Nationale Verfügung über natürliche Ressourcen und die neue Weltwirtschaftsordnung der Vereinten Nationen [1 ed.] 9783428438204, 9783428038206


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Nationale Verfügung über natürliche Ressourcen und die neue Weltwirtschaftsordnung der Vereinten Nationen [1 ed.]
 9783428438204, 9783428038206

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RIA KEMPER

Nationale Verfügung über natürliche Ressourcen und die Neue Weltwirtschaftsordnung der Vereinten Nationen

Schriften zum Völkerrecht Band 52

Nationale Verfügung über natürliche Ressourcen und die Neue Weltwirtschaftsordnung der Vereinten Nationen

Von

Dr. Ria Kernper

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Kemper, Ria Nationale Verfügung über natürliche Ressourcen und die Neue Weltwirtschaftsordnung der Vereinten Nationen.- 1. Aufi. - Berlin: Duncker und Humblot, 1976. (Schriften zum Völkerrecht; Bd. 52) ISBN 3-428-03820-7

Alle Rechte vorbehalten @ 1976 Duncker & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei A . Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN S 428 03820 7

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Sommersemester 1976 der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelm-Universität Bonn als Dissertation vorgelegen. Schrifttum und neuere Entwicklungen konnten noch bis August 1976 berücksichtigt werden. Herrn Professor Dr. Ulrich Scheuner, der die Themenstellung angeregt und die Bearbeitung betreut hat, danke ich für die bereitwillige und umfassende Förderung, die er der Arbeit in allen Stadien des Verfahrens hat zukommen lassen. Danken möchte ich auch Herrn Senator Professor Dr. Broermann für die Aufnahme meiner Untersuchung in die Reihe "Schriften zum Völkerrecht" seines Verlages. Bonn-Bad Godesberg, im August 1976

Ria Kernper

Inhaltsübersicht Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1. Teil

Zusammenfassende Darstellung der Entschließungen der Generalversammlung 1. Abschnitt: Die Resolutionen der Generalversammlung zur Forderung der Entwicklungsländer nach permanenter Souveränität über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

A. Die Entwicklung bis zur 6. Sondergeneralversammlung 1974 . . . . . . . . .

24

I. Res. A/523 (VI). 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

II. Res. A/626 (VII). 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Res. A/837 (IX). 1954

25

.........................................

27

IV. Res. A/1314 (XIII). 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

V. Res. A/1720 (XVI). 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

VI. Res. A/1803 (XVII). 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

VII. Res. A/2158 (XXI). 1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

VIII. Res. A/2386 (XXIII). 1968

.....................................

38

IX. Res. A/2692 (XXV). 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

X. Res. A/3016 (XXVII). 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

XI. Res. A/3171 (XXVIII). 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

B. Die Erweiterung dieser Aussagen in der NIEO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

I. Res. A/3201 (S-VI). 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

II. Res. A/3202 (S-VI). 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

III. Res. A/3281 (XXIX). 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2. Abschnitt: Der Anspruch nach permanenter Souveränität über den Wirtschaftsbereich als Teilaspekt der angestrebten neuen Ordnung der wettwirtschaftlichen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

A. Die Konzeption der NIEO im Vergleich zu den Grundannahmen der Charta von San Francisco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Die Zielvorstellungen der Charta der Vereinten Nationen . . . . . .

49

8

Inhaltsübersicht II. Die Zielvorstellungen der NIEO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Forderung nach Solidarität der internationalen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Anspruch auf Beseitigung der bestehenden Entwicklungsunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Forderung nach verstärkter Kooperation der internationalen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Strategie der .,collective self-reliance" der Entwicklungsländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Anspruch auf absolute Souveränität über den Wirtschaftsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Forderung nach ungehinderter Betätigung von Produzentenzusammenschlüssen .......... . ...................

53 56 57 60 64 65 65

B. Die Bedeutung der NIEO für die weitere Entwicklung im Bereich der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Der Stellenwert der 7. Sondergeneralversammlung für die von

der 6. Sondergeneralversammlung eingeleitete Entwicklung . . . . 67

II. Die Anstoßwirkung der NIEO in den Fachbereichen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Die Entschließungen der 2. UNIDO-Generalkonferenz 1975 69 2. Das Integrierte Rohstoffprogramm der UNCTAD . . . . . . . . . . 70

2. Teil Rechtliche und rechtspolitische Wertung der Konzeption der NIEO 1. Abschnitt: Untersuchung der rechtlichen Qualität der Aussagen der Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A. Die Frage nach materieller Vereinbarkeit der Entschließungen der

Generalversammlung mit dem allgemeinen Völkerrecht . . . . . . . . . . . .

I. Die Forderung nach permanenter und absoluter Souveränität über den Wirtschaftsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ableitung dieser Forderung aus dem Selbstbestimmungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die.. ~~~eitung dieser Forderung aus der territorialen Souveranltat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Anspruch auf unlimitierte Ausübung der staatlichen Souveränitätsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Frage nach völkerrechtlichen Schranken der souveränen Rechte in bezug auf natürliche Ressourcen bb) Die Frage nach völkerrechtlichen Schranken der souveränen Rechte in bezug auf ausländische Investitionen b) Der Anspruch auf Unveräußerlichkeit der Souveränität über den Wirtschaftsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73 73 73 73 75 75 77 81 89

Inhaltsübersicht

9

II. Die Forderung nach Solidarität der internationalen Gemeinschaft 90 1. Die Frage nach Verankerung der Solidarpflichten der NIEO

im Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Die Frage nach Verankerung der Solidarpflichten der NIEO

90

in der Charta der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

B. Die rechtliche Bedeutung des formalen Charakters der NIEO . . . . . . . .

93

I. Die satzungsgemäße Wirkung von Resolutionen der General-

versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

1. Die politische Zielsetzung von Deklaration und Aktionsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

2. Die progressive Fortentwicklung des Völkerrechts als Zielsetzung der Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

II. Mögliche Rechtswirkungen der Annahme der Charta . . . . . . . . . .

97

1. Die Ablehnung authentischer Interpretation der Charta der

Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

2. Die Ablehnung der Schaffung von ,.instant customary law"

98

3. Die Frage nach materiellen Rechtswirkungen der m ehrheit-

lichen Annahme der Charta ........ .. .. . ....... . ... .. . . .... a) Die Abhängigkeit materieller Rechtswirkungen von der Autorität der die Entschließung tragenden Mehrheit . . . . b) Die Abhängigkeit materieller Rechtswirkungen von dem bisherigen Inhalt der völkerrechtlichen Regelung . . . . . . . c) Die Bedeutung von ,.re-citation" der Entschließungen der Generalversammlung . . . . .... . . . . .... ... . ....... . . . ....

