische Konzeption der Gemeinde“ als Maßstab für das „Ob“ der Planung nicht tragfähig. 30 Es bedarf deshalb einer eigenständigen Bestimmung dieses Erforderlichkeitsmaßstabs für die Funktion als objektiv determinierte Erst27
BT-Drs. 10/4630, S. 67. Decker, in: Schiwy, § 5, S. 4. 29 Lediglich ein Satz der Begründung bezieht sich auf den hier in Frage stehenden Aspekt und vermeidet eine inhaltliche Festlegung: „Die nach bisherigem Recht bestehende Verpflichtung der Gemeinde, den Flächennutzungsplan für das gesamte Gemeindegebiet aufzustellen, soll erhalten bleiben“ (BT-Drs. 10/4630, S. 67). Diese Begründung lässt offen, ob sich die Verpflichtung auf die Aufstellung des Plans als solchen bezieht, oder ob eine Verpflichtung lediglich inhaltlicher Art gemeint ist, den Plan für den Fall der Aufstellung jedenfalls für das gesamte Gemeindegebiet aufzustellen. 30 Siehe oben: 2. Kap. C.II. 28
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
planungspflicht. Eben jener Erforderlichkeitsmaßstab kann sachgerecht durch einen Rückgriff auf § 5 I S. 1 BauGB bestimmt werden. § 5 I S. 1 BauGB enthält mit seiner Aussage, dass ein Flächennutzungsplan aufzustellen ist, danach einen speziell normierten Fall der generalisierten Erforderlichkeit einer Flächennutzungsplanaufstellung im Sinne von § 1 III S. 1 BauGB, welche lediglich für den Fall der konkret fehlenden Erforderlichkeit nach § 8 II S. 2 BauGB entfällt. Diese Lösung trägt beiden Literaturauffassungen gleichermaßen Rechnung, da sich die grundsätzliche Erstplanungspflicht dogmatisch aus § 1 III S. 1 BauGB herleitet und zugleich der gesetzgeberischen Entscheidung in den §§ 5 I, 8 II BauGB Rechnung getragen wird. Dabei zeigt sich, dass die beiden vorab skizzierten Konstruktionsmodelle sich nur scheinbar widersprechen, während tatsächlich eine einheitliche, objektiv determinierte Erstplanungspflicht zugrunde liegt. 31 Ferner fügt sich diese Norminterpretation auch in das übrige Normgefüge nahtlos ein. § 1 III S. 1 BauGB erfährt als objektiv determinierte Erstplanungspflicht hinsichtlich der Flächennutzungsplanung neben § 5 I S. 1 BauGB noch eine weitere Modifizierung im Bauleitplanungsrecht. So wird von der herrschenden Meinung grundsätzlich eine Erstplanungspflicht aus § 204 I BauGB zur Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans zutreffend bejaht. 32 Dogmatisch handelt es sich dabei indes nicht um eine vollkommen eigenständige Pflicht; vielmehr erfolgt lediglich eine Modifikation der Planungsträger (und damit der Pflichtigen) und des geforderten Planungstyps für den Fall, dass bei benachbarten Gemeinden deren „städtebauliche Entwicklung wesentlich durch gemeinsame Voraussetzungen und Bedürfnisse bestimmt wird oder ein gemeinsamer Flächennutzungsplan einen gerechten Ausgleich der verschiedenen Belange ermöglicht“ bzw. „wenn die Ziele der Raumordnung oder wenn Einrichtungen und Anlagen des öffentlichen Verkehrs, sonstige Erschließungsanlagen sowie Gemeinbedarfs- oder sonstige Folgereinrichtungen eine gemeinsame 31 Dies lässt sich auch bei genauer Betrachtung einzelner Literaturbeiträge feststellen: So nennt Moench (DVBl 2005, 676, 678) in seinem Beitrag eine Pflicht aus § 5 I S. 1 BauGB unter direktem Bezug auf eine Pflicht aus § 1 III S. 1 BauGB. Auch Gaentzsch (in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 19) zieht innerhalb seiner Kommentierung der Planungspflichten aus § 1 III BauGB für den Flächennutzungsplan zur Bestimmung der Erforderlichkeit eine „Verpflichtung“ aus § 5 I S. 1 BauGB heran. 32 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 204, Rn. 5; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 204 [Lfg.: 67.], Rn. 34; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 204 [Lfg.: 1.], Rn. 3; Hendler, UPR 2006, 325, 326 f.; Paul/Pfeil, UPR 2006, 260, 262 f.; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 204, Rn. 7; a. A.: Schrödter, in: Schrödter, § 204, Rn. 6, der keine Pflicht, sondern einen bloßen Appell durch diese Vorschrift annimmt, was indes vorliegend unbeachtlich wäre, da dann die materielle Pflichtigkeit für diese Fälle unverändert allein aus § 1 III S. 1 BauGB i. V. m. § 5 I S. 1 BauGB folgen würde, so dass auch nach dieser Ansicht im Ergebnis eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht besteht.
C. § 4c BauGB
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Planung erfordern“. Für diesen Fall „sollen“ nach § 204 I BauGB die benachbarten Gemeinden einen gemeinsamen Flächennutzungsplan aufstellen, wobei sich die intendierte Pflicht ersichtlich nicht auf das „Ob“ der Flächennutzungsplanung als solcher, sondern speziell auf die Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans durch mehrere Planungsträger erstreckt. Die generelle städtebauliche Pflichtigkeit zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans folgt prinzipiell auch für diese Fälle aus § 1 III S. 1 BauGB i. V. m. § 5 I S. 1 BauGB. Die Pflicht des § 204 I BauGB modifiziert diese grundlegende Pflicht jedoch hinsichtlich Planungsträger und Planungstyp, so dass es sich insoweit um eine spezielle und ebenfalls objektiv determinierte Erstplanungspflicht handelt. Im Ergebnis ist also festzustellen, dass sich eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans aus § 5 I S. 1 BauGB i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB ergibt. Die durch § 5 I S. 1 BauGB generell normierte Erforderlichkeit der Planung entfällt nur für den Fall, dass eine Aufstellung nach § 8 II S. 2 BauGB nicht erforderlich ist. Ferner kann nach § 204 I BauGB auch die Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans von einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht erfasst sein.
C. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 4c BauGB? Als weitere Norm, welche eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Bauleitplänen nach sich ziehen könnte, soll im Folgenden § 4c BauGB betrachtet werden. Diese im Rahmen des EAG Bau 2004 neu eingefügte Vorschrift verpflichtet die Gemeinden als Planungsträger zur regelmäßigen Überwachung der Umweltauswirkungen in Folge einer erfolgten Bauleitplanung. Im Kern geht es somit um die Frage, ob die im Einzelfall gewonnenen Erkenntnisse aus diesem „Monitoring“ nach § 4c BauGB als Rechtsfolge eine Planungspflicht für die Gemeinden nach sich ziehen können. Diesbezüglich ist zunächst – wie auch beim Parallelproblem einer Erstplanungspflicht aus § 5 I S. 3 BauGB a. F. 33 – festzustellen, dass aus der Eigenschaft als Überwachungsvorschrift folgt, dass die Gemeinde für das betreffende Gebiet bereits einen Bauleitplan aufgestellt hat, so dass für die meisten Fallkonstellationen eher eine Änderungs-, denn eine Erstplanungspflicht in Frage stehen dürfte. Für den Fall jedoch, dass der schon aufgestellte Bauleitplan funktionslos oder rechtswidrig, also unwirksam ist, kann es sich auch in einer durch § 4c BauGB bewusst gewordenen Konstellation um den Fall einer Erstplanungspflicht handeln. 34 Auch 33
Siehe dazu die Darstellungen: 2. Kap. E. Im Ergebnis so auch Krautzberger (in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 4c [Lfg.: 76.], Rn. 14), der zutreffend nachweist, dass die Rechtmäßigkeit des pflichtauslö34
202
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
ist eine Sachlage denkbar, in der aufgrund von neuartigen Umweltauswirkungen der bestehenden Bauleitplanung nur adäquat durch Beplanung des umliegenden Gebietes reagiert werden kann, so dass für dieses nicht beplante Bezugsgebiet dann eine Erstplanungspflicht in Frage stünde. Doch auch für diese limitierten Konstellationen, in welchen eine Erstplanungspflicht im Anwendungsbereich der Norm theoretisch überhaupt in Betracht kommen kann, müsste eine derartige Pflicht überhaupt durch § 4c BauGB normiert sein. Dass heißt die Überwachungsergebnisse müssten aus der gesetzlichen Konzeption des § 4c BauGB direkte Abhilfemaßnahmen im Sinne einer Erstplanungspflicht nach sich ziehen. Gegen die Annahme einer derartigen Planungspflicht aus § 4c BauGB spricht indes schon der Wortlaut der Norm: Die Formulierung „um [ . . . ] in der Lage zu sein“ stellt die Abhilfemaßnahmen lediglich als Zielvorgabe der Überwachung dar, nicht als deren selbstständige Rechtsfolge im Sinne einer „Pflicht zur Abhilfe“. 35 Zwar wird in der Literatur vereinzelt die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dieser Konzeption des „Monitorings“ ohne eigenes „Nachbesserungssystem“ nicht um eine defizitäre Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben handele. 36 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass im Gegensatz zur Regelung in Art. 12 IV S. 2, 14 I RL 92/ 43/EWG (FFH-Richtlinie) die Mitgliedsstaaten nach dem vorliegend umzusetzenden Art. 10 RL 2001/42/EG (Plan-UP-Richtlinie) nicht ausdrücklich zur Normierung spezieller Abhilfemaßnahmen aufgefordert sind. 37 Die Überwachung nach § 4c BauGB ist gesetzlich darauf ausgelegt, bessere Entscheidungsgrundlagen für die Gemeinden zu schaffen. Es ist folglich auch nicht ausgeschlossen, dass sich materiellrechtliche Planungspflichten aus den ermittelten Umweltauswirkungen der bisherigen Planung ergeben. 38 Lediglich von der Normierung spezieller Abhilfepflichten über das bereits bestehende Handlungsprogramm hinaus wurde abgesehen. 39 Die Konsequenzen aus den Ermittlungsergebnissen verbleiben jedoch nicht „in einem rechtsfreien Raum“; vielmehr stellt § 4c BauGB sich als Verfahrensvorschrift dar, deren Ergebnisse dann allein
senden Plans keine Auswirkungen auf den Bestand der Überwachungspflicht nach § 4c BauGB haben kann. 35 Halama, in: Berkemann/Halama, § 4c, Rn. 7; Schrödter, LKV 2006, 251, 254. 36 Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 178; Nebelsieck/Schmidt, NordÖR 2004, 93, 98. 37 Stüer/Sailer, BauR 2004, 1392, 1394; Halama, in: Berkemann/Halama, § 4c, Rn. 36. 38 Halama, in: Berkemann/Halama, § 4c, Rn. 33; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 4c, Rn. 7; Moench, DVBl 2005, 676, 686; Rautenberg, NVwZ 2005, 1009, 1012; Uechtritz, BauR 2005, 1859, 1878. 39 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 4c, Rn. 7.
C. § 4c BauGB
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innerhalb des unverändert geltenden, materiellrechtlichen Maßstabs des § 1 III S. 1 BauGB zu Planungspflichten führen können. 40 Krautzberger ist also in seiner Analyse zuzustimmen, wenn er feststellt, dass durch § 4c BauGB keine Änderung an der bisherigen gesetzlichen Konzeption bewirkt wurde, wonach Planungsfolgen allein nach § 1 III S. 1 BauGB zu begegnen ist. 41 Dieser Fortbestand der bisherigen Dogmatik der Erstplanungspflichten erscheint auch sachgerecht, da der planerische Gestaltungs- und Abwägungsspielraum der Gemeinden durch die bloße Ermittlung von bestehenden Umweltauswirkungen nicht verkürzt werden soll und folglich das allgemeine Spannungsfeld der Erstplanungspflicht unverändert fortbesteht, so dass die bloße Veränderung des Abwägungsmaterials „keine Automatik einer Planänderung“ nach sich ziehen kann. 42 Eine Erstplanungspflicht kommt danach in Fällen veränderter Umweltauswirkungen lediglich im Einzelfall – bei einer Verdichtung des planerischen Ermessens aus § 1 III S. 1 BauGB – dergestalt in Betracht, dass qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht eine Planung erzwingen, was insbesondere bei derartigen Gesundheitsgefahren relevant werden kann, denen nur im Wege der Planung zu begegnen ist. 43 Das Ergebnis dieser Darlegungen ist somit, dass sich aus § 4c BauGB selbst keine Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bauleitplans ergibt. Bezüglich der Aufstellung eines Flächennutzungsplans richtet sich der Bestand einer diesbezüglich allein in Betracht kommenden objektiv determinierten Erstplanungspflicht 44 nach § 1 III S. 1 BauGB i. V. m. § 5 I S. 1 BauGB. 45 Für den Bebauungsplan
40 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 46 f.; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 4c [Lfg.: 76.], Rn. 27; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 4c, Rn. 5; Schrödter, LKV 2006, 251, 254; Moench (DVBl 2005, 676, 686) weist in diesem Zusammenhang zurecht darauf hin, dass für die nach § 4c BauGB allein relevanten Umweltbelange die grundsätzlich sonst ebenfalls in Betracht kommende Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB keine Rolle spielt. 41 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 4c [Lfg.: 76.], Rn. 1; so auch Uechtritz, BauR 2005, 1859, 1878; vgl. ferner Rautenberg, NVwZ 2005, 1009, 1010, zur Einordnung des „Monitorings“ nach § 4c BauGB in die umweltrechtliche Vollzugsdefizit-Debatte. 42 So insbesondere auch Stüer/Sailer (BauR 2004, 1392, 1398), die darauf verweisen, dass selbst veränderte Umweltbelange im Rahmen einer Planaufstellung unter Umständen durch überwiegende andere Belange hätten überwunden werden können und zudem häufig bei Änderungen im Sinne des § 4c BauGB auch Vertrauensschutzerwägungen in der Abwägung gegenläufig berücksichtigt werden müssten, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinen, restriktiven Grundsätze zur Planungspflicht sinnvoll erscheint. Ferner auch Reidt (in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 46), der darauf verweist, dass eine „nachträgliche Selbstkorrektur“ in diesem Zusammenhang „nicht zwingend“ mit einer Planänderung oder Erstplanung verbunden sein muss, sondern sich dies allein nach dem materiellrechtlichen Maßstab des § 1 III S. 1 BauGB richtet. 43 Moench, DVBl 2005, 676, 686; Halama, in: Berkemann/Halama, § 4c, Rn. 36 f.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
verbleibt es bezüglich der Ergebnisse des Monitorings bei der Möglichkeit der Begründung von Erstplanungspflichten aus § 1 III S. 1 BauGB, wobei diese sowohl objektiv determinierter als auch subjektiv determinierter Art sein können. 46
D. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB Die Begründung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB wurde im Rahmen der bisherigen Darstellungen mehrfach erwähnt. Insbesondere die Herleitung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans aus § 5 I S. 1 BauGB i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB wurde bereits erörtert 47, so dass nunmehr allein die Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans aus dieser Norm weitergehender dargestellt werden soll. Im Folgenden sind dazu die generelle Berechtigung und die Voraussetzungen einer derartigen Planungspflicht darzulegen, wobei zunächst abstrakt der objektive Determinationscharakter, speziell im Vergleich zur subjektiv determinierten Erstplanungspflicht aus der gleichen Norm, herausgearbeitet werden wird (I.). Im Anschluss ist dann der Frage nach der konkreten Bestimmung des Pflichtigkeitsmaßstabs einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB nachzugehen (II.).
I. Objektive Determination der Planungspflicht Wie bereits erörtert ist die grundsätzliche Existenz einer Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Norm unstreitig. 48 Für den Fall, dass für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich ist, sind die Gemeinden zur Planung verpflichtet. Maßgebend für die Begründung einer Erstplanungspflicht ist also die Bestimmung der „Erforderlichkeit“ im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB, welche in Rechtsprechung und Literatur kontrovers gehandhabt wird.
44 Zwar existiert auch für den Flächennutzungsplan eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht nach § 8 II S. 1 BauGB (vgl. dazu: 2. Kap. D.). Diese wird jedoch typischerweise nicht durch erhebliche Umweltauswirkungen ausgelöst, so dass sie im Zusammenhang mit § 4c BauGB außer Betracht bleiben kann. 45 Siehe dazu oben: 3. Kap. B. 46 Vergleiche hierzu die Darstellungen: 2. Kap. C.I. und 3. Kap. D. 47 Siehe oben: 3. Kap. B. 48 Vgl. dazu bereits die Darstellungen: 2. Kap. C.I.1., insbes. Fn. 430.
D. § 1 III S. 1 BauGB
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1. Vertreter einer subjektiven Bestimmung der pflichtbegründenden Erforderlichkeit Verbreitet wird zur Bestimmung der Erforderlichkeit im Rahmen des § 1 III S. 1 BauGB ein subjektiver Maßstab angelegt. 49 Als Konsequenz des aus der Planungshoheit folgenden, breiten planerischen Gestaltungsspielraums könne eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Bebauungsplans nur angenommen werden, wenn „nach der planerischen Konzeption der Gemeinde“ eine derartige Planung erforderlich ist. 50 Die zur Auslegung der Funktion des § 1 III S. 1 BauGB als Planungsschranke (Verbot nicht erforderlicher Planung) entwickelten Grundsätze werden nach dieser Auffassung identisch auf die Planungspflicht übertragen. Demnach liegt dieser Konzeption eine grundsätzliche Identität von Ge- und Verbotscharakter dergestalt zugrunde, dass eine nicht erforderliche Planung verboten und zugleich eine erforderliche Planung geboten ist. 51 Die für das Fachplanungsrecht typische Konsequenz der Planrechtfertigung, die zur Folge hat, dass eine Planung möglich sein kann, aber nicht zwingend vorgegeben ist, wird insoweit für den Bereich der Bauleitplanung aufgegeben. 52 Diese strikte Gesetzesinterpretation wird aber durch die beiderseitige, streng subjektive Anknüpfung an die planerische Konzeption der Gemeinde innerhalb dieses Normverständnisses wieder abgeschwächt. Im Ergebnis besteht somit dennoch ein weiter Gestaltungsspielraum der Gemeinde, die ihre planerische Konzeption durchaus flexibel anzupassen befugt ist, um auf diesem Wege den Anforderungen des § 1 III S. 1 BauGB zu entsprechen. Letztlich laufe die subjektive Bestimmung der Erforderlichkeit deshalb lediglich auf eine „Pflicht zu konzeptgemäßem Verhalten“ seitens der Gemeinden hinaus. 53
49 Vergleiche auch die Darstellungen zu diesem Maßstab anlässlich der Begründung einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB: 2. Kap. C.I.1. 50 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39; Hoppe, in: FS von Unruh, 555, 581; Stüer/Schröder, BayVBl 2000, 257, 259; Peine, BauR, Rn. 343; Dürr/Korbmacher, BauR Berlin, Rn. 14; Brohm, BauR, § 12, Rn. 2; Schmidt-Aßmann, Planungserfordernis, S. 43 f.; Battis, BauR, S. 57; Decker, in: Schiwy, § 1, S. 15; Schrödter, in: Schrödter [6. Aufl.], § 1, Rn. 33; Fackler, Individualanspruch, S. 23 ff.; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 160 ff.; Jochum, BauR 2003, 31, 33; Reißig, Bauleitplanung, S. 200 f. 51 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 25; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 160 f.; Fackler, Individualanspruch, S. 23. 52 Diesen Unterschied zwischen Planrechtfertigung und § 1 III S. 1 BauGB betont besonders: Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 29. 53 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39; Fackler, Individualanspruch, S. 24; Koch/Hendler, BauR [2. Aufl.], 2. Teil, II, Rn. 1.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Als Konsequenz dieser Auffassung resultiert aus § 1 III S. 1 BauGB, wie bereits dargelegt wurde, 54 jedoch lediglich eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht der Gemeinden, da deren planerische Konzeption der Pflichtbegründung vorgelagert ist und diese Konzeption somit als „subjektiver Determinationsfaktor“ den Bestand der Pflicht in deren Disposition stellt. Für den vorliegend zu beurteilenden Fall einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht bleibt – zumindest bei ausschließlicher, strikter Anwendung dieses subjektiven Maßstabs – kein Raum. 2. Vertreter einer objektiven Bestimmung der pflichtbegründenden Erforderlichkeit Die mittlerweile herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur befürwortet demgegenüber zur Bestimmung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB auch den Rückgriff auf einen objektiven Erforderlichkeitsmaßstab. 55 Dies sei geboten, da eine einheitliche und strikte Fixierung auf die „planerische Konzeption der Gemeinde“ zur Bestimmung des Ge- und des Verbotscharakters des § 1 III S. 1 BauGB auf unsachgemäße Ergebnisse hinauslaufe: Die Konsequenz dieser Konstruktion, nach welcher jede nicht erforderliche Planung untersagt ist und jede erforderliche Planung verpflichtend vorgenommen werden muss, führe aufgrund des Fehlens einer neutralen Sachlage, bei welcher die Gemeinde zwar planen dürfe, dies aber nicht müsse, entweder bei strenger Handhabe des Maßstabs der gemeindlichen Konzeption zu einer untragbaren Einschränkung des gemeind54
Siehe dazu die Darstellungen: 2. Kap. C.I.1. BVerwGE 119, 25, 25 ff.; BVerwG, BRS 57, Nr. 2, S. 6; BVerwG, Buchholz 406.11, § 2 BauGB, Nr. 38, S. 5; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 193a ff.; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 27; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 19 ff.; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 1, Rn. 3; Moench, DVBl 2005, 676, 681 f.; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75 f.; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 435 ff.; Stollmann, BauR, § 7, Rn. 3; Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 522, 522 f.; Kleinlein, DÖV 1986, 1010, 1011; Bender, in: FS Weyreuther, 125, 130; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 16; Stettner, AöR 102 (1977), 544, 569 f.; Stüer, NVwZ 2004, 814, 818; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 51 ff.; Bönker, in: Hoppe/ Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 102; Weyreuther, DVBl 1981, 369, 372; Peine, DÖV 1983, 909, 913; Kuschnerus, B-Plan, Rn. 116 f.; Rojahn, in: Spannowsky/Hofmeister, Planverwirklichung, 73, 73; Uechtritz, BauR, Rn. 245; Paul, NVwZ 2004, 1033, 1034; Stüer, Bauund Fachplanungsrecht, Rn. 293; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 149 f.; Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 89; Rabe/Heintz, Bau- und PlanungsR, S. 28 f.; Brenner, BauR, S. 89; Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Plan-UP-Richtlinie, 27, 42 f.; Erbguth, JURA 2006, 9, 12 f.; Ziekow, VerwArch 97 (2006), 115, 117 ff.; Schoch, JURA 2006, 188, 193; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 170 f.; Ibler, BauR, 5. Fall, Rn. 24 ff.; entgegen den Vorauflagen nunmehr Koch/Hendler, BauR, § 13, Rn. 6; neuerdings auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39a. 55
D. § 1 III S. 1 BauGB
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lichen „Planungsermessens“ 56 oder aufgrund einer konturlosen Interpretation der gemeindlichen Planungskonzeption und deren jederzeitigen Änderungsmöglichkeiten zur praktischen Bedeutungslosigkeit der Planungspflicht 57. Zur Lösung dieses Problems sei es angemessen, in besonderen Ausnahmefällen eine durch objektive Sachlagen ausgelöste Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB anzuerkennen, welche vorliege, wenn „sich das gemeindliche Planungsermessen zu einer Planungspflicht verdichtet“. 58 Dieses Modell gewährleiste einerseits eine effektive Durchsetzung des § 1 III S. 1 BauGB als bindende Rechtsnorm, indem die rechtliche Abgrenzung des Planungs- und Entscheidungsspielraums nicht im Sinne einer „Kompetenz-Kompetenz“ dem Belieben der Gemeinden als Normadressaten überantwortet werde, und trage andererseits dem planerischen Gestaltungsspielraum der Gemeinden angemessen Rechnung. 59 Das Verständnis der Erstplanungspflicht als Fall einer Verdichtung des normativen Gestaltungsspielraums wurde in der Literatur bereits in den siebziger Jahren herausgearbeitet. 60 Größere Verbreitung erfuhr diese Interpretation der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB in den neunziger Jahren durch Bender und Gierke. 61 Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. 9. 2003 betreffend den „Gewerbepark Mülheim-Kärlich“ setzte sich diese Auffassung als herrschende Meinung durch. 62 Diese Entscheidung wird aufgrund ihrer instruktiven Begründung allgemein als „Maßstab“ für die Voraussetzungen einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB verstanden, 63 so dass sie im Folgenden knapp dargestellt werden soll. In der Stadt Mülheim-Kärlich – einem Zentrum der Grundversorgung in einem hoch verdichteten Ballungsraum angrenzend an das Oberzentrum Koblenz – hatte sich durch eine Genehmigungspraxis auf der Grundlage rechtswidriger Bebauungspläne und § 34 BauGB in den neunziger Jahren großflächiger Einzelhandel
56
Diese Konsequenz arbeitet Bender (in: FS Weyreuther, 125, 131) deutlich heraus. Dieser Gedanke liegt der Interpretation des Bundesverwaltungsgerichts in der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ zugrunde: BVerwGE 119, 25, 29; vgl. ferner Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 220; Kleinlein, DÖV 1986, 1010, 1011. 58 BVerwGE 119, 25, 30; zur Begriffswahl des „Planungsermessens“ und der für die vorliegende Arbeit vorzuziehenden Bezeichnung als „planerischer Gestaltungsspielraum“ siehe bereits: 1. Kap. A.I.2.c). 59 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 220. 60 Stettner, AöR 102 (1977), 544, 569 f.; Reißig, Bauleitplanung, S. 199. 61 Bender, in: FS Weyreuther, 125, 130 ff.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 193a; ferner fänden sich bereits Ansätze in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwG, BRS 57, Nr. 2, S. 6; BVerwG, Buchholz 406.11, § 2 BauGB, Nr. 38; S. 5. 62 BVerwGE 119, 25, 25 ff. 63 So ausdrücklich: Moench, DVBl 2005, 676, 682. 57
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
mit einer Verkaufsfläche von über 120 000 m 2 angesiedelt. Angesichts weiterer Bauanfragen für Einzelhandelsprojekte mit insgesamt ca. 50 000 m 2 Verkaufsfläche, welche nach § 34 BauGB zulassungsfähig gewesen wären, erließ die Kommunalaufsicht gegenüber der Stadt ein Planungsgebot in Verbindung mit der Verpflichtung zum Erlass einer Veränderungssperre zur Sicherung der gebotenen Planung. Diese Anordnung wurde auf die Beeinträchtigung der Zentrenfunktion und das Erfordernis interkommunaler Abstimmung nach § 1 III, IV BauGB a. F. gestützt. 64 Gegen diese kommunalaufsichtlichen Verfügungen klagte die Stadt in den vorangehenden Instanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidungen. Die Verfügung eines Planungsgebots stütze sich zu Recht auf eine Erstplanungspflicht der Gemeinde aus § 1 III BauGB a. F. (nunmehr § 1 III S. 1 BauGB). 65 Der grundsätzlich bestehende Planungsfreiraum („Planungsermessen“) der Gemeinden bezüglich ihrer Bauleitplanung werde durch § 1 III BauGB in zweifacher Weise begrenzt. Zum einen verpflichte die Norm zur Aufstellung erforderlicher Pläne; zum anderen verbiete sie nicht erforderliche Planungen. Die bisherige Rechtsprechung sei vornehmlich durch die letztere Funktion als Planungsschranke geprägt, wonach die Planaufstellung nur erforderlich sei, soweit jene „nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich“ sei. 66 Eine identische Übertragung dieses Maßstabs mit der Konsequenz einer eingeschränkten „Pflicht zu konsequenter Planung“ scheide jedoch für die Funktion als Planungspflicht aus, da diese den pflichtenbegründenden Gehalt der Vorschrift nicht angemessen berücksichtige, welcher gerade Fälle einer planungsunwilligen Gemeinde erfassen müsse. 67 Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der normativen Verankerung des § 1 III BauGB als Ausdruck des Planmäßigkeitsprinzips, nach welchem die städtebauliche Entwicklung nicht vollständig dem „freien Spiel der Kräfte“ und „isolierten Einzelentscheidungen“ auf Grundlage der gesetzlichen Planersatzvorschriften nach §§ 34 f. BauGB überantwortet werden könne, sondern vielmehr der „Lenkung und Ordnung durch Planung“ bedürfe. 68
64 An dieser Stelle sei knapp darauf hingewiesen, dass auch die für die Anerkennung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB maßgebende Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als rechtliche Reaktion auf Ansiedlungen von Einzelhandelsgroßprojekten zurückzuführen ist; vgl. dazu bereits die Darstellungen zum Verständnis der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht im Fall des § 35 BauGB: 2. Kap. A.I.2.d). 65 Daneben wurde auch eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB angenommen; diesbezüglich sei auf die speziellen Darstellungen verwiesen: 3. Kap. E. 66 BVerwGE 119, 25, 31; zur Verbotsfunktion jüngst unter dem Aspekt des Vollzugshindernisses: Rojahn, in: Spannowsky/Hofmeister, Planverwirklichung, 73, 73 ff. 67 BVerwGE 119, 25, 29. 68 BVerwGE 119, 25, 30.
D. § 1 III S. 1 BauGB
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Als Anknüpfungspunkt für eine gemeindliche Erstplanungspflicht sei stattdessen die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III BauGB dann anzunehmen, wenn sich das gemeindliche „Planungsermessen“ zu einer Planungspflicht verdichtet habe. Problematisch erweise sich lediglich die Bestimmung der Vorraussetzungen, unter welchen eine Verdichtung des „Planungsermessens“ zur strikten Planungspflicht vorliege. Vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit jeder Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 II S. 1 GG und der grundsätzlichen Gewährleistung der Planungshoheit der Gemeinden müsse eine derartig begründetet Erstplanungspflicht auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Keinen tauglichen Maßstab stelle folglich eine Bejahung der Erforderlichkeit eines Bebauungsplans für den Fall dar, dass dieser „vernünftigerweise geboten“ sei. 69 Vielmehr könne eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht in Folge einer Ermessensverdichtung allein für den Fall angenommen werden, dass „qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht“ eine Planung dringend erforderten. 70 Für das Vorliegen derartiger Gründe sieht das Bundesverwaltungsgericht im zu beurteilenden Fall zwei materielle Anknüpfungspunkte. Zum einen liege ein qualifizierter Planungsbedarf vor, wenn eine Genehmigungspraxis auf Grundlage der gesetzlichen Planersatzvorschriften städtebauliche Konflikte auslöse oder auszulösen drohe, welchen aufgrund des komplexen Interessengeflechts öffentlicher und privater Belange allein ein förmliches Planungsverfahren adäquat Rechnung zu tragen vermöge. 71 Als Anhaltspunkt für das Vorliegen derartiger Sachlagen könne auf die Bestimmungskriterien für städtebauliche Missstände im Sinne des § 136 II, III BauGB zurückgegriffen werden. Diesbezüglich sei zusätzlich zu beachten, dass auch gemeindegebietsübergreifende städtebauliche Auswirkungen für die Bestimmung eines derartigen qualifizierten Planungsbedarfs zu berücksichtigen seien, was sich unter anderem aus der Ausrichtung der Bauleitplanung an § 1 V S. 2 Nr. 8 BauGB a. F (= § 1 VI Nr. 8 BauGB) und § 11 III S. 1 BauNVO ergebe. Für den konkret zu beurteilenden Fall sei revisionsgerichtlich die Annahme einer gravierenden städtebaulichen Fehlentwicklung aufgrund des eingetretenen Verdrängungswettbewerbs mit erheblichem 69
BVerwGE 119, 25, 32. BVerwGE 119, 25, 32. 71 BVerwGE 119, 25, 32; inhaltlich knüpft das Gericht damit – wenn auch nicht explizit benannt – an den Gedanken der Begrenztheit konditionaler Programmierungsstrukturen an, welcher bereits im Rahmen des § 35 BauGB maßgeblicher Begründungsansatz für die Rechtsfigur des Planungserfordernisses und damit für die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht war [vgl. dazu die Darstellungen unter: 2. Kap. A.I.6.a)]. Diese inhaltliche Übereinstimmung stellt einen wesentlichen Grund für die Aufgabe der Unterscheidung Planungserfordernis/Planungspflicht und die einheitliche Behandlung als Erstplanungspflichten dar (vgl. dazu: 1. Kap. A.III.). 70
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Kaufkraftabfluss in den umliegenden Innenstädten und einer daraus resultierenden Gefährdung der Nahversorgung speziell für die nicht motorisierte Bevölkerung nicht zu beanstanden, welche eine Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums nach sich ziehe. 72 Zum anderen könne sich auch aus § 2 II BauGB a. F. (nunmehr § 2 II S. 1 BauGB) ein qualifizierter städtebaulicher Handlungsbedarf ergeben. Für den Bereich des Vorhabenzulassungsrechts sei § 2 II BauGB in der „Zweibrücken-Entscheidung“ eine Bedeutung jenseits des eigentlichen Planungsvorgangs dergestalt zugekommen, dass ein qualifizierter Abstimmungsbedarf im Sinne der „Krabbenkamp-Formel“ („unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Nachbargemeinden“) eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht indiziere. 73 In identischer Weise könne aus dem materiellen Maßstab des § 2 II BauGB für den Fall des § 1 III BauGB eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht folgen: Das Erfordernis interkommunaler Abstimmung stelle sich als gesetzgeberische Umsetzung und Ausformung eines nachbargemeindlichen „Gebots wechselseitiger kommunaler Rücksichtnahme“ dar. 74 Dieser Abstimmungspflicht dürfe sich eine Gemeinde nicht dadurch entziehen, dass sie von Planungsmaßnahmen bewusst absehe, um im Rahmen des Zulassungsprogramms nach § 34 BauGB inhaltlich rücksichtslos tätig zu werden, so dass gerade dieser Fall eines materiellen Verstoßes gegen die Anforderungen des § 2 II BauGB einen qualifizierten städtebaulichen Handlungsbedarf mit der Folge einer Verdichtung des „Planungsermessens“ zur Planungspflicht nach sich ziehe. Im zur Entscheidung stehenden Fall waren früher aufgestellte Bauleitpläne wegen fehlender interkommunaler Abstimmung rechtswidrig. Zur Verhinderung etwaiger Ersatzansprüche wegen Planungsschäden nach § 42 BauGB werde bewusst durch Nichtplanung eine weitere Schädigung der Nachbargemeinden in Kauf genommen, was für sich bereits einen Verstoß gegen § 2 II BauGB begründe. Zudem zeichneten sich konkret zusätzliche städtebauliche Fehlentwicklungen anlässlich der bestehenden Bauvoranfragen ab, welche aufgrund des prognostizierten Kaufkraftabflusses ebenfalls materiell abstimmungsbedürftig seien und eine Planungspflicht nach sich zögen. Ferner sei auch die Durchsetzung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III BauGB durch kommunalaufsichtliche Maßnahmen bundesrechtlich nicht zu beanstanden gewesen, 75 zumal das Planungsgebot dem partiellen
72
BVerwGE 119, 25, 33. Vgl. dazu die Darstellungen: 2. Kap. A.I.2.c) und 2. Kap. A.I.6.b); auch diese Bezugnahme auf die Parallelität der Argumentation für den Fall des Planungserfordernisses und der Planungspflicht rechtfertigt die Aufgabe der bisherigen begrifflichen Trennung und eine einheitliche Behandlung als subjektiv determinierte bzw. objektiv determinierte Erstplanungspflichten (siehe dazu die Darstellungen unter: 1. Kap. A.III.). 74 BVerwGE 119, 25, 35. 75 BVerwGE 119, 25, 43. 73
D. § 1 III S. 1 BauGB
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Schließen einer bundesrechtlichen Rechtsschutzlücke im interkommunalen Nachbarrecht diene 76. Dieser komplexen Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts zur Begründung einer objektiven Bestimmung der planungspflichtbegründenden Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB auf Grundlage einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums hat sich der Großteil des jüngsten Schrifttums angeschlossen. 77 3. Stellungnahme Diese auf den ersten Blick differierende Beurteilung der Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB in Literatur und Rechtsprechung ist eingehend darauf zu untersuchen, inwieweit überhaupt eine Unvereinbarkeit beider Maßstäbe einer Erstplanungspflicht anzunehmen ist. Argumentativ liegt, wie bereits aufgezeigt, eine Unterscheidung zwischen einer Bestimmung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB nach Maßgabe objektiver Umstände oder nach subjektiven Kriterien zugrunde. Diese Unterscheidung führt als Konsequenz zu der Annahme einer objektiv determinierten oder einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht vielmehr eine sachgerechte Lösung im Wege der Kombination objektiver und subjektiver Erforderlichkeitsmaßstäbe erzielt werden kann, so dass aus § 1 III S. 1 BauGB sowohl eine objektiv determinierte, als auch eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht resultieren könnte. a) Einheitlicher Erforderlichkeitsmaßstab geboten? Eine derartige Verbindung der beiden Lösungsansätze würde jedoch von vornherein ausscheiden, wenn § 1 III S. 1 BauGB bereits aus seiner Binnennormstruktur auf einen einheitlichen Erforderlichkeitsmaßstab angelegt wäre. So stützen insbesondere die Vertreter der subjektiven Bestimmung der Erforderlichkeit ihre Auslegung auf die Doppelfunktion des § 1 III S. 1 BauGB als Planungsschranke und Planungsgebot. 78 Beide Funktionen knüpften normstrukturell identisch an den Begriff der Erforderlichkeit an, so dass eine einheitliche 76
BVerwGE 119, 25, 36. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 27; Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 522, 522 f.; Moench, DVBl 2005, 676, 681 f.; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75 f.; Schmitz/ Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 435 ff.; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/ Weiß, § 1, Rn. 16; Stüer, NVwZ 2004, 814, 818; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 51 ff.; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 102; Schrödter, in: Schrödter, § 1, Rn. 33. 77
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Auslegung dieses Begriffes für beide Funktionen geboten sei. Da das Abstellen auf die planerische Konzeption der Gemeinde bezüglich der Verbotsfunktion sinnvoll und weitestgehend unstreitig sei, müsse – allein um diese Definition beibehalten zu können – eine Übertragung auf die Gebotsfunktion angenommen werden. Doch auch Vertreter eines objektiven Erforderlichkeitsmaßstabs neigen teilweise zu einer einheitlichen, dann allerdings objektiven Auslegung. 79 So wird von Bender im Interesse einer Einheitlichkeit der Erforderlichkeitsbestimmung sogar erwogen, lediglich die Planungspflicht noch als Gegenstand des § 1 III S. 1 BauGB gelten zu lassen, und die Wirkung eines Planungsverbots auf Grundlager anderer Vorschriften (§ 1 I iVm § 1 V BauGB a. F.) zu begründen. 80 Abstrahiert betrachtet wird die Forderung nach einheitlicher Auslegung des Merkmals der Erforderlichkeit also von den jeweiligen Autoren funktional angeführt, um den alleinigen Geltungsanspruch ihrer jeweiligen Auslegung zu untermauern. Von offensichtlichen Vorteilen im Sinne einer Vereinfachung der Rechtsanwendung abgesehen, stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Homogenitätserfordernis einer einheitlichen Auslegung eines Begriffes bei isolierter Betrachtung überhaupt ein normtheoretisches Erfordernis ist bzw. welcher Stellenwert einer derartigen Forderung zukommen kann. Teilweise wird aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung und im Interesse der Rechtssicherheit begründet, dass ein Begriff – zumindest innerhalb eines einheitlichen Gesetzes – einheitlich auszulegen sei. 81 Angesichts der sog. „Relativität der Rechtsbegriffe“ ist dem jedoch entgegenzuhalten, dass es sich dabei um reine Zweckmäßigkeitserwägungen handelt, da Begriffe als Nominaldefinitionen keine logische Notwendigkeit zu einer einheitlichen Begriffsbildung mit sich bringen, solange eine konsistente Handhabe gesichert ist. 82 Ein zwingender Stellenwert kann dem Erfordernis einheitlicher Auslegung somit nicht eingeräumt werden. Doch auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten überzeugt das Postulat einheitlicher Auslegung der Erforderlichkeit des § 1 III S. 1 BauGB nicht. Es besteht unstreitig eine Differenz dieses Erforderlichkeitsbegriffs zur verfassungs- und 78 Fackler, Individualanspruch, S. 24; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 64.], Rn. 39. 79 Bender, in: FS Weyreuther, 125, 126; wohl auch Gierke (in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 220), der auch den Verbotsgehalt des § 1 III BauGB als „in erster Linie an objektiven Kriterien ausgerichtet“ behandeln möchte und damit letztlich auch einer einheitlichen, objektiven Beurteilung zuneigt. 80 Bender, in: FS Weyreuther, 125, 128 ff. 81 Fackler, Individualanspruch, S. 24; Scherer, Großvorhaben und Planungshoheit, S. 244; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 261 f. 82 Röhl, Rechtslehre, § 54, S. 433 f; speziell zur „Relativität der Kennzeichnung als erforderlich“ vgl. näher: Weyreuther, DVBl 1981, 369, 370 f.
D. § 1 III S. 1 BauGB
213
polizeirechtlichen Bestimmung der Erforderlichkeit. 83 Doch selbst innerhalb des BauGB wird der Begriff der Erforderlichkeit in vielfältigen Ausprägungen verwendet, welche inhaltlich keineswegs identisch sind. Diesbezüglich sei allein auf die Differenz zwischen planungsrechtlichem und erschließungsrechtlichem Erforderlichkeitsbegriff verwiesen. 84 Gerade für den Bereich des BauGB erscheint also eine flexible Handhabe des Bedeutungsgehalts beim Erforderlichkeitsbegriff keineswegs unüblich zu sein. Ferner lassen sich für eine unterschiedliche Auslegung gewichtige Gründe anführen: Die bereits dargelegte Konsequenz einer einheitlichen subjektiven Bestimmung, dass jede erforderliche Planung geboten und jede nicht erforderliche Planung verboten ist, so dass bezüglich des „Entschließungsermessens“ eigentlich keine Planungsbefugnis ohne Planungspflicht als Ausdruck planerischer Gestaltungsfreiheit besteht, erscheint dogmatisch kaum haltbar. Ein derartiges Normverständnis ist zudem angesichts der kommunalen Planungshoheit und des einschränkenden Gehalts bezüglich Art. 28 II GG problematisch. 85 Ferner entspricht es nicht dem rechtstatsächlichen Planungsverhalten der kommunalen Planungsträger und vermag auch raumplanungspolitisch nicht zu überzeugen. 86 Somit ist festzuhalten, dass eine identische Auslegung der Erforderlichkeit bezüglich der Doppelfunktion als Ge- und Verbotsnorm nicht geboten erscheint. Diese Problematik könnte allerdings dessen ungeachtet dahinstehen, wenn eine widerspruchsfreie Kombination beider Ansätze zur Bestimmung des Erforderlichkeitsmaßstabs möglich wäre, da auf diesem Wege dem Gebot einheitlicher Begrifflichkeit bei § 1 III S. 1 BauGB sogar Genüge getan wäre. b) Kein grundsätzlicher Widerspruch der Begründungsalternativen Es stellt sich also die Frage, ob die Bestimmung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB einheitlich und strikt nach objektiven oder subjektiven Kriterien erfolgen muss, oder ob nicht eine Verbindung beider Ansätze möglich ist und zugleich die sachgerechtere Lösung darstellt.
83
Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 204; Bender, in: FS Weyreuther, 125,
135. 84
Weyreuther, DVBl 1981, 369, 371 f.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 160 ff., die zudem noch einen Begriff der „bebauungsrechtlichen Erforderlichkeit“ abgrenzen; zur Aufgabe dieser Unterscheidung zwischen Planungsrecht und Bebauungsrecht in der Begrifflichkeit vgl. die Darstellungen unter: 1. Kap. A.III. 85 Bender, in: FS Weyreuther, 125, 126. 86 So auch Bender, in: FS Weyreuther, 125, 126, der zudem zwei anschauliche Beispiele nennt.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
(1) Vertreter einer strikten Beschränkung auf objektiven Maßstab In der Literatur finden sich unter den Vertretern eines objektiven Erforderlichkeitsmaßstabs Stimmen, die für die Bestimmung einer Planungspflicht auf Grundlage von § 1 III S. 1 BauGB die Ausschließlichkeit einer objektiven Anknüpfung des Pflichtcharakters fordern. 87 Dies sei geboten, da das Abstellen auf die städtebauliche Konzeption der Gemeinde mit seiner Konsequenz, dass eine konzeptionslose Gemeinde keiner Planungspflicht unterliegen könne, jedenfalls nicht zweckdienlich sei. 88 Ferner könne eine subjektive Bestimmung mit der städtebaulichen Funktion des § 1 III S. 1 BauGB nicht harmonieren, da die Norm leer liefe, wenn der Gemeinde mittels ihrer subjektiven Vorstellungen eine „Kompetenz-Kompetenz“ hinsichtlich der ihr gesetzlich als Schranke des kommunalen „Planungsermessens“ aufgegebenen Norm zukomme. 89 Diese gesetzliche Schrankenfunktion könne nur „nach äußeren, der Gemeinde vorgegebenen Kriterien tatsächlicher oder normativer Art“ bestimmt und erfüllt werden, wenn der Charakter als bindende Rechtsnorm beibehalten werden wolle. Anderenfalls verkomme die Planungspflicht zum Selbstzweck, wenn diese nicht den tatsächlich vorhandenen städtebaulichen Bedürfnissen unmittelbar diene. 90 (2) Innerhalb der subjektiven Ansicht: verbreitet Vermengungen bejaht Gegen diese Beschränkung auf einen strikt einseitigen Erforderlichkeitsmaßstab wird von einigen Autoren, ausgehend von der Bestimmung auf Grundlage der subjektiven Planungskonzeption der Gemeinden für bestimmte Ausnahmekonstellationen, eine Öffnung für objektive Kriterien zur Bestimmung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB befürwortet. So wird von Schrödter und Fackler geltend gemacht, dass gegenüber einer konzeptionslosen Gemeinde, welche sich durch ihr Verhalten des Gestaltungsspielraums der Bauleitplanung begebe, dennoch ein Anknüpfungspunkt für eine Planungspflicht bestehen müsse, um für den Fall sonst drohender städtebaulicher Missstände deren Verhinderung durch Aufsichtsbehörden und Gerichte zu ermöglichen. 91
87
Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 522, 522; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75; Kleinlein, DÖV 1986, 1010, 1011; Bender, in: FS Weyreuther, 125, 135 f.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 220. 88 Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 522, 522; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75. 89 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 220. 90 Kleinlein, DÖV 1986, 1010, 1011. 91 Fackler, Individualanspruch, S. 25; Schrödter, in: Schrödter [6. Aufl.], § 1, Rn. 33.
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215
Auch Stüer/Schröder befürworten für bestimmte objektive „Gemengelagen“ im unbeplanten Innenbereich ausnahmsweise die Annahme einer grundsätzlich allerdings subjektiv zu bestimmenden Erstplanungspflicht. 92 Ferner gesteht Brohm in „exzeptionellen Fällen“ eine abweichend von der konzeptionellen Planungshoheit der Gemeinden objektive Bestimmung der Planungspflicht ein, wenn „die konkrete städtebauliche Situation bauplanungsrechtliche Ausweisungen unbedingt verlangt oder weil die Gemeinde [ . . . ] Maßnahmen der Landesplanung über einen Bebauungsplan zur rechtlichen Verbindlichkeit verhelfen“ müsse. 93 Die Flexibilisierung des Prüfungsmaßstabs im Sinne eines bedingten Rückgriffs auf objektive Maßstäbe wird also innerhalb jener Ansicht, die grundsätzlich die Planungskonzeption der Gemeinde als Anknüpfungspunkt für die Erforderlichkeit der Aufstellung eines Bauleitplans nach § 1 III S. 1 BauGB befürwortet, für Ausnahmekonstellationen verbreitet zugestanden. (3) Vereinigungslösung Doch auch die herrschende Meinung, welche einen objektiven Begründungsansatz der Planungspflicht bejaht, verschließt sich nicht grundsätzlich einer subjektiven Bestimmung der Erforderlichkeit; vielmehr wird verbreitet ein bedingungsloses Nebeneinander beider Ansätze – allerdings begründungslos – angenommen. 94 Wie bereits gezeigt, 95 handelt es sich dogmatisch um unterschiedliche Erstplanungspflichten, da die subjektive Bestimmung auf eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht hinausläuft, wohingegen die objektive Bestimmung der Erforderlichkeit eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht begründet. Diese unterschiedlichen Ansätze schließen sich gegenseitig allerdings nicht aus – es ist sogar ein Nebeneinander von subjektiv determinierter und objektiv determinierter Erstplanungspflicht widerspruchsfrei und problemlos möglich. Problematisch erscheint vor diesem Hintergrund allein die Einordnung der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. So ließe sich angesichts einzelner Formulierungen in den Entscheidungsgründen, die subjektive Bestimmung auf Grundlage „der planerischen Konzeption“
92
Stüer/Schröder, BayVBl 2000, 257, 259. Brohm, BauR, § 12, Rn. 5. 94 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 27 einerseits u. Rn. 28 andererseits; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 16 f.; Moench, DVBl 2005, 676, 681; Bönker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 3, Rn. 100 ff.; Schrödter, in: Schrödter, § 1, Rn. 33; Stollmann, BauR, § 7, Rn. 3; Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 89; Brenner, BauR, S. 89; Ziekow, VerwArch 97 (2006), 115, 118 f.; neuerdings auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 39 f. 95 Siehe oben: 2. Kap. C.I.1. 93
216
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
ziele auf die Planrechtfertigung bzw. die Verbotsqualität des § 1 III S. 1 BauGB und sei für den Pflichtcharakter der Norm „ungeeignet“ 96, durchaus die interpretierende Schlussfolgerung vertreten, das Bundesverwaltungsgericht habe der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht auf Grundlage des § 1 III S. 1 BauGB generell eine Absage erteilt. In diesem Sinne verstehen namentlich Buchinger/ Pfeiffer die Ausführungen des Gerichts in ihrer Urteilsanmerkung. 97 Ein derartiges Verständnis der Urteilsbegründung lässt jedoch außer Betracht, dass die vom Gericht konstatierte Ungeeignetheit lediglich einschränkend als „zur näheren Bestimmung einer gemeindlichen Planungspflicht“ 98 und nicht generalisierend festgestellt wurde. Dies ist besonders zu beachten, da den zitierten Annahmen eben eine konkrete Sachlage zugrunde lag, welche allein eine objektiv begründete Erstplanungspflicht betreffen konnte. Ferner wird vorweg seitens des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt, dass die „Pflicht zu konsequenter Planung“ den pflichtbegründenden Regelungsgehalt des § 1 III S. 1 BauGB nicht „erschöpft“ 99 habe, was ausweislich der Wortwahl die Anwendung nicht ausschließt, sondern nur als nicht in jeder Beziehung ausfüllend kennzeichnet. Konsequent wird deshalb im Anschluss auch eingeräumt, dass „im Einzelfall“ eine derartige subjektiv determinierte Erstplanungspflicht auf Grundlage der gemeindlichen Planungskonzeption „denkbar“ sei. 100 Richtigerweise kann die „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ also nur so verstanden werden, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichts der subjektiv angeknüpften, mittelbaren Erstplanungspflicht zwar eine geringe Praxisrelevanz beigemessen wird. Keinesfalls soll jedoch generell deren Anwendung neben der objektiv begründeten, unmittelbaren Erstplanungspflicht ausgeschlossen werden. Vielmehr stehen objektive und subjektive Begründung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB als Konsequenz dieser Entscheidung nebeneinander. Mit dieser Auslegung befindet sich im Übrigen auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit der alternativ formulierten Darstellung, wonach die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich sei, wenn dieser nach der „planerischen Konzeption der Gemeinde geboten ist oder wenn die geordnete Entwicklung des Gemeindegebiets ohne Planung nicht gewährleistet erscheint“, im Einklang. 101 Auch das Bundesverwaltungsgericht hatte in den neunziger Jahren bereits festgestellt, was erforderlich sei, hänge „von der jeweiligen Situation, in die hinein
96
BVerwGE 119, 25, 31. Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 522, 522; wohl auch Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75. 98 BVerwGE 119, 25, 31 – kursive Hervorhebungen erfolgten durch den Verfasser. 99 BVerwGE 119, 25, 29. 100 BVerwGE 119, 25, 29. 101 BGH, NJW 1978, 2093, 2094. 97
D. § 1 III S. 1 BauGB
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geplant wird, und von der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde ab“. 102 Damit wurden gleichfalls objektive wie subjektive Komponenten als Maßstab herangezogen. Diese bisherige Rechtsprechung darf bei der Interpretation der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts nicht außer Acht bleiben – zumal sie sogar in dieser Entscheidung ausdrücklich zitiert wird. 103 Der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ kann also keine völlige Abkehr von der Berücksichtigung des subjektiven Erforderlichkeitsmaßstabs entnommen werden. Vielmehr muss die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts so verstanden werden, dass einer subjektiv begründeten Erforderlichkeit der Aufstellung eines Bebauungsplans – also der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht – zwar eine geringe Relevanz für die Praxis der Durchsetzung von Erstplanungspflichten beigemessen wird, was jedoch die grundsätzliche Anwendung beider pflichtenbegründenden Maßstäbe nicht ausschließt. Nicht eindeutig festgelegt erscheint danach allein die exakte dogmatische Konstruktion dieses Nebeneinanders von objektiven und subjektiven Bestimmungsmaßstäben. Diesbezüglich bietet sich eine sachgerechte Lösung durch eine Kombination beider Ansätze an. Es ist bereits deutlich geworden, dass als Grundlage einer objektiven Bestimmung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB die Rechtsfigur einer auf Ausnahmefälle beschränkten „Verdichtung des Planungsermessens zu einer Planungspflicht“ zugrunde gelegt wird. Die objektiv bestimmten Ausnahmegründe bewirken somit eine Reduzierung des normativen Gestaltungsspielraums des Planungsträgers „auf Null“ dergestalt, dass die Gemeinde unabhängig von ihrer Planungskonzeption zur Planung verpflichtet wird. Grundsätzlich ist demgegenüber auch nach dieser Konzeption vor dem Hintergrund der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II GG von planerischer Gestaltungsfreiheit auch bezüglich des „Entschließungsermessens“ auszugehen; mithin bietet sich für den Normalfall eine Bestimmung der Erforderlichkeit nach Maßgabe der „planerischen Konzeption der Gemeinde“, also des subjektiven Kriteriums, an. Präzise analysiert ist nach dieser Vereinigungslösung also dogmatisch grundsätzlich ausgehend von dem subjektiven Kriterium zu ermitteln, ob die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich ist, während in Ausnahmefällen die Dominanz objektiver Faktoren jenseits der „planerischen Konzeption der Gemeinde“ eine Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit zur strikten Planungspflicht bewirkt, da jede abweichende Planungskonzeption unzureichend wäre. Aufgrund der bereits zugrunde gelegten Möglichkeit der jederzeitigen Änderung der gemeindlichen Planungskonzeption ist allerdings für die Praxis der Durchsetzung einer
102 103
BVerwG, BRS 57, Nr. 2, S. 6. BVerwGE 119, 25, 29.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB die größere Relevanz dem Ausnahmefall einer objektiven Bestimmung des Erforderlichkeitsmaßstabs beizumessen. Am prägnantesten bringt diese dogmatische Konstruktion Moench auf den Punkt, wenn er die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend zusammenfasst, dass sich die „lediglich abgeleitete Planungspflicht des § 1 Abs. 3 BauGB [ . . . ] unter bestimmten Umständen allerdings zu einer originären Planungspflicht wandeln“ könne. 104 Diese Verbindung der unterschiedlichen Begründungsansätze und die dahinter stehende Vereinbarkeit der jeweiligen Wirkmechanismen zeigen dabei zugleich auf, dass kein Widerspruch zwischen der Begründung objektiv und subjektiv determinierter Erstplanungspflichten aus § 1 III S. 1 BauGB besteht. Unabhängig von der grundsätzlichen Relevanz subjektiver Bestimmungskriterien ist also in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur für eng umgrenzte Ausnahmefälle eine objektiv determinierte, unmittelbare Erstplanungspflicht auf der Grundlage einer „Verdichtung des Planungsermessens zur Planungspflicht“ anzuerkennen. c) EAG Bau 2004 und Begründung der Erstplanungspflicht Erörterungsbedürftig erscheint im Anschluss an diese dogmatische Herleitung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht noch, inwieweit die aktuellen Änderungen im Zuge des EAG Bau 2004 Konsequenzen für die Begründung einer solchen Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB haben. Wie bereits erörtert, 105 steht die „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts in einem Zusammenhang mit den städtebaulichen Ansiedlungsproblemen bei der um sich greifenden Entwicklung des großflächigen Einzelhandels. Berkemann bezeichnet die Entwicklung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB seitens des Bundesverwaltungsgerichts sogar ausdrücklich als Kompensation für das bislang bestehende Defizit in der Sicherung einer verbrauchernahen Versorgung der Nachbargemeinden. 106 Der Gesetzgeber reagierte auf diese Einbettungsprobleme, insbesondere bezüglich der Sicherung interkommunaler Verträglichkeit, speziell durch Erlass der §§ 2 II S. 2, 34 III BauGB. 107 Der Entscheidungshintergrund des „Mülheim-Kärlich-Urteils“ betraf eine nach § 34 BauGB a. F. zulässige Einzelhandelsansiedlung
104 105 106 107
Moench, DVBl 2005, 676, 681. Siehe oben: 3. Kap. D.I.2. Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 10. Rauber, VR 2005, 379, 379.
