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German Pages 497 Year 2014
CLASSICA MONACENSIA
Nero und Domitian Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich Herausgegeben von Sophia Bönisch-Meyer, Lisa Cordes, Verena Schulz, Anne Wolsfeld und Martin Ziegert
Nero und Domitian
CLASSICA MONACENSIA Münchener Studien zur Klassischen Philologie Herausgegeben von Martin Hose und Claudia Wiener Band 46 · 2014
Sophia Bönisch-Meyer / Lisa Cordes Verena Schulz / Anne Wolsfeld / Martin Ziegert (Hrsg.)
Nero und Domitian Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich
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Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................................................vii
I.
Einleitung ...................................................................................................... 3
II.
Methodisch-terminologische Perspektiven 1. Martin Hose – Therese Fuhrer Repräsentation und Diskurs: Methodische Vorüberlegungen ............. 11 2. Ruurd R. Nauta Mali principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes ..... 25
III.
Archäologisch-historische Perspektiven: Darstellung und Wirkung 3. Reinhard Wolters – Martin Ziegert Umbrüche – Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich................................................................................................. 43 4. Sophia Bönisch-Meyer – Christian Witschel Das epigraphische Image des Herrschers. Entwicklung, Ausgestaltung und Rezeption der Ansprache des Kaisers in den Inschriften Neros und Domitians ................................................................................. 81 5. Anne Wolsfeld Der Kaiser im Panzer. Die bildliche Darstellung Neros und Domitians im Vergleich ........................................................................... 181 6. Alexander Heinemann Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom ............................................................................................ 217 7. Egon Flaig Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz. Überlegungen zum Nerobild beim Brand Roms .................................. 265 8. Sabine Müller Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien ............................. 283
IV.
Literarische Perspektiven: Kaiser und Tyrann 9. Carole E. Newlands Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38)? ........................................ 319 10. Lisa Cordes Preferred Readings: von Seneca zu Statius ............................................... 341 11. Knut Backhaus Der Tyrann als Topos. Nero/Domitian in der frühjüdischfrühchristlichen Wahrnehmung ............................................................. 379 12. Verena Schulz Nero und Domitian bei Cassius Dio. Zwei Tyrannen aus der Sicht des 3. Jh. n. Chr ......................................................................... 405
V.
Schlussfolgerungen: Herrscherrepräsentation in synchroner und diachroner Perspektive ................................................................... 437
Indices .................................................................................................................... 451 Stellenindex ........................................................................................................... 451 Sachindex ............................................................................................................... 470 Namensindex ........................................................................................................ 475 Ortsindex ............................................................................................................... 480 Museumsindex ...................................................................................................... 484
Vorwort Der vorliegende Band präsentiert die Ergebnisse der interdisziplinären Tagung „Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich“, die am 24. und 25. Februar 2012 an der Albert-LudwigsUniversität Freiburg stattfand. Das Konzept zu dieser Tagung ging aus dem interuniversitären altertumswissenschaftlichen Verbundprojekt „Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation“ hervor, das insgesamt vier Teilprojekte mit unterschiedlichen disziplinären Schwerpunkten umfasste. Dieses Projekt, die Tagung und der daraus entstandene Band wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, wofür wir an dieser Stelle unseren Dank aussprechen möchten. Für die inhaltliche Beratung und organisatorische Unterstützung bei diesem Band sowie die fachliche Betreuung bei Einzelfragen und die zahlreichen Anregungen bei unseren Arbeitstreffen danken wir unseren ProjektleiterInnen: Prof. Dr. Therese Fuhrer (Latinistik/München), Prof. Dr. Martin Hose (Gräzistik/München), Prof. Dr. Ralf von den Hoff (Klassische Archäologie/Freiburg) und Prof. Dr. Christian Witschel (Alte Geschichte und Epigraphik/Heidelberg). Prof. Dr. Reinhard Wolters (Numismatik/Wien) hat unsere gemeinsamen Workshops inhaltlich sehr bereichert. Von den Diskussionen über die altertumswissenschaftlichen Fachgrenzen hinaus durften unsere Arbeiten dabei stets stark profitieren. Gedankt sei zudem Anna-Lena Stock für die Erarbeitung des Stellenindexes und ihre Unterstützung bei der Überprüfung sämtlicher Indices sowie den MitarbeiterInnen des Narr-Verlags Celestina Filbrandt und Dr. Bernd Villhauer für ihre Betreuung bei der Erstellung des Bandes.
Freiburg, München, Wien, im März 2014
Die HerausgeberInnen
I. Einleitung
Einleitung Nero und Domitian: Diese beiden Principes verkörpern bis heute nicht nur in der Populärkultur die Vorstellung von einem schlechten Kaiser. Die antiken Zeugnisse zu ihrer Person und Herrschaft sind jedoch durchaus disparat. Welches Bild ergibt sich, wenn man die Herrscherrepräsentationen in den verschiedenen Medien zusammenträgt? Wie entstand die postume Darstellung dieser Kaiser als mali principes? Zur Beantwortung solcher Fragen muss man die Diskurse, die diese Herrscher umgeben, mittels einer interdisziplinären Herangehensweise untersuchen. Dies war das Ziel der Tagung „Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich“, deren Ergebnisse im vorliegenden Band präsentiert werden. Die einzelnen Untersuchungen dieses Bandes widmen sich explizit dem Vergleich des letzten julisch-claudischen und des letzten flavischen Herrschers. Da beide Principes bislang isoliert oder lediglich im Kontext ihrer eigenen Dynastien betrachtet wurden, sollen sie nun erstmals in wechselseitiger Beleuchtung interpretiert werden. Mittels dieser komparativen Herangehensweise sollen die spezifischen Profile ihrer Herrschaft sowie die Besonderheiten und Innovationen, Kontinuitäten und Brüche in ihrer Repräsentation ermittelt werden (zum Begriff der Repräsentation vgl. Hose u. Fuhrer S.12). Ziel ist es, die Herrscherdiskurse des neronischen und domitianischen Regimes nachzuzeichnen sowie die Praktiken, Formen und medialen Strategien ihrer Repräsentation zu untersuchen. Dafür werden die Darstellungen beider Kaiser in den verschiedenen Medien, d.h. in der Literatur, den Inschriften, Bildnissen und Münzen in den Blick genommen. So sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Nero und Domitian in Bezug auf ihre Herrscherrollen, mögliche Transgressionen etablierter Normen der Repräsentation und ihr jeweiliges Verhältnis zu den sozialen Gruppen im Reich herausgearbeitet werden. Der Ausgangspunkt für dieses Vorhaben ist die These, dass sich in der Repräsentation des Princeps im frühen, rechtlich schwach fundierten Prinzipat ein vielschichtiger Kommunikationsprozess zwischen dem Herrscher und den verschiedenen Gruppen des Reiches vollzieht, in dem die Grenzen und Normen der Herrscherrolle verhandelt werden können. Denn die Repräsentation des Princeps umfasst ein breites Spektrum an Erscheinungsformen, die teilweise vom Kaiser und seinem Umfeld ausgehen, teilweise aber auch als Angebote und Erwartungen an ihn herangetragen werden können. Da dieser Prozess in den verschiedenen Medien der Repräsentation greifbar wird, kann er gewinnbringend nur von allen altertumswissenschaftlichen Fächern gemeinsam untersucht werden. Dies soll durch den interdisziplinären Ansatz des vorliegenden Bandes geleistet werden. Dieser Untersuchung wenden wir uns aus diskursanalytischer Perspektive zu, um so den Versuch zu unternehmen, die Herrscherdiskurse über
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Einleitung
Nero und Domitian zu rekonstruieren. Diskursiv fassbar sind neben der Repräsentation des jeweiligen Herrschers in den unterschiedlichen Medien die vielfältigen Reaktionen der Akteure auf bestimmte Elemente dieser herrscherlichen Darstellung. Diese können wiederum seitens der Kaiser rezipiert werden und Veränderungen in der Repräsentation hervorrufen. Demnach sind die Bereiche, in denen sich Normüberschreitungen in der Repräsentation und die Zurückweisung (oder auch Akzeptanz) solcher Veränderungen durch die Akteure beobachten lassen – wie es für die mali principes des 1. Jahrhunderts der Fall ist –, von großem heuristischen Wert für die Untersuchung der kommunikativen Prozesse unter den Kaisern des frühen Prinzipats. Aus dieser Prämisse einer besonderen Signifikanz der ‚schlechten‘ Kaiser ergibt sich die Fokussierung auf Nero und Domitian im vorliegenden Band. Das Konzept des dargestellten Vorhabens entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Verbundprojektes „Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation“ unter der Leitung von Prof. Dr. Therese Fuhrer (Latinistik), Prof. Dr. Martin Hose (Gräzistik), Prof. Dr. Ralf von den Hoff (Klassische Archäologie) und Prof. Dr. Christian Witschel (Alte Geschichte und Epigraphik) sowie mit Unterstützung von Prof. Dr. Reinhard Wolters (Numismatik). Der vorliegende Band ist in drei Abschnitte gegliedert: 1. In einem einleitenden Abschnitt erläutern zunächst Martin Hose und Therese Fuhrer die hier bereits angedeuteten methodischen Grundlagen des Projekt- und Tagungskonzeptes: Sie definieren den in diesem Band verwendeten Begriff der Repräsentation und erläutern den methodischen Zugriff der Diskursanalyse. Zudem gehen sie näher auf die Kommunikationsprozesse ein, in denen die Repräsentation des Herrschers verhandelt wird. Im Anschluss befasst sich Ruurd Nauta mit der Entstehung des terminologischen Gegensatzes zwischen boni und mali principes. Dieser findet sich zuerst in Plinius’ Panegyricus, wo er ein zentrales Gestaltungsmerkmal des Textes darstellt. Dass sich die Terminologie in dieser Zeit entwickelt, führt Nauta auf das Antragen des Titels optimus an Trajan durch den Senat zurück, dem Plinius den pessimus princeps Domitian entgegenstellt, während er gleichzeitig Nerva zu den boni principes zählt. Der generalisierende Plural mali bezieht sich in den meisten Fällen auf Domitian alleine; wenn dagegen noch ein anderer Princeps gemeint ist, ist es stets Nero. So hat die Terminologie nicht nur einen rhetorischen Effekt, sondern dient vor allem der Bildung einer Kategorie, in die Domitian entgegen seiner Selbstdarstellung gemeinsam mit Nero eingeordnet werden kann. 2. Ein folgender Abschnitt betrachtet Nero und Domitian aus archäologischhistorischer Perspektive. Untersucht werden zum einen die Repräsentation der Principes in den unterschiedlichen Zeugnisgruppen (Münzen, Inschrif-
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ten, Bildnisse), zum anderen die Wirkung dieser Repräsentation auf die verschiedenen Gruppen des Reiches. Reinhard Wolters und Martin Ziegert analysieren die Münzen der Reichsprägung beider Kaiser im Hinblick auf Kontinuitäten und Brüche. Dabei wird deutlich, dass unter Nero zunächst familiäre und senatsnahe Münzmotive geprägt werden, dann aber um 64 n.Chr. mit einer Münzreform ein radikaler Bruch eintritt. Mit der Veränderung des Prägestandards und der -organisation wird auch mit den Darstellungskonventionen der Vorgänger gebrochen und der Kaiser erstmals zu Lebzeiten mit göttlichen Attributen versehen. Auch unter Domitian werden anfangs die Reverstypen seines Vorgängers weitergeprägt, dann aber ein auf wenige Typen reduziertes Bildprogramm konzipiert, das stark auf die Inszenierung seiner Sieghaftigkeit sowie auf Minerva ausgerichtet ist. Einige der innovativen ikonographischen Motive beider Kaiser werden nicht als negative Grenzerweiterung abgelehnt, sondern gehen in das Münzbildrepertoire ihrer Nachfolger ein. Sophia Bönisch-Meyer und Christian Witschel untersuchen, inwieweit sich in Inschriften Neros und Domitians ein von den etablierten Normen der kaiserlichen Repräsentation abweichendes Profil abzeichnet. Dabei wird deutlich, dass sich sowohl die von den Herrschern selbst ausgestaltete, offizielle Kaisertitulatur als auch rühmende Epitheta, die ihnen von verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Inschriften beigelegt werden, in eine längerfristige Entwicklung einordnen lassen. Die Analyse des Gesamtbestandes an überlieferten Inschriften und ihrer regionalen Verteilung zeigt zudem, dass es oft Initiativen von bestimmten Personengruppen oder sogar von Einzelpersonen sind, die für die Dichte an epigraphischen Monumenten in einzelnen Regionen verantwortlich sind. Anne Wolsfeld trägt die Darstellungen des Kaisers im Brustpanzer in den verschiedenen Bildmedien zusammen, um so Veränderungsprozesse zu beschreiben, die von Augustus bis zu Domitian zu greifen sind. Zu Beginn des Prinzipats dominiert die zivile Rolle des Kaisers, während Panzerdarstellungen nur vereinzelt und in privaten Kontexten zu finden sind. Mit Nero sind dann eine generelle Zunahme von Darstellungen des militärisch aktiven Imperators und die Akzeptanz solcher Darstellungen auch in den öffentlichen Medien festzustellen. Mit den Flaviern und Domitian ist die militärische Rolle des Princeps schließlich vollends in der Herrscherrepräsentation etabliert und in einem breiten Spektrum an Bildmedien nachzuweisen. Die bildliche Darstellung der militärischen virtus des Kaisers ist jedoch – vor allem für Nero – nicht ausschließlich an reale militärische Leistungen gebunden, sondern wird im ersten Jahrhundert zunehmend als ehrende Qualität von den Stiftern an ihn herangetragen. Alexander Heinemann arbeitet die Unterschiede in der kommunikativen und sozialen Funktion der von Nero und Domitian gestifteten Agone heraus. Während bei den Neronia die lokale Elite zur Partizipation ermuntert
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Einleitung
wird und die Spiele mit der Teilnahme Neros vor allem seiner Selbstinszenierung dienen, werden die von Domitian zu Ehren des Jupiter abgehaltenen Capitolia ausschließlich von internationalen Athleten bestritten und wirken durch die Einbindung in die griechische Wettkampfwelt integrativ. Komplementär zu den öffentlichen Agonen halten beide Kaiser in römischer Tradition stehende Jugendspiele auf privatem Grund ab, in denen Nero erneut als Teilnehmer agiert. Im Gegensatz zu den neronischen Spielen, deren Teilnahmebedingungen Gefahr laufen, die öffentliche Kommunikation umzuwälzen, ist das Fortbestehen der domitianischen Spiele aufgrund ihres kulturellen und politischen Stellenwerts über den Tod des Princeps hinaus gesichert. Egon Flaig untersucht die Kommunikation Neros und Domitians mit den Untertanen und ihre Wirkung auf die Gruppen des Reiches, um auf dieser Basis den Sturz beider Kaiser zu erklären. Grundlegend dafür ist seine Annahme, dass der römische Princeps mit seiner ‚Imago‘ den Erwartungen unterschiedlicher politischer Gruppen zu genügen hat und im Fall einer Transgression der als fundamental erachteten Normen gestürzt werden kann. Die neuen, autoritären Herrschaftsmodalitäten Domitians unterbinden eine Interaktion zwischen ihm und den Bürgern und gipfeln in einer einseitigen Kommunikation. Nero hingegen scheitert auf Grund von Überkommunikation, die sich u.a. in seinen normverletzenden öffentlichen Auftritten vor Publikum äußert. Diese schüren auch das Gerücht, er habe den Brand Roms zu verantworten, und lässt ihn schließlich die Akzeptanz der hauptstädtischen Bürger verlieren. Sabine Müller untersucht die Wirkung der Repräsentation Neros und Domitians auf die Bevölkerung in den östlichen Provinzen. Durch die Analyse ausgewählter Repräsentationselemente, die entweder an diese gerichtet sind oder als hellenistisch-iranische Übernahmen gelten, zeigt sie, dass Nero vor allem in Achaia wegen seiner Freiheitsproklamation und im Partherreich wegen des unter seiner Regierung erreichten Ausgleichs in der Armenienfrage beliebt ist; dagegen sind seine öffentlichen Auftritte als Künstler auch in der östlichen Herrscherrepräsentation ohne Vorbild. Domitian, dessen Repräsentation Elemente aufweist, die den Herrscher stark sakral überhöhen, ist hingegen für die Bewohner der östlichen Reichsteile mit ihrem Sozialisierungshintergrund ein akzeptanzfähiger Herrscher. 3. Die Beiträge des dritten Abschnittes widmen sich den Diskursen über Nero und Domitian in der Literatur. Sie analysieren einerseits die literarische Modellierung der Kaiser zu ihren Lebzeiten, andererseits die postume Entstehung ihrer Darstellung als Tyrannen. Carole Newlands nimmt die kulturellen Repräsentationselemente beider Kaiser in den Blick, v.a. ihre dichterischen Leistungen. Dabei zeigt sie, dass die unterschiedlichen Bewertungen von Domitian als Dichter besser zu verstehen sind, wenn man sie auch auf Neros Repräsentation als Dichter be-
Einleitung
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zieht: Domitian selbst bemüht sich bei all seinen künstlerischen Aktivitäten um Abgrenzung von Nero. Sein eigenes Dichten wird von Zeitgenossen positiv bzw. höchstens ambivalent gesehen. Spätere Quellen hingegen betonen Domitians Nähe zu Nero und stellen ihn auch in Hinblick auf seine Aktivitäten als Dichter als eine schlechtere Version des letzten julischclaudischen Kaisers dar. Lisa Cordes untersucht, mit welchen Mitteln ambivalente Kategorien wie Göttlichkeit und Kolossalität in der literarischen Panegyrik für Nero und Domitian jeweils positiv codiert werden. Sie zeigt, dass man in Statius’ Silvae zahlreiche Hinweise findet, die das Potential haben, den Rezipienten zu einer positiven Lektüre der Texte sowie der darin beschriebenen Repräsentation des Herrschers in anderen Medien zu führen. In der neronischen Panegyrik ist eine derartige Absicherung des Lobes dagegen nur vereinzelt zu beobachten. Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied sieht Cordes in der negativen Umkodierung des Nerobildes in flavischer Zeit. Diese habe zu einem verstärkten Bewusstsein für das Risiko einer oppositionellen Lektüre des Herrscherlobes geführt, das sich wiederum in einem größeren rhetorischen Aufwand bei der Präsentation ambivalenter Aspekte niedergeschlagen habe. Knut Backhaus widmet sich der Verarbeitung der neronischen und domitianischen Repräsentation in den frühjüdisch-frühchristlichen Quellen. Er zeigt, dass die exzentrischen Elemente in der Selbstdarstellung Neros wie insbesondere sein Künstlertum und die Krönung des Tiridates – von seiner Person gelöst, dämonisiert und mit dem Topos des Christenverfolgers verschmolzen – Eingang in die Texte finden oder er selbst als apokalyptische Gestalt erscheinen kann. Domitian bleibt dagegen im Evangelium nach Lukas, der Apostelgeschichte und den frühjüdischen Oracula Sibyllina farblos. Dagegen wird er in der Johannes-Apokalypse als Nero redivivus und nach der damnatio memoriae in der frühchristlichen Erinnerungsstrategie als zweiter Christenverfolger dargestellt. So sollen die Christen der Ursprungszeit heroisiert und in Konfrontation mit den mali principes als boni homines ausgewiesen werden. Verena Schulz befasst sich mit der Darstellung Neros und Domitians als Tyrannen bei Cassius Dio. Als grundlegend für die negative Schilderung der beiden erweist sich das Verfahren der ,Dekomposition‘: Am Beispiel von Neros Bewertung als Künstler und der Einschätzung Domitians als eines siegreichen und beliebten Autokraten zeigt Schulz, wie Cassius Dio ursprünglich positiv codierte Repräsentationselemente durch verschiedene rhetorische Mechanismen in negative verkehrt. Dabei wird durch den Vergleich mit Sueton und Tacitus deutlich, dass Cassius Dios literarische Inszenierung beider Kaiser stark durch die zeitgenössischen Umstände des frühen 3. Jahrhunderts bestimmt ist, auf die der Historiker, Schriftsteller und Politiker mit seiner kritischen Darstellung reagiert.
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Einleitung
Die Untersuchungen der fachspezifischen Beiträge, die jeweils einzelne Aspekte der Herrscherrepräsentation Neros und Domitians in den Blick nehmen, werden in einem abschließenden Kapitel zusammengeführt. Mittels einer solchen Zusammenschau verschiedener Medien der Repräsentation soll der Kommunikationsprozess zwischen Princeps und Untertanen, der sich in dieser Repräsentation zeigt, auf synchroner wie diachroner Ebene nachgezeichnet und so greifbar gemacht werden.
II. Methodisch-terminologische Perspektiven
Martin Hose – Therese Fuhrer
Repräsentation und Diskurs: Methodische Vorüberlegungen
1.
Ein Kaiser in Trapezunt
Es war das Jahr 131. Flavius Arrianus hatte sein Amt als legatus Augusti pro praetore in der Provinz Kappadokien angetreten und sich auf eine Inspektionsreise durch die ihm anvertrauten Gebiete begeben. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Schwarzmeerküste. Nahe der Stadt Trapezunt wollte er offenbar eine Tour entlang der Küste beginnen. Der Ort war symbolisch, hatte doch dort Xenophon, zu dem sich Arrian kongenial sah, mit seinen Zehntausend das Meer erreicht. Zugleich bot sich dort die Gelegenheit, die Baustelle eines Heiligtums zu inspizieren, das wohl anlässlich des Besuchs des Kaisers Hadrian im Jahr 131 in Auftrag gegeben worden war, der, so hat man vermutet, den Ausbau des Hafens von Trapezunt angeordnet hatte.1 Arrian findet wenig, was ihn erfreut – so jedenfalls teilt er Hadrian mit: Die Altäre seien zwar errichtet, doch aus so grobem Stein, dass die Inschriften nicht lesbar seien, der Text der Inschriften sei zudem fehlerhaft. Er habe angewiesen, die Altäre aus weißem Stein neu zu fertigen und die Inschriften mit deutlich lesbaren Buchstaben einzumeißeln. Er fährt fort: „Dein Standbild ist errichtet, annehmbar in der Haltung – es weist nämlich auf das Meer hinaus –, in seiner handwerklichen Machart jedoch weder dir ähnlich noch sonstwie schön! So schicke ein Standbild, das würdig ist, deinen Namen zu tragen, in eben derselben Haltung. Denn der Platz ist sehr geeignet für ein ewiges Gedenken.“2 In diesem Bericht des loyalen und ehrgeizigen Statthalters3 werden Perspektiven und Probleme deutlich, die sich römischen Kaisern, ihren Beamten und den verschiedenen Schichten der Reichsbevölkerung stellten, wenn sie miteinander interagierten. Zwar sind uns wesentliche Komponenten unbekannt, die zur Errichtung des Heiligtums führten. War es eine Stiftung, die die dankbaren Bewohner von Trapezunt unternahmen, oder ein kaiserli-
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Siehe Ruge (1937) 2216. Arr. Peripl. p. eux. 1,2-4, Zitat 3f.: , – !"# –, $ % & % '## # · ( ) " '* $"+! - $ . / · - $ 0 01. Siehe hierzu zuletzt Mayer (2010) 118f.; Ando (2000) 229.
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Martin Hose – Therese Fuhrer
cher Auftrag, der gleichsam unter der Ägide von Trapezunt ausgeführt werden sollte? Für diese Möglichkeit spricht die Intervention Arrians. Wenn es eine vom Kaiser in Auftrag gegebene Anlage war, welche Funktion und Bedeutung hatte sie aus Sicht des Auftraggebers, welche aus Sicht der Trapezuntier? Feststellen lässt sich: Die Statue des Hadrian bei Trapezunt ‚repräsentiert‘ einen römischen Kaiser, d.h. sie zeigt ihn in einer bestimmten Rolle: der eines Herrschers, der durch einen bestimmten Gestus seine Macht und seine Sorge für die Provinzialen bedeutet.4 Gleichzeitig wird im Text erkennbar, dass die Aussagekraft eines Ensembles mit Altar, Kaiserstatue und Tempel – für ihn erbittet Arrian eine Hermes- und eine (Apollo-) Philesios-Statue5 – gestört erscheinen kann, wenn, wie offenbar hier, die Kaiserstatue nicht als Kaiserstatue identifizierbar und überdies: hässlich ist. Diese Textpartie demonstriert prägnant wesentliche Aspekte des in diesem Band verfolgten Forschungsziels und kann in dessen methodische Grundlagen einführen. Denn es wird in ihr sichtbar, dass die römische Herrscherrepräsentation ein Phänomen ist, das verschiedene Medien einbindet: Hier ist von einem Hadrians-Standbild die Rede, und damit ist das Medium des Bildes impliziert, zugleich erwähnt Arrian Inschriften, was auf das Medium Text verweist. Freilich müssen hier weitere Differenzierungen vorgenommen werden, da ein Standbild eine Art Untergruppe im Medienbereich ‚Bild‘ darstellt und sich in weiterer Differenzierung als Kaiser-Standbild in einen speziellen medialen Zusammenhang einreiht, und die Inschriften sich entsprechend in einen ‚epigraphischen‘ medialen Diskurs einschreiben. 6 4
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Der hier verwendete Repräsentationsbegriff geht zunächst von dem in den Sozialwissenschaften bzw. in der historischen Forschung (vgl. etwa Alföldi [1980]) üblichen Konzept aus, mit dem das ‚standesgemäße‘ (und hier insbesondere daraufhin befragte) Auftreten innerhalb einer sozialen oder politischen Rolle (die hier in verschiedenen Perspektiven analysiert wird) bezeichnet ist. In den Altertumswissenschaften ist dieser Begriff vor allem in der von Weber u. Zimmermann (2003) 36 vorgenommenen konzeptionellen Präzisierung heuristisch wertvoll und daher viel verwendet: „Repräsentation ist (...) die symbolische, in Text und/oder Bild übersetzte Wiedergabe der Position, die eine Person oder Gruppe innerhalb der sozialen Schichtung der Gesellschaft einnimmt“. An Weber u. Zimmermann schließt sich daher auch der Gebrauch des Begriffs Repräsentation in diesem Band an, nimmt allerdings noch eine Erweiterung vor, indem nicht nur die ‚Wiedergabe der Position, die eingenommen wird‘ darunter verstanden werden soll, sondern auch die ‚Wiedergabe der Position, die beansprucht wird‘ eingeschlossen sein soll. Peripl. p. eux. 2. Unter ‚Diskurs‘ wird im Folgenden ein multipler Rede-Zusammenhang verstanden, in den ein Autor verwickelt ist, den er aber nicht selbst verantwortet und dessen Strukturen und Funktionen ihm auch nicht notwendigerweise bewusst sein müssen (Japp [1992] 225). Gemäß den theoretischen Grundlagen der pragmatistischen Diskursanalyse sollen Texte nicht als geschlossenes System der Sinngenerierung verstanden werden, sondern als „aufgezeichnete Spuren einer diskursiven Aktivität“, die innerhalb von bestimmten Kontexten stattfindet, mit denen die Texte diskursiv verknüpft sind (Angermüller [2001]). Für das in diesem Band verfolgte Projekt spielt auch die dia-
Methodische Vorüberlegungen
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Überdies finden sich die Informationen über Standbild und Inschriften in einem Text, der ein Brief Arrians an den Kaiser ist,7 also den Regularien dienstlicher Schreiben zu unterliegen scheint, wie sie etwa in Buch 10 der Briefe des jüngeren Plinius enthalten sind. Zugleich transzendiert der Arrian-Text die Textsorte der Dienstkorrespondenz erheblich, da sich das Schreiben von einer Mitteilung an den Kaiser zu einer ausführlichen Küstenbeschreibung im Stile der sogenannten Periplus-Literatur entwickelt und den ursprünglichen Adressaten immer weiter aus den Augen zu verlieren scheint. Doch gleichzeitig reiht sich dieser Text mit seiner merkwürdigen Mischung aus Dienstschreiben und geographischem Traktat in das Spektrum der Formen kaiserlicher Repräsentation ein, indem er in doppelter Weise an seinem Beginn auf den Kaiser verweist: als Adressaten des Briefes und damit als Vorgesetzten sowie als Statue und damit als visuell repräsentierten Monarchen; und indem der gesamte Text nach Ausweis der Überschrift an den Kaiser gerichtet ist, dieser also als Widmungsträger und damit als Kultur-Mäzen angesprochen wird, kann man den Brief auch in die literarischen Diskurse einreihen, die sich um die kaiserliche Repräsentation legen. Die Repräsentation römischer Kaiser – dies zeigt sich an dem durch Arrian Vermittelten – ist ein Phänomen, das sich in unterschiedlichen medialen Diskursen ausdrückt, die gleichwohl Schnittmengen haben, wenn, wie hier im literarischen Diskurs, auf jeweils andere Medien Bezug genommen wird. Die Erforschung der Repräsentation bedarf daher eines adäquaten Spektrums von Fachkompetenzen, das Archäologie, Alte Geschichte mit Epigraphik und Numismatik sowie Philologie umfasst. Ferner legt unser Beispiel nahe, dass eine Analyse der medialen Diskurse dann ergiebig ist, wenn eine – wie auch immer gelagerte – Störung in diesen Diskursen auftritt, die dazu führt, dass die sonst unbenannten Faktoren, die die Repräsentation prägen, in Diskursbeiträgen selbst thematisiert werden: Wäre das HadriansStandbild so, wie es Arrian erwartete, würden wir nicht erfahren, dass Haltung, Ähnlichkeit, Schönheit und Standort einer Kaiserstatue für die kaiserliche Repräsentation bzw. deren Wahrnehmung und Interpretation von entscheidender Bedeutung sein können.
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chrone Fortführung der Diskurslinien eine Rolle, d.h. der Einbezug der interpretativen Kommentare von Diskursen, die eine Signifikantenkette und damit neue Bedeutungen und Diskurse produzieren (Fohrmann u. Müller [1992] 9-11; Baßler [1999]). Zur Relevanz von Bildern in der historischen Diskursanalyse vgl. die einführende Darstellung von Landwehr (2009), bes.19-22 und 56-59. So ist jedenfalls der Titel, den der Codex Palatinus gr. 398 (die zweite den Text überliefernde Handschrift, der cod. Londin. Mus. Brit. add. 19391, ist lediglich ein Apograph des Palatinus) mitteilt: 3 $# - 4 $ 5 6 # .* . Zitiert wird der Text freilich als ‚Periplus‘ durch Stephanus v. Byzanz und Leo Diaconus, vgl. Roos u. Wirth (1968) 103, app.cr.
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2.
Martin Hose – Therese Fuhrer
Warum ist die Repräsentation römischer Kaiser bedeutsam?
Dass die Analyse der Repräsentation römischer Kaiser ein zentrales Erkenntnisfeld für ein Verständnis der Kulturgeschichte der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung darstellt, liegt in der Natur des Prinzipats begründet. Denn der Prinzipat ist eine Herrschaftsform, die sich mit den Konzepten der griechisch-römischen Verfassungstheorie kaum adäquat beschreiben ließe. Versuche, ihn ,statisch‘ zu fassen (so etwa in Mommsens berühmter ,Dyarchie‘-These) oder die Principes gar als ,Kaiser‘ monarchisch zu definieren, sind in der Regel nicht in der Lage, die Dynamiken angemessen zu analysieren, die die Entwicklung der Machtrelationen zwischen dem Princeps einerseits und insbesondere dem Senat bzw. der römischen Aristokratie andererseits von der augusteischen Zeit bis zu den Severern kennzeichnen. Vielmehr ist es angesichts der paradoxalen Ausgangssituation, dass sich die „Begründung der Monarchie als Wiederherstellung der Republik“ (Christian Meier) nicht camouflierte, sondern konzeptionalisierte, erforderlich, die Geschichte des Prinzipats unter der Perspektive von ,Verhandlungen‘8 zwischen Princeps und Aristokratie, Volk, provinzialen Eliten und Heer zu lesen, in deren Ergebnis sich die Akzeptanz9 herstellte, die das römische Reich mit der es in den ersten beiden Jahrhunderten kennzeichnenden inneren Stabilität ausstattete. Der Princeps war in der Praxis der Machtausübung in der Hauptsache auf zwei funktionale Rollen festgelegt: die des Richters und die des Wohltäters bzw. Euergeten.10 Hinzu trat für ihn die Notwendigkeit, sich in bestimmten Räumen kommunikativ zu verhalten, insbesondere im Senat oder etwa bei öffentlichen Spielen im Circus.11 Angesichts dieser pragmatischen Konstellation war die Repräsentation, das ‚standesgemäße‘ Auftreten des Kaisers,12 von hoher Bedeutung, da seine Stellung nicht auf durch Gesetz geregelten und fixierten Grundlagen beruhte.13 Wenn seine Stellung von 8 9 10
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Siehe zu diesem Begriff unten Abschnitt 3. Siehe hierzu Flaig (1992) 174-207 bzw. unten S.265-270. So insgesamt Millar (1977), vgl. auch Millar (1967/2004). Auf die Debatten, die sich an Millars pointierte Neubestimmung der ‚Arbeit‘ eines Kaisers angeschlossen haben, braucht für die Zwecke dieser Einleitung nicht eingegangen zu werden, hingewiesen sei z.B. auf Bleicken (1982). Dazu etwa Veyne (1976/1988). Zur kommunikativen Funktion der kaiserlichen Agone s. auch unten Heinemann S.217-263. Siehe die Definition oben in Anm.4. Zur Repräsentation des Kaisers als Dichter, die an der gefährlichen Grenze des Standesgemäßen anzusiedeln ist (und deren Bewertung insbesondere diachron von je verschiedenen Konstellationen geprägt ist), s.u. Newlands S.319-340. Wenn Flaig (unten S.265) von einer Legitimation des Prinzipats spricht, die sich daraus ergebe, dass der Prinzipat unbestritten gewesen sei, gebraucht er den Begriff in einer weiteren (und uneigentlichen) Bedeutung, die letztlich allein auf die pragmatische Dimension der Herrschaft ausgerichtet ist.
Methodische Vorüberlegungen
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Senat, römischer Plebs, den provinzialen Eliten und dem Heer akzeptiert wurde, so ergab sich dies aus dem Zusammenspiel von Leistungen des Kaisers als eines Euergeten oder/und eines Richters mit dem ‚standesgemäßen‘ Auftreten.14 Das Auftreten bezeichnet ein weites Spektrum von Formen, in denen der Princeps sichtbar wird, das vom persönlichen Erscheinen etwa im Senat oder im Circus über Verkörperungen in Statuen15 wie der bei Trapezunt bis hin zu literarischen Modellierungen in panegyrischen Gedichten16 oder Geschichtswerken17 reicht. Das Auftreten kann sich zudem in Abbreviaturen niederschlagen, so etwa in Münzbildern mit Beischriften18 oder Titulaturen in Inschriften19. All diese verschiedenartigen Formen des Auftretens lassen sich ferner noch in einer weiteren Hinsicht differenzieren: Die mediale Repräsentation eines Kaisers muss nicht von ihm selbst ausgehen. Zwar ist es bei einer Reihe von Repräsentationsformen naheliegend, dass sie vom Kaiser oder wenigstens seinem Beraterkreis geschaffen wurden, so etwa bei bestimmten Titulaturen in Inschriften, bestimmten Porträts usw., die sich der Reichszentrale zuordnen lassen. Für größere Teile kaiserlicher Repräsentation ist dies jedoch nicht sicher oder sogar unwahrscheinlich: Poetische Kaiserpanegyrik etwa kann als Angebot des Dichters an den Kaiser verstanden werden, sich aus einer – freilich schmeichelhaften – Außenperspektive zu betrachten, die zugleich zur Verbreitung in den Eliten in Rom und im Reich genutzt werden kann. Standbilder in den Provinzen können, wie vielleicht anhand des misslungenen Beispiels in Trapezunt erkennbar, auf die Initiative von provinzialen Eliten zurückgehen und unter Umständen von vom Kaiser ausgehenden Bildmustern abweichen. Kurzum: Mit dem Begriff der Repräsentation verbindet sich ein mehrschichtiges Phänomen, das sowohl den Kaiser wie auch – zusammenfassend – seine ‚Untertanen‘ in aktiver wie in passiver Rolle enthält.
3.
Verhandlungen in Diskursen
Im vorangegangenen Abschnitt wurde der Begriff ‚Verhandlungen‘ eingeführt, um die Dynamiken zu bezeichnen, die im Verhältnis zwischen Princeps und seinen ‚Untertanen‘ in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten erkennbar sind. Mit diesem Begriff ist freilich kein formal geregelter,
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Prägnant bringt dies der Titel von Bowman (2002) zum Ausdruck: „Representations of Empire“. S.u. Wolsfeld S.181-216 zu den kaiserlichen Panzerdarstellungen. Zur Panegyrik vgl. unten Cordes S.341-378. Vgl. unten Schulz 405-434 zu Cassius Dio. Mit der Reichsprägung Neros und Domitians befassen sich Wolters u. Ziegert S.43-79. Siehe dazu unten Bönisch-Meyer u. Witschel S.81-179.