2. Abschnitt: Rechtspolitische Wertung der Konzeption der NIEO

100 101 102 103 106

A. Die NIEO vor dem Hintergrund von Entwicklungstendenzen im Völ-

kerrecht der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Die Forderungen der Literatur nach einem Wandel des Völkerrechts von einem ,.law of coexistence" zu einem ,.law of cooperation" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Die Einschränkung staatlicher Souveränität zugunsten inter-

nationaler Zusammenarbeit ...... . ..... . ............. . ..... 108 2. Die Begründung einer sozialen Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für ihre weniger entwickelten Mitglieder ... . . . ...... . .. .. ... .. . . ......... . .................. 112 li. Die Frage nach Anzeichen für diese Entwicklungen in der Staatenpraxis . . . . ........ .. ...... . ... . . ...... ....... . .... . .. . .... 117 1. Keine allgemeine Bereitschaft zu Souveränitätsverzichten im

Rahmen internationaler Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

2. Ansatzpunkte für eine Bereitschaft zu internationaler Solidarität in den Beziehungen zu den Entwicklungsländern . . 119 a) Die faktische Solidarität im Bereich der allgemeinen Entwicklungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Die Tendenz zu einem ,double standard' der rechtlichen Regelungen im Bereich des internationalen Handels . . . . . . 122

10

Inhaltsübersicht

B. Die Frage nach Sachgerechtigkeit der Konzeption der Neuen Weltwirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Die Frage nach Ausgewogenheit der in der NIEO statuierten Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Der Gegensatz zwischen der beanspruchten Solidarität der internationalen Gemeinschaft und den Elementen der "collective self-reliance" ......................................... 126 2. Die Konzeption einer ,Solidarpflichtigkeit' der Ressourcen als Korrelat einer Entwicklung zu einer sozialen Ausgestaltung des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Der politische Charakter der Entscheidung über die künftige Ausgestaltung der Beziehungen der internationalen Gemeinschaft ................................................. ... .... 134 Zusammenfassung Literaturverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Abkürzungsverzeichnis Add. AJIL AKP-Staaten

Addendum American Journal of International Law Kurzbezeichnung für die (46) Staaten Afrikas, der Karibischen See und des Pazifischen Ozeans, die Vertragspartner des Lome-Abkommens sind Annuaire de !'Institut de Droit International American Society of International Law

Annuaire ASIL Berichte BISD

Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Sammlung von "Basic Instruments and Selected Documents" der GATT-CONTRACTING PARTIES Bruttosozialprodukt Bundestagsdrucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Conseil Intergouvernemental des Pays Exportateurs de Cuivre Corrigendum

BSP BT-Drucks. BVerfGE CIPEC Corr. Del. Doc. EG ECOSOC GAOR GATT GSP GV Hs. IBA ICJ ICJ-Rep. IDI

IGH ILA ILM IMF i. s. i. V. lit. Lit.

Materialien (mim.) m.w.Nachw. n.F. NIEO

=

Delegierte(r) Document Europäische Gemeinschaft Economic and Social Council der Vereinten Nationen General Assembly Official Records General Agreement on Tariffs and Trade Generalized System of Preferences Generalversammlung Halbsatz International Bauxite Organization International Court of Justice Sammlung der Entscheidungen des ICJ Institut de Droit International Internationaler Gerichtshof International Law Association International Legal Materials International Monetary Fund im Sinne in Verbindung in Fußnoten verwandte Zitierweise für durch Buchstaben gekennzeichnete Abschnitte Literatur Materialien zur Entwicklungspolitik, herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit ,mimeographed': vorläufige - maschinenschriftlich vervielfältigte- Fassung von UN-Dokumenten (zugrunde gelegt, soweit endgültige Druckfassung noch nicht verfügbar) mit weiteren Nachweisen neue Fassung New International Economic Order

12 OECD OPEC OAPEC para PCIJ pl. meeting RdC Res./A Res./E Rep. Rz. (S-VI) (S-Vll)

SFDI SGV Suppl. TD/B Tab.

UN UNCTAD UNIDO

VN YUN ZaöRV ZVN

Abkürzungsverzeichnis Organization for Economic Cooperation and Development Organization of Petroleum Exporting Countries Organization of Arab Petroleum Exporting Countries Abschnitt Permanent Court of International Justice plenary meeting Recueil des Cours Resolution der Generalversammlung der VN Resolution des Wirtschafts- und Sozialrats der VN Report Randzeile 6. Sondergeneralversammlung der VN 7. Sondergeneralversammlung der VN Societe Fran9aise pour le Droit International Sondergeneralversammlung Supplement UNCTAD - Trade and Development Board Tabelle United Nations United Nations Conference on Trade and Development United Nations Industrial Development Organization Vereinte Nationen Yearbook of the United Nations Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ,Vereinte Nationen', Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorgane

Verzeichnis der Kennziffern der verwandten Dokumente Al.. AIAC.971.. AIC.21L. AIC.21SR. .IS. .

AIC.31L. AIC.3ISR. .IS. . AIPV. .IS..

EI..

IDIConf.31.. UNCTAD-Doc. TDIBI .. UNCTAD-Doc. TDIBI AC.121 UNCTAD I, Proceedings UNCTAD II, Proceedings UNCTAD III, Proceedings

Dokumente der Generalversammlung der VN Dokumente der Commission on Permanent Sovereignty over Natural Resources Arbeitsdokumente des 2. Ausschusses der Generalversammlung ,Summary Records' der Sitzungen des 2. Ausschusses der GV Arbeitsdokumente des 3. Ausschusses der Generalversammlung ,Summary Records' der Sitzungen des 3. Ausschusses der GV ,Verbatim Records' der Plenary Meetings der Generalversammlung = Dokumente des ECOSOC Dokumente der 2. UNIDO-Generalkonferenz 1975 Dokumente des UNCTAD-Trade and Development Board

= Dokumente der UNCTAD-Arbeitsgruppe zur Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten Proceedings of the United Nations Conference on Trade and Development Geneva 1964 Proceedings of the Second Session New Delhi 1968 Proceedings of the Third Session Santiaga de Chile 1972

Einleitung und Problemstellung Die Deklaration über die Errichtung einerneuen weltwirtschaftliehen Ordnung1 und das Aktionsprogramm über die Errichtung einer neuen weltwirtschaftliehen Ordnung2 sind das unmittelbare Ergebnis einer Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1974 zu dem Thema "Etude des problemes des matieres premieres et du developpement". Mit dieser - 6. - Sondergeneralversammlung, die von dem algerischen Staatspräsident Boumediene3 als damaligem Vorsitzenden der ,Gruppe der 77'4 vorgeschlagen worden war, stand erstmalig eine Sondersitzung der Generalversammlung im Zeichen wirtschaftlicher Fragen. Die Bedeutung der 6. SGV liegt aber nicht in dieser Tatsache5 , sondern darin, daß die Dritte Welt erstmalig auf dem bisher von den Industrieländern dominierten Gebiet der weltwirtschaftliehen Beziehungen11 nicht nur mit unüberhörbaren Ansprüchen auftrat, sondern ihren Forderungen auch Gehör zu verschaffen wußte. Wirtschaftspolitische Erklärungen der Dritten Welt waren auch vor dieser Sondersitzung der Generalversammlung bereits in reichem t Res. Al3201 (S-VI) vom 1. Mai 1974, GAOR, 6th Special Session, Suppl. No. 1; wiedergegeben auch in ILM XIII (1974), S. 715 ff.; im folgenden als Deklaration bezeichnet. 2 Res. Al3202 (S-VI) vom 1. Mai 1974, GAOR, 6th Special Session, Suppl. No. 1; wiedergegeben auch in ILM XIII (1974), S. 720 ff.; im folgenden als Aktionsprogramm bezeichnet. 3 Vgl. Wortlaut des Schreibens an UN-Generalsekretär Waldheim: UN-Doc. Al9541 vom 5. 2. 1974, GAOR, 6th Special Session, Annexes, S. 11, 12. Zu Entstehungsgeschichte und Verlauf der 6. SGV s. auch Engels I Khan I Matthies, s. 76 ff. 4 Die ,Gruppe der 77' ist ein informeller Zusammenschluß von inzwischen mehr als 100 Entwicklungsländern. Ihre Bezeichnung geht zurück auf die 1. Welthandelskonferenz 1964, wo die teilnehmenden Länder der Dritten Welt erstmals einen einheitlichen Stimmenblock gegen die westlichen Vorstellungen bildeten: vgl. dazu Sharp, S. 218; Schröder, Konferenzen, S. 246, 247; Baudissin, S. 7. s Bereits die 28. Generalversammlung hatte mit Res. Al3172 (XXVIII) vom 17. 12. 1973, basierend auf den Beschlüssen der 4. Gipfelkonferenz der "Nonaligned countries" in Algier vom 5. bis 9. 9. 1973 - vgl. GAOR, 28th Session, Doc. Al9330 vom 22. 11. 1973 und Timmler, S. 398, 399 - eine Sondersitzung zu dem Thema "Development and International Economic Cooperation" für das Jahr 1975 beschlossen, die spätere 7. SGV, ohne daß von ihr mehr zu erwarten gewesen wäre als eine feierliche Bestandsaufnahme der Tätigkeit der VN auf dem Entwicklungssektor rechtzeitig zum 30. Jahrestag der Organisation: vgl. Ziff. 1 der o. a. Res. Al3172. 6 Vgl. dazu White, S. 551.