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im nicht beplanten Innenbereich. Für selbige würde durch den aktuell eingefügten § 34 III BauGB aufgrund von schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Nachbargemeinden keine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit mehr gegeben sein; die Begründung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB wäre nicht mehr erforderlich. Die Gemeinde wäre vielmehr aufgrund der subjektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 34 III BauGB dazu angehalten, 108 einen Bebauungsplan zu erlassen, wollte sie weiterhin an dem Vorhaben festhalten. Bereits vor Veröffentlichung der „Mülheim-KärlichEntscheidung“ hat Battis zurecht kritisch darauf hingewiesen, dass es vor dem Hintergrund der neusten Reformvorstellungen des Gesetzgebers keiner übertriebenen Konstruktionen seitens der Rechtsprechung zur Bewältigung der Probleme im Zusammenhang mit der Ansiedlung großflächigen Einzelhandels mehr bedürfe. 109 Aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen ist die Begründung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht für den unbeplanten Innenbereich aktuell also nicht mehr notwendig, da ohne Bauleitplanung keine städtebaulichen Missstände drohen würden. In Folge dieser Reaktion des Gesetzgebers wird in der Literatur folglich auch vereinzelt geäußert, dass sich die Rechtsfigur einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB als Problem „zumindest teilweise erledigt“ habe. 110 Diese Feststellung eines vermeintlichen Bedeutungsverlustes einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB überzeugt indes in ihrer Begründung nicht. 111 Zunächst kann schon nicht plausibel dargelegt werden, inwieweit die Änderung des § 34 III BauGB explizit als Reaktion auf die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstanden werden kann: Der für das Gesetzgebungsverfahren inhaltlich maßgebende Bericht der Expertenkommission ist im August 2002 veröffentlicht worden, so dass die besagte Entscheidung schon zeitlich keine Berücksichtigung finden konnte. Auch die Begründung des Gesetzesentwurfs nimmt ausdrücklich lediglich auf die fehlende Berücksichtung von Fernwirkungen bei § 34 BauGB Bezug und will materiell den Schutz zentraler Versorgungsbereiche und die gemeindenachbarliche Abstimmung verbessern, 112 so dass zwar 108 Zu dieser Wirkung des § 34 III BauGB vergleiche die ausführliche Darstellung: 2. Kap. B.I.6. 109 Battis, in: Jarass, Abstimmung, 19, 25. 110 Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 212; kritisch auch: Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 186 f. 111 So im Ergebnis auch Rojahn (in: Spannowsky/Krämer, Plan-UP-Richtlinie, 27, 44), allerdings ohne nähere Begründung. 112 BR-Drs. 756/03, S. 90 f., 150 f.
220
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
eine Reaktion des Gesetzgebers auf tatsächliche Ansiedlungsprobleme des großflächigen Einzelhandels angenommen werden kann, nicht jedoch eine spezifische Reaktion auf die Konstruktion einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB. Im Übrigen übersähe eine derartige Einschätzung, dass der tatsächliche Anlass von der dogmatischen Konstruktion der objektiv determinierten Erstplanungspflicht abstrahiert werden sollte. Die Konstruktion der Erstplanungspflicht führt zu einer erheblichen Klarstellung der kommunalaufsichtlichen Verantwortung, welche auch neben den neuen gesetzgeberischen Maßnahmen sinnvoll erscheint. Zudem ist die dogmatische Orientierung an einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums der Gemeinde nicht auf schädliche Auswirkungen für zentrale Versorgungsbereiche beschränkt, sondern kann abstrakt für eine wesentlich breitere Vielzahl von Fällen tragfähige Grundlage sein. So hat Reichelt zu Recht darauf hingewiesen, dass für den Fall einer Kumulation von kleineren Einzelhandelsvorhaben, welche bei isolierter Betrachtung der einzelnen Vorhaben die Erheblichkeitsschwelle des § 34 III BauGB nicht überschreiten, durchaus im Extremfall eine Planungspflicht bestehen kann. 113 Die Gesetzesänderungen in § 34 BauGB verbleiben zudem logisch in den Strukturen konditionaler Programmierung, deren Begrenztheit in komplexen Situationen wiederum vornehmlich durch einen Planungsbezug im Sinne einer Erstplanungspflicht angemessen Rechnung getragen werden kann. 114 So schließen sich also die neuere Konzeption des Gesetzgebers und die Annahme einer Erstplanungspflicht nicht gegenseitig aus. Vielmehr handelt es sich bei ersterer um eine sinnvolle, ergänzende Maßnahme zur Sicherung und Durchsetzung einer Erstplanungspflicht im Einzelfall, da nunmehr eine gemeindliche Nachbarklage vielfach regulierend möglich ist, ohne dass es eines „Umweges über die Kommunalaufsicht“ 115 bedarf. d) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ergibt sich also, dass aus § 1 III S. 1 BauGB im Einzelfall eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht abgeleitet werden kann, welche entsteht, wenn ausnahmsweise eine Reduzierung des normativen planerischen
113
Reichelt, BauR 2006, 38, 43 ff. Vergleiche zum Gedanken der Begrenztheit konditionaler Programmierungsstrukturen die Darstellungen unter 2. Kap. A.I.1. und 2. Kap. A.I.6.a). 115 Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 10. 114
D. § 1 III S. 1 BauGB
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Gestaltungsspielraums der Gemeinde zu einer strikten Planungsverpflichtung gegeben ist. Entscheidend und vorliegend noch unbeantwortet ist jedoch, welcher objektive Maßstab zu einer derartigen „Verdichtung des Planungsermessens“ führen kann und folglich zur Begründung einer Erstplanungspflicht im konkreten Einzelfall heranzuziehen ist.
II. Bestimmung der „Ermessensverdichtung“ Die Bestimmung des objektiven Pflichtigkeitsmaßstabs, mittels welchem eine „Ermessensverdichtung“ hin zu einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht für den konkreten Fall feststellbar wird, muss einerseits den abstrakten Belangen, welche generell eine Reduzierung des normativen Handlungsspielraums zu bewirken vermögen, Rechnung tragen. 116 Andererseits muss aber zugleich auch die spezifische Verschränkung von § 1 III S. 1 BauGB innerhalb des Normgefüges der Bauleitplanung beachtet werden. Es verwundert also nicht, dass in Rechtsprechung und Literatur differierende Vorstellungen hinsichtlich der Bestimmung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB zu finden sind. 1. Bender Zunächst findet sich als Extremposition die Auffassung Benders, welcher eine Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB bereits annimmt, wenn die konkrete Planung „vernünftigerweise geboten“ ist. 117 Dies sei bereits der Fall, wenn die Bauleitplanung aufgrund der Änderung tatsächlicher Gegebenheiten unter dem Aspekt der Leitung oder Gewährleistung einer geordneten baulichen Nutzung zur Deckung eines gegenwärtigen Planungsbedarfs der baldigen Befriedigung desselben diene. 118 Die pflichtbegründende Erforderlichkeit der Aufstellung eines Bebauungsplans greife somit in Abgrenzung zur enteignungs- oder polizeirechtlichen Erforderlichkeit nicht erst bei „zwingenden Gründen“, einem „akuten Bedürfnis“ oder wenn eine Planung „unausweichlich“ ist. Als Beispiel für eine „vernünftigerweise gebotene“ Planung nennt Bender eine Planungspflicht aufgrund gestiegenen Wohnbedarfs der Bevölkerung einer Gemeinde, dem ohne Planung nicht mehr ausreichend begegnet werden könne.
116 117 118
Siehe dazu die Darstellungen unter: 1. Kap. B.III. Bender, in: FS Weyreuther, 125, 130. Bender, in: FS Weyreuther, 125, 134.
222
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Diese Konzeption einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht muss indes aufgrund ihres weiten Anwendungsbereiches abgelehnt werden. Die Planungshoheit der Gemeinden wird, insbesondere vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit jeder Einschränkung im Sinne des Art. 28 II GG, durch Planungspflichten in tief greifender Weise betroffen, 119 so dass eine Rechtfertigung nur für eng begrenzte Ausnahmefälle in Betracht kommt. Sollte eine Planungspflicht bereits ausgelöst sein, wenn diese „vernünftigerweise geboten“ erscheint, so würde das gemeindliche „Entschließungsermessen“ in einer Vielzahl von Fällen eine Verdichtung zu einer Pflicht erfahren, wie bereits das seitens Benders angeführte Beispiel offen darlegt. Dem generellen Ausnahmecharakter der objektiv determinierten Planungspflicht, wie er gerade auch angesichts der Verknüpfung mit dem Regelfall einer lediglich subjektiv determinierten Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB nach Maßgabe der planerischen Konzeption der Gemeinde entwickelt wurde, wird eine derartige Bestimmung unter keinen Umständen gerecht. Zudem kann die Konstruktion Benders nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Zusammenhang mit dem Gesamtverständnis der Norm durch diesen Autor bewertet werden. Wie bereits gezeigt, 120 geht Bender davon aus, dass § 1 III S. 1 BauGB keine Funktion eines Planungsverbots zukomme, sondern dass diese Norm ausschließlich planungspflichtbegründend ausgelegt werden dürfe. Bereits diese Auslegung wurde aus genannten Gründen abgelehnt, so dass der daraus erwachsenden Konsequenz einer weiten Auslegung des Pflichtgehalts auf diesem argumentativen Fundament gleichfalls nicht gefolgt werden kann. 2. Stüer Eine besonders enge Auslegung des objektiven Pflichtigkeitsmaßstabs mit der Konsequenz einer Beschränkung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB auf Fälle des Eingriffs in verfassungsrechtliche Garantiebereiche vertritt Stüer. 121
119 Vergleiche dazu bereits: 1. Kap. A.II.; eine besondere Betonung der Verhältnismäßigkeit als Maßstab findet sich für diese konkrete Pflicht bei: Reidt, in: Gelzer/Bracher/ Reidt, Rn. 55. 120 Siehe oben: 3. Kap. D.I.3.a). 121 Missverständlich ist in diesem Zusammenhang die Darstellung in Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 293, welche aufgrund ihrer Formulierung nahe legt, eine Planungspflicht aus § 1 III BauGB komme allein für den unbeplanten Innenbereich in Betracht. Aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs zu einem Verweis auf die „Mülheim-KärlichEntscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch davon auszugehen, dass der Autor lediglich auf diesen Fall verweisen wollte und eine Anwendung materiell keineswegs für Gebiete nach §§ 30, 35 BauGB ausschließen will.
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Ausgehend von seinem Modell einer „Abwägungspyramide“ 122 setze das Bestehen einer Planungspflicht regelmäßig eine Betroffenheit der „3. Stufe“ voraus, was für den Fall anzunehmen sei, dass konkrete, nachbargemeindliche Planungen durch ein Vorhaben betroffen seien oder falls sich weite Teile des Nachbargemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzögen. 123 Eine Planungspflicht komme somit nur in Betracht, wenn „gravierende und geradezu handgreifliche“ Belange der Nachbargemeinden betroffen seien. Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, dass für den Fall von nachbargemeindlichen Beeinträchtigungen dieser geforderten Intensität regelmäßig eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht nahe liegt. Ferner ist der Ansatzpunkt, zur Begründung der Erstplanungspflicht auf die Nachbargemeinden abzustellen, gerade vor dem Hintergrund der Ansiedlungsprobleme beim großflächigen Einzelhandel überaus praxisrelevant. Bedenklich erscheint jedoch die darin liegende Verkürzung allein auf nachbargemeindliche Belange. So erscheint es durchaus denkbar, dass in extremen Ausnahmefällen auch Belange innerhalb der jeweiligen Vorhabensgemeinde (zu denken sei allein an Art. 2 II GG für die Gemeindeanwohner) eine Planungspflicht erfordern können. Insofern erscheint die Verengung auf Nachbargemeinden angesichts der Vielfalt der Abwägungsbelange, welche grundsätzlich „verdichtend“ wirken können, zu eng. Ferner findet die Konzeption der „Abwägungspyramide“, wie auch in der entsprechenden Überschrift von Stüer selbst gekennzeichnet, 124 ihre Rechtfertigung vornehmlich in der Funktion als „Rechtsschutzpyramide“. Das heißt, es handelt sich strukturell um ein Erklärungsmodell für die jeweilige Reichweite von Abwehransprüchen gegen Planungen. Auf die vorliegend zu beurteilende Fragestellung des objektiven Bestehens einer Planungspflicht, welche von der Durchsetzung beziehungsweise der gerichtlichen Geltendmachung derselben zu trennen ist, ist dieses Modell somit nicht konzeptionell ausgelegt. Dies erklärt ebenfalls, dass zwar die von diesem Maßstab erfassten Fälle, welche folglich sogar durchsetzbare Erstplanungspflichten umfassen, unstreitig objektiv determinierte Erstplanungspflichten beschreiben, allerdings nicht mit einem Ausschließlichkeitsanspruch dergestalt, dass lediglich diese Fälle als Pflichten zu kennzeichnen sind, da es sich um eine aufgrund der zugrunde liegenden Perspektive möglicher Abwehransprüche zu starke Verengung der Materie handelt.
122 Zu dieser Konzeption allgemein: Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 4319 f.; speziell für den Fall der interkommunalen Abstimmung: Stüer, NVwZ 2004, 814, 814. 123 Stüer, NVwZ 2004, 814, 818. 124 Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 4319.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Zur abschließenden dogmatischen Begründung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB kann somit nicht auf das Stufenmodell Stüers zurückgegriffen werden. 3. Bundesverwaltungsgericht / Gaentzsch / Gierke Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung greift zur Bestimmung der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB auf einen flexiblen Maßstab zurück. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ eine „Verdichtung des Planungsermessens“ zu einer strikten Planungspflicht davon abhängig gemacht, dass „qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht vorliegen“ müssen. 125 Die Offenheit dieser Formulierung lässt zunächst keine thematische Eingrenzung auf bestimmte Belange der Bauleitplanung zu. Vielmehr kann theoretisch im konkreten Fall jedem für die Bauleitplanung relevanten Belang ein derartiges Gewicht zukommen. Dennoch soll bei diesem Lösungsansatz durch die besonderen qualitativen Anforderungen an diese Belange im Einzelfall eine Begrenzung der Planungspflicht auf Ausnahmekonstellationen erfolgen. 126 Die den Ausnahmestatus der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB begründenden, erhöhten Anforderungen im Sinne eines besonderen Gewichts der pflichtbegründenden Belange folgen, wie Moench zutreffend betont, bereits direkt aus der zugrunde liegenden Konstruktion der objektiv determinierten Erstplanungspflicht: Wenn Anknüpfungspunkt für eine objektiv determinierte Planungspflicht die Reduzierung des normativen Handlungsspielraums ist, so kann eine solche dogmatisch allein für den Ausnahmefall angenommen werden, dass den (objektiven) Belangen konkret ein durchschlagendes Gewicht zukommt. Dies ist der Fall, wenn aufgrund ihres deutlichen Vorrangs jede Entscheidung zur Nichtplanung seitens der Gemeinde als abwägungsfehlerhaft zu qualifizieren wäre. 127 Diese abstrakte Determination der Anforderungen an eine „Ermessensverdichtung“ leistet durch den impliziten Rückgriff auf die Abwägungsfehlerlehre für sich betrachtet bereits einen abschließenden und handhabbaren Maßstab zur Bestimmung des Vorliegens einer objektiv determinierten Planungspflicht. Dennoch werden verbreitet zur Konkretisierung des abstrakten Maßstabs Fallgruppen herausgearbeitet, in welchen qualifizierte städtebauliche Belange von besonderem Gewicht typischerweise gegeben sind. 125
BVerwGE 119, 25, 32. BVerwGE 119, 25, 32. 127 Moench, DVBl 2005, 676, 682.; ähnlich auch Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 227, allerdings dort im Bezug auf den konkreten Inhalt der Planung und nicht bezüglich der generellen Pflicht zur Aufstellung. 126
D. § 1 III S. 1 BauGB
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So soll eine Planungspflicht als „Ermessensverdichtung“ jedenfalls anzunehmen sein, wenn städtebauliche Missstände oder Fehlentwicklungen bereits eingetreten sind oder in naher Zukunft einzutreten drohen. 128 Als Indiz für diese Fallgruppe eines qualifizierten planerischen Handlungsbedarfs dient die Definition des § 136 II S. 2 BauGB unter besonderer Berücksichtung der in § 136 III BauGB genannten Belange. 129 Städtebauliche Missstände oder Fehlentwicklungen kommen also danach bei grundstücksübergreifenden Defiziten, also gebietsbezogenen Missständen im Sinne einer Substanzschwäche (§ 136 II S. 2 Nr. 1 BauGB) oder einer Funktionsschwäche (§ 136 II S. 2 Nr. 2 BauGB), in Betracht. 130 Eine solche Substanzschwäche wird vornehmlich bei gebietsprägenden physischen Missständen der in der Norm beschriebenen Art anzunehmen sein, wohingegen eine Funktionsschwäche maßgeblich durch einen „Soll-Ist-Vergleich“ zwischen tatsächlicher Situation und planerischer Konzeption begründet wird. 131 Der Bezug auf § 136 BauGB erscheint im Zusammenhang mit der Begründung von Erstplanungspflichten zudem sachgerecht, da vormals bis 1984 in § 10 StBauFG eine generelle Planungspflicht für Sanierungsgebiete normiert war. Eine derartige Bestimmung wurde nicht ins BauGB übernommen, um für Fälle der ausschließlich erhaltenden Erneuerung, welche im Einzelfall durchaus auf Grundlage bestehender Bauleitpläne erfolgen können, keine Pflicht zu nicht erforderlicher Planung zu normieren, während für den Regelfall der Sanierung durchaus weiterhin von dem Bestehen einer allgemeinen Planungspflicht vor dem Hintergrund der „zügigen“ Durchführung der Sanierungsmaßnahmen ausgegangen wurde. 132 Dieser Regelfall wird somit durch die Bezugnahme auf § 136 II S. 2 BauGB zur Begründung der objektiv determinierten Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB verwirklicht. Zu beachten ist jedoch, dass dieser Rückgriff auf Kriterien des städtebaulichen Sanierungsrechts nicht starr für die Begründung einer Planungspflicht übertragen werden kann, da – anders als im Fall des § 136 BauGB 133 – im Rahmen der geordneten und nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und Ordnung als Maßstab des Planungsrechts gerade auch präventive und prognostische Elemente zur Beurteilung städtebaulicher Missstände und Fehlentwicklungen pflichtbegründend sein können, so dass es sich tatsächlich bei diesem Rückgriff lediglich um einen bloßen Anhaltspunkt handeln muss. 128
Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 193a; BVerwGE 119, 25, 32; Brocke, Rechtsfragen Standortvorsorge, S. 103. 129 BVerwGE 119, 25, 32; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 204; Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Plan-UP-Richtlinie, 27, 43. 130 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 43, Rn. 7. 131 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 136, Rn. 24. 132 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 204. 133 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 136, Rn. 25 f.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Als weitere Fallgruppe, in welcher qualifizierte Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts in der „MülheimKärlich-Entscheidung“ der Verstoß gegen das Gebot interkommunaler Abstimmung aus § 2 II S. 1 BauGB entwickelt. § 2 II S. 1 BauGB liegt ein Gebot formell-verfahrensmäßiger und materiellinhaltlicher Abstimmung zwischen Nachbargemeinden in der Planung zugrunde, welches als Gebot wechselseitiger kommunaler Rücksichtnahme greift, wenn Belange der Nachbargemeinde in mehr als geringfügiger Weise betroffen werden. 134 Der Rechtsgedanke wurde bereits bei § 35 III BauGB zur Begründung eines Planungserfordernisses herangezogen 135 und kann in gleicher Weise zur normativen Ableitung einer Planungspflicht nach § 1 III S. 1 BauGB dienen. 136 Denn in beiden Konstellationen ist eine Situation denkbar, in welcher eine Umgehung des Abstimmungsgebots durch Nichtplanung droht, obwohl das im Wege der Planersatzvorschriften sonst genehmigungsfähige Vorhaben materiell den Anforderungen an eine abgestimmte, städtebauliche Entwicklung eklatant widerspricht. In derartigen Fällen führt das Gebot wechselseitiger interkommunaler Rücksichtnahme, welches sich inhaltlich in § 2 II S. 1 BauGB als Konkretisierung des durch Art. 28 II GG gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsrecht niederschlägt, zu einer teleologisch begründeten Reduzierung des planerischen Gestaltungsspielraums: Aufgrund der drohenden Umgehung der Abstimmung in Verbindung mit der materiellen Konfliktlage kann eine Verpflichtung der Gemeinde zur Planung und damit zu abstimmungspflichtigem Handeln angenommen werden. 137 Ein solcher rücksichtsloser Verzicht auf Planung seitens der Gemeinden, der eine materielle Umgehung des § 2 II S. 1 BauGB mit der Folge einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zu einer strikten Planungspflicht bedingt, kann jedoch nicht unabhängig von der Intensität der Beeinträchtigung angenommen werden, so dass auch für die Herleitung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB für § 2 II S. 1 BauGB ein Rückgriff auf die „Krabbenkamp-Formel“ erforderlich ist. Danach kommt eine derartig hergeleitete Planungspflicht erst in Betracht, wenn in Folge der Genehmigungspraxis auf Grundlage der Planersatznormen der §§ 34 f. BauGB krasse, unzumutbare Auswirkungen auf die Nachbargemeinden als „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ drohen, 138 was für die besonders praxisrelevanten 134
BVerwGE 119, 25, 34; Moench, DVBl 2005, 676, 682; zur generellen Berechtigung des Rückgriffs auf die Formel „mehr als geringfügig betroffen“ gegenüber der Anwendung der „Krabbenkamp-Formel“ im Rahmen des § 2 II S. 1 BauGB zur Begründung eines Planungserfordernisses bei § 35 III BauGB vergleiche Halama, DVBl 2004, 79, 80 ff. 135 Siehe dazu die ausführlichen Darstellungen unter: 2. Kap. A.I.2.c) und 2. Kap. A.I.6.b). 136 BVerwGE 119, 25, 35; Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Plan-UP-Richtlinie, 27, 43 f. 137 Moench, DVBl 2005, 676, 682.
D. § 1 III S. 1 BauGB
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Fälle der Ansiedlung großflächigen Einzelhandels maßgeblich durch den zu erwartenden Kaufkraftabfluss als Indikator einer Gefährdung der verbrauchernahen Versorgung in den Nachbargemeinden festzustellen ist. 139 Es kann sich also eine Reduzierung der planerischen Gestaltungsfreiheit zu einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB auch aus einer unzumutbaren Rücksichtslosigkeit im Sinne des § 2 II S. 1 BauGB durch Nichtplanung gegenüber den Nachbargemeinden ergeben. Die dritte Fallgruppe einer „Verdichtung des Planungsermessens zur Planungspflicht“ knüpft an das Bestehen konkreter Koordinationsbedürfnisse an. So besteht nach der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts ein qualifizierter Planungsbedarf, wenn eine „Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren dringend“ erforderlich ist, da die Zulassungspraxis auf Grundlage der §§ 34 f. BauGB städtebauliche Konflikte auszulösen droht. 140 Dieser Ansatz einer Begründung der Erstplanungspflicht weist deutliche Parallelen zur Herleitung des öffentlichen Belangs eines „Planungserfordernisses“ bei § 35 III BauGB auf. 141 In beiden Fällen wird eine planerische Konfliktbewältigung aus Gründen der förmlich zu gewährleistenden Gesamtkoordination durch planerische Abwägung als Anknüpfungspunkt zugrunde gelegt, und beiden Konstellationen liegt die Begrenztheit konditionaler Programmierungsstrukturen zugrunde. 142 Gaentzsch, auf den das Bundesverwaltungsgericht in den Urteilsgründen verweist, entfaltet diesen Koordinationsansatz durch eine Typisierung in fünf koordinationsbedürftige Situationen. 143 So komme eine Planungspflicht in Betracht, wenn eine Nutzung zulässig wäre, die aufgrund ihrer Umgebungseinbettung im Sinne einer Außenkoordination Konflikte auszulösen drohe. Gleiches gelte für Probleme der Binnenkoordination, wenn intern innerhalb eines Großvorhabens beachtliche Konflikte planerisch bewältigt werden müssten. 144 Zudem könne auch ausnahmsweise eine Planungspflicht zur Sicherung von Flächen „für eine künftig zu verwirklichende Nutzung“ im Allgemeininteresse in Betracht kommen, was 138
Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 54; Moench, DVBl 2005, 676, 682. BVerwG, DVBl 2004, 239, 243. 140 BVerwGE 119, 25, 32; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 16. 141 Vergleiche dazu die ausführlichen Darstellungen unter: 2. Kap. A.I.6. 142 Dazu bereits näher: 2. Kap. A.I.6.a); ferner zeigt sich auch an diesem Punkt deutlich die weitestgehende Übereinstimmung im Begründungsansatz zwischen subjektiv und objektiv determinierter Erstplanungspflicht als Argument für die Aufgabe der Unterscheidung von Planungsrecht und Vorhabenzulassungsrecht bezüglich der Begriffstrennung von „Planungserfordernis“ und „Planungspflicht“ – vergleiche dazu bereits: 1. Kap. A.III. 143 Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 20. 144 Vergleiche zum Gedanken der Erforderlichkeit einer Binnen- oder Außenkoordination die Darstellungen unter: 2. Kap. A.I.4. und 2. Kap. A.I.6. 139
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
beispielsweise für Verkehrs-, Gemeinbedarfs- und Landschaftsschutzflächen zu erwägen sein könne. Ferner sei im Rahmen einer erforderlichen städtebaulichen Neuordnung eines Gebiets (Gemengelagen, Sanierungsgebiete) eine „Ermessensverdichtung zur Planungspflicht“ möglich. Zuletzt könne in Extremfällen auch zum Schutz eines Gebietes gegen drohende Veränderungen in Nutzungsstruktur oder Nutzungsmaß eine Planungspflicht in Betracht kommen. 145 Bereits aus dieser Zusammenstellung unterschiedlicher Konfliktlagen, welche unter dem Gesichtspunkt einer planerisch zu gewährleistenden Gesamtkoordination eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zu begründen vermögen, wird deutlich, dass die verschiedenen Konkretisierungsansätze zur Bestimmung der „qualifizierten städtebaulichen Gründe von besonderem Gewicht“ durchaus nebeneinander bzw. ergänzend zueinander herangezogen werden können, um die besondere Situation einer „Ermessensverdichtung zur Planungspflicht“ zu begründen. So kann der Rekurs auf § 2 II S. 1 BauGB als ein gesetzlich vorgesehener Spezialfall der Außenkoordination einer Planung angesehen werden, welchem eine besondere Intensität beizumessen sein kann. In gleicher Weise unterfallen eine Vielzahl jener Konstellationen, in welchen aufgrund städtebaulicher Missstände eine Planungspflicht nahe liegt, der Fallgruppe einer erforderlichen Gesamtkoordination aufgrund städtebaulicher Neuordnung bzw. Veränderungsschutzes. Um der besonderen Intensität der eine Planungspflicht begründenden Belange gerecht zu werden, welche – wie bereits deutlich geworden ist – erst in Betracht kommt, wenn jedes Absehen von Planung seitens der Gemeinde unvertretbar wäre, bietet sich sogar eine Kombination der verschiedenen Ansätze an, da vielfach lediglich auf diesem Wege ein Extremfall mit zwingender Notwendigkeit im Sinne „qualifizierter städtebaulicher Gründe von besonderem Gewicht“ nachzuweisen sein wird. Der Bestimmungsmaßstab der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist in seiner komplexen Ausgestaltung als Modell zur Bestimmung der Verdichtung der planerischen Gestaltungsfreiheit zu einer strikten Planungspflicht vorzugswürdig. Die alternativen Begründungsansätze sind aus den genannten Gründen abzulehnen. Einzugehen ist jedoch noch auf die Kritik von Erbguth/Wagner, welche zwar im Ergebnis die Begründung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht mittragen, jedoch die Herleitung einer Planungspflicht aus einem qualifizierten Planungsbedarf durch das Bundesverwaltungsgericht als „etwas tautologisch“ kritisieren. 146 Diese Kritik greift zu kurz. Zunächst erscheint es durchaus schlüssig, 145 In diese Fallgruppe fällt beispielsweise das von Gierke (in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 204) genannte Beispiel der Planungspflicht im Außenbereich, um „wildes Campen“ oder eine starke Häufung illegaler Wochenendhäuser als städtebaulichen Missstand zu unterbinden.
D. § 1 III S. 1 BauGB
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dass Pflichten grundsätzlich aus einem gesteigerten Bedarf resultieren können. Des weiteren wurde bereits aufgezeigt, dass die Formel der „qualifizierten städtebaulichen Gründe von besonderem Gewicht“ einerseits lediglich zur Bestimmung der „Ermessensverdichtung“ herangezogen wird, so dass tatsächlich jene Verdichtung als pflichtbegründend anzusehen ist, was wiederum keinen Ansatz für eine Tautologie erkennen lässt. Andererseits handelt es sich bei besagter Formel der Rechtsprechung um eine bewusst flexible Ausgestaltung, um der Vielgestaltigkeit der planerischen Abwägung dahingehend angemessen Rechnung zu tragen, dass gerade keine prinzipielle, thematische Eingrenzung auf bestimmte Belange erfolgen kann. Vielmehr resultiert gerade aus dieser Offenheit der Rechtsfigur die Fähigkeit, sowohl Situationen, in denen zur Realisierung positiver Bedarfslagen eine „ermöglichende“ Planung dringlich erscheint, als auch solche, die aufgrund drohender negativer Fehlentwicklungen eine „abwehrende“ Planung zwingend erfordern, zu erfassen. 147 Letztlich erweist sich diese flexible Offenheit der Bestimmungsformel als besonderer Vorteil des herrschenden Verständnisses der objektiv determinierten Erstplanungspflicht, da allein auf diesem Wege dem Zweck dieser Rechtsfigur vor dem Hintergrund der Sicherung des Planmäßigkeitsprinzips 148 und des Grundsatzes planerischer Konfliktbewältigung angemessen Rechnung getragen wird, ohne dass es zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der kommunalen Planungshoheit kommt. Dem soeben vorgestellten Verständnis der Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB durch die herrschende Meinung ist also vorbehaltlos zuzustimmen.
III. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass sich aus § 1 III S. 1 BauGB in Ausnahmefällen eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht ergeben kann, wenn sich der planerische Gestaltungsspielraum im Einzelfall zu einer strikten Planungspflicht verdichtet hat, da „qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht“ eine Planung zwingend erfordern.
146
Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 75, Fn. 154. Diese Doppelwirkung deutlich herausarbeitend: Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 54. 148 Dazu explizit.: Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 90; Erbguth, JURA 2006, 9, 13. 147
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
E. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB In Anknüpfung an die bereits zur Herleitung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB als grundlegend dargestellte „MülheimKärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts 149 soll im Folgenden aufgezeigt werden, ob sich auch aus § 1 IV BauGB eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht für die Gemeinden ergeben kann. § 1 IV BauGB lautet: „Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.“ Diesbezüglich ist zunächst zu fragen, ob eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus dieser Norm überhaupt hergeleitet werden kann (I.). Im Anschluss wird erörtert werden, welche Anforderungen an Ziele der Raumordnung zu stellen sind, damit diese im Einzelfall eine Erstplanungspflicht zu begründen vermögen (II.).
I. Herleitung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht Die dogmatische Herleitung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB bedarf einer Begründung des Pflichtgehalts der konkreten Norm (1.). Ferner besteht auch für diese Planungspflicht Klärungsbedarf, inwieweit die jüngsten Änderungen des BauGB eine Reaktion auf die Annahme einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB darstellen und eventuelle Modifikationen nach sich ziehen (2.). Sodann soll der Pflichtcharakter, also die objektive Determination der Planungspflicht, herausgearbeitet werden (3.), bevor im Anschluss das Verhältnis einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB zu einer solchen aus § 1 III S. 1 BauGB dargestellt werden wird (4.). 1. „Anpassen“ als Erstplanungspflicht Eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB kommt in Betracht, wenn die Pflicht, die Bauleitpläne „den Zielen der Raumordnung anzupassen“, auch die erstmalige Aufstellung eines Bebauungsplans umfasst. Die Auslegung des Merkmals „Anpassen“ wird in der Literatur hinsichtlich der sachlichen Reichweite nicht einheitlich vorgenommen.
149
BVerwGE 119, 25, 25 ff.
E. § 1 IV BauGB
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a) Allgemeiner Normgehalt Zunächst sollen im Interesse einer besseren Einordnung in das Gesamtgefüge der Norm die weitestgehend unstreitigen Gewährleistungsbereiche der Anpassungspflicht aus § 1 IV BauGB dargelegt werden. Im Vergleich zur Parallelvorschrift des § 4 I S. 1 ROG, die alle öffentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Maßnahmen dazu verpflichtet, Ziele der Raumordnung „zu beachten“, besteht eine inhaltliche Übereinstimmung dergestalt, dass sich diese Beachtenspflicht inhaltlich mit der Anpassungspflicht des § 1 IV BauGB deckt. 150 „Beachten“ im Sinne des § 4 I S. 1 ROG umfasst nach Runkel Unterlassens-, Handlungs- und Rücksichtnahmepflichten, 151 wobei es sich bei der Anpassungspflicht des BauGB um eine verdeutlichende Konkretisierung der allgemeinen raumordnungsrechtlichen Beachtenspflicht bezogen auf die gemeindliche Bauleitplanung handele. 152 Folglich komme den Worten „anpassen“ und „beachten“ ein identischer Sinngehalt zu, welcher keine unterschiedliche Bindungswirkung begründen könne. 153 Nach mittlerweile allgemeiner Auffassung handelt es sich bei der Raumordnungsklausel des § 1 IV BauGB für den Bereich der Bauleitplanung jedenfalls um eine spezielle Regelung, welche in ihrem Anwendungsbereich gegenüber § 4 I S. 1 ROG vorgeht. 154 „Anpassen“ im Sinne des § 1 IV BauGB kann auf der Ebene der Bauleitplanung in verschiedenen Konstellationen in Betracht kommen: Denkbare Ausgangslage können die von der Gemeinde bereits initiierte Planaufstellung („passive Anpassungspflicht“), die Modifikation bereits bestehender Bauleitpläne („aktive,
150
Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 33; BVerwG, DÖV 1993, 118, 118 f. und Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 60, lassen offen, ob beide Verpflichtungen identisch sind, da jedenfalls § 1 IV BauGB höchstens weitergehende Verpflichtungen zu entnehmen seien. 151 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 77. 152 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 40.], Rn. 282; so auch Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 25. 153 Battis, BauR, S. 40; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 79; Faast, Erstplanungspflicht, S. 73; teilweise wird erwogen, dass „anpassen“ begrifflich insoweit über „beachten“ hinausgehe, dass unabhängig von der Raumbedeutsamkeit eine Verpflichtung bestehe (Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 40.], Rn. 278) – dies ist insoweit irreführend, als jede Bauleitplanung (im Gegensatz zu mancher Einzelvorhabenszulassung, auf welche dieses differenzierende Kriterium einschränkend abzielt) raumbedeutsam ist. 154 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 283; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/ Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 40.], Rn. 278; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 25; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 60; Halama, in: FS Schlichter, 201, 201; Faast, Erstplanungspflicht, S. 74.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
planändernde Anpassungspflicht“) oder die Verpflichtung zur erstmaligen Aufstellung eines Bauleitplans für ein bislang unbeplantes Gebiet („aktive, erstmalige Anpassungspflicht“) sein. 155 Unstreitig erfordert die Anpassungspflicht, dass die Gemeinden für den Fall, dass sie einen Bebauungsplan aufstellen, ergänzen oder aufheben wollen, nicht gegen hinreichend konkretisierte, ihrerseits rechtmäßige Ziele der Raumordnung verstoßen dürfen. 156 Ein an bestehende Ziele der Raumordnung nicht angepasster Bauleitplan ist nichtig. 157 Nach ganz herrschender Meinung umfasst „anpassen“ im Sinne des § 1 IV BauGB – zumindest unter qualifizierten Voraussetzungen – auch eine Verpflichtung der Gemeinden, bereits beschlossene Bauleitpläne nach deren Beschlussfassung gem. rechtswirksam gewordener Ziele der Raumordnung zu modifizieren. 158 Lediglich vereinzelt finden sich in der Literatur Stimmen, die eine derartige Verpflichtung aus § 1 IV BauGB ablehnen und diesbezüglich allein landesplanungsrechtliche Rechtsgrundlagen heranziehen wollen. 159 Letztere Meinung ist 155
Vergleiche zu diesem Systematisierungsansatz: Faast, Erstplanungspflicht, S. 75 ff. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 32; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 423 ff.; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 37 ff.; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 65a; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 60 ff.; Halama, in: FS Schlichter, 201, 201 f.; Erbguth/ Wagner, § 5, Rn. 90; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 239 f.; Schlarmann, DVBl 1980, 275, 278; Moench, DVBl 2005, 676, 683. 157 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 42; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 69. 158 BVerwGE 119, 25, 38; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 32; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 65b; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 39 ff.; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 64; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 62; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungund Landesplanungsrecht, Rn. 79; Halama, in: FS Schlichter, 201, 201; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 90; Battis, BauR, S. 41; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 240; Faast, Erstplanungspflicht, S. 76; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 264; Stollmann, BauR, § 7, Rn. 12; Moench, DVBl 2005, 676, 684; Schlarmann, DVBl 1980, 275, 278; Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 95; Bielenberg, DÖV 1969, 376, 378; Koch/Hendler, BauR, § 13, Rn. 10; Reißig, Bauleitplanung, S. 111 f.; Steiner, in: Steiner, BesVerwR (7. Aufl.), VI, Rn. 62; Weitzel, DÖV 1971, 842, 848; Rutkowski, Regionalplanung, S. 63; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 18 ff.; Baumeister, GewArch 1996, 318, 326; Brocke, DVBl 1979, 184, 185; Brohm, BauR, § 12, Rn. 8; Erbguth, NVwZ 2000, 969, 971; Finkelnburg/Ortloff , BauR I, § 5, S. 30; Goppel, BayVBl 1998, 289, 290; Grae, Einkaufzentrum und Verbrauchermarkt, S. 61; Schmidt-Aßmann, Grundfragen, S. 157 f.; Nachreiner, Verbrauchermärkte, S. 127; Runkel, ZfBR 1999, 3, 8; Runkel, UPR 1998, 241, 246; Schmidt-Aßmann, VerwArch 71 (1980), 117, 134 f.; Brohm, DVBl 1980, 653, 655; Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 21; Spannowsky, Verwirklichung von Raumordnungsplänen, S. 60; Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 83; Brocke, Rechtsfragen Standortvorsorge, S. 95 f.; Weidemann, Staatsaufsicht, S. 116; Peine, BauR, Rn. 348; Mitschang, Steuerung durch Bauleitplanung, S. 197 f. 156
E. § 1 IV BauGB
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indes abzulehnen: Bereits die Wortwahl „anpassen“ deutet auf ein aktives und flexibles Verhalten hin, welches sich nicht ausschließlich in einem einmaligen Prozess erschöpfen kann. 160 Diese Auslegung ist zudem auch teleologisch geboten, da allein auf diesem Wege bundeseinheitlich eine materielle planerische Konkordanz zwischen überörtlicher und örtlicher Gesamtplanung erreicht werden kann. 161 Wesentlich uneinheitlicher ist demgegenüber der Meinungsstand für die dritte Konstellation, also für die Frage, ob „anpassen“ auch die erstmalige Aufstellung eines Bebauungsplans durch eine eigentlich planungsunwillige Gemeinde erfasst. b) Ablehnung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB Die vormals überwiegende Literaturauffassung lehnt die Konstruktion einer Erstplanungspflicht aus dem Anpassungsgebot des § 1 IV BauGB aus verschiedenen Gründen ab. 162 (1) Wortlaut Zunächst wird geltend gemacht, dass schon der Wortlaut des § 1 IV BauGB der Annahme einer Erstplanungspflicht entgegenstehe. 163 So bezöge sich die Vor159
Schrödter, in: Schrödter, § 1, Rn. 62; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 429 ff.; Gaentzsch, WiVerw 1985, 235, 246, wobei letzterer seine Auffassung mittlerweile zugunsten der herrschenden Meinung modifiziert hat (vgl. Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 41). 160 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 18 f.; Faast, Erstplanungspflicht, S. 76; Brohm, DVBl 1980, 653, 655. 161 Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 79; SchmidtAßmann, VerwArch 71 (1980), 117, 134; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 241. 162 Faast, Erstplanungspflicht, S. 91 f.; Koch/Hendler, BauR [2. Aufl.], 2. Teil, II., Rn. 10; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 433 ff.; Schlarmann, DVBl 1980, 275, 278; Finkelnburg/Ortloff , BauR I, § 5, S. 30; Grae, Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, S. 62; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 106; Schroeder, UPR 2000, 52, 57; Schrödter, in: Schrödter [6. Aufl.], § 1, Rn. 65; Steiner, in: Steiner, BesVerwR (7. Aufl.), VI, Rn. 63; Brocke, DVBl 1979, 184, 185 f.; Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 21 ff.; Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 85; Brocke, Rechtsfragen Standortvorsorge, S. 99 ff.; Brohm, BauR, § 12, Rn. 9; Reißig, Bauleitplanung, S. 112 f.; Rutkowski, Regionalplanung, S. 62 f.; Gaentzsch, WiVerw 1985, 235, 246; Holzhauser, Probleme der Standortvorsorge für Großvorhaben, S. 134 f.; Goppel, BayVBl 1984, 229, 231; Brohm, DÖV 1989, 429, 434 f.; Brohm, DVBl 1980, 653, 655; Dörr, in: Achterberg/ Püttner/Würtenberger, BesVerwR I, § 7, Rn. 92. 163 Brocke, DVBl 1979, 184, 185 f.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 435; Koch/Hendler, BauR [2. Aufl.], 2. Teil, II., Rn. 10; Faast, Erstplanungspflicht, S. 77 f.; Brohm, DVBl 1980, 653, 655; Dörr, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, BesVerwR I, § 7, Rn. 92; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 106.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
schrift ausschließlich auf „Bauleitpläne“, welche anzupassen seien, was begrifflich ausschließlich bereits existente Pläne erfasse. 164 Nicht bestehende Bauleitpläne könnten begrifflich nicht angepasst werden. 165 Hätte der Gesetzgeber auch eine Erstplanungspflicht erfasst wissen wollen, so hätte stattdessen eine Anpassungspflicht für die „Bauleitplanung“ normiert werden müssen. Zudem ergebe auch ein systematischer Vergleich mit § 1 III S. 1 BauGB, dass dieses Verständnis des Wortlauts geboten sei, da diese Norm eine Pflicht, Bauleitpläne „aufzustellen“, erwähne und damit den erstmaligen Planungsprozess betreffe, wohingegen „anpassen“ im Vergleich „defensiven Charakter“ aufweise. 166 Diese Argumentation ist zurückzuweisen. Wie bereits aufgezeigt, erfasst § 1 IV BauGB vollkommen unstreitig die Anpassung von Plänen anlässlich deren Aufstellung. Nach der hier zu beurteilenden begrifflichen Auslegung wären jedoch erst in Aufstellung befindliche Bauleitpläne als rechtlich noch nicht existierende Pläne nicht unmittelbar vom Wortlaut der Vorschrift erfasst. Zwar ließe sich unter Verweis auf § 33 BauGB rechtfertigen, dass auch vor Inkrafttreten eines Plans dieser schon rechtliche Wirkungen erzeugen kann, so dass diesbezüglich von seiner „Existenz“ ausgegangen werden könne; diese Konstruktion erweitert den Wortlaut erheblich, so dass letztlich bereits mit dem Aufstellungsbeschluss der Gemeinde (§ 2 I S. 2 BauGB) ein „Bauleitplan“ im Sinne der Vorschrift anzunehmen sein müsste und anhand des Wortlauts kaum mehr zu erklären sein dürfte, warum die Situation vor dem Aufstellungsbeschluss – welche rechtlich der einer Erstplanungspflicht entspricht – nicht gleichfalls erfasst sein sollte. Auch der behauptete Gegensatz zwischen § 1 III S. 1 BauGB und § 1 IV BauGB geht für diesen Fall fehl, da im Fall der erstmaligen Aufstellung eines Bauleitplans unstreitig beide Normen parallel zu beachten sind und gerade keine systematische Unterscheidung intendiert sein kann. Des Weiteren ist zu beachten, dass innerhalb des BauGB eine scharfe begriffliche Trennung zwischen „Bauleitplänen“ und „Bauleitplanung“ nicht durchgängig vollzogen ist. 167 Beispielhaft kann allein auf § 2 II S. 1 BauGB verwiesen werden, welcher in seinem Wortlaut ebenfalls allein „Bauleitpläne“ erfasst, bei dem aber dennoch allgemein eine Pflicht zur interkommunalen Abstimmung nicht nur für bestehende Pläne, sondern gerade in der Planaufstellung – auch hin-
164 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 435; Brocke, DVBl 1979, 184, 186; Brohm, DVBl 1980, 653, 655. 165 Brohm, DVBl 1980, 653, 655; Faast, Erstplanungspflicht, S. 78. 166 Faast, Erstplanungspflicht, S. 78. 167 Weidemann, Staatsaufsicht, S. 120 f.; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 251.
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sichtlich etwaiger Erstplanungspflichten bei Umgehung der Abstimmung durch Nichtplanung 168 – angenommen wird. Auf Grundlage einer Wortlautinterpretation kann somit die Annahme einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB nicht abgelehnt werden. (2) Entstehungsgeschichte Ferner wird von den Gegnern der Herleitung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB zur Begründung ihrer ablehnenden Haltung auf die Entstehungsgeschichte der Norm verwiesen. 169 Aufgrund der komplexen Gesetzgebungsvorgänge im Bereich des Bau- und Raumordnungsrechts erscheint es im Interesse einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung sinnvoll, zunächst die objektiven Gesetzesänderungen und abgelehnten Änderungsvorschläge aufzuzeigen, bevor im Anschluss eine Darstellung und kritische Würdigung der jeweiligen historischen Interpretationen der Gesetzgebungsvorgänge erfolgt. Gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf zum BBauG 1958 170 erfuhr die Vorgängervorschrift des heutigen § 1 IV BauGB im Rahmen der Ausschussberatungen ihren bis heute praktisch unveränderten Wortlaut. 171 1974 wurde seitens des Bundesrats in einer Stellungnahme zur Novellierung des BBauG eine Ergänzung der Vorgängervorschrift des heutigen § 1 III S. 1 BauGB vorgeschlagen, welche lauten sollte: „Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung oder sobald es zur Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung erforderlich ist.“ 172 Als Begründung wurde angeführt, diese Fassung solle sicherstellen, dass sich eine Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans nicht nur aus örtlichen Belangen, sondern auch aus Zielen der Raumordnung ergeben könne. Diesem Ergänzungsvorschlag schloss sich die Bundesregierung an. 173 Der Bundestagsausschuss für Bauwesen, Raumordnung und Städtebau lehnte diesen 168
Siehe dazu eingehend oben: 2. Kap. A.I.6.b) und 3. Kap. D.II.3. Schlarmann, DVBl 1980, 275, 278 f.; Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 86 f.; Faast, Erstplanungspflicht, S. 79 ff.; Schroeder, UPR 2000, 52, 57; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 435; Steiner, in: Steiner, BesVerwR, VI, Rn. 63; Koch/ Hendler, BauR [2. Aufl.], 2. Teil, II., Rn. 10. 170 BT-Drs. 3/336, S. 6. 171 BT-Drs. 3/1794, S. 3; die heutige Fassung weicht nur insoweit ab, als an Stelle der Formulierung „Zielen der Raumordnung und Landesplanung“ nunmehr lediglich von „Zielen der Raumordnung“ die Rede ist. 172 BT-Drs. 7/2496, Anlage 2, S. 65. 173 BT-Drs. 7/2496, Anlage 3. S. 83. 169
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Änderungsvorschlag aber mit der Begründung ab, es sei zentrales Anliegen des Gesetzes, die Planungshoheit der Gemeinden zu stärken, und dem entgegenlaufend führe der für die Praxis einem Planungsgebot gleichkommende Vorschlag zu einer Aushöhlung der Planungshoheit, zumal die bestehende Anpassungsverpflichtung zur Sicherung der notwendigen Abstimmung ausreiche. 174 Es verblieb in der Folge bei der bisherigen Regelung. Anlässlich des Erlasses des BauGB 1986 wurde keine Veränderung der Anpassungspflicht vorgenommen. Allerdings enthielt der Gesetzesentwurf der Bundesregierung dazu folgende Begründung: „Ebenso soll die Pflicht zur Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung (§ 1 Abs. 4) erhalten bleiben. Da diese Verpflichtung auch die Pflicht zur erstmaligen Aufstellung oder Änderung von Bauleitplänen einschließt, wird eine entsprechende Klarstellung im Gesetz nicht für erforderlich gehalten.“ 175 Der federführende Ausschuss für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (16. Ausschuß) äußerte sich zu dieser Begründung nicht explizit, sondern formulierte lediglich allgemein: „Der Ausschuss übernimmt aus Gründen der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung und zum Zwecke der Rechtsfortentwicklung einvernehmlich oder mehrheitlich die im Regierungsentwurf enthaltenen Änderungen der Vorschriften über die Bauleitplanung, zum Teil unter Änderung der Entwurfsfassung.“ 176 Erneut wurde ein raumordnerisch begründetes Planungsgebot anlässlich des BauROG 1998 Gegenstand gesetzgeberischer Tätigkeiten. So enthielt der Regierungsentwurf zu § 13 II ROG folgenden Absatz: „Die Aufstellung von Bauleitplänen kann verlangt werden, wenn dies zur alsbaldigen Verwirklichung von Zielen der Raumordnung aus besonderen Gründen erforderlich ist.“ 177 Nach der Begründung dieses Entwurfs solle mit dieser Norm eine „Vollzugslücke“ geschlossen werden, welche entstehe, wenn Gemeinden ihrer Beachtens- und Anpassungspflicht nicht nachkämen. Der federführende Ausschuss des Bundestags hat diese Regelung in der Folge jedoch nicht übernommen. 178 Auch der durch den Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuss hat von der Normierung eines derartigen Planungsgebots abgesehen. 179 Im Zuge der letzten Gesetzgebungsaktivitäten anlässlich des EAG Bau 2004 kam es für die vorliegend in Frage stehende Erstplanungspflicht zu keinen Änderungsvorschlägen.
174 175 176 177 178 179
BT-Drs. 7/4793, S. 8 f. BT-Drs. 10/4630, S. 60. BT-Drs. 10/6166, S. 128. BT-Drs. 13/6392, S. 25. BT-Drs. 13/7588, S. 66. BT-Drs. 13/8019, S. 7.
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Die Gegner der Anerkennung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB interpretieren die soeben dargestellte Entstehungsgeschichte der Norm als eine eindeutige Absage des Gesetzgebers an eine raumordnerisch begründete Erstplanungspflicht. So legt Schlarmann dar, dass der ausdrückliche Verzicht des Gesetzgebers auf die Normierung eines Planungsgebotes, wie sie der Ausschussbegründung 1974 zugrunde gelegen habe, deutlich mache, dass das bis dahin geltende Recht keine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB beinhalte und dass eine solche zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung und der Planungshoheit nicht gewollt gewesen sei. 180 Vielmehr sperre eine derartig eindeutige subjektive Absicht des Gesetzgebers aus methodischen Gründen jeglichen objektiv-teleologischen Begründungsansatz einer derartigen Pflicht. Ferner kommt Faast zu dem Ergebnis, dass auch die widerspruchslos akzeptierte Begründung der Bundesregierung aus dem Jahr 1986, welche die Aufnahme einer expliziten Erstplanungspflicht aufgrund der lediglich klarstellenden Bedeutung für entbehrlich hielt, keine konstitutive Begründung einer Erstplanungspflicht nach sich ziehen könne. 181 Bereits die Annahme einer bloßen Klarstellungsfunktion gehe fehl, da in der Literatur eben diese Erstplanungspflicht „von jeher“ umstritten gewesen sei und eine Einigkeit zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hätte, so dass in den allgemeinen Ausführungen des Bundestags keine konstitutive Zustimmung gesehen werden könne. 182 Zudem sei eine derartige Annahme mit der Gesetzesintention im Übrigen, welche in einer Stärkung der gemeindlichen Planungshoheit bestanden habe, nicht zu vereinbaren gewesen. Weiterhin mutmaßt Faast, dass angesichts dieser Rahmenbedingungen von einer „Klarstellung“ wohl vornehmlich abgesehen wurde, um eine parlamentarische Ablehnung einer derartigen Formulierung abzuwenden, welche ebenso wie bei den Vorschlägen des Bundesrats 1974 gedroht habe. 183 Eine weitere Bestätigung für die Ablehnung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB sehen Gierke und Steiner zudem in der Ablehnung der Aufnahme eines Planungsgebots als § 13 II ROG. 184 Vielmehr habe der Gesetzgeber durch die alternative Gesetzesfassung, nach welcher die Träger der Raumordnungsplanung lediglich auf Planverwirklichung „hinwirken“ sollen, klargestellt, dass keine Erstplanungspflicht bestehe, da bei bloßem „Hinwirken“ „in Wirklichkeit“ keine Rechtspflicht vorliege. 180
Schlarmann, DVBl 1980, 275, 279; Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 87. Faast, Erstplanungspflicht, S. 82 f. 182 Faast, Erstplanungspflicht, S. 82; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 435. 183 Faast, Erstplanungspflicht, S. 83. 184 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 429 u. Rn. 435; Steiner, in: Steiner, BesVerwR, VI, Rn. 63. 181
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Die überwiegende Literatur hält dagegen die Ablehnung einer Erstplanungspflicht aufgrund der Entstehungsgeschichte des § 1 IV BauGB für nicht haltbar 185: Schmidt-Aßmann verweist zunächst darauf, dass für die Entstehungsgeschichte der Norm nicht der historische Entwicklungsstand bis zum Ergehen des BBauG außer Betracht bleiben dürfe. 186 Dieser maßgeblich durch die Aufbaugesetze und einige Landesplanungsgesetze geprägte Entwicklungsstand würde besonders deutlich im „Lemgoer Entwurf“ von 1948, welcher als Musterentwurf des Deutschen Städtetags den Aufbaugesetzen zugrunde gelegen habe. Dort wurde bereits formuliert, dass die gemeindliche Planung „der übergeordneten Planung (Landesplanung) entsprechen“ müsse. Als Folge dieses Entwurfs seien alle Aufbauplanungen nach den jeweiligen Gesetzen auf dauerhafte Übereinstimmung mit den Belangen der Landesplanung angelegt gewesen. 187 Da gemäß § 186 I BBauG die Aufbaugesetze mit Inkrafttreten des BBauG aufgehoben wurden und sich die tatsächliche Abhängigkeit der örtlichen Entwicklungsmöglichkeiten von überörtlichen Belangen noch verstärkt habe, müsse die Erforderlichkeit vergleichbarer Kopplungsmechanismen bei der historischen Auslegung der Anpassungsklausel berücksichtigt werden. Zudem hat Weidemann dargelegt, dass die Ablehnung einer Erweiterung der Vorgängervorschrift zum heutigen § 1 III S. 1 BauGB durch den Bundestag nicht zwingend als Ablehnung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB verstanden werden muss. 188 So sei ebenfalls denkbar, dass vielmehr rechtspolitisch einer Vermengung von örtlichen und überörtlichen Belangen in einem Absatz einer Vorschrift entgegengewirkt werden sollte und eine raumordnerisch begründete Planungspflicht deshalb allein im heutigen § 1 IV BauGB geregelt sein sollte. Für diese Argumentation spricht zudem, dass in der Begründung der Ablehnung des Bundesratsentwurfs von der Ablehnung der Normierung eines „Planungsgebots“ die Rede war. 189 Das Planungsgebot unterscheidet sich als Durchsetzungsmaßnahme erheblich von der materiellen Planungspflicht. 190 Zweitere ist zwar notwendige Voraussetzung für den Erlass eines Planungsgebots an den pflichtigen Planungsträger; sie muss jedoch nicht als hinreichende Voraussetzung ausgestaltet sein, da
185 Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 61.], Rn. 71; Halama, in: FS Schlichter, 201, 210; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 19; Goppel, BayVBl 1998, 289, 290; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 251 f.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 265; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 90; Söfker, DVBl 1987, 597, 597; Stollmann, BauR, § 7, Rn. 13; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 98. 186 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 19. 187 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 20. 188 Weidemann, Staatsaufsicht, S. 122. 189 BT-Drs. 7/4793, S. 8 f. 190 Vergleiche zum Planungsgebot ferner die folgenden Darstellungen: 3. Kap. J.II.