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Martin Hose – Therese Fuhrer
gar juristisch definierter Austausch zwischen genau bestimmten Partnern mit klar definierten Rechtstiteln bezeichnet,20 sondern, in Anlehnung an Greenblatts Verwendung,21 ein auf verschiedenen Ebenen ablaufender Kommunikationsprozess zwischen dem Princeps und den übrigen Gruppen in Rom und im Imperium, ein Prozess, der nicht linear verlief, sondern in vielschichtigen Angeboten, Zurückweisungen, Kompromissen oder Zwangsmaßnahmen seine Konkretisierung fand.22 In Erweiterung des Gebrauchs bei Greenblatt können (und sollen in diesem Band) ‚Verhandlungen‘ nicht allein als synchrone Kommunikationsform – etwa zwischen Princeps und dem Senat, Dichtern und dem Princeps – aufgefasst werden, sondern auch eine diachrone Dimension einschließen, 23 so etwa, wenn in der senatorischen Geschichtsschreibung über einen toten Princeps gehandelt wird.24 Legt man einen kontinuierlichen syn- wie diachronen Prozess von ‚Verhandlungen‘ zugrunde, wird es möglich, die Entwicklung des Prinzipats von Augustus bis zu den Severern genauer zu fassen, eine Entwicklung, die von einem an republikanischen Konzepten angelehnten Princeps (bezeichnenderweise gab es ja neben Octavian noch weitere Principes)25 zu einem Monarchen im frühen 3. Jh. führt. Man kann hierin eine immer deutlicher sich ausbildende ‚Vereindeutigung‘ der Res publica hin zu einer Monarchie diagnostizieren, die konzeptuell so weit geht, dass im 2. Jh. die Monarchie und die ‚Demokratie‘ als im monarchischen Imperium Romanum in perfekter Weise gleichzeitig verwirklicht gedacht werden, 26 dass also ungeachtet der weiterhin gepflegten republikanischen Nomenklatur für staatliche Einrichtungen die Existenz eines Monarchen offen anerkannt wird. Diese Tendenz zur Vereindeutigung geht weder allein vom Princeps aus noch ist eine einfache lineare Progression erkennbar. Denn dem Princeps selbst wurden aus unterschiedlichen Schichten Angebote gemacht, die die monarchische Seite seiner Herrschaft verstärkten. Hierzu gehören etwa die Initiativen griechischer Städte des Ostens, die oh20
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Zu den mit dem Begriff ‚Verhandlungen‘ auch verbundenen Problemen, die sich insbesondere aus einer Zuspitzung auf den Begriff ‚Aushandeln‘ ergeben, vgl. Flaig unten S.268-270 mit weiterer Literatur in Anm.10. Greenblatt (1988/1990). Diesen dynamischen Kommunikationsprozess der Herrschaftsrepräsentation analysiert Seelentag (2004) am Beispiel Traians. Zur synchronen und diachronen Perspektive der Herrscherrepräsentation s. auch unten das Kapitel „Schlussfolgerungen“. In der Forschung ist diese Dimension gelegentlich mit einer Gerichtsterminologie angesprochen worden; so pflegt man etwa Tacitus’ Ausführungen zu Augustus in ann. 1,9f. als ‚Totengericht‘ zu bezeichnen, so z.B. Manuwald (1973). Vgl. etwa R. Gest. div. Aug. 12; dazu Timpe (1962). So etwa in Aelius Aristides’ Rom-Rede (or. 26 Keil) § 60; Philostr. AP 5,35. Vgl. dazu Starr (1952); Hahn (1968).
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nehin durch die Monarchien des Hellenismus in einer entsprechenden Tradition standen27 und für die es nahelag, die römischen Principes als Fortsetzung hellenistischer Monarchien zu betrachten.28 Hierzu gehörten aber auch Dichter und Literaten, die eine Patronage suchten; ja sogar vom Senat gingen Tendenzen aus, dem Princeps mehr monarchische Macht zuzubilligen, als der Princeps selbst erwarten mochte – wie etwa prägnant eine Notiz bei Tacitus zeigt: Tiberius habe jedesmal beim Verlassen der Curia mit dem Ausruf (in griechischer Sprache) „O homines ad servitutem paratos!“ sein Erstaunen über die Bereitwilligkeit der Senatoren, sich auch gegen ihren Willen ihre Freiheit einschränken zu lassen, zum Ausdruck gebracht.29 Ferner lässt sich keine einfache lineare Progression in der monarchischen Vereindeutigung des Prinzipats erkennen: Zwar ist unübersehbar, dass während der Herrschaft Caligulas, Neros (jedenfalls nach Ende des Quinquenniums30) oder Domitians der Prinzipat stärker autokratische Züge gewann. Doch andererseits scheint der Prinzipat eines Claudius,31 Vespasian32 oder Nerva33 moderat an die republikanischen Traditionen anzuknüpfen. Hierzu fügt sich etwa die senatorische Geschichtsschreibung, die entsprechend zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘34 bzw. ‚bösen‘ oder gar ‚verrückten‘35 Principes unterscheidet. So erscheint es wichtig zu differenzieren zwischen a) ‚Konstellationen‘36 relativer Stabilität, also Situationen ausgehandelter Ponderierungen zwischen Princeps und insbesondere Senatsaristokratie und einem entsprechenden Einvernehmen, b) Konstellationen, 27 28
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Vgl. hierzu etwa Chaniotis (2003). Vgl. dazu etwa Price (1984) zu Asia Minor bzw. zusammenfassend Cancik (2003). Zur Wirkung der kaiserlichen Repräsentation Neros und Domitians im Osten des Reiches s.u. Müller S.283-315. Tac. ann. 3,65: memoriae proditur Tiberium, quoties curia egrederetur, Graecis verbis in hunc modum eloqui solitum ‚o homines ad servitutem paratos!‘ scilicet etiam illum, qui libertatem publicam nollet, tam proiectae servientium patientiae taedebat. Bei Tacitus findet sich gleichsam ein Katalog entsprechenden Entgegenkommens des Senats, das jeweils, wie in ann. 3,65,2, mit dem Stichwort adulatio negativ konnotiert wird. Vgl. dazu Heldmann (1991). Prägnant kommt das Herrschaftskonzept, das für den noch unter Senecas Einfluss stehenden Nero offenbar propagiert und diskutiert wurde, in der Formel nobilis servitus zum Ausdruck, mit der in Sen. clem. 1,8,1 an entsprechende hellenistische Vorstellungen angeknüpft wird; vgl. dazu Volkmann (1967/1975) 76. Vgl. etwa Suet. Claud. 11,1 bzw. 12. Vgl. etwa Suet. Vesp. 12 bzw. 15. Vgl. etwa Tac. hist. 1,1. Zur Denkform und zum terminologischen Gegensatz zwischen boni und mali principes s. Nauta unten S.25-40. Nero wirft man Größenwahn, Domitian Paranoia vor; zu Nero Kissel (2006), anders Champlin (2005); zu Domitian zuletzt Southern (1997). Der Begriff ‚Konstellation‘ wird hier und im Folgenden in einer breiten Bedeutung verwendet, er soll lediglich bestimmte und bestimmbare Verhältnisse zwischen den Machtgruppen Kaiser, Senat, populus usw. bezeichnen.
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in denen sich der Prinzipat wandelte und dies mit neuen Formen kaiserlicher Repräsentation begleitet wurde, sowie c) Konstellationen, in denen eine Evaluierung der Veränderungen in Prinzipat und Repräsentation vorgenommen wurde. Mit dem Begriff der Konstellation soll angedeutet werden, dass die drei unterschiedenen ‚Aggregatszustände‘ des Verhältnisses von Princeps zu den ‚Untertanen‘ nicht einfach als zeitlich klar voneinander absetzbare, ja aufeinander folgende Phänomene anzusehen sind: So hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass eine Verstärkung der monarchischen Repräsentation Domitians mit Unterstützung durch entsprechende panegyrische Poesie, namentlich durch Statius und Martial, zeitgleich zu einer ‚Flavischen Geschichtsschreibung‘ steht,37 die die monarchische Repräsentation Neros distanziert-negativ schilderte. Vielmehr ist von unterscheidbaren Diskurslinien auszugehen, die im hier angenommenen Fall zwar Erweiterung und Verengung von monarchischen Spielräumen des Princeps zugleich bedeuten, aber de facto einander insofern nicht widersprechen, als Domitian in seiner Repräsentation darauf bedacht war, sich von Nero abzuheben,38 die Nero-Kritik der Historiographie ihn mithin – vordergründig – nicht traf.39 An diesem nur skizzenhaft entworfenen Beispiel wird kenntlich, dass ein Zusammenhang etwa zwischen panegyrischer Poetik und Historiographie der Flavierzeit bestanden hat, insofern in der Panegyrik Spielräume für Repräsentation und Machtausübung des Kaisers ausgelotet, in der Historiographie bestimmte Formen von Repräsentation und Machtausübung eines toten Kaisers verworfen wurden. Pointiert lässt sich dies als ein Verhandeln über Grenzen eben dieser Repräsentation und Machtausübung verstehen, dergestalt, dass in der Panegyrik bewusst Grenzen überschritten, in der Historiographie – gleichsam nachträglich – vormals überschrittene Grenzen wieder kenntlich und in ihrer ‚begrenzenden‘ Bedeutung zu Bewusstsein gebracht werden.
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Vgl. dazu Jos. Ant. Iud. 20,154. Aus Tacitus wird kenntlich, dass etwa Fabius Rusticus und Cluvius Rufus in diesem Sinn die Geschichte Neros beschrieben haben; vgl. die Fragmente aus beider Historiae in Peter (1906) 112-115. Vgl. dazu auch Syme Bd. 1 (1958) 289-303 bzw. Klingner (1954/1964). Dazu grundlegend Nauta (2010). Nach Domitians Ermordung konnte freilich die Gleichsetzung mit Nero leicht erfolgen, vgl. Iuv. 4,37f.; dazu Nauta (2010) 242.
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Methodische Konsequenzen
In der in Abschnitt 3 erläuterten abstrakten Form ist es leicht, die skizzierten Zusammenhänge zwischen verschiedenen Zeugnisgruppen, zwischen Inschriften, Münzen, Standbildern, Gedichten und Geschichtswerken zu postulieren. Eine präzisere Analyse, die das Postulat am Material nachvollziehbar macht, bedarf jedoch methodischer Umsicht. Zunächst – dies ist aus dem Zusammenhang zwischen Flavischer Historiographie über Nero und panegyrischer Poesie unter den Flaviern ersichtlich – bedarf es grundsätzlich einer Perspektivierung, die zeitlich weit genug ausgreift.40 Im konkreten Fall bedeutet dies einerseits, dass nicht allein die entsprechenden Zeugnisgruppen unter den Flaviern untersucht werden müssen, sondern auch auf die julisch-claudische Dynastie zurückzugreifen ist, da etwa die Flavische Historiographie mutmaßlich auf panegyrische Poesie, die unter und für Nero entstanden ist, bezogen sein dürfte. Andererseits sind in dieser Perspektivierung auch die ‚nachflavischen‘ Zeugnisgruppen einzubeziehen, also etwa Tacitus und Sueton, da in ihnen – so die These des vorliegenden Bandes – die Auseinandersetzung mit Flavischer Panegyrik geführt wird.41 Es geht dabei also nicht allein um eine Art von komparativer Analyse medialer Repräsentation römischer Kaiser (die an sich durchaus wertvoll wäre, da sie zu einer Typologie von Repräsentationsformen führen kann), sondern um eine notwendige Untersuchung von Diskurslinien, mittels derer einzelne Daten in den jeweiligen Zeugnisgruppen in ihrem Bedeutungskontext erschließbar werden. Freilich: Die Überlieferungslage in allen zu untersuchenden Zeugnisgruppen ist stark fragmentarisch. Allein im Bereich der Literatur ist zu konstatieren, dass für die Historiographie mit den unvollständig überlieferten Annalen und Historien des Tacitus, den die römische Geschichte im engeren Sinn nur teilweise berührenden Antiquitates des Josephus, den Kaiserviten des Sueton und den Galba- und Otho-Bioi des Plutarch ein eher disparates Corpus erhalten ist. Wenn Josephus von ‚vielen‘ weiß, die die Geschichte Neros geschrieben haben, Tacitus summarisch von historiographischen Schriften Mitteilung macht, die das Geschehen zu Lebzeiten bestimmter Kaiser aus Furcht und nach deren Tod aus Hass verzerrend dargestellt hätten,42 lässt sich nur erahnen, was verloren ist. Gleiches gilt für die panegyrische Poesie.43
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Für eine Betrachtung des frühjüdisch-frühchristlichen Bereiches s. darüber hinaus Backhaus 379-403. Mit diesem Ansatz geht der vorliegende Band über Boyle u. Dominik (2003) und Kramer u. Reitz (2010) hinaus. Jos. Ant. Iud. 20,154; Tac. ann. 1,1,10. Siehe hierzu insgesamt auch Bardon (1956) 123-242.
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So ergibt sich innerhalb der Zeugnisgruppen eine Art von ‚Trümmerlandschaft‘:44 Einerseits sind panegyrische Texte auf Nero oder Domitian erhalten, die entweder aus sich heraus eine bestimmte Form von Erweiterung kaiserlicher Repräsentation bedeuten oder ein Angebot darstellen, also gleichsam von außen, d.h. nicht vom Kaiser ausgehend, eine Erweiterung vornehmen.45 Doch sind Reaktionen in der Historiographie oder anderen Textsorten darauf in der Regel verloren. Andererseits finden sich in der Historiographie, hier zumal bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio, kritische Auseinandersetzungen mit bestimmten Formen kaiserlicher Repräsentation, von denen man zwar vermuten kann, dass auch sie mindestens teilweise auf panegyrische Darstellungen zurückgehen, die jedoch nicht mehr direkt greifbar sind. Doch da augenscheinlich sowohl die panegyrischen Angebote wie auch die historiographischen Reaktionen sich als Linien in einem gemeinsamen Diskurs verstehen lassen, können sie zur Analyse dieses Diskurses genutzt werden. Konkreter bedeutet dies: Wenn man davon ausgehen kann, dass prinzipiell unter Nero und Domitian eine Erweiterung und Transgression der Normen Teil der Herrschaftsrepräsentation in den künstlerischen Medien darstellte, so lässt sich beobachten, dass gerade die Dichter das Motiv der Entgrenzung ihrerseits gesteigert und als produktive Leistung gefeiert haben. Zeugnisse hierfür finden sich für Nero in Senecas Apocolocyntosis, den Eklogen des Calpurnius Siculus, den Carmina Einsidlensia und in Lucans Proömium, für Domitian in Statius’ Silvae und Martials Epigrammen (in den Büchern 1-9). Selbst wenn sich der Einfluss der neronischen und domitianischen Literatur auf die späteren Kaiserbilder nicht nachweisen lässt, ist doch davon auszugehen, dass die Texte an dem Diskurs beteiligt waren, in dem die Selbstdarstellung Neros und Domitians entworfen und verbreitet wurde. Ohne Quellenkritik betreiben zu wollen, lässt sich sagen, dass die von den Autoren entworfenen Diskurslinien weitergeführt wurden, ihre Motive neu interpretiert und Teil von neuen Diskursen wurden: Martial, der jüngere Plinius, Tacitus, Sueton und Cassius Dio deuteten die neronische bzw. domitianische Herrschaftsrepräsentation gemäß ihren eigenen Darstellungsabsichten oder -pflichten um, passten sich neuen Repräsentations- und Kommunikationsformen an, interpretierten geltende Zeichensysteme dezidiert anders, transformierten alte und generierten eigene Kodes.46 Die Notwen44 45
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Der Begriff soll hier in Anlehnung an Strasburger (1977) verwendet werden. So etwa Stat. silv. 1,1, die auf ein Kolossal-Reiterstandbild Domitians panegyrisch reagiert. Dazu unten Cordes 346-355. Für die Beschreibung der Mechanismen bei der Kodierung von Informationen und der Strategien der Umkodierung und damit der Prozesse neuer Bedeutungszuweisung (der Neusemiotisierung) sind die Theorien literarischer Rezeptionshandlungen sowie der ästhetischen und semiotischen Repräsentation grundlegend. Der ursprünglich aus der Linguistik und Kulturtheorie stammende Begriff des sprachlichen ‚Kodes‘ wird
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digkeit einer Untersuchung dieser unterschiedlichen Kodierungs- bzw. Umkodierungsmechanismen in der Literatur und bildenden Kunst der frühen Kaiserzeit leitet sich hieraus ab und soll in diesem Band exemplarisch geleistet werden.
hier mit Umberto Eco als erweiter- und modifizierbares Zeichenrepertoire, also als dynamisch verstanden, ausgehend von einem interaktiven Prozess der Bedeutungszuschreibung; vgl. den Versuch von Strasen (2001), der mithilfe der Relevanztheorie von Sperber und Wilson versucht, den statischen Kodebegriff zu überwinden.
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Ruurd R. Nauta Mali principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes
Dass es im alten Rom gute und schlechte Kaiser gegeben habe und dass Nero und Domitian zur letzteren Gruppe gehörten, ist eine allgemein verbreitete Vorstellung. Sie ist nicht nur in der Wissenschaft durchgängig anzutreffen – wenn sie dort auch häufig in Frage gestellt oder wenigstens nuanciert wird –, sondern sie ist auch tief in die populäre Kultur eingedrungen. Ein Beispiel dafür ist das im Rahmen des sehr erfolgreichen Lernprojektes Horrible Histories aufgenommene Lied The Roman Emperors Song – Who’s Bad?, eine Parodie von Michael Jacksons Hit Bad, die auf You Tube mehrfach hochgeladen und insgesamt schon mehr als 700.000 Mal angesehen worden ist.1 Darin rühmen sich vier römische Kaiser, der Reihe nach Caligula, Elagabal, Commodus und Nero, der allerschlechteste Kaiser Roms gewesen zu sein, wobei der letzte der Sieger ist, also Nero. Ob es den Autoren dieses Lieds bewusst war oder nicht, ihre Komposition ist fast das Spiegelbild eines gleichfalls als ()#, d.h. durch die Mischung aus Ernst und Scherz charakterisierten Werkes der Antike, und zwar der menippeischen Satire ...@ meliorem); 89,1 (zu Nerva: optimus ipse non timuisti eligere meliorem). S. außer der zitierten Stelle Plin. paneg. 40,3; 45,4 (dissimiles); 68,6-7; 74,3. Plin. paneg. 88,3; vgl. 35,4; 45,1. Außerdem wird in Plin. paneg. 7,4 die Adoption Trajans durch Nerva mit derjenigen Neros durch Claudius (und derjenigen des Tiberius durch Augustus) kontrastiert sowie in 11,1 die Vergöttlichung Nervas durch Trajan mit der Vergöttlichung des Claudius durch Nero (sowie der des Augustus durch Tiberius, des Vespasian durch Titus und des Titus durch Domitian).
Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes
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Der „schöne“ Princeps ist Domitian,34 der Schauspieler und Sänger natürlich Nero. Interessanter, weil explizit verbunden mit der Kategorisierung als mali principes, ist folgende Stelle: praeterea hoc primum erga optimum imperatorem piorum ciuium officium est, insequi dissimiles; neque enim satis amarit bonos principes, qui malos satis non oderit. adice quod imperatoris nostri non aliud amplius ac diffusius meritum est, quam quod insectari malos principes tutum est. an excidit dolori nostro modo uindicatus Nero? permitteret, credo, famam uitamque eius carpi qui mortem ulciscebatur, nec ut in se dicta interpretaretur, quae de simillimo dicerentur. (Plin. paneg. 53,2-4) Zudem ist es die erste Pflicht treuer Untertanen gegenüber dem besten Kaiser, das Verhalten derer zu geißeln, die ganz anders waren; denn es dürfte der wohl kaum die guten Principes hinreichend loben [wohl ein Druckfehler für „lieben“], der die schlechten nicht hinreichend hasst. Überdies liegt gerade darin das größte und wirkungsvollste Verdienst unseres Kaisers, dass ein Angriff auf schlechte Principes keinerlei Gefahr bringt. Oder sollte unserer schmerzlichen Erinnerung schon entfallen sein, wie man kürzlich Rache für Nero nahm? Hätte wohl ausgerechnet derjenige, der seinen Tod rächte, zugelassen, dass Neros Ruf und Lebensführung angetastet würde, und nicht als Äußerung gegen seine eigene Person betrachtet, was man über einen sagte, der ihm so glich? (Übers. Kühn)
Plinius’ Formulierung modo uindicatus Nero bezieht sich darauf, dass Domitian Neros Freigelassenen Epaphroditus, der seinem patronus bei dessen Selbstmord behilflich gewesen war, zum Tode verurteilt hatte, mit dem Anliegen, wie Sueton und Cassius Dio übereinstimmend berichten, seine eigenen Freigelassenen von einer derartigen Tat abzuschrecken.35 Das ist aber nicht dasselbe wie Rache für Nero zu nehmen, wie Plinius es tendenziös formuliert. Auch gibt es keinerlei Belege dafür, dass Domitian Kritik an Nero auf sich bezogen und entsprechend bestraft hätte. Ein derartiges Vorgehen wäre auch nicht mit dem offiziellen Nero-Bild in Einklang gewesen, das unter Domitian noch genauso negativ war wie unter Vespasian und Titus, wie ich in meinem Aufsatz über Domitian als caluus Nero versucht habe darzulegen.36 Wohl erkannte man Gemeinsamkeiten zwischen beiden Herrschern, aber zu Domitians Lebzeiten wäre es eine oppositionelle Tat gewesen, diese Erkenntnis zu äußern. Es ist also durchaus pointiert, dass Plinius Domitian hier gerade mit dem Kaiser in eine Kategorie einordnet, von dem sich dieser selbst immer abgegrenzt hatte. Und genau dies leistet die Kategorisierung der principes als boni und mali. So wie die polare Gegenüberstellung des ‚Königs‘ und des ‚Tyrannen‘ dazu benutzt werden konnte,
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Zu Domitians äußerer Erscheinung s. Suet. Dom. 18 (vgl. 20). Ein Beispiel für eine Lobpreisung seiner Schönheit ist Stat. silv. 3,4,44-45. Epaphroditus und Neros Selbstmord: Suet. Nero 49,3; Cass. Dio 63,29,2. Domitians Anliegen: Suet. Dom. 14,4; Cass. Dio 67,14,4 (aber Dio schreibt auch $ F , G H $ $I). Nauta (2010).
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Herrscher (welcher Art auch immer) zu beurteilen, erlaubt die neue Terminologie es, nicht Herrscher im Allgemeinen, sondern speziell römische principes einzuteilen, und zwar in genauso polar entgegengesetzte Kategorien.37 Diese Terminologie ist zwar in Tacitus’ Agricola und Plinius’ Panegyricus zum ersten Mal belegt, es gibt aber bei beiden Autoren einige wenige Stellen, in denen von ihrer Verwendung schon vor 98 berichtet wird. Plinius erzählt in einem Brief aus den Jahren 106-108, wie er es noch im Jahre 97 gewagt hatte, Publicius Certus wegen dessen Rolle bei der Verurteilung des Helvidius Priscus im Senat anzugreifen. Vor diesem Vorgehen sei er von verschiedenen Seiten gewarnt worden; so habe einer gesagt: notabilem te futuris principibus fecisti, „Du hast dich den künftigen Kaisern unliebsam bemerkbar gemacht“, worauf Plinius geantwortet habe: esto (...) dum malis (epist. 9,13,10), „Sei’s drum (...) wenn den schlechten!“. Seine Rede beschloss er nach eigenen Angaben mit den Worten: reddat praemium sub optimo principe, quod a pessimo accepit (epist. 9,13,23), „Er soll unter dem besten Kaiser die Belohnung zurückgeben, die er unter dem schlechtesten erhalten hat“ (Übers. Lambert) – wobei sich optimus princeps wieder auf Nerva bezieht.38 Entweder begeht Plinius einen geringfügigen und verzeihlichen Anachronismus oder aber die Stelle zeigt, dass die Terminologie nicht erst unter Trajan, sondern schon unter Nerva entwickelt wurde, was weiter nicht verwunderlich wäre und für meine These auch keinen Unterschied machen würde. Die gleiche Frage, wie man, wenn ein schlechter von einem guten Kaiser abgelöst wurde, mit denjenigen umgehen solle, die sich unter dem gerade gestürzten Herrscher als delatores hervorgetan haben, findet sich in einer Rede in den Historien des Tacitus. Nach dem Sieg Vespasians greift Curtius Montanus in einer Senatssitzung den Aquillius Regulus an, der auch unter Domitian als delator berüchtigt gewesen war, trotzdem nach Domitians Tode nicht gestürzt wurde und von Plinius die einzige Schurkenrolle in den Briefen zugeteilt bekommt. Bei Tacitus rügt Montanus den Unwillen des Senats, gegen Regulus vorzugehen: an Neronem extremum dominorum putatis? idem crediderant qui Tiberio, qui Gaio superstites fuerunt, cum interim intestabilior et saeuior exortus est. (...) nec iam ille senatus sumus qui occiso Nerone delatores et ministros more maiorum puniendos flagitabat. optimus est post malum principem dies primus. (Tac. hist. 4,42,5-6) Oder glaubt ihr, Nero sei der letzte der Tyrannen gewesen? Dasselbe hatten die geglaubt, die Tiberius, die Gaius überlebt haben – und doch kam einer zur Macht, der noch abstoßender und grausamer war. (...) nicht mehr sind wir jener Senat, der nach Neros Tod Denunzianten und deren Helfershelfer nach Vätersitte zur 37
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Eine ähnliche Polarität findet man in der Beurteilung verstorbener Kaiser durch den Senat: Sie wurden im Allgemeinen entweder konsekriert oder erlitten die damnatio memoriae; vgl. Sommer (2004) 96. Zu den historischen Hintergründen s. Sherwin-White (1966) 491-499.
Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes
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Bestrafung forderte. Am besten ist nach einem schlechten Princeps der erste Tag. (Übers. Vretska)
Tacitus lässt also schon im Jahre 69 einen Senator den Ausdruck malus princeps benutzen, aber gerade die Nähe zur soeben besprochenen PliniusStelle, also die Analogie der ganzen Situation zu dem, was in den ersten Monaten nach dem Sturz Domitians an der Tagesordnung war, und außerdem die Beteiligung des auch zur Abfassungszeit der Historien noch immer umstrittenen Regulus, macht es wahrscheinlich, dass Tacitus die dem Historiker in Reden gewährte Gestaltungsfreiheit dazu genutzt hat, die erst im Anschluss an den Tod Domitians entwickelte Terminologie auf eine ähnliche historische Situation zurückzuprojizieren. 39 Interessant für uns ist nun die Rolle Neros: Obwohl auch Tiberius und Caligula zu den domini und implizit zu den mali principes gerechnet werden, ist es doch Nero, der in dem Gedankengang zentral steht und das Analogon zu Domitian darstellt: So wie Trajan zu Domitian, so verhält sich Vespasian zu Nero. Auch hier erlaubt es also die Kategorie der mali principes, die sich übrigens wie bei Plinius potentiell in die Zukunft erstreckt, Domitian auf eine Linie zu stellen mit Nero, auch wenn das hier nicht explizit gesagt wird. Wie es dann in den Domitian gewidmeten Büchern der Historien weiterging, würden wir natürlich gerne wissen, aber hier war die Überlieferung uns leider nicht günstig gesonnen. Die Terminologie hat sich jedenfalls in der späteren Antike verbreitet, wenn auch bei Weitem nicht so allgemein, wie man es vielleicht erwarten würde. Noch aus der gleichen Zeit wie die Texte des Plinius und des Tacitus, genauer aus dem Jahr 101, stammt eine Stelle von Martial, wo er zu seinem Gönner Terentius Priscus sagt: tu sub principe duro / temporibusque malis ausus es esse bonus (Mart. 12,3,11-12 [=12,6,11-12]), „Du hast es unter einem harten Kaiser und in schlechten Zeiten gewagt, gut zu sein“. Hier gehört principe zwar zu duro und malis zu temporibus, der Kontrast zwischen mali und boni principes ist aber unverkennbar impliziert. Danach aber findet man mehr als zweieinhalb Jahrhunderte lang keine, oder fast keine, Belege. 40 Tacitus benutzt die Terminologie in den überlieferten Partien der Annalen nicht, genauso wenig übrigens wie das Wort tyrannus:41 vielleicht weil alle von ihm behandelten Kaiser sowieso schlecht waren (und er Augustus nicht unbedingt als ‚gut‘ gelten lassen möchte), aber vielleicht auch, weil er sie letztlich zu vereinfachend fand. Letzteres gilt auf jeden Fall für Sueton, der nicht mit einem gut/schlecht-Schema arbeitet, sondern mit einer Matrix von uirtutes und uitia: Natürlich hatten manche Kaiser mehr uirtutes, andere mehr uitia, aber sogar im Fall von Caligula ist nicht nur über das monstrum,
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Ähnlich Tac. hist. 4,8,4, wo Eprius Marcellus den pessimis imperatoribus (gemeint ist Nero) die egregiis (d.h. Vespasian) gegenüberstellt. Nur Porph. Hor. sat. 1,1,66. Nur Tac. ann. 6,6,2, in einer Paraphrase von Plat. Gorg. 524e.
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sondern auch über den princeps zu berichten, und auch Nero hat nach Sueton mehrere Dinge getan, die „keiner Kritik, sogar nicht geringen Lobes würdig waren“; der Anfang der Herrschaft Domitians schließlich war nicht, wie das Ende, von saeuitia und cupiditas gekennzeichnet, sondern von clementia und abstinentia.42 Das gut/schlecht-Schema findet sich erst wieder in der Historia Augusta, wo nicht nur Aufzählungen schlechter Kaiser häufig sind, sondern außerdem die Terminologie boni/mali principes fast obsessiv verwendet wird.43 Einer der ‚Autoren‘ charakterisiert das Werk eines seiner ‚Kollegen‘ sogar als „Darstellung guter und schlechter Kaiser“(quatt. tyr. 1,3: in edendis bonis malisque principibus) und es bereitet den fiktiven Autoren Verlegenheit, wenn die Zuordnung eines bestimmten princeps nicht eindeutig ist, wie z.B. im Fall Aurelians: Aurelianum quidem multi neque inter bonos neque inter malos principes ponunt (Aurelian. 44,1) den Aurelian zählen viele weder zu den guten noch zu den schlechten Kaisern.44
Außerhalb der Historia Augusta ist die Kategorisierung in der Spätantike jedoch kaum zu belegen; sie fehlt z.B. in den Panegyrici latini, bei Ammian und bei Orosius, obwohl die betreffenden Autoren natürlich durchaus ihre Vorstellungen von guten und schlechten Kaisern hatten. Auch wenn man sich in der griechischen Literatur umsieht, wird man kaum fündig. Das Wort E#/ hat immer die Konnotation des guten Königs behalten, so dass ein Ausdruck wie (oder oder J3# ) E#/ als ein innerer Widerspruch empfunden werden musste. So lässt Dion Chrysostomos in einer seiner Reden 6 E# Diogenes von Sinope zu Alexander dem Großen sagen: . K (...) E#/ L . M## C L !- N. E#O !1 ' $. (4,24)
Es ist nicht möglich, auf schlechte Weise König zu sein, genauso wenig wie auf schlechte Weise gut zu sein. Denn der König ist der beste der Menschen.
Aber auch mit anderen Termini, die das lateinische princeps wiedergeben, wie 1 oder .", werden Adjektive, die ‚schlecht‘ bedeuten, 42
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Suet. Cal. 22,1; Nero 19,3; Dom. 10,1. Zu den kaiserlichen uirtutes und uitia bei Sueton s. Wallace-Hadrill (1983) 142-173. Für die Listen schlechter Kaiser s. Cameron (2011) 695. Malus (oder pessimus) princeps: Ver. 1,3; Heliog. 10,4; Alex. 65,3-5; 68,4; Gall. 21,1; trig. tyr. 23,3; Aurelian. 42,6-44,1; Prob. 22,4; quatt. tyr. 1,3; Car. 3,8; bonus (oder optimus) princeps ist noch häufiger. Zu bonus/malus princeps in der Hist. Aug. s. Burgersdijk (2013), der die Terminologie unabhängig von mir auf Plinius’ Panegyricus zurückführt. Es sollte noch angemerkt werden, dass die Tyrannen-Terminologie zu diesem Zweck nicht mehr gut geeignet war, da das Wort tyrannus inzwischen die Bedeutung ‚Usurpator‘ angenommen hatte; s. Wickert (1954) 2123-2127; Wardman (1984) 220-224. Ähnlich Ver. 1,3; Car. 3,8.
Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes
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nicht verbunden, obwohl der römische Senator Cassius Dio gelegentlich den Ausdruck !- ." oder P !6 ." in kategorisierender Weise verwendet.45 Auch in den Caesares Julians, womit ich angefangen habe, wird zwar nach ‚dem besten‘ Kaiser gesucht und werden Nerva und seine Nachfolger ‚gut‘ genannt, aber die negativen Entsprechungen fehlen: Die schlechten Kaiser werden jeweils individuell charakterisiert, und wenn einmal ein allgemeinerer Begriff verwendet wird, ist es (/ selbst fehlt).46 Auch sonst wird in der griechischen Literatur durchweg nur diese Terminologie benutzt, wie sich vielleicht am besten an Dion Chrysostomos illustrieren lässt. Dieser wendet sich mit seinen Reden über den guten Herrscher ebenso an Trajan wie Plinius – aber während Plinius als Negativfolie den Begriff malus princeps verwendet, bleibt Dion in den Bahnen des traditionellen griechischen Diskurses über die ‚Tyrannei‘.47 Auf ähnliche Weise wird bei Josephus Vespasian als Q ! dem / Vitellius gegenübergestellt und erklärt bei Philostrat derselbe Kaiser, er möchte als !- E#/ den seiner Vorgänger ein Ende bereiten.48 In der griechischen Literatur hat sich eben nicht die spezifische Konstellation ergeben, die nach meiner Rekonstruktion im Lateinischen zur Entstehung des Begriffes der mali principes geführt hat: die Verleihung des Titels optimus an Trajan in Verbindung mit dem Bedürfnis, seinen Vorgänger Domitian entgegen dessen Selbstdarstellung in die gleiche Kategorie wie Nero einzuordnen. Es ist also wohl die Historia Augusta (mehr, wie ich vermute, als der Panegyricus), aus der die Moderne die Terminologie übernommen hat. Die entscheidende Rolle spielte hier nicht, wie man vielleicht erwartet hätte, Gibbon, bei dem (außer in einem Verweis auf die Historia Augusta) weder good emperor noch bad emperor vorkommt – und deshalb auch nicht der Ausdruck the five good emperors für die Kaiser von Nerva bis Marc Aurel –, sondern Machiavelli, der in den Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio die principi buoni – wie quei cinque da Nerva a Marco – kontrastiert mit den cattivi.49 Wie 45
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Zu den griechischen Termini für princeps s. Wickert (1954) 2065-2068; Mason (1974) 12; 117-121; 144-151. Cassius Dio: 62,24,2 (Subrius Flavius zu Nero); 67,2,3 (Domitian); 73,5,2 (über Pertinax); 74,2,1 und 75,7,4 (über Septimius Severus); 79,3,2 (über Avitus) (nicht behandelt in Freyburger-Galland [1997] 131-152). Iul. symp. 316b ( E#); 311c ( !/ ); vgl. noch 316c: nach Quirinus seien viele römische Kaiser nicht schlechter ( ) als Alexander der Große; : 327c (Trajan über Domitian). Dions Thema in seinen Reden 6 E# (1-4) ist der ! oder - E#/ (1,11; 15; 36; 3,25; 61); über schreibt er 1,48-84; 2,67; 3,41; 4,44 und passim. Zu Dions Reden über das Königtum s. Sidebottom (2006). Ios. bell. Iud. 4,596; s. auch oben S.26 über Caligula als / . Philostr. Ap. 5,27-37 (v.a. 27,1; 32,2-3; 34,2; 36,1; 37,3). Gibbon, Decline and Fall 1,265 Anm.14 (in der Ausgabe von Womersley); Machiavelli, Discorsi 1,10,3.