16

Einleitung und Problemstellung

Maße vorhanden. Seitdem das Ziel politischer Selbständigkeit für den größten Teil der Entwicklungsländer erreicht ist7, durchzieht der Anspruch auf wirtschaftliche Unabhängigkeit, auf Umgestaltung der ökonomischen Beziehungen zwischen dem industrialisierten "Norden" und dem weniger entwickelten "Süden" wie ein roter Faden die Bekundungen der Dritten Welt im internationalen Bereich8 , beginnend mit der "Deklaration von Kairo" 9, über die 1. Welthandelskonferenz 1964 in Genf10 und die Charta von Algier11 als gemeinsamer Positionsbestimmung der Entwicklungsländer vor der 2. Welthandelskonferenz 1968 in Neu Delhi bis zu der Deklaration und den Prinzipien des Aktionsprogramms von Lima12 als Zusammenfassung der Zielvorstellungen der Entwicklungsländer für die Beratungen der 3. Welthandelskonferenz 1972 in Santiago de Chile13 • Gleichzeitig bewirkte der zunehmende Anteil der jungen Staaten am Mitgliederstand14 der Vereinten Nationen inhaltliche und strukturelle Änderungen im Bereich der Weltorganisation15, wie sie auch organisatorisch in der Institutionalisierung von UNCTAD16 und UNID017 als unmittelbaren Organen 1 Vgl. zur Dekolonisierung im einzelnen Albertini, S. 39 ff. und zu der daraus resultierenden Veränderung der internationalen Gemeinschaft auch Bokor-Szegö, S. 52 und Okoye, S. 185 ff. s Seitz, Dritte Welt, S. 214; Subhan, S. 137 ff.; Virally, Organisation, S. 315; Petersmann, Dritte Welt, S. 524 ff. u Beschluß einer Wirtschaftskonferenz von 31 Entwicklungsländern in Kairo 1962, der GV der VN übermittelt und zum Gegenstand der Beratungen ihrer XVII. Sitzungsperiode gemacht: vgl. dazu den Überblick im YUN 16 (1962) S. 250- 252 und die a.a.O wiedergegebene Res. Al1820 (XVII) vom 18. 12. 1962. 10 Vgl. die in wesentlichen Abschnitten bei Stimmenthaltung oder Gegenstimmen der Industrieländer angenommenenen "General and Special Principles to govern international trade relations and trade politics", UNCTAD I, Proceedings, vol. I. S. 18 ff. u Beschluß des Ministertreffens der ,Gruppe der 77' im Oktober 1967 in Algier. Zum Text s. UNCTAD II, Proceedings, vol. I, Annex IX, S. 431 ff. Vgl. zu diesem, teilweise auch als "Wirtschafts-Bandung" bezeichneten Zusammentreffen der Dritten Welt Schröder, Konferenzen, S. 254 ff. 12 Wiedergabe dieser Beschlüsse des 2. Ministertreffens der ,Gruppe der 77' vom 7. 11. 1971 in UNCTAD III, Proceedings, vol. I, Annex VIII, S . 373 ff. 1s Vgl. zur Bestandsaufnahme der Verhandlungen dieser III. Welthandelskonferenz auf dem Rohstoffsektor Naini I Borrmann I Dornbusch, S. 23 ff. 14 Von den- Stand zu Beginn der 30. GV- 142 UN-Mitgliedern sind 105 Entwicklungsländer, 23 Industrieländer und 14 sozialistische Staaten: vgl. ZVN 1975, S. 141 und demgegenüber die Übersicht bei Opp.-Lauterpacht, § 168 über die Gründungsmitglieder der VN. 15 Vgl. Scheuner, Vereinte Nationen, S. 15 ff., S. 33 und Solidarität, S. 252, 253. Zur wachsenden Bedeutung der Entwicklungsproblematik in den VN seit Beginn der 60er Jahre auch Goodrich I Hambro I Simons, S . 376. Zur Verdrängung der traditionellen Schwerpunkte der Arbeit der VN durch die Entwicklungsproblematik s. auch die Untersuchung von Kay, S. 45 ff. 1u Durch Res. Al1995 (XIX) vom 30. 12. 1964 errichtet. Vgl. Überblick über die Entstehungsgeschichte in YUN 18 (1964), S. 195 ff. Zum Text der Entschließung s. a.a.O., S. 210 - 215.

Einleitung und Problemstellung

17

der Generalversammlung1s mit der besonderen Zielrichtung einer Unterstützung der wirtschaftlichen Interessen der Entwicklungsländer19 zum Ausdruck kommt. Daß die Entschließungen der 6. Sondergeneralversammlung nicht lediglich ein weiteres Glied in der Kette dieser Programme und Vorstellungen darstellen, die von den Industrieländern zwar intellektuell zur Kenntnis genommen worden sind, die politische Praxis aber nur in sehr geringem Maße bestimmt haben, hat seine Ursache in Ereignissen, die gemeinhin als "Ölkrise" des Jahres 1973 umschrieben werden. Die mit einer konzertierten Aktion der ölproduzierenden Länder20 demonstrierte wirtschaftliche Stärke der Dritten WeW:1 vermittelte den Industrieländern, insbesondere den rohstoffarmen Staaten Westeuropas und Japan schockartig das Bewußtsein, daß die weltwirtschaftliehen Beziehungen mit einer einseitigen Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrieländern nicht länger zutreffend gekennzeichnet werden können, sondern daß auch die Industrieländer für Sicherung und Ausbau ihrer Prosperität auf die Kooperation der Entwicklungsländer angewiesen sind22• Vor diesem Hintergrund dem durch die konzertierte OPECAktion erfahrenen Gefühl einer durch solidarisches Vorgehen erreichten realen Macht auf Seiten der Dritten Welt23 einerseits und der auf Seiten der Industrieländer fortwirkenden Erfahrung der Verwundbarkeit ihrer wirtschaftlichen Stärke im Hinblick auf die objektive Inter17 Durch Res. A/2152 (XXI) vom 22. 11. 1966 errichtet. Zur Entstehungsgeschichte und zum Text der Resolution s. YUN 20 (1966), S. 297 ff. 18 Kritisch zu den Rückwirkungen dieser Entwicklung auf die Organisationsstruktur der VN Sharp, S. 205 f. 19 Vgl. Strange, S.108, 117; Schröder, Dritte Welt, S. 60. 2o Im Zusammenhang mit dem arabisch-israelischen "Jom-Kippur-Krieg" verhängten die arabischen Olproduzenten, die Untergruppe OAPEC innerhalb der OPEC, ein Embargo gegenüber als "israelfreundlich" deklarierten Staaten (USA und Niederlande) sowie globale Lieferkürzungen gegenüber den übrigen Industrieländern, die mittelbar den Rückzug aller israelischen Truppen von besetzten arabischen Gebieten erzwingen und Unterstützung für die arabische Position sichern sollten: vgl. im einzelnen Paust I Blaustein, S. 410 ff.; Shihata, S. 591 ff.; Lindemeyer, S. 284 ff. 21 Bei diesem für die Industrieländer besonders essentiellen Rohstoff haben die Entwicklungsländer faktisch ein ExportmonopoL Als repräsentativ können die Daten für die Bundesrepublik gelten, die 94 Ofo ihres Erdölbedarfs importieren muß. Davon werden lediglich 0,3 Ofo aus Industrieländern, aber 99,7 Ofo aus Entwicklungsländern bezogen: vgl. Materialien Nr. 50, Tab. 15 und Horstmann, S. 742. 22 Von einer zumindest "Chaosmacht" der Entwicklungsländer spricht Seitz, Dritte Welt, S. 218 ff. Ähnlich Bergsten, Third World, S. 108, 109 und Engels I Khan I Matthies, S. 34. 23 Vgl. auch die Bezugnahme auf "current events" in Ziff. 3 der Deklaration sowie die unverhüllten Hinweise auf "irreversible changes in the relationship of forces in the world" in Ziff. 2 der Deklaration. Vgl. dazu auch White, S. 543; Tomuschat, Weltwirtschaftsordnung, S. 93; Montbrial, S. 61, 62; Radke, S. 25.