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für Maßnahmen der Durchsetzung einer Pflicht auch zusätzliche und verschärfte Anforderungen in Betracht kommen können. Aufgrund dieser Trennung von abstrakter Pflichtigkeit und ihrer Durchsetzung, welche der Ablehnung formulierungstechnisch zugrunde liegt, kann somit nicht von einer klaren Absage des Bundestags an eine materielle Planungspflicht gesprochen werden. Des Weiteren wird verbreitet geltend gemacht, dass der Gesetzesentwurf zum BauGB 1986 von einer bereits bestehenden Erstplanungspflicht ausgegangen sei und deshalb keinen Bedarf für eine klarstellende Gesetzesänderung formulieren konnte. Diesem Entwurf habe sodann der Bundestag nicht widersprochen, so dass sich jedenfalls aus dieser Gesetzesbegründung die Annahme einer Erstplanungspflicht rechtfertige. 191 Entgegengesetztes kann nach Runkel und Goppel auch nicht für die Ablehnung eines Planungsgebots im ROG anlässlich des Gesetzgebungsverfahrens 1998 gelten. 192 Die Ablehnung einer speziellen raumordnungsrechtlichen Rahmenregelung eines Planungsgebots sei als reine Durchsetzungsfrage einzuordnen, während das materielle Bestehen einer Planungspflicht allgemein zugrunde gelegen habe und von der Ablehnung inhaltlich folglich nicht umfasst sei. 193 Vielmehr handele es sich um eine (indirekte) Bestätigung der Annahme einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB. Die Ablehnung dieses Vorschlags beruhe inhaltlich zudem in erheblichem Maße darauf, dass zusätzliche einschränkende materielle Voraussetzungen für ein Planungsgebot normiert worden wären, was zu Einwänden der Länder vor dem Hintergrund bestehender landesrechtlicher Vorschriften geführt habe. 194 An dieser Stelle kann offen bleiben, inwieweit der historischen Argumentation der Befürworter einer Erstplanungspflicht ein derartiges Gewicht zukommt, eine solche überzeugend positiv zu begründen. Jedenfalls zeigt sich, dass eine eindeutig negative gesetzgeberische Entscheidung bezüglich der Konstruktion einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB nicht angenommen werden kann. Die historische Argumentation geht demnach fehl; insbesondere vermag sie entgegen Schlarmann keine methodische Sperrwirkung für eine objektiv-teleologische Auslegung zu begründen.
191 Goppel, BayVBl 1998, 289, 290; Halama, in: FS Schlichter, 201, 210; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 265; Söfker, DVBl 1987, 597, 597; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 90. 192 Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 61.], Rn. 71; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 98; Goppel, BayVBl 1998, 289, 290; diesen zustimmend auch: Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßvorhaben, S. 251 f. 193 Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 61.], Rn. 71; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 98. 194 Goppel, BayVBl 1998, 289, 290.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
(3) Teleologische Auslegung Teilweise wird von den Gegnern der Begründung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB deren Ablehnung unter Rückgriff auf teleologische Argumente begründet. Eine auf Hendler zurückgehende Auffassung versteht § 1 IV BauGB als Vorschrift mit ausschließlich „defensivem Charakter“. 195 Diese „Abwehrfunktion“ beschränke sich in ihrer Gewährleistung darauf, dass die Gemeinden initiativ keine Tatbestände schaffen dürften, welche den verbindlichen überörtlichen Planungszielen dysfunktional zuwiderliefen. 196 Eine positive Pflicht zur erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplans könne aus der Norm deshalb nicht abgeleitet werden. Diese Argumentation beschreibt die Funktion des § 1 IV BauGB indes in unzureichender Weise. Wie bereits gezeigt, umfasst § 1 IV BauGB nach ganz herrschender und zutreffender Meinung eine aktive Anpassungspflicht bestehender Bauleitpläne an veränderte Ziele der Raumordnung im Einzelfall. 197 Dieses Ergebnis wird zwar auch von den Vertretern des rein „defensiven Charakters“ der Norm geteilt 198 – es erscheint jedoch auf Grundlage dieses Normverständnisses als nicht begründbar 199 und zeigt somit den nicht erschöpfenden Gehalt dieser Normzweckinterpretation. Des Weiteren sprechen auch Systemerwägungen gegen die Beschränkung auf eine reine Abwehrfunktion: Die Ziele der Raumordnung bedürfen grundsätzlich der planerischen Umsetzung im Wege der Bauleitplanung, um rechtliche Wirksamkeit gegenüber dem einzelnen Raumnutzer entfalten zu können, so dass aus planungshierarchischer Perspektive der Zweck des § 1 IV BauGB in der Sicherung einer dauerhaften Übereinstimmung der örtlichen und überörtlichen Gesamtplanungsebenen zu sehen ist. 200 Insoweit erscheint es vor dem Hintergrund des Planmäßigkeitsgrundsatzes nahe liegend, den Regelungszweck der Norm als eine „Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz“ zu verstehen, welcher gerade auch einer Gefährdung dieser Konkordanz durch Nichtplanung entgegenwirken muss. 201
195
Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 21; Reißig, Bauleitplanung, S. 113; Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 85 f.; Schlarmann, DVBl 1980, 275, 278. 196 Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 21; Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 86. 197 Siehe oben: 3. Kap. E.I.1.a). 198 Schlarmann, DVBl 1980, 275, 278; Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 21. 199 So zutreffend: Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 18. 200 BVerwGE 119, 25, 38 f.
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Andere Stimmen in der Literatur begründen ihre Ablehnung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB teleologisch durch Rekurs auf die Planungshoheit der Gemeinden. Dieser Planungshoheit sei – ausweislich der Ausschussbegründung von 1976 – angemessen Rechnung zu tragen, so dass ein derartiger tiefgreifender Eingriff in die kommunale Planungsautonomie nicht vom Gesetzeszweck einer Stärkung der gemeindlichen Planungshoheit gedeckt sei. 202 Auch dieser Argumentation stehen überwiegende Bedenken entgegen. Zwar ist unstreitig der jeweils betroffenen Planungshoheit bei der Feststellung einer Erstplanungspflicht im Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen. Jedoch gilt auch diesbezüglich die bereits anlässlich der Bedenken gegen die Anerkennung einer subjektiv determinierten Erstplanungspflicht bei § 35 BauGB formulierte Argumentation: In gleicher Weise, wie das Planungserfordernis nicht generell mit einem Verweis auf den Schutz der Planungshoheit abgelehnt werden kann, da diese Rechtsfigur – insbesondere in der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – gerade der Gewähr der Planungshoheit, allerdings der der Nachbargemeinden, dient, kann auch für die hier in Frage stehende Konstellation darauf abgestellt werden, dass durch die Erstplanungspflicht gerade die Planungshoheit der Nachbargemeinden hinsichtlich ihrer durch die Raumordnungsplanung zugewiesenen Funktionen geschützt werden soll. Wenn aber speziell der Schutz der Planungshoheit Gesetzeszweck sein soll, so ist nicht einzusehen, weshalb gerade der Schutz der Nachbargemeinden durch die Anerkennung materieller Erstplanungspflichten mit diesem Zweck unvereinbar sein soll. Vielmehr verdeutlicht die aktuelle Novellierung durch das EAG Bau 2004, dass der interkommunale Schutz der Planungshoheit in bestimmten raumordnungsrechtlichen Problemlagen, welchen bisher nur durch Erstplanungspflichten begegnet werden konnte, mit dem neu eingefügten § 2 II S. 2 BauGB eine beachtliche Aufwertung zur unmittelbar wehrfähigen Funktion der Gemeinden erfahren hat. 203 Insoweit steht also der Schutz der Planungshoheit nach der gesetzlichen Konzeption einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB nicht entgegen, sondern dient vielmehr umgekehrt als Argument für deren Herleitung. Als Zwischenergebnis kann also festgehalten werden, dass teleologische Erwägungen der Annahme einer Erstplanungspflicht jedenfalls nicht entgegenstehen.
201
Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 20 f.; diesbezüglich unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Schmidt-Aßmann ferner: BVerwGE 119, 25, 39; siehe zu diesem Begründungsansatz die folgenden Darstellungen: 3. Kap. E.I.1.c). 202 Faast, Erstplanungspflicht, S. 81; Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 86 f. 203 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 24; zur generellen Frage der Auswirkungen des EAG Bau 2004 auf die Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB siehe unten: 3. Kap. E.I.2.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
(4) Erstplanungspflicht auch bezüglich der Raumordnungsziele lediglich aus § 1 III S. 1 BauGB Früher wurde von einigen Stimmen in der Literatur die Annahme einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB unter Verweis darauf abgelehnt, dass sich diese raumordnungsrechtliche Anpassungsverpflichtung bereits aus den Vorgängervorschriften zum heutigen § 1 III S. 1 BauGB ergebe. 204 Diesem Begründungsansatz lag jedoch ursprünglich die weite Fassung des § 2 I BBauG a. F. von 1960 zugrunde, bei welchem die Erforderlichkeit der Aufstellung eines Bauleitplans auch aus der Verwirklichung raumordnerischer Ziele folgen konnte. Inwieweit diese Argumentation zur damaligen Rechtslage überzeugend war, kann aus heutiger Sicht allerdings dahinstehen, da bereits im Zuge der BBauGNovelle 1976 indes der Erforderlichkeitsmaßstab dieser Norm durch die explizite Einschränkung auf die „städtebaulichen Entwicklung und Ordnung“ dergestalt auf städtebauliche Gesichtspunkte verengt wurde, dass nunmehr rein überörtliche Bedürfnisse der Raumordnung keine Planungspflicht im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB auszulösen vermögen. 205 Aktuell wird diese Auffassung folglich praktisch nicht mehr vertreten. Jene Autoren, die auch nach der Gesetzesnovelle 1976 zunächst weiterhin auf § 1 III S. 1 BauGB abstellten, haben mittlerweile ihre Ansicht aufgegeben und erkennen nunmehr teilweise eine raumordnungsrechtlich fundierte Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB an. 206 204 Reißig, Bauleitplanung, S. 113; Rutkowski, Regionalplanung, S. 62 f.; Schmidt-Aßmann, Grundfragen, S. 158; Gaentzsch, WiVerw 1985, 235, 246; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 39 ff.; Goppel, BayVBl 1984, 229, 231; Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 21 ff.; an dieser Stelle soll noch nicht auf das generelle Konkurrenzverhältnis einer raumordnungsrechtlich begründeten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB zur Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB im Einzelfall eingegangen werden – siehe dazu: 3. Kap. E.I.4. 205 Schlarmann, Privilegierte Fachplanungen, S. 88 f.; Schlarmann, DVBl 1980, 275, 279; Faast, Erstplanungspflicht, S. 86 f.; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 90; Halama, in: FS Schlichter, 201, 210; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 251; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 432; Grooterhorst, Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 67 f. 206 Vergleiche die aktuellen Ausführungen von Goppel (BayVBl 1998, 289, 290) und Hendler (Koch/Hendler, BauR, § 13, Rn. 10 ff.), wobei letzterer eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB mittlerweile durch eine „beachtliche Begründung“ gerechtfertigt sieht, welche jedoch entstehungsgeschichtlich zweifelhaft bleibe. Auch Gaentzsch (in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 39 ff.) relativiert insoweit, als nach seiner Auffassung § 1 IV BauGB „allein“ nicht die Frage beantworte, wann erstmalig Pläne aufzustellen seien, so dass ein lediglich ergänzender Rückgriff auf § 1 III S. 1 BauGB befürwortet wird, der auch nach der ganz herrschenden Meinung durch die selbstverständlich zu beachtende, allgemeine Planungsschranke der Erforderlichkeit nach § 1 III S. 1 BauGB für die Rechtmäßigkeit jeder Bauleitplanung, also auch der erstplanungspflichtig gebotenen, erfolgt (wenngleich
E. § 1 IV BauGB
243
(5) Erstplanungspflicht aus dem Prinzip der Gemeindetreue Eine weitere Alternativkonzeption liegt den Darstellungen von Brohm zugrunde. Dieser lehnt eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB ab und leitet selbige stattdessen aus dem „Prinzip der Gemeindetreue“ her. 207 Innerhalb des durch das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden garantierten Bereichs eigenständiger Planungen müssten die Gemeinden generell Rücksicht auf überörtliche Planungen nehmen. 208 Dieser kompetenzrechtliche Grundsatz der Rücksichtnahme leite sich aus dem „Prinzip der Gemeindetreue“ ab. 209 Jenes Prinzip entwickelt Brohm in Parallele zur Bundestreue, da in gleicher Weise, wie den Bundesländern als „Glieder[n] des gesamten Staates“ eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Bund obliege, auch die Gemeinden eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Staat in Form der „Gemeindetreue“ treffe. 210 Aus diesem Grundsatz resultiere für Situationen, in welchen die Planungshoheit der Gemeinden ihre Grenzen in den Planungsbefugnissen anderer Hoheitsträger finden müsse, ein planungsrechtliches Gebot der Rücksichtnahme, falls anderenfalls die überörtliche Konzeption zum Scheitern verurteilt wäre. 211 Dieses wiederum könne im Einzelfall, wenn es an einer gesetzlich geregelten Erstplanungspflicht fehle, seinerseits eine Erstplanungspflicht der Gemeinden zur Aufstellung eines Bauleitplans bewirken. Diese Herleitung einer Erstplanungspflicht der Gemeinden aus einem ungeschriebenen „Prinzip der Gemeindetreue“ überzeugt argumentativ nicht. Bereits die behauptete Vergleichbarkeit des Bund-Länder-Verhältnisses mit der Rechtsstellung bzw. staatlichen Verschränkung der Gemeinden erscheint zweifelhaft, da die Gemeinden als Träger mittelbarer Staatsverwaltung in einer Vielzahl von Fällen strukturell anders zu behandeln sind, als dies für die Länder im Verhältnis zum Bund der Fall ist. Ferner ist zu beachten, dass den Ländern angesichts des ausdifferenzierten Kompetenzgefüges des Grundgesetzes und der Residualkompetenz nach Art. 30 GG eine andere Rechtsstellung zukommt, als dies nach Art. 28 II S. 1 GG angesichts des dort enthaltenen einfachen Gesetzesvorbehalts – jedenfalls für nicht dem Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung unterfallende Aufgaben – der Fall ist.
wiederum kein Fall vorstellbar erscheint, in welchem eine raumordnungsrechtlich gebotene Planung städtebaulich nicht zugleich erforderlich ist). 207 Brohm, DVBl 1980, 653, 655; Brohm, DÖV 1989, 429, 434 f.; Brohm, BauR, § 12, Rn. 10; dieser Gedanke eines speziellen Rücksichtnahmegebots vergleichbar dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens wird in allgemeiner Form in dem Aufsatz von Brohm, JuS 1977, 500, 506, und in Brohm, Staatliche Straßenplanung, S. 36 f., entwickelt. 208 Brohm, JuS 1977, 500, 506. 209 Brohm, DÖV 1989, 429, 435. 210 Brohm, JuS 1977, 500, 506. 211 Brohm, BauR, § 12, Rn. 10; Brohm, DVBl 1980, 653, 655.
244
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Problematisch erscheint auch die durch Brohm zumindest missverständlich vorgenommene Gleichsetzung von Erstplanungspflicht und Planungsgebot, welche die materielle Abstimmungsverpflichtung der Gemeinden nicht von der Frage der Durchsetzungsvoraussetzungen derselben zu trennen scheint, 212 so dass die von Brohm zugrunde gelegte verneinende Auslegung des Erstplanungspflichtcharakters von § 1 IV BauGB als Grundlage eines Rückgriffs auf ungeschriebene Verfassungsgrundsätze nicht schlüssig begründet ist. 213 Jedenfalls erscheint ein Rückgriff auf einen ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz für eine Erstplanungspflicht angesichts des Gesetzesvorbehalts des Art. 28 II S. 1 BauGB als nicht haltbar. Brohm selbst behauptet in seiner Ablehnung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB, dass eine solche angesichts des besonders schweren Eingriffs in die kommunale Planungshoheit nicht Ergebnis einer Auslegung dieser Norm sein könne und betont somit den besonderen Stellenwert des Art. 28 II S. 1 GG. 214 Angesichts des Gesetzesvorbehalts des Art. 28 II S. 1 GG ist dann allerdings aufgrund dieser Intensität der Beeinträchtigung für jede Erstplanungspflicht eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zu fordern. Die Abstimmung von überörtlichen und örtlichen Planungen verschiedener Planungsträger berührt eine Vielzahl verfassungsrechtlich begründeter Kompetenzen (Art. 28 II GG der pflichtigen Gemeinde und der Nachbargemeinden; Bundes- und Landesplanungskompetenzen in Verbindung mit dem Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip) und hat weit reichende städtebauliche Auswirkungen. 215 Angesichts derartiger Kollisionslagen muss auch im Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung, obwohl diese kein Individualgrundrecht darstellt, der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen zur Lösung dieser Kollisionslage selbst treffen (Wesentlichkeitstheorie), 216 so dass diesbezüglich als Folge der Wesentlichkeitstheorie in Verbindung mit dem Gesetzesvorbehalt des Art. 28 II S. 1 GG ein Parlamentsvorbehalt für die Konstellation einer Erstplanungspflicht von Gemeinden anzunehmen ist. Die konkrete Ausgestaltung einer Lösung des Kollisionsfalls der Verzahnung verschiedener Planungen muss als politisch „sonst wesentliche“ Grundsatzentscheidung zum Verhältnis zwischen Gemeinden und höherstufigen Planungsträgern aufgrund des Gesetzesvorbehalts des Art. 28 II S. 1 GG dem Gesetzgeber überantwortet bleiben. 217 Ein Rückgriff auf behauptete allgemeine ungeschriebene Verfassungsgrundsätze bleibt für diesen Fall also verwehrt.
212
Brohm, BauR, § 12, Rn. 10; Brohm, DÖV 1989, 429, 435. So im Ergebnis auch Faast (Erstplanungspflicht, S. 89), die allerdings eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB ablehnt und nur deshalb zu diesem Ergebnis kommt, da sie eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung gegen eine solche Erstplanungspflicht annimmt, was seinerseits wiederum nicht haltbar ist. Siehe dazu: 3. Kap. E.I.1.b). 214 Brohm, DÖV 1989, 429, 434. 215 Faast, Erstplanungspflicht, S. 90 f. 216 Erbguth, VerwArch 86 (1995), 327, 341. 213
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245
Eine raumordnungsrechtlich ausgelöste Erstplanungspflicht kann nicht aus dem „Prinzip der Gemeindetreue“ abgeleitet werden. (6) Zusammenfassung Zusammenfassend wurde also soeben erörtert, dass die gegen eine Anerkennung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB vorgebrachten Argumente nicht durchgreifen. Weder Wortlaut, Entstehungsgeschichte und teleologische Erwägungen, noch alternative Konzeptionen einer derartigen Erstplanungspflicht vermögen der Anerkennung einer Erstplanungspflicht entgegenzustehen. c) Anerkennung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB Die heute herrschende Meinung erkennt folglich eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB an. 218 Ausschlaggebend für die Formierung als herrschende Meinung war insoweit die bereits im Rahmen der Begründung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB zentrale „Mülheim-KärlichEntscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. 9. 2003. 219
217
So auch ausdrücklich: Faast, Erstplanungspflicht, S. 91. BVerwGE 119, 25, 38 ff.; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 23; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1, Rn. 32; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 64; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 2, Rn. 17; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 67; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 25; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 62; Beckmann, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, N [Lfg.: 16.], Rn. 35 f.; v. d. Heide, in: Cholewa / Dyong / u. a., § 3 ROG [Lfg.: 1.], Rn. 24; Schrödter, in: Schrödter, § 1, Rn. 65; Stollmann, BauR, § 7, Rn. 13; Peine, BauR, Rn. 348; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 440; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 252; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 172 ff.; Koitek. Windenergieanlagen, S. 83; Rojahn, in: Spannowsky/ Krämer, Plan-UP-Richtlinie, 27, 44 f.; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21; Goppel, BayVBl 1998, 289, 290; Halama, in: FS Schlichter, 201, 210 f.; Moench, DVBl 2005, 676, 683 f.; Buchinger/Pfeiffer, JA 2005, 522, 523; Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1028; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 264; Spannowsky, Verwirklichung von Raumordnungsplänen, S. 60; Spannowsky, UPR 2003, 248, 255; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 90; Battis, BauR, S. 41; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 286; Schmidt-Eichstaedt, Städtebaurecht, S. 215; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 79; Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 4. Kap., Rn. 95; Brenner, BauR, S. 89; Erbguth, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, BesVerwR I, § 8, Rn. 127; Weidemann, Staatsaufsicht, S. 124; Hendler, UPR 2006, 325, 326; Schmidt-Aßmann, VerwArch 71 (1980), 117, 134; Weitzel, DÖV 1971, 842, 842; Deckart, BayVBl 1977, 238, 238; Steinberg, DVBl 1982, 13, 15; Höhnberg, ZfBR 1986, 214, 215; Ibler, BauR, 5. Fall, Rn. 57 ff.; Koch/Hendler, BauR, § 13, Rn. 11a, die entgegen den Darstellungen der Vorauflagen nunmehr die Annahme einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB aufgrund der „beachtlichen Begründung“ durch das Bundesverwaltungsgericht als gerechtfertigt erachten und lediglich „gleichwohl gewisse Zweifel“ angesichts der Gesetzgebungsgeschichte äußern. 218
246
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Nachdem bereits dargelegt wurde, dass negativ keine Einwände gegen eine solche Erstplanungspflicht mit Erfolg vorgebracht werden können, soll im Folgenden die positive Begründung dieser Erstplanungspflicht unternommen werden. (1) Begründung der Pflicht Zur Begründung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB wird vornehmlich eine teleologische Auslegung ins Feld geführt. Die bereits dargestellte historische Argumentation für die Annahme einer Erstplanungspflicht soll an dieser Stelle nicht mehr vertieft werden. 220 Gleichfalls wurde bereits dargelegt, dass aus methodischen Gründen entgegen teilweise geäußerter Vorbehalte ein Rückgriff auf eine teleologische Begründung nicht versagt ist. 221 Ausgehend von der strukturellen Notwendigkeit einer Verschränkung der verschiedenen Planungsebenen auf dem Gebiet der Gesamtplanung wird § 1 IV BauGB der Regelungszweck einer „Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz“ beigemessen, welcher im Einzelfall eine Erstplanungspflicht für die Gemeinden als Träger der Bauleitplanung nach sich ziehen kann. 222 Die Ziele der Raumordnung entfalten innerhalb der Grundstruktur eines mehrstufigen, räumlichen und auf Kooperation angelegten Gesamtplanungssystems grundsätzlich keine unmittelbare bodenrechtliche Wirkung gegenüber dem einzelnen Raumnutzer, so dass sie strukturell auf Umsetzung im Wege der Bauleitplanung angelegt sind. 223 Zur Sicherung dieser Umsetzung und vor allem zur praktischen Gewährleistung der Widerspruchsfreiheit von Raumordnungszielen und Bauleitplanung statuiert § 1 IV BauGB eine Pflicht zur Anpassung der unteren örtlichen Planungsebenen an die mehrstufig übergeordneten, überörtlichen Ziele der Raumordnung. Die Anpassungsverpflichtung ist aufgrund dieser spezifischen Verschränkungsfunktion für verschiedene und dynamische Planungsebenen nicht auf „punktuelle Kooperation“ 224 ausgerichtet. Vielmehr bezweckt sie die dauerhafte Übereinstimmung von überörtlichen und örtlichen Planungsebenen,
219 BVerwGE 119, 25, 25 ff.; zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht in einigen Entscheidungen die Frage, ob aus § 1 IV BauGB eine Erstplanungspflicht resultieren könne, entweder ausdrücklich offen gelassen (BVerwG, Buchholz 406.11, § 1 BauGB, Nr. 74, S. 10) oder lediglich tendenziell, unter Verzicht auf konkrete Aussagen zur Durchsetzungsmöglichkeit einer derartigen Pflicht, bejaht (BVerwG, BRS 55, Nr. 174, S. 479). 220 Siehe dazu oben: 3. Kap. E.I.1.b)(2). 221 Siehe dazu oben: 3. Kap. E.I.1.b)(3). 222 BVerwGE 119, 25, 38 ff., unter explizitem Rückgriff auf: Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 20. 223 BVerwGE 119, 25, 38 f. 224 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21.
E. § 1 IV BauGB
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um das „arbeitsteilige System der räumlichen Gesamtplanung“ 225 effektiv zu gewährleisten. 226 Diese Funktion der „Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz“, welche § 1 IV BauGB zugrunde liegt, führt dazu, dass „Anpassen“ im Sinne der Vorschrift nicht auf bereits initiativ seitens der Gemeinden betriebene oder bereits bestehende Bauleitplanung beschränkt sein kann. Denn aus der Perspektive der Raumordnungsplanung 227 bzw. vor dem Hintergrund des Planmäßigkeitsgrundsatzes 228 stellt sich die Nichtplanung der Gemeinde als bewusste, negative Planungsentscheidung dar, welche in gleicher Weise abwägungsfehlerfrei sein muss und anzupassen ist, falls raumordnungsrechtliche Gründe dies erfordern. 229 Diese Verortung der Nichtplanung sei teleologisch geboten, damit eine vollständige Umsetzung der Ziele der Raumordnung nicht durch passives Verhalten der Gemeinden unterminiert werden kann oder gar ein Anreiz zur planlosen Stadtentwicklung für die Gemeinden geschaffen wird, um sich landesplanerischen Anpassungspflichten zu entziehen. 230 Wollte man die Erstplanungspflicht nicht anerkennen, käme es zudem zu kaum bewältigbaren Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn im Falle einer Teiländerung eines Bauleitplans für einen eigentlich ausgesparten und deshalb unveränderten Teil landesplanerisch eine Anpassung nach § 1 IV BauGB erforderlich wäre. 231 Nach Schmidt-Aßmann stellt sich deshalb die umfassende Pflicht zu materieller Konkordanz mittlerweile bereits als Teil des historischen Bildes der kommunalen Selbstverwaltung dar, 232 zumal anderenfalls angesichts der Abhängigkeiten der örtlichen Entwicklungsmöglichkeiten von überörtlichen Belangen keine Rechtfertigung für die Einräumung gemeindlicher Planungshoheit als „einzelgemeindlichem Isolationismus“ bestehe. 233 Diese Argumente rechtfertigen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Konstruktion einer durchsetzbaren Erstplanungspflicht aus § 1
225
BVerwGE 119, 25, 39. Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 2, Rn. 17. 227 BVerwGE 119, 25, 39 f. 228 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21. 229 BVerwGE 119, 25, 39 f.; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21; Moench (DVBl 2005, 676, 683) spricht davon, dass die Nichtplanung sich in diesen Situationen als „rechtswidriger Gebrauch des Entschließungsermessens“ darstellen würde. 230 Halama, in: FS Schlichter, 201, 210 f.; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21. 231 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21. 232 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 21. 233 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 20. 226
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
IV BauGB für den Fall, dass „die Verwirklichung der Raumordnungsziele bei Fortschreiten einer planlosen städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare (tatsächliche oder rechtliche) Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde“. 234 Der Bestand einer durchsetzbaren Erstplanungspflicht wird also seitens des Bundesverwaltungsgerichts von zusätzlichen materiellen und zeitlichen Voraussetzungen jenseits der Anforderungen an die zugrunde liegenden Ziele der Raumordnung abhängig gemacht. 235 Materiell wird eine besondere Intensität der Situation dahingehend gefordert, dass die Realisierung der Raumordnungsziele in Folge der Nichtplanung der Gemeinde zumindest wesentlich beeinträchtigt wird. Zeitlich sei zudem erforderlich, dass von einem Fortschreiten der planlosen städtebaulichen Entwicklung entgegen den konkret betroffenen Zielen der Raumordnung auszugehen ist. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs einer durchsetzbaren Erstplanungspflicht in Form eines materiellrechtlichen und zeitlichen Erforderlichkeitsmaßstabs sei – wie Schneider herausstellt – ihrerseits geboten, da bereits durch die gesetzlichen Planersatzvorschriften der §§ 34 f. BauGB eine grundsätzliche Lenkungsentscheidung durch den Gesetzgeber erfolgt sei, so dass nur „besonders gewichtige Gemeinwohlbelange im Ausnahmefall“ eine Erstplanungspflicht zu rechtfertigen vermögen. 236 Gegen dieses Verständnis ergeben sich indes bei Zugrundelegung der dogmatischen Konstruktion Schmidt-Aßmanns Bedenken. Bei konsequenter Ausgestaltung der „Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz“ müsste eine automatische Anpassungspflicht der Gemeinden aus der erstmaligen Aufstellung oder Änderung von Zielen der Raumordnung resultieren, ohne dass einschränkende Erfordernisse für eine Erstplanungspflicht in Betracht kommen. Jenen komme demnach keine Bedeutung für die Frage der materiellen Pflichtigkeit zu; allenfalls für die formell-verfahrensrechtliche Durchsetzung der Planungspflicht im Wege der Kommunalaufsicht oder durch landesplanerische Gebote wäre nach diesem Modell Raum für eine Berücksichtung der einschränkenden Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts. 237 Es müsse also zwischen Bestehen der Pflicht und den Voraussetzungen ihrer Durchsetzung differenziert werden.
234
BVerwGE 119, 25, 38; Moench, DVBl 2005, 676, 683. Zu den inhaltlichen Anforderungen an pflichtenbegründende Ziele der Raumordnung (v. a. Rechtmäßigkeit u. Bestimmtheit) siehe die Darstellungen im Folgenden: 3. Kap. E.II. 236 Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 265. 237 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 25; so auch generell Runkel (in: Bielenberg/ Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 98), der darauf hinweist, dass an verfahrensmäßige Gebote regelmäßig strengere Anforderungen zu stellen sind, als an die dem Gebot zugrunde liegende Verpflichtung selbst. 235
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Bei genauerer Betrachtung zeigt sich indes, dass die beiden dargestellten Modelle sich keineswegs diametral unvereinbar gegenüberstehen. Schmidt-Aßmann hat angesichts der Entwicklung der Raumordnungsplanung von der bloßen Flächenfreihaltung zu stark entwicklungsplanerischen Elementen selbst eingeräumt, dass diese Entwicklung mit einer automatischen Anpassungspflicht nicht mehr vereinbar sei, sondern vielmehr zwecks Eingriffsminimierung den Folgen für den kommunalen Bereich Rechung zu tragen sei, wenngleich dies schwerpunktmäßig auf der Ebene der „Aktualisierung“ der Erstplanungspflicht durch einen gesonderten verfahrensbezogenen staatlichen Akt erfolgen solle. 238 Auch der „MülheimKärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Trennung von materiellem Bestehen und verfahrensbezogener Durchsetzung der Erstplanungspflicht zugrunde, wie den separat ausgegliederten Erwägungen zur Durchsetzungsebene in den Entscheidungsgründen entnommen werden kann. 239 Unter Zugrundelegung dieser sinnvollen Trennung von Pflichtigkeit und Durchsetzung derselben erscheint ein Verständnis der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend geboten, dass materiell als zusätzliches Erfordernis für die Begründung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB eine besondere Intensität in Form wesentlicher Hindernisse für die Realisierung der Ziele der Raumordnung bei andauernder Nichtplanung beachtet werden muss, wohingegen das zeitliche Erforderlichkeitskriterium der tatsächlichen Gefahr einer weitergehenden planlosen Entwicklung allein als Frage der Durchsetzung der Erstplanungspflicht zu berücksichtigen ist. 240 Allein dieses vermittelnde Verständnis garantiert eine dogmatisch widerspruchsfreie und den gemeindlichen Belangen angemessen Rechnung tragende Begründung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB und stellt damit den im Folgenden zugrunde zu legenden Ansatz dar. (2) Anwendungsbereich: Beschränkung auf unbeplanten Innenbereich? Nachdem die generelle Berechtigung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB und deren allgemeine Voraussetzungen behandelt wurden, stellt sich im
238
Schmidt-Aßmann, VerwArch 71 (1980), 117, 135. BVerwGE 119, 25, 43 ff. 240 Die auf den ersten Blick missverständliche Verknüpfung von zeitlichen und materiellen Kriterien in den Entscheidungsgründen der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ erklärt sich daraus, dass das Gericht die gesondert ausgegliederte Frage der Durchsetzung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB als Frage des irrevisiblen Landesrechts angesichts der rechtmäßigen Durchsetzung der Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB als nicht entscheidungserheblich dahinstehen lassen konnte (BVerwG, DVBl 2004, 239, 246) und deshalb an dieser Stelle eine exakte Differenzierung unterblieb. 239
250
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Rahmen der generellen Begründung noch die Frage nach dem gebietsbezogenen Anwendungsbereich einer solchen Erstplanungspflicht. Vereinzelt findet sich in der jüngeren Literatur die Auffassung, aufgrund der Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung für Private mittels spezieller Raumordnungsklauseln sei der Anwendungsbereich für eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB eingeschränkt. So legt das Zentralinstitut für Raumplanung unter Verweis auf Runkel dar, dass aufgrund einer direkten Zielbindung der Einzelgenehmigung nach § 35 III S. 2 BauGB für den Außenbereich eine Erstplanungspflicht nach § 1 IV BauGB nicht anzuerkennen sei. 241 Runkel geht in seinen Darstellungen davon aus, dass für den Fall einer Zielbindung durch fachgesetzliche Raumordnungsklauseln die Ziele der Raumordnung auch ohne Umsetzung im Wege der Bauleitplanung eine vergleichbare Bindungswirkung gegenüber Privaten entfalteten, so dass es in diesen Konstellationen generell an der materiellen Erforderlichkeit einer Erstplanungspflicht nach § 1 IV BauGB mangele. 242 So seien für ein Eignungsgebiet „Windenergienutzung“ aufgrund der Raumordnungsklauseln des § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB durch Aufstellung eines Bauleitplans lediglich für nicht raumbedeutsame Vorhaben erhöhte Bindungswirkungen zu erzielen, so dass eine raumordnungsrechtlich begründete Erstplanungspflicht diesbezüglich im Außenbereich nicht erforderlich sei. 243 Bei konsequenter Übertragung dieses Gedankens könnte man aufgrund des durch das EAG Bau 2004 neu normierten § 34 III BauGB ebenfalls zu einer mittelbaren Zielbindung – jedenfalls wenn man zentrale Versorgungsbereiche inhaltlich unter Rückgriff auf die Zielausweisungen des Zentrale-Orte-Konzepts bestimmt 244 – und damit zu einer mangelnden Notwendigkeit einer Erstplanungspflicht für den unbeplanten Innenbereich kommen. Als Konsequenz käme damit eine Erstplanungspflicht lediglich noch für den unbeplanten Innenbereich und aufgrund von solchen Zielen der Raumordnung in Betracht, die keinen Bezug zur Funktion als Versorgungsbereich aufweisen. Eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs der Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB erscheint jedoch nicht sachgerecht. Vielmehr liegt diesem Ansatz eine unzutreffende Betonung der realen Durchsetzungsrelevanz zugrunde. Die faktische Bedeutungslosigkeit auf der Durchsetzungsebene, welche durch anderweitige Sicherungsmechanismen begründet wird, vermag nicht den grundsätzlich gegebenen Pflichtcharakter in Frage zu stellen. Die Ziele der Raumordnung sind 241
Dafft/Grotefels/Heemeyer/u. a., DVBl 2005, 1149, 1160. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 94; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 65b. 243 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 39.], Rn. 94; auch Halama (in: FS Schlichter, 201, 211) weist ausdrücklich auf die Zielsicherungswirkung des § 35 III BauGB im Zusammenhang mit der Begründung der Erstplanungspflicht hin. 244 Zum Problem der Bestimmung zentraler Versorgungsbereiche vgl. die Darstellungen von: Rauber, VR 2005, 379, 380 f. 242
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trotz spezieller Raumordnungsklausel ihrem Wesen nach regelmäßig auf Umsetzung durch Bauleitplanung angelegt. Allein die baurechtliche Unzulässigkeit, welche dem eigentlichen Ziel inklusive dessen Umsetzungsbedürftigkeit logisch nachgelagert ist, vermag die Pflichtigkeit nicht auszuhebeln. Dies verdeutlicht besonders ein Vergleich mit der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB: Nur weil in konkreten Situationen ein Planungserfordernis nach § 35 III S. 1 BauGB einem Einzelvorhaben aufgrund der Notwendigkeit einer planerisch verantworteten Außenkoordination entgegensteht und folglich eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht besteht, fällt dadurch eine gleichfalls aus Gründen der Außenkoordination erforderliche, aber losgelöst von der Zulassungsentscheidung eines Einzelvorhabens bestehende, objektiv determinierte Erstplanungspflicht nach § 1 III S. 1 BauGB nicht fort. Die normative Pflicht zur Bauleitplanung, welche spezifischer Ausdruck des Planmäßigkeitsgrundsatzes ist, kann somit nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass rechtliche Begleitumstände eine Gefährdung dieses Grundsatzes in der Praxis verhindern und ein kommunalaufsichtliches oder landesplanerisches Einschreiten vielfach entbehrlich machen. Diesen faktischen Überlegungen ist vielmehr allein auf der Ebene der Dringlichkeit, und damit auf der Durchsetzungsebene einer Erstplanungspflicht, angemessen Rechnung zu tragen. Der Anwendungsbereich einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB ist somit nicht von vornherein sachlich auf einen bestimmten Anwendungsbereich begrenzt, sondern kann im Einzelfall sowohl den unbeplanten Innen- wie auch den Außenbereich umfassen. 2. Auswirkungen des EAG Bau 2004 Bereits bei der Bestimmung des gebietsbezogenen Anwendungsbereichs einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB wurde eine Gesetzesänderung im Zuge des EAG Bau 2004, nämlich § 34 III BauGB, relevant. Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, inwieweit die Änderungen des EAG Bau 2004 generell Auswirkungen auf die Annahme einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB haben. Wie bereits erörtert, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die neusten Gesetzesänderungen als Reaktion auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, geschweige denn als Korrektur derselben, aufzufassen sind. 245 Vielmehr handelt es sich um unterschiedliche Reaktionen auf planerische Missstände und veränderte Raumnutzungspräferenzen, welche sich eher gegenseitig ergänzen denn ausschließen. Für den Anwendungsfall des § 34 III BauGB und einer Erstplanungspflicht nach § 1 IV BauGB im nicht beplanten Innenbereich 245
Siehe oben: 3. Kap. D.I.3.c).
252
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
zeigt sich dies bereits daran, dass – wenn man zentrale Versorgungsbereiche im Sinne der Norm überhaupt raumordnungsrechtlich bestimmen möchte 246 – nur ein Teilbereich der möglichen Raumordnungsziele, nämlich das seinerseits wiederum heftig umstrittene Zentrale-Orte-Konzept, 247 überhaupt inhaltlich erfasst ist, so dass keine umfassende Ersetzung erfolgte. Für eine strikte Beschränkung der Rechtsfigur der Erstplanungspflicht ausschließlich auf jene Fälle als zugrunde liegender gesetzgeberischer Konzeption finden sich zudem keine Hinweise. Der generelle Bestand der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB bleibt also durch die Änderungen im Zuge des EAG Bau 2004 unberührt. Fraglich ist jedoch, ob sich durch die Einfügung des § 2 II S. 2 BauGB Veränderungen für die Struktur der Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB ergeben. So wird anlässlich der Formulierung des § 2 II S. 2 BauGB diskutiert, ob eine grundsätzliche Verschiebung in der Bedeutung und Handhabe der Ziele der Raumordnung eingetreten ist. 248 § 2 II S. 1 BauGB lautet: „Dabei können sich die Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.“ 249 Dies verdeutlicht, dass der neu eingefügte Satz an das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 II S. 1 BauGB anknüpft. Problematisch erscheint diesbezüglich allerdings, dass nach bisheriger Rechtslage unzweifelhaft die interkommunale Abstimmung als Abwägungsvorgang verstanden wurde, wohingegen die Anpassung an Ziele der Raumordnung, jedenfalls hinsichtlich des Zielkerns, als der Abwägung vorgelagerte und strikte Bindung verstanden wurde. Nun ließe sich der Wortlaut der Norm dahingehend verstehen, dass die Ziele der Raumordnung bei der interkommunalen Abwägung („Dabei“) wie andere Belange („auch“) von den Nachbargemeinden geltend gemacht werden können. 250 Es könnte sich also durch die neue Formulierung eine Zurechung der Ziele der Raumordnung zum „Abwägungsmaterial“ und daraus logisch folgend ihre Überwindbarkeit im Rahmen einer planerischen Abwägung durch den Planungsträger ergeben. In diesem Sinne ließe sich auch auf die Gesetzesbegründung Bezug nehmen, nach welcher der 246
Vergleiche zu dieser Problematik: Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 34, Rn. 55; Berkemann, in: Berkemann/Halama, § 34, Rn. 19 ff. u. § 2, Rn. 30 ff. 247 Siehe dazu die folgenden Darstellungen: 3. Kap. E.II.2. 248 Dafft/Grotefels/Heemeyer/u. a., DVBl 2005, 1149, 1155; Kment, UPR 2005, 95, 97; Hoppe/Otting, DVBl 2004, 1125, 1128 f.; Hendler, UPR 2006, 325, 326; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 188 ff. 249 Kursive Hervorhebungen erfolgten durch den Verfasser dieser Arbeit. 250 Hoppe/Otting, DVBl 2004, 1125, 1127; Dafft/Grotefels/Heemeyer/u. a., DVBl 2005, 1149, 1155.
E. § 1 IV BauGB
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Zweck der Norm darin liege, § 2 II S. 1 BauGB „um raumordnerische Belange“ zu erweitern, da die Wortwahl „Belange“ typischerweise der Abwägungsdogmatik zuzurechnen ist. 251 Auf der anderen Seite ist nicht erkennbar, dass Auswirkungen, geschweige denn grundsätzliche Änderungen, für die Vorschrift des § 1 IV BauGB von Seiten des Gesetzgebers intendiert waren. Nach der Grundkonzeption sollte vielmehr als Entsprechung der begünstigenden und beschränkenden Wirkung der Ziele der Raumordnung nunmehr neben der verpflichtenden Regelung in § 1 IV BauGB auch eine berechtigende Regelung zur Durchsetzung dieser Ziele als wehrfähige Positionen der Nachbargemeinden geschaffen werden. 252 Diesem grundsätzlich angestrebten Bedeutungszuwachs liefe eine Zurechnung der Raumordnungsziele als bloßes Abwägungsmaterial zuwider. Ferner müsste neben einem systematischen Widerspruch zur Regelung des § 1 IV BauGB zugleich eine spezielle Abweichung von der allgemeinen raumordnungsrechtlichen Festlegung des § 3 Nr. 2 ROG als Beeinträchtigung des generellen Wirkungsgefüges von Raumordnungsund Bauleitplanung seitens des Gesetzgebers anzunehmen sein, wofür ebenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, da der Gesetzgeber lediglich die Rechte der Nachbargemeinden stärken wollte. 253 Im Einklang mit diesen Bedenken lässt sich der Wortlaut der Norm zudem auch so verstehen, dass die Gemeinden sich im Rahmen der interkommunalen Abstimmung ergänzend nur auf die „Funktionen“ berufen können, welche ihr durch Ziele der Raumordnung zugewiesen sind, so dass gerade nicht die abstakten Ziele der Raumordnung, sondern lediglich deren Funktionen diesbezüglich zu berücksichtigen wären. 254 Diese letztere Auslegung des Regelungsgehalts des § 2 II S. 2 BauGB im Hinblick auf § 1 IV BauGB erscheint aus systematischen und gesetzeszwecksbezogenen Erwägungen vorzugswürdig. Offen bleiben kann an dieser Stelle die allein § 2 II BauGB berührende Frage, ob entsprechend dem Zweck der Norm ausschließlich eine Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung für die Nachbargemeinden normiert wurde 255 oder ob vielmehr dahingehend zu differenzieren ist, dass nicht die Ziele der Raumordnung, sondern ausschließlich die durch diese zugewiesenen Funktionen entsprechend dem Wortlaut Teil der Abwägung sein sollen 256. Diese Fragestellung tangiert 251
BT-Drs. 15/2250, S. 41; Kment, UPR 2005, 95, 97. BT-Drs. 15/2250, S. 41; Bericht der Expertenkommission zum EAG Bau, Rn. 215; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 24; Krautzberger, UPR 2004, 41, 46. 253 Kment, UPR 2005, 95, 97. 254 Hoppe/Otting, DVBl 2004, 1125, 1128 f.; Moench, DVBl 2005, 676, 684; Uechtritz, DVBl 2006, 799, 803. 255 Dafft/Grotefels/Heemeyer/u. a., DVBl 2005, 1149, 1156; Kment, UPR 2005, 95, 97. 252
254
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
jedenfalls nicht den Bestand und die Begründung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB. Zusammenfassend ist also deutlich geworden, dass durch die Neuerungen des EAG Bau 2004 keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Begründung und den Bestand einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB eingetreten sind. 3. Objektive Determination der Erstplanungspflicht Nachdem die Begründung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB erfolgt ist, soll im Folgenden eine Bestimmung und Einordnung des Pflichtcharakters dieser Planungspflicht in die dieser Arbeit zugrunde liegende Systematisierung von subjektiv und objektiv determinierten Erstplanungspflichten erfolgen. Diese Zuordnung bereitet bei § 1 IV BauGB keine Probleme: Die Ziele der Raumordnung als eigentliche Auslöser der Erstplanungspflicht werden von Landesplanungsträgern autonom festgelegt, welche mit den umsetzungsverpflichteten Planungsträgern der Bauleitplanung nicht identisch sind. Auch kann der Beteiligung der Gemeinden als Konsequenz aus dem raumordnerischen Gegenstromprinzip kein derartig gestaltender Umfang beigemessen werden, der es gerechtfertigt erscheinen lassen würde, die Aufstellung der Ziele als maßgeblich von Vorstellungen der Gemeinde abhängig anzusehen. Folglich handelt es sich um eine Erstplanungspflicht, welche ohne „mittelndes“ Verhalten der Gemeinden als verpflichtetem Planungsträger weitestgehend unabhängig von deren gestalterischen Vorstellungen entsteht, so dass es sich bei der Planungspflicht gemäß § 1 IV BauGB aus der Sicht des Pflichtigen um einen typischen Fall einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht handelt. 4. Verhältnis zur Pflicht aus § 1 III S. 1 BauGB Die Einordnung als objektiv determinierte Erstplanungspflicht wirft die Frage auf, wie sich im Fall ihres Zusammentreffens die jeweiligen Planungspflichten der Gemeinden aus § 1 IV BauGB und § 1 III S. 1 BauGB zueinander verhalten. Allgemein ist zunächst festzustellen, dass Erstplanungspflichten im Falle der zeitgleichen Pflichtigkeit des Planungsträgers regelmäßig widerspruchslos nebeneinander bestehen können, da sich eine Pflicht zur Aufstellung eines Plans als Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums im Einzelfall aus mehreren Gesichtspunkten ergeben kann. Dies wird besonders deutlich innerhalb des sowohl eine subjektiv determinierte, wie auch eine objektiv determinierte Erstplanungs256 In diesem Sinne: Moench, DVBl 2005, 676, 684; Krautzberger, UPR 2004, 41, 46; Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1027; Hoppe/Otting, DVBl 2004, 1125, 1128 f.; Erbguth/ Wager, § 5, Rn. 173, Fn. 595.
E. § 1 IV BauGB
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pflicht beinhaltenden Erstplanungspflichttatbestands des § 1 III S. 1 BauGB, bei welchem konfliktfrei beide Pflichtcharaktere nebeneinander bestehen können. 257 Dennoch wurde namentlich im bereits erwähnten Fall „Mülheim-Kärlich“ durch die Revision ein Anwendungsvorrang der Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB gegenüber derjenigen aus § 1 III S. 1 BauGB geltend gemacht. 258 Eine derartige Spezialität ließe sich aus raumordnerischer Perspektive daraus herleiten, dass den Raumordnungszielen als höherstufigen und überörtlichen Planungen gegenüber der örtlichen Bauleitplanung insoweit eine Vorrangstellung einzuräumen ist, als eine strikte Bindungswirkung der Ziele im Sinne eines der Abwägung vorgelagerten und ihr damit entzogenen Geltungsanspruchs nicht durch die abwägungsbezogene Erstplanungspflicht nach § 1 III S. 1 BauGB durch eine drohende Perspektivveränderung des Planungsträgers für die Praxis gefährdet werden dürfe. Zutreffend hat demgegenüber das Bundesverwaltungsgericht eine Realkonkurrenz beider Erstplanungspflichten angenommen: 259 Die Differenz in der Zielrichtung beider Vorschriften rechtfertigt einen verdrängenden Vorrang des § 1 IV BauGB nicht. Vielmehr setzt § 1 IV BauGB erst im generellen Wirkungsgefüge der Bauleitplanung als von der Gemeinde aus städtebaulichen Gründen nach § 1 III S. 1 BauGB initiierter Planung an, indem für die Abwägung planerisch nicht überwindbare Schranken statuiert werden. Insoweit greifen die beiden Erstplanungspflichten inhaltlich „ineinander“, als von § 1 IV BauGB eine Verpflichtung planungsunwilliger Gemeinden zur Planung aus raumordnerischen, überörtlichen Gesichtspunkten ausgehen kann, während § 1 III S. 1 BauGB selbige Verpflichtung aus bodenrechtlichen, primär örtlichen Gesichtspunkten enthält. 260 Angesichts dieses unterschiedlichen Bezugsrahmens ist außerdem festzuhalten, dass für den Pflichtenbestand als solchen eventuelle inhaltliche Pflichtenkollisionen zwischen städtebaulichen und raumordnerischen Erfordernissen bei der verwirklichenden Pflichterfüllung mittels Planung außer Betracht bleiben können, da diese lediglich die inhaltliche Ausgestaltung der geforderten Planung, nicht jedoch die generelle Pflicht zur Planung als solche tangieren können. 261 Auch bei systematisch-funktionaler Analyse erscheint ein Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Normen nicht begründbar. So beinhaltet § 1 III S. 1 BauGB neben seiner Funktion als Planungspflicht zugleich eine Planungsschranke für 257
Siehe dazu bereits: 2. Kap. C.I.2. und 3. Kap. D.I.3. BVerwGE 119, 25, 42. 259 BVerwGE 119, 25, 42 f. 260 BVerwGE 119, 25, 42 f.; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 90, Fn. 211. 261 Angesichts der strikten Bindungswirkung des § 1 IV BauGB erscheint zudem eine inhaltliche Pflichtenkollision, welche ein Zurücktreten zwischen gleichrangigen Belangen nötig werden ließe, kaum vorstellbar, da diesbezüglich die planerische Abwägung stets nachrangig zu berücksichtigen ist. 258
256
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
nicht erforderliche Planungen und beinhaltet damit eine inhaltlich strengere Form der fachplanerischen Planrechtfertigung. Demgegenüber kommt § 1 IV BauGB die Funktion eines Planungsleitsatzes zu. 262 Als Konsequenz ihrer unterschiedlichen Zweckrichtung ist also mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur kein Rangverhältnis zwischen den Vorschriften anzunehmen, so dass diese jeweils allein oder nebeneinander zur Anwendung gelangen können. 263 5. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass sich aus § 1 IV BauGB eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht ergeben kann, wenn „die Verwirklichung der Raumordnungsziele bei Fortschreiten der „planlosen“ städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare (tatsächliche oder rechtliche) Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde“, wobei diese Erstplanungspflicht neben einer solchen aus § 1 III S. 1 BauGB bestehen kann.
II. Anforderungen an pflichtenbegründende Ziele der Raumordnung Bereits im Rahmen der Herleitung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB wurde anlässlich der Darstellung spezifischer Entstehungsvoraussetzungen einer solchen Pflicht erwähnt, dass neben zeitlichen und materiellen Erforderlichkeitskriterien zudem die Ziele der Raumordnung ihrerseits eine Erstplanungspflicht inhaltlich ermöglichen müssen. Im Folgenden soll deshalb zunächst dargestellt werden, welche spezifischen Anforderungen an Ziele der Raumordnung zu stellen sind, damit diese generell im Sinne des § 1 IV BauGB pflichtenbegründend sein können (1.), bevor sodann speziell auf die Tragweite landesplanerischer Festlegungen im Bereich des Zentrale-Orte-Konzepts für die Begründung von Erstplanungspflichten als bedeutsamstem und zugleich wohl komplexestem Anwendungsfall eingegangen werden soll (2.).
262 Battis, BauR, S. 91; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 5, Rn. 23; Peine, BauR, Rn. 371. 263 BVerwGE 119, 25, 43; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 23; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 25; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 90, Fn. 211; Buchinger/ Pfeiffer, JA 2004, 522, 523.
E. § 1 IV BauGB
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1. Generelle Anforderungen Um als Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB in Betracht zu kommen, müssen die Ziele der Raumordnung, an welche die Bauleitpläne anzupassen sind, zunächst den allgemeinen Anforderungen an den raumordnungsrechtlichen Zielbegriff genügen [a)]. Ferner muss erwogen werden, ob inhaltlich weitergehende Anforderungen an die jeweiligen Ziele zu stellen sind, um die besonders intensive Rechtsfolge einer Erstplanungspflicht zu rechtfertigen [b)], bevor abschließend auf generelle Problemfälle des Zielbegriffs einzugehen ist [c)]. a) Allgemeine Anforderungen an Ziele der Raumordnung Unzweifelhaft muss das jeweils als Auslöser einer Erstplanungspflicht in Betracht kommende Ziel der Raumordnung überhaupt als solches einzuordnen sein und selbstverständlich seinerseits rechtmäßig sein. Die vielfältigen Auseinandersetzungen um den Zielbegriff im Raumordnungsrecht im Allgemeinen als zentralem Debattenschwerpunkt für den Bereich der Raumordnung können an dieser Stelle nicht in der gesamten Breite des akademischen und praktischen Spektrums dargelegt werden. Vielmehr soll eine problembezogene Darstellung dahingehend erfolgen, dass die zentralen Problemfelder der Einordnung als Ziel der Raumordnung im Zusammenhang mit Erstplanungspflichten abstrakt erläutert werden. Ausgehend von der Legaldefinition des § 3 Nr. 2 ROG sind Ziele der Raumordnung „verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums“. Jenseits des Erfordernisses einer ihrerseits rechtmäßigen Rechtsgrundlage 264 und der formellen Kennzeichnung als Ziel der Raumordnung nach § 7 I S. 3 ROG werden aus dieser Definition allgemein verfahrensmäßige und materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen zugrunde gelegt. 265
264 Die Anforderungen an die jeweilige landesrechtliche Rechtsgrundlage zur Aufstellung von Raumordnungsplänen hängen maßgeblich von der Rechtsformeinordnung der Raumordnungspläne bzw. –ziele ab. Diese Einordnung ist jedoch für § 1 IV BauGB ohne Bedeutung (so auch: Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 79; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 73). Zur diesbezüglichen Auseinandersetzung siehe: Runkel, in: Bielenberg/Runkel/ Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 160 ff.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 336 ff. 265 Vergleiche dazu im Detail die Zusammenstellung von: Runkel, in: Bielenberg/ Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 22.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Für die gemeindliche Bindung als Grundlage einer Erstplanungspflicht müssen nach § 7 VI ROG zunächst im Rahmen des Aufstellungsverfahrens die jeweils betroffenen Kommunen beteiligt worden sein, da gegenüber nicht beteiligten Stellen als Konsequenz des Gegenstromprinzips aus § 1 III ROG jedenfalls keine Bindungswirkung des Raumordnungsziels einzutreten vermag. 266 Materiell-inhaltlich darf kein Verstoß gegen höherrangige Normen oder Planungen vorliegen. 267 Da dies in Fällen einer in Frage stehenden Erstplanungspflicht insbesondere Art. 28 II GG betrifft, müssen die Ziele der Raumordnung als Einschränkungen der gemeindlichen Planungshoheit durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht gerechtfertigt sein und substantiellen Raum für konkretisierende Bauleitplanung lassen. 268 Diese spezielle Verhältnismäßigkeit wird durch eine ordnungsgemäße raumordnungsrechtliche Abwägung als zentralem Rechtmäßigkeitserfordernis jeglicher Planung gewährleistet. 269 Die Anforderungen an die raumordnungsrechtliche Abwägung orientieren sich weitestgehend an der im Bauplanungsrecht entwickelten Abwägungsdogmatik. 270 Allerdings sind zwei spezifisch raumordnungsrechtliche Besonderheiten zu beachten. Zum einen ist dem sich insbesondere im geringeren Detailgrad der raumordnerischen Festsetzungen niederschlagenden Maßstab der grundsätzlich grobmaschigeren Festsetzungen in Landes- oder Regionalplanungen Rechnung zu tragen, indem als Entsprechung dieses Maßstabs von planerischer Seite auch eine grobmaschigere und pauschalere Berücksichtigung von privaten und öffentlichen Abwägungsbelangen als Grundlage dieser Festsetzungen möglich sein muss. 271 Zum anderen bedarf es einer differenzierten Lösung, wie dem Erfordernis einer abschließenden Abwägung bei Raumordnungszielen zu genügen ist. Dieses Erfordernis findet seine Rechtfertigung in der strikten Bindungswirkung der Raumordnungsziele als raumordnerische Letztentscheidungen, welche gem. § 1 IV BauGB 266 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 71; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 136 ff.; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 347 ff.; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 [Lfg.: 6.], Rn. 34; Mitschang, Steuerung durch Bauleitplanung, S. 196 f. 267 Halama, in: FS Schlichter, 201, 217. 268 BVerwGE 90, 329, 335 f.; Halama, in: FS Schlichter, 201, 218 f.; Hoppe, in: Hoppe/ Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 18; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 88; Moench, DVBl 2005, 676, 685. 269 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 72; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 58; Moench, DVBl 2005, 676, 685. 270 Halama, in: FS Schlichter, 201, 222 f.; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 60 ff. 271 Halama, in: FS Schlichter, 201, 221 f.; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 72 f.