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dem auch sei, es bedarf keines eigenen Nachweises, dass die Terminologie weit verbreitet war und ist und bis heute zu verschiedenen Formen der Thematisierung Anlass gibt, von The Roman Emperors Song – Who’s Bad? bis zu der Tagung, aus der dieser Beitrag hervorgegangen ist.50
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Für hilfreiche Diskussionsbeiträge und Hinweise danke ich den Teilnehmern der Tagung sowie Luc de Blois, Diederik Burgersdijk, Jan Willem Drijvers und Jaap-Jan Flinterman.
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III. Archäologisch-historische Perspektiven: Darstellung und Wirkung
Reinhard Wolters – Martin Ziegert
Umbrüche – Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich
Nero und Domitian sind nicht nur durch die Zuschreibung als ‚schlechte‘ oder gar ‚verrückte‘ Kaiser miteinander vergleichbar, sondern mit beiden endete nach jeweils rund anderthalb Jahrzehnten eigenem Regiment auch eine herrschende Dynastie. Die Frage nach einer spezifischen Repräsentation der beiden Herrscher hat zunächst Kontinuitäten und Brüche im Verhältnis zu ihren Vorgängern in den Blick zu nehmen. Innerhalb der Strukturen des Prinzipatsystems sind Rückbezüge auf die Familie sowie die jeweilige Interpretation der Herrscherrolle wesentliche Aspekte, als herkunfts- sowie leistungsbezogener Teil der Herrschaftslegitimation. Daran anknüpfend soll die spezifische Repräsentation von Nero und Domitian miteinander verglichen werden, vor allem in Hinblick auf das Ausloten oder Überschreiten von Grenzen. Wie sich dieses im Medium Münze darstellte, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.
1.
Münzen als zeitgenössische Medien und historische Quellen
Unter den aus der Antike erhaltenen Medien heben sich die Münzen in ihrem Quellenwert dadurch hervor, dass sie unmittelbar überliefert und zugleich massenhaft vorhanden sind. Die Kombination von Bild und Schrift in einem Objekt erlaubte schon in der Antike die Fortentwicklung der Bildsprache und Formulierung komplexerer Aussagen – und auch in der Gegenwart macht sie die Bildmotive oft leichter dechiffrierbar. Hinzu kommt, dass die Münzen der Römischen Kaiserzeit in der Regel sehr genau datierbar sind. Sie geben einen ungebrochenen Einblick in die tagesaktuell in diesem Medium ausgedrückten Repräsentationsabsichten. Späteren Überformungen oder Umdeutungen unterlagen die Münzen nicht – im Gegensatz etwa zu den ex eventu verfassten historiographischen Texten. Eine weitere Besonderheit des numismatischen Materials liegt schließlich darin, dass Rückschlüsse aus nicht Vorhandenem durchaus statthaft sind: Von jedem in der Antike jemals ausgeprägten Münztyp hat sich in der Regel zumindest eine Münze bis heute erhalten. Auf der Ebene der Typen kann die Überlieferung als nahezu vollständig und mithin repräsentativ gelten. Geprägt wurde in der Römischen Kaiserzeit einerseits auf Reichsebene, andererseits in den vielen regionalen und städtischen Münzstätten der Pro-
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Reinhard Wolters – Martin Ziegert
vinzen. Die Münzen Neros und Domitians sind für beide Gruppen durch moderne Standardwerke gut erschlossen. 1 Die vom Geldwert gewichtigere Reichsprägung erstreckte sich mit Gold-, Silber- und Aesnominalen über alle drei Münzmetalle und erfolgte in der Regel in der zentralen Münzstätte Rom. Räumlich und institutionell kann die der Reichsprägung zugrunde liegende Perspektive als herrschernah bzw. offiziell charakterisiert werden. Die Prägungen in den Provinzen wurden in lokaler, meist städtischer Autonomie vorgenommen.2 Vor allem im Osten des Reiches führten Hunderte von Städten ihre Prägetraditionen aus griechisch-hellenistischer Zeit bis in die Jahre Diokletians fort. Die lokalen und regionalen Münzstätten in der westlichen Reichshälfte überdauerten hingegen im Allgemeinen nicht die Zeit Caligulas. Der Prägeausstoß in den Provinzen war unregelmäßig und unrhythmisch, die Volumina blieben begrenzt und in der Masse auf Aesnominale beschränkt. Sowohl in ihren Bildern als auch im Hinblick auf den Geldumlauf bedienten die Provinzprägungen vorrangig lokale und regionale Bedürfnisse. Für die Frage nach der herrscherlichen Repräsentation bieten sie vor allem Hinweise auf die lokale Rezeption des Herrscherbildes. Vermittelt wurde dieses an der Peripherie des Reiches aufgenommene Kaiserbild nicht zuletzt durch die Reichsmünzen. An dieser Stelle gilt das Untersuchungsinteresse der Repräsentation des Herrschers, weniger deren Rezeption. Aus diesem Grunde bleiben die Provinzprägungen Neros und Domitians im Folgenden ausgeklammert. Für die Reichsprägung darf man davon ausgehen, dass die Auswahl der Münzbilder in der Nähe des Herrschers erfolgte, kaum aber regelmäßig durch ihn selbst. Die Münzbilder kommunizierten die Taten, Tugenden und Wertvorstellungen des Prinzeps einem breiteren Publikum, wobei die für die Bilder Verantwortlichen ihre Auswahl fraglos auch mit Blick auf die Rezeption dieser Bilder beim Herrscher getroffen haben werden.3 Die Kommunikationssituation ist dem Panegyricus nicht unähnlich, auch wenn bei den Münzen an Stelle eines individuellen Autors mit den tresviri monetales wechselnde und in der Kaiserzeit für uns anonym bleibende Verantwortliche treten, die aus einer Institution heraus handelten und wohl überdies in ein Kollektiv eingebunden waren: Ein derart auf Beharrung angelegter Rahmen dürfte die Möglichkeiten und Bereitschaft zu ‚Fürstenspiegelungen‘ oder Grenzüberschreitungen eingedämmt haben. Für die Analyse der zeitgenössischen Absichten, Wahrnehmungen und Wirkungen von Münzbildern ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Re1
2
3
Vgl. Sutherland (1984) sowie Carradice u. Buttrey (2007) für die Reichsprägung des 1. Jh. n.Chr., Burnett u.a. (1992), Burnett u.a. (1998) sowie Burnett u.a. (1999) für die Prägungen der Provinzen in diesem Zeitraum. Eine vorzügliche Einführung in Material und Forschungsstand bieten die Beiträge in Howgego u.a. (2005). Levick (1982); Levick (1999); vgl. auch zum Folgenden: Wolters (2003).
Umbrüche – Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich
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präsentation eines Herrschers sich entwickelte und die Jahr für Jahr in den Umlauf gesetzten Münzen Akzentverschiebungen unterlagen und Brüche aufweisen können. Jede moderne Annäherung hat zuvörderst diese chronologischen Schichten detailliert freizulegen. Auf der Gegenseite ist bewusst zu halten, dass Zahlungen im Römischen Reich – nicht anders als in späteren Epochen und in der Gegenwart – überwiegend mit alten und bereits umgelaufenen Münzen erfolgten: Nur wenige Reichsbewohner besaßen überhaupt die Chance, Münzen unmittelbar aus der Prägestätte in die Hand zu bekommen. Doch schon mit dem ersten Kaufvorgang gingen neugeprägte Münzen in der Bildervielfalt der umlaufenden Münzen auf. Vor deren breitem Hintergrundrauschen konnten sich Akzentverschiebungen nur langsam durchsetzen: Innovationen machten sich zeitgenössisch vor allem in spektakulären Einzelstücken bemerkbar, weniger in programmatischen Verschiebungen innerhalb etablierter Einzelbilder. Paradoxerweise ist die moderne Forschung für die Aufdeckung der Bildprogramme gegenüber den antiken Nutzern der Münzen in einer vorteilhafteren Position: Der heute mögliche Überblick über das Gesamtmaterial erlaubt die Rekonstruktion der Prägepläne und mithin genau datierte Kontextualisierungen einzelner Münzbilder und Nominale.4 Eine so rekonstruierte Perspektive des Münzamts als Urheber der Münzbilder bzw. ‚Sender‘ war allenfalls für einen Kreis um den Hof herum wahrnehmbar – auch dies ein Indiz für die These, dass mit der Vorlage neuer Münzbilder immer auch sehr direkt dem Herrscher selbst geschmeichelt wurde. Er gehörte zu den Wenigen, denen eine neue Serie – vielleicht schon zur Genehmigung – geschlossen vorgelegt werden konnte und der ihren Sinngehalt und ihre Bedeutung im Kontext der vorherigen Münzbilder erkennen konnte. Zumal in der jüngeren Forschung ist mehrfach vorgebracht worden, dass im Römischen Reich über die Zuordnung bestimmter Bilder zu bestimmten Nominalen die Ansprache spezifischer gesellschaftlicher Gruppen gesteuert worden wäre.5 Fraglos resultiert aus dem hohen Wert des Goldes, dass die Verfügbarkeit über Aurei soziale Grenzen fand. Doch gilt dies schon für die silbernen Denare nicht mehr, deren Wert etwas mehr als einem Tageslohn entsprach. Die Bildprogramme wiederum zeigen, dass dieselben Motive meist parallel in Gold und Silber ausgeprägt wurden, teils sogar aus denselben Stempeln. Bronzemünzen als Kleingeld wurden schließlich von jedem benötigt. Gleichwohl scheint eine nominalspezifische Ansprache in römischer Zeit tatsächlich praktiziert worden zu sein, jedoch nicht in Bezug auf soziale Schichten, sondern auf Regionen: Denn während Gold- und Silbermünzen im Umlauf weit durchmischt wurden, zirkulierte das Kleingeld eher regio4 5
Wolters (2005). Lummel (1991); zuletzt wieder Hekster (2003).
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nal und blieb in der Masse dort, wo es in den Umlauf gesetzt wurde. Unverkennbar haben die Bildprogramme der von der stadtrömischen Prägestätte ausgegebenen Bronzemünzen in der hier behandelten Zeit eher einen römisch-italischen Rezipientenkreis im Blick. Doch auch darüber hinaus war die getrennte Belieferung einzelner Reichsteile mit spezifisch auf diese Region zugeschnittenen Bildprogrammen möglich: In Ermangelung einschlägiger schriftlicher Quellen ist der Nachweis eines derartigen Verfahrens allein über Fundmünzen möglich, doch für einzelne Gruppen gelungen.6 Ein letzter Aspekt ist, dass einmal über Münzen in den Umlauf gebrachte Bilder und Nachrichten nicht mehr zurückgerufen werden konnten. Auch daraus resultiert, dass Münzbilder – nicht nur in der Römischen Kaiserzeit – eher zurückhaltend, zurückblickend und konservativ waren, kaum jedoch programmatisch. Allein in politisch unruhigeren und kurzfristige Wirkung in den Vordergrund stellenden Umbruchsphasen erfolgten verbindlichere Profilierungen und Festlegungen. In Bürgerkriegszeiten etwa wurde im Allgemeinen mit den Aussagen der Münzbilder ein größeres Risiko eingegangen. Ein seit der mittleren Republik etabliertes Mittel, Chancen wie Risiken von Innovationen bei dem so nachhaltigen Medium Münze unter Kontrolle zu halten, waren gezielte Ambivalenzen: Durch mehrfache Deutungsebenen wurden den Betrachtern der Münzbilder Spielräume gegeben. Verschiedene Interpreten konnten ihre je unterschiedlichen Vorstellungen in demselben Bild wiederfinden, während der Urheber der Bilder seine ‚offizielle‘ Deutung in gewissem Rahmen ex eventu nach den erfolgten Reaktionen ausrichten konnte.
2.
Die Reichsprägung Neros
Die Reichsprägung Neros zerfällt in zwei scharf voneinander getrennte Phasen. Dazwischen liegt der größte geldwirtschaftliche Umbruch im römischen Denarsystem während der ersten beiden Jahrhunderte n.Chr., die sogenannte Neronische Münzreform: Veränderungen des Gewichts von Gold- und Silbermünzen sowie zusätzliche Beimengungen unedler Metalle bei den Silbermünzen reduzierten im Jahr 64 n.Chr. den Materialwert von Aurei und Denaren um rund 15-20 Prozent.7 Die stufenartige Verschlechterung des Standards ermöglichte schlagartig eine um diesen Prozentsatz erhöhte Münzproduktion aus unveränderter Edelmetallmenge. Gleichzeitig wurde die Edelmetallprägestätte vom gallischen Lugdunum in die Hauptstadt Rom zurückverlegt. Der große Brand Roms mit dem jetzt erheblichen Geldbedarf 6 7
Clay (1989); Kemmers (2003); Duncan-Jones (2005) 471-479; Kemmers (2009) 137-156. Vgl. die Grafik bei Walker (1976) 21. Kritisch zur Methode Walkers und mit differenzierteren, neueren Analysen Butcher u. Ponting (2005) 173-180; Ponting (2009) 269-272; Woytek (2010) 22. Vgl. zur Reduktion auch Plin. nat. 33,47.
Umbrüche – Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich
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vor Ort dürfte ursächlich für beide Maßnahmen gewesen sein. Die beinahe acht Jahrzehnte andauernde Edelmetallprägung in der kaiserlichen Provinz war eine jener das Recht auslotenden machtpolitischen Maßnahmen des Augustus, welche die Errichtung des Prinzipats in den Formen der Republik erlaubten.8 Im Sommer 64 n.Chr. wurden allerdings nicht nur Prägeorganisation und Prägestandard verändert, sondern auch die Bildprogramme der Münzen verwandelten sich radikal: Auf den Aversen erschien ein neues Porträt des Herrschers, Kopfschmuck wurde angelegt und bald auch der Büstenansatz als Bedeutungsträger genutzt. Auf den Reversen lösten neue Bildmotive die bisherigen vollständig ab. Selbst die Legenden veränderten sich in Ausrichtung, Form und Funktion. 2.1.
Das erste Jahrzehnt: Die Münzen Neros vor der Reform von 64 n.Chr.
Bereits unter Claudius erschienen die ersten Münzen mit dem Bild des jungen Nero, als sein Adoptivvater ihn ab 51 n.Chr. in Fürprägungen als princeps iuventutis vorstellte.9 Der breiten Öffentlichkeit wurde damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Nero dem Claudius nachfolgen sollte. Allein der genauere Zeitpunkt war angesichts des damals rund 60-jährigen Prinzeps naturgemäß noch offen. Als Nero nach dem möglicherweise gewaltsamen Tod des Claudius im Herbst 54 n.Chr. zur Herrschaft kam, wurde die etablierte Prägestruktur zunächst unverändert beibehalten. Ausgeprägt wurden ausschließlich Edelmetalle: Wenige Typen, die gleichzeitig als Aurei und Denare ausgegeben wurden.10 Die seit den frühen Jahren des Claudius unterbrochene Ausprägung von Buntmetallen blieb sistiert, trotz erkennbaren Kleingeldmangels in den westlichen Provinzen. Schon seit der Republik gab es immer wieder längere, bis zu mehreren Jahrzehnten andauernde Lücken in der Kleingeldherstellung: Der Römische Staat prägte Münzen primär zur Erledigung seiner Staatsausgaben. Eine Verantwortung zur Versorgung der Wirtschaft mit dem erforderlichen Umlaufgeld wurde offensichtlich auch in den ersten Jahren des Nero nicht verspürt. Ein völliges Novum waren jedoch die Aversbilder der Aurei und Denare, auf denen der Kopf Neros gemeinsam mit dem seiner Mutter zu sehen war (Abb.1).11 Die Umschrift AGRIPP(INA) AVG(VSTA) DIVI CLAVD(II VXOR) NERO(NIS) CAES(ARIS) MATER stellte vollends Agrippina ins Zentrum und machte Nero eher zur Begleitperson. Allerdings gehörte ihm der Revers
8 9 10 11
Wolters (2004) 257-260. RIC I² 75-79 (Claudius). Vgl. RIC I² 1f. (Nero); dazu Clay (1982) 9-18. RIC I² 1-3 (Nero).
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mit der Abbildung der auf Senatsbeschluss (EX SC) verliehenen corona civica. Der Bürgerkranz hatte sich seit Augustus gewissermaßen zum konstitutionellen Münztyp für den Prinzeps entwickelt. Erstmals seit Augustus war der beigefügte Name wieder im Dativ gehalten und hob so die Widmung an Nero hervor.12 Ein zweiter Münztyp mit dem Porträt des Divus Claudius im Avers und der ebenfalls EX SC verliehenen tensa im Revers galt ganz dem vergöttlichten Adoptivvater.13 Beide Münztypen verwiesen auf die dynastische Legitimation, der durch die Vergöttlichung des Claudius noch einmal besonderer Glanz zufiel. Eine derartige Betonung der familiären Abkunft, zugleich auch als Demonstration der pietas gegenüber den Vorfahren, war seit Tiberius für die ersten Münzen eines neuen Herrschers üblich. Vor diesem Hintergrund ist weitaus bemerkenswerter, dass in beiden Münztypen durch die Beischrift EX SC der Senat als Urheber der auf den Reversen ausgedrückten Ehrungen für den verstorbenen Claudius sowie für Nero kenntlich und das Gremium so zum Beteiligten gemacht wurde. Die beiden direkten Vorgänger Caligula und Claudius verwiesen dagegen an dieser Stelle in ihren frühesten Münzen mit den Prätorianerreversen ungeniert auf die machtpolitische Basis ihrer neuen Position.14 Ein Anfang 55 n.Chr. dazugekommener Münztyp mit der Elefantenquadriga galt abermals dem Divus Claudius. Auch auf diesen Stücken war Agrippina überaus präsent. Auf dem Avers erschien sie erneut gemeinsam mit Nero, die Umschrift des Reverses bezog sich ganz allein auf sie (Abb.2).15 Allzu lang dürften die Münzen allerdings nicht zur Ausprägung gekommen sein. Schon wenige Monate nach Neros Herrschaftsbeginn wurde Agrippina aus dem Palast verbannt. Zu den Eigengesetzlichkeiten des Mediums Münze mit seiner Funktion als Geld zählt, dass diese Stücke weder zu diesem Zeitpunkt, noch nach der knapp vier Jahre späteren Ermordung Agrippinas mit anschließender damnatio memoriae aus dem Umlauf zurückgerufen werden konnten. Mit den Agrippina-Stücken endeten auch die teils mit ihnen verknüpften Bezüge auf den Divus Claudius. Ersatzweise an ihre Stelle tretende Münzmotive wurden nicht entworfen. So füllte in der Edelmetallprägung nur noch der Eichenkranztyp, jetzt allein mit Porträt und Titulatur des Nero im Avers, die kommenden fünf Jahre bis Ende 60 n.Chr. Auch in der Folge sollte es unter Nero keine Münztypen mit Angehörigen der iulisch12
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Der Name des Augustus im Dativ findet sich bei RIC I² 278 (Augustus). Unter Tiberius, der den pater patriae-Titel und die corona civica ablehnte, wurde der Eichenkranztyp nicht ausgeprägt. Zur überragenden Bedeutung der corona civica für die Prinzepsrolle: Sen. clem. 1,26,5. RIC I² 4f. (Nero). RIC I² 32 (Caligula); RIC I² 7-12 (Claudius). RIC I² 6f. (Nero). Vgl. auch Suet. Nero 9; Tac. ann. 13,2,3: „optima mater“ als erste Parole des neuen Herrschers an seine Soldaten.
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claudischen Dynastie mehr geben. Dies steht in deutlichem Kontrast zu den Vorgängern Neros, bei denen die Legitimation über die Familie bis zurück auf Augustus in der Reichsprägung stets zentrales Programm war. Kurz vor Ende des Jahres 60 n.Chr. wurde schließlich der Eichenkranztyp durch zwei Roma- und einen Ceres-Revers abgelöst (Abb.3-4).16 Die drei neuen Motive bestimmten die Prägung bis Mitte 64 n.Chr. Wie schon bei den Eichenkranztypen aktualisierten Zählungen der tribunizischen Gewalt und teils auch des Konsulats regelmäßig die Legende. Eine solche Emissionsunterscheidung bei ansonsten über Jahre gleichbleibenden Bildern entsprach ebenfalls dem etablierten und in der Edelmetallprägung des Caligula und Claudius in großer Konsequenz praktizierten Verfahren.17 Strittig ist die Interpretation der drei neuen Münzbilder. Auf den Reversen steht jeweils großformatig EX SC. Diese Legende war zwar bereits auf allen bisher unter Nero geprägten Reversen zu lesen, dabei jedoch eindeutig auf den Bildinhalt bezogen.18 Curtis Clay interpretiert die Buchstaben auch an dieser Stelle als Hinweis auf Ehrungen. Die Münzbilder seien Abbildungen von Statuen, die auf Senatsbeschluss aufgestellt worden seien. 19 Doch ist eine solche Interpretation in Ermangelung von Parallelquellen kaum positiv zu stützen, zumal auf den Münzen selbst keine ikonographischen Hinweise auf Statuen zu sehen sind, wie etwa tragende Sockel. Ebenso wenig kann eine Überlegung befriedigen, dass die Beischriften nach den vorangegangenen EX SC-Prägungen aus „Gewohnheit“ beibehalten worden seien.20 Andere Erklärungen gehen dahin, das EX SC als demonstrativen Ausdruck der Senatsnähe Neros – nicht zuletzt unter dem Einfluss Senecas – zu interpretieren bzw. als „Mäßigung der Monarchie“. 21 Doch hinsichtlich des unstrittig rechtlichen Gehalts der Formel bleiben derartige Urteile ohne Gegenstand. Eine Möglichkeit wäre, das EX SC als Genehmigungsformel des Senats für die ja außerhalb Roms in eine Provinz des Prinzeps verlagerte reichsrömische Edelmetallprägung zu deuten: Nero hätte sich dann mit dem 16
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RIC I² 23-28 (Nero). Nach Sutherland (1984) 152f. sind Virtus und Roma dargestellt. Zweimal als Roma: Clay (1982) 50f. Übersichtlich bei Szaivert (1986) 64-67. Eine Ausnahme bildet der Quinar (RIC I² 10 [Nero]; King Nero 1), der als einzige Edelmetallmünze kein SC besitzt. Dies lässt sich leicht mit der Tradition dieses bildlich stets festgelegten Nominals und seiner frühen Ausprägung erklären. Skepsis ist überdies angebracht, da es sich bei diesem Stück um ein Unikat handelt. Clay (1982) 33-36: Deutlich überzogen ist seine Interpretation des Objekts, auf das Roma ihren Fuß setzt, als „Kopf der Boudicca“. Kraft (1985) 188. Lummel (1991) 63; Sutherland (1987) 91. Hekster (2003) 29 will nicht entscheiden, ob das EX SC ein Zeichen für den größeren Einfluss des Senats sein soll – oder aber ein demonstratives Signal des Kaisers an eben diesen Senat, dass er das Gremium besser als die Vorgänger berücksichtigen wolle. Zum anfänglichen Einfluss Senecas auf den jungen Nero s. Tac. ann. 13,3-5; vgl. auch Suet. Nero 10,1.
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SC um eine unstrittige Legitimation für die in Lugdunum vorgenommene Reichsprägung bemüht. Eine solche Interpretation impliziert jedoch, dass die Aufschrift der Genehmigungsformel einen vorherigen Zustand explizit sichtbar machte, der seit den Tagen des Augustus eher verschleiert worden war.22 Auch gerade unter den Vorzeichen des gallischen Prägeorts bleibt bemerkenswert, dass die Inhalte der neronischen Münzen im ersten Jahrzehnt eher auf ein stadtrömisches Publikum zielten. Überdies fehlten, vom konstitutionellen Eichenkranztyp abgesehen, auf den Reversen jegliche unmittelbaren Bezüge zu Nero. Differenziertere Hinweise auf Taten Neros oder auf Herrschertugenden kamen ebenso wenig vor wie ganzfigurige Darstellungen des Prinzeps. Zu dieser Zurückhaltung scheint zu passen, dass Nero, abermals in deutlichem Kontrast zu seinen Vorgängern, auf den Aversen stets barhäuptig erscheint: Auf den Münzen der ersten zehn Jahre seiner Herrschaft wird von jedweder Illustration der Herrscherrolle Neros oder Herausstellung spezifischer Herrschertugenden abgesehen. 2.2.
Die Münzen Neros von 64-68 n.Chr.
Nach der Wiederaufnahme der Edelmetallprägung in Rom unterschieden sich die zu reduziertem Standard ausgebrachten Münzen auch in den Aversund Reversbildern merklich von den zuvor ausgeprägten Aurei und Denaren. Ein neues Porträt Neros schmückte die Averse. Dessen einzelne Elemente hatten sich zwar schon seit 59 n.Chr. angekündigt, doch in ihrer weiteren Ausformung und deutlichen Übersteigerung markiert das Jahr 64 n.Chr. den signifikanteren Bruch: Die eingebrannten Haarstufen, scharf formulierten Sichelsträhnen sowie tief in den Nacken fallende Locken und Dreitagebart statteten Nero mit den Attributen des Künstlertums aus. 23 Das breite und aufgedunsene Gesicht mit Tränensäcken, Wangenfalten und dikkem Kinn saß auf einem überbreiten Hals. In jugendlicher Verfettung stellte sich Nero als Anhänger eines Genusslebens vor und trug das hellenistische Ideal der J zur Schau. Durchgehend wurde in den Edelmetallprägungen ab jetzt der Kopf vom Lorbeerkranz bedeckt.24 Gleichzeitig wechselten sämtliche Reverstypen. Der bis dahin stets verwendete Legendenzusatz EX SC erscheint ab 64 n.Chr. genauso konsequent nicht mehr. Die datierenden Angaben in der Titulatur entfielen, was zu22 23
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Vgl. oben Anm.8. Hiesinger (1975) 120; Schneider (2003) 64f. sieht dagegen bereits 59 n.Chr. das entscheidend neue Porträt, das dann allerdings ab 64 noch ausgeprägter ausgestaltet worden sei. Dazu wurde ab jetzt konsequent die Legendenrichtung von einwärts nach auswärts umgedreht, was auch ein Indiz für die Zurückverlegung der Edelmetall-Prägestätte von Lugdunum nach Rom ist.
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gleich bedeutet, dass eine chronologische Binnengliederung für die spätneronischen Münzen problematisch ist.25 Reverse mit Jupiter, Roma, Vesta, Salus und Concordia setzten das römisch-italische Bildprogramm weitestgehend fort. Doch in merkwürdiger Umkehrung wurden jetzt alle Götter und Personifikationen sitzend abgebildet, während sie vor 64 n.Chr. durchwegs standen. Allein Nero ist es, der auf zwei neuen Reverstypen stehend abgebildet wird: 26 Das erste Motiv zeigt den frontal stehenden Nero in einer Toga, der in seiner rechten Hand einen Zweig und in der linken die Victoria auf dem Globus hält (Abb.5). Der Kopf Neros ist unverkennbar mit einer Strahlenkrone geschmückt. Die Reverslegende AVGVSTVS GERMANICVS setzt NERO CAESAR vom Avers fort, doch werden durch die Aufspaltung der Titulatur die Namensbestandteile Augustus und Germanicus im Revers überaus stark hervorgehoben. Vermutlich geht die Darstellung, die Nero zwar in ziviler Kleidung, doch gleichzeitig mit dem auf besondere Erhabenheit verweisenden Attribut der Strahlenkrone darstellt – und ihn in ähnlicher Mischform als Friedensbringer aufgrund der Sieghaftigkeit der Victoria zeigt – , auf die im Jahr zuvor errungenen militärisch-diplomatischen Erfolge des Corbulo gegen die Parther zurück. Zumal in Kombination mit dem gleichzeitig ausgeprägten Reversmotiv des geschlossenen Janustors sowie weiterem Revers mit Legionsadler zwischen Feldzeichen scheint die ganze Münzgruppe darauf abzuzielen, ganz bewusste Assoziationen zum Parthererfolg des Augustus von 20 v.Chr. – und vielleicht auch der Orientmission seines durch die Reverslegende zusätzlich assoziierten leiblichen Großvaters Germanicus – wachzurufen.27 Das zweite Reversmotiv zeigt Nero abermals in Toga und mit Strahlenkrone, diesmal Langzepter und Opferschale haltend (Abb.6). Neben ihm steht in ähnlichem Gestus eine weibliche Gestalt mit Füllhorn und Opferschale, die aufgrund der parallelsetzenden Umschrift AVGVSTVS – AVGVSTA innerhalb des mutmaßlichen Zeitrahmens als Neros neue Gattin Poppaea angesprochen werden kann. Nicht eindeutig wird, ob das Paar als den Göttern opfernd gedacht, oder selbst in der Ikonographie der opfernden 25
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Die Emissionsunterscheidung fand vielleicht durch die wechselnden Averslegenden statt. Naturgemäß öffnet sich diese Beobachtung vielfachen attraktiven Deutungen, doch müssen diese in Ermangelung ergänzender Quellen spekulativ bleiben. RIC I² 46f. (Nero); vgl. Bergmann (1998) 175-178. Der Janustempel ist sowohl im Edelals auch im Buntmetall auf den Münzen zu sehen: RIC I² 50. 263 (Nero). Suet. Nero 13,2 überliefert, dass der Tempel im Anschluss an die Diademverleihung an Tiridates in Rom 66 n.Chr. geschlossen worden wäre. Ab diesem Zeitpunkt führte Nero auch das praenomen Imperatoris. Da dieses allerdings nicht auf allen Münzen mit Janustempel erscheint (RIC I² 300-311 [Nero]), werden einige zuvor geprägt worden sein. Ein Anlass könnte die Nachricht von der Diademniederlegung des Tiridates vor dem Nerobild in Rhandeia in Mesopotamien gewesen sein (Tac. ann. 15,29; Cass. Dio 62,23,2-3).
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Götter dargestellt ist. Auch hier mag bewusste Ambivalenz beabsichtigt gewesen sein. Die fehlende Umhüllung des Hauptes stützt durchaus die zweite Perspektive.28 Wohl zeitgleich mit der Reform der Edelmetallprägung wurde nach zwanzigjähriger Unterbrechung um 64 n.Chr. die Bronzeprägung wieder aufgenommen.29 Auf einigen der neuen Stücke schmückte die Strahlenkrone jetzt sogar das Herrscherporträt im Avers (Abb.10).30 Darstellungen des Panzers und der Aegis erweiterten das Aussagespektrum der Büsten, ebenso der Büstenansatz mit Globus.31 Der vorher selbstverständliche zivile Habitus des Nero in den Aversen wurde gerade in der Buntmetallprägung weitgehend aufgegeben. Schließlich führte Nero in den letzten beiden Jahren in allen Nominalstufen das praenomen Imperatoris. Besonders eng und erzählend wurde der Nerobezug allerdings in den Reversen der Buntmetalle, die auch aufgrund teils völlig neuer Bildentwürfe besondere Aufmerksamkeit finden mussten: adlocutio- (Abb.7) und decursioSzenen zeigten Nero in direkter Interaktion mit den Soldaten, Darstellungen des congiarium (Abb.8) vereinigten Kaiser und Angehörige der plebs urbana im Münzrund. Hinzu kamen auf Ereignisse bzw. auf Neros Tätigkeit in und für Rom verweisende Reverse wie der Nero zugestandene Triumphbogen (Abb.9), der neueingeweihte Hafen von Ostia, das Macellum oder Hinweise auf die Quinquinalien. 32 Motivvielfalt, Aktualität und Unmittelbarkeit der neuen Bildmotive auf den Buntmetallmünzen erinnern in vielfacher Weise an die Buntmetallprägung unter Caligula. Besonders spektakulär ist der Typ des sogenannten Apollon citharoedus, für den nicht eindeutig wird, ob die Urheber des Münzmotivs darin Apollon
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RIC I² 44f. (Nero); vgl. Bergmann (1998) 178f. Auf S.181 führt Bergmann die Darstellung auf ein vom Senat gestiftetes Standbild zurück, doch gibt es für ein solches kein weiteres Zeugnis. Eine derartige Deutung steht zudem in bemerkenswertem Gegensatz zur Deutung Clays der vorangegangenen EX SC-Gruppe, der diese – jetzt ja fehlenden Buchstaben – als Indiz für Statuendarstellungen durch den Senat wertet (vgl. oben Anm.19). Kaum schon 62 n.Chr., wie bei MacDowall (1979) und im Standardzitierwerk RIC. Anders Clay (1982) 8. 15f. Mit Wiederaufnahme der Buntmetallprägung begann eine Experimentierphase mit unterschiedlichen Metallen, teils mit Wertzeichen, die Rückseiten mit und ohne SC. Die Strahlenkrone wurde bereits in einigen Provinzprägungen für Caligula verwendet: Azeani: RPC 3085-7; Magnesia am Sipylos: RPC 2454f.; Smyrna: RPC 2474; dazu Bergmann (1998) 127-129. Aesmünzen wurden mit gleichen Bildprogrammen jetzt auch parallel in Lugdunum geprägt: Dabei wurde die Globenbüste prägeorganisatorisch zum entscheidenden Kennzeichen für die in Lugdunum hergestellten Bronzen. Aegis, Panzer und Globenbüste finden sich vor den Münzen bereits in anderen Gattungen im Zusammenhang mit der Darstellung des Kaisers: vgl.u. Anm.63. Vgl. RIC I² 95-97. 100-111. 143-189. 228-248 (Nero).
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oder Nero erkannt haben wollten (Abb.10).33 Das Bild zeigt einen in langem, fast durchsichtigem Gewand schreitenden Kitharaspieler, der den Oberkörper weit zurückbeugt und zum tiefen Luftholen den Kopf zum Nacken hin überdehnt. Der Zeitpunkt dieser überaus realistisch gehaltenen Sängerdarstellung stimmt mit den ersten öffentlichen Auftritten des Kaisers überein. 34 Schon aus diesem Grunde werden die Betrachter des Bildes – wie Sueton – nicht nur an Apollon gedacht haben.35 Der Kithara-Typ wurde nach drei von insgesamt sechs Emissionen aus dem Programm genommen, gemeinsam mit einem Revers, der den opfernden Genius des Augustus zeigte. Bei ansonsten unverändert weiterlaufenden Parallelprägungen ersetzten neue Reverse mit dem Motiv des Janustempels sowie der Victoria die beiden Münztypen. Da Janustempel und Victoria bereits auch an anderer Stelle des neronischen Prägeprogramms vorkamen, kann der Wille zur Einführung neuer Münzbilder kaum der Anlass für die Änderung gewesen sein. Die eigentliche Bedeutung dieses Bildwechsels scheint eher in der Entfernung der beiden ‚künstlerischen‘ Motive aus dem Prägeprogamm zu liegen. Eine Feinchronologie für diesen Abbruch ist leider nur begrenzt möglich. Teilt man die – nach der Zählung des Standardzitierwerks – insgesamt sechs Buntmetallemissionen des Nero zwischen dem hier vorausgesetzten Anfangsjahr 64 und 68 n.Chr. gleichmäßig auf, so erfolgte der Wechsel in den Bildern schätzungsweise gegen Ende 66 n.Chr. Dies wäre ungefähr der Zeitpunkt der Abreise Neros nach Griechenland. Ein derartiger Befund macht es besonders problematisch zu entscheiden, inwieweit hier durch Nero selbst oder aber durch die Magistrate der Münzstätte in die Motivauswahl bzw. in die Absetzung eines Münzmotivs eingegriffen wurde.
3.
Die Reichsprägung Domitians
Domitian war als zweiter Sohn des Vespasian seinem älteren Bruder Titus nachgeordnet. Dies wird auch durch die genauestens aufeinander abgestimmten Titulaturen in den Münzlegenden unter Vespasian kenntlich gemacht: Vespasian besaß und dokumentierte mehr Konsulate und imperatorische Akklamationen als Titus, dieser wiederum mehr als Domitian. 36 Die Fürprägungen für Titus begannen früher, der sich überdies die Reversmoti-
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RIC I² 73-76 (Nero). Dazu Sutherland (1987) 93f.; Bergmann (1998) 185-189. Vgl. Bolton (1948) 86f. Suet. Nero 25,2, auch wenn sein Ansetzen dieses Münzbildes nach der Griechenlandreise 67 n.Chr. falsch ist: Die Münzen tragen IMP noch nicht als praenomen und sind somit vor 66 n.Chr. ausgeprägt worden, vgl.o. Anm.27. S. auch Bergmann (1998) 185189. Vgl. die Auflistung bei Carradice u. Buttrey (2007) 16f. sowie Buttrey (1980).