2 Kernper

18

Einleitung und Problemstellung

dependenz24 der weltwirtschaftliehen Beziehungen andererseits- muß die 6. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen gesehen werden. Zum Wortführer der Forderungen der Entwicklungsländer machte sich insbesondere der algerische Präsident Boumediime. Seine Forderung25, eine Kooperation zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern setze voraus, daß diese bereit seien, den eingetretenen Wandel in ihren Beziehungen, von Beziehungen der Ausbeutung zu Beziehungen der Gleichheit, anzuerkennen, spiegelt das gewachsene Selbstbewußtsein der Dritten Welt deutlich wider. Gestützt auf den Erfolg der konzertierten OPEC-Aktion fordern die Entwicklungsländer nunmehr eine vollständige Umgestaltung der weltwirtschaftliehen Beziehungen und die Ersetzung der nach ihrer Auffassung lediglich den Interessen der Industriestaaten dienenden Ausgestaltung dieser Ordnung durch neue, gerechtere Formen der Kooperation, die mit gezielten Maßnahmen ihren Anspruch auf gleichberechtigte Partnerschaft verwirklichen sollen. Daran, daß die Resolutionen über die Errichtung einer "New International Economic Order" gleichwohl im Konsensusverfahren angenommen worden sind26, wird - unbeschadet der zahlreichen und substantiellen Vorbehalte27 - der gewachsene politische Stellenwert der Entwicklungsländer deutlich und die Veränderung28 , die die "Ölkrise" in ihrem Verhältnis zu den Industrieländern herbeigeführt hat29. 24 Zumindest die Industrieländer Westeuropas sowie Japan sind in hohem Maße auf den Import von Rohstoffen angewiesen. Zum Beispiel hat die Bundesrepublik - vgl. Materialien Nr. 50, Tab. 15 und Kebschull, Rohstoffpolitik, S. 47 - eine 100 Ofoige Auslandsabhängigkeit bei Kupfer, Rohphosphaten, Bauxit, Chromerzen, Titanerzen, Zinnerzen, Manganerzen, Nickel und einen Selbstversorgungsgrad von lediglich 5 Ofo bei Eisenerz, 14 Ofo bei Blei, 23 Ofo bei Zink. Zwar findet sich regelmäßig der Hinweis, daß bei den mineralischen Rohstoffen, anders als im Erdölbereich, keine ausschließliche Abhängigkeit von der Dritten Welt - mit ihrem derzeitigen Anteil an der Weltbergbauproduktion von nur 29 Ofo- bestehe (vgl. dazu Studie, S. 3; Seitz, Rohstoffversorgung, S. 461). Andererseits begünstigt aber die Konzentration der mineralischen Vorkommen auf relativ wenige Länder (zu Einzelheiten s. Studie, S. 24, 25, wo der Anteil der jeweils fünf größten Produzenten an der Weltbergbauproduktion angegeben ist mit 97,6 Ofo bei Chromit, 94,5 Ofo bei Mangan, 83 Ofo bei Bauxit, 90,5 Ofo bei Kobalt, 80,9 °/o bei Phosphaten, 76,3 Ofo bei Zinn, 76,4 Ofo bei Eisen) die Effektivität abgestimmter Verhaltensweisen nach dem Muster der OPEC. Vgl. dazu auch Kebschull, Rohstoffpolitik, S.178 und Bergsten, Third World, S. 107, 108. 25 Präsident Baumediene (Algerien), A/PV 2208, S. 3 ff., S. 11. 26 Vgl. GAOR (S-VI), A/PV 2229, S. 2. 27 Vgl. die auszugsweise Wiedergabe der wichtigsten Vorbehalte der Industrieländer in ILM XIII (1974), S. 744- 766. Von den USA wurde der Standpunkt vertreten, wegen der Reichweite der Vorbehalte liege ein Konsensus über die Errichtung einerneuen Weltwirtschaftsordnung nicht vor: vgl.. Del. Scali (USA), GAOR (S-VI), A/PV 2229, S. 7. 28 Vgl. dazu auch Präs. Baumediene (Algerien), GAOR (S-VI), A/PV 2208, S. 4 und UN-Generalsekretär Waldheim, GAOR (S-VI), A/PV 2207, S. 5 sowie Engels I Khan I Matthies, S. 7.