E. § 1 IV BauGB
259
einer erneuten allumfassenden Abwägung im Rahmen der Bauleitplanung als anpassungspflichtige Zielaussage vorgelagert und damit entzogen sind, so dass eine abschließende Abwägung bereits auf der Ebene der Landes- bzw. Regionalplanung zu fordern ist. 272 Im Spannungsfeld zwischen maßstabsgerechten, möglichst nicht parzellenscharfen Festsetzungen und dem Erfordernis einer abschließenden Abwägung muss jedoch ebenso dem rahmensetzenden Charakter 273 der Raumordnungsplanung Rechnung getragen werden, nach welchem die überörtliche Planung hinsichtlich der örtlichen Planung verbindliche Rahmenbedingungen statuiert, die deshalb jedoch tendenziell auf weitere Konkretisierung auf dieser Ebene angelegt sind bzw. eine solche ermöglichen sollen. 274 Zur sachgerechten Bewältigung dieses Konflikts zwischen dem Erfordernis abschließender Abwägung der Raumordnungsziele und der aufgrund der Rahmenfunktion der Ziele notwendigen Offenheit, welcher eine detaillierte Abwägung aller betroffenen Individualinteressen zuwiderläuft, bietet sich ein Rückgriff auf die bereits erwähnte Differenzierung Runkels an: Dieser unterscheidet innerhalb der Zielbindung zwischen dem strikt bindenden Zielkern und dem konkretisierungsbedürftigen Zielrahmen, so dass sich das Gebot abschließender Abwägung ausschließlich auf den Zielkern bezieht. 275 Im Einzelfall ist also auf Grundlage dieser Differenzierung zu ermitteln, ob das als Grundlage einer Erstplanungspflicht in Frage stehende Ziel der Raumordnung Produkt einer ordnungsgemäßen, bezüglich des strikten Zielkerns abschließenden Abwägung ist. Die Verpflichtung zur erstmaligen Aufstellung eines Bauleitplans für die kommunalen Träger der Bauleitplanung lässt sich diesbezüglich also mit Hoppe prägnant als Erfordernis „zielinterner, zielkonformer konkretisierender Ausgestaltung“ kennzeichnen. 276 Als letztes, aber für den Anwendungsbereich von Erstplanungspflichten besonders relevantes Erfordernis einer raumordnerischen Zielfestlegung ist näher auf das rechtsstaatliche Gebot räumlicher und sachlicher Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit einzugehen. 277 272 Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 226 ff.; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 9 f.; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 79; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 387; Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 159 ff. 273 Vergleiche zu diesem Begriff: Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 86. 274 BVerwGE 90, 329, 334; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 11. 275 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 74; ihm folgend jüngst: Kment, DVBl 2006, 1336, 1342. 276 Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 11. 277 Zur Unterscheidung von Bestimmtheit und Bestimmbarkeit zutreffend Kment (DVBl 2006, 1336, 1336): „Bei dieser Unterscheidung, die zugegebenermaßen im Gesetz angelegt ist, wird jedoch übersehen, dass alles, was bestimmbar ist, auch bestimmt ist, so dass auf die Differenzierung zwischen Bestimmbarkeit und Bestimmtheit verzichtet werden kann.“
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Bestimmbarkeit ist bei einer Zielaussage anzunehmen, wenn sie allein oder im Zusammenhang mit anderen Festlegungen, naturräumlichen Gegebenheiten oder anerkannten Standards so konkretisiert werden kann, dass sie einen bestimmten räumlichen und sachlichen Inhalt hat, den der Zieladressat beachten soll. 278 Als Beurteilungsmaßstab ist dabei auf die Zieladressaten als dem Ziel Verpflichtete abzustellen, da für diese erkennbar sein muss, welcher konkreten Beachtens- bzw. Anpassungspflicht sie unterliegen. 279 Räumliche Bestimmbarkeit ist gegeben, wenn mit hinreichender Sicherheit aus dem Raumordnungsplan zu ermitteln ist, auf welchen geographischen Teilraum, Bereich oder Standort sich die Zielfestlegung bezieht. 280 Ausreichend ist diesbezüglich regelmäßig eine gemeindescharfe Darstellung; gebiets- oder parzellenscharfe Festlegungen sind generell nicht gefordert. 281 Sachliche Bestimmbarkeit wird angenommen, wenn sich die Bindung im Sinne einer Handlungsanweisung und der fachliche Bereich, für den Bindungen ausgesprochen werden, aus der Festlegung selbst ergeben. 282 Es muss also eindeutig dem Raumordnungsplan zu entnehmen sein, für welche konkreten Maßnahmen und für welchen konkreten Zweck die landesplanerische Festsetzung erfolgt ist. 283 b) Spezielle Anforderungen an planungspflichtbegründende Raumordnungsziele? Nachdem die allgemeinen Anforderungen an Ziele der Raumordnung umrissen wurden, stellt sich die Frage, ob bei der Anwendung des § 1 IV BauGB zur Begründung einer Erstplanungspflicht höhere Anforderungen an Ziele der Raumordnung als beim allgemeinen raumordnungsrechtlichen Zielbegriff zu stellen sind. Dieses könnte geboten erscheinen, um dem Ausnahmecharakter von Pflichten zur Aufstel-
278 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 28; Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 157. 279 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 393; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/ Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 40. 280 Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 9; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/ Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 31; Kment, DVBl 2006, 1336, 1339 f. 281 Anders jedoch Hoppe (in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 17) für solche Ziele der Raumordnung, denen einzelentscheidungsbindende Wirkung aufgrund von speziellen Raumordnungsklauseln, im Gegensatz zur allgemeinen planbindenden Wirkung, zukommt. 282 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 32; v. d. Heide, in: Cholewa / Dyong / u. a., § 3 ROG [Lfg.: 1.], Rn. 14. 283 Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 393; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 9.
E. § 1 IV BauGB
261
lung eines Bauleitplans Rechnung zu tragen, da diese einen besonders intensiven Eingriff in Art. 28 II GG darstellen. Eine Veränderung des Maßstabs, anhand dessen die Zielqualität zu bestimmen ist, ist in anderen Zusammenhängen anerkannt. So wird verbreitet für die (einzel-)entscheidungsbindende Zielwirkung nach § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB – in Abgrenzung zur allgemein planbindenden Zielwirkung – ein strengerer Konkretisierungsgrad im Sinne einer funktionsscharfen Zielfestlegung mit gebietsscharfen zeichnerischen Darstellungen dahingehend gefordert, dass kein Bedürfnis nach planerischer Konkretisierung der Ziele bestehen darf. 284 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fasst dieses Erfordernis in die Formel, dass die Ziele der Raumordnung für die Wirkung nach § 35 III BauGB inhaltlich im Gegensatz zur „typischerweise relativ offene Rahmenbedingungen“ schaffenden und auf Ausgestaltung durch die Bauleitplanung angelegten, regelmäßigen Raumordnungsplanung ausnahmsweise so bestimmt sein müssen, „dass sie der unmittelbaren Rechtsanwendung im Einzelfall zugänglich sind“. 285 Eine derartige Unterscheidung dahingehend, dass eine konkrete Festsetzung eines Raumordnungsplans nicht allgemeingültig-absolut als „Ziel der Raumordnung“ zu bestimmen ist, sondern die Zielqualität vielmehr im Einzelfall nach dem der konkreten Anwendung zugrunde liegenden Normzweck zu bestimmen wäre, ist dem Raumordnungsrecht trotz der Legaldefinition des Zielbegriffs nicht grundsätzlich fremd. Vielmehr legt Runkel dar, dass sogar bei raumordnungsinterner Betrachtung eine Relativität des Zielcharakters dahingehend anzunehmen ist, dass die Zielqualität einer raumordnerischen Aussage hinsichtlich ihrer Bestimmtheit für jede nachfolgende Planungsstufe gesondert zu beurteilen ist; folglich kann eine konkrete Festlegung gegenüber einem Adressaten Zielqualität haben, während sie sich für eine andere Planungsebene mangels Bestimmbarkeit lediglich als Grundsatz der Raumordnung darstellt. 286 Wenn also bereits für die allgemeine Beachtenspflicht nach § 4 I S. 1 ROG keine absolute Bestimmung des Zielcharakters einer konkreten Festlegung möglich erscheint, so wäre es für spezielle Anwendungsfälle der Ziele der Raumordnung, hier den einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB, nicht fern liegend, ebenfalls eine relative Handhabe des Zielbegriffs zu fordern, um einschränkenden rechtlichen Erfordernissen angemessen Rechnung tragen zu können. 284 Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 14 ff.; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/ Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 50; Spoerr, DVBl 2001, 90, 93 f.; Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 98; kritisch zu diesem Ansatz: Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 151 f. 285 BVerwGE 115, 17, 21; Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Plan-UP-Richtlinie, 27, 29 f. 286 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 42; so auch Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Plan-UP-Richtlinie, 27, 30.
262
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Jenseits der Frage der rechtlichen Zulässigkeit besteht vorliegend jedoch bereits keine Erforderlichkeit für eine derartige Modifikation des Zielbegriffs. Die Bindungswirkung der speziellen Anpassungsklausel in § 1 IV BauGB bestimmt sich für alle Planungskonstellationen einheitlich anhand des Erfordernisses des „Anpassens“. Welche Rechtsfolgen diese Verpflichtung nach sich zieht, unterscheidet sich anhand der bauleitplanerischen Ausgangssituation: Maßgebend ist insoweit, ob bereits eine Planungsinitiative der Gemeinde oder eine vorhandene Bauleitplanung für das betreffende Ziel vorhanden ist oder ob ein planloser Zustand nach der gemeindlichen Planungskonzeption weiter beibehalten werden soll. Dieser raumordnungsferne, allein bauleitplanerische Unterschied vermag eine relative Verschärfung der Zielanforderungen bereits deshalb nicht zu rechtfertigen, da er auf Ebene der Raumordnung planerisch keine Berücksichtigung finden kann. Stattdessen ist besonderen Erfordernissen im Sinne einer Beschränkung auf Ausnahmefälle im eigentlichen Pflichtentatbestand oder auf der Ebene der Durchsetzung einer Erstplanungspflicht effektiv und flexibel Rechnung zu tragen. 287 Spezielle Anforderungen an erstplanungspflichtbegründende Ziele der Raumordnung im Sinne des § 1 IV BauGB sind damit nicht zu fordern. Es verbleibt diesbezüglich bei den allgemeinen Anforderungen an Ziele der Raumordnung im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG. c) Problemfälle: Soll-Ziele; Regel/Ausnahme-Ziele Auch wenn also an raumordnerische Festsetzungen keine speziellen Anforderungen für den Status einer Zielqualität im Rahmen einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB zu stellen sind, so kristallisieren sich in diesem Zusammenhang doch zwei typische, formell als Ziel der Raumordnung bezeichnete Festsetzungen heraus, bei welchen kumulativ die allgemeinen Erfordernisse der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit und der abschließenden Abwägung als Grundlage einer raumordnerischen Letztentscheidung die materielle Zielqualität in Frage stellen: Es handelt sich um die landesplanerischen Aussagen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ und die sog. „Soll-Ziele“. Für diese beiden strittigen Konstellationen soll im Folgenden die Einordnung als Ziel oder Grundsatz der Raumordnung und damit insbesondere die Entscheidung über die Bindungswirkung für eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB erfolgen.
287
Siehe dazu bereits oben: 3. Kap. E.I.1.c)(1).
E. § 1 IV BauGB
263
(1) Festsetzungen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ Zunächst sind raumordnerische Festsetzungen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ zu problematisieren. Diese verbinden inhaltlich eine strikte Zielaussage mit einem Ausnahmevorbehalt für genau umrissene Ausnahmesituationen. Beispielsweise liegt eine solche Struktur der regionalplanerischen Ausweisung eines Vorranggebietes nach § 7 IV S. 1 Nr. 1 ROG – bei isolierter Betrachtung nach der gesetzlichen Konzeption generell als Ziel der Raumordnung einzuordnen 288 – zugrunde, welche unter konkret benannten Voraussetzungen eine Abweichung von der Zielaussage zulässt. Fraglich ist, ob eine derartige Ausgestaltung mit dem Erfordernis einer abschließenden Abwägung zu vereinbaren ist. Diesem Gebot ist Genüge getan, wenn die eigentliche Planaussage auf landes- bzw. regionalplanerischer Ebene keiner Ergänzung in Form weiterer Abwägungen bedarf. 289 Dies schließt allerdings grundsätzlich die inhaltliche Beschränkung der raumordnerischen Aussage zugunsten einer weitergehenden planerischen Konkretisierung für nachfolgende Planungsebenen nicht aus, da insoweit auch eine abschließende Abwägung zugunsten einer planerischen Zurückhaltung vorliegen kann. 290 Allerdings wird als äußere Grenze einer derartigen inhaltlichen Beschränkung ein Verlust der Zielqualität jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn eine derartig geringe Dichte oder Bestimmtheit der planerischen Aussage vorliegt, dass keine raumordnungsrechtliche Letztentscheidung gegeben ist, sondern vielmehr den Planadressaten die Überwindungsmöglichkeit der Planaussage durch eigene Abwägungsentscheidung ohne landesplanerische Beteiligung eingeräumt wird. 291 Im Fall einer vom Plangeber selbst gesetzten Ausnahme von der Regel-Zielbindung kann also dieser ihrerseits Zielqualität zukommen, wenn die abschließende planerische Abwägung nicht auf eine andere Stelle verlagert wird, sondern vielmehr vom Plangeber selbst die Steuerungswirkung der Planaussage in Form einer raumordnungsplanerischen Letztentscheidung zurückgenommen wird. 292 Es kann in derartigen Situationen also quasi zu zwei Zielaussagen kommen: Zum einen ist die Regel-Bindung ein Ziel der Raumordnung; zum anderen kann sich die Ausnahme-Bindung parallel dazu ihrerseits als Zielaussage darstellen.
288
BVerwGE 119, 54, 58; Hoppe, DVBl 2004, 478, 478; Kirste, DVBl 2005, 993, 999 f. Siehe auch oben: 3. Kap. E.II.1.a). 290 Reidt (in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 63 f.) betont in diesem Zusammenhang, dass es zur Wahrung der kommunalen Planungshoheit sogar geboten sein kann, planerische Zurückhaltung zu üben, um einen bauleitplanerischen Gestaltungsspielraum zu wahren. 291 BVerwGE 119, 54, 60. 292 Hoppe, DVBl 2004, 478, 479; BVerwGE 119, 54, 60. 289
264
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Die ganz herrschende Meinung nimmt deshalb zu Recht an, dass auch Plansätzen, die eine „Regel-Ausnahme-Struktur“ aufweisen, Zielqualität zuzumessen ist, wenn „der Plangeber neben der Regel- auch die Ausnahmevoraussetzungen mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigstens Bestimmbarkeit [ . . . ] selbst festlegt“. 293 Diese Einordnung der „Regel-Ausnahme-Struktur“ gewährleistet, dass der Planungsträger über die Art und die Reichweite einer raumordnerischen Aussage selbstständig und abschließend im Rahmen seiner planerischen Gestaltungsfreiheit entscheidet, da für den Zieladressaten keine autonome planerische Abweichungsmöglichkeit geschaffen wird, wenn sich auch die Ausnahme für ihn als strikt bindende, abschließend abgewogene Zielaussage darstellt. Ferner kommt es bei diesem Verständnis des Ausnahmetatbestands auch nicht zu einer Kollision mit dem Zielabweichungsverfahren nach § 11 ROG, welches raumordnungsrechtlich allgemein für Ausnahmefälle vorgesehen ist und eine landesplanerische Beteiligung bei eventuellen Planabweichungen sichern soll, da unter den Ausnahmetatbestand lediglich vorhersehbare und deshalb bestimmt bzw. bestimmbar umrissene Konstellationen fallen, während dem Zielabweichungsverfahren weiterhin die unvorhersehbaren, atypischen Fallgestaltungen obliegen. 294 Raumordnerische Aussagen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ sind also als Ziele der Raumordnung und damit als Grundlage für eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht nach § 1 IV BauGB einzuordnen, wenn sowohl die Regel- als auch die Ausnahmebedingungen ihrerseits aus der Sicht des Zieladressaten hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar ausgestaltet wurden, so dass es diesbezüglich keiner eigenen planerischen Entscheidung des Bauleitplanungsträgers bedarf. (2) „Soll-Ziele“ Als problematischer erweist sich die raumordnungsrechtliche Einordnung von sog. „Soll-Zielen“ als Ziel oder Grundsatz der Raumordnung. Unter „Soll-Zielen“ werden solche Aussagen in Raumordnungsplänen verstanden, die aufgrund der gewählten Formulierung („soll“, „in der Regel“, „regelmäßig“, „grundsätzlich“) eine Abweichungsmöglichkeit von der eigentlichen 293 BVerwGE 119, 54, 60; BVerwGE 119, 25, 41; OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1581; OVG Lüneburg, NdsVBl 2006, 71, 79; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 27; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 64; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 80; Beckmann, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, N [Lfg.: 16.], Rn. 58; Schrödter, in: Schrödter, § 1, Rn. 48a; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 93; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 224; Hoppe, BauR 2007, 25, 31; Hoppe, NVwZ 2005, 1141, 1143; Hoppe, BayVBl 2005, 356, 358; Hoppe, DVBl 2004, 478, 478 f.; Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 198; Rojahn, in: Spannowsky/Krämer, Plan-UPRichtlinie, 27, 30; Kment, DVBl 2006, 1336, 1341 ff.; Heemeyer, UPR 2007, 10, 15. 294 Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 80; Hoppe, NVwZ 2005, 1141, 1143 f.; Erbguth, DVBl 1998, 209, 210 f.
E. § 1 IV BauGB
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Zielaussage ermöglichen, ohne dass eine textliche Konkretisierung der Einschränkung des Geltungsanspruchs wie im Fall der „Regel-Ausnahme-Struktur“ erfolgt. Als Beispielsfall kann auf Festsetzungen des LEP 2003 des Landes Bayern verwiesen werden, welche wie folgt lauten: „Die zentralen Orte sollen so entwickelt werden, dass sie ihre überörtlichen Versorgungsaufgaben innerhalb ihres Verflechtungsbereiches dauerhaft erfüllen können. Bei der Bereitstellung und dem Ausbau überörtlicher Einrichtungen soll zentralen Orten grundsätzlich der Vorzug eingeräumt werden. Bestehende zentrale Einrichtungen sollen entsprechend dem Vorhalteprinzip möglichst gesichert werden.“ 295 (A III 2. 1.2 LEP Bay 2003) Die materielle Einordnung derartiger Planaussagen ist heftig umstritten; vielfach wird diese Auseinandersetzung sogar als „Glaubenskrieg um Ziele der Raumordnung“ bezeichnet. 296 Nach einer Auffassung steht bei „Soll-Zielen“ die gewählte Formulierung einer Zielqualität nicht entgegen. 297 Dieses Ergebnis rechtfertige sich aus der Rahmenfunktion bzw. dem Konkretisierungsbedürfnis bezüglich der Ziele der Raumordnung, welche gegen ein striktes Höchstmaß an Aussageschärfe sprächen. 298 Der Planungsträger habe es vielmehr selbst in der Hand zu bestimmen, wie weit die Zielbindung reichen solle, so dass keine sachwidrige Einschränkung des planerischen Gestaltungsspielraums durch die Ablehnung von „Soll-Zielen“ erfolgen dürfe. 299 Zudem genügten „Soll-Festlegungen“ den Anforderungen der Bestimmbarkeit und der abschließenden Abwägung. Dies ließe sich deutlich an einem Vergleich zur Auslegung dieser Begrifflichkeit im materiellen Allgemeinen Verwaltungsrecht erkennen: „Soll-Vorschriften“ seien nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen als „Muss-Vorschriften“ zu lesen, bei welchen lediglich in atypischen, vom 295
Kursive Hervorhebungen erfolgten durch den Verfasser dieser Arbeit. Hoppe, BayVBl 2002, 754, 754; Goppel, BayVBl 2002, 449, 449; Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 167; Kment, DVBl 2006, 1336, 1340. 297 Goppel, BayVBl 1998, 289, 292; Goppel, BayVBl 2002, 449, 449 ff.; Spannowsky, UPR 2003, 248, 251 ff.; Hendler, UPR 2003, 256, 260; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 67 ff.; v. d. Heide, in: CholewaDyongu. a., § 3 ROG [Lfg.: 1.], Rn. 24d; Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 392; Reither, BayVBl 2005, 83, 84; Bönker, BauR 1999, 328, 332; Rutkowski, Einfluss der Regionalplanung, S. 59 f.; OVG Lüneburg, NJW 1984, 1776, 1776; OVG Bautzen, LKV 1994, 116, 117; BayVGH, GewArch 1991, 314, 317; BayVGH, BauR 2004, 1899, 1900 f.; OVG Münster, BauR 1998, 1198, 1202; OVG Münster, BauR 2000, 62, 70; OVG Münster, BauR 2001, 1054, 1058; wohl auch: Spoerr, in: FS Hoppe, 343, 351; Heemeyer (UPR 2007, 10, 11) kategorisiert diese Meinungsgruppe als Befürworter „weicher Ziele“. 298 OVG Münster, BauR 2000, 62, 70; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 82; Spannowsky, UPR 2003, 248, 252 f. 299 Hendler, UPR 2003, 256, 260; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 80. 296
266
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Normgeber nicht vorhersehbaren und deshalb nicht vom Normzweck umfassten Einzelfällen ausnahmsweise Abweichungen zugelassen würden; die Verbindlichkeit einer derartigen Planaussage sei also wesentlich höher einzuordnen als bei einem Grundsatz der Raumordnung, und die Zielqualität sei aus diesem Grund zu bejahen. 300 Von Reither wird bezüglich der sprachlichen Ausgestaltung zusätzlich geltend gemacht, dass einer „Sollen“-Formulierung rein sprachlich kein Ausnahmevorbehalt beizumessen sei, sondern sich dieser allein aus dem Kontext eines eingeräumten Ermessensspielraums ergebe, wie es sich unter anderem an dem (vermeintlich) absolut geltenden fünften Gebot „Du sollst nicht töten“ erkennen lasse, so dass auch dieser – grotesk anmutende – Vergleich gegen eine mangelnde Bestimmtheit spreche. 301 Desgleichen könne aus den bundesrechtlichen Vorgaben für die Raumordnungsplanung keine Ablehnung der Zielqualität der „Soll-Ziele“ abgeleitet werden. Dem Zielabweichungsverfahren nach § 11 ROG könne keine implizite Ablehnung von „Soll-Zielen“ entnommen werden, da – mittlerweile nur noch als rechtshistorisches Argument denkbar, da vor Abschaffung der Rahmengesetzgebung durch die Grundgesetzänderungen im Zuge der Föderalismusreform – bereits aus kompetenziellen Gründen des Art. 75 GG Rahmenvorschriften die Befugnisse der Länder nicht weiter einschränken dürften als dies ihr Wortlaut zwingend erfordere. 302 Vielmehr handele es sich bei der Entscheidung, ob man „Soll-Zielen“ die Zielqualität zuspreche oder ob man ihnen die Zielqualität abspreche und somit allein auf das Zielabweichungsverfahren verweise, nicht um eine (bundes-)rechtlich vorgegebene Maßgabe, sondern vielmehr um eine (landes-)rechtspolitische Entscheidung bezüglich der Stringenz der Zielausgestaltung im Sinne einer „Planungsphilosophie“. 303 Auch könne der Einordnung als Ziel der Raumordnung nicht entgegengehalten werden, dass der Landesplanungsträger sich durch die bewusste Entscheidung zugunsten eines „Ventils“ für atypische Fälle über das Gebot letztentscheidender Abwägung hinweggesetzt habe, weil nunmehr ohne Beteiligung des Planungsträgers allein die jeweiligen Zieladressaten über die Reichweite der Zielfestlegung im konkreten Fall disponieren könnten. Vielmehr stelle eine eigene Delegationsentscheidung die abschließende ebenenspezifische Abwägung im Sinne einer Letztentscheidung nicht in Frage, da es sich um einen bewussten planerischen Akt im Sinne einer Bestimmung der Reichweite des Ziels als Rahmensetzung für 300 Goppel, BayVBl 1998, 289, 292; Goppel, BayVBl 2002, 449, 450; Hendler, UPR 2003, 256, 260; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 80. 301 Reither, BayVBl 2005, 83, 84. 302 Hendler, UPR 2003, 256, 260. 303 Goppel, BayVBl 1998, 289, 292.
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den Gestaltungsspielraum der Gemeinden handele. 304 Diesbezüglich sei zudem kein Unterschied zu sonstigen Bindungen erkennbar: Grundsätzlich stünden Ziele der Raumordnung wie andere Rechtsnormen der Auslegung durch den Anwender offen, welcher sodann normative Rahmensetzungen selbst auszufüllen habe. 305 Außerdem habe speziell auch im Fall einer „Muss-Festlegung“ letztlich die jeweilige Behörde selbst darüber zu entscheiden, ob das betreffende Ziel der konkreten Planung oder dem konkreten Vorhaben entgegenstehe, so dass die Einräumung eines eigenen Entscheidungsspielraums des Zieladressaten nicht systemwidrig erscheine. 306 Demgegenüber geht die mittlerweile herrschende Meinung zutreffend davon aus, dass den sog. „Soll-Zielen“ die Qualität als Ziel der Raumordnung im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG abzusprechen ist. 307 Es sei mit dem Gebot der abschließenden Abwägung als Grundlage einer landesplanerischen Letztentscheidung nicht vereinbar, wenn die Zielbindung im konkreten Fall mittels des Ausnahmetatbestands der atypischen Situation zur Disposition der Zieladressaten gestellt werde. 308 Denn in diesem Fall handelt es sich, wie Hoppe deutlich herausgearbeitet hat, um eine zweiphasige Abwägungsentscheidung seitens des Zieladressaten, welcher zunächst eine Ermittlung von Gesichtspunkten vornehmen müsse, die gegen eine Bindung an die RegelZielaussage sprechen, um sodann als zweite Phase eine Gewichtung der Atypik gegenüber Ziel und Zweck der Regelaussage vornehmen zu können, so dass ein 304 Goppel, BayVBl 2002, 449, 450; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 80. 305 Spannowsky, UPR 2003, 248, 252. 306 Hendler, UPR 2003, 256, 260. 307 Hoppe, NVwZ 2005, 1141, 1143 ff.; Hoppe, BayVBl 2005, 356, 358 ff.; Hoppe, BayVBl 2005, 129, 131 ff.; Hoppe, BauR 2007, 25, 32 ff.; Hoppe, DVBl 2004, 478, 479 ff.; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, § 6, Rn. 12; Hoppe, BayVBl 2002, 754, 754 f.; Hoppe, DVBl 2001, 81, 88 f.; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 26 f.; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 [Lfg.: 78.], Rn. 49; Beckmann, in: Hoppenberg / de Witt, HöBauR, N [Lfg.: 16.], Rn. 59; Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 166 ff.; Koitek. Windenergieanlagen, S. 41 ff.; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 80; Erbguth, LKV 1994, 89, 92; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 342; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 260 ff.; Krausnick, VerwArch 96 (2005), 191, 198; Böttcher, in: Jarass, Abstimmung, 31, 34 (die Auffassung Rojahns wiedergebend); Schroeder, UPR 2000, 52, 53 f.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 111; Manssen, in: FS Bartlsperger, 363, 370 f.; Kment, DVBl 2006, 1336, 1342; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 65 ff.; Heemeyer, UPR 2007, 10, 15 f.; OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1580 f.; BayVGH, BayVBl 2005, 80, 81; eingeschränkt nunmehr auch Spannowsky (in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 98), der für grundrechtsrelevante „Soll-Ziele“ mit Außenwirkung keine hinreichende Bestimmtheit des Ausnahmefalls annimmt und damit die Zielqualität ablehnt. 308 Hoppe, DVBl 2004, 478, 480; Hoppe, BayVBl 2002, 129, 132; Hoppe, BayVBl 2002, 754, 755; Schroeder, UPR 2000, 52, 53.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Erfordernis autonomer Abwägungsentscheidungen über die Zielgeltung im konkreten Fall durch die „Soll-Ziele“ statuiert werde, ohne dass präzise inhaltliche Vorgaben über die Vornahme dieser Abwägungsentscheidung erfolgten. 309 Dies könne keinesfalls mehr als lediglich innerhalb des Zielrahmens erfolgende Konkretisierung durch den Zieladressaten verstanden werden, sondern räume jenem einen originären Gestaltungsspielraum ein, welcher die landesplanerische Zielaussage derart relativiere und damit in Frage zu stellen vermöge, dass eine Zielqualität mangels abschließender Abwägung auf Ebene des Landesplanungsrechts nicht mehr angenommen werden könne. 310 Diese soeben beschriebene Verlagerung der letztentscheidenden Abwägung auf die Zieladressaten begründe jenseits des inhaltlichen Mankos einer abschließenden Abwägung zudem bei formaler Betrachtung einen Mangel an Zielqualität dahingehend, dass sich die Landesplanung im Wege der Delegation umfassend einer Letztentscheidung begebe und diese ohne weitere eigene Einflussmöglichkeiten auf den Zieladressaten verlagere. 311 Eine derartige Verlagerung könne jedoch für das Raumordnungsrecht nur als systemwidrig angesehen werden. So liege dem Zielabweichungsverfahren nach § 11 ROG als rahmenrechtlich vorgesehenem Verfahren eine Gestaltung zugrunde, wonach die Abweichung von Zielen der Raumordnung von den Behörden der Landesplanung zu verantworten sei und nicht durch die zielgebundenen Stellen erfolgen solle. 312 Zudem weist Runkel zutreffend darauf hin, dass eine dem § 36 BauGB vergleichbare Beteiligungsvorschrift zugunsten der Landesplanungsbehörden in diesem Zusammenhang gerade fehle, was zusätzlich gegen die Verlagerung der Entscheidung auf die Zieladressaten jenseits des dafür vorgesehenen Zielabweichungsverfahrens spreche. 313 Diese Systemwidrigkeit der „Soll-Ziele“ wird sogar von Schmitz/Federwisch als Vertretern der zuvor dargestellten Auffassung offen zugegeben, so dass diese Autoren zur Vermeidung eines Systembruchs konsequenterweise die „Soll-Festlegung“ nur als speziellen Verweis auf das Zielabweichungsverfahren verstehen und dem Zieladressaten also ebenfalls eine autonome Entscheidung über das Vorliegen einer atypischen Situation absprechen. 314
309
Hoppe, BayVBl 2002, 129, 132. Schroeder, UPR 2000, 52, 53; Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 80; Hoppe, DVBl 2004, 478, 480. 311 Hoppe, BayVBl 2002, 754, 755; Hoppe, BayVBl 2002, 129, 133. 312 Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 170; Hoppe, BayVBl 2002, 129, 133. 313 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 26. 314 Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 83 ff.; im Ergebnis besteht somit eine weitestgehende Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung, welche „SollZielen“ bereits die Zielqualität abspricht. 310
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Der Rekurs auf das Zielabweichungsverfahren nach § 11 ROG erbringt auch jenseits der systemwidrigen Zuständigkeitsverlagerung gewichtige Einwände gegen die Anerkennung von „Soll-Festlegungen“ als Ziele der Raumordnung. So hat Bartlsperger dargelegt, dass eine Flexibilisierung des Zielbegriffs für atypische bzw. nicht vorhersehbare Fälle systemkonform zum Letztentscheidungscharakter von Raumordnungszielen durch das Zielabweichungsverfahren normstrukturell gewährleistet sei, so dass eine weitergehende Flexibilisierung des stringenten Zielbegriffs nicht nötig und nicht zulässig erscheine. 315 Inhaltlich müsse sogar festgestellt werden, dass § 11 ROG materielle Voraussetzungen für eine Abweichung von der Zielaussage im Einzelfall statuiere – unter anderem muss die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar sein und darf die Grundzüge der Planung nicht berühren –, welche die „Soll-Festlegungen“ bewusst vermieden, so dass auch dies gegen die Zulässigkeit von „Soll-Zielen“ spreche. 316 Diese Notwendigkeit materieller Voraussetzungen für die Zielabweichung im Einzelfall rechtfertige sich, wie Hoppe zutreffend ausführt, daraus, dass die Abweichung „einen punktuellen – vielfach tief greifenden – Eingriff in ein komplexes Geflecht und ein Bündel von konkurrierenden, divergierenden und konkordanten Belangen“ betreffe, der durch final gesteuerte Abwägung zu einer ausgewogenen Stabilität gebracht werde, welche wiederum durch die einschränkenden Voraussetzungen des § 11 ROG gewahrt bleibe. 317 Derartige Sicherungsmechanismen seien zudem dem Planungsrecht immanent, wie der Vergleich zu § 31 BauGB zeige, welcher ebenfalls die Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung sichere, und fehlten eben im Raumordnungsrecht jenseits des Zielabweichungsverfahrens. Dies spreche gegen die Zulässigkeit von „Soll-Festsetzungen“, da anderenfalls in der Einzelvorhabenszulassung bei § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB die Ziele der Raumordnung bzw. die in ihnen zur Geltung kommenden planerischen Konzeptionen durch keine greifbare materielle Begrenzung geschützt würden. 318 Die Landesplanung könnte anderenfalls auf dem Wege der „Soll-Ziele“ zentrale Sicherungsmechanismen der Raumordnung, wie sie durch das Zielabweichungsverfahren gewährleistet würden, in verfahrenstechnischer Hinsicht außer Kraft setzen, indem sie indirekt ein spezielles Zielabweichungsverfahren für atypische Fälle unter Umgehung der gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen etabliere. 319
315
Bartlsperger, Raumordnung zum Außenbereich, S. 167 ff. Hoppe, BayVBl 2005, 356, 359 f.; Hoppe, BayVBl 2002, 129, 133; Hoppe, BayVBl 2002, 754, 755. 317 Hoppe, BayVBl 2002, 129, 134. 318 Hoppe, BayVBl 2002, 129, 133. 319 Hoppe, BayVBl 2002, 754, 755; eine durch die jüngsten Grundgesetzänderungen denkbare „Abweichung“ gem. Art. 72 III S. 1 Nr. 4 GG bzw. gem. Art. 125b I S. 3, 72 III S. 1 Nr. 4 GG in Form der landesrechtlichen Anerkennung von „Soll-Zielen“ setzt demgegenüber ihrerseits eine gesetzgeberische Entscheidung in den Ländern voraus, so 316
270
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Zwar kann der Regelung des § 11 ROG, wie die Befürworter von „Soll-Zielen“ richtig anmerken, kein ausdrückliches Verbot von „Soll-Festlegungen“ entnommen werden. Allerdings wird selbiges auch dem § 3 Nr. 2 ROG als unmittelbar in allen Ländern geltender Vorschrift entnommen; 320 § 11 ROG fungiert lediglich als systematisches Argument für die Auslegung des Zielbegriffs dahingehend, dass „Soll-Festsetzungen“ in Ermangelung angemessener Sicherungsmechanismen nicht als Ziele der Raumordnung anzuerkennen sind. 321 Auch der von den Befürwortern der Zielqualität von „Soll-Festlegungen“ in Raumordnungsplänen zur Begründung der ausreichenden Bestimmtheit gezogene Vergleich mit „Soll-Formulierungen“ im Allgemeinen Verwaltungsrecht, welche ebenfalls für den Regelfall als „Muss-Vorschriften“ zu lesen seien, geht fehl. Grundlage der „Sollen“-Formulierungen im materiellen Allgemeinen Verwaltungsrecht sind regelmäßig Fälle des intendierten Verwaltungsermessens beim Vollzug formeller Gesetze oder Rechtsverordnungen. Demgegenüber weisen nach Runkel Planungsfestsetzungen – unabhängig von der Rechtsform – gegenüber klassischen Rechtsnormen ein geringeres Maß an abstrakten und generalisierenderen Bestimmungen auf, so dass von ihnen ein „höherer Grad an detaillierten Festlegungen erwartet“ werde. 322 Ferner darf nicht außer Betracht bleiben, dass eine Übertragung der Behandlung von „Soll-Formulierungen“ des Allgemeinen Verwaltungsrechts in Ermangelung einer vergleichbaren Normstruktur abzulehnen ist: Den Normen, anhand welcher das angeführte Verständnis von „Soll-Festlegungen“ im Allgemeinen Verwaltungsrecht entwickelt wurde, liegt eine konditionale Programmierungsstruktur mit echten Ermessensentscheidungen zugrunde. Demgegenüber betrifft die Zielqualität von raumordnerischen Festsetzungen einen final programmierten Normenbereich. Die Bindung der Zieladressaten folgt also einem gänzlich anderen Programm. 323 Gegenüber dem konditional programmierten, gesetzgeberisch inhaltlich determinierten und limitierten Ermessen 324 erweist sich die innerhalb finaler Programmierungsstrukturen eingebettete Zielaussage als ausgewogenes dass diesbezüglich nicht die Landesplanung als Verwaltungstätigkeit die Abweichung vornehmen kann. 320 Zur übergangsweisen (Weiter-)Geltung der Vorschriften des ROG nach den jüngsten Grundgesetzänderungen im Zuge der Föderalismusreform gem. Art. 125b I GG siehe: 3. Kap. A. Die zukünftig einschlägige konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 Nr. 31 GG lässt keine grundsätzliche Änderung dieser Bindung (jenseits von theoretisch denkbaren Abweichungsmöglichkeiten der Länder) erwarten. 321 Hoppe, BayVBl 2002, 129, 134. 322 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 26.; Hoppe (DVBl 2001, 81, 89) spricht von besonderer Stringenz der Ziele der Raumordnung. 323 So auch Reither (BayVBl 2005, 83, 84), der allerdings keine Schlussfolgerung für die Zielqualität von „Soll-Festlegungen“ aus der unterschiedlichen Programmierungsstruktur zieht.
E. § 1 IV BauGB
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Abwägungsergebnis im Sinne eines umfassenden Ausgleichs wechselseitiger Interessen und Belange für einen konkreteren Anwendungsbereich, so dass diese spezifische Stabilität im Sinne einer öffentlich verantworteten Letztentscheidung durch eine Übertragung der globaleren Bestimmtheitsanforderungen im Umgang mit herkömmlichem Normvollzug gefährdet wäre. 325 Dieser grundsätzliche Unterschied führt dazu, dass eine Übertragung der „Soll-Interpretation“ zur Begründung der Bestimmtheit der Zielaussage mangels Vergleichbarkeit der Bezugsobjekte ausscheidet. Des weiteren verdeutlicht der soeben konturierte Aspekt der Konsequenzen einer Anerkennung von „Soll-Zielen“ für die Stabilität der abgewogenen Letztentscheidung, dass – wie Bartlsperger deutlich herausarbeitet – hinter dem Streit um „Soll-Ziele“ tatsächlich ein „Glaubenskrieg um das Selbstverständnis der Raumordnung“ insgesamt zum Tragen kommt. 326 Es gehe um die Fähigkeit und Bereitschaft der Raumordnungsplanung zu eigenen letztverbindlichen Entscheidungen als Ausdruck von Sinn und Selbsteinschätzung der Raumordnung, welche durch die Relativierung mittels „Soll-Festlegungen“ in ihrer Rechtsfunktion als raumordnungsbezogene und verbindliche Vorgabe zerstört werde. 327 Mithin geht Goppels Annahme, es handele sich lediglich um eine Frage der „Planungsphilosophie“ fehl, denn vielmehr geht es um die grundsätzliche Frage, auf welcher Planungsebene verbindliche raumordnerische Letztentscheidungen zu treffen sind. 328 Genau diese Frage finde jedoch ihre Beantwortung in den unmittelbar geltenden Vorgaben des ROG und den fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln dahingehend, dass allein dem jeweiligen Planungsträger die abschließende Abwägung als Grundlage der planerischen Letztentscheidung obliege, so dass die Anerkennung von „SollZielen“ grundlegend dem Selbstverständnis der Raumordnung zuwiderlaufe. 329 Als letztlich durchschlagendes Argument gegen die Anerkennung von „SollFestlegungen“ als Ziele der Raumordnung im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG erweist sich ein Vergleich mit den zur Zielqualität von in „Regel-Ausnahme-Strukturen“ gefassten raumordnerischen Planaussagen: 330 Eine Einordnung als Ziel der Raumordnung erfolgt in diesen Fällen lediglich, wenn der Plangeber neben den Regelauch die Ausnahmevoraussetzungen mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmbarkeit selbst festlegt. 331 Bei einer Übertragung dieses Maßstabs auf „Soll-Festle324 Vergleiche zu dieser Funktion konditionaler Programmierung die Ausführungen unter: 2. Kap. A.I.1. 325 Ähnlich: Hoppe, BayVBl 2002, 129, 134. 326 Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 167. 327 Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 176 u. S. 167. 328 Schroeder, UPR 2000, 52, 53. 329 Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 176. 330 Siehe dazu oben: 3. Kap. E.II.1.c)(1). 331 BVerwGE 119, 54, 60; Hoppe, NVwZ 2005, 1141, 1143.
272
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
gungen“ in Raumordnungsplänen ist dann festzustellen, dass diese die implizierte Ausnahme von der Zielbindung im Sinne einer atypischen, nicht vorhersehbaren Situation bewusst offen lassen und dem Zieladressaten einen autonomen Gestaltungsspielraum einräumen. 332 Der Plangeber verzichtet im Interesse einer Flexibilisierung für den Einzelfall auf eine präzisere Bestimmung der Ausnahmefälle und gibt keine Leitlinien zu deren Bestimmung jenseits der eigentlichen Regelaussage als Abweichungsmaßstab vor. Mithin genügen „Soll-Festlegungen“ in Raumordnungsplänen hinsichtlich der Ausnahmevoraussetzungen nicht den Anforderungen, welche an „Regel-Ausnahme-Ziele“ gestellt werden. 333 Fraglich ist somit allein, ob eine Anwendung dieses Maßstabs auf „Soll-Ziele“ gerechtfertigt ist. Gegen eine Anwendung wird geltend gemacht, dass eine Übertragung des Maßstabs deswegen ausscheiden müsse, da es dem Wesen des „atypischen Einzelfalls“ entspreche, dass er sich einer vorhersehbaren Normierung verschließe, so dass die Ausnahmevoraussetzungen generell nicht bestimmt werden könnten. 334 Dieser Einwand überzeugt nicht, da keine Normierung des Ausnahmefalls als solchem erforderlich ist, sondern der Bestimmbarkeit unter Umständen auch genügt wäre, wenn detaillierte Maßgaben und Leitlinien zur Bestimmung eines Ausnahmefalls vorgesehen würden. Zwar hat sich das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht abschließend zur Zielqualität von „Soll-Festlegungen“ geäußert. So wurde mit Beschluss vom 15. 4. 2003, welcher zeitlich vor Erlass des Urteils zur „Regel-Ausnahme-Struktur“ erfolgte, eine Revision zur Frage, ob „Soll-Zielen“ Zielqualität zukomme, mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. 335 Allerdings verweist das Gericht im Zusammenhang mit der „abstrakt betrachtet“ klärungsbedürftigen Verbindlichkeit von „Soll-Zielen“ auf die bereits anderweitig zugelassene Revision zu Zielen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“, so dass von Seiten des Bundesverwaltungsgerichts selbst ein inhaltlicher Bezug zu dem bereits genannten Urteil hergestellt wird. 336 Dies legt den Schluss nahe, dass die inhaltlichen Anforderungen aus dem Urteil zur „Regel-Ausnahme-Struktur“ auf die Problematik der „Soll-Ziele“ nach bundesverwaltungsgerichtlicher Konzeption übertragbar sind; 337 lediglich die Gelegenheit für eine explizite Anwendung dieser Maßstäbe und die daraus resultierende Ablehnung der Zielqualität bot sich bislang für das Gericht noch nicht.
332 333 334 335 336 337
Hoppe, BayVBl 2005, 356, 358; Hoppe, DVBl 2004, 478, 480. Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 80; Hoppe, DVBl 2004, 478, 481. Goppel, BayVBl 2005, 83, 83. BVerwG, BauR 2004, 285, 285. BVerwG, BauR 2004, 285, 285. Für Maßstabsidentität jüngst auch: Kment, DVBl 2006, 1336, 1344 f.
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Dieses Verständnis wird auch durch einen tiefgreifenden Wandel in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu „Regel-Ausnahme-Zielen“ unterstützt. So haben sowohl der BayVGH als auch das OVG Münster, beide bislang exponierte Vertreter der Zielqualität von „Soll-Festlegungen“, 338 ihre bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und halten nunmehr die „Soll-Ziele“ für nicht ausreichend bestimmt und bestimmbar. 339 Einer derartigen Auslegung ist zuzustimmen. Krausnick weist zutreffend darauf hin, dass die Möglichkeit von bestimmbaren „Regel-Ausnahme-Strukturen“ innerhalb der Ziele der Raumordnung dem Flexibilitätsbedürfnis innerhalb der Zielfestlegungen jedenfalls ausreichend Rechnung trage, so dass daneben für unbestimmte „Soll-Ziele“ kein Raum bliebe. 340 Falls jenseits dieses bundesrechtlich vorgesehenen Zielrahmens ein weitergehendes Flexibilisierungsbedürfnis auf Seiten der Raumplaner bestehen sollte, so wird eine Planung mittels „Soll-Festlegungen“ auch nicht generell ausgeschlossen. Dieser kommt dann als gesetzliche Konsequenz lediglich eine geringere Bindungswirkung in Form eines Grundsatzes der Raumordnung zu, der für diese adressatenabwägungsfähigen Fälle das rahmenrechtlich vorgesehene Instrument der Raumordnung ist. 341 Damit ist festzuhalten, dass „Soll-Festlegungen“ in Raumordnungsplänen nicht als Ziele der Raumordnung eingeordnet werden können, so dass sie als Grundlage für eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB nicht in Betracht kommen. 342
338
Nachweise siehe oben: 3. Kap. Fn. 297. OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1580 f.; VGH München, BayVBl 2005, 80, 81. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst Spannowsky als starker Fürsprecher von „Soll-Zielen“ explizit als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung fordert, dass die Abweichungsmöglichkeit durch den Zielgeber hinsichtlich deren Umfangs hinreichend bestimmt sein muss (Spannowsky, UPR 2003, 248, 253). In der neusten Kommentierung wird von ihm zudem eine Übertragung der Rechtsprechung zur „Regel-/Ausnahmestruktur“ auf „SollZiele“ ausdrücklich angenommen (Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 96 ff.), so dass mittlerweile ausschließlich Goppel und andere Regierungsbeamte aus Bayern eine rechtlich mögliche, autonome Abweichungsmöglichkeit der Gemeinden durch „Soll-Festlegungen“ behaupten. 340 Krausnick, VerwArch 95 (2005), 191, 198. 341 Bartlsperger, Raumordnung zum Außenbereich, S. 166. 342 Im Rahmen dieser Untersuchung kann deshalb dahinstehen, wie sich die Rechtsfolgen einer irrig als Ziel der Raumordnung ausgewiesenen „Soll-Festlegungen“ darstellen. Vergleiche zu dieser Kontroverse folgendes Meinungsspektrum: Spannowsky, UPR 2003, 248, 253 f. (Reduktion des „Muss-Gehalts“ als Ziel der Raumordnung); OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1582/ Hoppe, BayVBl 2002, 129, 134 f./ Bartlsperger, Raumplanung zum Außenbereich, S. 171 (Grundsatz der Raumordnung); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 130 ff. (sonstige Erfordernisse der Raumordnung); Erbguth/Wagner, § 5, Rn. 80 (keine Rechtswirkungen). 339
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
(3) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis stellen sich die generellen Anforderungen an Ziele der Raumordnung im Sinne des § 1 IV BauGB als Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht also wie folgt dar: Es müssen die allgemeinen Anforderungen des raumordnungsrechtlichen Zielbegriffs aus § 3 Nr. 2 ROG erfüllt sein, wobei insbesondere hinreichende Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit zu fordern ist. Weitergehende Anforderungen jenseits des Zielbegriffs des § 3 Nr. 2 ROG sind nicht zu stellen, da speziellen Erfordernissen hinsichtlich des Erstplanungspflichtcharakters durch Auslegung des § 1 IV BauGB oder auf Durchsetzungsebene sachgerecht Rechnung getragen werden kann. Generell scheiden sog. „Soll-Ziele“ als Grundlage für eine Erstplanungspflicht nach § 1 IV BauGB aus, wohingegen eine derartige Funktion Zielen mit „RegelAusnahme-Struktur“ grundsätzlich zukommen kann. 2. Spezialfall: Bindungen durch das Zentrale-Orte-Konzept Nachdem die generellen Anforderungen an Ziele der Raumordnung als Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB dargelegt wurden, soll nunmehr die inhaltlich-planerische Ausgestaltung dieser Ziele näher betrachtet werden. Dabei kann aufgrund der Bandbreite möglicher raumordnerischer Festlegungen keine umfassende oder gar abschließende Darstellung im Rahmen dieser Arbeit erfolgen. Vielmehr ist eine Beschränkung auf solche besonders praxisrelevante und problemträchtige raumordnerische Aussagen in Landesentwicklungsplänen oder Regionalplänen geboten, die einen spezifischen Zusammenhang zur Begründung von Erstplanungspflichten aufweisen. In letzter Zeit erwiesen sich insbesondere zwei raumordnungsrechtlich relevante Praxiskonstellationen auch hinsichtlich Erstplanungspflichten als problemträchtig: Die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe und die Ausgestaltung der Raumnutzung von Windenergieanlagen. 343 Letzterer Problemkreis wird jedoch vornehmlich im Bereich der subjektiv determinierten Erstplanungspflichten relevant, da unmittelbar durch die raumordnerische Zielfestlegung aufgrund des § 35 III S. 2 u. S. 3 BauGB eine Außenbereichsrealisierung möglich ist und ein eventuell entgegenstehendes Planungserfordernis überwunden werden kann, so dass sich diesbezüglich kein Raum für eine praxisrelevante Auseinandersetzung mit der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB ergibt. 344
343 Vergleiche diesbezüglich auch die Darstellungen betreffend die einem Planungserfordernis in der Rechtsprechungspraxis zugrunde liegenden Vorhaben: 2. Kap. A.I.2.
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Eine besondere Praxisrelevanz kommt jedoch den raumordnerischen Zielbestimmungen bezüglich der Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben in Form der Festlegungen betreffend das landesplanerische Zentrale-Orte-Konzept zu. So begründete die bereits diskutierte „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts die Annahme einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB unter anderem mit einem Verweis auf die Gefährdung der Durchsetzung von landesplanerischem „Konzentrationsgebot“ und „Integrationsgebot“ als Zielen der Raumordnung. 345 Diese beiden planerischen Festlegungen sind als inhaltliche Ausgestaltungen des raumordnerischen Zentrale-Orte-Konzepts einzuordnen. Die Zielqualität von raumordnungsrechtlichen Aussagen zum Zentrale-OrteKonzept ist jedoch Gegenstand einer tiefgreifenden Kontroverse in Literatur und Rechtsprechung und soll im Folgenden aufgrund der Bedeutung für die Begründung einer Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB untersucht werden. Diesbezüglich bietet es sich an, zwischen den typischen Regelungsaussagen des Zentrale-Orte-Konzepts, wie sie in den Raumordnungsplänen konkretisiert werden, im Einzelnen zu unterscheiden. a) Beeinträchtigungsverbot Als erstes soll dargelegt werden, ob das sog. Beeinträchtigungsverbot als typische Aussage der Raumordnungspläne auf Grundlage des Zentrale-Orte-Konzepts materiell als Ziel der Raumordnung ausgestaltet werden kann. Als Beeinträchtigungsverbot werden solche raumordnerische Bindungen bezeichnet, die es Orten ohne oder mit niedrigerer Zentralitätsstufe im Sinne des Zentrale-Orte-Konzepts untersagen, durch ihre Planungen Orte mit höherer Zentralitätsstufe in ihren landesplanerisch zugewiesenen Versorgungsaufgaben („verbrauchernahe Versorgung“) zu beeinträchtigen. 346 (1) Fehlende Zielqualität aufgrund genereller Einwände gegen das Zentrale-Orte-Konzept? Teilweise wird in der Literatur, vornehmlich durch Hoppe, die Zielqualität von raumordnerischen Aussagen, welche sich auf das Zentrale-Orte-Konzept gründen,
344
Siehe zu diesem Problemkreis die Darstellungen: 2. Kap. A.IV.2. BVerwGE 119, 25, 41 f. 346 Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 65 f.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 115; Moench, DVBl 2005, 676, 685; Schmitz, ZfBR 2001, 85, 86. 345
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
generell aufgrund einer behaupteten normativen Unzulänglichkeit des ZentraleOrte-Konzepts als solchem in Frage gestellt. 347 So sei das Zentrale-Orte-Konzept ab 1980 im raumwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum steter Kritik ausgesetzt. Dieses werde als überholt, zu starr, in seiner derzeitigen Form obsolet und für Verdichtungsräume nur bedingt anwendbar wahrgenommen. 348 Aufgrund zunehmender Mobilität der Bevölkerung hinsichtlich der Überwindung größerer Distanzen habe der Erklärungsgehalt des Zentrale-Orte-Konzepts bezüglich der Sicherung einer verbrauchernahen Versorgung abgenommen. 349 Ferner bestehe wegen einer Veränderung im Nachfrageverhalten der Bevölkerung, welches sich in stärkerem Maße sozialgruppenspezifisch differenziere und Einkaufen auch als Freizeitaktivität verstehe, kein Bedürfnis für eine flächenfixierte Ausrichtung auf überkommene Ausstattungs- und Verteilungsverhältnisse im Sinne der „nearest center“-Hypothese; vielmehr sei den Wahlentscheidungen der Konsumenten in gesättigten Marktsituationen auf der Grundlage sozial- und lebensverlaufspezifischer Zentrenwahrnehmungen und -bewertungen flexibel Rechnung zu tragen. 350 Insbesondere stützt sich Hoppe dabei in jüngster Zeit auf den Forschungsbericht eines Ad-hoc-Arbeitskreises der Akademie für Landesforschung und Landesplanung, welcher den Steuerungsanspruch des Zentrale-Orte-Konzepts heutzutage als für die Planungspraxis aufgegeben kennzeichne, das Zentrale-Orte-Konzept in seiner heutigen Form als „weitgehend obsolet“ bezeichne und eine konzeptionelle Einschränkung auf eine rahmensetzende und orientierungsgebende Funktion ohne striktes Siedlungsstrukturmodell befürworte. 351 Diesen Veränderungen der Sachstrukturen und tatsächlichen Grundlagen des raumordnungsrechtlichen Sozialbereichs kommt nach Hoppe rechtliche Relevanz dergestalt zu, als sich das normative Handlungsprogramm nicht mehr auf das Zentrale-Orte-Konzept stützen könne und mithin keine strikte Steuerungswirkung mehr zu entfalten vermöge: 352 So werde im Anschluss an das rechtsmethodische Modell der strukturierenden Rechtslehre F. Müllers die Normativität einer Rechtsvorschrift neben dem „Normprogramm“ auch durch den „Normbereich“ als Ausschnitt aus der sozialen Wirklichkeit konstituiert. Dieser „Normbereich“ begründet nach dieser Ansicht die Normativität mit, so dass in der Rechtsnorm 347 Hoppe, NVwZ 2004, 282, 285 f.; Hoppe, DVBl 2000, 293, 296 f.; Hoppe, NVwZ 2005, 1141, 1147; Hoppe/Otting, DVBl 2004, 1125, 1131; Hoppe, NWVBl 1998, 461, 467; Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 163. 348 Hoppe, NVwZ 2005, 1141, 1147; Hoppe, DVBl 2000, 293, 297 ff. m. w. N. der raumwissenschaftlichen Fachliteratur; jüngst: Sparwasser, NVwZ 2006, 264, 267 f. 349 Hoppe, DVBl 2000, 293, 299. 350 Hoppe, DVBl 2000, 293, 299. 351 Hoppe, NVwZ 2004, 282, 285 m. w. N. 352 Hoppe, NVwZ 2004, 282, 286.