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ve mit seinem Vater teilte, während für Domitian eigene Bilder verwendet wurden. Beim Tod des Vespasian 79 n.Chr. trat erwartungsgemäß Titus die Nachfolge an. Doch nach dessen plötzlichem Ableben zwei Jahre später war die Reihe an Domitian. Die Münzprägung Domitians als Alleinherrscher lässt sich in drei Phasen äußerst unterschiedlicher Dauer einteilen. Diese unterscheiden sich vor allem durch die Bildprogramme. Die erste Phase nach dem unerwarteten Tod des Titus am 13. September 81 n.Chr. zeichnet sich zunächst durch die fast vollständige Weiterprägung der Edelmetallserie des Titus aus, allein das Aversporträt mit der Legende verwies auf den neuen Herrscher. 37 Erst gegen Ende des Jahres kamen zwei neue Reverstypen mit Motiven der Minerva hinzu. Die Göttin war auch schon Reversbild des Caesars Domitian unter Vespasian.38 Anders war jedoch die Entwicklung in den parallel ausgeprägten Buntmetallen, wo bereits seit dem Herrschaftsantritt Domitians neue Typen erschienen: neben mehreren Motiven der Minerva auch das den Herrschaftswechsel anzeigende Bild von Domitian mit Palladium, ein Motiv, das in analoger Weise bereits von seinen Vorgängern für den Herrschaftsantritt verwendet worden war.39 Zudem wurden Sesterze für den vergöttlichten Titus sowie für Domitia, die Frau Domitians, ausgegeben. Die von Titus übernommenen Restitutionsprägungen, welche Aes-Münzen früherer Kaiser wiederholten, scheinen ebenfalls in diesen Zeitraum zu fallen und stehen für formale Kontinuität.40 Insgesamt ist diese Phase durch den Herrschaftsantritt und die damit verbundene Übergangssituation charakterisiert, in der Domitian weitestgehend den unter Titus entwickelten bzw. den für Herrscherwechsel üblichen Vorgaben folgte. Eine große Umwälzung leitete im Verlauf des Jahre 82 n.Chr. die zweite Phase ein:41 Die Buntmetallherstellung blieb für zwei Jahre unterbrochen. Am markantesten war die Erhöhung des Edelmetallstandards beinahe auf das augusteische Maß.42 Gleichzeitig wurden die Reverstypen vollständig ausgetauscht. Die ersten neuen Edelmetallreverse zeigten die Büste von Minerva bzw. die stehende Fortuna mit Ruder und cornucopiae. Darauf folgte eine Serie von Prägungen für die bereits verstorbenen und für die noch lebenden Mitglieder der flavischen Dynastie: Domitians Vater Vespasian, die 37
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Nachweisbar ist auch eine hybride Prägung mit einem Aversstempel des Domitian und einem Reversstempel des Titus: RIC II.1 6 (Domitian). RIC II.1 920 (Vespasian). RIC II.1 80 (Domitian). Auch für Vespasian (RIC II.1 32 [Vespasian]) und für Titus (RIC II.1 166 [Titus]) wird ein solches Bild zu Herrschaftsbeginn geprägt, jedoch bekommen sie das Palladium jeweils von einer Gottheit (Victoria bzw. Roma) überreicht, während Domitian alleine auskommt. Carradice u. Buttrey (2007) 242. Komnick (2001) 98 datiert die Restitutionsprägungen dagegen in die erste Hälfte 83 n.Chr. Zu gleichzeitigen personellen Konsequenzen vgl. Carradice (1979) 101-103. Butcher u. Ponting (2012) 69.
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Geschwister Titus und Domitilla,43 die Nichte Julia, seine Frau Domitia (Abb.11) sowie schließlich Domitians bereits verstorbener Sohn (Abb.12). In bemerkenswerter Weise hoben die qualitätsvollen, reformierten Münzen in dieser zweiten Phase die eigene Dynastie hervor. Die dritte und letzte Phase begann nach kurzer Zeit bereits im Jahr 83 n.Chr. und veränderte das Bildprogramm abermals vollständig. Von kleinen Umgestaltungen abgesehen blieb das Bildrepertoire danach bis zum Tode Domitians weitgehend gleich. Auf den Reversen des Edelmetalls wurden ausschließlich vier Typen der Göttin Minerva ausgeprägt, der damit eine dominierende Stellung zufiel (Abb.13-16).44 Nur zwei Reverstypen traten im Laufe der Jahre dauerhaft auf den Aurei hinzu: 84 n.Chr. die auf einem Schild trauernde Germania und 88 n.Chr. Domitian in der Triumphalquadriga (Abb.17-18). Die jetzt eingetretene Standardisierung der Münzbilder wurde begleitet von einer steten Aktualisierung der Titulatur. Eine konsequente Zählung der Iterationen von Konsulat, tribunizischer Gewalt und imperatorischer Akklamation ermöglichte die Kontrolle der Emissionen. In Summe war eine derart vereinfachte, auf wenige Münztypen reduzierte und dafür mit Kontrollmöglichkeiten versehene Struktur eigentlich das Adäquate für die Münzen in einem mehrsprachigen und kulturell äußerst unterschiedlichen Reich. Auf die Funktion der Münzen als Geld bezogen kann diese Struktur als sachlich, ‚modern’ und effizient angesehen werden. Im Jahre 84 n.Chr. setzte die Buntmetallprägung mit zugleich neuen Typen wieder ein, welche sich vor allem auf den germanischen Krieg bezogen. Die Germania Capta-Darstellungen griffen zum großen Teil Bilder der Iudaea Capta-Serie von Vespasian und Titus auf – ein Erfolg, an dem Domitian in der flavischen Selbstrepräsentation nicht beteiligt worden war – und übernahmen mit der Anlehnung an die Darstellung des Sieges über die Germanen nicht nur die Form der Repräsentation, sondern auch die Funktion der Herrschaftslegitimation durch außenpolitische Sieghaftigkeit (Abb.19).45 Das Typenspektrum wurde im folgenden Jahr noch erweitert, blieb dann aber bis 43
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Das parallele Vorkommen von Münzen mit Vespasian/Tochter Domitilla (RIC II.1 146) und Titus/Tochter Julia (RIC II.1 147) spricht für eine Deutung der Domitilla als Schwester Domitians, nicht der gleichnamigen Mutter. Anders dagegen Kienast (1989) 141-147 und Wood (2010) 45-51. Gmyrek (1998) 58f. möchte zusammen mit Morawiecki (1977) 189f. darin eine Abkehr von der augusteischen res publica restituta und Hinwendung zu östlichen Herrschertraditionen sehen. So auch Leberl (2004) 77f. Dagegen jedoch Gering (2012) 145, der darauf hinweist, dass Minerva schon auf den Münzen des Caesars Domitian unter Vespasian erschien, als Domitian sich sicher nicht als hellenistischen Königssohn habe darstellen können. Vgl. beispielsweise den Gegner niederreitenden Kaiser (RIC II.1 386 [Vespasian] und RIC II.1 205 [Domitian]); Iudaea/Germania mit Gefangenem unter Palme/Trophäe (RIC II.1 1205 [Vespasian], RIC II.1 152 [Titus] und RIC II.1 274 [Domitian]) oder die schildbeschreibende Victoria (RIC II.1 14 [Vespasian] und RIC II.1 285 [Domitian]).
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zum Ende der Herrschaft 96 n.Chr. weitgehend stabil. Unterbrochen wurde der Prägeablauf nur durch eine Emission aus Anlass der Säkularspiele im Oktober 88 n.Chr. Ob in den Jahren 95 und 96 n.Chr. noch einmal neu aufgekommene Bilder als Beginn einer nicht mehr zur Entfaltung gekommenen vierten Phase zu werten sind, muss offen bleiben: Auf den Denaren traten nun zum ersten Mal seit langem neben den üblichen vier Minervatypen mehrere neue Reverse mit der geflügelten Minerva sowie der Göttin Maia, Mutter des Merkur und ebenso wie dieser für Handelserfolg zuständig.46 Ein weiterer Revers präsentierte einen gerüsteten Krieger frontal mit Speer und Trophäe. Die Darstellung entspricht dem Bild des Romulus, wie er als linke Akroterfigur des Divus Augustus-Tempels und wohl auch im Forum Augustum an der Spitze der summi viri dargestellt war.47 Unstrittig ist der Krieger als Romulus anzusprechen, die Trophäe dann entsprechend als spolia opima. Schließlich kamen vier verschiedene Tempel auf den Denaren zur Darstellung, darunter der Jupitertempel. Während die Aurei keine neuen Bilder aufwiesen, zeigte im Buntmetall eine kleine Serie von äußerst seltenen Sesterzen verschiedene Monumente: eine Reiterstatue – wohl der equus maximus Domitiani –, einen Triumphbogen sowie ein dreigeschossiges Gebäude, vielleicht der Palast Domitians. Auch für diese Bilder kann nicht gesagt werden, ob sie Sonderemissionen waren oder in die reguläre Prägung aufgenommen werden sollten. Spezifisch für die Münzprägung Domitians ist die insgesamt ausführliche Titulatur in der Legende. Sie hilft uns heute zugleich, die Münzen sehr genau zu datieren. Zeitgenössisch ging es bei der Zählung der Iterationen neben der prägeorganisatorischen Kontrolle allerdings vorrangig um die Darstellung des Erreichten, das sich eben auch in der wiederholten Bekleidung der Ämter ausdrückte. Darin übertraf Domitian seinen Vater und Bruder, die ihren Status ebenfalls in den Münzlegenden hervorgehoben hatten. Gegen Ende des Jahres 83 n.Chr. nahm Domitian darüber hinaus den Siegestitel GERMANICVS an und führte ihn sofort in der Titulatur der Münzlegenden. 85 n.Chr. bekleidete Domitian das Amt des Zensors und ließ sich später im Jahr die censoria perpetua übertragen. Auch dies wurde in den Münzlegenden mit CENSOR bzw. CENS PER kundgetan. Im Porträt kam es nur zu einer wesentlichen Veränderung: Im Jahr 84 n.Chr. wechselte die fleischige Darstellung hin zu einer schlankeren Version, nun auch mit Aegis. Nicht aufrechterhalten ließ sich die Standarderhöhung im Silber von 82 n.Chr. Sie wurde bereits 85 n.Chr. wieder zurückgenommen. Möglicherweise hing die Zurücknahme mit der Soldanhebung für die Soldaten und dem danach erheblich vermehrten Geldbedarf des Staates 46 47
Buttrey (2002) 262f. Akroterfigur: RIC I² 36 (Caligula), vgl. LIMC VII Romulus 5-9 (Jocelyn Penny Small).
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zusammen. Allerdings wurde der Standard nicht ganz auf das neronische Maß abgesenkt, welches von Vespasian und Titus übernommen und noch von Domitian zu Beginn seiner Regierungszeit in den Jahren 81-82 verwendet worden war, sondern er blieb etwas darüber.48
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Nero und Domitian im Vergleich
Die der Herrschaftslegitimation und Herrschaftsfestigung dienende Repräsentation ist ein Wechselspiel zwischen Erwartungen und Entsprechungen. Neben dem, was von einem römischen Herrscher allgemein erwartet wurde, konnten Repräsentationsformen auch auf konkrete gesellschaftliche Gruppen zielen. 4.1.
Bereiche herrscherlicher Repräsentation
Bereits für die Begründung des Prinzipats unter Augustus waren einerseits Abstammung – die durch entbotene pietas angenommen, aber auch sichtbar gemacht wurde – sowie andererseits hervorgehobenes Leistungsvermögen insbesondere im militärischen Bereich Grundvoraussetzungen für eine führende Stellung in der römischen Gesellschaft und im Staat. Eng gebunden an verantwortliche Tätigkeiten für die römische Bürgergemeinde war überdies Götternähe in ritualisierter oder aber charismatischer Form. Schließlich gilt es, insbesondere für die laut antiker Literatur ‚verhaltensauffälligen‘ Herrscher Nero und Domitian die Einführung neuer Repräsentationsformen zu vergleichen. 4.1.1. Legitimation durch Abkunft Die traditionelle Münzbildauswahl durch die tresviri monetales, die das Münzrund zur Zeit der Republik in großem Ausmaß werbend für die Inszenierung der Leistungen ihrer jeweiligen Familie nutzten, dürfte es begünstigt haben, dass auch im frühen Prinzipat Familienmotive die umfangreichste Gruppe auf reichsrömischen Münzen bildeten. Hinzu kam als Anforderung des neuen Systems die dynastische Legitimation bzw. das Aufbauen von Nachfolgern. Auch für den Herrschaftsübergang zu Nero und Domitian war das dynastische Prinzip ursächlich. Dennoch spielten in beider Münzbilder Rückbezüge auf die Familie nur ganz am Anfang eine Rolle. So thematisierten die ersten Münzen Neros die Divinisierung des Claudius, dazu zeigten sie Neros Mutter Agrippina: Zumal in Kombination mit den Legenden führte sich der neue Herrscher in ganz eigenartiger Weise vor allem als 48
Zu den drei verschiedenen Standards unter Domitian siehe Carradice (2012) 381f.; Butcher u. Ponting (2012) 69.
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Sohn ein (Abb.1-2).49 In ähnlicher Weise verkündeten die ersten Münzen Domitians die Erhebung seines Vorgängers Titus zum divus.50 Bei Nero wurden nach der nur wenige Monate andauernden Anfangsphase dann allerdings sämtliche Familienbezüge gestoppt. Ein Revers der motivreicheren Phase nach 64 n.Chr. zeigt ihn zwar noch einmal mit seiner neuen Gattin Poppaea (Abb.6). Doch das Bild verwies weder legitimierend in die Vergangenheit, noch bereitete es eine für die Herrscherfolge erkennbar relevante Zukunft vor. Selbst die bei allen seinen Vorgängern noch dichten Rückbezüge auf Augustus als den Begründer der herrschenden Dynastie fehlen bei Nero völlig. Die flavische Familie blieb in der Münzprägung Domitians hingegen noch etwas länger und intensiver präsent: Den auf die Abkunft verweisenden Anfangsprägungen folgten vor 83 n.Chr. Prägungen für verschiedene bereits verstorbene bzw. lebende Flavier (Abb.11-12). In den Jahren 88/89 erschienen zusätzliche Münzen für Domitians Gattin Domitia und für seine Nichte Julia. An Julia wurde auch nach ihrem Tod mit Neuprägungen erinnert. Eine Vorbereitung der Sukzession, so wie es ja beide selbst in den Fürprägungen ihrer Vorgänger erlebt hatten, fehlte unter Nero und Domitian nicht nur in der Programmatik der Münzen. Dieses Ausbleiben von familiären Nachfolgekandidaten dürfte dazu beigetragen haben, dass dem dynastischen Prinzip als solchem im Münzprogramm Neros und Domitians nur noch geringe Bedeutung zufiel.51 4.1.2. Legitimation durch Sieghaftigkeit Militärischer Erfolg war schon unter den Aristokraten der Republik das zuverlässigste Mittel, sichtbar über die Standesgenossen hinauszuragen und eine entsprechende Stellung auch im Staat einzufordern. In der Kaiserzeit galt es für die Herrscher schon aus wohlbegründetem Eigeninteresse, die Position herausragender militärischer Leistungsfähigkeit exklusiv zu besetzen. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als auffällig, dass in der ersten Phase der Münzprägung des vormaligen princeps iuventutis Nero jegliche Betonung seiner militärischen virtus fehlte. Erst in den letzten fünf Jahren seiner Herrschaft trat sie in Erscheinung, dann allerdings in ganz konzentrierter und vielfach innovativer Form. Bei Domitian hingegen war die Betonung der militärischen Leistungsfähigkeit schon von Anfang an zentrales Thema der Münzbilder. 49 50
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Zu den Legenden s.o. S.47. Die ersten Münzen zeigten den Divus Titus sowie Domitians Gattin Domitia. Vespasian, als Vater Domitians, kam erst in der Familienprägung 82-83 vor. Eine gewisse ‚Versachlichung‘ der Herrschaftsfolge scheint in der flavischen Dynastie in dem Bild des Palladium seinen Ausdruck gefunden zu haben: Nach Vespasian war dieses auch von Titus und Domitian genutzt worden (s.o. Anm.39).
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Es scheint, dass sich hinter der Zurückhaltung des frühen Nero geradezu eine programmatische Idee versteckte: Denn mit den Reverstypen der Roma ab 60 n.Chr., die ihren Fuß jeweils auf einen Helm setzt und so ganz konkret ihre Sieghaftigkeit über äußere Gegner anzeigt, wurde das Thema durchaus bedient (Abb.3-4). Doch war dieses die Sieghaftigkeit der Roma, nicht jene Neros. Nach 64 wurde die Sieghaftigkeit dann in radikaler Wendung ganz konkret an Nero gebunden: Schon auf den Aversen zierte jetzt der Lorbeerkranz des Siegers nahezu durchgehend das Haupt des Herrschers; neu hinzu trat die Büste Neros im Panzer. Damit war der größtmögliche Kontrast zu der zivilen Darstellung in den Aversen vor 64 erreicht und selbst der bei den Vorgängern Neros übliche Lorbeerkranz-Typus noch überboten.52 Auch die Reverse begannen jetzt mit dem normalen Schema allgemeiner herrscherlicher Sieghaftigkeit und zeigten Motive des Sieges wie den Triumphbogen für Nero (Abb.9), den Janustempel mit geschlossenen Pforten oder aber niedergelegte Waffen vor einer Säule. Schließlich führte Nero ab 66 in der Titulatur der Münzen konsequent das bis dahin von ihm vermiedene praenomen Imperatoris.53 Das Thema Sieghaftigkeit wurde bei Domitian vor allem mit der Germania Capta-Prägung überaus intensiv bedient. Sowohl die Einzelmotive wie das Gesamtprogramm lehnten sich eng an die Iudaea Capta-Prägungen des Vespasian und Titus an.54 Der Sieg über Iudaea war der zentrale öffentliche Leistungsnachweis der neuen flavischen Dynastie und fand seinen Ausdruck in einer Fülle neuentworfener Münzbilder. Bei diesen massenhaften Propagierungen des initialen flavischen Erfolgs war Domitian allerdings unberücksichtigt geblieben, und nur der vor Ort kämpfende ältere Bruder Titus durfte vor der römischen Öffentlichkeit mit seiner militärischen virtus glänzen. Es scheint geradezu, dass aus dieser – unter dem Aspekt der Thronfolge fraglos gebotenen – Zurücksetzung bei Domitian eine Defiziterfahrung resultierte. Denn den Krieg gegen die germanischen Chatten hat Domitian nach seinem Herrschaftsantritt vom Zaune gebrochen. Der Angriff bot ihm die Gelegenheit, in enger Analogie zu Iudaea Capta als Sieger über diesen geradezu topischen, doch de facto keineswegs übermäßig gefährlichen Angstgegner Roms öffentlich in Erscheinung zu treten. Zur Führung der Truppen reiste Domitian selbst an den Rhein. Die Ehrungen für ihn, wie etwa der dann auch sofort auf den Münzen geführte Siegesbeinamen GERMANICVS, setzten bereits deutlich vor Abschluss der Operationen ein und 52
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Den Panzer trägt das Porträt Neros allerdings nur auf zwei Münzen, nämlich mit den Rückseiten Janustempel (RIC I² 263) sowie Roma mit Victoria und parazonium (RIC I² 272 [Nero]). Bergmann (1998) 175 möchte dies als Hinweis auf den Erfolg gegen die Parther sehen. Suet. Nero 13; Cass. Dio 63,1,2-7,1 im Zusammenhang mit dem pompös gefeierten Zug des Tiridates nach Rom. Wolters (1989) 62-65.
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eilten dem schon bald nach Rom zurückkehrenden Prinzeps noch voraus. Wie Vespasian und Titus inszenierte sich Domitian auf den Münzen als Siegesreiter, der zu Pferd über einen fallenden Gegner hinwegsprengt. Auf anderen Münzen steht er persönlich sieghaft vor dem Flussgott Rhenus bzw. vor einem niederknienden germanischen Gefangenen.55 Der Wunsch nach demonstrativer Herausstreichung seiner Sieghaftigkeit kulminierte schließlich in den 22 angenommenen imperatorischen Akklamationen,56 die Domitian in den Legenden der Edelmetallmünzen ebenfalls durchzählte. In der zweiten Herrschaftshälfte Domitians scheint das Thema Sieghaftigkeit in der öffentlichen Repräsentation an Bedeutung verloren zu haben. Bilder für die von ihm selbst vorgetragenen Kämpfe an der Donau gegen die Daker des Decebalus, gegen Iazygen oder Sarmaten fehlen in der Münzprägung völlig: Während es für Nero in seiner zweiten Herrschaftshälfte mit der plötzlich massiven Darstellung militärischer Leistungen offensichtlich ein Repräsentationsdefizit zu beheben galt, scheint Domitian durch seine frühen Aktionen auf diesem Feld hinreichend profiliert gewesen zu sein. In seiner zweiten Herrschaftshälfte konnte Domitian nicht nur auf die Darstellung als Sieger verzichten, sondern offensichtlich wollte er dies auch.57 4.1.3. Götternähe und Göttlichkeit Die jeweiligen Götterbilder, die unter den verschiedenen Herrschern ausgeprägt wurden, lassen sich durchaus als spezifische Nähe zu diesen Göttern bzw. zu den von ihnen vertretenen Schutzbereichen interpretieren. Bei Nero fällt die starke Betonung der Roma über seine gesamte Herrschaftszeit auf, und auch Vesta, Victoria und Jupiter bedienten ein eher traditionelles römisch-italisches Pantheon. Der nicht vor Mitte 64 n.Chr. auf den Reversen erscheinende Jupiter Custos könnte als spezifischer Reverstyp eine Reaktion auf die erfolgreich aufgedeckte Verschwörung des Piso sein und besäße dann einen starken persönlichen Bezug zu Nero.58 Unter Domitian erdrückte die absolute Dominanz der Minerva ab der dritten Prägephase das gesamte Prägeprogramm (Abb.13-16). Die weitgehende Ausrichtung der Münzbilder auf eine einzige Göttin war ein Novum – indirekt bedeutete diese Typeneinschränkung ja auch einen Verzicht auf die Münzen als anpassungsfähiges Mittel aktueller Repräsentation und Kommunikation. Demonstrativ mit dem Herrscher verbunden wurde die
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Siegesreiter: RIC II.1 205; Rhenus: RIC II.1 278; Gefangener: RIC II.1 279 (Domitian). Zur Problematik der 23. imperatorischen Akklamation Domitians s. den Beitrag von Bönisch-Meyer u. Witschel S.115-117. Ab 90 n.Chr. verschwanden die Germania capta-Motive im Aes, nur die Personifikation der Germania auf den Aurei blieb bis zum Ende der domitianischen Münzprägung. RIC I² 52 (Nero).
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Nähe zu Minerva auf einem Sesterz, in dessen Reversszene Domitian capite velato vor einem Schrein der Göttin opfert.59 Stärker an Grenzen heran tasteten sich Münzbilder, die den Herrscher selbst in den Bereich der Göttlichkeit rückten. So wurde Nero nach 64 n.Chr. mit der Strahlenkrone des Sol dargestellt, sowohl auf den Aversen als auch in ganzfigurigen Reversdarstellungen (Abb.5-6. 10).60 Die Strahlenkrone war im römischen Kontext bis dahin dem divus vorbehalten und als Avers vor allem von den massenhaft ausgeprägten Divus Augustus-Prägungen wohlbekannt.61 In ihrer Bedeutung changiert die Strahlenkrone zwischen einem Götterattribut und einem Ehrenkranz, so dass die Näherung an göttliche Sphären nicht explizit wird und tastend bleibt.62 Neu eingeführt wurde als Büstenausstattung des Nero auf den Aversen überdies die Aegis: Sie war zwar eng mit Jupiter verbunden, doch auch sie besaß andere Träger, deren Unverletzlichkeit sie garantierte. Der erweiterte Kopfschmuck und die neuen Büstenformen lassen sich – wie übrigens auch die spektakulären frühen Doppelporträts Neros mit seiner Mutter Agrippina – bereits in der ptolemäischen Münzprägung finden; in anderen Kunstformen wie Plastik und Glyptik wurden sie auch im römischen Kontext bereits für die früheren Herrscher der iulisch-claudischen Dynastie verwendet.63 Nach Nero blieben Panzerbüste, Aegis oder Strahlenkrone als Ausstattungsformen der Averse bestehen. 64 Dabei wurde die Strahlenkrone ab Domitian zum Nominalkennzeichen des Dupondius. 65 Diese neue Funktion des Kopfschmucks weist zugleich darauf hin, dass Kopfschmuck und Büsten zwar Erweiterungen kaiserlicher Rollen ermöglichten, jedoch ebenso Teil einer zunehmenden prägeorganisatorischen Ausdifferenzierung waren, die der Unterscheidung von Prägetranchen dien-
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RIC II.1 277 (Domitian). Vgl dazu Suet. Dom. 15,3. RIC I² 44 und 46 (Nero) im Edelmetall sowie auf den Aversen mehrerer Asses (nur bis zur vierten Serie) und Dupondii: 109. 111-116. 119-121. 123f. (Nero) und öfter. Zu den beiden Münztypen im Edelmetall vgl. Bergmann (1998) 175-181. RIC I² 70-83 (Tiberius); 3f. 9f.15f. 23f. 31 (Caligula). Bergmann (1998) 118. Von den Hoff (2009) 250-256. Ebenso der Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band, S.181-216. Die Panzerbüste erschien als eine Möglichkeit militärischer Charakterisierung bei Domitian bereits in den Fürprägungen unter Vespasian für ihn wie für seinen Bruder Titus: RIC II.1 473. 476f. 479 (Vespasian) für Titus. Domitian: RIC II.1 652f. 656 (Vespasian). Als Herrscher wurde Domitian erst in den letzten Prägungen mit der Panzerbüste gezeigt: RIC II.1 792f. 796f. 799. Die Aegis und die Strahlenkrone gab es sowohl bei Vespasian als auch bei Titus und Domitian. Vor der Wiedereinsetzung der Buntmetallprägung 84 n.Chr. wurden unter Domitian noch einige wenige Dupondien mit Lorbeerkranz statt der Strahlenkrone ausgeprägt: RIC II.1 82f. 107 (Domitian).
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te:66 Jede inhaltliche Interpretation muss diese technische Funktion berücksichtigen und entsprechend behutsam vorgehen. Spektakulärer im Hinblick auf Grenzverletzungen erscheinen demgegenüber die Reversbilder, die Nero und Domitian götterähnlich zeigten: Nero im Revers stehend mit der Strahlenkrone des Sol, dazu Nero mit Poppaea in Form von Götterstandbildern (s.o. S.51f.; Abb.5-6). Die Entwicklung wurde bei Domitian fortgeführt: Er wurde ab 85 n.Chr. mit dem Blitzbündel als Attribut des Jupiter in der Hand und von Victoria bekränzt werdend dargestellt (Abb.20).67 Der Panzer signalisiert, dass es sich um den Kaiser und nicht um den Göttervater selbst handelt. Hierarchisch gesehen wurde Jupiter auch nicht von Victoria bekränzt: Trotz des Blitzsymbols bestand keine Gleichstellung des Kaisers mit dem obersten Gott. Möglicherweise geht die Bildidee auf das berühmte Alexanderbild des Apelles im Artemision von Ephesos zurück, das kurz zuvor etwa noch Plinius der Ältere in seiner Naturgeschichte beschrieben hatte.68 Eine Abbildung dieser Alexanderdarstellung mit Blitzbündel und Speer, wie er von einer fliegenden Nike bekränzt wird, liegt vielleicht in den noch zu seinen Lebzeiten ausgeprägten Dekadrachmen des Taxiles vor (Abb.21).69 Sollte es sich bei dem Revers Domitians um eine bewusste Anlehnung an dieses Bild des Apelles handeln, dann wäre weniger der Vergleich mit Jupiter die entscheidende Aussage, als jener mit Alexander dem Großen.70 Das neue Münzbild jedenfalls wurde von den Zeitgenossen offensichtlich nicht als Grenzverletzung angesehen, wofür auch seine Wiederaufnahme schon bald darauf durch Traian spricht.71 4.1.4 Neue Legitimationsformen: Künstler und Bauherren Im Vergleich zu seinen iulisch-claudischen Vorgängern lassen sich manche Spezifika in der Repräsentation Neros auf Münzen dahingehend zusammenfassen, dass Nero sich stärker als Individuum akzentuierte. Am deutlichsten ist dieses der Fall bei der Lösung aus der von Augustus vorgegebenen klassizistischen Porträtform.72 An deren Stelle trat nicht nur ein mit weitaus stärker individuellen Zügen versehenes kraftvolles Porträt, sondern dieses 66
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Vgl. Bastien (1992-1994). Zur konsequenten Nutzung dieses Mittels bald darauf bei Traian: Woytek (2010) 73-90. RIC II.1 283 (Domitian). Plin. nat. 35,92. Zur Münze des Taxiles vgl. Hollstein (1989) und sehr ausführlich Holt (2003). Allenfalls formal hilfreich ist der Hinweis von Gering (2012) 150 auf RIC II.1 935 (Vespasian) als Parallele: Vespasian wird hier zwar von Victoria bekränzt, doch trägt der Kaiser nicht das Blitzbündel. RIC II1 549 (Traian). Schneider (2003) 64f. Hiesinger (1975) 123 sieht keinen großen Bruch, sondern hält die neronische Porträtentwicklung eher für „an unprecedented extension“.
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folgte mit der Darstellung der Wohlleibigkeit und des Künstlertums einem bis dahin in der römischen Porträtkunst für Aristokraten geradezu undenkbarem Ideal.73 Die Münzen sind in diesem Fall allerdings für die neue Repräsentationsform nicht exklusiv, sondern nur ein Medium unter anderen, in denen sich diese generelle neue Selbstdarstellung ausdrückte. Nur auf Münzen erhalten sind die Bilder des sogenannten Apollon citharoedus, die selbst dann, wenn sie nicht Nero als Sänger darzustellen beabsichtigt haben sollten, so doch bereits von den Zeitgenossen in dieser Weise interpretiert worden sind (Abb.10). Das Bild des Kitharöden erscheint direkt mit der Wiederaufnahme der Bronzeprägung und fügt sich in das Spektrum der ab Caligula bilderreich und erzählend auftretenden Buntmetallreverse. Das Einsetzen der Buntmetallprägung nach der rund zwanzigjährigen Unterbrechung ab Claudius dürfte kaum vor Mitte 64 n.Chr. zu datieren sein: Bei einer inklusiven Zählung des fünfjährigen Abstands seit 60 sind die Münzen vermutlich bereits eine Reaktion auf das erste stadtrömische Auftreten Neros als Sänger bei den zweiten Neronia.74 Gemeinsam mit dem Porträt wird die neue Selbstdarstellung Neros als Künstler greifbar: Nicht als Ausstieg aus der Herrscherrolle, sondern als Form eines anderen Leistungsnachweises, der ihn nach wie vor zum Prinzeps qualifizierte. 75 Für Domitian findet sich kein vergleichbarer Rollentausch. Auffallend in seinen Reversmotiven ist allein noch die größere Zahl von Bauwerken und Standbildern. Die Münzabbildungen spiegelten die tatsächlich intensivierte Bautätigkeit in Rom und kommunizierten diese verstärkend nach außen. Eine ähnliche Bedeutung hatten Architekturmotive auf Münzen zuletzt unter Augustus als anderem großen Bauherrn in Rom besessen. 76 An Münzbilder des ersten Prinzeps erinnerten schließlich auch die zahlreichen Bildmotive aus Anlass der ludi saeculares.77 Mit der auf Bauten und Feste der Stadt 73 74
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Scheider (2003) 67. Nach Bergmann (1998) 187 war die Darstellung auf Münzen erst nach dem öffentlichen Auftreten Neros möglich. Vor den zweiten Neronia war der Kaiser bereits in Neapel aufgetreten. Tac. ann. 16,4,1 datiert die Wiederholung der von Nero gestifteten Spiele 65 n.Chr., Suet. Nero 21,1,2 erwähnt das Vorziehen der Neronia auf das Jahr 64. Nach Bolton (1948) 82f. 86f., der die Berichte in Einklag zu bringen versucht, wurden die Jahre zwischen den Neronia inklusiv gezählt. Die Kitharödenmünze erschien zeitgleich mit einem Semis, der auf die Neronia hinwies: RIC I² 91 (Nero) mit der Legende CERTAMEN QVINQ ROM CO. Vgl. zur Datierung der zweiten Neronia auch den Beitrag von Alexander Heinemann in diesem Band S.224-227. Rilinger (1996) 142-151; Meier (2008) 563f. 590f. Nach Meier interessierte Nero der Prinzipat nicht, seine Ambitionen hätten sich allein auf das Künstlertum erstreckt. Dabei hätte sich Nero mit den mythischen Gestalten der griechischen Tragödie in einer Weise verbunden, dass Realität und Fiktion nicht mehr zu trennen waren. Vgl. zum Zusammenhang von Künstler- und Herrscherrolle für die Dekomposition Neros bei Cassius Dio den Beitrag von Verena Schulz in diesem Band S.408-413. Zu Bauten auf Münzen: Burnett (1999) 137-164. RIC II.1 595-627 (Domitian).
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Rom konzentrierten Selbstdarstellung hob Domitian sich zwar von seinen direkten Vorgängern ab, doch bewegte er sich mit dieser Demonstration herrscherlicher Leistungsfähigkeit in traditionellen Bahnen und knüpfte überdies an ein gültiges Vorbild an. 4.2.
Ansprache gesellschaftlicher Gruppen
Die Repräsentation kann schließlich über die Münzen auch unmittelbar auf bestimmte Rezipientengruppen zielen. Besonders deutlich sind diesbezüglich jene Bilder, die den Herrscher in direktem Kontakt zeigen. In ihrer Bezugnahme auf die drei wichtigsten Gruppen der römischen Gesellschaft, den Senat, das stadtrömische Volk und das Heer, gibt es signifikante Unterschiede im Vergleich beider Kaiser. Bezüge zum Senat hob die EX SC-Gruppe des Nero hervor, wenn auch deren Verständnis unsicher bleibt. Doch fraglos unterstreichen die Münzen die Rolle des Senats als Legitimationsinstanz. In krassem Gegensatz zu diesen Anfangsjahren fehlt beim späten Nero jede weitere Bezugnahme auf dieses Gremium.78 Unter Domitian gab es hingegen überhaupt keine senatsorientierten Motive: Nicht einmal der sonst so geläufige Eichenkranztyp wurde unter ihm ausgeprägt.79 Gegenüber dem Volk und insbesondere der plebs urbana sind Bezüge bei beiden Herrschern zu finden, wenn auch unter Nero anfangs zögerlich: Allein ein Ceres-Revers ab 60 n. Chr. verweist auf das Thema Getreideversorgung. Nach 64 allerdings wurden die Bezüge dichter und Nero selbst trat in Erscheinung. Neu entworfen wurde der komplexe congiarium-Typ (Abb.8): Der Herrscher selbst sitzt auf einer Plattform mit der Toga in einer sella curulis. Auf einem davorstehenden Podest überreicht ein sitzender Beamter einem Bürger, der von einem Kind begleitet wird, das Geldgeschenk. Frontal ausgerichtete Statuen der Liberalitas mit erhobener tessera sowie der Minerva mit Eule und Speer bilden den Hintergrund. Die Legende CONG(IARIVM) II DAT(VM) POP(VLI) R(OMANI) – SC stellt für das Verständnis des neuen Bildmotivs Eindeutigkeit her und verweist zugleich auf die bereits vorher stattgefundene erste Verteilung.80 Doch auch die Münze selbst war zum Ausgabezeitpunkt bereits erinnernd, denn das zweite congiarium erfolgte schon 57. Erst nach der Wiederaufnahme der Bronzeprägung sieben Jahre später wurde das Ereignis zu einem Münzmotiv. Auf den Bronzen erschien in weitaus erzählenderer und anschaulicherer Weise ebenfalls 78
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Selbst auf den neuen stadtrömischen Buntmetallmünzen wurden die Buchstaben SC unter Nero einige Zeit nicht aufgebracht, s.o. Anm.29. Unter Vespasian wurde dieser oftmals dargestellt, z.B. RIC II.1 7. 125f. (Vespasian), nicht jedoch unter Titus. RIC I² 100 (Nero). Eine zweite Bildgestaltung des congiarium findet sich unter RIC I² 102 (Nero).