Einleitung und Problemstellung

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Bezeichnend für dieses durch die OPEC-Aktionen gewonnene und durch den Verlauf der 6. SGV noch verstärkte Selbstbewußtsein der Dritten Welt ist auch die Entstehungsgeschichte der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten30, die zu den Entschließungen der 6. Sondergeneralversammlung in einem engen sachlichen Zusammenhang steht. Das mit ihr verfolgte Bestreben "to establish generally accepted norms to govern international economic relations systematically"31 geht zurück auf die Arbeiten der 3. Welthandelskonferenz 1972, die- einem Vorschlag des mexikanischen Präsidenten Echeverria entsprechend32 - den Beschluß faßte, eine Arbeitsgruppe mit dem Entwurf einer Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten zu beauftragen33• Obwohl es in der Arbeitsgruppe34 zu einer Verständigung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern über den Inhalt dieser Charta nicht kam35, legte die Gruppe der 77 unter Verzicht auf die Suche nach weiteren Einigungsmöglichkeiten36 ihre Konzeption der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten der 29. Generalversammlung zur Beschlußfassung vor37• Mit dem zahlenmäßig überlegenen Stirn29 Daß berechtigten Forderungen der Entwicklungsländer in der Vergangenheit nicht immer genügend Aufmerksamkeit zugebilligt worden sei - vgl. dazu Baudissin, S. 20 und Guth, S.16- wird auch von den Vertretern westlicher Industriestaaten nicht geleugnet: vgl. Del Ennals (Großbritannien), GAOR (S-VI), A/PV 2209, S. 25; Del. Longerstaey (Belgien), GAOR (S-VI), A/PV 2212, S. 12. 30 Res. A/3281 (XXIX) vom 12.12.1974, GAOR, 29th Session, Suppl. No. 31; wiedergegeben auch in ILM XIV (1975), S. 251 ff. Zur Entstehungsgeschichte dieser - im folgenden als Charta bezeichneten - Resolution vgl. M. Martin, S. 47; Feuer, Reflexions, S. 281 ff. und ausführlich Tomuschat, Charta, S. 445 bis 453. 31 Vgl. Präambelabschn. 8 der UNCTAD-Res. 45 (III) vom 18. Mai 1972, UNCTAD III, Proceedings, vol. I, Annex I, S. 58, 59. 32 Vgl. UNCTAD III, Proceedings, vol. I A, part. 1, 92 pl. meeting, S. 184 ff. sa UNCTAD-Res. 45 (III) vom 18. Mai 1972, angenommen mit 90:0: 19 Stimmen, vgl. UNCTAD III, Proceedings, vol. I, Annex I, S. 58 Fn.17. 34 Unter dem Vorsitz des mexikanischen Botschafters Castaii.eda fanden von Februar 1973 bis Juni 1974 insgesamt vier Sitzungen der Arbeitsgruppe statt. Zu Inhalt und Ergebnis ihrer Beratungen vgl. die Berichte in UNCTAD-Doc. TD/B/AC. 12/1 bis 4. 35 Vgl. Tomuschat, Charta, S. 450, 451. 36 Der von westlicher Seite gemachte Vorschlag vgl. Antrag der EGStaaten (UN-Doc. A/C.2/L. 1419) die Beschlußfassung auf die 7. SGV zu vertagen, wurde von den Entwicklungsländern ebenso abgelehnt wie die zahlreichen Ergänzungs- und Abänderungsanträge der Industriestaaten: vgl. die Übersicht über das Ergebnis der Abstimmungen im 2. Ausschuß der GV im Bericht dieses Ausschusses UN-Doc. A/9946, S. 14 bis 23 und die Ausführungen des mexikanischen Außenministers Rabasa, des Sprechers der Gruppe der 77, GAOR, 29th Session, A/PV 2315, S. 72 (mim.). 37 UN-Doc. A/C.2/L. 1386 sowie Begründung dieses Entwurfs im 2. Ausschuß durch Del. Garcfa-Robles (Mexiko), GAOR, 29th Session, A/C.2/SR 1639, s. 389 ff.

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Einleitung und Problemstellung

mengewicht der Dritten Welt, unterstützt durch die sozialistischen Staaten und gegen den deutlich markierten Widerstand der wichtigsten Industriestaaten wurde diese Entschließung von der Generalversammlung mit 120 : 6 : 10 Stimmen38 angenommen. Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten ist, unbeschadet ihrer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte, ein integrierender Bestandteil der Konzeption der Neuen Weltwirtschaftlichen Ordnung der Vereinten Nationen. Diese Bezeichnung wird daher im folgenden, dem Selbstverständnis der Dokumente entsprechend39, als gemeinsamer Oberbegriff für Deklaration, Aktionsprogramm und Charta verwandt. In den Entschließungen der Generalversammlung über die Errichtung einer "New International Economic Order" erfahren Bestrebungen ihren vorläufigen Höhepunkt, die als Forderung der Entwicklungsländer nach ,,permanent sovereignty over natural wealth and resources" im Bereich der Vereinten Nationen bereits seit dem Jahre 1952 hervorgetreten sind. Im 1. Teil der Arbeit werden zunächst (1. Abschnitt) die Aussagen der Generalversammlung zu diesem Bereich zusammenfassend dargestellt und sodann (2. Abschnitt) die Forderung nach Souveränität über den Wirtschaftsbereich in Beziehung gesetzt zu den grundsätzlichen Zielvorstellungen der NIEO und dem ihre Aussagen wesentlich bestimmenden Anspruch auf Solidarität der internationalen Gemeinschaft. Im 2. Teil der Arbeit wird in einem 1. Abschnitt zunächst die materielle Vereinbarkeit der dargestellten Aussagen der Generalversammlung mit dem Völkerrecht untersucht und der rechtlichen Bedeutung der Resolutionsform dieser Entschließungen nachgegangen. Anschließend wird in einem 2. Abschnitt unter rechtspolitischen Gesichtspunkten erörtert, ob die Neue Weltwirtschaftsordnung der Vereinten Nationen - ihrem Anspruch gemäß - als sachgerechte Reaktion auf die Interdependenz der weltwirtschaftliehen Beziehungen der Gegenwart und als Grundlage ihrer "gerechteren" Ausgestaltung anzusehen ist.

as Vgl. GAOR, 29th Session, A/PV 2315, S. 44/45 (mim.). Für die Charta stimmten von den OECD-Staaten lediglich Schweden, Australien und Neuseeland. Gegenstimmen gaben ab: Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Luxemburg, Großbritannien, USA, Belgien. Mit Enthaltung stimmten: Frankreich, Irland, Israel, Italien, Japan, Niederlande, Norwegen, Spanien, Österreich, Kanada. 39 Vgl. Deklaration Ziff. 6, Aktionsprogramm Abschn. VI, Charta, Präambelabschn. 4 sowie Präambelabschn. 2 der Abschlußresolution der 7. SGV, Res. A/3362 (S-VII) vom 16. 9. 1975, GAOR, 7th Special Session, Suppl. No. 1, S. 3 ff.

1. TEIL

Zusammenfassende Darstellung der Entschließungen der Generalversammlung 1. Abschnitt

Die Resolutionen der Generalversammlung zur Forderung der Entwicklungsländer nach permanenter Souveränität über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen Die Forderung der Entwicklungsländer nach permanenter Souveränität über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen, wie sie in den Entschließungen der Generalversammlung ihren Ausdruck findet, ist in Bedeutung und Zielrichtung nur vor dem zeitgeschichtlichen und wirtschaftlichen Hintergrund der Dekolonisierung zutreffend zu werten. Wegen der lohnenden Investitionsmöglichkeiten, aber auch wegen des fast vollständigen Fehlens von einheimischem Kapital und einheimischer Technologie für Exploration und Abbau der in den Entwicklungsländern vorhandenen Bodenschätze sowie des Mangels an geeigneten inländischen Fachkräften befanden sich zu Ende der Kolonialzeit Gewinnung und Vermarktung der natürlichen Reichtümer der überseeischen Gebiete weitgehend in den Händen ausländischer Unternehmer. Die Dekolonisierung bewirkte keine Änderung dieser wirtschaftlichen Ausgangslage. Die überwiegende Mehrzahl der jungen Staaten der Dritten Welt war auch nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit auf ausländische Unterstützung bei der Entwicklung und Nutzung des Grundstoffsektors für den Aufbau einer einheimischen Volkswirtschaft angewiesen, andererseits aber bestrebt, sich aus dieser, als Relikt der Kolonialzeit empfundenen Abhängigkeit zu lösen. Unter diesem Aspekt verkörpert die Forderung nach "permanent sovereignty over natural wealth and resources" mit ihrem Inhalt einer nationalen Kontrolle und stärkeren einheimischen Beiteiligung an der Nutzung der natürlichen Reichtümer der Entwicklungsländer den Anspruch der Dritten Welt auf "wirtschaftliche Selbstbestimmung". Grundlage dieser Bestrebungen ist die Einsicht, daß die erreichte politische