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als Ordnungsmodell das Ordnende und das zu Ordnende in einer notwendigen Wechselwirkung stehen. 353 Die Erkenntnisse der Raumwissenschaft, die dem Zentrale-Orte-Konzept als Realitäten zugrunde liegen, seien Teil des „Normbereichs“ und wirkten nach diesem Modell auf das „Normprogramm“ des Zentrale-OrteKonzepts ein, so dass folglich durch diese auch die Normativität des gesamten Konzepts in Frage gestellt werde. 354 Diesen Ausführungen Hoppes ist indes nicht zu folgen. An dieser Stelle kann dahinstehen, inwieweit dem methodischen Ansatz der strukturierenden Rechtslehre zu folgen ist; auch muss nicht näher vertieft werden, inwieweit Hoppe den methodischen Ansatz Müllers korrekt anwendet, was insbesondere angesichts der aus dem Modell entwickelten Konsequenzen und der möglicherweise nicht präzise vorgenommenen Unterscheidung von „Normbereich“ und „Sachbereich“ 355 zweifelhaft erscheint. Vielmehr sind bereits die raumwissenschaftlichen Grundlagen, welche als Grundlage für eine Veränderung des „Normbereichs“ angeführt werden, keinesfalls unumstritten. So stellen Spannowsky und Schmitz/Federwisch als Ergebnis ihrer Analysen der raumwissenschaftlichen Debatte sogar fest, dass die herrschende Meinung im raumwissenschaftlichen Schrifttum das Zentrale-Orte-Konzept in seiner grundsätzlichen Ausrichtung nicht in Frage stelle. 356 Teilweise wird davon ausgegangen, dass es angesichts des demographischen Wandels der Bevölkerungsstruktur zu einem steigenden Bedürfnis für die Stabilisierung vorhandener Versorgungsstrukturen und für die Eindämmung des Flächenverbrauchs und daraus resultierend sogar zu einem Bedeutungszuwachs des Zentrale-Orte-Konzepts kommen werde. 357 Andere Stimmen in der raumwissenschaftlichen Literatur prognostizieren zwar eine dynamisierende Korrekturnotwendigkeit des Zentrale-Orte-Konzepts, welche jedoch dessen raumordnungspolitischen Stellenwert unberührt lasse. 358 Rechtspolitisch wird zudem vereinzelt sogar eine Verschärfung des Zentrale-Orte-Konzepts im Sinne einer stärkeren Zentrenlokalisierung innerhalb der Gemeindegrenzen („Standortcluster“) gefordert, welche ferner durch eine konkrete Bedürfnisprüfung für die Zulassung neuer Einzelhandelsprüfung flankiert werden solle. 359
353 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 235 f.; Müller, Strukturierende Rechtslehre, S. 188 ff. 354 Hoppe, NVwZ 2004, 282, 286. 355 Vergleiche dazu Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 225, Fn. 175 u. S. 479 ff. 356 Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 62; Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 62. 357 Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 64. 358 Blotevogel, Informationen zur Raumentwicklung 1996, 647, 654 f.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Zudem haben Schmitz/Federwisch dargelegt, dass der von Hoppe als zentraler Beleg für die breite raumwissenschaftliche Ablehnung des Zentrale-OrteKonzepts angeführte „Forschungsbericht des Arbeitskreises der Akademie für Raumforschung und Landesplanung“ die Verbindlichkeit der landesplanerischen Aussagen keineswegs in ihrem Verbindlichkeitsanspruch einschränken will. 360 Die dort vorgenommene Umschreibung der Funktion des Zentrale-Orte-Konzepts als „Leitplanke“ stelle vielmehr eine verbindliche und nicht überwindbare Begrenzung der gemeindlichen Bauleitplanung dar, welche dem rahmensetzenden Charakter der Raumordnungsziele Rechnung trage, aber keinesfalls eine Lockerung der gemeindlichen Bindungen nach sich ziehe. 361 Ferner betone der Bericht den ökologischen und infrastrukturellen Nutzen des Zentrale-Orte-Konzepts und formuliere, „es wäre ein verhängnisvolles Missverständnis, den Anwälten einer einfachen Deregulierungsdoktrin zu folgen und die Raumordnungspolitik entweder radikal zurückzustutzen oder sie gar zum „Schmieröl“ für eine von privaten Investoren dominierte marktliche „Raum-Ordnung“ zu degradieren“. 362 Eine zentrale Belegstelle Hoppes für die vorgebliche raumwissenschaftliche Ablehnung des Zentrale-Orte-Konzepts ist somit vielmehr Ausdruck der Pluralität des Meinungsbildes im raumwissenschaftlichen Fachdiskurs. Ohne Stellungnahme zu dieser raumwissenschaftlichen Debatte kann jedenfalls festgestellt werden, dass eine derart eindeutige Ablehnung des Zentrale-Orte-Konzepts, wie sie Hoppe zugrunde legt, nicht angenommen werden kann. Folglich kann dieser umstrittene Problemkreis nicht einseitig als gesicherte Tatsache dem „Normbereich“ des Zentrale-Orte-Konzepts zugeordnet werden. Wenn jedoch die Einflüsse der Rechtswirklichkeit, die das „Normprogramm“ beeinflussen, ihrerseits diesbezüglich nicht eindeutig bestimmbar sind, so kann auf dieser Grundlage jedenfalls keine die Normativität generell in Frage stellende Konsequenz gezogen werden, da gerade derartigen Ungewissheiten durch die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten eines bestimmten „Normprogramms“ entgegengewirkt wird. Dem Festhalten des Gesetz- oder Plangebers an einem Prinzip, das sich in der fachlichen und politischen Diskussion befindet, kann angesichts dessen Einschätzungsprärogative nicht allein durch diese Ungewissheit in Frage gestellt werden. 363 Hoppes Kritik am Zentrale-Orte-Konzept stellt somit lediglich eine rechtspolitische Einschätzung einer raumwissenschaftlichen Debatte dar. Daraus ergibt
359 360 361 362 363
Pangels, WiVerw 2005, 172, 181 u. 176. Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 58 ff. Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 59. Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 60. Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 41.
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sich keinesfalls eine unmittelbare rechtliche Konsequenz für die Geltung von raumordnerischen Aussagen in Landesplänen bezüglich deren Zielqualität. (2) Fehlende Zielqualität aufgrund mangelnder abschließender Abgewogenheit/Bestimmtheit? Jenseits einer generellen Ablehnung der Normativität des Zentrale-Orte-Konzepts wird speziell gegen die Zielqualität des raumordnungsrechtlichen Beeinträchtigungsverbots in Landesplänen geltend gemacht, dieses erfülle die Voraussetzungen des Zielbegriffs nach § 3 Nr. 2 ROG mangels landesplanerischer Letztentscheidung im Sinne einer abschließenden Abgewogenheit nicht und sei lediglich als Grundsatz der Raumordnung einzuordnen. 364 Das Beeinträchtigungsverbot veranlasse die Zieladressaten zu einer räumlichvorhabenbezogenen Beurteilung von Einwirkungen des konkreten Vorhabens auf die Gesamtheit aller zentralörtlichen Festlegungen des Raums. Die als Beurteilungsergebnis in Frage stehende Ausgeglichenheit der Einwirkungen auf andere zentrale Orte könne indes nur durch eine Gewichtung der Vor- und Nachteile des Vorhabens und damit im Wege einer eigenen Abwägung des Zieladressaten erfolgen. 365 An einem Ziel der Raumordnung müsse sich eine Gemeinde indes gerade ohne eigene Abwägung orientieren können; eine Abwägungsbezogenheit spreche allenfalls für eine Einordnung als Grundsatz der Raumordnung. 366 Zudem könne im Anwendungsbereich des Beeinträchtigungsverbots zur Ermittlung der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens ohne einen Rückgriff auf außerhalb des jeweiligen Raumordnungsplans zu gewinnende Maßstäbe nicht festgestellt werden, ob eine Gefährdung der Zentrenfunktion und der verbrauchernahen Versorgung eintreten würde, was gegen das Bestimmbarkeitserfordernis für Ziele der Raumordnung verstieße. 367 Diese Einwände gegen das Beeinträchtigungsverbot als Ziel der Raumordnung überzeugen nicht. Dem Bestimmbarkeitserfordernis ist genügt, wenn eindeutig konkretisierbar ist, für welche konkrete Maßnahme die landesplanerische Festlegung erfolgt, wobei maßgebend insoweit die Sicht des Zieladressaten ist. 368 Allein ein Erfordernis
364
Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 124 f.; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 342; Hoppe, DVBl 2000, 293, 299 f. 365 Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 125. 366 Hoppe, DVBl 2000, 293, 299 f.; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 342. 367 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 342; OVG Frankfurt/Oder, DVBl 2001, 1298, 1299 ff. 368 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 33; Erbguth, NVwZ 2000, 969, 973.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
weiterer tatsächlicher Erhebungen und Untersuchungen zur Bestimmung des Vorliegens einer Zielbindung vermag die Bestimmbarkeit nicht in Frage zu stellen. 369 Dies stellt sich vielmehr als zulässiges Konkretisierungsbedürfnis dar, welches dem Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen ermöglicht. Der Rückgriff auf die in Rechtsprechung und Literatur insoweit als maßgeblich anerkannten Kaufkraftabzugswerte oder die prognostizierten Veränderungen der Zentralitätskennziffer 370 gewährleistet im Rahmen der allgemeinen Auslegungstechnik eine hinreichende Bestimmbarkeit der Zielaussage für den konkreten Fall. 371 Auch ein Verstoß gegen das Erfordernis einer abschließenden Abwägung als Grundlage einer landesplanerischen Letztentscheidung kann nicht überzeugend angenommen werden. Wie bereits dargelegt, bleibt es dem Plangeber grundsätzlich unbenommen, durch die Wahl unbestimmter Rechtsbegriffe einen Konkretisierungsspielraum für die Planadressaten zu normieren. Die Grenzziehung zwischen bei angestrebter Zielqualität zulässigem Konkretisierungsbedürfnis und unzulässiger Überantwortung der Abwägungsentscheidung kann vorliegend jedoch nicht außer Acht lassen, dass diesbezüglich zur Ermittlung einer Beeinträchtigung vornehmlich Sachverständigengutachten heranzuziehen sind, in denen die im Einzelfall zwar möglicherweise schwer ermittelbaren, potentiellen Auswirkungen des Vorhabens zugrunde zu legen sind. Das wiederum führt jedoch höchstens dazu, dass es zu Schwierigkeiten bei der Subsumtion unter die jeweilige Zielaussage kommt, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob eine Beeinträchtigung im Einzelfall vorliegt. 372 Ein erhöhter Untersuchungsaufwand, vor allem durch die Einholung von Sachverständigengutachten, führt jedoch noch nicht zu einer Veränderung der rechtlichen Entscheidung von einer Subsumtion zu einer eigenen Abwägung, da der Inhalt der Norm auch auf diesem Wege allein durch Auslegung und Ermittlung, nicht aber durch planerische Gestaltung ausgefüllt wird. 373 Dies wird insbesondere dadurch bestätigt, dass einschlägige Belange bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, nicht „weggewogen“ werden können, also keiner planerischen Kompensation zugänglich sind. 374 Das Beeinträchtigungsverbot ermächtigt also nicht zu einer eigenen gestalterischen Abwägung der Planadressaten, so dass kein Verstoß gegen das Gebot
369 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 28; Erbguth, NVwZ 2000, 969, 973; Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 33. 370 Zur Wahl des Maßstabs zur Bestimmung einer Beeinträchtigung vergleiche die Ausführungen von: Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 136. 371 Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 264 ff. 372 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 34. 373 Erbguth, NVwZ 2000, 969, 972 f.; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 264 f.; Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 34. 374 Erbguth, NVwZ 2000, 929, 972.
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landesplanerischer Letztentscheidung durch den Plangeber als Voraussetzung für die Zielqualität angenommen werden kann. Folgerichtig hat das Bundesverwaltungsgericht 375 die Zielqualität von landesplanerischen Festlegungen eines Beeinträchtigungsverbots in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur angenommen. 376 Auch Moench als anfänglicher Verfechter der abweichenden Ansicht hat seine Ablehnung der Zielqualität raumordnungsrechtlicher Beeinträchtigungsverbote mittlerweile explizit aufgegeben. 377 Für diese herrschende Einordnung als Ziel der Raumordnung spricht zudem die neuste gesetzliche Ausgestaltung des § 2 II S. 2 BauGB: Nach dieser Vorschrift können sich die Gemeinden im interkommunalen Verhältnis gegenüber anderen Gemeinden auf „die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen [ . . . ] berufen“. Schmitz/Federwisch verstehen diese Neufassung unzutreffend dahingehend, dass durch diese Norm nunmehr auch das Kongruenzgebot 378 wehrfähig ausgestattet sei und postulieren deshalb einen praktischen Bedeutungsverlust des Beeinträchtigungsverbots. 379 Eine derartige Auslegung würde jedoch, wie Uechtritz festgestellt hat, zu einem allgemeinen Anspruch der Gemeinden auf Einhaltung der Raumordnungsplanung führen, vergleichbar dem allgemeinen Gebietserhaltungsanspruchs des Eigentümers im Bebauungsplangebiet, was dem weniger interdependenten Interessengeflecht zwischen den Kommunen nicht gerecht würde. 380 Zudem sprechen bereits Wortlaut und Gesetzesbegründung gegen eine derartige Interpretation: Die Gesetzesbegründung sieht vor, dass Gemeinden berechtigt werden sollen, sich „gegen eine die zentralörtliche Funktion störende raumordnungswidrige Planung“ zu wehren, so dass zusätzlich eine „Störung“, also eine Beeinträchtigung, zu fordern ist. 381 Dies hat im Wortlaut der Norm insoweit seinen Niederschlag gefunden, als sich Gemeinden lediglich auf die „ihnen“ zugewiesenen Funktionen berufen können. Die Funktionen der anderen 375
BVerwGE 119, 25, 41. Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 66; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 16; Erbguth, NVwZ 2000, 969, 974; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 266; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 128 ff.; Moench, DVBl 2005, 676, 685; Paul, NVwZ 2004, 1033, 1036 f.; Sparwasser, NVwZ 2006, 264, 268. 377 Moench, DVBl 2005, 676, 685; Moench, in: FS Hoppe, 459, 466 f.; ebenso ist bei Hoppe eine deutliche Relativierung zu erkennen, wenn dieser eingesteht, dass das Beeinträchtigungsverbot „auch nicht unbedingt [also keinesfalls zwingend, aber möglicherweise] als Ziel der Raumordnung“ ausgestaltet sein müsse (Hoppe, NVwZ 2004, 282, 287). 378 Siehe zum Kongruenzgebot ausführlich die folgenden Darstellungen: 3. Kap. E.II.2.b). 379 Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 129. 380 Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1028. 381 BR-Drs. 756/03, S. 114 [kursive Hervorhebung durch den Verfasser dieser Arbeit]; Uechtritz, NVwZ 2004, 1025, 1028. 376
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Gemeinden – und diese wären bei einer Überschreitung des Kongruenzgebots Gegenstand des „Berufens“– sind also gerade von § 2 II S. 2 BauGB nicht erfasst. Wenn also durch den Gesetzgeber mit § 2 II S. 2 BauGB eine gesteigerte Wehrfähigkeit eigener Zielfunktionen speziell angesichts der Ansiedlungsschwierigkeiten bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben erstrebt wurde, so kann sich dies im Bereich des Zentrale-Orte-Konzepts allein auf das Beeinträchtigungsverbot beziehen, da lediglich bei diesem eine Auswirkung auf die Nachbargemeinden Gegenstand des Raumordnungsziels ist. Implizit liegt also der Regelung des § 2 II S. 2 BauGB ausweislich der eindeutigen Wortwahl eine ausdrückliche gesetzgeberische Anerkennung der landesplanerischen Beeinträchtigungsverbote als „Ziele der Raumordnung“ zugrunde. Landesplanerische Aussagen, die ein Beeinträchtigungsverbot normieren, können somit Ziele der Raumordnung im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG und des § 1 IV BauGB und damit zugleich Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus letzterer Norm sein. b) Kongruenzgebot Des Weiteren steht die Zielqualität von landesraumordnerischen Festlegungen zum Zentrale-Orte-Konzept in Form des sog. Kongruenzgebots in Frage. Als Kongruenzgebot werden die Erfordernisse der Raumordnung bezeichnet, welche eine positive Zuordnung von konkreten Einzelhandelsvorhaben zu bestimmten Zentralitätsstufen dergestalt erfordern, dass keine wesentliche Überschreitung des zentralörtlichen Verflechtungsbereichs der Standortgemeinden durch den Einzugsbereich der potentiellen Vorhaben erfolgen darf. 382 Die Zielqualität dieser landesplanerischen Aussagen wird in Literatur und Rechtsprechung äußerst kontrovers beurteilt. Die überwiegende Zahl der Stimmen in der Literatur lehnt eine Einordnung als Ziel gemäß § 3 Nr. 2 ROG mit absoluter Bindungswirkung ab. 383 Demgegenüber spricht sich eine ebenfalls beachtliche Anzahl an Literaturstimmen für die Zielqualität des Kongruenzgebots aus. 384 Das Bundesverwaltungsgericht hatte diese Einordnung bislang ohne eigene Stellungnahme offen lassen können. 385 Diesbezüglich ergibt sich auch durch den
382 BVerwG, DVBl 2004, 239, 245; Fickert/Fieseler, § 11 BauNVO, Rn. 22.1; Schmitz/ Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 95; zum abweichenden Verständnis des Kongruenzgebots als „horizontalem Beeinträchtigungsverbot“ vgl.: Hoppe, NVwZ 2006, 1345, 1346 ff. 383 Hoppe, DVBl 2000, 293, 295 ff.; Hoppe, NVwZ 2004, 282, 283 ff.; Hoppe, NWVBl 1998, 461, 462 ff.; Hoppe/Otting, DVBl 2004, 1125, 1130 f.; Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 162 ff.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 116 ff.; Kopf , Rechtsfragen Ein-
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jüngst betreffend die Ansiedlung des „FOC Soltau“ ergangenen Beschluss des 4. Senats bei genauerer Analyse der Entscheidungsgründe keine Abweichung: 386 Zwar kommt das Gericht in seinem dritten Leitsatz zu dem Ergebnis, dass ein Konzentrationsgebot, welches Hersteller-Direktverkaufszentren durch landesplanerische Sonderregelung nur in Oberzentren anzusiedeln erlaubt, als zulässige Zielfestlegung anerkannt wird. Es ist jedoch zu betonen, dass es sich ausweislich der expliziten Begründung des Gerichts nicht um ein striktes Konzentrationsgebot handelt, wie es im Folgenden untersucht wird. 387 Des Weiteren ist hervorzuheben, dass es sich insoweit um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmekonstellation handelt, als lediglich für eine spezielle Erscheinungsform des großflächigen Einzelhandels („Hersteller-Direktverkaufszentren“) und für diese auch nur unter strengen Voraussetzungen 388 eine Vereinbarkeit mit Art. 28 II GG angenommen wurde, so dass dem Beschluss keine Aussage über die generelle Zulässigkeit eines den gesamten (großflächigen) Einzelhandel strikt bindenden Konzentrationsgebots entnommen werden kann. In der obergerichtlichen Rechtsprechung findet sich eine Vielzahl von Urteilen, die eine Zielqualität bejahen 389 oder ablehnen 390; allerdings mehren sich in letzter Zeit obergerichtliche Entscheidungen, die eine ausdrückliche Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung – in beide Richtungen – beinhalten. So hat das OVG
zelhandelsgroßprojekte, S. 257 f.; Fickert/Fieseler, § 11 BauNVO, Rn. 22.11; Erbguth/ Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 16; Erbguth, NVwZ 2000, 969, 974; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 341; Moench, in: FS Hoppe, 459, 466 ff.; Moench, DVBl 2005, 676, 685 f.; Schroeder, UPR 2000, 52, 58; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 89 ff.; Jahn, GewArch 1997, 456, 459; Jahn, BayVBl 1989, 294, 296 f.; Paul, NVwZ 2004, 1033, 1036 f.; Sparwasser, NVwZ 2006, 264, 267; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 80 f. u. S. 84 ff. 384 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 40.], Rn. 376 ff.; Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 65 f.; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Rn. 68; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 127; Runkel, UPR 1998, 241, 246; Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 32 ff.; Spannowsky, UPR 2003, 248, 250 f.; Schmitz, ZfBR 2001, 85, 86 ff.; Grae, Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, S. 66 ff.; Busse, BayVBl 1998, 293, 295; Reißig, Bauleitplanung, S. 103; wohl auch: Gierke, in: Brügelmann, § 1 [Lfg.: 43.], Rn. 368a; unklar insoweit: Bönker, BauR 1999, 328, 332. 385 BVerwG, DVBl 2004, 239, 245; BVerwG, NVwZ 2006, 458, 459 f. 386 BVerwG, Beschl. v. 8. 3. 2006, UPR 2006, 236, 236 ff. 387 BVerwG, UPR 2006, 236, 238. 388 Als solche nennt das Gericht, dass erstens lediglich „eine eng umgrenzte Nutzungsart“ ausgeschlossen werden dürfe, damit der Gemeinde noch substantieller Raum für eine anderweitige Bauleitplanung verbleibe. Zweitens müsse wegen der besonderen Größe der Betriebe, der Zentrenrelevanz des Kernsortiments und der selbst für den großflächigen Einzelhandel übermäßigen Reichweite des Einzugsbereichs eine landesplanerische Zielfestlegung besonders gerechtfertigt sein.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Münster, welches bislang die Zielqualität bejahte, 391 jüngst die diesbezügliche Rechtsprechung explizit unter Verweis auf mangelnde Bestimmbarkeit der Festsetzungen aufgegeben. 392 Auf der anderen Seite hat das OVG Lüneburg seinen Rechtsprechungswandel von einer Ablehnung der Zielqualität 393 zur Anerkennung derselben ausdrücklich bestätigt. 394 Im Folgenden soll anhand der jeweils streitigen materiellen Zielvoraussetzungen die generelle Zielqualität von solchen formell als Ziel der Raumordnung ausgewiesenen Landesplanaussagen ermittelt werden, welche ein striktes Kongruenzgebot statuieren. (1) Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit Zunächst wird von den Gegnern einer Zielbindung durch landesplanerische Planaussagen, welche ein striktes Kongruenzgebot für den großflächigen Einzelhandel statuieren, geltend gemacht, dass derartige Bestimmungen gegen das Gebot der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit verstießen. 395 So sei stets unklar, wann ein „Entsprechen“ der jeweils geplanten Vorhaben mit der zentralörtlichen Gliederungsstruktur angenommen werden könne. Es bleibe offen, ob der Verflechtungsbereich des zentralen Ortes oder allein das Gemeindegebiet zur Beurteilung einer Kongruenz maßgebend sei. 396 Bereits die Abgrenzung eines Verflechtungsbereichs an sich sei nicht möglich. 397 Zudem gebe es keine Bestimmungsmerkmale für die Versorgungsaufgabe eines zentralen Ortes, anhand derer festgestellt werden könne, welche Zentralitätsstufe für welche Größenordnung von Einzelhandelsvorhaben vorausgesetzt werde. 398 Ein „Entspre389
OVG Bautzen, LKV 1994, 116, 117; OVG Münster, BRS 60, Nr. 1, S. 8 f.; OVG Münster, BRS 63, Nr. 34, S. 195 ff.; OVG Lüneburg, NdsVBl 2006, 71, 78 ff. u. 74 f. 390 OVG Frankfurt/Oder, DVBl 2001, 1298, 1298 f.; OVG Frankfurt/Oder DVBl 2004, 259, 259; VGH Mannheim, Urt. v. 13. 7. 2004, AZ: 5 S 1205/03, JURIS, Rn. 32 u. Rn. 49; OVG Lüneburg, BRS 63, Nr. 63 S. 327; OVG Lüneburg, Urt. v. 31. 10. 2000, AZ: 1 M 3407/00, JURIS, Rn. 4 ff.; OVG Lüneburg, Urt. v. 21. 2. 2002, AZ: 1 MN 4128/01, JURIS, Rn. 10. 391 OVG Münster, BRS 60, Nr. 1, S. 8 f.; OVG Münster, BRS 63, Nr. 34, S. 195 ff. 392 OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1580 ff. 393 OVG Lüneburg, BRS 63, Nr. 63, S. 327; OVG Lüneburg, Urt. v. 31. 10. 2000, AZ: 1 M 3407/00, JURIS, Rn. 4 ff.; OVG Lüneburg, Urt. v. 21. 2. 2002, AZ: 1 MN 4128/01, JURIS, Rn. 10. 394 OVG Lüneburg, NdsVBl 2006, 71, 74 f.; vorausgehend bereits zweifelnd: OVG Lüneburg, BRS 65, Nr. 39, S. 203. 395 Hoppe, NWVBl 1998, 461, 465 f.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 118 f.; Moench, in: FS Hoppe, 459, 467; OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1581 f. 396 OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1581. 397 Moench, in: FS Hoppe, 459, 467.
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chen“ setze ferner eine Bewertung des Umfangs eines geplanten Vorhabens voraus, welche neben der Großflächigkeit zumindest ebenso die Sortimentsstruktur und den konkreten Standort berücksichtigen müsse, ohne dass den Kongruenzgeboten bezüglich der notwendigen Gewichtung irgendwelche Anhaltspunkte entnommen werden könnten. 399 Die Bedenken gegen eine hinreichende Bestimmbarkeit des Kongruenzgebots greifen aus den gleichen Gründen nicht durch, welche bereits zur Bestimmbarkeit des Beeinträchtigungsverbots geführt haben: Bestimmbarkeit ist anzunehmen, wenn der Norm eine normative Steuerungsaussage über Zielfestlegungen zu entnehmen ist, aus denen funktionsbezogene Anforderungen für den Zieladressaten abzuleiten sind. 400 Demnach genügt es, dass der Inhalt der Planfestsetzungen konkretisiert werden kann, und es ist unschädlich, wenn zur Konkretisierung im Einzelfall für den Zieladressaten die Notwendigkeit von weiteren Erhebungen und Untersuchungen tatsächlicher Art besteht. 401 Für den Anwendungsbereich des Kongruenzgebots besteht insoweit die Notwendigkeit von Marktgutachten, welche den mutmaßlichen Einzugsbereich der geplanten Vorhaben zum Verflechtungsbereich des jeweiligen zentralen Ortes in Beziehung setzen. 402 Dabei handelt es sich um ein gängiges Verfahren, so dass die mangelnde Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Kongruenzgebots jedenfalls nicht generell jenseits der konkreten landesplanerischen Ausgestaltung generalisierend festgestellt werden kann. 403 (2) Negativplanung Ferner könnte gegen die Zielqualität von planerischen Festlegungen des Kongruenzgebots eingewendet werden, es handele sich um eine raumplanungsrechtlich unzulässige Negativplanung. Jenseits des Problems einer exakten Herleitung dieses Verbots kann jedenfalls festgestellt werden, dass das Kongruenzgebot keine rein negative Aussage enthält, sondern vielmehr positiv eine Zuordnung bestimmter Versorgungsbetriebe zu bestimmten zentralen Orten im Interesse einer ausgeglichenen Versorgungsstruktur beinhaltet. 404 Es handelt sich also keinesfalls um reine Negativplanung. 398 OVG Münster, BauR 2005, 1577, 1582; Hoppe, NWVBl 1998, 461, 466; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 118 f. 399 Hoppe, NWVBl 1998, 461, 466. 400 Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 112. 401 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 33; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 3 ROG [Lfg.: 38.], Rn. 28. 402 Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 115. 403 Vergleiche als Beleg dieser Möglichkeit und eventuellen Problemkreisen diesbezüglich die Darstellungen von: Vogels/Will, Factory-Outlet-Center, S. 71 ff.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
(3) Verbotswirkung für Private Gegen die Zielqualität des strikten Kongruenzgebots wird des weiteren geltend gemacht, dass sich aus Zweck und Systematik des Zentrale-Orte-Konzepts die Unzulässigkeit derartiger Zielbindungen ergebe, da eine Verbotswirkung gegenüber Privaten durch dessen normative Grundlagen nicht gedeckt sei. 405 Vielmehr könne auf Grundlage des Zentrale-Orte-Konzepts den Festlegungen im Sinne eines Kongruenzgebots lediglich eine sog. „Mindestausstattungsgarantie“ dergestalt entnommen werden, dass jedenfalls in den jeweiligen zentralen Orten entsprechend ihrem Zentralitätsgrad gewisse infrastrukturelle, kulturelle und gesundheitliche Versorgungseinrichtungen gewährleistet würden, ohne dass jedoch eine Ausschließlichkeit im Sinne einer Sperrwirkung für jenseits dieser garantierten Grundversorgungssicherung zu verortende private Vorhaben entstehen dürfe. 406 Dies ergebe sich aus Entwicklungsgeschichte und Funktion des Zentrale-OrteKonzepts. Dieses war zunächst von Christaller als rein deskriptives Erklärungsmodell für Zentrenbildungen konzipiert worden, bevor es sodann normativ zur konzentrierenden Sicherung der bevölkerungsbezogenen Infrastruktur im Interesse einer qualitativ hochwertigen und quantitativ ausreichenden Versorgung in das Raumordnungsrecht funktional eingebunden wurde. 407 Im Rahmen dieser zu sichernden Versorgungsfunktion seien zwar selbstverständlich auch private Einzelhandelsvorhaben aufgrund ihrer starken Auswirkungen als elementarer Bestandteil der Bevölkerungsversorgung zu berücksichtigen. 408 Dennoch dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich vornehmlich um ein Modell zur Sicherung der staatlichen Daseinsvorsorge, vornehmlich auf kulturellem, gesundheitlichem und infrastrukturellem Sektor, handele, welches in seiner grundsätzlichen Ausrichtung keine Verpflichtung oder Bindung Privater beinhalte. Wenn demgegenüber private Einzelhandelsgroßvorhaben auf bestimmte, stark limitierte Standorte festgelegt würden, so käme dem Kongruenzgebot eine Verbotswirkung gegenüber Privaten bei, welche dessen normative Grundlagen gerade nicht deckten. 404
Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 39. Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 16; Hoppe, DVBl 2000, 293, 296; Hoppe, NVwZ 2004, 282, 286 f.; Moench, DVBl 2005, 676, 685 f.; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 96 ff.; Jahn, BayVBl 1989, 294, 296. 406 Fickert/Fieseler, § 11 BauNVO, Rn. 22. 11; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 16; Moench, in: FS Hoppe, 459, 466; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 341; Paul, NVwZ 2004, 1033, 1036; wohl auch Sparwasser (NVwZ 2006, 264, 267), der insoweit von einer „Vorgabe von Leitplanken“ zur Schärfung des Problembewusstseins und zur Förderung der Konsensbildung spricht. 407 Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 12 ff. 408 Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 162. 405
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Eine derartige Wirkung rechtfertige sich auch nicht durch die hinter dem Kongruenzgebot stehende, sozialstaatlich gebotene Gewährleistung der gleichmäßigen und zumutbaren Versorgungsbedingungen der Bevölkerung. 409 Sozialstaatlich geboten sei allein der Aufbau und die Abwehr von Beeinträchtigungen dieser notwendigen Versorgungsleistungen, aber keine strikte Zuordnung von privaten Versorgungsbetrieben zu zentralen Verflechtungsbereichen. 410 Auch wenn im Einzelfall reflexartige Überschneidungen möglich seien, so müsse doch festgehalten werden, dass nicht der Schutz bestehender privater Versorgungsbetriebe durch die Vorschriften bezweckt sein dürfe, sondern vielmehr allein die gebotene Bevölkerungsversorgung durch derartige Festlegungen zu sichern sei. 411 Nur dies stehe auch in Übereinstimmung mit dem Auftrag der Raumordnung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse aus § 1 II S. 2 Nr. 6 ROG. 412 Inhalt des Kongruenzgebots in dem gebotenen Verständnis als Mindestausstattungsgarantie könne demnach nur die positive Gewährleistung einer Entwicklung der Versorgungsstruktur durch eine Pflicht zur Wahrnehmung der zugewiesenen Versorgungsfunktion in den zentralen Orten sein, nicht jedoch die Hinderung der Entwicklung anderer nichtzentraler Orte als bloß zusätzliche, die Versorgung nicht beeinträchtigende Ergänzung. 413 Prägnant formulieren Moench/Sandner, dass bei richtigem Verständnis der zentralörtlichen Festlegungen „jedenfalls und wenigstens, nicht aber ausschließlich die zentralen Orte über die entsprechenden (Versorgungs-)Einrichtungen verfügen“ sollen. 414 Es bestehe also eine Pflicht zur Herstellung und Sicherung, aber keine strikte, umfassende Zuordnung von Versorgungseinrichtungen, jedenfalls soweit es private Einrichtungen betreffe. Gegen ein Verständnis als Mindestausstattungsgarantie und für ein striktes Kongruenzgebot wird in der Literatur vorgebracht, dass durch derartige Festlegungen überhaupt keine Bindung Privater erfolge. 415 Vielmehr seien Adressaten der Zielaussagen ausschließlich die Gemeinden als Träger der Bauleitplanung. Für private Einzelhandelsunternehmen stelle dies eine bloße Angebotslenkung dar, welche in ihren Wirkungen Vogelschutzgebietsausweisungen vergleichbar seien,
409 410 411
Hoppe, DVBl 2000, 293, 296. Hoppe, NVwZ 2004, 282, 286 f. Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 258; Hoppe, NWVBl 1998, 461,
467. 412
Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 341. Moench, DVBl 2005, 676, 685; Moench, in: FS Hoppe, 459, 466 f. 414 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 341. 415 Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 65; Spannowsky, UPR 2003, 248, 251. 413
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
bei denen wiederum die Zulässigkeit einer Angebotslenkung gegenüber Privaten außer Frage stehe. 416 Ferner wird gegen eine Handhabe als Mindestausstattungsgarantie geltend gemacht, dass eine weitergehende, strikte inhaltliche Bindung privater Versorgungsunternehmen zwar nicht zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse raumordnungsrechtlich gerechtfertigt sei, sich jedoch auf § 2 II Nr. 12 ROG zum Zwecke der Verkehrsminimierung und den Grundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 II S. 1 ROG berufen könne. 417 Letztere Auffassung ist jedoch zurückzuweisen. Die Verbotswirkung gegenüber Privaten resultiert, wie beispielsweise § 35 III BauGB zu entnehmen ist, nicht allein aus einer Bindung der Gemeinden als Planungsträger, sondern kann durchaus Durchgriffswirkung unmittelbar gegenüber Privaten zeitigen. Jedenfalls handelt es sich auch bei herkömmlichem Verständnis zumindest mittelbar um eine Bindungswirkung gegenüber Privaten, da diese faktisch in gewichtiger Weise und zudem intendiert an einer Ansiedlung gehindert werden. Allein auf diese tatsächliche Wirkung stellt die Analyse der System- und Zweckwidrigkeit ab. Auch der Vergleich der Zentrenfestlegung mit Vogelschutzgebietsausweisungen spricht nicht gegen ein Verständnis als Mindestausstattungsgarantie. Die Ausweisung von Vogelschutzgebieten führt nämlich nach § 34 BNatSchG zu einer Verträglichkeitsprüfung für das einzelne Vorhaben. 418 Im Rahmen dieser Prüfung wird eine potentielle Beeinträchtigung der Erhaltungsziele untersucht, um die Zulässigkeit des Vorhabens zu ermitteln. Mit anderen Worten fordert auch eine Schutzgebietsausweisung lediglich ein Beeinträchtigungsverbot, nicht jedoch eine strikte Kongruenz. Genau dieser Unterscheidung wird jedoch nur durch ein Verständnis als Mindestausstattungsgarantie Rechnung getragen. Der Vergleich spricht somit nicht gegen, sondern für die Ablehnung eines strikten Kongruenzgebots. Zuletzt können auch die von Schmitz genannten Argumente ein striktes Kongruenzgebot nicht begründen. Der Gesichtspunkt der Verkehrsminimierung ist, wie sich auch aus der Stellung der Norm ergibt, als Grundsatz der Raumordnung ausgestaltet und somit gegenüber anderen Grundsätzen abzuwägen, so dass eine Rechtfertigung allein auf dieser Grundlage angesichts widerstreitender Verbrauchererwartungen und ökonomischer Vorteile kaum vertretbar ist. Auch der Argumentation auf Grundlage des raumordnungsrechtlichen Nachhaltigkeitsgrundsatzes kann keine derartige Eindeutigkeit beigemessen werden. So wird dessen
416
Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 40. Schmitz, ZfBR 2001, 85, 87 f.; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 123 f. 418 Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 179 ff. 417
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generelle Aussagekraft aufgrund mangelnder Bestimmtheit und Operationalisierbarkeit in Frage gestellt. 419 Jedenfalls wird sich aus diesem Gesichtspunkt keine eindeutige Präferenz zugunsten eines strikten Kongruenzgebots ergeben können, da eine Mindestausstattungsgarantie in Verbindung mit Ansiedlungsmöglichkeiten in diese nicht beeinträchtigenden Fällen ebenfalls Ausdruck einer nachhaltigen Entwicklung sein kann, welche durch ihre Flexibilität der mehrdimensionalen Ausrichtung dieses Nachhaltigkeitsgrundsatzes möglicherweise sogar besser gerecht zu werden vermag. Generell ist also festzustellen, dass der Kritik von Spannowsky und Schmitz ein falsches Verständnis der Mindestausstattungsgarantie zugrunde liegt: Mit einer Beschränkung der Zielqualität auf eine garantierte Versorgungsleistung durch die jeweiligen Zentren erfolgt kein „Weniger“ an Versorgung, welches es zu verhindern gelte. Vielmehr wird eine ausreichende Versorgung positiv garantiert und gegen Beeinträchtigungen geschützt. Einzig eine Exklusivität soll mit der Zentrenzuweisung nicht verknüpft sein. Zutreffend ist somit der Zielcharakter eines strikten Kongruenzgebots, welches lediglich „interkommunale Planverwaltungswirtschaft“ und „Verkrustung“ aufgrund einer übermäßigen Regelungsdichte befördern würde, aus genannten systematischen Erwägungen abzulehnen. 420 Allein das Verständnis als Mindestausstattungsgarantie gewährleistet das von Battis treffend formulierte Leitbild: Es dürfe nicht Aufgabe der Raumordnung und des Städtebaurechts sein, neue Vertriebsformen zu verhindern; deren Aufgabe bestehe stattdessen vielmehr allein darin, deren Verträglichkeit zu gewährleisten. 421 (4) Art. 28 II GG Neben dieser systematischen Begründung der Ablehnung der Zielqualität des Kongruenzgebots ist zu untersuchen, ob eine strikte Ausgestaltung des Kongruenzgebots in Raumordnungsplänen nicht zudem gegen Art. 28 II GG verstößt. Vereinzelt wird in der Literatur bereits bezweifelt, dass Festlegungen im Sinne des Kongruenzgebots überhaupt die Gewährleistung des Art. 28 II GG beträfen. 422 Die Selbstverwaltungsgarantie umfasst alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Darunter versteht man „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben“. 423 Speziell die Planungshoheit der Gemeinden im Sinne einer Befugnis, 419
Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 130; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 227, 340 f. Moench, DVBl 2005, 676, 685 f.; zur generellen Einordnung des Begriffs vgl.: Kloepfer, UmweltR, § 10, Rn. 26. 421 Battis, LKV 1999, 347, 349. 422 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 35 f. 420
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insbesondere Entwicklungen der Bodennutzung längerfristig zu steuern, ist von dieser Selbstverwaltungsgarantie erfasst. 424 Spannowsky hält die Letztentscheidung über das Standortangebot für großflächige Einzelhandelsbetriebe für eine schwerpunktmäßig überörtliche Aufgabe, so dass diese durch Raumordnung und Landesplanung zu bewältigen sei und die Anwendung von Subsidiaritätsprinzip und Übermaßverbot aus Art. 28 II GG deshalb in dieser Frage zweifelhaft erscheine. 425 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass ein spezifisch räumlicher Bezug zur jeweiligen Standortgemeinde bzw. deren Bodennutzung selbst bei schwerpunktmäßig überregionalen Auswirkungen des Einzelhandelsvorhabens nicht verneint werden kann. Vielmehr betreffen gerade die bodenrechtlichen Entscheidungen über die Ansiedlungen des Einzelhandels die Gemeindeeinwohner bzw. deren Zusammenleben und -wohnen in besonderer Weise, so dass neben überörtlichen Gesichtspunkten immer auch örtliche Bezugspunkte bestehen. Auch würde sich eine Bindungswirkung vorliegend über § 1 IV BauGB als einer Vorschrift der kommunalen Bauleitplanung ergeben, was ebenfalls den örtlichen Bezug verdeutlicht. Dieser räumlich-örtliche (Teil-)Bezug rechtfertigt eine grundsätzliche Zurechnung als gemeindlichen Selbstverwaltungsgegenstand. Den überörtlichen Bezügen ist dann im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Umfangs eventueller Eingriffe Rechnung zu tragen. Vorliegend kann dahinstehen, inwieweit die kommunale Planungshoheit dem Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zuzurechnen ist, 426 da jedenfalls kein Entzug dieser Planungshoheit in Frage steht, sondern lediglich inhaltliche Vorgaben für die Gemeinde durch das Kongruenzgebot statuiert werden, ohne deren grundsätzliche Zuständigkeit anzutasten. Derartige, den Kernbereich nicht berührende Einschränkungen im gemeindespezifischen Aufgabenverteilungsprinzip des Art. 28 II GG müssen nach zutreffender, ganz herrschender Meinung zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht getragen sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. 427
423
BVerfGE 79, 127, 151. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 28, Rn. 13; Tettinger, in: vMangoldt/Klein/Starck, Art. 28 II, Rn. 181; Dreier, in: Dreier, Art. 28, Rn. 140; Rennert, in: Umbach/Clemens, Art. 28 II, Rn. 117. 425 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 36. 426 Vgl. dazu: Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 20 m. w. N. 427 BVerwG, UPR 2006, 236, 238; Tettinger, in: vMangoldt/Klein/Starck, Art. 28 II, Rn. 194; Dreier, in: Dreier, Art. 28, Rn. 128; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 28, Rn. 22; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1, Rn. 66; Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 37; Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 164 ff.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 119; Paul/ Pfeil, UPR 2006, 260, 262; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale 424
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Ein Teil der Literaturstimmen zur Frage der Rechtmäßigkeit des strikten Kongruenzgebots kommt zu dem Ergebnis, dieses sei unverhältnismäßig und deshalb mit Art. 28 II GG unvereinbar. 428 Andere Autoren bejahen demgegenüber die Verhältnismäßigkeit. 429 Im Folgenden soll anhand der einzelnen Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Vereinbarkeit mit Art. 28 II GG geklärt werden. Dass es sich mit der bezweckten Sicherung einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung in allen Landesteilen um einen legitimen Zweck handelt, ist angesichts der sozialstaatlichen Legitimation unstreitig. 430 Problematischer erweist sich bereits die Frage nach der Geeignetheit von Festlegungen eines strikten Kongruenzgebots. Geeignet ist ein Normprogramm dann, wenn durch seine Anwendung der bezweckte Erfolg gefördert wird. 431 Hoppe/Bunse machen diesbezüglich geltend, dass eine starre Bindung privatwirtschaftlicher Versorgungsunternehmen an die hierarchisierenden Zentralitätsfestlegungen unter bestimmten Umständen für die Versorgung der Bevölkerung in zumutbarer Entfernung sogar abträglich sein könnte. 432 Vielfach seien zentrale Orte nicht in der Lage, flächenintensiven Einzelhandelsvorhaben die notwendigen Flächen und die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, so dass betriebswirtschaftlich die Möglichkeit nicht bestehe, sich in den Innenstädten der zentralen Orte anzusiedeln, mit der Folge, dass dem gegenüber Marktmechanismen weitestgehend resistenten Kongruenzgebot keine Geeignetheit beizumessen sei. 433 Dieser Auffassung ist jedoch entgegenzuhalten, dass es sich schwerpunktmäßig um rechtspolitische Argumente handelt und diesbezüglich der Einschätzungsprärogative des Normgebers Rechnung getragen werden muss. 434 Insoweit kann aufgrund des prognostisch-zukunftsorientierten Charakters derartiger Planungsvorstellungen derzeit in Ermangelung tatsächlicher Gefährdungen der verbrauchernahen Versorgung durch das Kongruenzgebot jedenfalls nicht ausgeschlossen
Bauleitplanung, S. 95; a. A.: Schmidt-Aßmann, in: FS Sendler, 121, 135 f.; Krebs, JURA 2001, 228, 234 m. w. N. 428 Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 164 ff.; Hoppe, NWVBl 1998, 461, 468; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 119 ff.; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 89; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 341; Moench, in: FS Hoppe, 459, 468; Moench, DVBl 2005, 676, 685. 429 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 37 ff.; Spannowsky, UPR 2003, 248, 251; Schmitz/ Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 102 ff. 430 Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 165. 431 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 84. 432 Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 165 f.; Hoppe, NWVBl 1998, 461, 468. 433 Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 91 f. 434 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 37; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 119 f.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
werden, dass solche Festlegungen einer Zweckerreichung dienlich sind. 435 Die Geeignetheit ist demnach anzunehmen. Zweifelhaft erscheint indes, ob das strikte Kongruenzgebot auch erforderlich ist. Ein Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot ist anzunehmen, wenn der Zweck des Normprogramms auch durch ein milderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann. 436 Die Ausweisung als Ziel der Raumordnung stellt für den Bereich der Bauleitplanung aufgrund der strikten Zielbindung nach § 1 IV BauGB das schärfste Mittel landesplanerischer Koordinierung dar. 437 Als milderes Mittel wird verbreitet in der Literatur auf eine Kombination bereits dargestellter Elemente verwiesen: Die landesplanerischen Festlegungen eines Beeinträchtigungsverbots gewährleisten als Ziele der Raumordnung über § 1 IV BauGB bereits, dass keine erheblichen negativen Auswirkungen auf die Versorgungsstrukturen zentraler Orte durch gemeindliche Bauleitplanung erfolgen dürfen. 438 Des weiteren werde durch das Gebot der Rücksichtnahme, das Erfordernis interkommunaler Abstimmung nach § 2 II BauGB und das allgemeine Gebot ordnungsgemäßer Abwägung (in welcher ein Kongruenzgebot als Grundsatz der Raumordnung zu berücksichtigen sein könnte) zudem gesondert gewährleistet, dass durch gemeindliche Planungen Nachbargemeinden nicht in ihrer Wirtschaftsund Steuerkraft ungerechtfertigt gestört würden. 439 Dieses Modell eines Verzichts auf ein striktes Kongruenzgebot bzw. ein Verständnis des Kongruenzgebots als Mindestausstattungsgarantie lässt den Gemeinden einen breiteren Raum für interkommunalen Wettbewerb, indem die Ansiedlung von nicht zentrenbeeinträchtigenden Einzelhandelsbetrieben auch jenseits hierarchisch gegliederter zentraler Orte ermöglicht wird, ohne dass die zugewiesenen Versorgungsfunktionen durch „interkommunale Interferenz“ gefährdet werden, 440 so dass es als milderes Mittel im Vergleich zu einem strikten Kongruenzgebot einzuordnen ist. Gegen diese Einordnung als milderes Mittel wird durch Spannowsky die Möglichkeit eines Zielabweichungsverfahrens nach § 11 ROG angeführt. 441 Dieses
435 Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 120.; Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 37; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 104. 436 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 85. 437 Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 166. 438 Moench, DVBl 2005, 676, 685 f.; Moench, in: FS Hoppe, 459, 468; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 98 f. 439 Hoppe, NWVBl 1998, 461, 468; Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151, 166; Moench/ Sandner, NVwZ 1999, 337, 341, Fn. 47; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 120. 440 Moench, in: FS Hoppe, 459, 468; Moench, DVBl 2005, 676, 686; ähnlich Hoppe (NVwZ 2006, 1345, 1346 ff.), der ein Verständnis als „funktionsbeeinträchtigendes Überschreitungsverbot“ etablieren möchte.
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ermögliche ausnahmsweise eine vorhabenbezogene Standortausweisung, so dass eine Abweichungsmöglichkeit vom strikten Kongruenzgebot bestehe, die dem Erforderlichkeitsgebot sogar über dem verfassungsrechtlich geforderten Maß hinaus Rechnung trage. 442 Dieser Einwand ist indes zurückzuweisen. Das Zielabweichungsverfahren gestattet zum einen Abweichungen nur in Einzelfällen, also nicht für den gesamten Landesplan generell. 443 Zum anderen haben nicht alle Bundesländer bislang ein Zielabweichungsverfahren landesrechtlich umgesetzt. 444 Ferner bestehen in den Ländern besondere aufwendige Verfahrensausgestaltungen, welche für den Antragsteller faktisch zusätzliche Hürden statuieren, so dass auch dies gegen eine Einordnung als gleich mildes Mittel spricht. 445 Zudem wird in der Literatur angenommen, dass Zielabweichungen von Regelungen, welche aus dem Zentrale-Orte-Konzept hergeleitet seien, stets die Grundstruktur des Raumordnungsplans berührten, 446 so dass den materiellen Anforderungen einer Zielabweichung nie entsprochen werden kann. Damit ist also festzustellen, dass eine Beschränkung auf Ziele der Raumordnung im Sinne eines Beeinträchtigungsverbots und eine Beschränkung des Kongruenzgebots auf eine Mindestausstattungsgarantie ein milderes Mittel im Vergleich zum strikten Kongruenzgebot darstellen. Um eine mangelnde Erforderlichkeit des strikten Kongruenzgebots festzustellen, muss das ermittelte mildere Mittel jedoch zudem hinsichtlich der Zweckerreichung als gleich wirksam einzuordnen sein. Die Mehrzahl der aktuellen Literaturstimmen hält eine Anwendung des Beeinträchtigungsverbots und ein Verständnis des Kongruenzgebots als Mindestausstattungsgarantie für ebenso wirksam, da der dem strikten Kongruenzgebot zugrunde liegende Zweck einer Sicherung der verbrauchernahen Versorgung in zumutbarer Entfernung auch auf diesem Weg vollumfänglich gewährleistet werde. 447 Auf diesem Wege könnten sich die jeweiligen Gemeinden gemäß ihrer zugewiesenen Funktion entwickeln, ohne von anderen Gemeinden in dieser Entwicklung behindert zu werden, so dass es nicht zu einer Verkrustung durch Erstarrung des interkommunalen Nebeneinanders komme. 448
441
Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 38. Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 38. 443 Dyong, in: Cholewa / Dyong / u. a., § 11 ROG [Lfg.: 2.], Rn. 5. 444 Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 11 ROG [Lfg.: 49.], Rn. 59 f. 445 Vergleiche dazu die Nachweise für die einzelnen Bundesländer bei Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 11 ROG [Lfg.: 49.], Rn. 73 ff. 446 Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 11 ROG [Lfg.: 49.], Rn. 35. 447 Moench, in: FS Hoppe, 459, 468; Moench, DVBl 2005, 676, 685 f.; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 341; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 120 f.; Hoppe, NWVBl 1998, 461, 468; ähnlich auch: Sparwasser, NVwZ 2006, 264, 267 f. 442
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Gegen die Beimessung gleicher Wirksamkeit bezüglich der Sicherung der verbrauchernahen Versorgung wird von Schmitz/Federwisch geltend gemacht, dass die bisherige Genehmigungspraxis beeinträchtigender Einzelhandelsbetriebe die geringere Wirksamkeit des Beeinträchtigungsverbots und der Bindung durch das Erfordernis ordnungsgemäßer Abwägung aufzeige. 449 Diesem Einwand ist jedoch nicht zu folgen. Einerseits ließe sich auf der gleichen Tatsachengrundlage eine identische Argumentation gegen die Wirksamkeit des Kongruenzgebots führen. Andererseits vermag der Verweis auf eine rechtswidrige Genehmigungspraxis die erforderlichkeitsrelevante Wirksamkeit nicht in Frage zu stellen, da normativ zunächst aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung nach Art. 20 III GG allein von rechtmäßigem Verhalten auszugehen ist und erst im Anschluss Maßnahmen zur Durchsetzung des Normprogramms bei rechtswidrigem Verhalten zu beurteilen sind. Festzuhalten ist also, dass, gemessen an dem sozialstaatlichen Normzweck der Sicherung einer verbrauchernahen Versorgung in zumutbarer Entfernung, eine entsprechende Wirksamkeit anzunehmen ist. Die Befürworter des strikten Kongruenzgebots als zulässigem Ziel der Raumordnung begründen ihre Ablehnung der gleichen Wirksamkeit jedoch nicht vornehmlich, indem sie die Effektivität hinsichtlich dieses Normzwecks bestreiten. Vielmehr behaupten sie eine geringe Wirksamkeit gemessen an weiteren Normzwecken. So sei mit dem Zentrale-Orte-Konzept eine schwerpunktmäßige Zuordnung der Verkehrsinfrastruktur verbunden, damit eine Erhöhung der Verkehrsbelastung vermieden werde und verkehrsarme Siedlungsstrukturen geschaffen würden, was allein durch ein striktes Kongruenzgebot wirksam zu erreichen sei. 450 Des Weiteren sei als Normzweck das Gebot nachhaltiger Raumentwicklung anzusehen, vor dessen Hintergrund das strikte Kongruenzgebot wesentlich effektiver den sparsamen Umgang mit Raum und eine geringere Bodenversiegelung zu garantieren vermöge. 451 Gegen diese Argumentation muss jedoch eingewendet werden, dass durch das Beeinträchtigungsverbot in Verbindung mit dem Kongruenzgebot als Mindestausstattungsgarantie für sich betrachtet bereits eine beachtliche Verkehrslenkung in 448
Moench, DVBl 2005, 676, 685 f. Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 105. 450 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 38; Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 104 f.; Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 11 ROG [Lfg.: 49.], Rn. 16. 451 Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 11 ROG [Lfg.: 49.], Rn. 16; Schmitz/ Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 105; ähnlich auch Spannowsky (NdsVBl 2001, 32, 38) hinsichtlich strategisch zu entwickelnder Schutzgebietskonzeptionen. 449
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diesem Sinne erfolgt. Vielmehr drängt sich die Frage auf, ob nicht – gerade vor dem Hintergrund der Feinstaubgrenzwerte in Innenstadtlagen – eine verkehrsmäßige Entlastung der Innenstädte in Folge der Ansiedlungen jenseits zentraler Orte sogar einen wirksameren Beitrag zur Minderung der Verkehrsbelastung und einer nachhaltigeren Raumentwicklung darstellen würde. 452 Ferner würde nicht zwingend zusätzlicher Verkehr hervorgerufen, da durch das Beeinträchtigungsverbot die Versorgungsfunktion zentraler Orte ja gewährleistet bleibt und lediglich zusätzliche Optionen geschaffen würden, welche aus Perspektive des gesamten Verflechtungsbereichs für einige Verbraucher unter Umständen kürzere und weniger verkehrsintensive Anfahrtswege mit sich bringen. Neben diesen inhaltlich-tatsächlichen Zweifeln erscheint zudem die Argumentationsgrundlage nicht haltbar. Der Grundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung ist ein generelles Leitbild der Raumordnung und als solches stets gem. § 1 II S. 1 ROG bei der Raumplanung zugrunde zu legen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich auch im konkreten Fall um einen speziellen Normzweck des Kongruenzgebots handeln muss. Vielmehr ergibt sich der konkrete Normzweck jeweils aus einer Gewichtung der diversen vorgelagerten Leitvorstellungen und Berücksichtigungsgebote, welche abwägend durch den Normgeber konkretisiert werden müssen und sich erst auf diesem Weg zum Normzweck verdichten. Das Kongruenzgebot dient in diesem Sinn allein der sozialstaatlich motivierten Sicherung der verbrauchernahen Versorgung in zumutbarer Nähe als Konkretisierung der unterschiedlichen Raumansprüche. Für die Analyse der Wirksamkeit im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung kann nicht auf einzelne Hintergründe des Normzwecks isoliert abgestellt werden, da sonst die Gefahr besteht, dass durch eine beliebige „Zerfaserung“ in unterschiedlichste Normzwecke eine Handhabe des Erforderlichkeitsgrundsatzes und damit des Übermaßverbotes als solchem gänzlich leer zu laufen droht. Diese Argumentation ist somit abzulehnen. Das strikte Kongruenzgebot erweist sich also gegenüber dem Beeinträchtigungsverbot in Verbindung mit dem Kongruenzgebot als Mindestausstattungsgarantie grundsätzlich als nicht erforderlich. Eine derartige Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist im Regelfall nicht gerechtfertigt. Jenseits der Ausgestaltung als striktes Kongruenzgebot ist jedoch der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beizupflichten, wonach ausnahmsweise die Verhältnismäßigkeit einer Zielfestlegung gewahrt sein kann, wenn lediglich ganz spezielle Erscheinungsformen des großflächigen Einzelhandels, für welche qualifizierte rechtfertigende Belange anzuführen sind, einer Bindung an den jeweiligen Zentralitätsgrad unterliegen und diese Bindung nicht „strikt“ ausgestaltet ist. 453 452 453
Ähnlich: Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 95. BVerwG, UPR 2006, 236, 238 f.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Des Weiteren ist es denkbar, dass im Einzelfall auf Grundlage der bereits entwickelten Zielfigur der Festsetzungen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ 454 ausnahmsweise eine Verhältnismäßigkeit der Zielfestlegung gewährleistet sein kann. Dies ist jedoch eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und als solche keiner abstrakten Behandlung zugänglich. Es verbleibt jedoch für den ursprünglich zugrunde gelegten Fall des strikten Kongruenzgebots bei dem dargestellten Ergebnis, welches abschließend noch einmal explizit formuliert werden soll: Die Annahme einer Zielqualität des strikten Kongruenzgebots verstößt grundsätzlich gegen Art. 28 II GG und ist somit auch aus diesem Grund abzulehnen. (5) Art. 12 I GG Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Ausgestaltung eines strikten Kongruenzgebots als Ziel der Raumordnung zugleich gegen die Berufsfreiheit der Einzelhandelsunternehmer aus Art. 12 I GG verstößt. Vereinzelt wird in der Literatur ein Eingriff in die Berufsfreiheit mit der Begründung abgelehnt, lediglich die Gemeinden seien Adressaten der Raumordnungspläne, so dass gegenüber dem Einzelhandel kein Eingriff vorliege. 455 Dieser Betrachtung liegt jedoch ein zu enges Eingriffsverständnis zugrunde. Sicherlich kommt ein unmittelbarer Eingriff aufgrund der lediglich indirekten Wirkung gegenüber den Einzelhandelsunternehmern oder Investoren nicht in Betracht. Es könnte sich aber um einen mittelbaren Eingriff in die Berufsfreiheit handeln. Ein solcher mittelbarer Eingriff ist anzunehmen, wenn staatliche Maßnahmen „in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen“. 456 Durch Bestimmungen des Umweltschutz- und des Bauplanungsrechts wird ein mittelbarer Eingriff generell weitestgehend abgelehnt, da diesen Normen, welche Rahmenbedingungen statuieren, regelmäßig kein hinreichendes finales Element zur Berufsregelung beigemessen wird. 457 Gleiches könnte auch generell für den Bereich des Raumordnungsrechts gelten. Demgegenüber ist jedoch festzustellen, dass die speziellen Festlegungen des Zentrale-Orte-Konzepts innerhalb des Raumordnungsrechts für Versorgungsbetriebe einen spezifischen Berufsbezug aufweisen, welcher es rechtfertigt, diese nicht als „neutrale“ Rahmenregelungen für
454
Siehe dazu die Darstellungen: 3. Kap. E.II.1.c)(1). Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 107. 456 BVerfGE 70, 191, 214; BVerfGE 52, 42, 54; Gubelt, in: vMünch/Kunig, Art. 12, Rn. 43; Umbach, in: Umbach/Clemens, Art. 12, Rn. 55. 457 Manssen, in: vMangoldt/Klein/Starck, Art. 12 I, Rn. 73. 455
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alle potentiellen Raumnutzungen, sondern als berufsregelnde Rahmenregelungen speziell für den Versorgungssektor einzuordnen. So hat das Bundesverfassungsgericht anlässlich einer Nichtaufnahmeentscheidung in einen Krankenhausplan entschieden, dass „insbesondere bei staatlicher Planung und Subventionierung mit berufsregelnder Tendenz“ ein mittelbarer Eingriff vorliegen kann. 458 Die Bindungen durch ein striktes Kongruenzgebot sind in ihren Auswirkungen diesem Fall durchaus vergleichbar. Die Beschränkung auf bestimmte zentrale Orte durch das strikte Kongruenzgebot führt für die Einzelhandelsunternehmen und Investoren als konkretem Personenkreis zu einer starken Beschränkung in der Wahl des Ansiedlungsortes, da je nach Bundesland für großflächigen Einzelhandel von vornherein ohne Berücksichtigung zusätzlicher baurechtlicher oder betriebswirtschaftlicher Einschränkungen teilweise lediglich zwei bei drei Standortgemeinden in Betracht kommen. 459 Die Festlegungen des Zentrale-Orte-Konzepts zeichnen sich unter den dominanten Versorgungsgesichtspunkten für private Versorgungsträger zudem durch einen engen Zusammenhang zur Ortswahl der beruflichen Tätigkeit des Einzelhandels aus, so dass sie teilweise ausdrücklich als „Marktzutrittsperre“ 460 bezeichnet werden, richtigerweise jedoch als „Marktzutrittshindernis“ zu verstehen sind. Die Voraussetzungen für eine objektiv berufsregelnde Tendenz liegen demnach vor. Ferner ist das Kongruenzgebot, welches zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung erfolgt, seitens des Planungsträgers bewusst und zielgerichtet darauf gerichtet, die Ansiedlungsmöglichkeiten für großflächige Einzelhandelsbetriebe zu beschränken, so dass aufgrund dieser Intention zudem eine subjektiv berufsregelnde Tendenz einen mittelbaren Eingriff in Art. 12 I GG auslöst. 461 Die ganz herrschende Meinung nimmt somit zu Recht einen Eingriff in Art. 12 I GG durch die Normierung eines strikten Kongruenzgebots an. 462 Nach der „Drei-Stufen-Theorie“ des Bundesverfassungsgerichts muss dieser Eingriff als Berufsausübungsregel zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung 458 459 460
BVerfGE 82, 209, 223 f. Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 121. Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 89; Jahn, BayVBl 1989, 294,
296. 461 Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 122; dies andeutend auch: Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 105. 462 Spannowsky, NdsVBl 2001, 32, 36 f.; Spannowsky, UPR 2003, 248, 251; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 104 f.; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337, 341; Moench, in: FS Hoppe, 459, 468; Jahn, Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, S. 89; Jahn, BayVBl 1989, 294, 296; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 121 f.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
durch „vernünftige Gründe des Allgemeinwohls“ gedeckt sein. Vorliegend kommt als solcher die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung in Betracht. 463 Jedoch kann für die diesbezüglich notwendige Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Darstellungen zu Art. 28 II GG verwiesen werden. 464 Gegenüber einer Beschränkung auf ein Beeinträchtigungsverbot als Ziel der Raumordnung in Verbindung mit einem als Mindestausstattungsgarantie verstandenen Kongruenzgebot erweist sich das strikte Kongruenzgebot zur Sicherung der verbrauchernahen Versorgung grundsätzlich als nicht erforderlich. Die Zielfestlegung eines strikten Kongruenzverbots verstößt somit ferner gegen Art. 12 I GG. (6) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass landesplanerischer Festlegungen, welche ein striktes Kongruenzgebot normieren, aus raumordnungssystematischen und verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig sind. Diese können folglich mangels Zielqualität auch nicht Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB sein. In den dargestellten seltenen Ausnahmefällen kann indes eine Verhältnismäßigkeit und damit die Zielqualität von landesplanerischen Festlegungen gegeben sein; diese Konstellationen stellen jedoch keine Fallgruppen des strikten Kongruenzgebots dar. c) Integrationsgebot Als letzte typische Aussage der Raumordnungspläne hinsichtlich des ZentraleOrte-Konzepts soll im Folgenden die Zielqualität von Festlegungen im Sinne des sog. Integrationsgebots untersucht werden. Diese beinhalten eine Zuordnung von Einzelhandelsgroßbetrieben zu Siedlungsschwerpunkten dergestalt, dass eine integrierte Ansiedlung innerhalb innerstädtischer Zentren erstrebt wird. 465 Der Mikrostandort des jeweiligen Einzelhandelsvorhabens muss demnach städtebaulich integriert sein, 466 so dass verhindert werden soll, dass sich Einzelhandelsbetriebe jenseits existierender Zentren an Stellen ansiedeln, die bislang durch andere Nutzungen dominiert sind, und damit
463 Diesen Rechtfertigungsgrund als solchen für ein striktes Kongruenzgebot bereits ablehnend: Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 109 ff. 464 Siehe oben: 3. Kap. E.II.2.b)(4). 465 Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 137. 466 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 4 ROG [Lfg.: 40.], Rn. 375; Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, § 7 ROG [Lfg.: 2/05], Rn. 65.