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als neues Münzmotiv Ceres als Gottheit für den Ackerbau gemeinsam mit Annona, der Personifikation der Getreideversorgung, zwischen ihnen ein modius auf einem Altar und das Heck eines Schiffes als ergänzendem Attribut.81 Auch Darstellungen des von Nero neu gebauten macellum sowie des von Claudius begonnenen Hafens von Ostia, der von Nero vollendet wurde, verweisen auf die Sicherung der hauptstädtischen Getreideversorgung und Neros Einsatz dafür.82 Unter Domitian wurden schon ab 84 n.Chr. im Buntmetall Bilder von Annona mit Kind und einem Schiff im Hintergrund sowie von Fides mit einer Fruchtplatte und Kornähren ausgeprägt. 83 Im folgenden Jahr wurde das neronische Bild der Annona mit Ceres kopiert.84 Alle drei Motive wurden bis in das Jahr 89 als Münzreverse genutzt. Ungeachtet der Auszahlung von insgesamt drei congiaria gibt es unter Domitian allerdings kein Münzbild, das diese illustriert hätte. Das anschauliche und in der Kaiserzeit bis ins 3. Jahrhundert oft kopierte Münzmotiv Neros wurde etwa auch von Vespasian übernommen, später selbst von Nerva.85 Trotz Aufnahme von Themen für die plebs urbana vermied Domitian in seiner Repräsentation offensichtlich distanzlose Selbstinszenierungen, die ihn in direktem Kontakt mit dem Volk zeigten. Im Hinblick auf das Heer fehlen beim frühen Nero jegliche Bezüge. Doch auch dies änderte sich nach 64 n.Chr. radikal: Münzbilder zeigten den Herrscher ab jetzt sogar in direkter Interaktion mit den Soldaten: Auf neu entworfenen decursio-Reversen reitet der Kaiser im Panzer und wird von Soldaten zu Pferd oder zu Fuß begleitet. Das unter Caligula anstößig wirkende Bild des Herrschers vor den Soldaten bei der adlocutio erscheint leicht modifiziert aufs Neue (Abb.7). In der direkten Agitation des Herrschers mit den Soldaten ist es gewissermaßen die militärische Variante des congiariumTyps.86 Als Appel an das Militär können auch die eng an die Legionsdenare des Marcus Antonius angelehnten Münzen mit dem Bild des Legionsadlers zwischen zwei Feldzeichen verstanden werden, mit denen der Triumvir die
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RIC I² 98 (Nero). Garnsey (1988) 224 bezieht die Darstellung auf den Getreideengpass nach dem Brand von 64 n.Chr. Macellum: RIC I² 109 (Nero); Ostia: RIC I² 178 (Nero); zur Nutzung für die Getreideversorgung vgl. Garnsey (1988) 223. Annona: RIC II.1 212 (Domitian); Fides: RIC II.1 214 (Domitian). RIC II.1 349 (Domitian), vgl. RIC I² 98 (Nero). RIC II.1 420 (Vespasian); RIC II1 56 (Nerva); RIC II1 380 (Traian); RIC II1 129 (Hadrian); RIC III 74 (Antoninus Pius). Die congiaria Domitians sind belegt durch Suet. Dom. 4,5; vgl. Jones (1992) 74. Decursio: RIC I² 103 (Nero); adlocutio: RIC I² 95 (Nero), vgl. RIC I² 32 (Caligula).
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ihm folgenden Truppen in massenhaft ausgeprägten Serien sogar namentlich ansprach.87 Domitians Sieghaftigkeit nahm bereits auf den ersten eigenständigen Münzen breiten Platz in seiner Herrschaftsrepräsentation ein. 88 Die adlocutioSzene wurde unter ihm vermutlich übernommen, allerdings ist das einzige erhaltene Stück dieses Münztyps nicht über jeden Zweifel erhaben.89 Neu entworfen wurden zwei Handreichungsdarstellungen zwischen Domitian und einem Offizier.90 In Summe ist bei der Betrachtung der Ansprache gesellschaftlicher Gruppen in der Münzprägung der beiden Herrscher bemerkenswert, dass der Senat als Ansprechpartner nur beim frühen Nero erkennbar wird, nicht jedoch beim späteren Nero oder überhaupt bei Domitian. Der späte Nero sprach jedoch mit seinen Münztypen intensiv die bis dahin kaum bzw. nicht berücksichtigte plebs urbana und das Heer an, die unter Domitian von Anfang an berücksichtigt worden waren. Gleichwohl war in den Münzbildern Domitians Repräsentationsverhalten gerade gegenüber dem Volk von größerer persönlicher Distanz geprägt.91
5.
Zeitgenössische Reaktionen, Rückbezüge und Gegenpositionen in der Münzprägung
5.1.
Zeitgenössische Wahrnehmung von Münzbildern
Die Beobachtung von Münzbildern fand nur selten Eingang in die schriftliche Überlieferung der Antike. Vorbehalten war dies besonders spektakulären Münztypen oder Umständen. Wenn sich derartige Erwähnungen unter Caesar und Augustus häuften, so ist dies fraglos auch Reflex einer sich in 87
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RIC I² 68 (Nero); Legionsdenare: RRC 544/1-39. Bei Marcus Antonius waren die einzelnen Legionen, die auf seiner Seite im Bürgerkrieg standen, auf den Münzen namentlich genannt. Vgl. o. S.59f. Dazu auch: Mars mit Tropaion: RIC II.1 216 (Domitian); Tropaion mit Gefangenem und Germania: RIC II.1 274 (Domitian); Waffen: RIC II.1 296 (Domitian); Victoria: RIC II.1 229 (Domitian). RIC II.1 206 (Domitian); vgl. Carradice u. Buttrey (2007) 280 Anm.20. Das Motiv verweist zugleich als einziges auf die Solderhöhung Domitians 83 n.Chr. (Cass. Dio 67,3,5); vgl. Alston (1994) 114. 116; Griffin (2000) 65. RIC II.1 281. 361 (Domitian). Unter den letzten Prägungen in den Jahren 95 und 96 n.Chr. finden sich ein Bild des Romulus mit Trophäe sowie ein Altar, auf dem je zwei Soldaten und Legionsadler sowie Gefangene den Dekor bilden: Altar: RIC II.1 784 (Domitian); Romulus: RIC II.1 793 (Domitian), vgl. auch o. S.56. Zur fehlenden civilitas vgl. den Beitrag von Egon Flaig in diesem Band. Bei WallaceHadrill (1982) 41f. 47 erscheint Domitian nur als Gegenbeispiel von civilitas. Eine Ausnahme stellen die Prägungen für die ludi saeculares dar (RIC II.1 595-627 [Domitian]), auf denen Domitian in Interaktion mit Bürgern gezeigt wird. Hierbei folgte er aber den Pflichten des Spielgebers und dem Vorbild des Augustus.
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diesen Jahren beschleunigenden Bildsprache. Beachtung fand unter Nero dann allerdings der Typ des Apollon citharoedus (Abb.10). Sueton berichtet, dass der Kaiser nach dem Sieg im Kitharödenwettbewerb u.a. auch Münzen prägen ließ, die ihn in Kitharödentracht darstellten. 92 An anderer Stelle übermittelt Sueton den sicherlich zeitgenössischen Spottvers, der das Münzmotiv Neros mit der wohlbekannten typischen Persermünze kontrastierte, auf welcher der Großkönig als Bogenschütze zu sehen war: „Unser Herrscher spannt die Saiten der Leier, der Parther aber den Bogen.“93 In der Erinnerung hatte sich die gekonnte Anspielung über Nero hinaus erhalten. Für Domitian gibt es nur weniger deutliche Hinweise auf die Wahrnehmung von Münzbildern durch Zeitgenossen. Inwieweit die Beschreibungen Domitians als Jupiter und „Donnerer“ von den Münzbildern inspiriert worden sind, ist kaum zu erschließen. Doch begünstigte die weite Verbreitung des Motivs fraglos das richtige Verständnis der Anspielungen. Mit größerer Wahrscheinlichkeit auf eine Münzabbildung zurück geht die ungewöhnliche Würdigung des früh verstorbenen Sohnes Domitians. Der Revers der Münze zeigt das zum divus erhobene Baby nackt auf dem Himmelsglobus sitzend,94 wie es mit den Sternen spielt (Abb.12).95 Es scheint, dass es genau diese Münze war, welche angesichts des stoischen Verhaltens Domitians bei einer von eisigem Regen übergossenen öffentlichen Veranstaltung die feine Ironie Martials auf sich zog: „Sieh nur, wie ein dichtes Vlies von lautlosem Wasser Auf Caesars Gesicht und Gewand herabsinkt! Dennoch sieht er es Jupiter nach, und ohne den Kopf zu bewegen, lacht er über das Wasser, das in der lähmenden Kälte gefror, gewohnt, den Sternen des hyperboreïschen Bootes zu trotzen und trotz nasser Haare den Großen Bären zu ignorieren. Wer amüsiert sich da über das trockene Wasser und spielt mit uns vom Himmel her? Sollte dieser Schnee von Caesars kleinem Sohn kommen?“96 (Übers. Barié u. Schindler)
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Suet. Nero 25,2: Sacras coronas in cubiculis circum lectos posuit, item statuas suas citharoedico habitu, qua nota etiam nummum percussit. „Die heiligen Siegeskränze legte er in seinem Schlafzimmer rings um sein Lager nieder, ebenso errichtete er Statuen, welche ihn als Kitharöden darstellten. In dieser Tracht ließ er sich auch auf Münzen prägen.“ (Übers. Till). Vgl. auch Ps.-Lukian. Nero 7. Suet. Nero 39: Dum tendit citharam noster, dum cornua Parthus. Der Himmelsglobus symbolisiert den Kosmos, also die wohlgeordnete Welt, vgl. Schramm (1958) 7f. RIC II.1 152 (Domitian). Mart. 4,3: Aspice quam densum tacitarum vellus aquarum defluat in voltus Caesaris inque sinus. indulget tamen ille Iovi, nec vertice moto concretas pigro frigore ridet aquas,
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Auch wenn die Zahl der Beispiele klein bleibt, so sind diese doch ein Indiz dafür, dass die Münzbilder Neros und Domitians zu jenen zählten, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zogen. 5.2.
Bezugnahmen von Domitian auf Nero?
Eine andere Frage ist, ob es auch direkte Bezugnahmen in der Münzprägung beider Herrscher gab, Übernahmen also oder Distanzierungen Domitians von Nero. Der Ceres/Annona-Typ unter Domitian folgte direkt dem neronischen Vorbild.97 Doch ist es unwahrscheinlich, dass der illustrative, ansonsten aber eher unspektakuläre Münztyp Erinnerung an das neronische Vorbild weckte. Ein direkter Bezug zwischen Nero und Domitian kann im Bereich der Münzprägung allerdings auf einer ganz anderen Ebene gefunden werden, nämlich in der ebenso überraschenden wie ungewöhnlichen Verbesserung des Metallstandards der Edelmetallmünzen unter Domitian: Mit dieser Maßnahme wurde die große Devaluation des Jahres 64 n.Chr.98 von Domitian schon bald nach seinem Herrschaftsantritt rückgängig gemacht. Zugleich war dies eine Abkehr Domitians von der Geldpolitik seines Vaters Vespasian und Bruders Titus, welche die Einschmelzung und stoffwertreduzierte Neuausprägung der vorneronischen Münzen fortgesetzt und für den Staat finanziell profitabel gemacht hatten. Domitian hingegen brachte die Münzen wieder auf den ‚guten alten Standard‘. Wirtschaftlich war die Maßnahme ohne Sinn und ebenso wenig durchzuhalten – weder im Umlauf, wo die schwergewichtigeren, doch nennwertidentischen neuen Münzen von den Nutzern gehortet oder eingeschmolzen wurden,99 noch staatswirtschaftlich im Hinblick auf ausreichende Edelmetallvorräte. Schon in der Folge der Solderhöhung von 83 musste die Verbesserung des Standards offensichtlich 85 n.Chr. zum größten Teil zurückgenommen werden.100 Die Verbesserung des Metallstandards war fraglos nicht wirtschaftlichen Überlegungen geschuldet, sondern ein Akt der Repräsentation: In deutlichem Gegensatz zur Devaluation Neros begradigte Domitian das Verhältnis
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sidus Hyperborei solitus lassare Bootae et madidis Helicen dissimulare comis. quis siccis lascivit aquis et ab aethere ludit? supicor has pueri Caesaris esse nives. Vgl. o. Anm.84. Vgl. o. Anm.7. Sog. Greshamsches Gesetz. Eine komplette Neuprägung aller Münzen auf einen Schlag war ebenso wenig möglich wie unter Nero. Zur Solderhöhung existiert auch eine allerdings zweifelhafte Münze: RIC II.1 206 (Domitian), vgl. o. Anm.89. Woytek (2010) 21f. geht von einer längeren Beibehaltung des verbesserten Standards aus. Die Silberprägung sei erst unter Traian 99/100 auf den neronischen Standard – wohl zur Vorbereitung der Dakerkriege – verschlechtert worden.
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von Stoffwert und Nennwert der Edelmetallmünzen. Die erneuerten Münzen wurden so zu einem Symbol für die Wiederherstellung der alten Normen und Werte bzw. für solide Substanz. Das zweite Beispiel für den Versuch einer derartigen wirtschaftlich schlichtweg nicht funktionierenden Verbesserung des Metallstandards neugeprägter Münzen gegenüber den umlaufenden bot Pertinax: Auch bei ihm verband sich die Vorstellung vom guten Kaiser mit einer guten Münze.101 Bezogen auf ihre Funktion als Geld zeigen die Münzen Domitians eine scharfe Distanzierung von Neros Politik der Substanzverschlechterung. 5.3.
Kontinuitäten und Gegenpositionen
Eine Betrachtung der von der Münzprägung Neros und Domitians ausgehenden Kontinuitäten oder die Formulierung von Widersprüchen öffnet ein weites Feld. An dieser Stelle sollen nur einige der augenfälligsten Entwicklungen und Brüche verfolgt werden: So wurden die als Grenzerweiterung beschreibbaren neuen Kopfschmuck- und Büstenformen mit Strahlenkranz und Aegis nach Nero für die reichsrömischen Münzen beibehalten. Ausgangspunkt einer ‚Auseinandersetzung‘ wurde allerdings Neros Bruch mit den Traditionen des iulisch-claudischen Porträts: Galba setzte sich mit militärischem Kurzhaarschnitt und deutlicher Altersangabe betont von der jugendlichen Verfettung und dem Künstlertum Neros ab. Der ihm folgende Otho lehnte sich im Porträt hingegen etwa mit der Gradus-Perücke wieder deutlich an Nero an. Vitellius wiederum verband den militärisch kurzen Haarschnitt mit detaillierten Alterszügen und den von Nero eingeführten Merkmalen starker Verfettung. Wie die „ideologisierten Bildzeichen im Kontext einer politischen Auseinandersetzung mit konkurrierenden bzw. assimilierenden Bildniskonzepten: (...) jeweils unterschiedliche Vorstellungen von Kaiserherrschaft formulierten“, ist von Rolf Michael Schneider detailliert herausgearbeitet worden.102 Vespasian schließlich zeigte sich mit drastischen und schonungslosen Alterszügen, die in ihrer Schärfe ein ebenso krasses Gegenbild zu Augustus, wie aber auch zu Nero erzeugten. Der in seinem rechtlichen Gehalt schwierig zu präzisierende Legendenzusatz EX SC auf den bis 64 n.Chr. geprägten Edelmetallen des Nero kam in ähnlicher Weise als SC auf Denaren des Clodius Macer während des Bürgerkrieges vor. Unter Macer begleiteten die Buchstaben allerdings das Porträt auf dem Avers. Eine vom Senat abgeleitete Legitimität ließ sich in dieser Anordnung sowohl auf die Stellung des Macer als auch auf seine Ausübung des Prägerechts beziehen, und möglicherweise war hier Ambivalenz abermals bewusst eingesetzt worden. Doch die Vorstellung vom Senat als maß101 102
Zur Wahrnehmung des Pertinax: Cass. Dio 74,5,1; 75,4,5; SHA Pert. 14,6. Schneider (2003) insbes.69f., Zitat auf S.70.
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geblicher Autorität liegt diesen Münzen axiomatisch zu Grunde und strahlt auch auf das Verständnis der frühen Edelmetallprägungen Neros mit vergleichbarer Legende zurück.103 Das Hauptcharakteristikum der Münzprägung Domitians, nämlich die drastische Reduktion der Bildprogramme bei gleichzeitiger kontinuierlicher Aktualisierung der Legende – die hier einerseits unter dem Aspekt der Münze als Geld als Modernisierung eingeordnet wurde, andererseits eine Abkehr von den Möglichkeiten der Kommunikation und Repräsentation durch Münzen bedeutete – setzte sich weder inhaltlich, noch in der formalen Struktur durch. Nach Domitian beschleunigten sich die Münzbilder eher noch stärker als in der Zeit zuvor. Auch das spektakulär deutbare Bild Domitians in Jupiterpose wurde nicht gestoppt (Abb.20), sondern unter Traian in völliger Analogie übernommen.104 Scharfe Abgrenzungen sind allerdings beim Übergang von Domitian zu Nerva zu beobachten: Von Nerva existieren auf den Münzen keine Darstellungen im Panzer oder Feldherrnmantel, ebenso fehlen jegliche militärische Typen. Minerva-Typen wurden nicht mehr ausgeprägt, allein auf dem auf Nero zurückgehenden congiarium-Typ kommt sie bei Nerva als Hintergrundfigur vor.105 Eine explizite Distanzierung von Domitian bieten schließlich die sogenannten ‚Sozialreverse‘ der Buntmetallprägung Nervas: Mit innovativen und teils auch komplexen Münzbildern werden sie von ausführlichen Legenden begleitet, die in ihrem positiven Bericht der Maßnahmen Nervas die Missstände unter seinem Vorgänger drastisch anprangern: Die Sicherstellung der Getreideversorgung für die plebs urbana (PLEBEI VRBANAE FRVMENTO CONSTITVTO), Erleichterungen für das Fuhrwesen in Italien (VEHICVLATIONE ITALIAE REMISSA) oder die Beseitigung von Schikanen bei der Eintreibung der Judensteuer (FISCI IVDAICI CALVMNIA SVBLATA) sprechen verschiedenste, teils kleine Bevölkerungskreise äußerst konkret an, wobei die allen gemeinsame Kritik an der Verwaltung unter Domitian überrascht.106 Die Münzbilder Nervas reagierten zwar nicht innerhalb eines Mediums auf Domitian, da es bei ihm keine mit diesen Aussagen korrespondierenden Münztypen gab, doch nutzte der neue Kaiser das Medium Münze, um sich von Domitian abzugrenzen. Die Bronzemünzen boten ihm nicht nur größtmögliche, sondern mit der vorrangigen Ansprache eines römisch-italischen Publikums wohl auch die für seine Repräsentationsabsichten zielgenaueste Öffentlichkeit. 103
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EX SC findet sich nur noch bei RIC I² 93 (Civil Wars) mit Augustuskopf/Quadriga r., EX SC i.A. Vgl. RIC II1 549 (Traian). RIC II1 56 (Nerva). Getreideversorgung: RIC II1 89; Fuhrwesen: RIC II1 93; Judensteuer: RIC II1 82 (Nerva). In diese Gruppe ist auch die erst unter Traian belegte Münze mit der Legende CIRCENS CONST einzuordnen, vgl. Woytek (2008).
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6.
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Zusammenfassung
Die als herrschernah zu charakterisierende Reichsprägung Neros und Domitians lässt trotz deutlicher Veränderungen gegenüber den Vorgängerprägungen – sowie sich teils scharf voneinander unterscheidenden Phasen mit sehr eigenständigen Profilierungen – in ihren Bildprogrammen keine Grenzüberschreitungen in einer Qualität erkennen, die ein Urteil als ‚verrückte Kaiser‘ aus der Perspektive der Zeitgenossen stützen könnten. Selbst dort, wo etwa für Nero Versuche der Selbstrepräsentation als Künstler oder für Nero und Domitian Annäherungen an die göttliche Sphäre zu erkennen sind, verschleierten einerseits Ambivalenzen das Gewicht dieser Neuerungen, andererseits setzten sich die gewählten göttlichen Attribute für den Herrscher bzw. die neuen Darstellungsformen in aller Regel sofort unter den Nachfolgern fort. Aufschlussreicher für die Bedingungen der zeitgenössischen Akzeptanz beider Herrscher war der Versuch, die Ansprache der großen gesellschaftlichen Gruppen in den Bildprogrammen ihrer Münzen zu analysieren. Der sich anfangs einer allgemeinen Romidee, vielleicht sogar Senatsnähe verpflichtet gebende Nero wechselte in den letzten Jahren zu einer starken Betonung seiner persönlichen militärischen Virtus sowie Hervorhebung seiner besonderen Fürsorge für die plebs urbana. Bei dem von Beginn sich durch militärische Sieghaftigkeit und Heeresnähe legitimierenden Domitian finden sich hingegen keine Angebote für die Senatoren, und auch gegenüber der plebs urbana wird jede distanzlose Annäherung vermieden. Bemerkenswert für Staatswirtschaft und Verwaltungshandeln ist schließlich die aus finanziellen Gründen vorgenommene drastische Verschlechterung in der Substanz der Gold- und Silbermünzen unter Nero, mehr aber noch der – letztlich gescheiterte – Versuch Domitians, diese Reduktion nach über einem Jahrzehnt wieder rückgängig zu machen.
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: RIC I² 1 (Nero): Numismatica Ars Classica NAC AG 67, 17.10.2012, 272. Abb. 2: RIC I² 6 (Nero): KHM, Inv.-Nr. RÖ 5469. Abb. 3: RIC I² 25 (Nero): Roma Numismatics Ltd 4, 30.9.2012, 528 (www.RomNumismatics.com). Abb. 4: RIC I² 27 (Nero): KHM, Inv.-Nr. RÖ 5492. Abb. 5: RIC I² 46 (Nero): KHM, Inv.-Nr. RÖ 5508. Abb. 6: RIC I² 44 (Nero): KHM, Inv.-Nr. RÖ 5504. Abb. 7: RIC I² 141 (Nero): KHM, Inv.-Nr. RÖ 5562. Abb. 8: RIC I² 394 (Nero): Ponterio & Associates 173, 12.1.2013, 6074 (Image Courtesy of Stacks Bowers Galleries). Abb. 9: RIC I² 143 (Nero): Dr. Busso Peus Nachfolger 406, 25.4.2012, 271. Abb. 10: RIC I² 211 (Nero): Gemini Auctions 5, 6.1.2009, 258. Abb. 11: RIC II.1 148 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 7687. Abb. 12: RIC II.1 153 (Domitian): Roma Numismatics Ltd 3, 31.5.2012, 455 (www.RomNumismatics.com). Abb. 13: RIC II.1 572 (Domitian): Auktionen Meister und Sonntag 16, 27.11.2012, 1050. Abb. 14: RIC II.1 258 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 38605. Abb. 15: RIC II.1 691 (Domitian): Münzen & Medaillen Deutschland GmbH 37, 23.11.2012, 172. Abb. 16: RIC II.1 746 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 7279. Abb. 17: RIC II.1 201 (Domitian): Numismatica Ars Classica NAC AG 67, 17.10.2012, 139. Abb. 18: RIC II.1 700 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 7262. Abb. 19: RIC II.1 274 (Domitian): Dr. Busso Peus Nachfolger 405, 2.11.2011, 2578. Abb. 20: RIC II.1 752 (Domitian): Numismatica Ars Classica NAC AG 29, 11.5.2005, 525. Abb. 21: Holt (2003) E/A 6: Baldwin's New York Sale 27, 4.1.2012, 304 (Courtesy of A. H. Baldwin & Sons Ltd, London, www.baldwin.co.uk).
Wir danken den genannten Auktionshäusern sowie insbesondere Klaus Vondrovec vom KHM in Wien für die Unterstützung.
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Das epigraphische Image des Herrschers. Entwicklung, Ausgestaltung und Rezeption der Ansprache des Kaisers in den Inschriften Neros und Domitians
1.
Einführung: Das Image des römischen Kaisers im Medium der Inschriften
Das öffentliche Image römischer Kaiser wurde zu einem nicht unerheblichen Maße durch epigraphische Monumente geprägt, die im Namen der Herrscher oder zu deren Ehren errichtet wurden.1 Im gesamten Reich waren zahlreiche solcher Tituli zu sehen, welche den Bewohnern der Provinzen – im Zusammenspiel mit anderen textlichen und visuellen Medien – einen Eindruck davon vermitteln konnten, wie der Princeps gesehen werden wollte bzw. wie seine Herrscherrolle von den Untertanen interpretiert wurde. Insofern sind Inschriften, die sich in der einen oder anderen Form auf den Kaiser beziehen, eine Quelle ersten Ranges bei der Erforschung der kaiserlichen Repräsentation und ihrer Rezeption im Imperium Romanum. *
1
Dieser Aufsatz wurde gemeinsam konzipiert. Die Abschnitte 1-3 stammen im Wesentlichen von C. Witschel, die Abschnitte 4 und 5 von S. Bönisch-Meyer. Für hilfreiche Anregungen während der Diskussion auf dem Freiburger Kolloquium danken wir Marianne Bergmann, Jens-Arne Dickmann, Hans Ulrich Nuber, Richard Posamentir und Volker Michael Strocka, für wertvolle Hinweise und Kritik bei der Ausarbeitung des Aufsatzes Olaf Kaper, Johannes Nollé, Michael Oberhaus, Christof Schuler, Verena Schulz, Victor Walser und Stephan Witetschek. Ein besonderer Dank für ihre Unterstützung bei der Materialsammlung gilt den beiden Hilfskräften unseres von der DFG geförderten Projekts, Judit Végh und Catharina Waschke. Für Abbildungsvorlagen sind wir Manfred Clauss, Werner Eck, Helmut Engelmann, Olaf Kaper und Ulrich Sinn zu Dank verpflichtet. Inschriftencorpora und -editionen werden in der Regel nach der Aufstellung bei François Bérard et al., Guide de l’épigraphiste. Bibliographie choisie des épigraphies antiques et médiévales, Paris 20104, 19f. sowie nach der entsprechenden Liste im Supplementum Epigraphicum Graecum abgekürzt (für weitere Auflösungen s. das Literaturverzeichnis); Papyri nach John F. Oates, Checklist of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets, Oxford 20015; Zeitschriften nach den Vorgaben der L’Année Philologique. Alle angegebenen Jahreszahlen beziehen sich, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, auf die Zeit nach Christi Geburt. Zur Bedeutung epigraphischer Monumente für die kaiserliche Repräsentation vgl. Alföldy (1991) und (2003).
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In Bezug auf die epigraphischen Hinterlassenschaften der beiden im Fokus dieses Bandes stehenden Kaiser Nero und Domitian lässt sich daher eine auf den ersten Blick einfach anmutende Frage formulieren. Sie lautet wie folgt: Gewinnen diese beiden Herrscher beim Blick auf das Medium der Inschriften ein von den etablierten Normen der herrscherlichen Selbstdarstellung abweichendes und darum spezifisches Profil? Und wenn ja – wie sah dieses aus? Um eine Antwort hierauf zu finden, haben wir eine Sammlung aller Kaiserinschriften, die sich mit Nero und Domitian in Verbindung bringen lassen, erstellt und möchten diese im Verlauf des vorliegenden Beitrages in verschiedene Richtungen hin auswerten. Bevor damit begonnen werden kann, soll zunächst geklärt werden, was eigentlich unter dem Terminus ‚Kaiserinschrift‘ zu verstehen ist.2 Hierbei sind eine weiter und eine enger gefasste Definition möglich. Nach der ersteren fallen darunter alle Inschriften jeglicher Gattung und Gestalt, in denen der Name des Herrschers – ob nun in einer kurzen Nennung oder aber mit ausführlicher Titulatur – in irgendeiner Funktion (d.h. auch an eher ‚unbetonten‘ Stellen) auftaucht. Nach der enger angelegten Definition handelt es sich hingegen um Denkmäler, die als Monumente aus dauerhaftem Material nicht nur auf die unmittelbare Gegenwart, sondern auch auf die Nachwelt ausgerichtet waren und in denen der Herrscher als handelnde oder eine Ehrung bzw. Weihung empfangende Person im Zentrum des Inschriftentextes stand. Je nach Inschriftengattung konnte dies in unterschiedlichen Formen erfolgen, von denen hier nur die wichtigsten genannt seien: Nicht wenige der Botschaften, die der Kaiser bzw. die kaiserliche Kanzlei als Edikte, Briefe, Subskriptionen usw. an die Einwohner des Reiches aussandte und die den Namen sowie die Titulatur des Herrschers zumeist in einer ausführlichen Form präsentierten, wurden auch in einer epigraphischen Fassung festgehalten.3 Sehr zahlreich waren sodann die Inschriften, mit denen der Kaiser geehrt wurde. In ihnen wurde er im Dativ (bzw. im Griechischen zumeist im Akkusativ) angesprochen. Solche Tituli waren häufig auf Statuenbasen angebracht und damit Teil eines statuarischen Monuments; 4 sie fanden sich aber auch an Gebäuden, welche zu Ehren des Herrschers errichtet wurden.5 Kaiserliche Bauinschriften im eigentlichen Sinne waren hinge2
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Vgl. zum Folgenden ausführlicher Witschel (2011); dort finden sich auch weitere Literaturangaben. Vgl. dazu die Beiträge in Haensch (2009). Zu den Statuenbasen für die Kaiser des 1. und 2. Jhs. vgl. die allerdings nicht ganz unproblematische Arbeit von Højte (2005). An dieser Stelle ergibt sich also eine gewisse Überschneidung mit den kaiserlichen Bauinschriften – wie generell gesagt werden muss, dass sich die vorgestellten Kategorien nicht scharf voneinander abgrenzen lassen. So sind auch Inschriften mit Nennung des Kaisernamens im Nominativ nicht immer eindeutig einer bestimmten Gattung zuzuweisen; vgl. dazu die Diskussion bei Horster (2001) 45-49. Dieses Problem stellt sich beispielsweise bei drei Basen, welche im Kontext einer Militär-
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gen solche Tituli, in denen der Kaiser im Nominativ oder in einer anderen Art der Formulierung als agierende Figur erschien, um auszudrücken, dass ein bestimmtes Bauwerk im Namen des Herrschers konzipiert worden war. 6 Eine Sonderform stellten die vielen zumeist als säulenartiges Monument gestalteten Meilensteine dar, die entlang der Fernstraßen des Imperium Romanum aufgestellt waren und den Namen sowie die Titulatur des Kaisers entweder im Nominativ (in seiner Funktion als nomineller Oberaufseher über den Straßenbau im Reich) oder im Dativ (als Ehrung für den Herrscher) aufführten.7 Schließlich wurde der Herrscher auch nicht selten in Weihinschriften genannt – im Dativ, wenn ihm die Weihung direkt als einem im gesamten Reich verehrten deus praesens galt; oder aber – und insgesamt häufiger – im Genetiv, wenn die Weihung an eine Gottheit pro salute o.ä. des Kaisers gerichtet war.8 Solche Inschriften waren häufig an Altären ange-
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anlage im südarmenischen Ziata aufgestellt waren. Die gleichlautenden Inschriften (CIL III 6741 [= ILS 232], 6742, 6742a; Dat.: 64/65) auf diesen Basen nennen Nero im Nominativ und sodann den Oberbefehlshaber Cn. Domitius Corbulo sowie den Legaten der legio III Gallica im Ablativ. Es ist nicht klar, ob es sich hier um Beischriften von Statuen oder Bauinschriften oder um eine Kombination aus beidem handelt; vgl. Eck (1972/73) 90f.; Heil (1997) 129 mit Anm.58; Horster (2001) 47f. Anm.132; Alföldy (2002) 497. Vgl. zu den kaiserlichen Bauinschriften zusammenfassend – mit Blick vornehmlich auf den Westen des Imperium Romanum – Horster (2001); ferner zu Kleinasien Winter (1996). Zu den Meilensteinen und ihrer Interpretation vgl. Witschel (2002) sowie Rathmann (2003). Beides lässt sich am Beispiel von Weihinschriften zeigen, welche für Nero in Gallien erstellt wurden. Die zuletzt genannte Praxis exemplifiziert CIL XII 512 = ILN III 22 aus Aix-en-Provence (Gallia Narbonensis): Pro salute | Neronis Claud(i) | Caesaris Aug(usti) | Ger(manici) p(atris) p(atriae) sacr(um) | [p]agus Iu(v)enalis; vgl. zu diesem Phänomen zusammenfassend Price (1980). Es gab daneben aber auch Inschriften, in denen der Kaiser sehr viel direkter als Gottheit angesprochen wurde, oftmals eingebunden in bereits bestehende Kultkontexte. Ein interessantes Beispiel hierfür liefert ein Graffito auf einem Ziegel aus einem Heiligtum in Châteauneuf im Gebiet der Allobroger (Gallia Narbonensis), in dem der einheimische Gott Limetus verehrt wurde. Hier sind zahlreiche Wandfragmente und Ziegel mit Graffiti gefunden worden, welche die zumeist kurz gehaltenen Weiheformeln der örtlichen Bevölkerung wiedergaben; vgl. dazu Mermet (1993); Rémy (1999); Witschel (2008) 69f. Dabei wurde neben den lokalen Gottheiten und der Göttin Roma häufig der lebende Kaiser angerufen, so augenscheinlich auch Nero; s. AE 1993, 1152 = ILN V 2, 463: ------? | v(otum) a(nimo) l(ibens) m(erito) [s(olvit)?] | Neron(i) | Limet(o). Das zeigt, dass hier der Herrscher (dessen Name sogar vorangestellt wurde) vollständig in die lokale Kultpraxis eingebunden war und durchaus als eine vollgültige Gottheit wahrgenommen wurde – gerade letzteres ist in der modernen Forschung oftmals bezweifelt worden, so von Fishwick (1990); vgl. dagegen Clauss (1999) 33-35, 285-289. An dieser Stelle kann man auf eine weitere, allerdings nicht einfach zu deutende Weihinschrift mit Nennung Neros aus Melun (Gallia Lugdunensis) verweisen (CIL XIII 3013): Mercurio et Laribus | [Ti]b(erio) Claudi(o) Neroni Druso | Germanico Augusto. Ob der Name des Kaisers wirklich im Dativ aufgeführt
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bracht, konnten aber auch auf anderen Inschriftenträgern auftreten, so an Gebäuden, die dem Herrscher alleine oder in Verbindung mit Göttern geweiht wurden.9 Für unsere Fragestellung sind beide der oben vorgestellten Kategorien von Kaiserinschriften bedeutsam und aussagekräftig; für die in Teil 2 vorgenommenen quantitativen Betrachtungen wurden jedoch nur diejenigen Tituli herangezogen, die der engeren Definition entsprechen, da nur diese einen direkten Bezug zum Herrscher aufwiesen. Weiterhin muss an dieser Stelle kurz auf die Frage eingegangen werden, welche Aussagemöglichkeiten sich von dem Medium ‚Inschrift‘ in Bezug auf den römischen Princeps überhaupt erwarten lassen. Die epigraphischen Zeugnisse bieten im Vergleich zu anderen relevanten Quellengruppen sicherlich den Vorteil, dass es sich bei ihnen um ein in großer Zahl vorhandenes und sowohl in chronologischer wie auch in geographischer Hinsicht breit gestreutes Material handelt, in dessen Konzeption und Gestaltung auch solche Bevölkerungsgruppen involviert waren, die nur wenig im Fokus zumal der literarischen Quellen stehen, so vor allem die Bewohner der Provinzen des Imperium Romanum. An dieser Stelle muss jedoch sogleich angemerkt werden, dass es sich bei den Inschriften keineswegs um gleichsam neutrale oder ungefilterte Meinungsäußerungen von Seiten der Provinzbewohner in Bezug auf den fernen Herrscher handelte, denn fast alle inschriftlich festgehaltenen Texte unterlagen in ihrer Gestaltung recht strengen und kaum jemals durchbrochenen Konventionen. Eine der wichtigsten davon war die Tatsache, dass Kaiserinschriften kein Medium waren, um – auch nur vorsichtig formulierte – Kritik am (lebenden) Herrscher zu üben. Das ‚Sprechen über den Kaiser‘ in den Inschriften war also grundsätzlich positiv, wenn nicht gar panegyrisch konnotiert.10 Auf der anderen Seite sollte beachtet werden, dass nur wenige epigraphische Monumente vom Herrscher in eigener Person errichtet oder auch nur im Detail konzipiert worden sind – und das gilt u.E. auch für viele der Inschriften, die im Namen des Herrschers, also unter Nennung seines Namens im Nominativ, formuliert worden sind.11 Vielfach erfuhr der Kaiser wohl nicht einmal davon, wenn irgendwo im Reich eine neue Inschrift für ihn errichtet wurde, zumal es sich dabei in den meisten Fällen um einen
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und er damit den zuvor genannten Gottheiten gleichgestellt war, ist nicht ganz sicher (vgl. den Kommentar im CIL). Auffällig ist zudem die Form des Herrschernamens, denn diese entspricht in keiner Weise der offiziellen Titulatur Neros als Kaiser und auch nur teilweise derjenigen, die er als Caesar zwischen 50 und 54 führte – hier hat sich der Dedikant, der die Weihung vermutlich bald nach dem Regierungsantritt Neros vornahm, also offensichtlich einige Freiheiten genommen, die eventuell aus der Unkenntnis über die aktuelle Titulatur resultierten. Vgl. Witschel (2011) 86-92. Dazu Witschel (2011) 107-112. Diese gewiss durchaus kontroverse Behauptung kann hier nicht näher begründet werden; vgl. dazu Witschel (2011) 82-84.