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

Unabhängigkeit wertlos bleibt, wenn nicht durch Verwirklichung eines Grundbestandes wirtschaftlicher Unabhängigkeit die Gefahr ausgeschlossen ist, daß trotz erreichter politischer Selbstbestimmung die Einengung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit zu einer tatsächlichen Fremdbestimmung führt1 . Ihre besondere Brisanz erhält die Forderung nach permanenter Souveränität über die natürlichen Ressourcen dadurch, daß diese regelmäßig das einzige wirtschaftliche Aktivum der Entwicklungsländer darstellen2 • Diese tatsächliche Dominanz des Rohstoffsektors, sowohl im agrarischen wie im mineralischen Bereich, wird von den Ländern der Dritten Welt nicht zu Unrecht auf ihre koloniale Vergangenheit und das Interesse der jeweiligen Metropole zurückgeführt, in den abhängigen Gebieten eine Komplementärwirtschaft zu der Struktur ihrer eigenen Volkswirtschaft aufzubauen mit dem Ergebnis, daß den rohstoffreichen, aber wirtschaftlich wenig entwickelten überseeischen Gebieten primär die Rolle von Rohstofflieferanten der westlichen Industriestaaten und Absatzmärkten für deren Produkte zugewiesen wurde3 • Diese einseitige Abhängigkeit der Entwicklungsländer vom Rohstoffexport wird durch die fehlende Diversifizierung ihrer Volkswirtschaften noch verschärft: nach den Ermittlungen des Pearson-Berichts erzielen 3/4 aller Entwicklungsländer mehr als 60 °/o ihrer Exporterlöse durch die Ausfuhr von bis zu drei Rohstoffen, während fast die Hälfte dieser Länder zu mehr als 50 °/o von nur einem einzigen Grundstoff abhängig ist4. 1 Vgl. Memoire, S. 3 ff.; Bedjaoui, S. 548; Mughraby, S.12, S. 38; Okoye, S. 179; Doehring, Selbstbestimmungsrecht, S. 29; Menzel, S. 287; Schwarzenberger, World Order, S. 44, 45; Subhan, S. 137; Chou-Young, S. 79; Graefrath, S. 63; Isoart, S. 25; Delbrück, S. 93; Feuer, S. 194, 195; Rabl, S. 208; Lindemeyer, S.402. 2 Vgl. UN-Doc. E/5170 vom 7. 6. 1972 Bericht des Generalsekretärs über "Permanent Sovereignty over Natural Resources" (ECOSOC, 53rd session 1972) -: Danach entfallen 85 bis 90 Ofo der Exporterlöse der Entwicklungsländer auf den Verkauf von Rohstoffen. Der Pearson-Bericht, S. 81, beziffert den Anteil des Rohstoffsektors an den Gesamtexporterlösen der Entwicklungsländer auf fast 90 Ofo. Eine Zahl von 85 Ofo nennen Gosovic, S. 93 und Harry G. Johnson, S. 84, während Heimpel, S. 61 in einer neueren Untersuchung diesen Anteil mit 77 Ofo angibt. Gemeinsam ist allen diesen Daten, daß sie unbeschadet ihrer nicht völligen Obereinstimmung die vorrangige Bedeutung der Rohstoffe für die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer deutlich unterstreichen. a Vgl. dazu Erler, Staatssouveränität, S. 42, 47; Fels, S. 31; Mughraby, 8.12; Albertini, S. 25 ff.; Schröder, Dritte Welt, S. 18; Fenwick, S. 589; Tomuschat, Weltwirtschaftsordnung, S. 96; ausführliche, wenn auch ideologisch bestimmte Darstellung bei Brehme, S. 16 ff. 4 Pearson-Bericht, S. 81; ausführliche Angaben dazu auch in Materialien, Nr. 44, S. 32, 33; Memoire, Annex I, Tableau I e, S. 75; Kebschull, Rohstoffpolitik, S. 35 ff.; Gosovic, S. 93. Zwischen der Abhängigkeit von mineralischen und agrarischen Rohstoffen ist dabei kein entscheidender Unterschied. So besteht, um als Hintergrundmateriallediglich einige Zahlen zu nennen (Quelle: Materialien, Nr. 44, S. 32, 33) der Gesamtexport von Gambia zu 92,5 Ofo aus Erdnüssen, von Mauritius zu 84,8 Ofo aus Eisenerz, von Sambia zu 92,9 Ofo

I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

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Vor diesem Hintergrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Entwicklungsländer von dem Bereich der natürlichen Ressourcen erhält ihre Forderung nach nationaler Kontrolle der Nutzung dieser Reichtümer ihre besondere Bedeutung. Die durch den hohen Anteil ausländischer Unternehmen an diesem essentiellen Sektor ihrer Volkswirtschaften bewirkte doppelte Abhängigkeit, nämlich einmal die Abhängigkeit der gesamten Volkswirtschaft vom Rohstoffbereich und daneben die Einflußnahme ausländischer Investoren auf diesen Bereich führte dabei schon bald zu Friktionen mit dem ausgeprägten Nationalbewußtsein der jungen Staaten5 • Zusätzliche Kritik entzündete sich am Umfang der erzielten und transferierten Gewinne der ausländischen Gesellschaften und der dazu unübersehbar kontrastierenden Armut der einheimischen Bevölkerung. Die daraus abgeleitete Beschuldigung, die ausländischen Unternehmen erzielten, gestützt auf ihre technologischen Monopole und die Beherrschung der Weltmärkte, auf Kosten der Entwicklungsländer unmittelbar und mittelbar ungeheure Profite aus der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen6 , ließ die ausländischen Unternehmen zur Zielscheibe der Angriffe werden, die zunächst unter der allgemeinen Formel der "permanenten Souveränität über natürliche Reichtümer und Ressourcen" vorgetragen wurden und in neuerer Zeit in der Kritik an den Aktivitäten transnationaler Gesellschaften einen neuen Höhepunkt erfuhren7• Die Auseinandersetzungen um Inhalt und Grenzen der permanenten Souveränität über natürliche Reichtümer und Ressourcen sind demzufolge primär Auseinandersetzungen um die Rechtsstellung ausländischer Privatinvestitionen in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern der Dritten Welt. Der Kern dieses Konflikts liegt darin, daß "einerseits jedes souveräne Land mit Recht verlangt, sein soziales Gefüge selbst zu aus Kupfer, von Zaire zu 67,1 Ofo aus Kupfer, von Ägypten zu 60 Ofo aus Baumwolle, von Äthiopien zu 55,8 Ofo aus Kaffee, von Burma zu 71,1 Ofo aus Reis und Teakholz, von Ceylon zu 74,6 °/o aus Gummi und Tee. 5 Die dadurch bewirkten Spannungen führten zunächst zu einer Kette von Nationalisierungsmaßnahmen, von den Entwicklungsländern gerechtfertigt "first as a step towards an equitable distribution of the domestic resources among their own citizens and secondly as a prerequisite for a programme of national economic and social reconstruction": vgl. Okoye, S. 179. Ausweislich des der 29. GV vorliegenden Berichts des UN-Generalsekretärs - UN-Doc. A/9716 vom 20. 9. 1974, Annex S. 1 ff. - sind in den 62 dort untersuchten Ländern in der Zeit von 1960 bis Mitte 1974 875 Nationalisierungen zu registrieren; davon betrafen 78 Ofo die Enteignung des Eigentums amerikanischer, britischer und französischer Firmen. Allgemein zu diesem Komplex auch Frick, s. 27. e Brehme, S. 22, 34; Memoire, S. 42. 7 Vgl. dazu auch den Bericht der von den VN eingesetzten Sachverständigenkommission über "The Impact of Multinational Corporations on the Development Process and on International Relations" (UN-Doc. E/5500 Add. 1 vom 24. 5. 1974, veröffentlicht als UN-Publication - E.74.IIA5 -). Vgl. weiter Schröder, Dritte Welt, S. 54 und Mughraby, S. 39.