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der Vorrang der Innenentwicklung zum Schutz vor „Verödung“ der Innenstädte sichergestellt ist. 467 Im Vergleich zur Auseinandersetzung mit Kongruenzgebot und Beeinträchtigungsverbot kommt diesem raumordnungsrechtlichen Regelungsmodell geringere Aufmerksamkeit in der Literatur zu. Die Mehrzahl der Literaturstimmen lehnt die Zielqualität des Integrationsgebots ab. 468 Hoppe bezweifelt bereits die Zugehörigkeit derartiger Festlegungen zum überörtlichen und zusammenfassenden Regelungsgegenstand der Raumordnung, da die inhaltliche Ausgestaltung innergemeindlicher Siedlungsschwerpunkte städtebaulich allein örtlich fundiert sein könnte. 469 Für eine derartige Betrachtung lassen sich die allgemeine Zielvorstellung des Städtebaurechts von einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und speziell § 1 VI Nr. 8 a) BauGB anführen, die bereits eine integrierte Siedlungsstruktur und einen Schutz vor „Verödung“ der Innenstädte garantieren, so dass auf örtlicher Ebene bereits sachgerecht den Zielvorstellungen eines Integrationsgebots Rechnung getragen wird. 470 Letztlich greifen diese Zweifel jedoch nicht durch: Die Bildung von Siedlungsschwerpunkten ist vielfach als Grundsatz der Raumordnung den Gemeinden landesplanerisch vorgegeben und steht inhaltlich in deutlichem Zusammenhang mit den sonstigen Steuerungsansätzen des Zentrale-Orte-Konzepts, so dass ein überörtlicher Bezug und damit die raumordnungsrechtliche Relevanz nicht plausibel abgelehnt werden können. 471 Mehrheitlich wird die Zielqualität des Integrationsgebots allerdings unter Verweis auf eben diese inhaltliche Verknüpfung mit den anderen Regelungsansätzen des Zentrale-Orte-Konzepts bezweifelt. 472 So wurde bereits dargelegt, dass ein absolutes Kongruenzgebot, bei welchem bestimmte Vorhaben strikt zentralen Orten mit bestimmter Zentralitätsstufe zugeordnet werden, unter anderem unverhältnismäßig und folglich nicht als Ziel der Raumordnung einzuordnen ist. 473 Zu diesen Festlegungen im Sinne des Kongruenzgebots bestehe indes ein inhaltlicher Zusammenhang für das Integrationsgebot, welches nur in Verbindung mit der generellen 467
Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 114 f. Hoppe, DVBl 2001, 81, 87; Hoppe, NWVBl 1998, 461, 466 f.; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 127; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 266 f.; Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 133 ff. 469 Hoppe, NWVBl 1998, 461, 466. 470 Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 127. 471 Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 127. 472 Ernst, Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Bauleitplanung, S. 134 ff. 473 Siehe dazu die Darstellungen: 3. Kap. E.II.2.b). 468
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Zuordnung des Kongruenzgebots Bindungswirkung entfalten könne. 474 Wenn aber bereits die strikte Zuordnung von Einzelhandelsvorhaben zu bestimmten zentralen Orten nicht verhältnismäßig sei, so müsse selbiges für die interne Zuordnung innerhalb eines zentralen Ortes durch ein absolutes Integrationsgebot gelten. 475 Aus dieser Unverhältnismäßigkeit folge, dass auch Festsetzungen im Sinne eines absoluten Integrationsgebots nicht als Ziel der Raumordnung einzuordnen seien. Demgegenüber halten Schmitz/Federwisch die Zielqualität von entsprechenden Aussagen in Raumordnungsplänen für gegeben. 476 Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Argumenten der überwiegenden Anzahl der Literaturstimmen unterbleibt jedoch im Rahmen dieser Darstellung. Zur Begründung wird lediglich auf die „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen, welche die Zielqualität des Integrationsgebots „geklärt“ habe. Dieser Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint indes zweifelhaft. Zwar kann bei oberflächlicher Betrachtung der genannten Entscheidung festgestellt werden, dass die konkreten Festlegungen des Landesentwicklungsprogramms Rheinland-Pfalz, welche vorgeben, großflächige Einzelhandelsbetriebe „in der Regel in engem räumlichen und funktionalen Zusammenhang (städtebauliches Integrationsgebot) mit den zentralen Einkaufsbereichen der Standortgemeinde zu errichten“, als zulässiges Ziel der Raumordnung eingeordnet wurden. 477 Indes darf bei dieser Analyse der Entscheidung nicht übersehen werden, dass es sich vorliegend mitnichten um ein absolut ausgestaltetes Ziel der Raumordnung handelt. Vielmehr wird anhand der Zielformulierung „in der Regel“ seitens des Gerichts an die Rechtsprechung zu Zielen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ angeknüpft. Inwieweit die diesbezüglichen Ausführungen, wonach sich die hinreichende Bestimmtheit des Integrationsgebots als Ziel der Raumordnung aus den nachfolgenden, lediglich als Grundsätzen der Raumordnung ausgestalteten Ausnahmetatbeständen ergebe, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls handelte es sich beim vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall gerade nicht um ein absolutes Integrationsgebot, so dass keineswegs eine allgemein-absolute Anerkennung des Integrationsgebots als Ziel der Raumordnung vorliegt. Vielmehr ließe sich aufgrund der Funktion von „Regel-Ausnahme-Strukturen“, welche der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall besonders Rechnung tragen, ebenso vertreten, dass absolute Integrationsgebote in Ermangelung derartiger Vorkehrungen gerade nicht anerkannt wurden. 474
Hoppe, NWVBl 1998, 461, 466; Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 127. Schneider, Zulässigkeit von FOC, S. 127. 476 Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, Rn. 137 f.; Kopf , Rechtsfragen Einzelhandelsgroßprojekte, S. 266. 477 BVerwG, DVBl 2004, 239, 245. 475
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Diese Interpretation wird zudem durch einen Blick auf die jüngsten Forderungen des Hauptgeschäftsführers des Einzelhandelsverbands BAG gestützt, welcher eine deutlichere Ausrichtung des planerischen Instrumentariums auf die Innenstadtentwicklung mittels präziserer Lokalisierung von Standortclustern durch das Zentrale-Orte-Konzept fordert, was inhaltlich als eine Ausgestaltung des Integrationsgebots einzuordnen wäre. 478 Diese Ausführungen sind eindeutig als rechtspolitische Forderung zu erkennen, welche eben nicht die derzeitige Rechtslage beschreiben, sondern vielmehr den Schluss nahe legen, dass eine Zielbindung bislang nicht anzunehmen ist. Es ist somit festzuhalten, dass die Argumentation für die Anerkennung der Zielqualität eines absoluten Integrationsgebots nicht zu überzeugen vermag. Demgegenüber spricht die inhaltliche Verknüpfung mit dem Kongruenzgebot, welchem in seiner strikt-absoluten Ausgestaltung ebenfalls keine Zielqualität zukommt, gegen eine Einordnung als Ziel der Raumordnung. d) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis stellen sich demnach die rechtlichen Bindungen der objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB durch das ZentraleOrte-Konzept als von den jeweiligen Zielanforderungen abhängig dar. Diesen Anforderungen genügt für den Fall der absoluten bzw. strikten Ge- oder Verbote im Zusammenhang mit dem Zentrale-Orte-Konzept lediglich das Beeinträchtigungsverbot. Dieses allein vermag somit regelmäßig als Anknüpfungspunkt oder Auslöser einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht zu dienen. Demgegenüber kommt generell dem Kongruenzgebot ebenso wie dem Integrationsgebot keine Zielqualität zu; inwieweit die Zielqualität ausnahmsweise aufgrund einer – speziell der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragenden – „RegelAusnahme-Struktur“ bzw. der Beschränkung auf bestimmte spezielle Erscheinungsformen des Einzelhandels in der konkreten Ausgestaltung anzunehmen sein kann, stellt sich als Frage des jeweiligen Einzelfalls dar, welche keiner allgemeinen Aussage zugänglich ist. Jedenfalls in ihrer absoluten Ausgestaltung können derartige raumplanerischen Aussagen nicht als Anknüpfungspunkt für eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB herhalten.
III. Gesamtzwischenergebnis Als Gesamtzwischenergebnis ist festzuhalten, dass sich aus § 1 IV BauGB eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht ergeben kann, wenn „die Verwirkli-
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Pangels, WiVerw 2005, 172, 181 u. 175.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
chung der Raumordnungsziele bei Fortschreiten der „planlosen“ städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare (tatsächliche oder rechtliche) Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde“. Dabei kommt der Einordnung der jeweils in Frage stehenden Bindungen der Landesplanung als Ziel der Raumordnung anhand der entwickelten Kriterien für die Praxis besonderer Bedeutung zu. Demnach ist den sog. „Soll-Zielen“ im Gegensatz zu Zielen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ keine Zielqualität zuzusprechen, so dass diese auch keinen Handlungsbedarf als Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht begründen können. Für die landesplanerischen Festlegungen auf Grundlage des Zentrale-OrteKonzepts muss im Einzelfall die Zielqualität ermittelt werden; generalisierend lässt sich jedoch feststellen, dass vornehmlich inhaltliche Ausgestaltungen im Sinne eines Beeinträchtigungsverbots als Ziele der Raumordnung Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB sein können.
F. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 188 I BauGB Als weitere Rechtsgrundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Bebauungs- und Flächennutzungsplänen ist § 188 I BauGB heranzuziehen. § 188 I BauGB lautet: „Ist eine Flurbereinigung aufgrund des Flurbereinigungsgesetzes in einer Gemeinde nach Mitteilung der Flurbereinigungsbehörde beabsichtigt oder ist sie bereits angeordnet, ist die Gemeinde verpflichtet, rechtzeitig Bauleitpläne aufzustellen, es sei denn, dass sich die Flurbereinigung auf die bauliche Entwicklung des Gemeindegebiets voraussichtlich nicht auswirkt.“
I. Erstplanungspflicht Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut sind die Gemeinden für den Fall der Mitteilung von einer beabsichtigten oder bereits angeordneten Flurbereinigung dazu verpflichtet, Bauleitpläne aufzustellen, so nicht ausnahmsweise keine Auswirkungen der Flurbereinigung auf die bauliche Entwicklung zu befürchten sind. Es stellt sich allein die Frage – in Parallele zur Diskussion des Pflichtcharakters von § 166 I S. 2 BauGB 479 –, ob es sich um eine im Verhältnis zu § 1 III S. 1 BauGB eigenständige Erstplanungspflicht handelt. In der Kommentarliteratur wird § 188 I BauGB als eine Konkretisierung der Planungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB interpretiert. 480 Abweichend von § 187 I S. 2 479
Siehe dazu: 2. Kap. F. Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 14; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 188, Rn. 2; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 480
F. § 188 I BauGB
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BauGB verdichte sich bei § 188 I BauGB die generelle Planungspflicht des § 1 III S. 1 BauGB für den Fall, dass sich die Flurbereinigung auf die städtebauliche Entwicklung der Gemeinde auswirke. Krautzberger misst der Norm ausdrücklich den Gehalt einer widerleglichen Vermutung des „bauleitplanerischen Handlungsbedarfs“ bei, wobei daraus keine über die sich „bereits nach § 1 Abs. 3 BauGB ergebende Verpflichtung zur Bauleitplanung hinausgehende Rechtspflicht“ resultiere. 481 Vielmehr erfahre das Kriterium des „sobald“ in § 1 III S. 1 BauGB lediglich eine Präzisierung durch das Erfordernis „rechtzeitiger“ Planung in § 188 I BauGB, und für den Maßstab „soweit“ konkretisierte diese Vorschrift den Anwendungsbereich für voraussichtliche Auswirkungen der Flurbereinigung auf die städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets. 482 Wie bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Pflichtgehalt des § 166 I S. 2 BauGB angedeutet, 483 überzeugt aufgrund der ausdrücklich gesetzlich vorgesehenen Ausnahme von der Planungspflicht bei mangelnder Erforderlichkeit einer Bauleitplanung diese Interpretation des § 188 I BauGB als konkretisierende Vermutungsregelung gegenüber § 1 III S. 1 BauGB. Dieser Vorschrift kommt für diesen speziellen Fall dann Anwendungsvorrang zu. Als Voraussetzung für eine Erstplanungspflicht auf Grundlage des § 188 I BauGB muss materiell zunächst ein Flurbereinigungsverfahren im Sinne des FlurbG Gegenstand von Erwägungen der Flurbereinigungsbehörde nach § 2 II S. 2 FlurbG iVm § 3 FlurbG sein. 484 Sodann muss dem zeitlichen Erfordernis der Planungspflicht entsprochen werden; es muss eine Flurbereinigung beabsichtigt und gegenüber der betreffenden Gemeinde mitgeteilt oder angeordnet sein. Diesbezüglich ist mit Schriever darauf hinzuweisen, dass die Mitteilung einer Flurbereinigungsverfahrensabsicht nicht mit der Mitteilungspflicht gem. § 5 III FlurbG identisch ist, da jene bereits eine „Planung“ und nicht lediglich eine Absicht voraussetzt und zudem der besonderen Verknüpfung von Städtebau und Agrarstruktur zeitlich nicht gerecht wird, so dass bereits vor der Anhörung nach § 5 II FlurbG eine Mitteilung im Sinne des § 188 I BauGB erforderlich ist. 485 Weitere Voraussetzung einer Erstplanungspflicht ist selbstverständlich zusätzlich, dass es sich um ein bislang nicht beplantes Gemeindegebiet handelt. 486 [Lfg.: 65.], Rn. 3; Fislake, in: Berliner Kommentar, § 188 [Lfg.: 1.], Rn. 2; Köhler, in: Schrödter, § 188, Rn. 2; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 188, Rn. 1. 481 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 3. 482 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 14; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 5. 483 Siehe dazu oben: 2. Kap. F.III., dort vor allem Fn. 493. 484 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 2; zu den einzelnen Maßnahmen der Flurbereinigung und den verschiedenen Verfahrensarten vgl. den Überblick bei: Hegele, in: Seehusen/Schwede, § 1 FlurbG, Rn. 10 f. 485 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 7.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist von einer grundsätzlich bestehenden Erstplanungspflicht der Gemeinden auszugehen. Ausnahmsweise entfällt diese Verpflichtung jedoch gem. § 188 I letzter HS BauGB, wenn voraussichtlich keine Auswirkungen der Flurbereinigung auf die bauliche Entwicklung des Gemeindegebiets anzunehmen sind. Als „Auswirkungen auf die bauliche Entwicklung“ kommen alle für die städtebauliche Entwicklung relevanten Gesichtspunkte in Betracht, 487 so dass dieser Begriff mit der „städtebaulichen Entwicklung und Ordnung“ im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB gleichzusetzen ist. 488 Eine Planungspflicht besteht nur dann nicht, wenn „mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann“, dass derartige Auswirkungen nicht in Betracht kommen. 489 Aufgrund des Zuwachses an Einflussmöglichkeiten der Flurbereinigung auf die städtebauliche Entwicklung werden jedoch vielfach derartige Auswirkungen anzunehmen sein. 490 Dies gilt insbesondere bei Einbeziehung der Ortslage in die Flurbereinigung nach § 37 I S. 3 FlurbG, 491 Maßnahmen der Dorferneuerung, 492 Verlagerungen landwirtschaftlicher Betriebe und daraus resultierenden Freiflächen in den Gemeinden aufgrund der Flurbereinigung, 493 Erfordernissen von Infrastrukturmaßnahmen und der Baulandbeschaffung 494. Auch im Außenbereich kann die Aufstellung eines Bebauungsplans notwendig sein, wenn dieser für Maßnahmen der Flurbereinigung „wesentlich“ ist. 495 Unter diesen Voraussetzungen kann sich, da § 188 I BauGB eine Pflicht zur Bauleitplanung nach § 1 II BauGB normiert, eine Erstplanungspflicht sowohl bezüglich eines Bebauungsplans wie eines Flächennutzungsplans ergeben, wobei vor allem letztere Erstplanungspflicht – wesentlich häufiger wird es sich diesbezüglich allerdings um eine Änderungspflicht handeln – für die Praxis den Regelfall darstellt. 496
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Für die sich anderenfalls ergebenden Änderungspflichten gelten die nachfolgenden Darstellungen gleichfalls. Zur dogmatischen Abgrenzung Erstplanungspflicht/Änderungspflicht vgl.: 1. Kap. A.II. 487 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 7 f. 488 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 26. 489 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 16; Krautzberger, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 6. 490 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 17 f. 491 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 6. 492 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 18 f. 493 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 7. 494 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 18. 495 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 188, Rn. 3; Krautzberger, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 6. 496 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 10; Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 21.
F. § 188 I BauGB
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Für den Fall, dass eine Erstplanungspflicht besteht, muss diese zudem „rechtzeitig“ erfüllt werden. Die Rechtzeitigkeit bestimmt sich an dem Zeitplan und Fortgang der Flurbereinigungsmaßnahmen und soll eine Vornahme der Planung „in zeitlicher Kongruenz“ zu jenen Maßnahmen gewährleisten. 497 Für Flächennutzungspläne setzt dies nach Krautzberger regelmäßig eine Aufstellung bis zur Fertigstellung des Wege- und Gewässerplans gem. § 41 IV FlurbG voraus; bei Bebauungsplänen sollte eine Aufstellung spätestens bei der Planwunschanhörung nach § 57 FlurbG erfolgt sein, wobei sachgerechterweise schon im Zeitpunkt der Wertermittlung nach §§ 27 ff. FlurbG eine Entwurfsfassung des Plans bestehen sollte. 498
II. Pflichtcharakter als objektiv determinierte Planungspflicht Im Folgenden soll der Pflichtcharakter einer Erstplanungspflicht aus § 188 I BauGB bestimmt werden, nachdem die Existenz einer Erstplanungspflicht und deren Voraussetzungen geklärt sind. Vergleichbar der Regelung in § 166 I S. 2 BauGB läge eine Einordnung als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht nahe, wenn bei den Maßnahmen der Flurbereinigung breite gemeindliche Einflussnahmemöglichkeiten bestünden, da für diesen Fall eine Abhängigkeit der Erstplanungspflicht von vorgeschalteten gemeindlichen Entscheidungen als subjektivem „Mittler“ der Erstplanungspflicht fungieren könnte. Diesbezüglich ist jedoch festzustellen, dass die Flurbereinigung als staatliche und nicht als gemeindliche Aufgabe einzuordnen ist. 499 Es handelt sich bei der Flurbereinigung zudem nicht einmal um ein behördliches Verfahren, sondern vielmehr lediglich um ein behördlich geleitetes Verfahren. 500 Im Rahmen der Maßnahmen der Flurbereinigung fungieren die Gemeinden lediglich als Nebenbeteiligte gem. § 10 Nr. 2 a) FlurbG, so dass sie in ihrer originären Funktion nicht in der Teilnehmergemeinschaft nach §§ 16, 18 I FlurbG mitwirken. 501 Die vorliegend maßgebliche Anordnung der Flurbereinigung erfolgt nach § 4 FlurbG durch Beschluss der oberen Flurbereinigungsbehörde, so dass der Gemeinde keine 497 Schriever, in: Brügelmann, § 188 [Lfg.: 28.], Rn. 14; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 5. 498 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 188 [Lfg.: 65.], Rn. 11. 499 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Vor §§ 187–191 [Lfg.: 65.], Rn. 40. 500 Hegele, in: Seehusen/Schwede, § 2 FlurbG, Rn. 1; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Vor §§ 187–191 [Lfg.: 65.], Rn. 40; Schriever, in: Brügelmann, Vor §§ 187–191 [Lfg.: 2.], Rn. 26. 501 Hegele (in: Seehusen/Schwede, § 10 FlurbG, Rn. 17) weist jedoch zu recht darauf hin, dass die Gemeinden aufgrund ihres Eigentums an Grundstücken, insbesondere Wegen, regelmäßig zugleich Teilnehmer sind.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
entscheidende Rolle bezüglich des für eine Pflicht aus § 188 I BauGB zentralen Tatbestandsmerkmals zukommt. Der Bestand der Erstplanungspflicht ergibt sich somit direkt und originär aus den Voraussetzungen des § 188 I BauGB in Verbindung mit den Vorschriften des FlurbG, ohne dass der Eintritt der Erstplanungspflicht als vom Willen der jeweiligen Gemeinde abhängig erscheint. Es handelt sich folglich für den Planungsträger um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht. Als Ergebnis ergibt sich demnach, dass unter den genannten Voraussetzungen aus § 188 I BauGB eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungs- oder Bebauungsplans resultieren kann.
G. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 247 III S. 2, IV BauGB Die bislang erörterten objektiv determinierten Erstplanungspflichten richteten sich in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung an alle Länder oder Gemeinden gleichermaßen. Im Folgenden soll mit § 247 III S. 2, IV BauGB der Erstplanungspflichtcharakter einer Norm dargestellt werden, welche sich von vornherein allein auf das Land Berlin bezieht. § 247 III BauGB lautet: „Kommt es in dem Ausschuss zu keiner Übereinstimmung, können die Verfassungsorgane des Bundes ihre Erfordernisse eigenständig feststellen; sie haben dabei eine geordnete städtebauliche Entwicklung Berlins zu berücksichtigen. Die Bauleitpläne und sonstigen Satzungen nach diesem Gesetzbuch sind so anzupassen, dass den festgestellten Erfordernissen in geeigneter Weise Rechnung getragen wird.“ Der Wortlaut des § 247 IV BauGB ist: „Haben die Verfassungsorgane des Bundes Erfordernisse nach Absatz 3 Satz 1 festgestellt und ist zu deren Verwirklichung die Aufstellung eines Bauleitplans oder einer sonstigen Satzung nach diesem Gesetzbuch geboten, soll der Bauleitplan oder die Satzung aufgestellt werden.“ § 247 BauGB betrifft generell die spezielle bauleitplanerische Situation Berlins als Bundeshauptstadt und Regierungssitz. Es handelt sich dabei um eine positivrechtliche Normierung des Ausgleichs zwischen der Planungshoheit des Landes Berlin und den als Resultat aus den verfassungsmäßig zugewiesenen Aufgaben der Verfassungsorgane bestehenden Erfordernissen für deren bauliche Vorhaben. 502 502 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 247, Rn. 3; ein besonderes Koordinationsbedürfnis bestand zudem historisch aufgrund der Bestimmung Berlins zum Parlamentsund Regierungssitz (BT-Drs. 12/815), welche eine Beschleunigung und erleichterte Verwirklichung von hauptstadtbedingten Bauleitplanungen erforderlich werden ließ (dazu im Detail: Roeser, in: Berliner Kommentar, § 247 [Lfg.: 1.], Rn. 2 und Krautzberger, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 2 ff.).
G. § 247 III S. 2, IV BauGB
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Dabei wurde von einer eigenen Planungskompetenz des Bundes abgesehen und ein „Konsensmodell“ auf der Grundlage der Koordination in einem gemeinsamen Ausschuss nach § 247 II BauGB normiert. 503 Selbst für den Ausnahmefall, dass kein Konsens zu erzielen ist, wird der Bund zwar zur einseitigen Feststellung der Erfordernisse ermächtigt (§ 247 III S. 1 BauGB), jedoch müssen diese in Ermangelung einer originären Planungskompetenz dann vom Land Berlin umgesetzt werden (§ 247 III S. 2, IV BauGB).
I. Voraussetzungen einer Planungspflicht Diese Pflicht zur Umsetzung der Erfordernisse des Bundes bzw. seiner Verfassungsorgane stellt sich mithin als Planungspflicht des Landes Berlins dar. Aufgrund des Ausnahmecharakters gegenüber der grundsätzlich konsensualen Ausrichtung der Norm ist das Vorliegen einer derartigen Planungspflicht als Resultat einer einseitigen Erfordernisfeststellung an die einschränkenden Bedingungen des § 247 III S. 1 BauGB gekoppelt. Danach kommen ausschließlich Verfassungsorgane des Bundes für diese Feststellung und damit als Auslöser einer Planungspflicht in Betracht. Nach der Definition Sterns sind dies diejenigen Organe, die „dem Staat durch Existenz und Funktion seine spezifische Gestalt verleihen und an der obersten Staatsleitung Anteil haben“, 504 so dass diesbezüglich unstreitig Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung 505 in Betracht kommen. 506 Demgegenüber
503 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 39 ff.; ders., in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 247, Rn. 3; Hoppe, DVBl 1993, 573, 576 f.; Mößle, ThürVBl 1993, 193, 193 f.; Schmidt-Eichstaedt, DVBl 1993, 1054, 1055 f. 504 Stern, Staatsrecht II, S. 344 f. 505 Für die Bundesregierung gilt dies jedenfalls unstreitig als Kollegialorgan. Ob darüber hinaus auch Festsetzungen durch die einzelnen Ministerien möglich sind, wird nicht einheitlich beurteilt: Die Gesetzesmaterialien legen den gesetzgeberischen Willen zu einer Beschränkung auf das Kollegialorgan Bundesregierung nahe (BT-Drs. 12/4208, S. 5; Krautzberger/Runkel, DVBl 1993, 453, 546; Förster, in: Brügelmann, § 247 [Lfg.: 24.], Rn. 4). Demgegenüber gehen Hoppe (DVBl 1993, 573, 580) und Krautzberger (in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 32) davon aus, dass auch „Abspaltungen“ von Verfassungsorganen – vorliegend einzelne Ministerien – als eigene Verfassungsorgane mit eigenen Kompetenzen innerhalb des materiellen Verfassungsrecht denkbar seien, was sich unter anderem aus den Regelungen des Art. 65 GG für Bundeskanzler und Bundesminister ergebe, so dass diese ebenfalls als feststellungsbefugt im Sinne des § 247 III S. 1 BauGB einzuordnen seien. Für letztere Ansicht spricht vor allem ein Praktikabilitätsargument, da gerade die Bundesministerien selbst zur Durchsetzung ihrer eigenen Erfordernisse besonders legitimiert sind und zudem eine effektive Handhabe garantieren können. 506 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 247, Rn. 6; ders., in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 31 f.; Hoppe, DVBl 1993, 573, 579.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
kommt mangels räumlichen Bedarfs im städtebaulichen Sinn eine Feststellung für Erfordernisse des Gemeinsamen Ausschusses (Art. 53a GG) und der Bundesversammlung (Art. 54 GG) trotz grundsätzlich vorhandener Organqualität nicht in Betracht; ebenfalls scheidet eine Anwendung zugunsten des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls mangels lokaler Verortung im Land Berlin aus. 507 Als weitere Voraussetzung einer Planungspflicht ist nach § 247 III S. 1 BauGB eine Situation erforderlich, in welcher eine konsensuale Lösung durch den Gemeinsamen Ausschuss nach § 247 II BauGB nicht möglich ist. Diese Situation ist jeweils einzelfallabhängig zu beurteilen und regelmäßig zum einen gegeben, wenn im Gemeinsamen Ausschuss keine Übereinstimmung zwischen dem Land Berlin und dem Bund zustande kommt; zum anderen greift die Vorschrift auch, wenn trotz ursprünglicher 508 Übereinstimmung im Gemeinsamen Ausschuss das Abgeordnetenhaus von Berlin seine Zustimmung zu den umsetzenden Bauleitplänen verweigert. 509 Des Weiteren fordert § 247 III S. 1 BauGB, dass im Rahmen der Feststellungen durch die jeweiligen Verfassungsorgane die geordnete städtebauliche Entwicklung Berlins zu berücksichtigen ist. Krautzberger vergleicht diese Vorschrift zu recht mit dem raumordnungsrechtlichen Gegenstromprinzip nach § 7 V ROG, da auf diesem Wege der Planungshoheit des Landes Berlin vor dem Hintergrund des Art. 28 II GG Rechnung getragen wird, und zudem die hinreichende Berücksichtigung städtebaulicher Belange bei der Feststellung gewährleistet wird; letztlich unterstreicht dieses Erfordernis der städtebaulichen Vertretbarkeit den eigenständigen und abwägungsbasierten Planungscharakter der Feststellungen nach § 247 III S. 1 BauGB. 510 Als letzte Voraussetzung der Vorschrift ist der Umfang der Feststellungsmöglichkeiten zu beachten. § 247 III S. 1 BauGB umfasst nicht allgemeine, aus der Hauptstadtfunktion ableitbare Belange, da in dieser Vorschrift im Gegensatz zur Ausgestaltung von § 247 I BauGB keine Beschränkung auf die Erfordernisse der Verfassungsorgane vorgenommen ist. 511 Vielmehr sollen allein solche Erfordernisse feststellungsfähig sein, die sich aus den durch das Grundgesetz zugewiesenen Aufgaben der Verfassungsorgane ableiten. 512 Dies bedeutet vornehmlich eine Be507
Hoppe, DVBl 1993, 573, 579. Nach Art. 2 II S. 2, 3 Hauptstadtvertrag ist für den Fall des nachträglichen Abweichens von einvernehmlichen Ergebnissen eine erneute Befassung des Gemeinsamen Ausschusses vorgesehen. 509 Dazu detailliert: Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 50; Hoppe, DVBl 1993, 573, 578; Knuth, LKV 1993, 370, 371. 510 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 52; den Planungscharakter der Festsetzung nach § 247 III S. 1 BauGB besonders hervorhebend: Hoppe, DVBl 1993, 573, 579. 511 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 247, Rn. 9. 508
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schränkung auf Erfordernisse hinsichtlich des Raumbedarfs, der räumlichen und verkehrsbezogenen Zuordnung bzw. Anbindung, des medienbezogenen Kontaktes und der Sicherheitsbelange. 513 Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die genannten Verfassungsorgane des Bundes unter den skizzierten Voraussetzungen zu einer einseitigen Festsetzung ihrer Erfordernisse nach § 247 III S. 1 BauGB befugt sind. Diesbezüglich ist somit eine gewisse normstrukturelle Ähnlichkeit zum sog. „Kirchenprivileg“ des § 1 VI Nr. 6 BauGB gegeben. 514 Gravierende Unterschiede bestehen jedoch in der gegenüber § 1 VI Nr. 6 BauGB erheblich gesteigerten Relevanz der durch § 247 I BauGB konsensual bestimmten Belange in Form eines „relativen Vorrangs“ und der durch § 247 III, IV BauGB vermittelten Wirkung der einseitig festgestellten Erfordernisse als der bauleitplanerischen Abwägung vorgelagerte und damit entzogene „Planungsleitsätze“. 515 Letzterer Unterschied führt aufgrund seiner für das Land strikt determinierenden Wirkung für den Fall, dass kein Bauleitplan besteht, zu einer Erstplanungspflicht.
II. Rechtsfolge: Erstplanungspflicht aus § 247 III S. 2 BauGB oder § 247 IV BauGB? Fraglich ist allein, aus welcher Rechtsgrundlage sich diese Erstplanungspflicht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 247 III S. 1 BauGB als Rechtsfolge ergibt. Verbreitet wird eine Erstplanungspflicht aus § 247 IV BauGB angenommen. 516 Für diese Auffassung spricht der Wortlaut der Norm, wonach für den Fall der einen Bebauungsplan erfordernden Feststellung nach § 247 III S. 1 BauGB jener durch das Land Berlin aufgestellt werden „soll“. Roeser hat zu recht darauf hingewiesen, dass diese Soll-Vorschrift für den Regelfall des Fehlens außergewöhnlicher Ausnahmeumstände als „Muss“ wirkt, also eine Pflicht begründet. 517
512
BT-Drs. 12/4208, S. 5; Hoppe, DVBl 1993, 573, 579. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 34; Roeser (in: Berliner Kommentar, § 247 [Lfg.: 1.], Rn. 10) weist ergänzend darauf hin, dass folglich praxisrelevante Fragen der Unterbringung von Botschaften und der Schaffung von Wohnraum für Bundesbedienstete keiner einseitigen Feststellung zugänglich sind. 514 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 247, Rn. 9; Roeser, in: Berliner Kommentar, § 247 [Lfg.: 1.], Rn. 10; Hoppe, DVBl 1993, 573, 580 f.; Knuth, LKV 1993, 370, 371. 515 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 51; Hoppe, DVBl 1993, 573, 580 f.; Mößle, ThürVBl 1993, 193, 195; im Ergebnis ähnlich: Schmidt-Eichstaedt, DVBl 1993, 1054, 1056 f. 516 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 247, Rn. 4; Roeser, in: Berliner Kommentar, § 247 [Lfg.: 1.], Rn. 12; Förster, in: Brügelmann, § 247 [Lfg.: 24.], Rn. 4; Schmidt-Eichstaedt, DVBl 1993, 1054, 1057; Mößle, ThürVBl 1993, 193, 195. 513
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Eine andere Literaturauffassung will dagegen auch den Fall der Erstplanungspflicht bereits aus § 247 III S. 2 BauGB ableiten. 518 Dies ergebe sich daraus, dass § 247 III BauGB in seiner Konzeption seitens des Gesetzgebers an die Regelung des § 1 IV BauGB angelehnt wurde, dessen „Anpassen“ wiederum auch die erstmalige Aufstellung eines Bauleitplans erfasst 519, so dass selbiges auch für § 247 III S. 2 BauGB gelten müsse. 520 § 247 IV BauGB komme insoweit lediglich klarstellende Funktion bezüglich der Planungspflicht zu; die eigenständige Bedeutung der Vorschrift bestehe allein darin, dass abweichend von § 1 III S. 2 BauGB ein subjektiver Rechtsanspruch gegenüber dem Planungsträger gewährt werde. 521 Eine Stellungnahme zu diesem Streit erscheint entbehrlich, da sich die unterschiedlichen Begründungsansätze nicht ausschließen. Vielmehr ist festzustellen, dass sich die Voraussetzungen jedenfalls allein nach § 247 III S. 1 BauGB bestimmen und sich die Pflicht zur erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplans ohne inhaltlichen Widerspruch aus beiden Vorschriften parallel ergeben kann. Angesichts der Unklarheiten in der bisherigen Debatte, ob die Anpassungspflicht des § 1 IV BauGB auch eine Erstplanungspflicht umfasse, wird § 247 IV BauGB insoweit seitens des Gesetzgebers im Jahre 1993 aufgenommen worden sein, um diesen Fall der genannten Debatte zu entziehen. Es bleibt dem Gesetzgeber jedenfalls unbenommen, eine Pflicht doppelt zu normieren, so dass sich die Erstplanungspflicht vorliegend aus § 247 III S. 2 BauGB und § 247 IV BauGB gleichermaßen ergeben kann. Erörterungsbedürftig erscheint demgegenüber vielmehr die grundsätzliche Frage, ob die Statuierung einer derartigen Pflicht durch den Gesetzgeber verfassungsrechtlich zulässig ist. Die Normierung einer Erstplanungspflicht in Verbindung mit dem autonomen Feststellungsrecht des Bundes stellt unstreitig einen schwerwiegenden Eingriff in die gemeindliche 522 Planungshoheit und damit die Selbstverwaltungsgarantie
517 Roeser, in: Berliner Kommentar, § 247 [Lfg.: 1.], Rn. 12; a. A.: Hoppe (DVBl 1993, 573, 581 f.), der aus grundsätzlichen Erwägungen die Norm sogar generell als Ist-Vorschrift interpretiert. 518 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 57 f.; Hoppe, DVBl 1993, 573, 581; Knuth, LKV 1993, 370, 371. 519 Siehe zur objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB: 3. Kap. E. 520 Hoppe, DVBl 1993, 573, 581; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 56 f. 521 Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 247 [Lfg.: 60.], Rn. 58; Knuth, LKV 1993, 370, 371. 522 Berlin ist Bundesland und zugleich Träger der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II GG: Musil/Kirchner, Recht der Berliner Verwaltung, Rn. 31; Pfennig, in: Pfennig/Neumann, VvB, Art. 2, Rn. 6 u. Art. 3, Rn. 9 f.
G. § 247 III S. 2, IV BauGB
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aus Art. 28 II GG dar. 523 Hoppe stellt diesbezüglich fest, dass sowohl räumliches, sachliches als auch kompetentielles Substrat der Selbstverwaltung betroffen ist. 524 Jedoch steht Art. 28 II GG einer derartigen Erstplanungspflicht nicht generell entgegen, sondern knüpft die Rechtmäßigkeit derselben an bestimmte Voraussetzungen, wie sie das Bundesverwaltungsgericht für die dogmatisch vergleichbare Anpassungspflicht des § 1 IV BauGB dargelegt hat. 525 So lässt sich vorliegend als rechtfertigendes öffentliches Interesse die Sicherung der Aufgabenwahrnehmung der Verfassungsorgane des Bundes anführen. Des Weiteren sind die Voraussetzungen des Eingriffs in die Selbstverwaltungsgarantie gesetzlich klar geregelt. Eine Berücksichtigung der kommunalen Interessen ist sowohl formell durch die erfolglose Befassung des Gemeinsamen Ausschusses nach § 247 II BauGB, als auch materiell durch das Erfordernis der hinreichenden Berücksichtigung der geordneten städtebaulichen Entwicklung Berlins gewährleistet, so dass das Land Berlin nicht zum bloßen Objekt anderer Planungsträger degradiert wird. 526 Auch verbleibt dem Land Berlin im Rahmen der Ausführung ein substantieller Raum für eigene konkretisierende Bauleitplanung. Zudem steht dem Land verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Maßnahmen des Bundes zu. 527 Die Verfassungsmäßigkeit der Erstplanungspflicht wird deshalb zutreffend allgemein angenommen. 528 Als Zwischenergebnis ergibt sich also, dass aus § 247 III S. 2, IV BauGB eine Erstplanungspflicht für das Land Berlin resultieren kann.
III. Objektive Determination der Erstplanungspflicht Nachdem die Voraussetzungen und die Rechtsgrundlage einer Erstplanungspflicht aus § 247 III S. 2, IV BauGB dargestellt wurden, soll im Folgenden noch der Charakter dieser Erstplanungspflicht bestimmt werden. Für das Land Berlin handelt es sich danach um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht. Zwar könnte man erwägen, aufgrund der Einflussmöglichkeiten im Gemeinsamen Ausschuss nach § 247 II BauGB, die der Pflicht vorausgehen, eine subjektive Determination aufgrund faktischer Einflussnahme anzunehmen. Letztlich ist dem jedoch entgegenzuhalten, dass die pflichtauslösenden Festsetzungen nicht vom Planungsträger selbst getroffen werden. Zwar besteht eine Einfluss523
Roeser, in: Berliner Kommentar, § 247 [Lfg.: 1.], Rn. 12; Knuth, LKV 1993, 370,
372. 524 525 526 527
Hoppe, DVBl 1993, 5573, 582. BVerwGE 90, 329, 335 f. Knuth, LKV 1993, 370, 372. Roeser, in: Berliner Kommentar, § 247 [Lfg.: 1.], Rn. 12; Hoppe, DVBl 1993, 5573,
582. 528
Hoppe, DVBl 1993, 5573, 582; Knuth, LKV 1993, 370, 372.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
möglichkeit, aber angesichts des autonomen Festsetzungsrechts des Bundes im Fall des Dissens – und allein dieser Fall ist Gegenstand der Planungspflicht – sind die Verfassungsorgane nicht in jedem Fall zu einer konsensualen Ausgestaltung verpflichtet. Für den Fall der Erstplanungspflicht nach § 247 III S. 2, IV BauGB stellt sich die Situation also typischerweise als einseitige Anordnung des Bundes dar, welche das Land Berlin umzusetzen hat, so dass mangels inhaltlicher Abhängigkeit vom Planungsträger eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht gegeben ist.
IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist demnach festzuhalten, dass aus § 247 III S. 2, IV BauGB unter genannten Voraussetzungen eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans speziell für das Land Berlin resultiert.
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten Nachdem eine Darstellung der objektiv determinierten Erstplanungspflichten innerhalb des bundesrechtlichen Bau- und Raumordnungsrechts und damit für diesen Bereich der Gesamtplanung erfolgt ist, soll nunmehr das Sachgebiet des (fach-)planungsbezogenen Umweltrechts betrachtet werden. Planung kommt im Bereich des Umweltrechts aufgrund des ihr immanenten Zukunftsbezugs eine gesteigerte Bedeutung zu. Diese findet ihre Grundlage in der Entwicklung des Umweltrechts vom polizeirechtlich fundierten, gefahrenabwehrenden Ordnungsrecht zu einem ressourcenökonomischen, ökologischvorsorgenden und integrativen Umweltrecht, da auf dem Wege der Planung dem umweltrechtlichen Vorsorgeprinzip durch Erfassung und (im besten Fall vorausschauender) Bewältigung komplexer Ursachen- und Problemzusammenhänge in besonderem Maße Rechnung getragen werden kann, so dass sich die Umweltplanung als wichtigstes Element der vorsorgenden Umweltgestaltung darstellt. 529 Wenngleich die anfängliche „Planungseuphorie“ 530 anlässlich des Rationalitätsgewinns als Planungsvorteil in den 70er Jahren durch eine „Phase der Planungsernüchterung“ 531 abgelöst wurde, welche ihre Grundlage in der schwierigen 529 Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 7; Hoppe/Beckmann/Kauch, UmweltR, § 7, Rn. 1; Erbguth/Schlacke, UmweltR, § 5, Rn. 11 f.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 2, Rn. 89; Wolf , UmweltR, § 2, Rn. 132; vgl. ferner zum Zusammenhang von Umweltschutz und Planung generell: Kersten, DVBl 1996, 905, 905 ff. 530 Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 8. 531 Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 2, Rn. 89.
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
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Prognostizierbarkeit von Umweltentwicklungen, mangelnder Operationalisierbarkeit sowie Durchsetzbarkeit von Umweltplanungen und – wie speziell Kloepfer betont – der generellen Planungsskepsis, ihrerseits als Folge des Systemkonflikts und des Zusammenbruchs der planwirtschaftlich organisierten sozialistischen Staaten Osteuropas, fand, wird mittlerweile aufgrund europarechtlicher Entwicklungen in der Literatur bereits von einer „Renaissance der Umweltplanung“ 532 gesprochen. 533 Letztere resultiere aus der Vielzahl an europäischen Richtlinien, welche die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung umweltplanerischer Elemente in nach nationalem Recht ohnehin durchzuführende Planungen (so die UVP-RL und die SUP-RL 534) anhalte oder sogar konstitutiv zur Umsetzung konkreter Umweltplanungsprogramme veranlasse. 535 Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden Existenz und Struktur von umweltrechtlichen Erstplanungspflichten dargestellt werden.
I. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 15, 16 BNatSchG Als erstes sollen Erstplanungspflichten im Bereich des Landschaftsplanungsrechts untersucht werden. Bei der Landschaftsplanung handelt es sich um umweltrechtliche Fachplanung, welche sich dadurch auszeichnet, dass sie raumbezogen ausgestaltet ist („raumbezogene Fachplanung“). 536 Den Status einer Gesamtplanung erreicht die Landschaftsplanung trotz ihres Raumbezugs deshalb nicht, weil dem Landschaftsschutz gegenläufige Raumnutzungsansprüche und deren Gewichtung allein auf der Ebene der Landesraumordnungsplanung Berücksichtigung finden können. 537 Für den Gesichtspunkt der Existenz einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht soll vorliegend auf §§ 15 f. BNatSchG abgestellt werden. Dieses erscheint insoweit erklärungsbedürftig, als es sich im Erlasszeitpunkt des BNatSchG um eine dem Kompetenztitel des Art. 75 I S. 1 Nr. 3 GG a. F. unterfallende Materie der Rahmengesetzgebung handelte, welche für die jeweiligen
532
Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 2, Rn. 89. Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 7 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 2, Rn. 89; Hoppe/Beckmann/Kauch, UmweltR, § 7, Rn. 1 f. 534 Dazu weiterführend: Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 12 m. w. N. 535 Vergleiche zu dieser Differenzierung und den einzelnen Nachweisen: Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1123 ff. 536 Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 64. 537 Hoppe/Beckmann/Kauch, UmweltR, § 15, Rn. 52. 533
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Planungsträger nicht unmittelbar wirken kann, sondern der landesrechtlichen Umsetzung bedarf. Dennoch erscheint es im Rahmen dieser Bearbeitung sinnvoll und der Übersichtlichkeit bzw. dem einfacheren Strukturverständnis dienlich, nicht auf die einzelnen Ausgestaltungen in den jeweiligen Bundesländern abzustellen, da die Begründung und die Struktur der einzelnen Pflichttatbestände (zunächst auch weiterhin) aus den rahmenrechtlichen Vorgaben resultiert, ohne dass diesbezüglich ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch Betrachtung der einzelnen landesrechtlichen Vorschriften erkennbar wäre. Eine derartige Betrachtung trägt zudem der nunmehr bestehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr. 29 GG Rechnung, welche für die Zukunft dem Bundesgesetzgeber die Normierung eines BNatSchG ohne rahmenrechtliche Einschränkungen im Regelungsumfang ermöglicht, von welchen die Landesgesetzgeber sodann allerdings gem. Art. 72 III S. 1 Nr. 2 GG abweichen könnten. 538 Ein zukünftiges BNatSchG kann also selbst unmittelbar kraft Bundesrecht geltende Erstplanungspflichten enthalten. Gemäß Art. 125b I S. 1 u. S. 2 GG gilt aber das bereits erlassene Rahmenrecht des BNatSchG vorerst als Bundesrecht fort, und die Befugnisse und Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung bleiben zunächst unverändert bestehen. Eine Abweichung der Landesgesetzgeber von diesen Rahmenvorgaben ist gemäß Art. 125b I S. 3, 72 III S. 1 Nr. 2 GG erst ab dem 1. 1. 2010 oder für den Fall, dass der Bundesgesetzgeber von seiner neuerdings bestehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 29 GG Gebrach gemacht hat, möglich. 539 Insoweit enthalten nach derzeit geltender Rechtslage allein die §§ 15 f. BNatSchG die für Erstplanungspflichten im Bereich des Landschaftsplanungsrechts maßgeblichen Vorgaben in materieller Hinsicht, so dass im Folgenden diese Vorschriften der Darstellung zugrunde gelegt werden. Nach §§ 15 f. BNatSchG ist ein dreistufiges Planungssystem aus Landschaftsprogrammen, Landschaftsrahmenplänen und Landschaftsplänen rahmenrechtlich konzipiert, wobei landesrechtlich auch bloße Zwei-Stufen-Modelle zulässig sein können. 540
538
Zu den landesplanerischen Erstplanungspflichten vgl.: 3. Kap. J. So auch: Louis, ZUR 2006, 338, 343. Zur rechtspolitischen Einordnung der Fristenregelungen vor dem Hintergrund der Erarbeitung eines UGB vgl.: Kloepfer, ZUR 2006, 338, 339 f. 540 Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 69 m. w. N.; Erbguth/Schlacke, UmweltR, § 10, Rn. 23; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, § 15 BNatSchG [Lfg.: 46.], Rn. 3; Hoppe/Beckmann/ Kauch, UmweltR, § 15, Rn. 55; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 6, Rn. 105; kritisch hinsichtlich der Zulässigkeit eines „Zwei-Stufen-Modells“ jenseits der Stadtstaaten nach Rechtslage vor der Föderalismusreform ohne Beachtung eventueller Abweichungs539
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
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Für den Bereich der örtlichen Landschaftspläne ist die Annahme einer Erstplanungspflicht vollkommen unproblematisch. Durch die 4. Novelle des BNatSchG im Jahre 2002 wurde der Wortlaut des § 16 I S. 1 BNatSchG dahingehend geändert, dass nunmehr eine flächendeckende Aufstellungspflicht – neben der Fortschreibungspflicht des § 16 I S. 2 BNatSchG – unmissverständlich statuiert wird („sind [ . . . ] flächendeckend darzustellen“). Lediglich für den Fall mangelnder Erforderlichkeit kann nach § 16 II S. 3 BNatSchG von dieser grundsätzlich voraussetzungslos bestehenden Pflicht landesrechtlich eine Befreiung vorgesehen werden. Etwas problematischer erweist sich die diesbezügliche Einordnung auf der überörtlichen Planungsebene. Nach § 15 I S. 1 BNatSchG „werden“ die überörtlichen Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Landschaftsprogramm oder in Landschaftsrahmenplänen „dargestellt“, so dass allein dem Wortlaut insoweit nicht eindeutig eine Planungspflicht entnommen werden kann. Der bloße Wortlaut könnte vielmehr auch allein als inhaltliche Vorgabe für den Fall der erfolgenden überörtlichen Landschaftsplanung verstanden werden. Dennoch leitet die ganz herrschende Meinung zutreffend aus dieser Norm eine Planungspflicht für die überörtliche Planungsebene ab. 541 Dies ergibt sich eindeutig aus dem Gesetzeszweck, wonach eine überörtliche Landschaftsplanung unbedingt flächendeckend in den Ländern zu erfolgen hat, der zudem ausdrücklich im Wortlaut von § 15 I S. 1 2. HS BNatSchG fixiert wurde. 542 Streitig ist im Zusammenhang mit dieser Erstplanungspflicht allein die Frage, ob die Flächenstaaten durch die betreffende Norm zu beiden Ebenen überörtlicher Landschaftsplanung verpflichtet werden oder ob eine flächendeckende Planung durch Landschaftsprogramm oder Landschaftsrahmenpläne ausreichend ist. 543 Diese Frage kann vorliegend jedoch dahinstehen, da sich für den Bestand und die
möglichkeiten der Landesgesetzgeber: Gassner, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/SchmidtRäntsch, § 15 BNatSchG, Rn. 10 f.; Marzik/Wilrich, § 15 BNatSchG, Rn. 4. 541 Marzik/Wilrich, § 15 BNatSchG, Rn. 2; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, § 15 BNatSchG [Lfg.: 46.], Rn. 3 f.; Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 67 ff. u. Rn. 82. Missverständlich allein Hoppe/Beckmann/Kauch (UmweltR, § 15, Rn. 55), die für die durch § 6 I BNatSchG a. F. (=§ 16 I S. 1 BNatSchG n. F.) normierte Planungspflicht einen Unterschied zu den höherstufigen überörtlichen Landschaftsplanungen behaupten. Es ist jedoch im Zusammenhang mit der sonstigen Darstellung davon auszugehen, dass sich der vermeintliche Unterschied nicht auf das Bestehen einer Verpflichtung als solcher bezieht, sondern vielmehr auf die von den Autoren verneinte Frage bezogen ist, ob die Flächenstaaten beide Ebenen der überörtlichen Landesplanung in ihrem Landesplanungsrecht ausgestalten müssen, welche sich bei der eindeutigen Planungspflicht nach § 16 I S. 1 BNatSchG so mangels Alternative gar nicht stellt. 542 Gellermann, in: Landmann/Rohmer, § 15 BNatSchG [Lfg.: 46.], Rn. 4.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Struktur einer Erstplanungspflicht der Länder zur flächendeckenden Landschaftsplanung insoweit keine Auswirkungen ergeben können. Es ist demnach festzuhalten, dass sowohl § 15 I S. 1 BNatSchG als auch § 16 I S. 1 BNatSchG jeweils eine eindeutige Verpflichtung der jeweiligen Planungsträger zur Aufstellung von Landschaftsplanungen statuieren. Der strukturelle Charakter dieser Erstplanungspflichten kann ebenfalls einheitlich ermittelt werden: In beiden Fällen kommt den jeweiligen Planungsträgern kein eigener Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Verpflichtung zur Planung zu. Umfassende planerische Gestaltungsfreiheit mit eigenen Einschätzungsspielräumen ist ihnen in der Frage des „Wie“ der Planung eingeräumt; über das „Ob“ der Planung ist abschließend bundesrechtlich entschieden. Die Planungspflichten sind also originär, ohne subjektiv-mittelbare Abhängigkeit von gemeindlichen bzw. landesplanerischen Vorstellungen oder faktischen Ausschlusswirkungen durch den Gesetzgeber vorgegeben, so dass es sich um objektiv determinierte Erstplanungspflichten handelt. Zusammenfassend ergibt sich also, dass durch die §§ 15 I S. 1, 16 I S. 1 BNatSchG, genauer durch die diese Rahmenvorschrift umsetzenden Landesgesetze, eine umfassende objektiv determinierte Erstplanungspflicht der jeweiligen Planungsträger auf örtlicher und überörtlicher Landschaftsplanungsebene besteht. In Zukunft ist es durch die neuerdings bestehende, konkurrierende Gesetzgebungskompentenz nach Art. 74 Nr. 29 GG dem Bundesgesetzgeber möglich, eine unmittelbar bundesrechtlich wirkende Erstplanungspflicht zu normieren. Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass die Landesgesetzgeber durch Abweichung gem. Art. 72 III S. 1 Nr. 2 GG bzw. gem. Art. 125b I, 72 III S. 1 Nr. 2 GG Erstplanungspflichten nunmehr ihrerseits aufheben können.
II. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 29 I S. 1, IX KrW-/AbfG Des Weiteren stellt sich die Frage, ob auch im Bereich des Kreislaufwirtschaftsund Abfallrechts eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht für die Landesplanung besteht. Als selbstständige fachplanerische Ebene der Landesplanung kommt diesbezüglich im Abfallrecht der Bereich der Abfallwirtschaftsplanung in Betracht. Durch die Abfallwirtschaftspläne soll eine perspektivisch längerfristige und landesübergreifend abgestimmte Koordinierung des Abfallaufkommens und der Abfallentsorgung erfolgen. 544 Der Mindestinhalt dieser Planung richtet sich nach § 29 I S. 2 u.