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weitgehend routinemäßigen Vorgang handelte. Inschriften waren daher in der Regel kein direktes Sprachrohr des Herrschers, das dieser zur unmittelbaren Beeinflussung der Bevölkerung hätte einsetzen können. Das galt selbst für ideologisch bedeutsame Botschaften, die von der imperialen Zentrale ausgingen und auf vergänglichen Materialien wie Papyrus oder Holz aufgezeichnet waren, denn es lag zumeist außerhalb des direkten kaiserlichen Zugriffes, ob, wann und wie solche Mitteilungen in den Provinzen des Reiches in epigraphische Monumente gefasst und somit auf Dauer gestellt wurden.12 Obwohl die römischen Herrscher also kaum kontrollieren konnten, wie die epigraphischen Monumente im Einzelnen gestaltet waren, kam es dennoch nicht zu einem Wildwuchs bei der Präsentation des kaiserlichen Images in den zahlreichen auf den Princeps bezogenen Inschriften, die im gesamten Reich erstellt wurden. Der Kaiser hatte nämlich durchaus gewisse Möglichkeiten, sein epigraphisches Erscheinungsbild zumindest indirekt zu steuern. Die wichtigste hiervon war die von der Zentrale – d.h. von der kaiserlichen Kanzlei in enger Absprache mit dem Herrscher – vorgenommene Festlegung derjenigen Form der Anrede des Princeps, die in allen vom Kaiserhof ausgehenden Schriftstücken Verwendung finden sollte und die daher in der modernen Forschung als die ‚offizielle Kaisertitulatur‘ bezeichnet wird.13 Es gab zwar offenbar keinen gesetzlichen Zwang für die Untertanen, bei der Konzeption eigener epigraphischer Monumente, welche den Kaiser nannten, diese Titulatur zu kopieren, aber die meisten taten dies dennoch (wenn auch lange nicht immer in der vollständigen Form), 14 so dass sich auf diesem Feld rasch eine entsprechende Konvention herausbildete. Allerdings war es einem Bewohner des Reiches oder einer Gruppe, die eine Inschrift mit Nennung des Kaisers errichten wollte, jederzeit erlaubt, zu der offiziellen Titulatur weitere Elemente in der Ansprache des Herrschers hinzuzufügen, die diesen besonders loben sollten und damit gleichzeitig auf die Auffassung verwiesen, die der oder die Stifter einer Inschrift von dem fernen Herrscher hatte(n). Diese Epitheta können als die ‚inoffiziellen‘ Partien der Kaisertitulatur angesprochen werden.15 Zusammenfassend lässt sich somit festhalten: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der gesamte Prozess der Inschriftenkonzeption und -produktion an den einzelnen Orten des Reiches von der kaiserlichen Zentrale gesteuert oder engmaschig überwacht worden wäre, was sich angesichts der knappen administrativen Ressourcen im Imperium Romanum wohl auch gar nicht 12 13
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Vgl. Witschel (2011) 51-73. Ein bequemer Überblick über die Entwicklung der offiziellen Kaisertitulatur im 1. und 2. Jh. findet sich bei Kienast (2011); vgl. ferner Witschel (2011) 98-100. Ein Beispiel für eine ziemlich weitgehende Abweichung von der offiziellen Titulatur Neros in einer Weihinschrift aus Gallien ist o. in Anm.8 vorgeführt worden. Vgl. dazu u. die Ausführungen in Abschnitt 4.
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hätte durchführen lassen. Das zeigt sich nicht zuletzt bei einem Blick auf ein weiteres Phänomen, das mit den Inschriften in Verbindung stand, nämlich auf die Anordnung und Durchführung von Gedächtnisstrafen, welche in den Tituli zur Tilgung der Namen der betroffenen Personen und gegebenenfalls auch von weiteren mit ihnen in Verbindung stehenden Elementen führen konnte. Da beide der hier behandelten Herrscher nach ihrem Tod einer solchen sog. damnatio memoriae verfielen, bietet es sich an, diesen Aspekt in unsere Untersuchung einzubeziehen. Daraus ergibt sich folgender Aufbau des Beitrages: Zunächst soll ein kurzer Blick auf den Gesamtbestand an Inschriften Neros und Domitians und deren Verteilung im Imperium Romanum geworfen werden, wobei auch zu fragen sein wird, wie repräsentativ das erhaltene Material für die einstmals vorhandene Menge an epigraphischen Monumenten sein dürfte (2). Danach ist auf die offizielle Kaisertitulatur Neros und Domitians einzugehen. Hierbei interessiert insbesondere, an welchen Punkten es in diesem Bereich unter den beiden Kaisern zu Neuerungen gekommen ist und wie sich diese in die Gesamtentwicklung der Kaisertitulatur während des 1. und frühen 2. Jhs. einordnen lassen (3). In Abschnitt 4 werden die inoffiziellen Titulaturelemente behandelt, die sich in den Inschriften Neros und Domitians finden lassen. Zu analysieren ist dabei, welche Facetten in der Ansprache des Herrschers von Seiten der Untertanen besonders betont wurden und ob dabei die von Nero und Domitian besonders betonten Aspekte ihrer Selbststilisierung auch in der Rezeption durch die Bevölkerung des Reiches Beachtung fanden. Den Auswirkungen der Gedächtnisstrafe, die sowohl Nero als auch Domitian traf, auf die epigraphischen Monumente der beiden Kaiser ist ein eigenes Kapitel (5) gewidmet, in dem anhand der Praxis der Eradierungen der Frage nachgegangen wird, ob sich hierbei ein systematisches Vorgehen erkennen lässt und was dies über die Funktion einzelner Titulaturelemente aussagt. Am Ende steht ein vergleichender Ausblick (6), der auch auf die eingangs aufgeworfene Problematik eingeht, inwieweit die Regierungszeiten des Nero und des Domitian in der epigraphischen Überlieferung ein spezifisches Profil gewinnen.
2.
Die Verteilung der Inschriften Neros und Domitians im Imperium Romanum – Ein Überblick
Im folgenden Abschnitt soll ein knapper Überblick über die Verteilung der Inschriften Neros und Domitians gegeben werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Frage nachzugehen, wie repräsentativ das erhaltene epigraphische Material, das diese beiden Kaiser betrifft, für den einstigen antiken Bestand sein dürfte. Angemerkt werden muss an dieser Stelle noch, dass die vorgestellten Zahlen ausschließlich die Kaiserinschriften im engeren
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Sinne (nach der oben in Abschnitt 1 gegebenen Definition) betreffen, welche – als Monumente, die auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet waren – einen direkten Bezug zu dem jeweiligen Herrscher aufwiesen. Eine ganze Reihe von weiteren Inschriften ist hingegen trotz der Nennung des Namens von Nero bzw. Domitian aus den genannten Gründen nicht in diesen Überblick aufgenommen worden.16 Insgesamt sind wir hierbei – angesichts der relativ langen Regierungszeit beider Kaiser – mit eher niedrigen Zahlen konfrontiert: Bei Nero sind es etwa 175, bei Domitian hingegen ca.170 Inschriften. Bei beiden Herrschern fällt zudem auf, dass der größere Teil der entsprechenden Tituli aus dem griechischsprachigen Osten des Imperium Romanum stammt – bei Nero ist das Verhältnis West – Ost ca.75:100 Inschriften, bei Domitian etwa 60:110. Das hat sicherlich etwas mit der jeweils spezifischen Entwicklung des epigraphic habit in den einzelnen Regionen des Reiches zu tun, der in den Westprovinzen im 1. Jh. noch in Ausprägung begriffen war,17 während im Osten schon sehr viel länger die Praxis bestand, den jeweiligen Herrscher mit epigraphischen Monumenten zu ehren. Auf der anderen Seite sind aber offenbar auch individuellere Faktoren in das Gesamtbild eingeflossen, die bisweilen die ‚Statistik‘ (die natürlich keine solche – zumindest nicht in einem mathematischen Sinne – ist, wie man sich immer wieder vor Augen halten sollte)18 in erheblichem Maße beeinflussen können. Dies sei im Folgenden am Beispiel der Inschriften Neros erläutert. Auffällig ist hierbei zunächst die hohe Zahl entsprechender Tiuli aus einer 16
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Das betrifft im Wesentlichen beschriftete Artefakte folgender Kategorien: a) Inschriften, die sicher aus der Zeit vor dem Regierungsantritt der beiden Kaiser stammen (d.h. bei Nero solche aus dem Zeitraum 50-54; bei Domitian aus der Zeit zwischen 69 und 81 – gerade im letzteren Falle sind das ziemlich viele Tituli). b) Inschriften, in denen der Name des Herrschers (bisweilen auch mit mehr oder minder vollständiger Titulatur) zwar aufgeführt wurde, aber nicht im Zentrum stand; etwa durch Verweis auf vom Kaiser ausgehende beneficia, durch die Nennung eines Priesters des Kaisers oder durch Angabe des jeweiligen Regierungsjahres (so in Ägypten). c) Inschriften nicht-monumentalen Charakters bzw. nicht-monumentaler Funktion, welche in den Bereich des sog. instrumentum domesticum gehören, also etwa Ziegelstempel oder Aufschriften auf Bleirohren. Nicht aufgenommen sind ferner Militärdiplome. Das gilt auch für Dipinti aus Pompeii, die Nero betreffen; vgl. zu diesen Mouritsen u. Gradel (1991). d) Ebenfalls nicht aufgenommen wurden in ihrer Zuweisung ganz unsichere Fragmente. Besonders deutlich zeigt sich dies bei einem Blick auf die afrikanischen Provinzen, in denen im 2. und 3. Jh. Kaiserinschriften in sehr großer Zahl errichtet wurden, während dies im 1. Jh., gerade im früheren, augenscheinlich noch nicht der Fall war. So finden wir hier nur drei Kaiserinschriften mit Bezug auf Nero, und auch unter Domitian hatte sich diese Situation mit nunmehr zehn Tituli augenscheinlich nur unwesentlich verändert. Vgl. ferner zu der Situation in den Nordwestprovinzen im frühen 1. Jh. den Überblick über die von dort bekannten Inschriften des Augustus und des Tiberius bei Witschel (2008). Zur Problematik der Repräsentativität des überlieferten Inschriftenbestandes vgl. die wichtigen Überlegungen von Eck (2007).
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ganz bestimmten Region, nämlich der Provinz Achaia.19 Von dort sind – bei einigen Zweifelsfällen – bis zu 23 Inschriften Neros bekannt. Das ist mit der höchste Wert an neronischen Kaiserinschriften für eine einzelne Provinz; nur aus Asia sind ähnlich viele Tituli dieser Art überliefert. Dieser Befund ist auch insofern bemerkenswert, als Achaia, das ja keine allzu bedeutende und ausgedehnte Provinz war, beim Blick auf die Inschriftenverteilung unter anderen Principes (etwa unter Domitian) keineswegs besonders heraussticht. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt auf der Hand: Der offen zur Schau gestellte Philhellenismus Neros gipfelte bekanntlich in seiner großen Griechenlandtour zwischen Spätsommer 66 und Ende 67, während derer der Kaiser verschiedene Orte und insbesondere Heiligtümer besuchte, an zahlreichen Agonen teilnahm und im November 66 der gesamten Provinz Achaia die Freiheit schenkte.20 Das rief eine entsprechende Resonanz bei der Provinzbevölkerung hervor, welche sich etwa in speziell auf Nero bezogenen Typen der lokalen Münzprägung21 oder in der Errichtung von Bauten für den Kaiser manifestierte.22 Auch einige epigraphische Monumente sind 19
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Zu den Inschriften Neros aus Achaia vgl. auch Kantiréa (2007) Tabellen Va u. Vb; Hoët-van Cauwenberghe (2007); ferner zur Eradierungspraxis u. Abschnitt 5. Zu Neros Griechenlandreise vgl. Bradley (1978); Halfmann (1986) 173-177; Kaplan (1990) 305-347; Alcock (1994); Strocka (2010) 53-55. Die Datierung der Freiheitserklärung Neros für Achaia ist umstritten; sie hängt eng mit der zeitlichen Einordnung der bekannten Inschrift von Akraiphia (zu dieser s.u.Anm.274) zusammen (vgl. die gute Darlegung der Problematik bei Clay [1982] 11-16 und Amandry [1988] 14-22). Insbesondere ist unklar, wie die in dem Dekret der Polis, das offensichtlich vor Ort formuliert worden war, im Rahmen der Titulatur Neros auftauchende, ganz ungewöhnliche Formulierung F $* - zu verstehen ist. Am ehesten ist diese – sicherlich ‚untechnisch‘ gebrauchte – Bezeichnung wohl doch im Sinne von „zum 13. Mal für die tribunicia potestas vorbestimmt/designiert“ zu übersetzen, obwohl dies mehrfach bestritten wurde; vgl. Halfmann (1986) 176f.; Levy (1991) 189-191. Damit wollte man in Akraiphia wohl zum Ausdruck bringen, dass Nero kurz vor der Übernahme der 13. tribunicia potestas stand, man aber nicht genau wusste, ob dies bereits erfolgt war. Unter der Voraussetzung, dass Nero seine tribunizische Gewalt jeweils am 4. Dezember erneuerte (auch dies ist allerdings nicht unumstritten; vgl.u.S.108-110), führt diese Annahme zu einer Datierung der Freiheitsproklamation Neros auf den 28.11.66, also zu Beginn seiner Griechenlandreise (so zuletzt noch einmal dezidiert Strocka [2010] 53f.). Das widerspricht zwar der expliziten Darstellung Suetons, Nero habe erst bei seiner Abreise die Freiheit Achaias verkündet (Suet. Nero 24,2), würde sich aber insgesamt besser in den Gesamtkontext einfügen. Nicht ausgeschlossen werden kann zudem, dass Sueton die Chronologie bewusst verzerrt hat, um Neros Leistungen in Griechenland zu diskreditieren. Vgl.u.Anm.23 und284. Zu der intensiven Bautätigkeit in Griechenland und den benachbarten Regionen, die Neros bereits seit dem Jahr 64 geplanter Besuch anstieß, vgl. Strocka (2010) 55-61; besonders betroffen war hiervon neben dem Stadtzentrum von Korinth (dazu u.Anm.107) das Heiligtum von Olympia; vgl. Sinn (1993) und (2001) sowie zusammenfassend Sinn (2004) 199-202.
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offensichtlich in diesem Kontext entstanden;23 so neben den gleich noch zu besprechenden Altären in Athen die bekannte Stele im böotischen Akraiphia, auf der neben einem Ehrendekret der Polis für Nero auch das Einladungsschreiben des Kaisers zu der Provinzversammlung in Korinth sowie seine dort gehaltene Rede aufgezeichnet wurden.24 Allerdings ergibt eine Sichtung der datierbaren Inschriften Neros aus Achaia, dass viele von diesen bereits lange vor der Griechenlandreise des Kaisers errichtet worden sein müssen. Das gilt insbesondere für die auffallend hohe Zahl von Statuenbasen mit Ehreninschriften für den Herrscher, der in diesen nach der üblichen Praxis im griechischsprachigen Raum im Akkusativ genannt wurde. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen (9 von 11) stammt nämlich mit Sicherheit oder zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit aus den Anfangsjahren von Neros Herrschaft, also aus der Zeit zwischen 55 und 58.25 Da sich für diese Phase eine besondere Nahbeziehung des jungen Nero zu Griechenland nicht ausmachen lässt, ist hierin augenscheinlich eher die durchaus übliche Praxis zu fassen, einen neuen Herrscher relativ rasch nach dessen Machtübernahme mit statuarischen Monumenten zu ehren. Warum dies gerade in Achaia so intensiv geschah, muss vorerst offen bleiben; hierin spiegelt sich aber vielleicht doch eine ganz spezifische Erwartungshaltung an den Princeps wider, die dann großenteils nicht enttäuscht wurde. Das verdeutlicht schließlich der durchaus bemerkenswerte Befund in Athen.26 Obwohl Nero keine ausgeprägte Vorliebe für diese altehrwürdige Polis erkennen ließ und sie während seiner Griechenlandtour sogar demons23
24 25
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In diese Phase gehört augenscheinlich eine fragmentarisch erhaltene Marmortafel mit einer lateinischen Inschrift aus Korinth (gefunden im nordöstlichen Teil der Agora), die entweder zu einer Statuenbasis oder zu einem Bauwerk gehört haben dürfte (I.Korinth 81 = Højte [2005] 322f. Kat. Nero 26). In ihr wird Nero geehrt; daneben nennt die Inschrift auch den amtierenden IIvir P. Memmius Cleander. Letzterer ist in der lokalen Münzprägung Korinths unter Nero gut bezeugt; dazu Amandry (1988) 14-22. Sein Amtsjahr ist nicht genauer datiert, muss aber, da der adventus Neros auf den unter ihm geprägten Münzen gefeiert wird (so RPC I 1203), mit dessen Griechenlandreise in Zusammenhang stehen. Ebenso wird hier auf eine adlocutio des Kaisers abgehoben (so RPC I 1205). Nach Amandry (1988) 19-22 spricht daher alles dafür, dass diese Serien in das Jahr 66/67 (von Juni bis Juni) zu setzen sind. Vgl. dazu ausführlicher u.S.140f. Dazu zählen insbesondere Statuenbasen aus Delphi, Olympia und Messene. Delphi: CID IV 138 = AE 1937, 52 = Højte (2005) 323 Kat. Nero 27 (wohl in das Jahr 55 zu datieren) und AE 1897, 90 = Højte (2005) 323 Kat. Nero 28 (Dat.: 56). Olympia: IvO 374 = Højte (2005) 324 Kat. Nero 34 (wenn diese Fragmente zu Recht auf Nero bezogen worden sind, ergibt sich eine Datierung in das Jahr 57) und IvO 375 = Højte (2005) 324 Kat. Nero 35 (wenn die Inschrift richtig ergänzt wurde, ist sie in das Jahr 58/59 zu datieren). Messene: Alle drei dort gefundenen Statuenbasen für Nero (IG V 1, 1449/50; SEG 41, 353 = Højte [2005] 323f. Kat. Nero 30-32) sind augenscheinlich zu Beginn von dessen Regierungszeit, wohl im Jahr 55, errichtet worden. Vgl. hierzu allgemein Carroll (1980) 30-33; Geagan (1979) und (1984); PerrinSaminadayar (2007).
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trativ mied,27 wurde in Athen eine Reihe von Inschriften für ihn angefertigt. Nachdem ihm bereits gegen Ende der 50er-Jahre das neue Bühnengebäude im Dionysostheater gewidmet worden war,28 erfolgte im Jahr 61/62 eine außergewöhnliche Ehrung: Auf dem Architrav an der Ostseite des Parthenon wurde eine Inschrift aus vergoldeten Bronzebuchstaben (litterae aureae) angebracht. Diese führte den Namen Neros im Akkusativ mit seiner vollen Titulatur auf. Als Stifter fungierten der Areopag, die Boule sowie der Demos von Athen, und daneben wurden auch ein hoher Beamter und angesehener Bürger der Stadt sowie eine Priesterin in dem Text genannt.29 Dieses Formular ist für eine Inschrift, welche an einem Gebäude angebracht war, eher unüblich; das hat zu der Vermutung geführt, dass es sich um die Kurzzusammenfassung eines Ehrendekretes für Nero handelte, durch das dieser
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So Cass. Dio 63,14,3, dessen Erklärung hierfür aber wenig glaubwürdig wirkt (s. ferner Suet. Nero 34,4). Eher anzunehmen ist, dass Nero, der nach seinen eigenen Worten (Cass. Dio 63,8,3) ein periodonikes werden wollte, aus praktischen Gründen nur diejenigen Orte besuchte, an denen die Spiele ausgetragen wurden, die in der Kaiserzeit zum ‚Circuit‘ (periodos) zählten; und hierzu gehörten die Panathenäen im 1. Jh. nicht (so die These von Kennell [1988]). Nero wollte also nicht an „allen Spielen“ in Griechenland teilnehmen (so aber Suet. Nero 22,3: certamina [...] omnia), sondern nur an denen der ‚Großen Tour‘. Vgl. ferner Alcock (1994) 105f. mit der u.E. etwas weit hergeholten These, Nero habe ein neues, zeitgenössisches und ‚römisches Griechenland‘ (mit der Kolonie Korinth als Mittelpunkt) konstruieren wollen und deshalb bewusst die Zentren des traditionellen Griechenland, die sonst zum Pflichtprogramm jedes Reisenden gehörten, gemieden. IG II/III² 3182 = Schmalz (2009) 85-88 Nr.107 (grundlegende Überarbeitung des Textes). Die erste, deutlich längere Zeile befand sich auf dem Fries von fünf Gebälkteilen über den Eingangstüren des Bühnengebäudes; der mittlere Block über der zentralen Ädikula enthielt zudem eine zweite Zeile auf der obersten Faszie des Architravs. Zu Beginn der Inschrift wurde – in herausgehobener und unüblicher Position – der Stifter, offenbar ein Priester des städtischen Kaiserkultes, angeführt. Wenn am Ende der Inschrift tatsächlich Tib. Claudius Novius (vgl. die folgende Anm.) als Inhaber der Strategie zum siebten Mal genannt war, dann muss die Inschrift in die Zeit vor 61 gehören, d.h. in die Jahre zwischen 54/57 und 60 (Graindor [1931] 12-17 hatte hingegen einen anderen Namen eingesetzt, die Inschrift in das Jahr 66 datiert und sie mit der Griechenlandreise Neros verbunden). Zum Neubau des Bühnengebäudes des Dionysostheaters in neronischer Zeit vgl. von Gerkan (1941); Perrin-Saminadayar (2007) 139-141. IG II/III² 3277 = SEG 32, 251 = Schmalz (2009) 124f. Nr.55; dazu ausführlich Carroll (1982); ferner Oliver (1981) 417. Die Titulatur Neros weist einige ungewöhnliche Elemente auf, die offenbar bewusst gewählt worden waren, so den vorangestellten Titel ." (dazu u.Anm.89 und200), die Wendung DI D#/ statt der üblichen Wortfolge Nero Claudius Caesar Augustus sowie die am Ende der Titulatur angehängte Filiation, die sowohl in der Positionierung als auch in der Formulierung von der Norm abweicht; vgl. Carroll (1982) 30-43. Der in der Inschrift genannte Beamte, Tib. Claudius Novius, war einer der führenden Bürger Athens im mittleren 1. Jh.; zu ihm s.u.Anm.297. Zum historischen Kontext dieser außergewöhnlichen Ehrung Neros vgl.u.Anm.106.
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bekränzt werden sollte.30 Solche Kurzfassungen von Dekreten sind zwar auch anderweitig bekannt, aber nicht in einer solch monumentalen Form. Zu letzterer passt die Ausführung der Inschrift mit litterae aureae – diese Praxis war unter Augustus aufgekommen und hatte sich rasch auch im Osten des Reiches verbreitet, wo sie vor allem in Inschriften, die den Kaiser feierten, Verwendung fand.31 Wenige Jahre später erhoffte man sich offenbar in Athen einen Besuch Neros, als dieser im Herbst 66 nach Griechenland kam. Darauf deutet eine Serie von fünf oder sechs kleineren Altären hin, die den Namen Neros im Dativ oder Genetiv aufführen und ihn als „neuen Apollon“ feiern.32 Dies war eine in Athen durchaus übliche Monumentform, die seit der augusteischen Zeit in Gebrauch war. 33 Keiner dieser neronischen Altäre ist genauer datiert, aber bemerkenswerterweise taucht hier fünfmal (allerdings dreimal davon im Rahmen einer Wiederverwendung des Altares) der vorangestellte Titel ." auf, was auf eine Datierung nach der Mitte des Jahres 66 und somit auf eine Verbindung mit Neros Griechenlandreise hindeuten könnte.34 Anzunehmen ist daher, dass die Athener ei30 31
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So die These von Carroll (1982) 59-63. Zum Aufkommen von Inschriften mit litterae aureae und zu ihrer Verbreitung im Osten des Reiches vgl. Alföldy (1991) 297-299; Witschel (2011) 48f. mit Anm.12; Posamentir u. Wienholz (2012) bes.161-163, 168f. (1) IG II/III² 3278 (vgl. Benjamin u. Raubitschek [1959] 82 Anm.74): Fragment eines Rundaltares aus hymettischem Marmor; Name des Kaisers im Dativ. (2) Schmalz (2009) 122 Nr.152: Rhombosartig zugehauene Platte aus pentelischem Marmor; diese dürfte in einen Block aus anderem Material eingelassen gewesen sein; Name des Kaisers im Dativ. (3-4) SEG 32, 252 = Schmalz (2009) 122f. Nr.153: Zwei angeblich identische und offensichtlich wiederverwendete Marmoraltäre (dazu u.S.153), gefunden als Spolien in einer spätantiken Mauer. Das publizierte Exemplar ist ein blockförmiger Altar von ca.60 cm Höhe mit glatter Oberseite (s. das Photo in ADelt 23 B1, 1968, Taf.40b); Name des Kaisers im Genetiv. (5) SEG 44, 165 = Schmalz (2009) 123f. Nr.154: Ein hochrechteckiger Orthostatenblock, gefunden in Zweitverwendung an einer Straße vor der (späteren) Hadriansbibliothek. In der Erstpublikation von Spetsieri-Choremi (1995) 141f. (mit figs. 5-6) zu Unrecht als „honorary stele“ bezeichnet; vielmehr wahrscheinlich Teil eines größeren Altarmonuments, das aus mehreren Steinen zusammengesetzt war; Name des Kaisers im Genetiv. (6) IG II/III² 3229 (= 3281/82) = Benjamin u. Raubitschek (1959) 82 Nr.12 = Schmalz (2009) 96 Nr.118, 121f. Nr.151: Block aus blauem Stein (irrtümlich als ‚Basis‘ bezeichnet); zunächst für Augustus, später für Nero, Vespasian und Titus geweiht (dazu u.S.150f.); Name des Kaisers im Dativ. Auszuscheiden sind: (a) IG II/III² 3279, das mit 4775 kombiniert ein hadrianisches Monument ergibt. (b) SEG 34, 1984, 182 = Schmalz (2009) 110f. Nr.140: ein Altar von der Agora mit eradiertem Kaisernamen, von Geagan (1984) 76 Anm.35 auf Nero ergänzt, jedoch von Schmalz a.O. Caligula zugewiesen (s. aber Agora XVIII H283, wo der Stein erneut – jedoch ohne nähere Begründung – auf Nero bezogen wird). Zu der Anrufung Neros als R## vgl.u.S.125-127. Vgl. Benjamin u. Raubitschek (1959); Geagan (1984) 72-75; Perrin-Saminadayar (2007) 129f., 136, 138-141. Vgl. Carroll (1982) 32 sowie zur Übernahme des praenomen Imperatoris durch Nero im Frühsommer 66 u.S.104. Allerdings ist zu beachten, dass im provinzialen Kontext
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nen Besuch Neros in ihrer Stadt erwarteten und in Vorbereitung darauf eine Reihe solcher Altäre herstellten, die den Weg des kaiserlichen Einzuges säumen sollten, um diesen mit Kulthandlungen zu begehen.35 Ganz sicher ist dies allerdings nicht, zumal nicht klar ist, ob bzw. wann Nero seine Absicht durchblicken ließ, Athen nicht zu besuchen. Andere Faktoren haben bei der spezifischen Verteilung der Inschriften Neros, wie sie sich uns heute präsentiert, augenscheinlich ebenfalls eine Rolle gespielt. Das gilt etwa für die relativ hohe Zahl an Tituli Neros aus den drei hispanischen Provinzen (insgesamt 32). Darunter befinden sich nur wenige Ehreninschriften für den Herrscher, welche von Städten oder Einzelpersonen errichtet worden waren (maximal 6),36 während die Masse der erhaltenen Zeugnisse aus Meilensteinen besteht (25), auf denen der Name des Herrschers – zumeist – im Nominativ angeführt war.37 Bei den Meilensteinen handelte es sich jedoch um serienmäßig hergestellte epigraphische Erzeugnisse, die häufig ein weitgehend einheitliches Formular aufwiesen, welches wiederum zumeist in der Umgebung des Statthalters konzipiert worden war.38 Ihre recht hohe Zahl spiegelt also keine individuellen An-
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dieses Titulaturelement bisweilen bereits zuvor Verwendung gefunden hat; dazu u.Anm.89. So etwa Geagan (1984) 74: „It is very likely therefore that the altars were inscribed while [Nero] was touring Greece“; vgl. auch Bergmann (1998) 146. Leider ist allerdings bei keinem der neronischen Altäre der originale Aufstellungsort bekannt. Im selben Zeitraum wurde auch Messalina, die Gattin Neros, in Athen von einem Privatmann mit einer Statue geehrt: IG II/III² 3280. Aus der Baetica sind zwei Basen von statuarischen Monumenten zu Ehren Neros bekannt, die beide relativ früh in seiner Regierungszeit errichtet wurden: CIL II 1392 = CILA II 3, 818 = AE 2003, 917 = Højte (2005) 321 Kat. Nero 19 (Marchena; Dat.: 55) und CIL II 1281 = CILA II 3, 965 = Højte (2005) 321f. Kat. Nero 20 (Salpensa; Dat.: 56/57). In der Provinz Lusitania wurden zu Neros Ehren in Olisipo das proscaenium und die orchestra des Theaters erbaut (CIL II 183 = ILS 5640; Dat.: 57; zur Lesung vgl. Stylow [2001] 144f. mit Anm.27, der den in der Ansprache des Kaiser verwendeten Dativ in eine Ablativ-Nennung verbessern möchte) sowie eine Statue(?) errichtet (CIL II 184 = Højte [2005] 321 Kat. Nero 18; nicht genauer datierbar); eine weitere Ehreninschrift für Nero stammt aus Augusta Emerita(?) (EphEp VIII 24 = I.Emerita 22 = Højte [2005] 321 Kat. Nero 17; Dat.: 61/62). Aus der Hispania citerior ist lediglich ein Fragment einer monumentalen Inschrift mit Nennung Neros im Dativ aus Avila namhaft zu machen (AE 2001, 1240 = I.Avila 8). Aus der Provinz Hispania citerior sind neun Meilensteine des Nero bekannt; alle weisen ein Nominativ-Formular auf, stammen aber aus unterschiedlichen Jahren; s. Mil.Tarrac. 53-57; Rodríguez Colmenero u.a. (2004) 771f. Aus der Baetica gibt es sieben Meilensteine Neros mit Nennung des Kaisers im Nominativ und im Dativ (s. auch Sillières [1990] 86f. Nr.22, 95f. Nr.34, 100 Nr.39, 114f. Nr.56), während aus Lusitanien eine Serie von neun Meilensteinen stammt, von denen sieben ein mehr oder minder identisches Nominativ-Formular aus dem Jahr 58/59 zeigen und entlang der sog. Via de la Plata aufgestellt waren. Zu der Inschriften- und Monumentgattung der Meilensteine vgl.o.Anm.7.
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sprachen an den Herrscher wider, sondern geht auf die Initiative einer kleinen Gruppe von Personen zurück. Letztere ist noch deutlicher in zwei Fällen auszumachen, in denen solche Personen und ihre Motive explizit benannt werden können. Zum einen handelt es sich dabei um eine Gruppe von Weihungen zum Wohle des Kaisers aus den beiden germanischen Heeresbezirken. Dort sind insgesamt fünf Inschriften Neros gefunden worden.39 Darunter befinden sich zwei untereinander im Dekor sehr ähnliche Altäre, die beide vom Niederrhein stammen und von dort ansässigen Gruppen von Galliern (den cives Remi und den cives Lingonum) ihrer jeweiligen Hauptgottheit, dem Mars Camulus bzw. dem Mars Cicollius, pro salute Neronis gewidmet wurden.40 Obwohl beide Weihungen nicht genauer datiert sind, lässt sich eventuell ein Bezug zu der Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung im Frühjahr 65 herstellen. Ein weiteres Monument, das pro salute des Herrschers von der ortsansässigen Bevölkerung dediziert wurde, kann nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesen Zeitraum eingeordnet werden: die große Iuppitersäule aus Mainz.41 Diese wurde von den Bewohnern der dortigen canabae öffentlich aufgestellt, woran auch der amtierende Legat des obergermanischen Heeresbezirks, P. Sulpicius Scribonius Proculus, einen gewissen Anteil hatte.42 Durch einen Bericht des Cassius Dio wissen wir, dass Proculus und sein Bruder P. Sulpicius Scribonius Rufus über längere Zeit gemeinsam die beiden germanischen Heeresbezirke verwaltet haben, bevor sie im Jahre 67 von Nero nach Griechenland zitiert und dort vom Kaiser in den Selbstmord getrieben wurden.43 Nachdem man in der modernen Forschung lange Zeit geneigt war, das Wirken der beiden Brüder in Germanien relativ früh während der 60er-Jahre des 1. Jhs. anzusetzen,44 hat der Fund einer Inschrift in Köln, die von der Errichtung eines unbekannten Gebäudes im Namen Neros (der deshalb im Nominativ aufgeführt ist) kündete, gezeigt, dass Rufus noch in der ersten Hälfte des Jahres 66 in Untergermanien tätig war, denn er ist in der Inschrift ebenfalls (und zwar im Ablativ) genannt.45 Somit wird es sehr 39 40
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Vgl. dazu auch Flower (2006) 218-223. CIL XIII 8701 = ILS 235 = AE 1980, 656 (heute in Rindern, aber eventuell aus Xanten verschleppt); AE 1981, 690 = AE 1984, 650 (Xanten); dazu Rüger (1981), dessen Hypothesen zur historischen Einordnung des Steines jedoch nicht zu überzeugen vermögen. CIL XIII 11806 = ILS 9235 = AE 1980, 655; dazu Bauchhenss (1984). Die Nennung des Legaten im einfachen Ablativ ohne weitere Angaben lässt allerdings nicht klar erkennen, in welcher Funktion er an der Errichtung des Monuments mitgewirkt hat; vgl. Eck (1985) 27. Cass. Dio 63,17,2-4; zu den Brüdern s. PIR² S 270 u.272. Das hat vor allem Instinsky (1959) postuliert; aufgegriffen wurde es etwa von Bauchhenss (1984) 32f. AE 1969/70, 443 = I.Köln² 249 (wiederverwendet in einem späteren Bauzusammenhang als Bodenplatte eines römischen Straßenkanals); dazu Eck (1972/73); Horster (2001) 375f. Kat. XXIV 1,1. Die Inschrift ist durch die Angabe der 10. imperatorischen
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wahrscheinlich, dass die beiden Brüder direkt aus Germanien nach Griechenland abberufen worden sind.46 In der Zeit unmittelbar davor könnten sie – vielleicht sogar gerade wegen ihrer angeblichen Involvierung in eine Verschwörung – die treibende Kraft hinter den Weihungen für das Heil Neros gewesen sein, welche verschiedene lokale Bevölkerungsgruppen am Rhein nach der Aufdeckung des Putschversuches vornahmen. Allerdings ist zu beachten, dass es aus Mainz eine weitere Weihung aus dem Jahre 55 gibt, die von einer Militäreinheit (vermutlich) ebenfalls pro salute des Nero getätigt wurde;47 und die Formel selbst war ja durchaus geläufig und zu allen Zeiten einsetzbar.48 In der regio VII (Etruria) war es – zumindest nach Ausweis der erhaltenen epigraphischen Zeugnisse – sogar ein einziger Mann, der für praktisch alle direkt mit Nero verbundenen Inschriften in der Region (insgesamt 6) verantwortlich war: L. Titinius Glaucus Lucretianus, ein Angehöriger der lokalen Oberschicht von Luna, der nach einer von Claudius und Nero direkt geförderten städtischen Laufbahn unter Nero eine ritterliche Karriere durchlief, die ihn unter anderem in das Amt des praefectus insularum Baliarum brachte, das er in den Jahren 63-65/66 bekleidete.49 Schon zuvor, im Frühjahr 63, hatte er in seiner Heimatstadt ein statuarisches Monument für Nero, dessen Gemahlin Poppaea sowie die bereits verstorbene Tochter Claudia aufgestellt.50 Während er auf den Balearen Dienst tat, legte er – offenbar in Reaktion auf die Nachricht von der Niederschlagung der Pisonischen Verschwörung – ein Gelübde für das Heil Neros ab, dem er sich augenscheinlich aufgrund der Förderung, die er durch den Kaiser erfahren hatte, besonders verbunden fühlte. 51 Im Gefolge seines Gelübdes errichtete er zunächst zwei weitere Ehrendenkmäler für Nero in Luna 52 sowie schließlich in der zweiten Hälfte des Jahres 66 ebendort ein großes Monument
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Akklamation Neros (dazu u.Anm.94) und seiner 12. tribunicia potestas (vermutlich) in den Sommer des Jahres 66 zu datieren. P. Sulpicius Scribonius Proculus ist darüber hinaus durch ein Militärdiplom für den 17.6.65 als Oberkommandierender in Germania superior bezeugt (s. AE 1978, 658 = RMD II 79). Das hat Eck (1985) 125-128 überzeugend demonstriert und damit die Frühdatierungen der älteren Forschung korrigiert. CIL XIII 6820 = ILS 2491; zur Ergänzung der verlorenen ersten Zeile der Inschrift vgl. Eck (1985) 23 mit Anm.1: [Pro salute Neronis Claudi] | [Ca]esaris Aug(usti) Ger(manici) im[p(eratoris)] | (...). So auch Eck (1985) 128 Anm.19; vgl. ferner o.Anm.8. Zu Lucretianus s. PIR² T 256 sowie zu seiner Laufbahn ausführlich Gregori (2000). CIL XI 6955 = ILS 8902 = Højte (2005) 320 Kat. Nero 12. Erwähnt wird dies in CIL XI 1331 = ILS 233: ex voto suscepto pro salute Imp(eratoris) Neronis quod Baliaribus voverat anno A(ulo) Licinio Nerva co(n)s(ule). S. CIL XI 1332 = Højte (2005) 320 Kat. Nero 11 sowie AE 1992, 577 = Højte (2005) 320f. Kat. Nero 13: Mehrere in einem Manuskript überlieferte Inschriftenfragmente, welche in Lucca gefunden wurden, aber vermutlich aus Luna verschleppt worden sind (dazu Ciampoltrini [1992]); das Denkmal wurde errichtet [ex voto] suscept[o].