24 I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität bestimmen ..., daß aber andererseits die Gläubiger mit gleichem Recht an der Sicherheit ihrer Anlagen interessiert sind"8 • Die Stellungnahmen der Generalversammlungs zu diesem Bereich sind gekennzeichnet durch eine zunehmende Polarisierung in den Auffassungen der kapitalimportierenden Entwicklungsländer einerseits, unterstützt durch die sozialistischen Staaten10, und der kapitalexportierenden Industriestaaten andererseits. Diese Entwicklung soll im folgenden nachgezeichnet werden. Die Darstellung beschränkt sich dabei in Anbetracht der fast unübersehbaren Zahl von Entschließungen, die allgemein die Thematik der Dekaionisierung sowie Fragen wirtschaftlicher Entwicklung und ausländischer Kapitalzufuhr berühren, auf Resolutionen, die unmittelbar die Frage der permanenten Souveränität über Ressourcen betreffen. A. Die Entwicklung bis zur 6. Sondergeneralversammlung 1974 I. Res. A/523 (VI). 1952

Ausgangspunkt11 für die Aussagen der Generalversammlung zur Forderung der Entwicklungsländer nach Verfügungsbefugnis über die natürlichen Reichtümer und Ressourcen auf ihrem Territorium ist die Resolution 523 (VI) vom 12. Januar 19521:. Diese von der Vollversammlung ohne Diskussion angenommene Entschließung13 empfiehlt, zur Sicherung der von den Entwicklungsländern benötigten Güter und als Beitrag zur Entwicklung der natürlichen Ressourcen den Abschluß von "commercial agreements" in Betracht zu ziehen. Sie betont aber ausdrücklich, daß die souveränen Rechte der Entwicklungsländer einschließlich des Rechts, ihre eigenen Entwicklungspläne festzusetzen, gewahrt bleiben müssen14, auch wenn das Recht zur Verfügung über natürliche Ressourcen ausdrücklich nicht nur zu den Entwicklungsbes Seidl-Hohenveldern, Investitionen, S. 18. Vgl. dazu auch Guth, S. 17. Resolutionen anderer UN-Organe sind, da sie grundsätzlich im gleichen sachlichen Spannungsfeld stehen - vgl. z. B. UNCTAD-Res. TD/B 88 (XII) vom 19. 10. 1972, wiedergegeben in ILM XI (1972), S. 1474, 1475; Entschließung des Sicherheitsrates 330 (1973), GAOR, 28th Session, Suppl. No. 2, S. 125 ff., S. 131 und Resolution des Wirtschafts- und Sozialrates E/1956 (LIX) vom 25. 7. 1975, ECOSOC, Off. Records, 59th Session, Suppl. No. 1, S. 11 -als ohne materiell eigenständige Bedeutung in die vorliegende Untersuchung nicht einbezogen worden. 1o Zur theoretischen Fundierung der sozialistischen Auffassung vgl. Brehme, S. 7 ff., S. 58 ff. und Sapozhnikov, S. 93 ff. 11 So auch Fischer, S. 516; Brehme, S. 48; Schachter, S. 181; O'Keefe, S. 242 und die Bezugnahmen in den Entschließungen 1803, 2158, 2386 der Generalversammlung. 12 Zum Text der Entschließung s. YUN 5 (1951) S. 418, 419. 13 Vgl. GAOR 6th Session, A/PV 360, S. 338. 14 Vgl. Ziff. 1 b der Resolution A/523 (VI). 9

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

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dürfnissen, sondem auch zu den Bedürfnissen des intemationalen Handels und der Förderung der Expansion der Weltwirtschaft in Beziehung gesetzt wird15. U. Res. A/626 (VU). 1952

Mit der Resolution 626 (VII) vom 21. Dezember 195216 bekräftigt die Generalversammlung das Recht der Völker "freely to use and exploit their natural resources and wealth" als ein ihrer Souveränität immanentes Recht1 7 • Die daraus abgeleitete Befugnis der Mitgliedstaaten, von ihren natürlichen Reichtümem und Ressourcen Gebrauch zu machen, wo immer ihnen dieses für ihre eigenen Fortschritte und ihre wirtschaftliche Entwicklung wünschenswert erscheint, ist aber in der von der Generalversammlung schließlich angenommenen Fassung der Resolution18 ausdrücklich mit der Mahnung verbunden, bei Ausübung dieses Rechts der Sicherung eines vertrauensvollen Investitionsklimas angemessen Rechnung zu tragen19 . Als offensichtliches Korrelat dazu 15 Vgl. Präambelabschn. 1 und Ziff. 1 b (ii) der Resolution A/523 (VI). 16 Zum Text s. YUN 6 (1952), S. 390. 17 Vgl. Präambelabschn. 3 und Ziff. 1 der mit 36:4: 20 Stimmen nach einer erbitterten Debatte- vgl. Bericht des 2. Ausschusses, UN-Doc. A/2332, GAOR, 7th Session, Annexes, vol. I, Agenda Item 25, S. 31, 32, sowie die Beratungen des 2. Ausschusses, GAOR, 7th Session, A/C.2/SR 231 bis A/C.2/SR 238 angenommenen Resolution: vgl. GAOR, 7th Session, A/PV 411, S. 495. Gegenstimmen wurden abgegeben von den USA, Großbritannien, Neuseeland und der Südafrikanischen Union. Ausführliche Schilderung der Entstehungsgeschichte bei Mughraby, S. 16 ff. 18 Der ursprüngliche Res.-Entwurf war von Uruguay mit späterer Coautorenschaft von Bolivien eingebracht worden: vgl. Bericht des 2. Ausschusses, UN-Doc. A/2332, GAOR, 7th Session, Annexes, vol. I, Agenda Item 25, S. 7. Die Kritik der Kapitalexportländer entzündete sich insbesondere an dem vorgeschlagenen Titel "Right of every country to nationalize and freely exploit its natural wealth as an essential factor of economic independence" und veranlaßte die USA zur Einbringung eines Gegenentwurfs - vgl. Bericht des 2. Ausschusses a .a.O., S. 7, 8, 32, der auf eine ausdrückliche Erwähnung der Pflicht zur Beachtung der nach Völkerrecht und abgeschlossenen Verträgen bestehenden Verpflichtungen abzielte. Der Wortlaut der schließlich angenommenen Resolution basiert auf einem indischen Kompromißvorschlag - A/C.2/L. 189 - in dem auf eine Bekräftigung des Rechts zur Nationalisierung verzichtet wird: vgl. Bericht des 2. Ausschusses, a.a.O., S. 8, 32. 19 Vgl. Ziff. 1 der Resolution A/626 (VII). Die Hinweise auf die nachteiligen Wirkungen von Nationalisierungsmaßnahmen auf die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen und damit mittelbar auch auf die wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer nehmen in den Beratungen des 2. Ausschusses der 7. GV br eiten Raum ein: vgl. Del. Mrs. Wright (Dänemark), A/C.2/SR 237, S. 281; Del. .Jockei (Österreich), A/C.2/SR 237, S. 280; Del. Perry (Neuseeland), A/C.2/SR 235, S. 272; Del. Madrigal (Philippinen), A/C.2/SR 232, S. 261; Del. Chauvet (Haiti), A/C.2/SR 231, S. 255; Del. Sir C. Norton (Großbritannien), A/C.2/SR 231, S. 255 u . A/C.2/SR 238, S. 286 ; Del. .Jonker, (Niederlande), A/C.2/SR 232, S. 259 ; Del. Huneidei (Syrien), A/C.2/SR 231, S. 257. Auf der anderen Seite wird insbesondere von Vertretern der Entwicklungslä nder gegen die ursprüngliche Fassung der Resolution auch der Einwand erhoben, eine ausdrückliche Empfehlung der Generalversammlung, ein Recht zur Verstaatlichung anzuerkennen, müsse zwangsläufig Zw eifel an seinem Bestehen