543 Vgl. zu diesem Streit: Gellermann, in: Landmann/Rohmer, § 15 BNatSchG [Lfg.: 46.], Rn. 3 m. w. N.; Marzik/Wilrich, § 15 BNatSchG, Rn. 2; Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 69.
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
317
S. 3 KrW-/AbfG und umfasst die Ziele der Abfallvermeidung und -verwertung sowie die Ausweisung der zugelassenen Abfallbeseitigungsanlagen und geeigneter Flächen für zukünftig zu errichtende Anlagen. Als Grundlage einer Planungspflicht kommt § 29 I S. 1, IX KrW-/AbfG in Betracht. Der Wortlaut des § 29 I S. 1 KrW-/AbfG spricht bei isolierter Betrachtung nicht eindeutig für die Begründung einer Erstplanungspflicht, da lediglich normiert wurde, dass durch die Länder für den Bereich ihres Landes nach überörtlichen Gesichtpunkten Abfallwirtschaftspläne aufgestellt werden. Dies könnte auch als bloße Aufgabenzuweisung verstanden werden. Indes ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang mit § 29 IX KrW-/AbfG, der eine absolute Umsetzungsfrist für die Verpflichtung zur erstmaligen Aufstellung der Abfallwirtschaftspläne durch die Länder enthält, dass eine strikte Erstplanungspflicht gesetzgeberisch intendiert ist. 545 Für ein derartiges Verständnis spricht zudem die Verpflichtung der Mitliedsstaaten durch Art. 7 RL 75/442/ EWG (Abfallrahmenrichtlinie), „so bald wie möglich“ abfallbewirtschaftungsplanerisch tätig zu werden. 546 Nach allgemeiner Auffassung besteht somit eine Erstplanungspflicht zur Abfallwirtschaftsplanung für die Länder, 547 wobei deren Struktur unproblematisch als objektiv determinierte Planungspflicht bezeichnet werden kann, da den Ländern kein eigener Einschätzungsspielraum bezüglich der Verpflichtung zur Aufstellung der Abfallwirtschaftspläne eröffnet ist.
III. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 36, 36b WHG Auch wasserrechtlich kommen Erstplanungspflichten in Betracht. In der folgenden Darstellung soll wie bereits zuvor bei den landschaftsplanerischen Erstplanungspflichten 548 im Interesse der Übersichtlichkeit auf die rahmenrechtlichen Vorschriften des WHG und nicht auf die jeweilige landesrechtliche Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben abgestellt werden. Dies erscheint gerechtfertigt, da unter dem hier relevanten Gesichtspunkt der Pflicht zur Planung bereits durch
544
Kloepfer, UmweltR, § 20, Rn. 248. Beckmann, in: Landmann/Rohmer, § 29 KrW-/AbfG [Lfg.: 38.], Rn. 35 f.; Frenz, § 29 KrW-/AbfG, Rn. 4; Kloepfer, UmweltR, § 20, Rn. 248. 546 Beckmann, in: Landmann/Rohmer, § 29 KrW-/AbfG [Lfg.: 38.], Rn. 35; Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1126. 547 Paetow, in: Kunig/Paetow/Versteyl, § 29 KrW-/AbfG, Rn. 9; Beckmann, in: Landmann/Rohmer, § 29 KrW-/AbfG [Lfg.: 38.], Rn. 35 f.; Kloepfer, UmweltR, § 20, Rn. 248; Frenz, § 29 KrW-/AbfG, Rn. 4. 548 Siehe dazu: 3. Kap. H.I. 545
318
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
rahmenrechtliche Vorgaben eine abschließende Entscheidung getroffen wurde. Dennoch soll zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen der folgenden Untersuchung keineswegs eine unmittelbare Geltung der Vorschriften des WHG jenseits einer landesgesetzlichen Umsetzung zugrunde gelegt wird. 549 Auch das Wasserhaushaltsrecht ist durch die Abschaffung der Rahmengesetzgebung im Zuge der Föderalismusreform nunmehr als konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 Nr. 32 GG ausgestaltet, so dass der Bundesgesetzgeber in Zukunft im WHG auch unmittelbar wirkende Erstplanungspflichten normieren kann. Der grundsätzlich den Landesgesetzgebern dann eröffneten Abweichungsmöglichkeit nach Art. 72 III S. 1 Nr. 5 GG bzw. übergangsweise gem. Art. 125b I S. 3, 72 III S. 1 Nr. 5 GG kommt für die potentielle Abweichung von wasserrechtlichen Erstplanungspflichten keine große Bedeutung zu, da die Bewirtschaftungsplanung weitestgehend europarechtlich vorgegeben ist und somit lediglich eine begrenzte Abweichungskompetenz der Länder gegeben sein kann. 550 Bis zum Gebrauchmachen des Bundesgesetzgebers von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gilt gemäß Art. 125b I S. 1 u. S. 2 GG das bisherige WHG als Rahmengesetz fort, so dass gegebenenfalls bestehende Gesetzgebungsverpflichtungen der Länder zur Normierung von Erstplanungspflichten aus dem WHG fortbestehen. Derzeit maßgebend für wasserrechtliche Erstplanungspflichten sind also weiterhin die §§ 36, 36b WHG. Nach § 36b I WHG ist durch Landesrecht zu bestimmen, dass für jede Flußgebietseinheit ein Bewirtschaftungsplan aufzustellen ist. Ein solcher Plan dient der einheitlichen Betrachtungsweise der Gewässer vom Oberlauf bis zum Unterlauf und soll alle vorhandenen Gewässerdaten bündeln sowie alle relevanten Ziele der Gewässerbewirtschaftung aufführen. 551 Es handelt sich folglich in Abweichung zu den Bewirtschaftungsplänen nach früherem Recht nicht mehr um ein Instrument der wasserwirtschaftlichen Mikrosteuerung im strikten Rechtssinne, da lediglich Informationen enthalten sind und keine Lenkung bzw. Bindung der gewässerbezogenen Einzelentscheidungen erstrebt ist, sondern vielmehr eine Publizität der staatlichen Flußbewirtschaftung im Interesse verbesserter Transparenz erstrebt wird. 552 549
In diesem Sinne steht auch die Kommentierung von Kotulla (Kotulla, § 36 WGH, Rn. 3 u. § 36b WHG, Rn. 4), wonach §§ 36, 36b WHG „keine unmittelbare Pflicht zur Aufstellung“ enthielten, dem Ergebnis nicht entgegen, da vom Autor als Grundlage seiner Wortwahl ausschließlich auf die Notwendigkeit der landesrechtlichen Umsetzung abgestellt wird. 550 Ginzky/Rechenberg, ZUR 2006, 344, 348. 551 Erbguth/Schlacke, UmweltR, § 11, Rn. 24; Kloepfer, UmweltR, § 13, Rn. 204. 552 Breuer, Wasserrecht, Rn. 618; Czychowski/Reinhardt, § 36b WHG, Rn. 3.
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
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Die Aufstellung derartiger Pläne wird den Ländern obligatorisch und unter Verzicht auf Ausnahmen aufgegeben; 553 zudem wird durch § 42 I WHG eine landesrechtliche Normierung der Planungspflicht und durch Art. 13 VI RL 200/ 60/EG (Wasserrahmenrichtlinie) eine Aufstellung der Bewirtschaftungspläne bis zum 22. 12. 2009 vorgeschrieben. 554 Es handelt sich somit um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht, da den Ländern hinsichtlich des „Ob“ der Planung kein Einschätzungsspielraum verbleibt, sondern sie unabhängig von subjektiven Vorstellungen strikt zur Planung angehalten sind. Gleiches gilt für die landesrechtliche Pflicht zur Aufstellung von wasserrechtlichen Maßnahmenprogrammen nach § 36 I S. 1 WHG. Maßnahmenprogramme bilden die eigentliche Handlungsbasis für den Vollzug der Gewässerbewirtschaftung, da mittels ihrer Aufstellung die gesetzlich festgelegten Bewirtschaftungsziele betreffend die Gewässergüte erreicht werden sollen. 555 Diese Konkretisierung der Bewirtschaftungsziele und der Bewirtschaftungspläne als Grundlage wasserrechtlicher Vollzugsmaßnahmen kennzeichnet die Maßnahmenprogramme als „wasserwirtschaftliche Makrosteuerung auf der Handlungsebene der normativen Umsetzung oder der nationalen Exekutivplanung“. 556 Im Gegensatz zur Vorgängernorm des § 36 WHG a. F., der als bloße „SollVorschrift“ ausgestaltet und von starken Planungsdefiziten in der Praxis begleitet war, 557 wird den Ländern eindeutig und voraussetzungslos aufgegeben, für jede Flußgebietseinheit ein Maßnahmenprogramm aufzustellen. Die Umsetzungsfristen entsprechen denen der Bewirtschaftungsplanung. Auch diesbezüglich besteht demnach eine strukturell identische, objektiv determinierte Erstplanungspflicht. Zusammenfassend können also auch im Wasserrecht objektiv determinierte Erstplanungspflichten in Folge der landesrechtlichen Umsetzung der §§ 36, 36b WHG bestehen. In Zukunft ist es zudem möglich, dass der Bundesgesetzgeber selbst unmittelbar wirkende Erstplanungspflichten auf Grundlage der nunmehr bestehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 Nr. 32 GG erlässt.
553
Kotulla, § 36b WHG, Rn. 5. Kloepfer, UmweltR, § 13, Rn. 209. 555 Kloepfer, UmweltR, § 13, Rn. 194 f. 556 Breuer, Wasserrecht, Rn. 610; Erbguth/Schlacke, UmweltR, § 11, Rn. 25; Czychowski/Reinhardt, § 36 WHG, Rn. 5. 557 Kloepfer, UmweltR, § 13, Rn. 191. 554
320
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
IV. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus §§ 47, 47d BImSchG Im Folgenden soll eine Darstellung objektiv determinierter Erstplanungspflichten im Immissionsschutzrecht erfolgen. Als Ansatzpunkt kommen hierfür die immissionsschutz- und fachplanungsrechtlichen Instrumentarien der Luftreinhalte- bzw. Luftqualitätsplanung und der Lärmminderungsplanung in Betracht. Beide Bereiche befinden sich gegenwärtig verstärkt in der fachlichen und öffentlichen Diskussion: Für den Bereich der Luftqualitätsplanung ist diesbezüglich vornehmlich die Auseinandersetzung anlässlich der Überscheitung von Feinstaubgrenzwerten in verschiedenen Gemeinden zu nennen. 558 Demgegenüber kommt der Lärmminderungsplanung durch die jüngsten Gesetzesänderungen aus dem Jahr 2005 verstärkte Aufmerksamkeit zu. 559 1. § 47 BImSchG Zunächst soll das System der Luftreinhalte- bzw. Luftqualitätsplanung auf bestehende Erstplanungspflichten untersucht werden. Diesbezüglich erweist sich § 47 BImSchG als maßgebend. Nach § 47 I BImSchG sind bei Überschreitung von Immissionsgrenzwerten einer nach § 48a I BImSchG erlassenen Rechtsverordnung Luftreinhaltepläne aufzustellen, welche die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftbelastungen koordinieren. Die Luftreinhaltepläne stellen sich somit als das langfristig ausgerichtete Planungsinstrument zur Sicherung der Einhaltung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte dar. 560 Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den Grenzwerten einer Rechtsverordnung nach § 48a I BImSchG um europarechtlich begründete Grenzwerte handeln muss. Kontrovers diskutiert wurde diesbezüglich, ob eine Grenzwertüberschreitung gebietsbezogen zu ermitteln ist, 561 so dass Überschreitungen an einzelnen Stellen unbeachtlich seien, falls der Gebietsdurchschnitt den Grenzwert einhalte, wohingegen die mittlerweile 558 Calliess, NVwZ 2006, 1, 1 ff.; Klinger/Löwenberg, ZUR 2005, 169, 169 ff.; Zeiss, UPR 2005, 253, 253 ff.; Krohn, ZUR 2005, 371, 371 ff.; Steenbuck, NVwZ 2005, 770, 770 ff.; Willand/Buchholz, NJW 2005, 2641, 2641 ff.; Sparwasser, NVwZ 2006, 369, 369 ff.; VG München, NVwZ 2005, 839, 839 ff.; VG Stuttgart, NVwZ 2005, 971, 971 ff.; VG Berlin, Beschl. v. 1. 6. 2005, AZ: 10 A 75/05, JURIS; VGH München, NVwZ 2005, 1094, 1094 ff. 559 Scheidler, DVBl 2005, 1344, 1344; Scheidler, UPR 2005, 423, 423 ff.; Feldmann, ZUR 2005, 352, 352 ff. 560 Jarass, § 47 BImSchG, Rn. 3; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 BImSchG [Lfg.: 16.], Rn. 32. 561 So teilweise die obergerichtliche Rechtsprechung: VGH Mannheim, ZUR 2004, 171, 173; OVG Rheinland-Pfalz, UPR 2002, 360, 360.
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
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ganz herrschende Meinung zu Recht von einer grundstücksbezogenen Ermittlung ausgeht, welche aufgrund messtechnischer Vorzüge als sachgemäßer erscheint. 562 Zusätzlich zur Grenzwertüberschreitung wird teilweise in der Literatur gefordert, dass die Aufstellung des Luftreinhalteplans darüber hinaus erforderlich sein muss, also der Überschreitung des Grenzwertes nicht durch unmittelbar greifende Einzelmaßnahmen dauerhaft abgeholfen werden kann. 563 Diese Einschränkung lässt sich indes aus Wortlaut und Intention der Norm nicht begründen, da sich die „Erforderlichkeit“ im Sinne des § 47 I BImSchG auf die in dem Luftreinhalteplan enthaltenen Maßnahmen bezieht, der Wortlaut ferner eine strikte Pflicht nahe legt und zudem gerade besonders effektive Maßnahmen zur nachhaltigen Einhaltung der Grenzwerte durch derartige Pläne koordiniert werden können und sollen. Mithin statuiert § 47 I BImSchG eine Erstplanungspflicht für die zuständigen Behörden, die zudem in ihrem Bestand abschließend an objektive Grenzwertüberschreitungen geknüpft ist, so dass es sich um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Gewährleistung langfristiger Grenzwerteinhaltung handelt. Demgegenüber ist in § 47 II BImSchG für den Bereich der Aktionspläne die Einhaltung der Grenzwerte durch kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen Gegenstand der Planung. Aktionspläne und Luftreinhaltepläne unterscheiden sich folglich maßgeblich durch ihre zeitliche Ausrichtung, so dass konsequenterweise gem. § 47 II S. 2 BImSchG die Aktionspläne auch als Teil der Luftreinhaltepläne ergehen können. 564 Gegenüber den Luftreinhalteplänen sind die Voraussetzungen nach § 47 II S. 1 BImSchG alternativ gefasst: Zum einen sind Aktionspläne aufzustellen, wenn die Gefahr einer Überschreitung von Grenzwerten einer Rechtsverordnung nach § 48a I BImSchG besteht, so dass nicht nur für den Fall der tatsächlichen Überschreitung, sondern bereits bei konkreten Anhaltspunkten für die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer drohenden Überschreitung nach dieser Norm planerisches Handeln angezeigt sein kann. 565 Zum anderen wird explizit hervorgehoben, dass auch die Gefahr von lokalen Überschreitungen der Alarmschwellen einer Rechtsverordnung nach § 48a I BImSchG die Aufstellung eines Aktionsplans erzwingen kann, wobei Alarmschwellen nach § 1 Nr. 4 22. BImSchV Immissions-
562 BVerwG, NVwZ 2004, 1237, 1238; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 BImSchG [Lfg.: 16.], Rn. 18 ff.; Klinger/Löwenberg, ZUR 2005, 169, 172; Scheidler, UPR 2006, 216, 217. 563 Jarass, § 47 BImSchG, Rn. 9. 564 Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 BImSchG [Lfg.: 16.], Rn. 37 ff.; Jarass, § 47 BImSchG, Rn. 4; Kloepfer, UmweltR, § 14, Rn. 346; Scheidler, UPR 2006, 216, 218. 565 Jarass, § 47 BImSchG, Rn. 19.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
werte sind, deren Überschreiten bereits bei kurzfristiger Exposition eine Gefahr für die menschliche Gesundheit auslöst. 566 Da bei objektiv zu ermittelnder Gefahr im Sinne des § 47 II S. 1 BImSchG Aktionspläne aufzustellen sind und mithin keine eigenen Planungserwägungen des Planungsträgers in der Entscheidung zur Aufstellung zum Tragen kommen, handelt es sich diesbezüglich um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht. In § 47 III S. 1 BImSchG ist erneut die Aufstellung von Luftreinhalteplänen Regelungsgegenstand. Diesbezüglich wird die Aufstellung derartiger Pläne jedoch im Gegensatz zu § 47 I S. 1 BImSchG nicht an europarechtlich gebotene Grenzwerte, sondern an national festgelegte Immissionswerte nach § 48a Ia BImSchG oder an sonstige schädliche Umwelteinwirkungen in Untersuchungsgebieten gem. § 44 II BImSchG geknüpft. Als Rechtsfolge sieht § 47 III S. 1 BImSchG vor, dass die zuständige Behörde Luftreinhaltepläne aufstellen „kann“, das heißt die Aufstellung ist ins „planerische Ermessen“ derselben gestellt. Im Regelfall des § 47 III S. 1 BImSchG wird also keine objektiv determinierte Erstplanungspflicht bestehen. Dennoch kann nach den allgemeinen Grundsätzen 567 für extreme Sachlagen die Möglichkeit einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums im Sinne von § 47 III S. 1 BImSchG dergestalt in Betracht kommen, dass die Behörden zur Aufstellung derartiger Luftreinhaltepläne im Einzelfall verpflichtet sind. Als Anwendungsfall derartiger „Verdichtungen“ ist vornehmlich an Konstellationen zu denken, wenn aufgrund von akuten Gesundheitsgefahren eine staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 II S. 1 GG zu behördlichem Handeln anhält. Angesichts der Bandbreite der bereits europarechtlich gebundenen Grenzwertfestlegungen, welche die gesundheitsgefährdendsten Stoffe wohl vollumfänglich erfassen, dürfte der tatsächliche Anwendungsbereich einer solchen Ermessensverdichtung indes sehr gering sein, da es sich um besonders gefährliche, aber bislang den Normgebern unbekannte Stoffe handeln müsste. Dennoch ist als diesbezügliches Ergebnis festzuhalten, dass sich auch aus § 47 III S. 1 BImSchG grundsätzlich eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht im Einzelfall ergeben kann. Zusammenfassend lässt sich also für den Bereich der Luftreinhalte- bzw. Luftqualitätsplanung der Bestand von objektiv determinierten Erstplanungspflichten durch die Vorschriften des § 47 BImSchG feststellen. In Bezug auf die eingangs erwähnten Kontroversen um die Erstplanungspflichten zur Aufstellung von Aktionsplänen nach § 48 II S. 1 BImSchG aufgrund der Überschreitung von Fein566 Jarass, § 47 BImSchG, Rn. 20, der zudem als Beispiele die Alarmschwellen für Schwefeldioxid (§ 2 VI 22. BImSchV) und Stickstoffdioxid (§ 3 VII 22. BImSchV) nennt. 567 Siehe dazu: 1. Kap. B.
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
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staubgrenzwerten ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass es sich diesbezüglich um kontrovers beurteilte Fragen der Durchsetzung von Erstplanungspflichten seitens einzelner Bürger handelt. 568 Die objektive Pflichtigkeit wird aufgrund der insoweit eindeutigen Gesetzesfassung allgemein zugrunde gelegt, so dass im Rahmen dieser Darstellung nicht näher auf diese Auseinandersetzungen einzugehen ist. 2. §§ 47c I, 47d I BImSchG Der Bereich der Lärmminderungsplanung wurde in Umsetzung der RL 2002/ 49/EG (Umgebungslärmrichtlinie) durch Gesetz vom 24. 6. 2005 grundlegend neu normiert. Unter dem Gesichtspunkt möglicher Erstplanungspflichten sind die §§ 47c I, 47d I BImSchG auf eine normative Grundlage für selbige zu untersuchen. § 47c I BImSchG hat die Erstellung von Lärmkarten zum Gegenstand. Diese sind ohne Einschränkungen in zwei exakt umgrenzten zeitlichen Wellen aufzustellen, so dass eine unmittelbare Verpflichtung durch diese Vorschrift erfolgt. Zweifelhaft ist jedoch, ob es sich auch um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht im Sinne der dieser Darstellung zugrunde liegenden Begrifflichkeit handelt. Zwar wird in den Literaturdarstellungen betont, dass das System der Lärmminderungsplanung nach der neuen gesetzlichen Konzeption zweistufig ausgestaltet ist, wobei die Lärmkarten die erste Stufe bilden und den Lärmaktionsplänen vorgeschaltet sind. 569 Dies bedeutet jedoch nicht zugleich, dass es sich bei den Lärmkarten um materielle Planung handelt. Vielmehr legt bereits die Bezeichnung nahe, dass es sich um rein deskriptive Datenerhebungen handelt. Auch der Regelungszweck der Lärmkartierung zielt allein auf die Erfassung von Hauptlärmquellen als „Bestandsaufnahme“ 570 im Interesse der Aufbereitung der Daten ab, welche an die EU-Kommission zu übermitteln sind und als Informationsquelle für die Bürger sowie als Informationsgrundlage für die Lärmaktionspläne dienen sollen. 571 Ein eigener planerischer Gestaltungsspielraum bzw. eine planerische Abwägungsentscheidung wird im Rahmen der „Kartographisierung“ nicht diskutiert; allein die Berechungsverfahren und der Kartierungsumfang erweisen sich als klärungsbedürftig, 572 ohne dass diese Unklarheiten eine materielle Quali568 Den europarechtlichen Bezug dieser (gerichtlichen) Durchsetzung besonders betonend: Calliess, NVwZ 2006, 1, 1 ff.; ferner: Sparwasser, NVwZ 2006, 369, 375 ff.; Jarass, VerwArch 97 (2006), 429, 447 ff. 569 Scheidler, UPR 2005, 423, 424; Scheidler, DVBl 2005, 1344, 1346. 570 Scheidler, DVBl 2005, 1344, 1346. 571 Philipp-Gerlach/Hensel, ZUR 2004, 329, 332; Scheidler, UPR 2005, 247, 249; Scheidler, DVBl 2005, 1344, 1348. 572 Dazu näher: Feldmann, ZUR 2005, 352, 354 ff.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
fizierung als Planung rechtfertigen können. Vielmehr fehlt es zudem evident am Zukunftsbezug, welcher Planung typischerweise kennzeichnet. Folglich handelt es sich bei der Aufstellung von Lärmkarten nach § 47c I BImSchG nicht um eine eigenständige qualifizierte Planung in dem Sinne, 573 dass sie eine eigenständige Planungspflicht nach sich zu ziehen vermag. Anders stellt sich die Situation demgegenüber bei der Aufstellung von Lärmaktionsplänen nach § 47d I BImSchG dar. Im Gegensatz zum bisherigen Ansatz des Bundesimmissionsschutzrechts in § 47a BImSchG a. F., welcher schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche bzw. deren Beseitigung und Verminderung zum Gegenstand hatte, verfolgt der in Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie erlassene § 47d I BImSchG einen strategischen Lärmminderungsansatz dergestalt, dass ferner jenseits der Schädlichkeitsgrenze auch lediglich unerwünschte oder schlicht belästigende Geräusche durch das Planungsinstrumentarium erfasst werden und im Sinne eines „Managementansatzes“ die generelle Optimierung anstelle der alleinigen Fixierung auf die Einhaltung von Grenzwerten im Vordergrund steht. 574 Das zieht als Konsequenz nach sich, dass nicht mehr automatisch bis zu dieser normierten Grenzwertschwelle „aufgefüllt“ werden darf. Lärmaktionspläne bezwecken danach die planerische Bewältigung von Lärmproblemen und Lärmauswirkungen, um Umgebungslärm für Menschen durch Maßnahmen 575 zu verhindern, ihm vorzubeugen und ihn zu mindern. 576 Zu diesem Zweck werden die Planungsträger, gem. § 47e I BImSchG im Regelfall die Gemeinden, 577 in zwei zeitlichen Wellen bis zum 18. 7. 2008 und bis zum 18. 7. 2013 ohne weitere inhaltliche Vorbehalte oder Ausnahmen objektiv für bestimmte Sachlagen generell zur Planung angehalten. 578 Es handelt sich demnach bei der Pflicht zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen nach § 47d I BImSchG um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht im Bereich der Lärmminderungsplanung.
573
Zur Begrifflichkeit siehe: Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 25. Feldmann, ZUR 2005, 352, 354 u. 357. 575 An dieser Stelle kann mangels Relevanz für die Struktur der Planungspflicht dahinstehen, inwieweit die Regelung des Inhalts der Lärmaktionspläne durch § 47d I S. 3 BImSchG dahingehend, dass die Festlegung von Maßnahmen in den Plänen in das Ermessen der zuständigen Behörden gestellt ist, eine rechtmäßige Umsetzung der eigentlich strikten Richtlinienvorgaben darstellt. Zu diesem Problemkreis und der Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung vgl: Scheidler, DVBl 2005, 1344, 1349. 576 Scheidler, UPR 2005, 423, 425; Scheidler, DVBl 2005, 1344, 1349; Mitschang, ZfBR 2006, 430, 436 f. 577 Dazu eingehend: Fickert, BauR 2006, 920, 934 f., Mitschang, ZfBR 2006, 430, 437. 578 Für Näheres vgl. die zusammenfassenden Darstellungen von: Mitschang, ZfBR 2006, 430, 434 u. 436. 574
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
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V. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten bei Schutzgebietsausweisungen Für das umweltrechtliche Instrumentarium der Schutzgebietsausweisungen, wie sie beispielsweise in §§ 22 ff. BNatSchG, § 19 WHG und § 49 BImSchG normiert sind, stellt sich ebenfalls die Frage, ob die Befugnis zu derartigen Ausweisungen im Einzelfall auch eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht nach sich ziehen kann. Um von einer Erstplanungspflicht ausgehen zu können, muss es sich indes zunächst bei Schutzgebietsausweisungen überhaupt um Planung im Sinne des hier verwendeten Begriffs der Erstplanungspflicht handeln. Zweifel am Planungscharakter bestehen aufgrund des statischen, vornehmlich erhaltenden Charakters der Schutzgebietsausweisungen und der starken Bindung des Handlungsspielraums der Verwaltung an die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung. 579 Vereinzelt wird deshalb dahingehend differenziert, dass lediglich das „Ob“ einer Schutzgebietsausweitung als schlicht determinierte Verwaltungsentscheidung einzuordnen sei, während für den Bereich des „Wie“ einer Schutzgebietsausweisung eine gestalterische Planungsentscheidung angenommen wird. 580 Dagegen spricht jedoch, wie Kloepfer zutreffend dargestellt hat, dass eine derartige Differenzierung, vor allem angesichts der notwendigen Berücksichtigung „räumlicher Alternativen“, nicht durchzuhalten ist. 581 Die vorzugswürdige, ganz herrschende Meinung in der umweltrechtlichen Literatur ordnet Schutzgebietsausweisungen eindeutig dem Bereich der (Fach-) Planung zu. 582 So sei es durchaus möglich, dass Schutzgebietsausweisungen zukunftsorientiert und gestalterisch genutzt würden, vor allem angesichts der Notwendigkeit einer Koordination der durch selbige begründeten Handlungsgebote und -verbote. 583 Insbesondere die durch das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip motivierte Notwendigkeit der Überwindung des begrenzten Planungshorizonts eines lediglich punktuellen Vorgehens gegenüber einem hintergründigen Gesamtkonzept, welches alle schutzwürdigen und schutzbedürftigen Flächen in Beziehung zueinander setzt, um auf dieser Grundlage den Schutz einzelner Flächen koordiniert und optimiert zu gewährleisten, verdeutliche den planerischen Bezug der Schutzgebietsausweisungen. 584 Ferner sei zu beachten, dass Schutzgebietsaus-
579
BVerwG, NVwZ 1988, 1020, 1020 f. Hoppe/Beckmann/Kauch, UmweltR, § 7, Rn. 24 ff. 581 Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 22, Fn. 40. 582 Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 22; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 2, Rn. 101 f.; Koch, UmweltR, § 3, Rn. 70; Breuer, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 5. Kap., Rn. 62 f.; Wahl, in: FS Blümel, 617, 641. 583 Hoppe/Beckmann/Kauch, UmweltR, § 7, Rn. 26; Koch, UmweltR, § 3, Rn. 70. 580
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
weisungen oftmals als Festsetzungen anderer Umweltpläne, beispielsweise des Landschaftsplans in Nordrhein-Westfalen, ergingen, was bereits deren planerische Struktur offenlege. 585 Gerade der starke Einfluss fachgesetzlicher Bindungen bei der Entscheidung, ob eine Fläche als Schutzgebiet auszuweisen ist, kann nicht gegen die Einordnung als Planung angeführt werden, da es sich dabei gerade um typische Mechanismen und Merkmale einer Erstplanungspflicht handeln kann. Die Planungsqualität ist also anzunehmen. Fraglich ist somit allein, ob für diesen Bereich der Fachplanung eine normative Grundlage für Erstplanungspflichten gegeben ist. Diesbezüglich ist festzustellen, dass sich regelmäßig in den jeweiligen Befugnisnormen keine ausdrückliche Planungspflicht hinsichtlich der Ausweisung von Schutzgebieten findet. Vielmehr wird der zuständigen Behörde die Handlungsmöglichkeit in der Form eingeräumt, dass sie eine derartige Ausweisung vornehmen „kann“. Zwar mögen die im Einzelfall mit dieser Befugnis verbundenen Maßgaben und Voraussetzungen die Handhabe dieses Handlungsspielraums für die Verwaltung steuern, jedoch kann sich eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht dann zumindest aus dem generellen Grundsatz der einzelfallbezogenen Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zu einer strikten Planungspflicht ergeben, wie er bereits in allgemeiner Form entwickelt wurde und auf § 1 III S. 1 BauGB Anwendung fand. 586 Die Verdichtung einer der Verwaltung eingeräumten Planungsmöglichkeit zu einer Planungspflicht ist inhaltlich im Bereich der Schutzgebietsausweisungen vor allem für Einzelfälle denkbar, in denen eine grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 II S. 1 GG oder durch Art. 20a GG bzw. unter dem Gesichtspunkt der sozialstaatsgebotlich fundierten Daseinsvorsorge eine Ausweisung zwingend gebietet. Für den Regelfall der Schutzgebietsausweisungen kommen also objektiv determinierte Erstplanungspflichten nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht. Einen Sonderfall hinsichtlich der gesetzlichen Ausgestaltung von Erstplanungspflichten innerhalb der Schutzgebietsausweisungen stellen die §§ 32 f. BNatSchG betreffend das europäische Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ dar: Durch § 32 BNatSchG werden die Länder unmittelbar zur Erfüllung der Verpflichtungen der RL 92/43/EWG (Vogelschutzrichtlinie) und RL 79/409/EWG (FFH-Richtlinie) angehalten; § 33 I S. 1 BNatSchG normiert sodann ausdrücklich die Maßgeblichkeit der materiellen Vorgaben jener Richtlinien über die Auswahl der zu meldenden Gebiete. Im Rahmen dieser Darstellung soll eine Auseinandersetzung mit
584 585 586
Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 22. Hoppe/Beckmann/Kauch, UmweltR, § 7, Rn. 26. Siehe dazu: 1. Kap. B. und 3. Kap. D.
H. Umweltrechtliche Erstplanungspflichten
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den verzweigten, je nach zugrunde liegender Richtlinie bzw. Prioritätseinstufung differierenden Vorgaben für die Ermittlung und Meldung der jeweiligen Schutzgebiete unterbleiben. 587 Zusammenfassend lässt sich jedenfalls feststellen, dass der den Ländern zukommende „Ermessensspielraum“ bei der Auswahlentscheidung quantitativ und qualitativ, unter anderem durch strikte Beschränkung auf allein fachliche Kriterien unter Ausklammerung wirtschaftlicher oder politischer Belange zur Ermittlung der „zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete“, stark eingeschränkt ist. 588 Diese Vorgaben, vornehmlich aus den Anhängen der jeweiligen Richtlinien in Verbindung mit der generellen Verpflichtung zur Förderung des europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ (§ 2 II S. 2–5 BNatSchG), führen für geeignete Gebiete zu einer objektiv determinierten Meldepflicht der Länder, welche für diese speziellen Schutzgebietsausweisungen in der Praxis die Erstplanungspflicht auf allgemeiner Grundlage einer einzelfallbezogenen Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums wohl vollständig umfasst. Zusammenfassend ist somit deutlich geworden, dass auch im Bereich der Schutzgebietsausweisungen objektiv determinierte Erstplanungspflichten auf der Grundlage der allgemeinen Grundsätze anzuerkennen sind. Speziell bestehen objektiv determinierte Meldepflichten aus § 33 I BNatSchG als Konsequenz der europarechtlichen Vorgaben zur Errichtung von „Natura 2000“.
VI. Fazit Für den Bereich des Umweltrechts hat die erfolgte Darstellung einen weiten Anwendungsbereich für objektiv determinierte Erstplanungspflichten aufgezeigt. Im Vergleich zu den vorgehend dargestellten Erstplanungspflichten im Bereich des Rechts der Gesamtplanung ist festzustellen, dass sich die umweltrechtlichen Erstplanungspflichten als in ihrer rechtlichen Struktur oftmals wesentlich offener und unproblematischer erweisen. Auch findet sich – verglichen mit den Auseinandersetzungen in Literatur und Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht – kaum nennenswerter Widerstand gegen diesen umfassenden Rückgriff auf Erstplanungspflichten. Dies mag sich daraus erklären lassen, dass es sich speziell bei den umweltrechtlichen Planungsmaßnahmen um die Normierung vergleichsweise neuartiger Planungssysteme und Planungsinstrumente handelt, die aufgrund ihrer Neuartigkeit die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf Planungspflichten zur zeitnahen Realisierung der jeweiligen Umweltprogramme nahe legt. Generell dürfte die Etablierung paralleler, aber dafür neuartiger Planungen auf weniger Bedenken
587 Vergleiche dazu im Einzelnen die Darstellungen von: Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 161 ff. 588 Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 163 u. Rn. 171 ff.
328
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
stoßen als die tiefgreifende Modifizierung „altbewährter“ Planungssysteme. Ferner mag es auch mit dem generellen Charakter der Umweltplanung als sektoraler und eigenständiger Fachplanung zusammenhängen, dass, insbesondere vor dem Hintergrund des kommunalen Selbstverständnisses und der historischen Entwicklung der gemeindlichen Selbstverwaltung, die Relevanz derartiger Planungen für die kommunale Planungshoheit zwar wahrgenommen, jedoch nicht in gegenüber dem Bauplanungsrecht vergleichbarer Sensibilität und Vehemenz geltend gemacht wird. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass umweltrechtliche Erstplanungspflichten sowohl unter Rückgriff auf die allgemeine Rechtsfigur der einzelfallbezogenen Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zu einer Planungspflicht, als auch durch spezielle gesetzliche Ausgestaltungen bestehen.
I. Objektiv determinierte Erstplanungspflichten zur Aufstellung von Planfeststellungsbeschlüssen Für den zweiten potentiellen Anwendungsbereich objektiv determinierter Erstplanungspflichten im Fachplanungsrecht ist im Folgenden darzustellen, inwieweit sich auch hinsichtlich der Aufstellung von Planfeststellungsbeschlüssen als spezieller Planungsform eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht ergeben kann. Bundesrechtlich geregelte Planfeststellungsverfahren sind beispielsweise durch die §§ 17 FStrG, 18 AEG, 1 ff. MBPlG, 8 LuftVG, 28 PBefG, 14 WaStrG, 31 II WHG i. V. m. Landesrecht, 9b AtG, 32 II KrW-/AbfG, 41 FlurbG, 52 IIa BBergG, 43 EnWG, 20 I UVPG vorgeschrieben. Es handelt sich um eine spezifische Planungsform des Fachplanungsrechts für solche Vorhaben, welche nach gesetzgeberischer Wertung aufgrund der Vielzahl potentiell berührter Belange und Interessen einer planerischen Abwägung bedürfen. Das Rechtsinstitut der Planfeststellung zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um eine Kombination aus Planung und Vorhabenszulassung dergestalt handelt, dass gesetzliche Bezeichnung und finale Programmierungsstruktur einen eindeutigen Planungsbezug aufweisen, während die vorhabensbezogene Funktion einer Eröffnungskontrolle die Einordnung als spezielles Genehmigungsverfahren ermöglicht. 589 Aufgrund dieser Verbindung liegt einer vorhabensbezogenen Planfeststellung immer eine örtliche Standortentscheidung für das konkrete Vorhaben zugrunde. Bereits diese örtlich-konkrete Bindung spricht gegen die Annahme von Erstpla-
589 Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 29; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 4, Rn. 63 ff.; Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 1, Rn. 8 ff.; Stüer/Probstfeld, Planfeststellung, Rn. 1 f.
I. Aufstellung von Planfeststellungsbeschlüssen
329
nungspflichten zum Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses, da die Standortwahl als integrativer und wesentlicher Teil der Planungsentscheidung die im übrigen Planungsrecht mögliche und gebotene Unterscheidung zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ der Planung aufgrund des konkretisierten Planungsgegenstands nicht ermöglicht. Folglich finden sich keine ausdrücklich normierten Erstplanungspflichten für den Bereich des Planfeststellungsrechts. Eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht kann sich somit allein einzelfallbezogen unter Rückgriff auf die allgemeine Rechtsfigur der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur strikten Planungspflicht ergeben. Eine derartige Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums mag zwar theoretisch denkbar sein: Üblicherweise bedürfte es für eine Planungspflicht des Planungsträgers regelmäßig zunächst eines Antrags durch den Vorhabensträger, ohne welchen eine Pflicht mangels Planungsbefugnis nicht entstehen kann. Diesem Erfordernis mag in jenen Fallgruppen, in denen ein „Anspruch auf Planfeststellung“ diskutiert wird, 590 regelmäßig genügt sein. Als Grundlage einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums ist gerade für den Bereich der Planfeststellung vornehmlich an den Grundsatz materieller Plankonkordanz bzw. der Influenz höherrangiger Planungsebenen zu denken. 591 So ist nicht auszuschließen, dass aufgrund planerischer Bedarfsplanung bzw. -festlegungen eine Planfeststellung zwingend geboten erscheint. Als Beispiel kann auf die Landesabfallwirtschaftsplanung nach § 29 KrW-/AbfG verwiesen werden, welche unter Umständen die Planfeststellung einer Abfalldeponie gem. § 31 II KrW-/AbfG erzwingen kann, dabei jedoch keine abschließende Abwägung hinsichtlich eines konkreten parzellenscharfen Standorts unter Berücksichtigung aller örtlichen Besonderheiten normiert. 592 Aufgrund des bereits genannten Stellenwerts der Standortwahl wird jedoch auch für diese Fallgruppe in der Praxis kaum eine Konstellation denkbar sein, in welcher sich auch die parzellenscharfe Zuweisung des Vorhabens auf einen konkreten Ort im gesamten Planungsgebiet verdichtet, so dass regelmäßig aufgrund der gebotenen Berücksichtigung von Standortalternativen keine Erstplanungspflicht in Betracht kommen wird. 593
590 Dazu: Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 480 ff.; Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 1, Rn. 11 u. Rn. 16. 591 Vgl. dazu die bereits: 1. Kap. B.III.1. 592 Beckmann, in: Landmann/Rohmer, § 29 KrW-/AbfG [Lfg.: 38.], Rn. 52 ff. 593 Als einzige nennenswerte Ausnahme kommt nach herrschender Meinung die bergrechtliche Planfeststellung nach § 52 IIa BBergG in Betracht, bei welcher keine planerische Gestaltungsfreiheit bestehe, so dass ein Anspruch auf Planfeststellung und damit eine Pla-
330
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Folglich ist deshalb als Ergebnis festzuhalten, dass in der Theorie eine Erstplanungspflicht bzw. aus der Perspektive des Vorhabensträgers ein Anspruch auf Erlass eines beantragten Planfeststellungsbeschlusses auf Grundlage der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht in Betracht kommen kann, während in der Praxis allein ein Anspruch auf abwägungsfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommen wird. 594
J. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht auf Grundlage des Landesplanungsrechts Die bisherigen Darstellungen waren inhaltlich auf bundesrechtliche Erstplanungspflichten beschränkt. Da die überwiegend bundesrechtlich begründete Planungspraxis sich indes durch die Landesverwaltung realisiert oder sogar eigene Planungssysteme der Länder etabliert sind, beziehungsweise als Auswirkung der Föderalismusreform in Zukunft abweichend von bundesrechtlichen Vorgaben etabliert werden können, soll im folgenden dem Bestand und der Struktur landesrechtlicher Erstplanungspflichten nachgegangen werden. Diesbezüglich soll, vergleichbar der bisherigen Untersuchung bundesrechtlicher Erstplanungspflichten, zwischen den Planungssystemen des landesrechtlichen Fachplanungsrechts (I.) und des landesrechtlichen Gesamtplanungsrechts (II.) unterschieden werden. Vorab ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine Darstellung des Landesplanungsrechts jedes einzelnen Bundeslandes den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Stattdessen soll sich die Darstellung auf die Erarbeitung der grundlegenden Strukturen und Gemeinsamkeiten beschränken.
I. Landesrechtliche Fachplanung Für den Bereich der landesrechtlichen Fachplanung kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zu den umweltrechtlichen Fachplanungen und den Planfeststellungsbeschlüssen verwiesen werden. 595 nungspflicht bei Einhaltung der gesetzlichen Direktiven nahe liegt. (vgl. dazu Kühne, DVBl 2006, 662, 664 f.; Beckmann, in: Landmann/Rohmer, § 31 KrW-/AbfG [Lfg.: 37.], Rn. 37; Kloepfer, UmweltR, § 10, Rn. 208; Hoppe/Spoerr, UPR 1999, 246, 246; a. A.: Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 368 ff.) Andererseits ist für diesen Fall in Betracht zu ziehen, dass es sich dann gar nicht um eine Erstplanungspflicht handeln könnte, da nach bereits mehrfach zitierter Aussage des Bundesverwaltungsgerichts Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich sei und folglich nach herrschender Meinung für diesen Fall keine materielle Planung vorliegen würde. 594 So auch: Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 482. 595 Siehe oben: 3. Kap. H. und 3. Kap. I.
J. Landesplanungsrecht
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Insbesondere betreffend die wasserrechtlichen und landschaftsplanerischen Erstplanungspflichten wurde bereits erörtert, dass sich deren inhaltliche Determination bisher bereits aus den rahmenrechtlichen Vorgaben durch Bundesgesetz ergab, wiewohl die eigentliche Pflichtigkeit rechtstechnisch erst aus der landesrechtlichen Umsetzung folgte. Nach der Übergangsregelung des Art. 125b I GG bleibt die rahmenrechtliche Bindungswirkung vorerst erhalten, zumal für den Fall bundesgesetzgeberischer Untätigkeit bis 2010 keine Abweichungsmöglichkeit der Landesgesetzgeber besteht. Für die Zukunft besteht dann jedoch die Möglichkeit, dass die Länder in Ausübung ihrer Abweichungskompetenzen gem. Art. 72 III S. 1 Nr. 2 u. Nr. 5 GG bzw. übergangsweise gem. Art. 125b I S. 3, 72 III S. 1 Nr. 2 u. Nr. 5 GG auch in diesen Sachgebieten selbstständige Erstplanungspflichten normieren und sich auf diesem Wege bundesrechtlicher Vorgaben entziehen. Doch auch jenseits dieser speziellen Abweichungsmaterien verbleibt den Ländern im Bereich des Fachplanungsrechts häufig jenseits der durch Bundesgesetze direkt ausgestalteten Regelungskomplexe die Möglichkeit der Ausgestaltung eigener Planungssysteme, gerade auch neben bzw. in Ergänzung von bundesrechtlichen Vorgaben. In diesen landesrechtlichen Fachplanungsgesetzen können sodann ausdrückliche Erstplanungspflichten generell normiert sein oder sich durch Rückgriff auf die allgemeine Rechtsfigur der einzelfallbezogenen Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zu einer strikten Planungspflicht ergeben. Da die diesbezüglichen dogmatischen Mechanismen denen des Bundesrechts entsprechen und aus diesem Grund weitere Ausführungen entbehrlich sind, soll im Folgenden lediglich zur Verdeutlichung der Relevanz des Landesplanungsrechts im Bereich des umweltrechtlichen Fachplanungsrecht beispielhaft auf die Konsequenzen der jüngsten Neuerungen des BWaldG verwiesen werden. Die §§ 6,7 BWaldG, welche bislang Vorgaben für die landesrechtliche Einrichtung der forstlichen Rahmenplanung enthielten, 596 wurden mit Wirkung vom 29. 6. 2005 durch Bundesgesetz vom 25. 6. 2005 aufgehoben, 597 da eine bundesrechtliche Regelung aufgrund des erreichten landesrechtlichen Planungsgrades nicht mehr für erforderlich erachtet wurde, und zudem den Ländern eine größere Flexibilität angesichts regionaler Besonderheiten eingeräumt werden sollte. 598 Nunmehr obliegt es ohne rahmengesetzliche Bindungen allein der jeweiligen Landesgesetzgebung zu entscheiden, ob ein vergleichbares Planungssystem eingerichtet wird und ob eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht ausdrücklichgenerell normiert wird oder ob sich diese lediglich ausnahmsweise im Einzelfall
596 Dazu: Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 274 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, UmweltR, § 6, Rn. 325. 597 BGBl. I, 2005, S. 1746 ff. 598 BT-Drs. 15/4540, S. 7.
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3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
durch Rückgriff auf die allgemeine Rechtsfigur der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur strikten Planungspflicht ergeben soll. Inhaltlich ergeben sich jedenfalls im landesrechtlich begründeten Fachplanungsrecht die strukturgleichen Anwendungsbereiche wie im bundesrechtlichen Fachplanungsrecht, so dass objektiv determinierte Erstplanungspflichten im Einzelfall aufgrund normierter gesetzlicher Voraussetzungen oder aufgrund der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums bestehen können.
II. Landesrechtliche Gesamtplanung Für den Bereich der landesrechtlichen Gesamtplanung – jenseits der bereits behandelten objektiv determinierten Erstplanungspflichten zur Aufstellung von Landesplänen/-programmen und Regionalplänen 599 – wird demgegenüber die Rechtslage hinsichtlich des Bestands von Erstplanungspflichten nicht einheitlich beurteilt. Ausgangspunkt der Kontroverse in der Literatur sind dabei die in vielen Ländern normierten gesetzlichen Grundlagen für ein Erstplanungsgebot, durch welches die Gemeinden als Träger der örtlichen Gesamtplanung zur Aufstellung von Bauleitplänen angehalten werden können. 600 Diskutiert wird dabei in der Literatur schwerpunktmäßig die Rechtmäßigkeit derartiger landesrechtlicher Regelungen für Fälle, in denen die örtliche Bauleitplanung der überörtlichen Planung anzupassen ist (sog. Planungsgebot). Diesbezüglich geht es also um das rechtliche Verhältnis der landesrechtlichen Ausgestaltung eines Planungsgebots zu § 1 IV BauGB; insbesondere wird die Gesetzgebungskompetenz der Länder in Frage gestellt. So kommen Stern/Burmeister in ihrem Rechtsgutachten zur landesgesetzlichen Einführung eines Planungsgebots zu dem Ergebnis, dass der materielle Schwerpunkt derartiger Regelungen die Frage der Einpassung von Plänen ineinander betreffe und damit kompetentiell dem Raumordnungsrecht zuzuordnen sei. 601 Bodenrechtliche Materien als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung, bei denen eine Länderkompetenz durch den Erlass des BauGB durch den Bundesgesetzgeber gesperrt sein könnte, kämen nur in Betracht, wenn die rechtlichen Beziehungen des Einzelnen zu Grund und Boden geregelt würden. 602 Der Gesetzgeber regele aber ausschließlich Inhalt und Bindungswirkung der überörtlichen
599
Siehe dazu oben: 3. Kap. A. Beispielhaft sei auf Art. 12 IV LPlSV B/Bbg; § 33 II S. 1 LPlGNRW; § 16 I ThLPlG; Art. 28 I BayLPlG; § 21 I LPlGBW; § 23 I LPlGRh.-Pf. verwiesen. 601 Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 56. 602 Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 53. 600
J. Landesplanungsrecht
333
Planung als Verwaltungsaufgabe, was materiell dem Bereich der Raumordnung zuzurechnen sei. 603 Im kompetentiellen Bereich der Raumordnung bestand nach bisheriger Rechtslage für die Länder angesichts der ausfüllungsbedürftigen und ausfüllungsfähigen Rahmenbestimmungen des § 5 IV ROG Raum für eigene Gesetzgebung, so dass vorliegend eine landesrechtliche Ausgestaltung eines Planungsgebots durch ein Landesgesetz rechtlich möglich gewesen sei. 604 Für die Zukunft ergäben sich diesbezüglich durch die jüngsten Grundgesetzänderungen im Zuge der Föderalismusreform nach dieser Betrachtungsweise sogar noch weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten der Länder, welche von bundesrechtlichen Vorgaben im Kompetenztitel „Raumordnung“ nunmehr gem. Art. 72 III Nr. 4 GG sogar materiell abweichen könnten. 605 Demgegenüber differenziert Faast in ihrer Darstellung bezüglich des Inhalts eines landesrechtlichen Planungsgebots zwischen einem materiellen und einem verfahrensrechtlichen Teil, was Konsequenzen für die Beurteilung der Gesetzgebungskompetenzen nach sich zieht. 606 Materiell beträfen Planungsgebote unter Umständen die Normierung eine Planungspflicht durch den Landesgesetzgeber, während verfahrenstechnisch der Aspekt der zeitlichen Aktualisierung abstrakter Pflichten und deren Durchsetzung ebenfalls Teil der Planungsgebote sein könne. 607 Eine materielle Regelung einer Erstplanungspflicht durch den Landesgesetzgeber sei unzulässig, da es sich um eine Materie des Bodenrechts handele, von welcher der Bundesgesetzgeber durch Erlass des BauGB abschließend Gebrauch gemacht habe. 608 Der bodenrechtliche Bezug bestehe, weil die Konkretisierung der Ziele der Raumordnung durch die gemeindliche Bauleitplanung eine unmittelbare Wirkung für die Bürger bewirke und damit die Kernaufgabe des Städtebaurechts darstelle, zumal die Übereinstimmung von örtlicher Planung mit überörtlichen Belangen bereits begrifflich nur als Städtebaurecht und folglich Bodenrecht eingeordnet werden könne. 609 Eine materielle Ausgestaltung im Sinne einer eigenen landesrechtlichen Erstplanungspflicht zur Bauleitplanung sei den Ländern damit verfassungsrechtlich versagt.
603
Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 53 u. S. 55 f. Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 55 f. 605 Zur Reichweite der Abweichungskompetenz und insbesondere zur Auseinandersetzung um die Anerkennung ungeschriebener „abwägungsfester Kerne“ im Raumordnungsrecht vgl.: Battis/Kersten, DVBl 2007, 152, 157 ff.; Spannowsky, UPR 2007, 41, 44 ff.; Hoppe, DVBl 2007, 144, 145 ff.; Hoppe, BauR 2007, 26, 30 f.; Degenhart, NVwZ 2006, 1209, 1213. 606 Faast, Erstplanungspflicht, S. 121. 607 Faast, Erstplanungspflicht, S. 121. 608 Faast, Erstplanungspflicht, S. 126 ff. 609 Faast, Erstplanungspflicht, S. 122 f. 604
334
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Prinzipiell anders verhielte es sich demgegenüber bei dem verfahrensrechtlichen Aspekt der Planungsgebote. Diesbezüglich dürften die Länder zur verfahrensrechtlichen Durchsetzung von bundesrechtlichen Normen der konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 Nr. 18 GG grundsätzlich Gesetze erlassen. Für diesen konkreten Fall bestehe jedoch nach Auffassung Faasts deshalb keine verfahrensrechtliche Gesetzgebungskompetenz, da es an einer bundesrechtlichen Erstplanungspflicht mangele, welche durchzusetzen wäre. 610 Folglich stellen sich nach Ansicht Faasts die landesplanungsrechtlichen Vorschriften bezüglich der Planungsgebote mangels Gesetzgebungskompetenz der Länder als verfassungsrechtlich unzulässig dar. Beide dargestellten Auffassungen sind indes zurückzuweisen. Einigkeit besteht zwischen den Autoren nämlich dahingehend, als gemeinsam davon ausgegangen wird, dass sich aus § 1 IV BauGB keine objektiv determinierte Erstplanungspflicht der Gemeinden ergebe. 611 Diese Annahme bildet die Grundlage für die Auseinandersetzung darüber, welchem Kompetenztitel die Ausgestaltung eines Planungsgebots zuzurechnen sei. Diese Auffassung wurde indes bereits abgelehnt. 612 Vielmehr ist demgegenüber nach zutreffender Ansicht davon auszugehen, dass bereits bundesrechtlich die Pflicht zur erstmaligen Aufstellung eines Bauleitplans in § 1 IV BauGB normiert wurde. Die Debatte um die kompetentielle Rechtmäßigkeit einer materiellen Regelung der Erstplanungspflicht auf Landesebene erweist sich vor diesem Hintergrund als sinnlos, da gem. Art. 31 GG jedenfalls inhaltlich abweichendes Landesrecht keinen Bestand haben konnte. 613 Insoweit stellen sich auf Grundlage der vorzugswürdigen Auffassung die landesrechtlichen Normierungen eines Planungsgebots in jedem Fall als bloße Verfahrensregelungen im Sinne des Art. 84 I GG dar. Diesbezüglich ist die Gesetzgebungskompetenz der Länder indes unstreitig zu bejahen, soweit der Bund, wie hier nicht ersichtlich, von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Verfahrensrecht in dieser Frage keinen Gebrauch gemacht hat. 614
610
Faast, Erstplanungspflicht, S. 127. Stern/Burmeister, Verfassungsmäßigkeit, S. 21; Faast, Erstplanungspflichten, S. 91 f. 612 Siehe: 3. Kap. E.I.1.b). 613 Zum Streit, ob inhaltsgleiches Landesrechts durch Art. 31 GG ausgeschlossen wird, vgl.: März, in: vMangoldt/Klein/Starck, Art. 31, Rn. 42; Gubelt, in: vMünch/Kunig, Art. 31, Rn. 23 m. w. N. Abweichend von der Regel des Art. 31 GG aber neuerdings hinsichtlich landesgesetzlicher Verwaltungsverfahrensregelungen im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit der Länder: Art. 84 I GG i. V. m. Art. 72 III S. 3 GG. 614 In Zukunft könnten u. U. gem. Art. 84 I S. 2 GG sogar inhaltlich abweichende Verfahrensregelungen von eventuellen Vorgaben des Bundesgesetzgebers durch die Landesgesetzgeber erfolgen. 611
K. Pflicht zur Umsetzung von europarechtlichen Planungsrichtlinien
335
Parallel dazu hat das Bundesverwaltungsgericht in der bereits mehrfach thematisierten „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ für die Durchsetzung einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 III S. 1 BauGB auch die Möglichkeit eines landesrechtlichen Planungsgebots bejaht. 615 Diese Entscheidung legt deutlich dar, dass es sich bei dem Problemkreis des landesrechtlichen Planungsgebots in Wahrheit um Fragen der Durchsetzung von Planungspflichten handelt, die deren Bestand voraussetzen und welchen für deren Struktur kein Erkenntniswert beizumessen ist. Als Fazit ist für den Bereich der landesrechtlichen Gesamtplanung also festzustellen, dass landesrechtliche Planungsgebote nicht als eigenständige Erstplanungspflichten einzustufen sind, sondern vielmehr reine Durchsetzungsmaßnahmen im Sinne des Gesetzesvollzugs darstellen. Im Bereich der landesrechtlichen Gesamtplanung verbleibt diesbezüglich in allen Bundesländern kein Raum für die Annahme von landesrechtlichen, objektiv determinierten Erstplanungspflichten jenseits der bereits behandelten raumordnungsspezifischen Erstplanungspflichten.
III. Ergebnis Zusammenfassend ergibt die Analyse des Landesplanungsrechts somit, dass objektiv determinierte Erstplanungspflichten im Bereich des Fachplanungsrechts in gleicher Weise wie im bundesrechtlichen Fachplanungsrecht etabliert sind bzw. die Möglichkeit zu deren Etablierung besteht. Demgegenüber kann für die Planungsaufgaben der Gesamtplanung jenseits der raumordnungsrechtlichen Erstplanungspflichten kein eigenständiger Anwendungsbereich für objektiv determinierte Erstplanungspflichten festgestellt werden.
K. Objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus der Pflicht zur Umsetzung von europarechtlichen Planungsrichtlinien Als letztes potentielles Anwendungsfeld für objektiv determinierte Erstplanungspflichten soll im Folgenden dargestellt werden, ob sich Planungspflichten direkt aus europarechtlichem Sekundärrecht ergeben können. Thematisch kann dieser Bereich der europarechtlich fundierten Erstplanungspflichten zunächst in dreifacher Weise eingegrenzt werden: Zunächst geht es im Rahmen dieser Darstellung allein um Planungsmaßnahmen durch die Bundesrepublik als Mitgliedsstaat; inwieweit die Europäische
615
BVerwGE 119, 25, 43 f.