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für den Kaiser und die Diva Poppaea zur Erfüllung seines Gelübdes. 53 Lucretianus war darüber hinaus auch in Cosa tätig,54 von wo zwei weitere Inschriften Neros bekannt sind, die somit ebenfalls mit seinem Wirken in Verbindung stehen könnten.55 Interessant ist schließlich, dass sich vielleicht sogar eine schon länger bestehende Verbindung zwischen Lucretianus und den soeben erwähnten Brüdern Scribonii ausmachen lässt,56 woraus möglicherweise auf eine Art ‚Netzwerk‘ bei der Erstellung von epigraphischen Monumenten für Nero in dessen letzten Regierungsjahren geschlossen werden kann. Beim Blick auf die regionale Verteilung der Inschriften Domitians (im Sinne der oben vorgeführten Definition) sticht die starke Massierung solcher Tituli in der Provinz Asia ins Auge, denn von hier sind um die 60 Inschriften dieser Art überliefert. Auch innerhalb der Provinz ist noch einmal eine besondere Konzentration der diesbezüglichen epigraphischen Zeugnisse auszumachen, denn etwa die Hälfte von ihnen stammt aus einem einzigen Ort, nämlich der Provinzhauptstadt Ephesos. Eine etwas genauere Analyse der darunter vertretenen Inschriftengattungen und -träger kann einige recht interessante Erkenntnisse liefern. So fällt auf, dass neben einer Gruppe von Meilensteinen (insgesamt 10),57 Kaiserbriefen und ähnlichen Dokumenten 53 54
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CIL XI 1331 = ILS 233 = Højte (2005) 321 Kat. Nero 14. Das bezeugt eine Reihe von Inschriften sowie von Ziegelstempeln mit seinem Namen aus Cosa: AE 2003, 632-637 (womöglich lässt sich in AE 2003, 635 auch die Funktion eines [p(atronus)] c(oloniae) ergänzen); vgl. dazu die – allerdings teilweise ziemlich hypothetischen – Überlegungen von Collins-Clinton (2000) bes.127f. und Fentress (2003) 55-62, die beide in Lucretianus den Initiator von verschiedenen Aktivitäten der neronischen Zeit in Cosa erkennen möchten, wohin er vielleicht sogar vom Kaiser selbst geschickt worden war. AE 1994, 616 = AE 2003, 630 (vermutlich Teil einer Bauinschrift, die den Namen Neros – als Caesar – im Nominativ anführte und eventuell auf die Restaurierung der Basilika bzw. auf deren Umbau in ein Odeon nach einem Erdbeben, vielleicht im Jahr 51, verwies) und AE 2003, 631 (eine – stark fragmentierte – Ehrung für Nero Caesar?). Dies ist die These von Ciampoltrini (1989) u. (1992) 235f.; vgl. ferner Speidel (1994). Ciampoltrini stützt sich dabei insbesondere auf das Inschriftenfragment CIL XI 1340 aus Luna, das einen (senatorischen) Scribonius Proculus im Dativ nennt (und somit wohl als Bestandteil eines statuarischen Monuments zur Ehrung dieses Mannes anzusprechen ist), sowie auf die Tatsache, dass Lucretianus als Militärtribun der 22. Legion in Mainz zu Beginn der 60er-Jahre unter dem Oberbefehl des Scribonius Proculus gedient haben könnte (vgl. aber o.Anm.46). Skeptisch zu diesem Vorschlag äußert sich hingegen Angeli Bertinelli (1990). Die Meilensteine Domitians aus Asia gehören mehrheitlich (jedoch nicht alle) in die Zeit zwischen 90 und 92. Auf ihnen ist durchgängig die lateinische Sprache vertreten, zumeist mit einem ergänzenden griechischen Text. Der Name des Kaisers ist immer im Nominativ genannt, teilweise mit dem Zusatz vias restituit. In einem Fall (AE 1988, 1028; gefunden bei Mylasa) folgt darauf noch die – bislang singuläre – Angabe [per] Chresimum lib(ertum) pro[cur(atorem marmoribus]; dazu Herrmann (1988) 122-125. Zum Straßenbauprogramm in Asia unter Domitian vgl. ferner Dräger (1993) 204f.
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(5) sowie Weihealtären (2) die Zahl der Statuenbasen, in deren (Ehren-)Inschriften der Name des Kaisers im Akkusativ erscheint (dem gängigen Casus für solche Ehrungen im griechischsprachigen Raum) und die daher mit Sicherheit ein Bildnis des Domitian trugen, relativ gering ist, denn es sind bislang nur fünf Stücke aus unterschiedlichen Städten (darunter keine aus Ephesos!) bekannt.58 Die Masse der Inschriften Domitians aus Asia lässt sich hingegen zwei weiteren Kategorien zuordnen. Dabei handelt es sich zunächst um Tituli, die an Gebäuden unterschiedlichster Art angebracht waren (auf Tafeln, Architekturteilen usw.) und in der Regel deren Errichtung bzw. Restaurierung kommemorierten (insgesamt 19). Am Beginn solcher Inschriften wurde häufig der Name Domitians angeführt, und zwar ausnahmslos im Dativ 59 und oft mit einer stark verkürzten Titulatur. Der Kaiser erscheint hier jedoch fast nie allein, sondern in Kombination mit anderen Entitäten wie der oder den Stadtgottheit(en) – diese steht dann immer an erster Stelle – oder der Polis bzw. dem Demos.60 Dadurch wurde das entsprechende Gebäude dem Kaiser 58
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(1) IAph2007, 8.236 = Højte (2005) 359 Kat. Domit. 37 = Smith (2006) 78 H22 (Aphrodisias), oben und unten profilierte Statuenbasis, darauf (in einem Stück gearbeitet) eine Art Rundbasis, auf deren Oberseite sich Dübellöcher für die Statue befinden; gefunden im Theater zusammen mit den Resten einer Statue, welche zunächst als Bildnis des jugendlichen Domitian interpretiert wurde; diese Deutung hat sich aber mittlerweile als unzutreffend erwiesen (zur Statue s. Smith [2006] 104-107 Nr.2); Stifter: Demos. (2) Unpubliziert (Inv. Nr.75-143) = Smith (2006) 78 H23 (Aphrodisias); Statuenbasis; gefunden als Spolie in der westlichen Stadtmauer; Stifter: Demos. (3) I.Priene 229 = Højte (2005) Kat. Domit. 59 (Priene); Rundbasis, oben und unten profiliert, auf der Oberseite Standspuren einer Bronzestatue; gefunden (offenbar in einem sekundären Kontext) bei dem kleinen Heiligtum im Hof des oberen Gymnasions; Stifter: Demos. (4) IG XII 1, 994 = IGR IV 1151 = Højte (2005) 359 Kat. Domit. 39 (Brykous auf Karpathos); Statuenbasis; Fundort unbekannt; Stifter: Demos von Brykous und Anwohner für den Demos der Rhodier. (5) I.Rhod.Per. 607 = Højte (2005) 363 Kat. Domit. 55 (Idyma; vgl.u.Anm.237); Statuenbasis; gefunden im antiken Ruinengebiet; Stifter: koinon der Idymeer. Eventuell kommt noch I.Ilion 92b = IGR IV 211c = Højte (2005) 363 Kat. Domit. 56 aus der Nähe von Ilion hinzu; der Bezug auf Domitian (statt auf Titus) ist hier aber sehr unsicher. Die relativ geringe Zahl von Statuenbasen für Domitian aus der ansonsten inschriftenreichen Provinz Asia könnte mit der damnatio memoriae des Kaisers zusammenhängen, in deren Gefolge vermutlich viele statuarische Monumente für ihn vollständig vernichtet worden sind; vgl. dazu am Beispiel von Lycia et Pamphylia u.S.157. Bislang ist aus Asia keine einzige Bauinschrift dieser Art bekannt, die den Namen des Domitian im Nominativ anführt und ihn somit als Initiator der Baumaßnahme ausweisen würde. Ein gutes Beispiel hierfür ist IAph2007, 12.314 aus Aphrodisias, ein großer Marmorblock (gefunden in sekundärer Verwendung), an dessen unterem Rand drei Faszien angebracht sind. Letztere legen nahe, dass der Block ursprünglich als Türsturz gedient hat. Die Inschrift ist auf dem Feld über den Faszien sowie auf der ersten Faszie angebracht. Sie enthält zunächst eine Weihung (im Dativ) an die Stadtgöttin Aphrodite, Domitian, die domus Augusta sowie den Demos und berichtet sodann davon, dass ein
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gewidmet, ohne dass er – falls es sich um Tempel handelte – notwendigerweise in den jeweiligen Kult eingebunden wurde. Die meisten mit solchen Inschriften versehenen Bauten dienten aber ohnehin keinen kultischen Zwecken. Ebenso wenig muss man annehmen, dass der Kaiser aufgrund der Nennung seines Namens in der Inschrift tatsächlich in den Bauprozess involviert gewesen wäre. Wir haben in solchen Gebäudewidmungen vielmehr augenscheinlich eine (weitere) Form der Ehrung des fernen Herrschers zu sehen.61 Einige besonders prägnante Beispiele für solche Tituli der domitianischen Zeit aus Asia seien hier kurz vorgestellt: Eine auffällige Gruppe bilden großformatige Inschriften, die in verschiedenen Orten ungefähr zur selben Zeit, nämlich im Jahr 84/85, an Stadttoren bzw. Bogenmonumenten angebracht wurden.62 Beispiele hierfür kennen wir aus Hierapolis,63 Laodikeia am Lykos64 und Akmoneia.65 In den ersten beiden Fällen handelt es
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Mann namens Adrastos verschiedene Anlagen, die mit der Wasserversorgung der Stadt in Verbindung standen, aus eigenen Mitteln errichtet und diese Inschrift angefertigt hatte „für die vorher erwähnten [Götter] und den Demos“. Vgl. hierzu Price (1984a) 146-156, der von einer „honorific addition“ spricht; sowie insbesondere die Klarstellung von Burrell (2006) 440-444, die zu folgendem Schluss kommt (ebd.442): „We can be fairly sure that such dedications were simply a form of honor“. Vgl. hierzu auch Dräger (1993) 205. CIL III 368 = 7059 = IGR IV 811 = AE 1969/70, 593; dazu Monaco (1963/64). Die Inschrift war in einer zweifachen Fassung auf den beiden Seiten des Prunktores am nördlichen Ende einer großen, von Kolonnaden gesäumten Plateia angebracht. Der lateinische und griechische Text ist jeweils einzeilig, wobei ersterer in Z.1 mit deutlich größeren Buchstaben ausgeführt ist. Der Name des Kaisers Domitian war zusammen mit einer vollständigen Titulatur im lateinischen Text im Ablativ, im griechischen im Dativ, also im Wesentlichen zu Datierungszwecken, angegeben. Die Titulatur führt auf eine zeitliche Einordnung in das Jahr 84/85; sie ist allerdings nicht ganz korrekt wiedergegeben, denn die Angabe trib. pot. IIII (84/85) passt nicht zu cos. XII (ab 86) – fehlerhaft ist wahrscheinlich letztere. Als eigentlicher Bauherr (portam et turres faciendas curavit) tritt der Prokonsul Sex. Iulius Frontinus auf. CIL III 14192,10 = IGR IV 847 = MAMA VI 2 = AE 1996, 1477 = I.Laodikeia am Lykos 24a-b; dazu Corsten u. Drew-Bear (1996) 31-40: Fragmente von Architekturblöcken, auf beiden Seiten des sog. Syrischen Tores angebracht. Auf der einer Seite eine zweizeilige griechische Inschrift auf dem Architrav, auf der anderen Seite eine dreizeilige lateinisch-griechische Bilingue; die lateinische Inschrift – welche in etwas größeren Buchstaben eingemeißelt ist – befindet sich in den Metopen, die griechische auf dem Architrav darunter. In dem lateinischen Text ist zunächst der Name Domitians im Dativ oder Ablativ genannt; sodann wird ausgeführt, dass der Prokonsul Sex. Iulius Frontinus die Dedikation vornahm (daraus ergibt sich die Datierung in das Jahr 84/85; vgl. die vorige Anm.). Der griechische Text ist ausführlicher; er nennt vor dem Kaiser (der hier mit einer vollständigeren Titulatur versehen ist) Zeus Megistos Soter als Empfänger der Widmung (beide im Dativ) und zudem den Initiator der Baumaßnahme, den kaiserlichen Freigelassenen Tib. Claudius Tryphon, der „die Türme und das Tripylon errichtete“, während Frontinus als Statthalter „das gesamte Bauwerk einweihte“.
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sich dabei um griechisch-lateinische Bilinguen, welche sorgfältig gestaltet sind und den Namen des Kaisers im Ablativ (im lateinischen Text) bzw. im Dativ (im griechischen Text) anführen. Daraus ergibt sich, dass der Herrscher sowohl zu Datierungszwecken als auch als Empfänger der Widmung des Gebäudes genannt wurde. Zweimal ist daneben der Statthalter von Asia, Sex. Iulius Frontinus, in einer prominenten Position genannt, was vermuten lässt, dass er eine wichtige Rolle bei der Konzeption dieser Baumaßnahmen und Inschriftensetzungen gespielt hat. Eine weitere auffällige Inschrift der domitianischen Zeit befand sich auf dem Architrav an der Ostfront des Zeustempels von Aizanoi. Sie war in vergoldeten Bronzebuchstaben ausgeführt,66 von denen sich nur die Dübellöcher erhalten haben. Auch hier stand an erster Stelle der Name der Gottheit (in diesem Falle des Zeus von Aizanoi), auf den die Ansprache des Kaisers im Dativ mit Filiation und voller Titulatur folgte. Schließlich wurde die Polis von Aizanoi als Initiator des Tempelbaues genannt.67 Eine letzte im domitianischen Inschriftenbestand von Asia stark vertretene Denkmälergruppe sind Statuenbasen, deren Inschriften eine Weihung an den Kaiser im Dativ enthalten (insgesamt 17). Hierbei ist häufig nicht sicher, ob diese Basen ein Standbild des Domitian trugen. In einigen Fällen ist dies sogar sehr unwahrscheinlich;68 bei diesen muss vielmehr angenom65
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MAMA VI 251: Drei Fragmente, gefunden in sekundären Kontexten; offenbar ursprünglich angebracht an einem monumentalen Tordurchgang, wahrscheinlich am Marktplatz. Die griechische Inschrift enthält eine Widmung im Dativ an den Divus Vespasianus(?) und Domitian; Stifterin war eine Clodia Rufilla aufgrund eines Versprechens ihres Vaters. Sie hat das „Propylon bei der Agora(?)“ errichtet und eingeweiht. Die Inschrift ist nicht genauer datierbar; sie dürfte aber wohl etwa zur selben Zeit wie die beiden zuvor genannten Tituli entstanden sein. Zu diesen litterae aureae vgl.o.Anm.31. SEG 58, 1492; dazu ausführlich Posamentir u. Wörrle (2006). Die Inschrift dürfte im Jahr 92 entstanden sein (ebd.237f.). Ebd.242 wird angenommen, die gemeinsame Weihung an den Zeus von Aizanoi und Domitian könne hier doch als Hinweis auf eine Kultgemeinschaft von Gott und Herrscher (und eben nicht als bloße „honorific addition“; dazu o.Anm.61) aufgefasst werden, weil dies angesichts der anderweitig gut bezeugten Nähe des Domitian zu Iuppiter/Zeus nahe läge. Das lässt sich jedoch nicht wirklich beweisen. Ein typisches Beispiel für diese Kategorie ist Milet VI 1,189 = Højte (2005) 363f. Kat. Domit. 58, eine wiederverwendete Rundbasis aus Milet. Diese war dem Domitian und dem Demos von Milet geweiht. Zwei C. Iulii Antiochoi haben auf der Basis etwas aufgestellt – was genau wird aber in der Inschrift nicht gesagt. Es dürfte sich kaum um eine Statue des Domitian gehandelt haben, obwohl dies in Milet VI 1, p.11 u.197 behauptet wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang I.Eph 518, eine ursprünglich auf drei Seiten beschriebene Statuenbasis aus Ephesos, gefunden im Bereich des Hafengymnasiums. Die Vorderseite der Basis enthält eine Weihung an Domitian und den Demos von Ephesos; auf der linken Nebenseite berichtet eine weitere Inschrift davon, dass Tib. Claudius Nysios - /# L L mit all seinem Schmuck errichtet habe. Vgl. dazu auch Friesen (1993) 34 Anm.14; ferner Burrell (2006) 444 mit
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men werden, dass die Statue einer anderen Person/Gottheit dem Kaiser gewidmet wurde, um auch ihn zu ehren, so wie wir es bereits in Bezug auf Gebäude gesehen haben. Die Hauptmenge dieser Kategorie bildet eine Serie von 13 Basen mit Nennung des Domitian im Dativ aus Ephesos. Diese Basen69 weisen weitgehend identische Texte in einem kurzen und einem langen Formular auf und können in den Zeitraum zwischen Sommer 88 und Sommer 91 datiert werden.70 Obwohl die Basen allesamt in sekundären Kontexten gefunden wurden,71 geht aus dem Text der Inschriften doch klar hervor, dass sie ursprünglich im Umkreis des provinzialen Kaiserkulttempels auf einer großen Terrassenanlage an der oberen Agora aufgestellt waren.72 Die Basen wurden von verschiedenen Gemeinden der Provinz Asia errichtet. Die Städte hatten durch eine Gesandtschaft wohl in irgendeiner Form an den Ritualen des provinzialen Kaiserkults teilgenommen, etwa an den Einweihungsfeierlichkeiten des neuen Tempels.73 Auch in diesem Fall bleibt unsicher, wessen Standbild die Basen trugen. Es ist nicht auszuschließen, dass auf ihnen Statuen Domitians aufgestellt waren, aber der Dativ bei der Kaisernennung (statt des Akkusativs) ist dafür eben kein sicheres Indiz.74 So muss diese Frage letztlich offen bleiben. Klar ist hingegen, was der eigentliche Auslöser für diese massierten Inschriftensetzungen mit Nennung des Kaisers in Ephesos war, nämlich die Verleihung der ersten Neokorie an die Stadt durch Domitian recht bald nach
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dem Beispiel einer Statuenbasis severischer Zeit aus Sardis, auf der trotz einer Weihung an die regierenden Kaiser eindeutig die Statuen zweier mythologischer Figuren errichtet wurden. Diese Steine sind gelegentlich als ‚Altäre‘ angesprochen worden, so von Dräger (1993) 124. Das kann aber nicht richtig sein, denn bei den erhaltenen Stücken handelt es sich um hochrechteckige Blöcke mit quadratischem Querschnitt (s. Friesen [1993] 29). Zumindest einer dieser Blöcke weist zudem ein separat gearbeitetes Sockelgesims sowie eine Deckplatte auf (I.Eph 234; s. Friesen [1993] 30 plate IV). Dies ist ein klares Indiz dafür, dass wir es tatsächlich mit Statuenbasen zu tun haben. Die bequemste Übersicht über diese Stücke bietet Friesen (1993) 46f.; vgl. auch Højte (2005) 360-363 Kat. Domit. 41-53 sowie Mayer (2006). Der Name Domitians wurde nach seinem Tod in allen Inschriften der Serie eradiert und fast immer mit dem Namen Vespasians (als theos) überschrieben; dazu u.Anm.361. Übersichten zu den Fundorten der Basen: Friesen (1993) 29-32; Mayer (2006) 117f. Vgl. etwa Burrell (2004) 61: „[the bases] (...) probably stood around this temple“. Zu der Tempelanlage s. Scherrer (2000) 92 Nr.30. So die These von Dräger (1993) 143-149; gefolgt von Posamentir u. Wörrle (2006) 241. Es ist wahrscheinlich, dass der provinziale Tempel der Sebastoi (zumeist als ‚Domitianstempel‘ bezeichnet) erst im Jahr 90 endgültig fertig gestellt wurde; in diesem Jahr wurde auch erstmals ein neokoros für den Tempel ernannt (vgl. Friesen [1993] 45-49). Die Ausübung des provinzialen Kaiserkults in Ephesos muss jedoch schon zuvor eingesetzt haben, und auch die Aufstellung von Statuen mit Weihungen an Domitian durch verschiedene Städte der Provinz begann bereits im Jahr 88, als der Bau des Heiligtumsbezirks offenbar schon recht weit gediehen war. So auch Friesen (1993) 34.
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seinem Herrschaftsantritt.75 Diese hatte zum einen den Bau des bereits erwähnten Tempels für den provinzialen Kaiserkult durch das koinon von Asia zur Folge. Vor dem Tempel befand sich ein Altar, der auf drei Seiten mit Reliefs verziert war: An den Schmalseiten sind eine Opferdarstellung bzw. Langschilde und -schwerter zu sehen, auf der Vorderseite erbeutete Waffen(haufen), Tropaia und dazwischen ein sitzender und gefesselter Barbar. 76 An der Nordseite – also mit Blick auf den sog. Domitiansplatz – war der Terrassenmauer des Tempelbezirks eine mehrstöckige Fassadenarchitektur vorgeblendet, und diese wies im zweiten Stock Figuren von Orientalen im Hochrelief auf.77 Da kein direkter Zusammenhang zwischen den militärischen Aktionen der domitianischen Zeit und den östlichen Feinden des Reichs (insbesondere den Parthern) zu erkennen ist, darf man annehmen, dass der Bildschmuck des Komplexes als allgemeine Chiffre der unter Domitian so stark propagierten Sieghaftigkeit des römischen Kaisers über die Welt der Barbaren zu verstehen ist.78 Zum anderen löste die Neokorieverleihung an Ephesos auch auf der städtischen Ebene einen wahren Bauboom aus.79 An den in diesem Kontext neu errichteten bzw. restaurierten Gebäuden wurden viele der oben vorgestellten Bauinschriften mit einer Widmung
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Die genaue Datierung der ersten Neokorieverleihung an Ephesos ist umstritten. Einige Forscher (so Burrell [2004] 59-66) postulieren, diese sei bereits unter Nero erfolgt, nach dessen Tod aber wieder zurückgenommen worden. Diese These kann sich aber nur auf wenige und in ihrer Interpretation zudem umstrittene numismatische Zeugnisse stützen. Die Mehrheit der Forscher nimmt daher an, dass dieser Vorgang erst unter Domitian stattfand; vgl. Dräger (1993) 122-142; Friesen (1993) 41-49. Terminus ante quem ist wohl die Bauinschrift des Bühnengebäudes des Theaters (I.Eph 2034), falls diese tatsächlich eine Weihung an Domitian aufwies, was in das Jahr 85/86 führen würde. Eine genauere Datierung möchte Dräger (1993) 130-136 aus der Beobachtung ableiten, dass die Ausstattung des Tempelbezirks eindeutig auf die Sieghaftigkeit des Kaisers Bezug nahm. Als konkreten Anlass für die Neokorieverleihung betrachtet er daher den Chattenfeldzug des Domitian im Jahre 83 (s.u.Anm.123) und verweist auf weitere Monumente, in denen der Erfolg des Domitian in der weit entfernten Provinz Asia gefeiert wurde (vgl.u.Anm.129). Die Siegesnachricht aus Germanien habe das asiatische koinon veranlasst, einen neuen Provinzialtempel zu beantragen; die Genehmigung hierfür sei spätestens im Sommer 84 erfolgt. Vgl. aber die Kritik von Burrell (2004) 62f. an dieser phantasievollen Rekonstruktion. S. Strocka (2010) 28 mit Abb.55. Vgl. Landskron (2005); ferner Strocka (2010) 47f. mit Anm.251. Die in der früheren Forschung erwogene Datierung von Teilen der Architektur des Heiligtums (darunter der ‚Orientalen-Fassade‘) in das mittlere 2. Jh. ist mittlerweile revidiert worden; die gesamte Anlage inklusive Ausstattung kann durchaus in spätflavischer Zeit entstanden sein. So auch Landskron (2005) 195: „[man] kann in den Figuren eine Generalisierung des Sieges der Römer bzw. des Kaisertums über Barbaren sehen“; ebenso Scherrer (2008) 41. Vgl. hierzu Halfmann (2001) 36-44; Scherrer (2008) bes.40-46.
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an den Kaiser angebracht.80 Die hohe Zahl domitianischer Kaiserinschriften in der Provinz Asia und insbesondere in Ephesos ist also zu einem erheblichen Maße durch eben diesen Vorgang zu erklären, der in die gesamte Region ausstrahlte. Insgesamt betrachtet ist die Zahl der erhaltenen Inschriften für Nero und Domitian im Imperium Romanum, wie bereits zu Beginn dieses Abschnitts ausgeführt, jedoch nicht allzu groß – gerade auch im Vergleich zur derjenigen der vorangehenden und nachfolgenden Kaiser.81 Das gilt ganz besonders mit Blick auf die Metropole Rom, von wo sich jeweils nur sehr wenige Inschriften der beiden Kaiser erhalten haben,82 obwohl es nach Ausweis der literarischen Quellen zahlreiche Monumente zu Ehren dieser Herrscher gegeben haben muss, die mit entsprechenden Inschriften versehen waren. Zur Erklärung dieses Befundes ist auf die Folgen der damnatio memoriae zu verweisen, die beide Kaiser nach ihrem Tod traf. Obwohl die Gedächtnistilgung an den epigraphischen Monumenten Neros und Domitians, wie noch zu zeigen sein wird (vgl.u. Abschnitt 5), keineswegs einheitlich oder systematisch durchgeführt wurde,83 scheint sie doch dazu geführt zu haben, dass
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So etwa I.Eph 413a-b, 415/16, 2034/35, 3008. Vgl. hierzu die zu einem erheblichen Teil aus Kaiserinschriften gebildete Kurve bei Mrozek (1973). Aus Rom sind gerade einmal fünf Tituli aus der Regierungszeit Neros bekannt, die nach der o. in Abschnitt 1 vorgestellten Definition als Kaiserinschriften im engeren Sinne zu verstehen sind (vgl. Eck [2002] 288). Nur eine von diesen gehörte zu einem bedeutenderen Ehrenmonument, nämlich einem großen, mehrfach veränderten Statuenpostament, zu dem in der letzten Umgestaltungsphase des Jahres 55/56 ein Standbild Neros hinzugefügt wurde (CIL VI 40307). Das Monument stand in einem kleinen Gebäude bei der Meta Sudans, das bei dem großen Brand von 64 zerstört und verschüttet wurde; es war daher beim Tode Neros nicht mehr zugänglich und entging dadurch der Vernichtung. Bei CIL VI 40418 = 31289 und CIL VI 36912 handelt es sich um Tafeln unbestimmter Funktion, in deren Inschriften der – nicht eradierte – Name des Nero jeweils im Nominativ angeführt ist. Schließlich gibt es noch zwei Inschriften, die aus einem ‚privateren‘ Kontext stammen müssen: CIL VI 926, eine kleine Marmortafel, deren Inschrift davon berichtet, das etwas in ho[norem Neron]is geweiht wurde; sowie CIL VI 927 = ILS 236, eine kleine Statuenbasis aus Marmor, die dem Nero und dem Silvanus geweiht war. Stifter des Monuments (einer aedicula cum imagine) war ein kaiserlicher Sklave, und auch der Fundort des Steines bei Torre de’ Schiavi könnte darauf hindeuten, dass er im Bereich eines kaiserlichen Landguts zur Aufstellung kam. Für Domitian kennen wir aus Rom ebenfalls nur sehr wenige Inschriften, nämlich maximal fünf: CIL VI 947 u.40458 (beides Ehreninschriften), 40456 (wohl eine Bauinschrift mit Nennung Domitians im Nominativ), 449 = ILS 3617 sowie eventuell 40457 (letzteres ist jedoch sehr unsicher). Bei keiner dieser Inschriften wurde – soweit erkennbar – der Name des Kaisers eradiert, was darauf hindeuten könnte, dass sie nach dem Tod Domitians komplett entfernt wurden und nur durch Zufall ‚überlebt‘ haben; vgl. dazu u.Anm.84. Das gilt auch für Rom; vgl. dazu am Beispiel der Inschriften des Nero Flower (2006) 213-217. So sind etwa zwei Monumente der claudischen Zeit, die auch Inschriften für
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zahlreiche epigraphische Monumente der beiden Kaiser – und gerade solche, die im öffentlichen Raum aufgestellt waren – vollständig vernichtet wurden,84 was wiederum Auswirkungen auf die uns vorliegende Inschriftenverteilung hat. Zudem dürfen wir vielleicht annehmen, dass gerade solche Tituli bevorzugt in Gänze zerstört wurden, die besonders anstößige Bezeichnungen der Kaiser aufwiesen,85 was wiederum heißen würde, dass uns die erhaltenen Inschriften in dieser Hinsicht ein verzerrtes Bild vermitteln.
3.
Die offiziellen Titulaturen Neros und Domitians im Spiegel der Inschriften
In diesem Abschnitt soll untersucht werden, welche Besonderheiten bzw. Innovationen in der offiziellen Titulatur des Nero und des Domitian auszumachen sind. Gleichzeitig gilt es zu analysieren, wie sich diese in die längerfristige Entwicklung der Kaisertitulatur im 1. und frühen 2. Jh. einordnen lassen. 3.1.
Die offizielle Titulatur Neros
Neros offizielle Titulatur kann an zwei epigraphischen Dokumenten exemplifiziert werden, deren Formulierung von der kaiserlichen Kanzlei bzw. unter Mitwirkung eines Provinzstatthalters entworfen wurde und die somit die unter Nero übliche Anrede des Herrschers so exakt wie möglich wiedergeben sollten: CIL XVI 4 (Militärdiplom; gef. in Vindobona/Pannonia superior; Dat.: 61) Nero Claudius divi Claudi f(ilius) Germanici | Caesaris n(epos) Ti(beri) Caesar(is) August(i) pron(epos) divi Aug(usti) | abn(epos) Caesar Aug(ustus) German(icus) pont(ifex) max(imus) trib(unicia) pot(estate)| VII imp(erator) VII co(n)s(ul) IIII (...). AE 1900, 18 (Tafel mit einer Bauinschrift; gef. in Augusta/Thracia; Dat.: 61/62) [Nero Claudius] | divi Claudi f(ilius) | Germ(anici) Caesaris n(epos) | Ti(beri) Caesaris Aug(usti)| pronep(os) divi Aug(usti) abn(epos) | 5 Caesar Aug(ustus) Germ(anicus) | pontif(ex) max(imus) trib(unicia) pot(estate) | VIII imp(erator) VIII co(n)s(ul) IIII |
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Nero als Caesar enthielten, nicht angegriffen worden: CIL VI 921/22 (= ILS 222) u.40424. Vgl. ferner u.Anm.85. Vgl. dazu die Überlegungen von Eck (2002). Bei diesen Inschriften wurde also nicht nur der Name des Kaisers ausgemeißelt, sondern es erfolgte eine vollständige Vernichtung des gesamten Denkmals; vgl.ebd.291. Hingegen wurde der Name des Kaisers in den Fällen, bei denen er in anderen Zusammenhängen eher ‚nebenbei‘ Erwähnung fand, so in den Arvalakten oder auf Grabinschriften von Angehörigen der kaiserlichen Leibgarde, in der Regel nicht angegriffen; dazu Eck (2002) 292.
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p(ater) p(atriae) | tabernas et praetoria | 10 per vias militares | fieri iussit per | Ti(berium) (I)ulium (I)ustum pro(curatorem) | provinciae Thrac(iae).
Insgesamt hebt sich diese Titulatur nur wenig von derjenigen der Vorgänger Neros ab. Lediglich drei Elemente verdienen einen Kommentar. Zum ersten ist die ausführliche Filiation auffällig, die auf den Individualnamen des Kaisers folgt. Genannt werden alle Vorfahren Neros (durch Adoption bzw. über die mütterliche Linie) bis hin zu Augustus. Wichtig war hierbei offenbar sowohl die dynastische Legitimation des Kaisers als auch die Rückführung auf den Begründer des Principats, welche gerade in den Anfangsjahren der Regierungszeit des Nero (aber durchaus auch später) prononciert herausgestellt wurde.86 Diese Form der ausführlichen Filiation wurde später unter den Adoptivkaisern des 2. Jhs. erneut aufgegriffen. Zum zweiten muss auf den Umgang mit dem praenomen Imperatoris durch bzw. unter Nero eingegangen werden. Nero führte – hierin eine Praxis des Tiberius, Caligula und Claudius fortsetzend – das von Augustus eingeführte praenomen Imperatoris87 bzw. die vorangestellte Bezeichnung Imperator lange Zeit nicht in seiner offiziellen Titulatur. Dennoch wurde ihm diese bisweilen – wie schon bei den früheren Kaisern88 – von den Untertanen beigegeben, die hierbei ihre Freiheiten bei der Gestaltung der kaiserlichen Anrede nutzten.89 Zudem wies Nero – auch dies war mittlerweile ein einge86
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Zu den zahlreichen Verweisen auf Augustus in der Regierungszeit des Nero vgl. Champlin (2003) 139-144. Zur Etablierung eines normierten, sich zur Titulatur verfestigenden Herrschernamens – unter Einschluss des praenomen Imperatoris – durch Augustus vgl. Syme (1958) und Deininger (1972). Gut bezeugt ist dies im Falle des zweiten Princeps: Tiberius hat es bekanntlich abgelehnt, das praenomen Imperatoris und den Ehrentitel pater patriae in seiner Titulatur zu führen (Suet. Tib. 26,2; s. ferner Tac. ann. 1,72,1; 2,87; Cass. Dio 57,8,1). Dennoch kennen wir einige Inschriften, die für Tiberius das praenomen Imperatoris, das man von der Titulatur des ersten Kaisers Augustus her gewohnt war, aufführen; so beispielsweise CIL VIII 10023 = 21915 = ILS 151; CIL II 4905 = ILS 152; IRT 335; ILAfr 558; weitere Nachweise bei Seager (1972) 142 Anm.2. Vgl. hierzu auch Carroll (1982) 33-38 mit etwas anderer Wertung. Aus dem Westen des Reiches lassen sich für diese Praxis nur zwei recht unsichere Belege aus Ehreninschriften für Nero anführen: Eine stark fragmentierte, auf Nero ergänzte Inschrift (CIL XI 702) aus Bologna (regio VIII; Dat.: nach dieser Ergänzung 60/61) sowie ein verschollener Titulus (CIL IX 4115 = Højte [2005] 320 Kat. Nero 9; Dat.: 58) aus Aequiculi (regio IV) mit einem merkwürdigen Formular, das einige Zweifel erweckt (so auch Kajava [2002] 103f. Anm.75). AE 1948, 142 (Ptolemais/Iudaea), eine Ehrung für Imp. Ner. Caes., ist wohl eher Nerva als Nero zuzuweisen. Etwas häufiger war die Verwendung des Titels ." am Anfang der Titulatur Neros schon vor dem Jahr 66 in den griechischsprachigen Inschriften aus dem Ostteil des Reiches, so im Rahmen einer Datierungsangabe auf einem Altar aus Doliche/Syria (AE 1983, 933 = CCID 2), welcher im vierten Jahr der Herrschaft Neros (57/58) aufgestellt wurde; oder in einem ähnlichen Formular auf einem Altar (SEG 37, 1316 = I.Cilicie 85) aus Mopsuestia/Cilicia (Dat.: 64/65). In Athen (Achaia) wurde Nero auf der Widmungsin-
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spieltes Ritual – die Bezeichnung als pater patriae zunächst zurück, um sie erst Ende 55 oder Anfang 56, d.h. über ein Jahr nach seinem dies imperii, anzunehmen.90 Auch nach diesem Zeitpunkt wurde aber der pater patriaeTitel selbst in offiziellen Schriftstücken nicht immer aufgeführt.91 Erst im Frühsommer des Jahres 66 hat Nero, als er den armenischen König Tiridates in einer aufwändig inszenierten Zeremonie in Rom gekrönt92 und aufgrund der als erfolgreich propagierten Friedensverhandlungen mit den Parthern den Ianustempel geschlossen hatte,93 das praenomen Imperatoris in seine offizielle Titulatur aufgenommen, um dadurch den angeblich siegreichen Abschluss der militärischen und diplomatischen Operationen im Osten zu feiern und sich gleichzeitig erneut in die Tradition des Augustus zu stellen.94 Die durch die Wiederaufnahme des praenomen Imperatoris in die
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schrift, die im Jahr 61/62 an der Ostseite des Parthenon angebracht wurde, am Beginn der Titulatur sogar als ." bezeichnet (IG II/III² 3277 mit dem Kommentar von Carroll [1982] 33-41; dazu o.Anm.29 und u.Anm.200). Schließlich wurde Nero in Ägypten in Inschriften verschiedener Art nicht selten schon vor 66 als Imperator bzw. ." angesprochen, auch wenn diese Bezeichnung dem Individualnamen zumeist nachgestellt wurde; so in CIL III 30 = ILS 8759a (anno XI Neronis Imp(eratoris) n(ostri)) oder in SEG 48, 2038 (ᛉɎᚓɏɒɑɒᛐɖɄɑኇ ȨᚒɏɘɋɍɑȥɉȽɓɁᚶɍɓȥȽᚶɐȽɏɍɑ ȭɂȾȽɐɒɍᛒ ȞɂɏɊȽɋɇɈɍᛒ ȜᛅɒɍɈɏᙻɒኇ ɍኇ ɏኇɍኇ ɑǢ diese Vorgehensweise findet sich ferner bei den lateinischen Inschriften Neros im armenischen Ziata aus dem Jahr 64/65: s.o.Anm.5). Eine solche Anordnung wurde aber nicht immer vorgenommen, wie etwa ein Text aus dem Jahr 58/59 zeigt (I.Deir El-Bahari 175): ሺᚍɒɍɓɑሻ ɂǯ ȜɓҮኇ ɒɍɈɏᙻɒɍɏ൏ɍɑ ሾȨᚒሿɏɘɋɍɑ ȥȽᚶɐȽɏɍɑɒɍᛒɈɓɏሾᚶɍɓሿ. Als / wird Nero im Übrigen auch in einigen weiteren Inschriften bezeichnet, s.u.Anm.199. S. hierzu Suet. Nero 8 (zu Neros erstem Auftritt vor dem Senat): ex immensis, quibus cumulabatur, honoribus tantum patris patriae nomine recusato propter aetatem („Man hatte ihn mit Ehren ohne Maß überschüttet; nur den Titel ‚Vater des Vaterlandes‘ hatte er mit Blick auf sein Alter abgelehnt“; Übers. Martinet). Zu dem Zeitpunkt der Annahme des pater patriae-Titels durch Nero vgl. Kienast (2011) 96. Auch das Amt des pontifex maximus übernahm Nero erst mit einiger Verspätung wohl im März des Jahres 55. S. etwa das o. auf S.102 angeführte Militärdiplom CIL XVI 4. Der großartige Empfang des Tiridates in Rom und dessen sorgfältig inszenierte Krönung fanden wohl gegen Ende Mai 66 statt; vgl. dazu Heil (1997) 131-134; Champlin (2003) 75, 119, 126f., 221-229. Zur Schließung des Ianustempels, die ebenfalls Teil der Augustus-imitatio des Nero war und die in einer Reihe von Münztypen gefeiert wurde, vgl. Champlin (2003) 140, 224. Die angesprochenen Verweise auf die Tempelschließung in der Münzprägung setzten schon mit dem Spätjahr 64 ein (s. RIC I² 50, 263 [Nero]; ebd.p.140), aber das könnte eine Vorwegnahme eines Ereignisses gewesen sein, das zumindest Suet. Nero 13,2 (vgl. die folgende Anm.) erst mit dem großen Triumphalakt des Jahres 66 verbindet; vgl. in diesem Sinne Townend (1980) und Champlin (2003) 329 Anm.21. Vgl. hierzu Kneissl (1969) 37f.; König (1971) 42; Townend (1980) 234-236; Griffin (1984) 233 mit Anm.72; Heil (1997) 133f.; Champlin (2003) 224. Dieser Vorgang ist in keiner Quelle explizit belegt, denn Suet. Nero 13,2 (dazu Kierdorf [1992] 178) berichtet in Bezug auf die Krönung des Tiridates (vgl. Anm.92) lediglich folgendes: Ob quae imperator consalutatus, laurea in Capitolium lata, Ianum geminum clausit, tamquam nullo residuo bello („Deswegen begrüßte man ihn als Imperator; seinen Lorbeerkranz ließ er in den Tem-
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Kaisertitulatur durch Nero begründete Norm wurde unter den folgenden Kaisern fast ohne Ausnahme fortgeführt, wodurch Imperator als Titel zu einem festen Bestandteil der Kaisertitulatur wurde. 95 Im Gefolge dieser Maßnahme findet sich die vorangestellte Bezeichnung des Kaisers als Imperator in einigen Inschriften aus den letzten Regierungsjahren Neros, so beispielsweise in der folgenden: CIL X 8014 (Meilenstein; gef. bei Sassari/Sardinia; Dat.: Ende 67-Mitte 68) A Turre XVI | Imp(erator) [Ne]ro [Claudius] divi | [C]laudi f(ilius) [Ger]manici | [Caes]aris n(epos) [Ti(beri)] Caesaris | [pron(epos) di]v[i Aug(usti)] abn(epos) | 5 [Caes]ar A[ug(ustus) G]ermanic(us) | [pont(ifex) max(imus) trib(unicia) p]otes[t(ate)] XIIII | [imp(erator)] XII[-?] [---].
Die Aufnahme des praenomen Imperatoris in die offizielle Titulatur Neros unterstrich die in der Außendarstellung seit Regierungsbeginn betonte militä-
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pel auf dem Kapitol bringen, beide Pforten des Ianustempels schloss er, als wäre kein Krieg mehr im Gange“; Übers. Martinet). Der erste Teil der Aussage Suetons bezieht sich vermutlich auf die Annahme der 10. imperatorischen Akklamation durch Nero (so Heil [1997] 133; anders Griffin [1984] 232f., die dieses Ereignis mit der 11. imperatorischen Akklamation Neros verbindet). Entscheidend ist daher das Zeugnis der Inschriften und vor allem der Münzen (zu letzteren s. RIC I² p.133): Auf keinem der Aurei und Denare des Nero, die in der Legende auf die tribunizische Amtsgewalt von TR P bis TR P X (63/64) verweisen, taucht das praenomen Imperatoris in der Titulatur auf, und dasselbe gilt für die Sesterzen mit TR P XI (64/65; s. RIC I² 263 u.272 [Nero]). Der terminus post quem für die Aufnahme des praenomen Imperatoris in die offizielle Titulatur Neros ist somit nach Aussage der Münzen der Herbst 65. Mit Sicherheit verwendete Nero dieses Titulaturelement spätestens ab Herbst 66, denn es gibt einige Münztypen mit dem praenomen Imperatoris und TR P XIII bzw. XIV; der Großteil der entsprechenden Typen ist allerdings undatiert (vgl. RIC I² p.155f.). In Hinblick auf die Inschriften ist zu beachten, dass bei diesen die Angabe des praenomen Imperatoris gelegentlich bereits vor dessen offizieller Einführung von dem jeweils für die Erstellung des Titulus Verantwortlichen in gleichsam ‚inoffizieller‘ Manier vorgenommen werden konnte (vgl.o.Anm.89). Eine Kölner Bauinschrift aus dem Sommer(?) 66 mit trib. pot. XII (s.o.Anm.45) könnte der früheste epigraphische Beleg für die nunmehr ‚offizielle‘ Verwendung des praenomen Imperatoris in der Titulatur Neros sein, während eine Inschrift aus Luna, die in der zweiten Hälfte des Jahres 66 entstanden ist (mit trib. pot. XIII), den Imperator-Titel ebenfalls anführt (s.o.Anm.53). Insgesamt ist die Zahl der Inschriften, die sich sicher in die letzten Regierungsjahre Neros datieren lassen, allerdings ziemlich klein; somit kann sich die Behauptung in RIC I² p.133 („all inscriptions dated TR P XII and later show the praenomen Imperatoris, but none until then“) nur auf ein recht dünnes epigraphisches Material stützen. Aussagekräftiger sind daher die inschriftlich aufgezeichneten Akten der Priesterschaft der fratres Arvales, die einen recht offiziellen Charakter hatten, denn hier taucht der vorangestellte Titel Imperator für Nero erstmals in einem Eintrag aus dem Frühjahr des Jahres 66 auf, der sich zudem gut mit dem zitierten Zeugnis des Sueton verbinden lässt, denn geopfert werden sollte auf dem Kapitol ob laurum des Herrschers; s. CFA 30 col. I cd Z.8-12. Der Imperator-Titel wurde, wenn auch an unterschiedlicher Position innerhalb der Titulatur, von Galba, Otho, Vitellius und dann von Vespasian geführt: Kienast (2011) 102-110.
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rische Komponente seiner Herrschaft, welche in seinen letzten Jahren noch einmal verstärkt wurde.96 Obwohl sich Nero selbst für die wichtige kaiserliche Rolle des Oberbefehlshabers nur mäßig interessiert zu haben scheint und niemals selbst in den Krieg zog, wurden gerade die Auseinandersetzungen um Armenien, die Nero bereits von Claudius ‚ererbt‘ hatte, dazu genutzt, um ihn als fähigen und siegreichen Feldherren zu präsentieren.97 Nachdem Nero die ihm in diesem Kontext angebotenen Auszeichnungen zunächst zurückgewiesen hatte,98 gestaltete sich dies nach Eintreffen der Siegesnachrichten vom armenischen Kriegsschauplatz im Jahre 58 anders. Auch dieses Mal beschloss der Senat umfangreiche Ehrungen für den Kaiser, die er nunmehr fast alle angenommen zu haben scheint. 99 Am wichtigsten unter diesen war ein Triumphbogen für den Sieg in Armenien, der als Parthersieg deklariert wurde. Mit dem Bau dieses Bogens wurde offenbar erst im Jahre 62 ernsthaft begonnen, als Meldungen über die Anfangserfolge der Großoffensive des Caesennius Paetus während des Herbstes 61 in Rom die Hoffnung weckten, ein großer Sieg über die Parther stehe unmittelbar bevor.100 Obwohl das Unternehmen bald darauf wegen der Niederlage des 96
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Zum militärischen Image Neros vgl. Griffin (1984) 221-234; Champlin (2003) 215-219; Strocka (2010) 61-63. In dieselbe Richtung scheint auch die Aufnahme des Titels proconsul (wenn denn die entsprechende Abkürzung so richtig aufgelöst ist) in die Legenden einiger Münztypen Neros (vgl. RIC I² p.154-156) zu weisen; dazu König (1971) 44f., 48f., 52f. In den Inschriften Neros ist dieses Element hingegen nicht bezeugt. Zur Bedeutung der Operationen in Armenien für die militärische Legitimation Neros, und zwar vom Beginn seiner Regierungszeit an, vgl. Heil (1997) bes.65-76, 79, 84. Tac. ann. 13,8,1; dazu Heil (1997) 78. Tac. ann. 13,41,4: Ob haec consalutatus imperator Nero, et senatus consulto supplicationes habitae, statuaeque et arcus et continui consulatus principi (...) aliaque in eandem formam decernuntur („Wegen dieser Erfolge wurde Nero als Imperator begrüßt, auf Senatsbeschluss fanden Dankesfeste statt; die Errichtung von Statuen und eines Triumphbogens [oder mehrerer Triumphbögen] und die ununterbrochene Fortdauer des Konsulats für den Princeps [...] sowie noch andere Anträge der gleichen Art wurden verabschiedet“; Übers. Heller, leicht modifiziert – offen bleiben muss, ob arcus Singular oder Plural ist); dazu Heil (1997) 92-97. Der erste Teil der Aussage bezieht sich offensichtlich auf die 4.-6. imperatorischen Akklamationen, die Nero im Laufe des Jahres 58 annahm; vgl. Griffin (1984) 231; Heil (1997) 92 mit Anm.30. Die Regelung bezüglich des Konsulats ist so nicht durchgeführt worden; Nero war 58 cos. III, 60 cos. IV und erst 68 cos. V; vgl. Kienast (2011) 97. Dazu Tac. ann. 15,18,1: At Romae tropaea de Parthis arcusque medio Capitolini montis sistebantur, decreta ab senatu integro adhuc bello neque tum omissa, dum aspectui consulitur spreta conscientia („In Rom aber wurden Ehrenmale für den Sieg über die Parther und ein Triumphbogen mitten auf den Kapitolinischen Hügel errichtet; beschlossen hatte sie der Senat, obwohl der Krieg noch nicht entschieden war, und man verzichtete auch jetzt nicht darauf, indem man auf den bloßen Augenschein bedacht war und das Bewusstsein der wahren Lage verdrängte“; Übers. Heller). Es ist wahrscheinlich, dass hier derselbe Bogen gemeint ist, dessen Errichtung bereits im Jahr 58 beschlossen worden war (s. die vorige Anm.). Die meisten Forscher (so etwa Strocka [2010] 72)
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Paetus bei Rhandeia scheiterte und die römische Seite durch die nachfolgenden Aktionen und diplomatischen Verhandlungen bis hin zur Krönung des Tiridates im Frühsommer des Jahres 66 (s.o.) nur mühsam das Gesicht wahren konnte, wurde der Bogen fertig gestellt und somit die Sieghaftigkeit des Kaisers verkündet, der nun sogar groß angelegte Feldzüge unter seiner eigenen Leitung bis in den Kaukasus und nach Äthiopien plante, welche dann aber nicht mehr zur Ausführung kamen.101 Nero brachte es zudem auf 12102 oder 13103 imperatorische Akklamationen,104 was aber gerade im Vergleich zu den 27 seines Vorgängers Claudius nicht sonderlich auffällig war. Bemerkenswert ist eher, dass die neronische Siegesideologie in Bezug auf Armenien in den Provinzen des Reiches recht breit rezipiert wurde.105 Dies
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verstehen diese Passage so, dass erst im Jahr 62 mit dem Bau des Monuments ernsthaft begonnen wurde und dieses dann im Jahr 64 fertig gestellt war, als Darstellungen des Bogens in der Münzprägung von Rom und Lugdunum aufzutauchen begannen; dazu Kleiner (1985) bes.69-72. Diese Münzbilder sind gleichzeitig unsere wichtigste Quelle für das Aussehen des Bogens, von dem sich archäologisch fast nichts erhalten hat; vgl. aber La Rocca (1992) für die – hypothetische – Zuweisung einiger Reliefblöcke und Bauglieder an den Nero-Bogen. Die Inschrift des Bogens ist verloren gegangen. Vermutlich nahm Nero in diesem Kontext zu Beginn des Jahres 62 auch eine weitere imperatorische Akklamation (seine neunte) an; dazu Griffin (1984) 232; Heil (1997) 110 Anm.44. Vgl. Heil (1997) 159-194; Strocka (2010) 63 mit Anm.348. Die Vorbereitungen hierfür wurden ab dem Spätjahr 66 durchaus ernsthaft und mit großer Energie vorangetrieben; Nero selbst wollte angeblich urspünglich direkt von Griechenland aus in den Orient aufbrechen (s. Cass. Dio 63,8,1-2). Die 12. imperatorische Akklamation Neros ist epigraphisch nur ein einziges Mal bezeugt, und zwar durch den o. auf S.105 im Wortlaut wiedergegebenen sardischen Meilenstein CIL X 8014, der jedoch an der entscheidenden Stelle gebrochen zu sein scheint. Die Angabe ist hier kombiniert mit trib. pot. XIV, was auf den Zeitraum zwischen Oktober/Dezember 67 und Anfang Juni 68 führt. Der Anlass für diese imperatorische Akklamation ist nicht bekannt; am ehesten hat sie Nero aufgrund der ersten Erfolge im jüdischen Krieg angenommen; so jedenfalls Griffin (1984) 233. Es ist unklar, ob Nero jemals ein 13. Mal zum Imperator akklamiert wurde (s. Griffin [1984] 300 Anm.52; ohne Kommentar angenommen wird dies jedoch von Kienast [2011] 97 mit dem Datierungshinweis: „67 oder 68“). Literarisch oder epigraphisch ist eine 13. Akklamation nicht belegt; einziger Hinweis auf sie ist eine lokale Münzprägung von Ptolemais (Akko) in Syrien; s. RPC I 4749. Die lateinische Legende dieses Typs, der wohl zwischen 66 und 68 ausgebracht wurde, weist Nero sogar als COS IIII IMP XIIII(!) aus (vgl. hierzu auch den Kommentar in RPC I p.659). Cos. IIII war Nero zwischen 60 und April 68; die Angabe zur imperatorischen Akklamation auf diesem Münztyp scheint aber ein Fehler zu sein. Zu den imperatorischen Akklamationen Neros vgl. Griffin (1976/77) 140-146 und (1984) 231-234 sowie Heil (1997) passim. Die meisten dieser imperatorischen Akklamationen (bis zu sieben) nahm Nero im Zusammenhang mit den militärischen und diplomatischen Operationen in bzw. um Armenien an (vgl. auch o.Anm.94, 99 und 100). Vgl. hierzu auch die Beobachtungen zu den Panzerstatuen Neros im Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band.
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gilt insbesondere für den Osten, wie Beispiele in Athen,106 Korinth,107 Aphrodisias108 und Kappadokien109 zeigen. Zuletzt ist noch die Frage der Zählung der tribunicia potestas unter Nero zu diskutieren, da diese in der Forschung einige Aufmerksamkeit erregt hat. Zunächst ist umstritten, ab welchem Datum Nero seine tribunizische Gewalt zählte bzw. zu welchem Zeitpunkt er sie jeweils erneuerte.110 Es werden Ansetzungen von Mitte Oktober (Neros dies imperii war der 13.10.54) bis
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Für Athen ist auf die Inschrift IG II/III² 3277 (s.o.Anm.29 u.89) zu verweisen, die während des (athenischen) Jahres 61/62 am Architrav der Ostseite des Parthenon angebracht wurde. In ihr wird Nero in ungewöhnlicher Weise als ." angesprochen und damit auf seine militärischen Qualitäten verwiesen. Man ehrte Nero in Athen – an einem Ort, an dem immer wieder auf die Überwindung orientalischer ‚Barbaren‘ erinnert worden war – also wohl in Erwartung eines großen Sieges gegen die Parther, der nach den besonders herausgestrichenen Anfangserfolgen des Caesennius Paetus im Herbst 61 tatsächlich in Reichweite schien. Vgl. hierzu Carroll (1982) 6574; Spawforth (1994) 234-237; Kantiréa (2007) 123-125; Perrin-Saminadayar (2007) 139; Strocka (2010) 62; Spawforth (2012) 130-132; aber auch die Zweifel von Heil (1997) 95 Anm.38. Dass man zu dieser Zeit in Athen ein besonderes Augenmerk auf die kaiserliche Sieghaftigkeit legte, scheint auch das Präskript des Ephebendekrets IG II/III² 1990 (ebenfalls aus dem Jahr 61/62) nahezulegen, denn hier wird auf die 8 Neros Bezug genommen. Strocka (2010) bes.45-53 hat wahrscheinlich gemacht, dass die sog. Gefangenenfassade, die Schaufront einer Basilika mit Stützfiguren in Form von (östlichen) Barbaren an der Nordseite der Agora von Korinth, entgegen bisherigen Annahmen in das mittlere 1. Jh. zu datieren ist. Dasselbe sollte für die östlich daran anschließenden Propylaia gelten (ebd.74-78), die zur selben Zeit einen neuen Reliefschmuck mit der Darstellung von gefangenen ‚Parthern‘ und Waffen erhielten. Nach Strocka a.O. handelt es hierbei um Teile eines größeren Bauprogramms, das ab 64, als die Pläne für eine Griechenlandreise des Kaisers bekannt wurden (s. Tac. ann. 15,34,1 u.15,36,1), umgesetzt worden und 66 bei der tatsächlichen Ankunft des Kaisers in Korinth weitgehend fertig gestellt gewesen sei. Die Stützfiguren und die Reliefs seien als deutliche Verweise auf den vom Kaiserhof propagierten Erfolg über die Parther in Armenien zu verstehen gewesen. Interessant sind in diesem Kontext insbesondere einige der Reliefplatten aus dem ‚Sebasteion‘ von Aphrodisias, die teilweise zusammen mit den jeweils zugehörigen, beschrifteten Basen erhalten geblieben sind; dazu Smith (1987) sowie Heil (1997) 95-97. Eines der Reliefs zeigt die Unterwerfung Armeniens (in Gestalt einer nackten weiblichen Figur mit phrygischer Mütze) durch Nero (Smith [1987] 117-120 Nr.7); die Inschrift auf der Basis (IAph2007, 9.14) benennt einerseits die R und andererseits den Kaiser. Es gibt daneben noch eine zweite Basis mit der Aufschrift R (IAph2007, 9.13); ferner ein weiteres Relief mit der Darstellung des Nero als Feldherren (Smith [1987] 127-132 Nr.11). Vgl. hierzu auch den Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band S.190. In Caesarea in Kappadokien wurden unter Nero Silbermünzen geprägt, welche auf dem Revers die Darstellung der Siegesgöttin sowie die Legende (victoria) ARMENIAC(a) zeigen (RIC I² 615/16 [Nero]). Vgl. die gute Darlegung der Problematik bei Clay (1982) 11-16; ferner Griffin (1976/77) 138f.
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Anfang Dezember erwogen.111 Am 4.12., dem Tag der Wahlen für das Volkstribunat Neros (comitia tribuniciae potestatis), opferten die fratres Arvales im Jahr 57 und 58 laut der Arvalakten ob tribuniciam potestatem Neronis.112 Als Ausgangsdatum der Zählung der tribuniciae potestates Neros ist somit wohl doch der 4.12.54 anzunehmen, obwohl auch recht gute Argumente für den 13.10. vorgebracht worden sind.113 Verwirrung gestiftet und Anlass zu vielen Spekulationen gegeben hat aber vor allem ein Eintrag in den Arvalakten zum 1. und 3. Januar des Jahres 60, da hier die siebte tribunicia potestas Neros genannt ist, obwohl es eigentlich erst die sechste sein sollte.114. Von diesem Befund ausgehend nahmen einige Forscher an,115 Nero habe Ende 59 oder im Laufe des Jahres 60 eine Manipulation bei der Zählung seiner tribunicia potestas vorgenommen, indem er in einer ‚republikanischen‘ Geste den Beginn der zweiten tribunicia potestas aus der Retrospektive auf das Datum verlegt habe, an dem die Volkstribunen der Republik ihr Amt angetreten hatten, nämlich auf den 10.12.54 – damit wäre seit dem 10.12.59 tatsächlich trib. pot. VII die korrekte Angabe gewesen. Als Alternative wurde erwogen, dass Nero 59/60 in einer groß angelegten Inszenierung seine tribunizische Gewalt ‚erneuert‘ und damit in der Zählung habe anwachsen lassen. 116 Gegen eine solche Rekonstruktion lassen sich jedoch schwer wiegende Bedenken ins Feld führen. So geben zwei Militärdiplome vom Juli 61 117 und vom Juni 65118 die – nach ‚unmanipulierter‘ Zählung – jeweils korrekte siebte bzw. elfte tribunizische Gewalt an. Das entscheidende Argument liefert aber wohl die Münzprägung unter Nero, denn hier ist von der postulierten Änderung in der Zählweise der tribunicia potestas nichts zu erkennen. Somit bleibt als einzige mögliche Erklärung, für die beiden Einträge in den Arvalakten zum Januar 60 einen schlichten Fehler anzunehmen. 119 Alle weiteren Überlegungen, die an die These von der Manipulation Neros anknüpfen, 111 112 113 114 115
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Vgl. Amandry (1988) 16; Kienast (2011) 97. CFA 25b Z.14-15 u.27 Z.20. So Clay (1982) 15f. CFA 28de Z.17 u.27. So insbesondere Theodor Mommsen; zur Forschungsgeschichte vgl. Perrin (1986) 5558, 68f., 75. So Perrin (1986). CIL XVI 4 = ILS 1987; dazu Heil (1997) 94f. Anm.37. Dieses Militärdiplom, bei dem in der Datumsangabe zwei Suffektkonsuln genannt werden, ist lange Zeit in das Jahr 60 gesetzt worden. Nunmehr liegt aber ein weiteres Militärdiplom vom selben Tag mit derselben Konsuldatierung vor: AE 1998, 1056 = RMD IV 202; vgl. hierzu den Kommentar ebd.p.390: Das 7. tribunizische Jahr Neros „was hitherto attributed to 59/60 and for this reason CIL XVI 4 was dated to 60. New research has corrected this error and shown that the two consuls were suffecti in the third nundinium of 61“. S. ferner PIR² P 201 zu dem einen der beiden Konsuln, Cn. Pedanius (Fuscus?) Salinator, cos. suff. 61. AE 1978, 658 = RMD II 79. So auch Clay (1982) 9f. und Halfmann (1986) 175.
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sind damit hinfällig; insbesondere die Annahme, Nero habe nach der Loslösung von seiner Mutter durch die grandiose Erneuerung seiner tribunizischen Gewalt so etwas wie eine ‚plebeische‘ oder ‚tribunizische Monarchie‘ begründen wollen, also eine Form der autokratischen Regierung, die auf die plebs ausgerichtet gewesen sei.120 Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass Nero als eine Art ‚Volkskaiser‘ auftrat, der in hohem Maße nach popularitas strebte,121 aber die hieraus abgeleiteten Folgerungen zur Gestaltung der Titulatur Neros sind kaum zutreffend – in letzterer fand der ‚Neronianismus‘ eben gerade keinen Widerhall. 3.2.
Die offizielle Titulatur Domitians
Damit können wir uns nun der offiziellen Titulatur des Domitian und deren Widerspiegelung in den epigraphischen Zeugnissen zuwenden.122 Als Ausgangspunkt kann hierbei erneut die beglaubigte Abschrift einer von der kaiserlichen Kanzlei ausgestellten Urkunde dienen: CIL XVI 35 (Militärdiplom; gef. in Muhovo/Thracia; Dat.: 88) Imp(erator) Caesar divi Vespasiani f(ilius) Domitia|nus Augustus Germanicus pontifex | maximus tribunic(ia) potestat(e) VIII imp(erator) | XVII co(n)s(ul) XIIII censor perpetuus p(ater) p(atriae) | (...).
Drei Elemente dieser Titulatur dürfen unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Zunächst ist auf den in dieser Form neuartigen Siegerbeinamen Germanicus hinzuweisen: Ende Juli oder Anfang August 83, nach dem unter persönlicher Anwesenheit des Kaisers erfochtenen Sieg über die Chatten, verlieh der Senat Domitian den Ehrentitel Germanicus123 – Domitian über120 121 122
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Diese These hat Perrin (1986) in einem umfangreichen Aufsatz zu begründen versucht. So Suet. Nero 53; dazu Witschel (2006) 101f. Vgl. zur Titulatur Domitians zusammenfassend Buttrey (1980) 28-39; Martin (1987a); Gering (2012) bes.152-158. Mart. 2,2; 14,170; Frontin. strat. 2,11,7; Suet. Dom. 13,3; zum Chattenkrieg Domitians und zur Verleihung des Siegerbeinamens Germanicus vgl. Kneissl (1969) 48-57; Strobel (1987) bes.431-433; Martin (1987a) 182-187; Jones (1992) 128-131 sowie Gering (2012) 154-157. Die genaue Datierung der Verleihung des Beinamens Germanicus an Domitian ist in der Forschung umstritten: Terminus post quem hierfür ist ein Militärdiplom vom 9.6.83 (CIL XVI 29), in dem der Titel noch nicht auftaucht, terminus ante quem die Münzprägung des Jahres 84, da bereits in den ersten Emissionen vom Beginn des Jahres Germanicus fester Bestandteil der kaiserlichen Titulatur war (s. Carradice [1983] 23f.: 84.1-2). Da in dieser Frage die literarische, epigraphische und papyrologische Evidenz kaum weiterhilft (vgl. Buttrey [1980] 52-58 sowie zu den Papyri Martin [1987b]) kommt den numismatischen Zeugnissen die entscheidende Bedeutung zu: In der Reichsprägung gibt es einen (allerdings nur in einem Exemplar überlieferten) Typus, einen Aureus, welcher in die Zeit zwischen dem 14.9. und dem 31.12.83 gehört und bereits den Titel GERMANICVS angibt: RIC II² 171 (Domitian); vgl. Carradice (1983) 21-23 zu der Emission 83.3: „the issues of 84 [mit dem neuen Titel] were apparently anticipated by a third issue in 83“. Auf alexandrinischen Münzen erscheint die Nennung des Beina-
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nahm diese Bezeichnung also nicht aufgrund einer ererbten Familientradition, sondern aufgrund eines tatsächlichen Erfolges, auch wenn dieser nach dem Tode des Kaisers von den anti-domitianisch ausgerichteten Autoren herabgewürdigt wurde.124 Die dadurch etablierte Praxis, dass der Herrscher für besonders erfolgreiche militärische Aktionen, die in der Regel unter seiner eigenen Führung errungen worden waren, einen Siegerbeinamen verliehen bekommen konnte und diesen dann in seine Titulatur einsetzte, wurde unter Trajan noch einmal erheblich ausgebaut, der drei solcher Titel annahm (Germanicus,125 Dacicus und Parthicus) und schließlich sogar die Bezeichnung als Optimus in seine offizielle Titulatur aufnahm.126 Siegerbeinamen wurden in der Folge zu einem durchgängig gebrauchten Element der Kaisertitulaturen des 2. und 3. Jhs.127 Die Annahme des Siegerbeinamens Germanicus durch Domitian war also in der Tat eine bedeutsame Innovation mit längerfristigen Auswirkungen, 128 die in verschiedenen Medien stark herausgestrichen und im Reich breit re-
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mens Germanicus regelmäßig verbunden mit dem 3. Regierungsjahr Domitians, das nach ägyptischer Zählung am 29.8.83 begann. Es gibt aber einige wenige alexandrinische Münztypen, die den Titel bereits mit dem 2. Jahr des Kaisers kombinieren: RPC II 2485 (allerdings ohne nachweisbaren Beleg) und 2488 (hiervon gibt es zumindest ein gesichertes Exemplar). Diese – eher schüttere – Evidenz wird unterschiedlich beurteilt: Für Buttrey (1980) 56, gefolgt von Strobel (1987) 433f. mit Anm.69, ist sie ein Anzeichen dafür, dass der Siegerbeiname bereits im Sommer des Jahres 83, d.h. zwischen dem 9. Juni und 28. August (bzw. Mitte August, da die Nachricht darüber ja zuerst bis nach Ägypten gelangen musste) vergeben wurde, als der Kaiser selbst noch in Germanien weilte. Andere Forscher haben Zweifel an der Aussagekraft der numismatischen Evidenz angemeldet und möchten daher an einer späteren Ansetzung (nicht vor Herbst/Ende 83) der Verleihung des Siegerbeinamens festhalten; so etwa Kneissl (1969) 43-48; Martin (1987b) 73 und Walser (1989) 451-453. So etwa von Tac. Agr. 39,1 und Germ. 37,5. Gerade in der Annahme des Siegertitels Germanicus durch Nerva und Trajan gegen Ende des Jahres 97 wird die fortdauernde Bedeutung der Innovation Domitians besonders deutlich (dazu Kneissl [1969] 58-70; Strobel [1989] 107f.): Nach einem römischen Angriff auf Markomannen und Quaden (bellum Suebicum) im Sommer 97, der wohl noch von Domitian geplant worden war, wurde bei Eintreffen der Siegesnachricht in Rom am 27.10.97 die Adoption Trajans durch Nerva verkündet (Plin. paneg. 8,2-3; 16,1); bald darauf erfolgte die Verleihung des Siegerbeinamens Germanicus an Nerva und Trajan, obwohl es sich um eine eher unbedeutende militärische Aktion gehandelt hatte, die noch dazu ohne persönliche Beteiligung der beiden Herrscher durchgeführt worden war. Kneissl (1969) 66 kommt daher zu folgendem Schluss: „Die Übernahme des Siegerbeinamens Germanicus durch Nerva [deutet] darauf hin, dass Domitians Herrschaft durchaus nicht so verhasst gewesen war wie es die antike Überlieferung vermuten lässt; denn andernfalls hätte Nerva gewiss nicht Domitians cognomen ex virtute in seine Titulatur aufgenommen“. Vgl. hierzu Kneissl (1969) 58-89; Fell (1992) 39-42, 52-61, 68f.; Seelentag (2004) 240f., 281, 395; Strobel (2010) 332f. Vgl. zu diesem Phänomen zusammenfassend Kneissl (1969). So auch Kneissl (1969) 43, 57; Strobel (1987) 433.
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zipiert wurde.129 Dennoch ist nicht zu übersehen, dass sie sich sehr wohl in ältere Traditionen einfügte. Cognomina ex virtute, welche an militärische Erfolge erinnerten, hatte es schon zur Zeit der Republik gegeben, und auch nach der Etablierung des Principats geschah es einige Male, dass solche Beinamen den Herrschern bzw. deren Verwandten in offizieller Manier vom Senat angetragen wurden.130 So führte zwar Augustus keinen Siegerbeinamen, aber seinem Stiefsohn Drusus d.Ä. wurde nach dessen Tod im Jahr 9 v.Chr. das Cognomen Germanicus postum vom Senat übertragen.131 Die Ehrung galt auch für die Nachkommen des Drusus, und diese haben Germanicus dann tatsächlich als Namensbestandteil geführt, so seine Söhne Germanicus und Claudius sowie deren Söhne Caligula, Britannicus und Nero. Nach der Eroberung Britanniens im Jahr 43 beschloss der Senat verschiedene Ehrungen für Kaiser Claudius, darunter auch den Siegerbeinamen Britannicus.132 Claudius scheint jedoch, wie die epigraphischen Zeugnisse ausweisen, diesen Namen zurückgewiesen bzw. nicht geführt zu haben; dafür wurde er zum Cognomen seines Sohnes.133 Noch weiter ging im Jahr 69 Vitellius:134 Schon bei der Ausrufung zum Kaiser durch die germanischen Truppen wurde ihm – ohne dass ein entsprechender militärischer Erfolg vorausgegangen wäre – der Beiname Germanicus verliehen.135 Dieser wurde dann von Vitellius auch in seine offizielle Titulatur aufgenommen; auf Münzen und in den Arvalakten erscheint er daher als Aulus Vitellius Germanicus Imperator (oder Imperator Germanicus). Zudem übertrug er den Namen auch auf seinen Sohn. Auffällig ist hierbei die enge Verbindung mit dem Impera129
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Eine Reihe von Belegen für die Rezeption der Siegesthematik unter Domitian kennen wir aus der Provinz Asia; dazu Dräger (1993) 130-136. Neben der lokalen Münzprägung einer Reihe von Städten, in der die 8 93 vorgeführt wurde, und der Ausgestaltung des Tempelbezirks für den provinzialen Kaiserkult in Ephesos (vgl.o.S.100) ist hier insbesondere auf einen Altar zu verweisen, der im phrygischen Sebaste im Jahr 88/89 für Zeus [H F @.]" [[93]] [D]