336
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
Gemeinschaft zu eigenen Planungsmaßnahmen verpflichtet ist, soll vorliegend dahinstehen. 616 Des Weiteren ist das inhaltliche Spektrum von europarechtlich ausgelösten Planungspflichten durch die dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung entsprechend eingeschränkten Kompetenzen der Gemeinschaft dahingehend limitiert, dass es keine eigenständige Kompetenz für den Bereich des Planungsrechts gibt. 617 Dies zeigt sich beispielhaft an der lediglich sektoral auf den Bereich der Umweltpolitik begrenzten Kompetenz für raumordnungsrechtliche Maßnahmen nach Art. 175 II EG. 618 Tatsächlich beschränkt sich die praktische Relevanz europarechtlicher Planungsvorgaben inhaltlich vornehmlich auf den Sachbereich der Umweltpolitik nach Art. 175 I, 174 I EG und den Bereich der Verkehrspolitik nach Art. 154 ff. EG. 619 Schließlich ist die für Planungspflichten der Mitgliedsstaaten relevante Handlungsform bislang eindeutig auf Richtlinien eingrenzbar. Zwar kann theoretisch nicht ausgeschlossen werden, dass auf Grundlage des Art. 175 I EG auch im Wege einer Verordnung gem. Art. 249 II EG eine unmittelbar wirkende Planungspflicht für die Mitgliedstaaten normiert wird. Jedoch existiert diesbezüglich bislang kein praktischer Anwendungsbereich. Ferner erscheint es auch für die Zukunft angesichts der europarechtlichen Gewährleistung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, welche durch Ziff. 4, 6 SubsidiaritätsProt nunmehr bei Erlass jeder Rechtsvorschrift sogar eine explizite Begründung der Einhaltung dieser Grundsätze erfordern, kaum möglich, dass die Wahl der Handlungsform einer Verordnung gegenüber der einer Richtlinie, die den Mitgliedstaaten Umsetzungsflexibilität gewährt, im Bereich des Planungsrechts zulässigerweise gewählt werden kann. 620 Somit beschränkt sich die Darstellung im Folgenden auf Erstplanungspflichten in Folge von europarechtlichen Richtlinien im Bereich der Umweltpolitik und der Verkehrspolitik. Unproblematisch erweist sich dabei der Fall der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie in den Mitgliedsstaaten, da diesbezüglich allein die innerstaatliche Umsetzungsnorm als Grundlage der Planungspflicht heranzuziehen ist. Die europarechtliche Verpflichtung stellt sich in diesen Fällen zudem nicht als Planungspflicht, sondern höchstens als „Planungspflichtverpflichtung“ der Mitgliedsstaaten, also 616
Siehe dazu: Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1122 m. w. N.; Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 516 ff. 617 Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1128. 618 Battis, in: FS Schlichter, 185, 191; Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1127 f.; Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 510 ff. 619 Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 513 f. 620 Amtsblatt Nr. C 340 vom 10. 11. 1997, S. 0105.
K. Pflicht zur Umsetzung von europarechtlichen Planungsrichtlinien
337
als Verpflichtung zur Normierung einer Pflicht der Planungsträger, dar. Dieser Fall wurde inhaltlich bereits anlässlich der Darstellung der umweltrechtlichen Erstplanungspflichten, vor allem hinsichtlich der Schutzgebietsausweisungen, behandelt, 621 so dass an dieser Stelle allein der Frage nachzugehen ist, inwieweit im Fall der mangelnden Umsetzung einer europarechtlichen Richtlinie Erstplanungspflichten anzunehmen sind. Es handelt sich folglich um Problemstellungen der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien. Entgegen der in Art. 249 III EG ausdrücklich normierten Umsetzungsbedürftigkeit der Richtlinien, die einer unmittelbaren Durchgriffswirkung für die mitgliedsstaatlichen Verwaltungsträger grundsätzlich entgegensteht, wird für den Fall der unterbliebenen Umsetzung nach ganz herrschender Meinung vor dem Hintergrund von Effektivitäts-Ratio, Rechtsmissbrauchs- bzw. Vertragsbruchsgedanken und politischen Erwartungen eine unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien unter bestimmten Voraussetzungen angenommen. 622 Für die spezielle Konstellation einer Erstplanungspflicht als Folge der unmittelbaren Anwendbarkeit einer europäischen Richtlinie kann zunächst dahinstehen, ob die jeweiligen Planungen, die von einer in Frage kommenden Richtlinie gefordert werden, ihrerseits ein subjektives Recht für die Bürger vermitteln würden bzw. ob diese Planungen ihrerseits drittschützend wären. Zwar wird in der europarechtlichen Literatur vielfach die Verankerung eines subjektiven Rechts im Inhalt der Richtlinienbestimmung als Voraussetzung für die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinie gefordert. 623 Diese umstrittenen Ausführungen beziehen sich indes ausschließlich auf Fälle sog. „subjektiver unmittelbarer Wirkung“, 624 also auf die Frage, unter welchen Umständen sich ein Bürger auf die materiellen Vorgaben der Richtlinie (gerichtlich) berufen kann. 625 Vorliegend steht jedoch die objektive Verpflichtung staatlicher Stellen zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinienvorgaben in Form einer Planungspflicht in Frage. Diesbezüglich ist es nach allgemeiner Auffassung ausreichend, wenn die Richtlinie ihrerseits hinreichend klar, bestimmt sowie unbedingt ausgestaltet 621
Siehe dazu die Darstellungen: 3. Kap. H. Zu den rechtspolitischen Hintergründen und dogmatischen Phasen der Entwicklung einer unmittelbaren Wirkung von europarechtlichen Richtlinien vergleiche die Darstellungen von: Haltern, EuropaR, S. 286 ff. 623 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 87 ff. m. w. N. 624 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 88. 625 Zur diesbezüglich wiederum erfolgenden Ausdifferenzierung zwischen „vertikaler“, also vom Bürger gegen den Staat, und „horizontaler“, zwischen Bürgern angesiedelter, unmittelbarer Anwendbarkeit von Richtlinien vergleiche die Darstellungen von: Haltern, EuropaR, S. 280 ff.; ferner: Hartisch, Unmittelbare Wirkung von Richtlinien, S. 43 ff. 622
338
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
ist und vom Mitgliedsstaat nicht fristgemäß oder unzureichend umgesetzt wurde. 626 Explizit wurde dies vom EuGH in der „Großkrotzenburg-Entscheidung“ 627 anerkannt, welcher der Fall der nicht fristgemäß umgesetzten Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zugrunde lag. Es ging dabei materiell um die Frage, ob trotz unterbliebener Umsetzung eine UVP durch die jeweiligen Behörden durchzuführen war. Der EuGH entschied entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik, dass sich die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit nicht nur stelle, wenn sich Einzelne gegenüber dem Staat auf Richtlinienbestimmungen beriefen, 628 da unabhängig von der Existenz der Rechte Einzelner die objektive Verpflichtung der Behörden zur Durchführung einer UVP im konkreten Fall gegeben sei. 629 Diese Grundsatzentscheidung ist auch auf potentielle Fälle einer Planungspflicht übertragbar, da in gleicher Weise die Planungsträger objektiv an die Aussagen der inhaltlichen Richtlinienvorgaben gebunden würden. Insoweit ist also festzustellen, dass für die objektive unmittelbare Wirkung einer europarechtlichen Richtlinie als möglicher Grundlage einer Planungspflicht die subjektive Berechtigung Einzelner keine Voraussetzung darstellt, sondern allein ungenügende Umsetzung und inhaltliche Bestimmtheits- und Bedingtheitsanforderungen zu untersuchen sind. Eine Richtlinie ist als hinreichend klar und bestimmt anzusehen, wenn unzweideutig eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu einem bestimmten Verhalten begründet wird, so dass sie rechtlich in sich abgeschlossen ist und als solche von jedem Gericht angewendet werden kann. 630 Als unbedingt kann eine Richtlinienaussage bezeichnet werden, wenn sie vorbehaltslos und ohne Bedingung (im Sinne eines mitgliedsstaatlichen Umsetzungsspielraums) anwendbar ist, weil sie keiner weiteren Maßnahme der Organe der Mitgliedsstaaten oder der Gemeinschaft mehr bedarf (sog. „self-executing“-Charakter der Richtlinie). 631
626
Epiney, DVBl 1996, 409, 412; Oppermann, EuropaR, § 6, Rn. 92; Streinz, EuropaR, Rn. 445; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 88 ff.; Haltern, EuropaR, S. 308; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Art. 249 EGV [Lfg.: 20.], Rn. 167. 627 EuGH, Urt. v. 11. 08. 1995, RS C-341/92, Slg. 1995 I-2189 = NVwZ 1996, 369, 369 ff. 628 Epiney, DVBl 1996, 409, 411. 629 Die Begründung des EuGH wird in der Literatur verschieden interpretiert. Teilweise wird angenommen, hiermit habe der EuGH eine Differenzierung zwischen objektiver und subjektiver unmittelbarer Anwendbarkeit anerkannt; andere Stimmen sehen generell die Existenz eines subjektiven Rechts in Folge dieser Rechtsprechung nicht als Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit, da das subjektive Recht erst aus eben jener Anwendbarkeit entstehe. Siehe zu dieser Auseinandersetzung allgemein: Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 87 ff. m. w. N. Diese strittige Frage kann indes für die vorliegende Problematik dahinstehen, da jedenfalls eine objektive unmittelbare Anwendbarkeit in Betracht käme und ausreichen würde. 630 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 76.
K. Pflicht zur Umsetzung von europarechtlichen Planungsrichtlinien
339
Es bedarf insoweit grundsätzlich einer Betrachtung der jeweils als Grundlage einer Planungspflicht in Frage kommenden Richtlinie im Einzelfall. Dennoch lässt sich generalisierend eine Betrachtung möglicher Richtlinieninhalte vornehmen. So lassen sich die erstplanungsrelevanten Richtlinieninhalte in zwei denkbare Ausgestaltungen systematisieren: Einerseits kann Zielvorgabe der Richtlinie die Etablierung eines bestimmten (neuartigen) Planungssystems sein; andererseits kann lediglich eine konkrete Planung als solche geschuldet sein. Für den ersten Fall der gebotenen Etablierung eines Planungssystems muss eine Erstplanungspflicht auf der Grundlage einer unmittelbaren Anwendung europarechtlicher Richtlinien generell ausscheiden: Die Ausgestaltung eines differenzierten Planungssystems eröffnet den Mitgliedsstaaten auch im Fall noch so detaillierter Vorgaben einen umfassenden Gestaltungsspielraum, welcher allein durch die innerstaatliche Bestimmung der zuständigen Planungsträger, die hochkomplexe Abstimmung und Verzahnung mit anderen Planungen und insbesondere durch die Wahl der zugrunde liegenden Abwägungs- und Planungsdogmatik einen Grad erreicht, der es nicht zulässt, derartige Vorgaben als hinreichend bestimmt und unbedingt zu qualifizieren. Diesbezüglich kann als Gegenbeispiel auch nicht auf die „Großkrotzenburg-Entscheidung“ des EuGH verwiesen werden, da die UVP gerade als unselbstständiger Teil eines Verwaltungsverfahrens ausgestaltet ist, 632 für welchen sich die umfassenden Problemstellungen einer eigenständigen Planungsstruktur gerade nicht stellen. Für den Fall, dass Richtlinien als Zielvorgabe den Mitgliedsstaaten lediglich die Etablierung eines Planungssystems aufgeben, kommt somit der Fall einer Erstplanungspflicht aufgrund unmittelbarer Anwendbarkeit eben jener Richtlinien im Ergebnis nicht in Betracht. Die andere Konstellation einer europarechtlich verbindlich aufgegebenen Planung erweist sich demgegenüber hinsichtlich des mitgliedsstaatlichen Gestaltungsspielraums als unproblematischer, da regelmäßig eine klare Planungszielvorgabe und die jeweils maßgebenden Belange und Wertungen in den Richtlinien abschließend aufgeführt sind. Als Praxisbeispiel kann diesbezüglich auf Art. 3 RL 92/ 43/EWG (FFH-Richtlinie) verwiesen werden, der die Mitgliedsstaaten zur Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete mit dem Titel „Natura 2000“, unter Einschluss der nach RL 79/409/ EWG (Vogelschutzrichtlinie) ausgewiesenen Schutzgebiete, verpflichtet. 633 Die Vorgaben der Richtlinien können für solche Fälle somit als „Planungspflichtverpflichtung“ der Mitgliedsstaaten bezeichnet werden, da die Mitgliedsstaaten
631 632 633
Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 76; Streinz, EuropaR, Rn. 451. § 2 I S. 1 UVPG; vergleiche dazu: Kloepfer, UmweltR, § 5, Rn. 328 ff. Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1126.
340
3. Kap.: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten
zur Normierung einer Planungspflicht für bestimmte Konstellationen angehalten werden. Allerdings führen auch diese Konstellationen nicht zu einer Planungspflicht auf Grundlage der unmittelbaren Anwendbarkeit der europäischen Richtlinie. Für den Fall, dass die Umsetzung unterbleibt, kommt zwar im Einzelfall eine unmittelbare Anwendbarkeit der betreffenden Richtlinie in Betracht. Indes ist deren Wirkung für diese Fälle nicht auf eine Planungspflicht als dem Richtlinienziel vorgelagerte Maßnahme gerichtet; vielmehr wird faktisch direkt das Planungsergebnis als solches annähernd bewirkt. Vor dem Hintergrund des „effet utile“ ist europarechtlich für derartige Konstellationen nicht die erneut mitwirkungsbedürftige Planungspflicht, sondern der Planungserfolg als Planungsziel der Anknüpfungspunkt für die unmittelbare Wirkung von Richtlinien. Die unmittelbare Anwendbarkeit richtet sich demnach direkt auf die Sicherung und den Schutz der gemeinschaftsrechtlichen Ziele in den potentiell zu beplanenden Gebieten. Besonders deutlich wird dieser Effekt am Beispiel der Vogelschutzrichtlinie. Die unterbliebene Umsetzung der genannten Richtlinien führt nach herrschender Meinung 634 zur Anerkennung von „faktischen Vogelschutzgebieten“ 635, die den gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Schutzstatus der eigentlich als Schutzgebiete auszuweisenden Flächen bewirken sollen. Zumindest vergleichbar, wenn auch nicht identisch, stellt sich die Rechtslage bei der vierjährig verspäteten 636 Umsetzung der FFH-Richtline bzw. der Rechtsfigur der „potentiellen FFH-Gebiete“ 637 dar. 638 Zwar scheidet nach herrschender Meinung aufgrund Art. 4 V FFH-RL bzw. der Bedingung eines Vorbehalts der Ausweisung durch die Kommission eine unmittelbare Anwendbarkeit der entsprechenden Richtlinienvorschriften aus, so dass keine „faktischen FFH-Gebiete“ anzuerkennen seien. 639 Der FFH-Richtlinie komme indes in Anlehnung an die Rechtsfigur der vorwirkenden Treuepflichten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine „Vorwirkung“ dergestalt zu, dass sog. „potentielle 634 Gassner, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, § 32 BNatSchG, Rn. 7 f. u. § 34 BNatSchG, Rn. 5; Marzik/Wilrich, § 33 BNatSchG, Rn. 23 ff.; Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 186 ff.; kritisch dazu: Wahl, in: FS Blümel, 617, 640 ff.; Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1129. 635 Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 190. 636 Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 162. 637 Dazu: Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 191 ff.; der Begriff der „potentiellen FFHGebiete“ wird in Abgrenzung zu den „faktischen FFH-Gebieten“ gewählt, welcher in der Darstellung von Faßbender (NVwZ 2005, 1122, 1129 f.) Verwendung findet und dort in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH abgelehnt wird. 638 Dies formuliert Durner (Konflikte räumlicher Planungen, S. 535) zutreffend: „Insgesamt kommt damit die deutsche Rechtsprechung zu den „potentiellen FFH-Gebieten“ der Figur der „faktischen Vogelschutzgebiete“ zumindest im Ergebnis sehr nahe.“
K. Pflicht zur Umsetzung von europarechtlichen Planungsrichtlinien
341
FFH-Gebiete“ einem Beeinträchtigungsverbot unterliegen könnten oder sogar an den Vorgaben der Art. 6 III, IV FFH-RL zu messen seien könnten. 640 So komme das Schutzregime des Art. 6 II–IV RL 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) vorwirkend oftmals für die Gebiete prioritärer Arten oder Lebensräume zur Anwendung, welche nach den Vorgaben der Richtlinie automatisch in die Gemeinschaftsliste übernommen werden, ohne dass eine Auswahlentscheidung der Kommission zu durchlaufen ist. 641 Auch im Anwendungsbereich der FFH-RL wird somit, wenn auch in abgeschwächter Form, ein vorläufiger Planungserfolg substituiert. Wird eine Richtlinie, die direkt den Planungserfolg als umzusetzende Zielsetzung beinhaltet, defizitär oder nicht umgesetzt, führt also die Rechtsfigur der unmittelbaren Anwendbarkeit bzw. die „Vorwirkung“ einer europarechtlichen Richtlinie demnach nicht zu einer Planungspflicht, sondern zu einem vorläufigen Planungssurrogat, da dieses die eigentlich „geschuldete“ Umsetzungsleistung der Richtlinie darstellt. Zusammenfassend steht danach fest, dass keine europarechtlich begründeten Erstplanungspflichten aus der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien in Betracht kommen können, da entweder die in Betracht kommenden Richtlinien normstrukturell den Anforderungen an diese Rechtsfigur nicht hinreichend genügen oder aber sogleich die Ebene der Planungspflicht durch direkte Fokussierung auf ein Planungsergebnis „übersprungen“ wird.
639
Rojahn, in: Mitschang, Umweltprüfverfahren, 121, 122; Wagner/Emmer, NVwZ 2006, 422, 422; Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 534; Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 191; Faßbender, NVwZ 2005, 1122, 1129 f. 640 BVerwGE 116, 254, 257 ff.; BVerwGE 110, 302, 308 f.; BVerwGE 112, 140, 156 f.; Rojahn, in: Mitschang, Umweltprüfverfahren, 121, 125 ff.; Wagner/Emmer, NVwZ 2006, 422, 422 f.; Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 192 ff.; Durner, Konflikte räumlicher Planungen, S. 534 f. 641 Kloepfer, UmweltR, § 11, Rn. 193; zu Einschränkungen in Folge der neusten Rechtsprechung des EuGH (NVwZ 2005, 311, 311 f.) vgl.: Faßbender, NVwZ 2005, 1129 f.; Wagner/Emmer, NVwZ 2006, 422, 422 ff.; Rojahn, in: Mitschang, Umweltprüfverfahren, 121, 129 ff.: „Mit Rücksicht auf die Urteilsgründe wird man den EuGH aber wohl dahin verstehen müssen, dass er die Auffassung des 4. Senats, Vorhaben in Gebieten von prioritärer Bedeutung seien wegen des Automatismus des Anhangs III Phase 2 Nr. 1 der Richtlinie dem strengeren Regime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu unterwerfen, nicht teilt. Die Auffassung [ . . . ] kann deshalb wohl in dieser strikten und generalisierten Form nicht aufrechterhalten werden.“
4. Kapitel
Zusammenfassung in Thesen Im Folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchung knapp thesenartig zusammengefasst:
I. Kapitel 1: Begriff und Struktur von Erstplanungspflichten 1. In der wissenschaftlichen Debatte um eine Definition des Planungsbegriffs sowie zur Kategorisierung und Typisierung von Planung besteht hinsichtlich des für die Thematik der Erstplanungspflichten wesentlichen Merkmals – der Betonung von Planung als schöpferischem Gestaltungsakt in komplexen Interessengeflechten – Einigkeit. 2. Hinsichtlich des entscheidenden Wesensmerkmals der Planung wird dieser Untersuchung der Begriff des „planerischen Gestaltungsspielraums“ bzw. der „planerischen Gestaltungsfreiheit“ aus Zweckmäßigkeitserwägungen zugunsten des konkreten Untersuchungsgegenstands zugrunde gelegt, ohne dass die alternativ in Betracht kommende Begrifflichkeit des „Planungsermessens“ prinzipiell abgelehnt wird. 3. Innerhalb der Planungspflichten vollzieht sich die Abgrenzung von Erstplanungspflichten gegenüber bloßen Änderungspflichten strikt formal nach der planerischen Ausgangssituation, so dass eine Erstplanungspflicht anzunehmen ist, wenn bislang für das in Frage stehende Planungsobjekt keine rechtsverbindlichen Planungen bestehen, während Änderungspflichten eine Ausgangssituation der Modifizierung bereits bestehender und wirksamer Pläne betreffen. 4. Die generell-abstrakte Vereinbarkeit von Planungspflichten mit Art. 28 II GG ist zu bejahen; eventuelle Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit konkreter Planungspflichten sind indes im jeweiligen Einzelfall beachtlich. 5. Eine strikte Unterscheidung der Begriffe „Planungspflicht“ und „Planungserfordernis“ beruht auf der überholten Vorstellung einer Trennung von Bauleitplanungsrecht und Vorhabenzulassungsrecht. Sie ist aufgrund zahlreicher Wechselbezüge und Interdependenzen innerhalb der einheitlichen Gesamtmaterie „Öffentliches Baurecht“ aufzugeben. Stattdessen soll ein Systematisierungsansatz
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entwickelt werden, welcher die tatsächliche Wirkstruktur der jeweiligen Rechtsfiguren als Anknüpfungspunkt wählt. 6. Als Ansatz für einen Neuausrichtung des Verständnisses von Planungspflicht und Planungserfordernis wird an die Gemeinsamkeiten beider Rechtsfiguren in ihren planerischen Auswirkungen angeknüpft. Danach stellen sich beide Konstellationen für den jeweiligen Planungsträger als tatsächliche Verpflichtung zur Bauleitplanung dar: Im Fall der Planungspflichten ist dies unmittelbarer Kern der normativen Aussage. Doch auch durch das Planungserfordernis wird der Planungsträger faktisch-mittelbar aufgrund der Unzulässigkeit des Vorhabens darauf verwiesen, einen Bebauungsplan aufzustellen, falls er dass beabsichtigte Vorhaben dennoch realisiert wissen möchte. Aufgrund dieser Übereinstimmung in der Wirkweise liegt es nahe, die Fallgruppen des Planungserfordernisses nicht als begrifflichen Gegensatz zu verstehen, sondern stattdessen als „faktische Planungspflicht“ und damit als Unterfall der Erstplanungspflichten einzuordnen. 7. Zur Systematisierung und Ausdifferenzierung innerhalb dieses einheitlichen Verständnisses als Erstplanungspflichten wird im Folgenden eine begriffliche Unterscheidung von objektiv determinierten und subjektiv determinierten Erstplanungspflichten zugrunde gelegt, da diese Begrifflichkeit gegenüber alternativ in Betracht gezogenen Varianten eine vorzugswürdige Bestimmtheit in inhaltlichmaterieller Hinsicht aufweist. 8. Eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht ist danach gegeben, wenn sich die Pflichtigkeit des Planungsträgers aus objektiven Kriterien ohne maßgebliche Einflussmöglichkeiten des Planungsträgers ergibt und die jeweilige Erstplanungspflicht zudem selbstständig durchsetzbar ist. 9. Demgegenüber besteht eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht, wenn es sich um eine lediglich „faktisch-mittelbare Erstplanungspflicht“ dergestalt handelt, dass dem Planungsträger für Entstehen und Bestand der positiven, konkreten Pflicht eine entscheidende Einflussmöglichkeit zukommt, so dass dieser letztlich durch sein subjektives Verhalten und seine subjektiven Vorstellungen die Pflicht herbeiführt und folglich ihre Durchsetzbarkeit gegen den Willen des Planungsträgers tatsächlich ausscheidet. 10. Als rechtlichen Maßstab zur Bestimmung einer Erstplanungspflicht ist auf die Rechtsfigur der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht zurückzugreifen. Ausgehend von der maßgeblichen Fragestellung, unter welchen Bedingungen sich die einem Planungsträger eingeräumte Gestaltungsbefugnis zu einer strikten Gestaltungspflicht wandelt, bietet diese Rechtsfigur einen handhabbaren Maßstab zur Bestimmung von objektiv determinierten Erstplanungspflichten mittels eines Rückgriffs auf die Abwägungsfehlerlehre. Danach liegt eine Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur strikten Planungspflicht vor, wenn sich jede Entscheidung des Planungsträgers zur Nichtplanung als abwägungsfehlerhaft darstellen würde.
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11. Eine derartige Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums ist für objektiv determinierte Erstplanungspflichten in zwei Ausgestaltungen denkbar: Zum einen verdichtet sich der grundsätzlich als Planungscharakteristikum umfassend gewährleistete Gestaltungsspielraum, wenn aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung Pläne generell aufzustellen sind. Zum anderen kann sich eine solche Verdichtung indes auch als Ergebnis einer konkreten Sach- oder Rechtslage ergeben, wenn (zumeist normsystematisch höherrangige) Belange oder Interessen im betreffenden Einzelfall dazu führen, dass jede Entscheidung zugunsten einer sog. „Null-Variante der Planung“ sich als abwägungsfehlerhaft und damit rechtswidrig darstellen würde. 12. Parallel zur Begründung einer Erstplanungspflicht auf Grundlage der Rechtsfigur einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur strikten Planungspflicht lässt sich auf dieser Grundlage auch das Planungsverbot als gegenteiliges Extrem innerhalb des Planungsrechts begründen. Danach stellen sich Fallgruppen des Planungsverbots als fehlende Eröffnung eines planerischen Gestaltungsspielraums dar, weil jede positive Entscheidung zur Planung durch den Planungsträger ihrerseits abwägungsfehlerhaft und damit rechtswidrig wäre. Das Planungsverbot fungiert insoweit also als Negativverdichtung gegenüber der Planungspflicht als Positivverdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums. 13. Aus einem kursorischen Überblick über planungsspezifisch besonders relevante Belange, die geeignet erscheinen, eine objektiv determinierte Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht nach sich zu ziehen, ergibt sich, dass eine solche Wirkung lediglich ausnahmsweise gegeben sein wird. Typischerweise wird diese nur gesteigert verfassungsrechtlich fundierten Belangen zukommen. 14. Da normative Gestaltungsspielräume nicht nur für den Sachbereich der Planung anerkannt sind, war eine vergleichende Untersuchung durchzuführen, inwieweit auch hinsichtlich anderer staatlicher Tätigkeitsformen eine Übertragung des Differenzierungsansatzes möglich ist. An einer generellen Vergleichbarkeit bestehen für die Ebenen der Gesetz-, Verordnungs- und Satzungsgebung keine grundsätzlichen Zweifel. Für das herkömmliche Verwaltungsermessen in seinem Verständnis als Rechtsfolgeermessen wird indes wegen der grundlegend unterschiedlichen Programmierungsstruktur der jeweiligen Gestaltungsspielräume von einer Übertragung abgesehen. 15. Objektiv determinierte Pflichten können für die genannten Ebenen festgestellt werden: Als derartige Gesetzgebungspflichten kommen nach den inhaltlichen Kategorien Meßerschmidts vor allem die drei Sachbereiche der objektiv determinierten Verdichtung aufgrund von Demokratiedefiziten, aufgrund von Repräsentationsdefiziten und aufgrund von grundrechtlichen Schutzpflichten in Betracht, wobei den ersten beiden Kategorien aus der Perspektive des Planungsrechts mangels Übertragbarkeit keine gesteigerte Relevanz zukommt. Anders stellt sich die
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Situation diesbezüglich für die Kategorie der grundrechtlichen Schutzpflichten dar, welche aufgrund der umfassenden verfassungsrechtlichen Bindungswirkung auch als Maßstab für Verdichtungen planerischer Gestaltungsspielräume vergleichsrelevant sein können. Auch für den Bereich der Rechtsverordnungs- oder Satzungsgebung können objektiv determinierte Pflichten in Betracht kommen, was bereits durch die partielle Handlungsformidentität zu vielen Planungen zu belegen ist. Jedoch erweisen sich auch für diesen Bereich aus planungsrechtlicher Perspektive allein die grundrechtlichen Schutzpflichten als vergleichsrelevante determinierende Belange. 16. Auch subjektiv determinierte Pflichten lassen sich bei Übertragung des planungsrechtlichen Differenzierungsansatzes für die jeweiligen Normgebungsbereiche feststellen: Subjektiv determinierte Pflichten zur Verordnungs- oder Satzungsgebung kommen dabei vor allem für die Tätigkeitsfelder kommunaler oder funktionaler Selbstverwaltung in Betracht. Für den Gesetzgeber lassen sich aus der Wesentlichkeitstheorie in Verbindung mit dem Gesetzes- oder Parlamentsvorbehalt ebenfalls subjektiv determinierte Pflichten zur Gesetzgebung ableiten. 17. Als Ergebnis der vergleichenden Übertragung ergibt sich, dass eine planungsrechtsspezifische Einzigartigkeit der systematisierenden Unterscheidung von objektiv und subjektiv determinierten Pflichten nicht angenommen werden kann. Vielmehr ist eine Analyse derartiger Determinationsstrukturen auch für andere normative Gestaltungsspielräume möglich; offen bleibt indes, inwieweit sich eine mögliche Übertragung in gleicher Weise als gewinnbringend erweisen kann.
II. Kapitel 2: Subjektiv determinierte Erstplanungspflichten 18. Als erste subjektiv determinierte Erstplanungspflicht wird eine solche im Anwendungsbereich des § 35 BauGB für die Fälle des Planungserfordernisses dargestellt. Diesbezüglich ist vorab in einem verwaltungswissenschaftlichen Exkurs die normstrukturelle Ausgangssituation zu analysieren, wonach sich § 35 BauGB als klassisch konditional programmiertes Zulassungsregime darstellt. Indes erfährt dieses durch die Rechtsfigur des Planungserfordernisses als öffentlichem Belang im Sinne des § 35 III BauGB eine Öffnung zugunsten der Berücksichtigung finaler Programmierungsstrukturen, so dass das Planungserfordernis isoliert verwaltungswissenschaftlich als sog. „Programmverbindung“ zu kennzeichnen ist. 19. Eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 35 II BauGB kommt in Betracht, wenn einem nichtprivilegierten Vorhaben ein Planungsvorbehalt entgegensteht. Ein solcher Vorbehalt ist in Gestalt des Planungserfordernisses nach zutreffender Auffassung anzunehmen, wenn aufgrund des Bedürfnisses planerischer Binnen- oder Außenkoordination eine Vorhabensverwirklichung auf
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Grundlage des § 35 II BauGB ausscheidet. In dieser Situation wird die jeweilige Vorhabensgemeinde durch die bebauungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens bei (fort-)bestehendem Realisierungswillen faktisch zur ermöglichenden Bauleitplanung gezwungen. 20. Gleiches gilt für die privilegierten Vorhaben nach § 35 I BauGB: Auch diesen kann nach zutreffender Ansicht im Einzelfall ein Planungserfordernis aufgrund notwendiger Binnen- oder Außenkoordination entgegengehalten werden. Die höhere Hürde der erforderlichen „Beeinträchtigung“ öffentlicher Belange nach § 35 I BauGB trägt dem Privilegierungscharakter als gesteigerte Anforderung an ein Planungserfordernis für privilegierte Vorhaben angemessen und ausreichend Rechnung. Strukturelle Unterschiede sind indes gegenüber nichtprivilegierten Vorhaben nicht anzuerkennen; insoweit handelt es sich um eine einheitliche Rechtsfigur. In gleicher Weise bewirkt ein solches Planungserfordernis im Anwendungsbereich der privilegierten Vorhaben nach § 35 I BauGB eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht. 21. Die normative Binnenstruktur der Rechtsfigur des Planungserfordernisses als Vorbehalt zugunsten vorausgehender Planung ist auf die planerische Bewältigung durch einen Bebauungsplan als „Erfüllung“ ausgerichtet und stellt sich deshalb als subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans dar. Dennoch besteht in Ausnahmefällen die Möglichkeit, dass ein bestehendes Planungserfordernis in Folge raumordnungsrechtlicher Festsetzungen gem. § 35 III S. 2 2. HS BauGB unbeachtlich wird, so dass praktisch auch eine raumplanerische Abwägung dem Planungsvorbehalt entgegenstehen kann. 22. Eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht für den unbeplanten Innenbereich gem. § 34 I BauGB kann nach zutreffender Ansicht nicht durch eine Übertragung der Rechtsfigur des Planungserfordernisses konstruiert werden, da die gesetzliche Konzeption einen Rückgriff auf „öffentliche Belange“ jenseits des Einfügens-Erfordernisses sperrt. Gleiches gilt für den Anwendungsbereich des § 34 II BauGB. 23. Anknüpfungspunkt für eine solche Erstplanungspflicht kann jedoch im Einzelfall § 34 III BauGB sein, welcher bei „schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche“ die Unzulässigkeit des konkreten Vorhabens nach sich zieht und den jeweiligen Planungsträger folglich faktisch zur vorhabensermöglichenden Bauleitplanung anzuhalten vermag. „Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche“ sind dabei nach vorzugswürdiger Ansicht unter Rückgriff auf die sog. „Krabbenkamp-Formel“ anzunehmen, wenn „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ zu prognostizieren sind. 24. Auch für die Fälle des § 34 IV BauGB kann sich eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht ergeben: Nach allgemeiner Auffassung kann einer Steuerung durch Innenbereichssatzungen ein Planungserfordernis entgegengehal-
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ten werden, wenn für das konkrete Satzungsgebiet allein die Aufstellung eines Bebauungsplans eine angemessene Regelungs- und Steuerungswirkung zu gewährleisten vermag und die reine „Ergänzungsfunktion“ der Innenbereichssatzungen überschritten würde. Diese Unzulässigkeit der Steuerung durch Innenbereichssatzungen bewirkt „faktisch“ ebenfalls eine Pflicht der Gemeinden zur Aufstellung eines Bebauungsplans. 25. Als erste subjektiv determinierte Erstplanungspflicht, die nicht dem Bereich des Vorhabenzulassungsrechts entstammt, ist § 1 III S. 1 BauGB hinsichtlich der Pflicht zur Aufstellung von Bebauungsplänen zu nennen. Nach dieser Norm ist die jeweilige Gemeinde zur Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichtet, wenn ein solcher „nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich ist“. Maßgebend für die generelle Pflichtigkeit ist somit allein die Planungskonzeption des Planungsträgers, so dass allein jener über den Bestand der konkreten Pflicht durch Änderung der jeweiligen Konzeption disponieren kann und diese Erstplanungspflicht mithin nicht durchsetzbar ist. Aus § 1 III S. 1 BauGB ergibt sich indes keine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans. Der Flächennutzungsplan ist selbst unmittelbare Manifestation der planerischen Konzeption der Gemeinde, so dass eine diesbezügliche Planungspflicht nicht ihrerseits von deren Konzeption abhängig sein sollte. Vielmehr liegt mangels subjektiven „Mittlers“ die Annahme einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans aus dieser Norm näher. 26. Eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Flächennutzungsplanaufstellung resultiert indes aus § 8 II S. 1 BauGB. Nach diesem sog. Entwicklungsgebot ist der jeweilige Planungsträger grundsätzlich dazu angehalten, Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln, so dass eine Gemeinde, die aufgrund ihrer planerischen Konzeption einen Bebauungsplan aufzustellen gedenkt, zugleich in den meisten Fällen (Ausnahmen: § 8 II S. 2, IV BauGB) indirekt-faktisch zur Flächennutzungsplanung gezwungen wird. 27. Keine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans folgte aus § 5 I S. 3 BauGB a. F.. Die durch diese Vorschrift normierte Überprüfungsverpflichtung zog keine selbstständige Planungspflicht nach sich, sondern verwies diesbezüglich auf die allgemeine Pflichtigkeit. 28. Auch § 166 I S. 2 BauGB kann eine subjektiv determinierte Erstplanungspflicht nach sich ziehen: Danach sind die Gemeinden nach Erlass einer Entwicklungssatzung (§ 165 III BauGB) zur unverzüglichen Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichtet. Die Bedingung der vorherigen, allein dem „Planungsermessen“ der Gemeinde überlassenen Aufstellung einer Entwicklungssatzung begründet den subjektiven Determinationsfaktor der Pflicht im Sinne des § 166 I S. 2 BauGB, da der Eintritt der Pflicht allein vom planerischem Willen des entwicklungssatzungsaufstellenden Planungsträgers abhängt.
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III. Kapitel 3: Objektiv determinierte Erstplanungspflichten 29. Für die Planungsebene des Raumordnungsrechts besteht bislang rahmenrechtlich bereits eine verbindliche Vorgabe an die Länder, dass diese Landesoder Regionalpläne aufzustellen haben, obwohl rechtstechnisch die eigentliche Pflichtigkeit des konkreten Planungsträgers erst aus den jeweiligen Landesplanungsgesetzen folgt. Dennoch soll im Rahmen dieser Arbeit für den materiellen Pflichtgehalt einer uneingeschränkten, objektiv determinierten Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Landesplänen auf § 8 I S. 1 ROG als materiell abschließender Vorgabe abgestellt werden. Ebenso kann materiell eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Regionalplänen durch § 9 I S. 1 ROG vermittelt sein, wenn in oder zwischen den jeweiligen Bundesländern Verflechtungsbereiche mehrerer Oberzentren im Sinne des Zentrale-Orte-Konzepts bestehen. Beide Pflichtsituationen sind maßgeblich durch objektiv-rechtliche Vorgaben bedingt, welche für die Frage nach dem „Ob“ der Planung keinen entscheidenden Raum für subjektive Planungsvorstellungen der Planungsträger lassen, so dass es sich um objektiv determinierte Erstplanungspflichten handelt. 30. Eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans ergibt sich aus § 5 I S. 1 BauGB i. V. m. § 1 III S. 1 BauGB: § 5 I S. 1 BauGB fungiert dabei als generalisierte Festschreibung der „Erforderlichkeit“ einer Planaufstellung im Sinne des § 1 III S. 1 BauGB. Damit tritt neben die bereits genannte subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 8 II S. 1 BauGB im Regelfall eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht, welche lediglich ausnahmsweise entfällt, wenn gem. § 8 II S. 2 BauGB die Aufstellung eines Flächennutzungsplans nicht erforderlich ist. 31. Keine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Bauleitplanung folgt aus § 4c BauGB. Zum einen liegt Sachlagen, die ein „Monitoring“ nach sich ziehen, regelmäßig bereits ein Bauleitplan zugrunde, so dass es sich kaum um eine Erstplanungspflicht handeln wird. Zum anderen ist Zweck der Überwachungsmaßnahmen des § 4c BauGB die Gewinnung von Daten und Erkenntnissen, welche sodann eine anderweitig begründete Planungspflicht (v. a. aus § 1 III S. 1 BauGB) nach sich zu ziehen vermögen; diese sind indes nicht Regelungsgegenstand der Vorschrift des § 4c BauGB. 32. Aus § 1 III S. 1 BauGB kann sich nach zutreffender Ansicht auch eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans ergeben. Die „Erforderlichkeit“ der Bauleitplanung wird in diesen Fällen nicht subjektiv nach Maßgabe der planerischen Konzeption der Gemeinde beurteilt (so die Grundlage für die subjektiv determinierte Erstplanungspflicht aus dieser Norm), sondern allein anhand von objektiven Kriterien ermittelt, welche den planerischen Gestaltungsspielraum objektiv zur strikten Planungspflicht verdichten müssen.
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33. Als Maßstab zur Bestimmung einer solchen Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht ist nach vorzugswürdiger Auffassung – übereinstimmend mit der „Mülheim-Kärlich-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts – eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht anzunehmen, wenn „qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht“ eine Planung zwingend erfordern. Eine Konkretisierung erfährt dieser allgemeine Maßstab vor allem durch drei Fallgruppen: So sollen „qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht“ in Betracht kommen, wenn städtebauliche Missstände oder Fehlentwicklungen bereits eingetreten sind oder in naher Zukunft einzutreten drohen, wobei zu deren Bestimmung eine Orientierung an § 136 II S. 2 BauGB unter besonderer Berücksichtung der in § 136 III BauGB genannten Belange erfolgen kann. Ferner kommt § 2 II S. 1 BauGB gesteigerte Bedeutung als verdichtendem Belang zu, da eine drohende Umgehung der interkommunalen Abstimmung in Verbindung mit einer qualifizierten materiellen Konfliktlage teleologisch die Verpflichtung der Gemeinde zur Planung und damit zu abstimmungspflichtigem Handeln, nach sich ziehen kann. Als dritte typische Fallgruppe wird eine pflichtbegründende Verdichtung angenommen, wenn eine „Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren dringend“ erforderlich ist, da die Zulassungspraxis auf Grundlage der §§ 34 f. BauGB städtebauliche Konflikte auszulösen droht. 34. Eine bedeutende, objektiv determinierte Erstplanungspflicht ergibt sich nach zutreffender herrschender Meinung aus § 1 IV BauGB. Danach kann die Anpassungsverpflichtung an die Ziele der Raumordnung im Einzelfall ausnahmsweise neben der Beachtung bei Aufstellung neuer Bauleitpläne und der Verpflichtung zur Modifizierung bestehender Pläne auch eine Verpflichtung der jeweiligen Planungsträger zur erstmaligen Aufstellung eines Bauleitplans umfassen. Teleologisch rechtfertigt sich eine solche Erstplanungspflicht aus dem Gedanken der Sicherung umfassender materieller Plankonkordanz zwischen den jeweiligen Planungsebenen. Eine Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB ist demnach gegeben, wenn „die Verwirklichung der Raumordnungsziele bei Fortschreiten der „planlosen“ städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare (tatsächliche oder rechtliche) Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde“. Da insoweit allein die Planungsvorgaben der überörtlichen Planungsträger maßgebend sind, handelt es sich für die betroffenen Gemeinden um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht. Diese Erstplanungspflicht steht zu einer solchen aus § 1 III S. 1 BauGB zudem in keinem Konkurrenzverhältnis, so dass die beiden Erstplanungspflichten nebeneinander gegeben sein können.
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35. Konkreter Auslöser einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB kann lediglich eine raumordnerische Festsetzung sein, die den Anforderungen an den allgemeinen raumordnungsrechtlichen Zielbegriff gem. § 3 Nr. 2 ROG genügt. Die Zielqualität ist speziell unter dem Gesichtspunkt der Erstplanungspflichtrelevanz für zwei verbreitete Festsetzungsformen problematisch: Festsetzungen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ und sog. „Soll-Ziele“. Die raumordnerischen Aussagen mit „Regel-Ausnahme-Struktur“ sind dabei als Ziele der Raumordnung und damit zugleich als Grundlage für eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht nach § 1 IV BauGB einzuordnen, wenn sowohl die Regel- als auch die Ausnahmebedingungen ihrerseits aus der Sicht des Zieladressaten hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar ausgestaltet wurden, so dass es diesbezüglich keiner eigenen planerischen Entscheidung des Bauleitplanungsträgers bedarf. Den Anforderungen des raumordnungsrechtlichen Zielbegriffs genügen indes die sog. „Soll-Ziele“ nach vorzugswürdiger Rechtsauffassung nicht. Diesen Ausweisungen kommt weder die für ein Ziel der Raumordnung erforderliche Bestimmbarkeit zu, noch handelt es sich um eine landesplanerische Letztabwägungsentscheidung. Folglich scheiden objektiv determinierte Erstplanungspflichten aus § 1 IV BauGB auf der Grundlage dieser raumordnerischen Planaussagen aus. 36. Des weiteren ist die für die Praxis der Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB besonders relevante Zielqualität der einzelnen planerischen Ausgestaltungen des Zentrale-Orte-Konzepts differenziert zu beurteilen. Das Beeinträchtigungsverbot kann nach zutreffender Ansicht, auch in strikter Form und mit absolutem Geltungsanspruch ausgestaltet, materiell ein Ziel der Raumordnung sein und damit als Grundlage einer objektiv determinierten Erstplanungspflicht aus § 1 IV BauGB in Betracht kommen. Demgegenüber kommt in dieser strikten bzw. absoluten Form den raumordnerischen Festlegungen im Sinne eines Kongruenzgebots und eines Integrationsgebots nach der vorliegend vertretenen Rechtsauffassung aufgrund raumordnungssystematischer und verfassungsrechtlicher Hindernisse generell keine Zielqualität zu. Ausnahmsweise kann jedoch im Einzelfall als Frage der konkreten Ausgestaltung auch diesbezüglich eine Zielqualität in Betracht kommen, wenn durch eine „Regel-Ausnahme-Struktur“ oder eine starke Beschränkung auf spezielle Erscheinungsformen des Einzelhandels in spezifischer Weise der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen wird. 37. Auch aus § 188 I BauGB kann eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht resultieren. Falls eine beabsichtigte Flurbereinigung die erstmalige Aufstellung eines Bauleitplans erfordert, da Auswirkungen der Flurbereinigung auf die bauliche Entwicklung des Gemeindegebiets zu erwarten sind, ist die betroffene Gemeinde nach § 188 I BauGB zur Bauleitplanung verpflichtet. Es handelt sich
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um eine objektiv determinierte Pflicht, da die Flurbereinigung als lediglich behördlich geleitetes Verfahren nicht gemeindliche Aufgabe ist und die für die Pflicht entscheidende Anordnung durch die obere Flurbereinigungsbehörde erfolgt, so dass der Eintritt der jeweiligen Pflichtigkeit nicht maßgeblich von subjektiven Vorstellungen des Pflichtigen abhängt. 38. Speziell für das Bundesland Berlin kann sich eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht aus § 247 III S. 2, IV BauGB ergeben, wenn anlässlich eines Dissens im Gemeinsamen Ausschuss (§ 247 II BauGB) die einseitige Feststellung der Erfordernisse eines Verfassungsorgans die Aufstellung eines Bauleitplans gebietet. 39. Ein breiter Anwendungsbereich für objektiv determinierte Erstplanungspflichten ist im Bereich des Umweltrechts eröffnet. Für den Planungssektor der Landschaftsplanung ergeben sich bislang aus den die Rahmenvorschriften der §§ 15 I S. 1, 16 I S. 1 BNatSchG umsetzenden Landesgesetzen unbedingte und damit objektiv determinierte Erstplanungspflichten zur Aufstellung von überörtlichen und örtlichen Landschaftsplänen. 40. Eine weitere einschränkungslos bestehende Erstplanungspflicht folgt aus § 29 I S. 1, IX KrW-/AbfG, welcher die Länder strikt zur Aufstellung von Abfallwirtschaftsplänen verpflichtet, so dass diesbezüglich eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht besteht. 41. Wasserrechtliche Erstplanungspflichten bestehen hinsichtlich der jeweils obligatorischen Verpflichtung der Länder zur Aufstellung von Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen. Diese bislang aus der landesgesetzlichen Umsetzung rahmenrechtlicher Vorhaben der §§ 36, 36b WHG resultierenden Pflichten gelten generell-unbedingt und sind deshalb als objektiv determinierte Erstplanungspflichten einzuordnen. 42. Auch im Tätigkeitsfeld der Luftreinhaltplanung sind drei Fälle objektiv determinierter Erstplanungspflichten anzuerkennen. Nach § 47 I BImSchG haben die Planungsträger zwingend für den Fall der Überschreitung europarechtlich normierter Grenzwerte Luftreinhaltepläne aufzustellen. Eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Luftreinhalteplänen kann sich zudem jenseits dieser Fälle europarechtlich vorgegebener Grenzwertüberschreitungen aus § 47 III S. 1 BImSchG ergeben, wenn ausnahmsweise nach allgemeinen Grundsätzen des Planungsrechts eine Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur strikten Planungspflicht greift. Des Weiteren kann nach § 47 II S. 1 BImSchG eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Aktionsplänen aus der Gefahr von Grenzwertüberschreitungen oder aus der lokalen Überschreitung von Alarmschwellen resultieren.
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43. Im Bereich der Lärmminderungsplanung ist eine Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen aus § 47d I BImSchG anzuerkennen. Jenseits des europarechtlich vorgegebenen Zeitrahmens bestehen keine weiteren Umsetzungsspielräume der Planungsträger, so dass es sich um eine objektiv determinierte Erstplanungspflicht handelt. Demgegenüber besteht keine Erstplanungspflicht zur Aufstellung von Lärmkarten nach § 47c I BImSchG, da es sich dabei nicht um materielle Planung im Sinne des Planungsverständnisses dieser Untersuchung handelt. 44. Für den umweltrechtlichen Regelfall der Schutzgebietsausweisungen besteht die Möglichkeit objektiv determinierter Erstplanungspflichten nach den allgemeinen Grundsätzen, also wenn ausnahmsweise eine Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht anzunehmen ist. Einen Sonderfall stellen insoweit die Schutzgebietsausweisungen nach §§ 32 f. BNatSchG betreffend das europäische Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ dar: Durch detaillierte inhaltliche Planungsvorgaben, welche den planerischen Gestaltungsspielraum der Länder erheblich einschränken, ist für geeignete Gebiete regelmäßig eine spezielle, objektiv determinierte Meldepflicht anzunehmen. 45. Auch für die Handlungsform der fachplanungsrechtlichen Planfeststellungsbeschlüsse besteht die theoretische Möglichkeit von objektiv determinierten Erstplanungspflichten auf Grundlage einer Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums. Jedoch wird in der Praxis aufgrund der parzellenscharfen Vorhabenszuweisung durch den Planfeststellungsbeschluss eine Verdichtung auf gerade einen konkreten Standort des potentiellen Planungsgebiets nur in seltensten Fällen in Betracht kommen. 46. Im landesrechtlichen Fachplanungsrecht bestehen gegenüber dem bundesrechtlichen Fachplanungsrecht keine grundsätzlichen Abweichungen. Auch diesbezüglich ergeben sich potentielle objektiv determinierte Erstplanungspflichten vorrangig im Fall der Verdichtung des planerischen Gestaltungsspielraums zur Planungspflicht im Einzelfall. 47. Das landesrechtliche Gesamtplanungsrecht weist jenseits der bereits dargestellten raumordnungsrechtlichen Planungspflichten keine weiteren Erstplanungspflichten auf. Insbesondere stellen sich die teilweise normierten sog. Planungsgebote lediglich als Durchsetzungsmaßnahmen zu bestehenden Erstplanungspflichten dar, so dass ein eigenständiger Pflichtgehalt abzulehnen ist. 48. Europarechtlich begründete Erstplanungspflichten auf Grundlage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien kommen allgemein nicht in Betracht, da entweder die maßgeblichen Richtlinien normstrukturell den Bestimmtheitsanforderungen an diese Rechtsfigur für konkrete Planungspflichten nicht hinreichend genügen, oder aber sogleich die ihrerseits erneut durchsetzungsbedürftige Ebene der Planungspflicht durch direkte Fokussierung auf das konkret geforderte Planungsergebnis „übersprungen“ wird.
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Sachwortverzeichnis Abfallwirtschaftsplanung 316 Abstimmung – interkommunale 15, 103, 117, 160 Abstimmungsbedarf – qualifizierter 91, 117, 166 Abwägung 85 – Hochzonung der 150 – planerische 25 Abwägungsabschichtungsklausel 148, 154 Abwägungsfehlerlehre 22 Abwägungspyramide 223 Abweichungsmöglichkeit 193 Aktionsplan 321 Änderungspflicht 30, 184–185 Anpassen 230 Außenbereich 74 Außenkoordination 85, 89, 109, 111–112, 127, 134, 144, 153, 228, 251 Auswirkungen – schädliche 165 Bauleitplanung – Zweistufigkeit der 179 Bebauungsplan – einfacher 146 – qualifizierter 146 – vorhabenbezogener 146 Bebauungsplanerfordernis 143 Bebauungsplanvorbehalt 170 Beeinträchtigungsverbot 275, 281 Begrenztheit konditionaler Programmierung 50, 91, 116, 146 Binnenkoordination 85, 87, 89, 109, 112, 126, 133, 145, 153
Determination – objektive 46, 58, 175, 206, 221, 254, 306, 311, 316 – subjektive 66, 174, 177, 190, 205 EAG Bau 2004 163, 184, 201, 218, 236, 250–251 Eignungsgebiet 138 Einfügen 161, 169 Einvernehmen – gemeindliches 106 Entprivilegierungsthese 123 Entwicklungsgebot 181 Entwicklungssatzung 186 Erforderlichkeitsbegriff – bebauungsrechtlicher 34 – erschließungsrechtlicher 34 – vorhabenzulassungsrechtlicher 34 Ermessen – Planungs- 23 – Verwaltungs- 23, 57, 77 Ermessensreduzierung auf Null 46 Ersatzplanung 133 Erstplanungspflicht – direkte/indirekte 42 – europarechtlich fundierte 335 – faktische 39 – objektiv determinierte 43, 195–196, 204, 230, 302, 306, 313, 316, 319, 321, 324, 326, 328, 332 – originäre/derivative 42 – subjektiv determinierte 43, 74, 122, 157, 176, 181, 184, 186 – unbedingte/bedingte 42 – unmittelbare/mittelbare 41
384
Sachwortverzeichnis
Factory-Outlet-Center 94 FFH-Gebiete – potentielle 340 Flächennutzungsplan 142, 178, 181, 196 Flurbereinigung 302 Flurbereinigungsbehörde 303 Flußgebietseinheit 318 Föderalismusreform 192, 318, 330, 333 Gegenstromprinzip 258 Gemeindetreue 243 Gemeinsamer Ausschuss 308 Gesetzesvorbehalt 68 Gesetzgebungsermessen 55 Gesetzgebungspflicht – objektiv determinierte 58 – subjektiv determinierte 68 Gestaltungsauftrag 45 Gestaltungsbefugnis 45 Gestaltungsfreiheit – gesetzgeberische 55 – planerische 22, 28, 55, 77 Gestaltungspflicht 45 Gestaltungsspielraum – gesetzgeberischer 63 – normativer 54 – planerischer 28, 226 – satzungsgebender 64 – verordnungsgebender 64 Grenzwert 320 Großkrotzenburg-Entscheidung 338 Hauptstadt 306 Immissionsschutzrecht 320 Innenbereich – unbeplanter 157, 250 Innenbereichsentwicklungsgesetz 184 Integrationsgebot 298 Interessenausgleich 57 Interessengeflecht 25, 27
Kommunalaufsicht 220 Kongruenzgebot 282, 285–286, 289, 296 Konkordanz – materielle 247 Konzeption – planerische 174, 180, 205, 216 KrabbenkampFormel 36–37, 91, 117, 166–168, 210, 226, 346, 361 Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht 316 Landesplan 138, 192 Landesplanungsrecht 330 Landesrecht – Fachplanung 330 – Gesamtplanung 332 Landschaftsplanung 313 Lärmaktionsplan 324 Lärmkarte 323 Lärmminderungsplanung 323 Lemgoer Entwurf 238 Luftqualitätsplanung 320 Luftreinhalteplan 320 Maßnahmenprogramme 319 Mindestausstattungsgarantie 287 Missstände – städtebauliche 209, 225 Monitoring 201 Mülheim-Kärlich-Entscheidung 15, 37, 45, 51, 53, 161, 177, 207, 216–219, 222, 224, 226–227, 230, 245, 249, 275, 300, 335, 349 Natura 2000 326 Normstruktur 75 Objektiv determinierte Erstplanungspflicht Siehe Erstplanungspflicht, objektiv determinierte Objektive Determination Siehe Determination Obliegenheit 41, 120
Sachwortverzeichnis Parallelverfahren 182 Parlamentsvorbehalt 69 Perspektive – steuerungstheoretische 69 Planersatz 96, 128, 132, 162 Planfeststellungsbeschluss 328 Planification 18 Planmäßigkeitsprinzip 121, 125 Planrechtfertigung 205 Planung – Definition 17 – Komplexität 26 – Typisierung 20 Planungsbedarf – qualifizierter 209 Planungsbedürfnis Siehe Planungserfordernis Planungsbegriff 18 Planungserfordernis 34, 74, 78, 81, 89, 95, 116, 122, 138, 158, 171, 251 Planungsermessen 22, 55, 190, 208 Planungsgebot 332 Planungshoheit 82, 86, 101, 116, 120, 152 Planungsverbot 48, 52, 344 Programmierung 75 – finale 24, 38, 76 – konditionale 24, 38, 57, 75 Programmverbindung 25, 38, 80–81, 114, 142, 345 Programmverschachtelung 25, 80
Rücksichtnahmegebot 104, 107, 226
Rahmengesetzgebung 192, 313 Raumordnung 138, 149, 192 Rechtslehre – strukturierende 276 Rechtsstaatsprinzip 24, 49–51, 70, 244 Regel-Ausnahme-Struktur 263, 271, 296, 300 Regionalplan 138, 192, 195 Repräsentationsdefizit 59 Richtlinien – unmittelbare Anwendbarkeit von 337
Wasserhaushaltsrecht 318 Wesentlichkeitstheorie 70
385
Sanierungsgebiete 225 Schutzgebietsausweisung 325 Schutzpflicht 52, 59, 61 Selbstverwaltung 67 – kommunale 33, 52 Soll-Ziele 264, 274 Sozialstaatsprinzip 51 Subjektiv determinierte Erstplanungspflicht Siehe Erstplanungspflicht, subjektiv determinierte Subjektive Determination Siehe Determination, subjektive Tendenz – objektiv berufsregelnde 297 Umweltrecht 312 Untermaßverbot 61–62 Verbotswirkung – gegenüber Privaten 286 Verdichtung 44, 48, 63, 66, 209, 222, 224, 227 Verfassungsorgane 307 Vogelschutzgebiete – faktische 340 Vogelschutzrichtlinie 340 Vorbehalt förmlicher Planung 74 Vorbehaltsgebiet 138 Vorranggebiet 138 Vorsorgeprinzip 53, 312, 325
Zentrale-Orte-Konzept 195, 252, 275, 282, 299 Ziele der Raumordnung 252, 254, 256 – Begriff 257, 262 Zielkern 152, 259 Zielrahmen 152, 259 Zweibrücken-Entscheidung 15, 37, 90, 92, 94, 104, 106, 112, 119, 131, 146, 167, 210