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

enthält Ziff. 2 eine Aufforderung an alle Mitgliedstaaten, sich jeder direkten oder indirekten Beeinträchtigung der Souveränität der Staaten über ihre natürlichen Ressourcen zu enthalten und trägt damit insbesondere dem Anliegen der Entwicklungsländer Rechnung20, in Ausübung ihrer mit Ziff. 1 und Präambelabschn. 3 der Resolution bekräftigten souveränen Rechte nicht wirtschaftlichen oder politischen Pressionen ausgesetzt zu sein. In den Beratungen über die Annahme der Res. A/626 (VII) steht der traditionellen Betrachtungsweise, die im Zufluß ausländischen Kapitals und der Förderung privater Investitionen den Weg zur wirtschaftlichen Entwicklung der Dritten Welt sieht21, erstmalig die Forderung entgegen, die wirtschaftliche Entwicklung- unabhängig von ausländischen Gesellschaften·- durch unmittelbare Nutzung der in reichem Maße vorhandenen natürlichen Ressourcen durch die Entwicklungsländer selbst zu verfolgen, denn die Erfahrungen der Vergangenheit hätten deutlich gemacht, daß ausländische Investoren in der Regel nur auf ihre eigenen Gewinne bedacht seien und sich auf Kosten der ausgebeuteten einheimischen Bevölkerung an den natürlichen Ressourcen der Entwicklungsländer bereichertenl!l!. Obwohl aber auch die Vertreter dieser Konzeption ausdrüc.ldich betonten, daß mit dem Inhalt der Resolution nicht auf eine Vernachlässigung der völkerrechtlichen Entschädigungspflichten im Falle von Enteignungen abgezielt werde%3 , konnte auch über den späteren Kompromißvorschla!f4 ein Konsensus nicht erreicht werden. Die Vertreter der Kapitalexportländer begründeten ihre ablehnende Auffassung damit, daß die Pflicht, bei Ausübung der auch von wecken und daher eher zu einer Schwächung als zu einer Stärkung der souveränen Rechte der Staaten führen: so Dei. Beteta (Mexiko), A/C.2/SR 231, S. 254; Dei. Chauvet (Haiti), A/PV 411/S. 484; Del. Jung (Indien), A/PV 411, S.488. 20 Vgl. Dei. Jung (Indien), GAOR 7th Session, A/PV 411, S. 488. 21 Vgl. statt aller Del. Stahl (Schweden), GAOR, 7th Session, A/C.2/SR 231, s. 225. 22 GAOR, 7th Session, Dei. Cusano (Uruguay), A/C.2/SR 231, S. 253, 254; Dei. Siles Zuazo (Bolivien), A/C.2/SR 234, S. 265, 266 und A/PV 411, S. 493, 494. Die Haltung der Entwicklungsländer ist allerdings nicht einheitlich. Von anderen Delegierten wird diese Konzeption einer Gewinnung und Vermarktung der natürlichen Ressourcen durch die Rohstoffländer selbst als unwillkommene Durchkreuzung ihrer auf die Anziehung ausländischen Kapitals gerichteten Politik kritisiert: vgl. insbes. Dei. Chauvet (Haiti), GAOR, 7th Session, A/PV 411, S. 484; Del. Gutierrez G6mez (Kolumbien), GAOR, 7th Session, A/PV 411, S. 489. 23 Del. Cusano (Uruguay), GAOR, 7th Session, A/C.2/SR 231, S. 253 und A/C.2/SR 232, S. 261. 24 Den Wandel der Akzentuierung gegenüber dem ursprünglichen Resolutionsentwurf unterstreicht auch Bindschedler, Protection, S. 195. Nicht recht verständlich ist daher die kritische Aufnahme, die die Entschließung A/626 (VII) bei einem Teil des Schrifttums gefunden hat: vgl. beispielhaft James N. Hyde, S. 854; Hagemann, S. 583.

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

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ihnen nicht bestrittenen souveränen Befugnisse des Gaststaates die vertraglichen und nach allgemeinem Völkerrecht bestehenden Rechte zu respektieren, in der Entschließung keine Aufnahme gefunden habe%5•

m. Res. A/837 (IX). 1954 Die Resolution A/837 (IX) vom 14.12. 195426 verbindet das in den Entschließungen A/523 (VI) und A/626 (VII) angesprochene Problem einer integrierten wirtschaftlichen Entwicklung der Entwicklungsländer mit den zeitlich parallelen Arbeiten der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen an der Aufstellung von Covenants on Human Rights. Auf den von der Menschenrechtskommission in diesem Zusammenhang behandelten Selbstbestimmungsgrundsatz geht die Formel der "permanenten Souveränität über natürliche Reichtümer und Ressourcen" zurück, die in der Resolution A/837 (IX) erstmalig verwendet wird27 • Sie hat ihren Ursprung in einem Antrag Chiles, in den Entwurf der Covenants on Human Rights aufzunehmen28 , daß das Recht der Völker auf Selbstbestimmung auch ihre "permanent sovereignty"29 in diesem Bereich einschließe. Zwar wurde die von Chile 25 Vgl. GAOR, 7th Session, Del. Lubin (USA), A/PV 411, S. 496: " ... we voted against it, not because of what it contains, but because of what it does not contain." Ebenso: Del. Lloyd (Großbritannien), A/PV 411, S. 496; Del. Munro (Neuseeland), A/PV 411, S. 500 und Del. Johnson (Kanada), A/PV 411, s. 498. 26 Vgl. zu Wortlaut und Entstehungsgeschichte dieser Resolution YUN 8 (1954), s. 212. 27 Vgl. Ziff. 1 der Res. A/837 (IX). 2a Als Abs. 3 des Artikels 1 schlug Chile folgende Fassung vor: "The right of peoples to self-determination shall also include permanent sovereignty over their natural wealth and resources. In no case may a people be deprived of its own means of subsistence on the grounds of any rights that may be claimed by other states." Vgl. zur weiteren Behandlung des chilenischen Vorschlags das der "Commission on Permanent Sovereignty Over Natural Resources" vorgelegte UN-Doc. A/AC.97/1 vom 12. 5. 1959 (Status, S. 3) und allgemein dazu auch James N. Hyde, S. 855; Mughraby, S. 20; Banerjee, S. 517 ff.; Brehme, S. 51; O'Keefe, S. 249. 29 Der Bedeutungsgehalt des Attributes "permanent" läßt sich weder aus diesem Zusammenhang noch aus den Beratungen der Generalversammlung insgesamt zweifelsfrei erschließen: so auch Fischer, S. 518 und Mughraby, S. 38, mit der Feststellung, daß "delegates avoided any agreement on the definition of the terms, thus appearing to be contended with their own, undeclared assumptions". Während einerseits darauf hingewiesen wird, daß die Verwendung der Vokabel "permanent" irreführend sei, tatsächlich beabsichtigt sei "effective" als Umschreibung der Möglichkeit des Staates zu einer wirksamen Kontrolle (so Del. Franzi [Italien], GAOR, 21st Session, A/C.2/SR 1050, S.175) wird die Umschreibung "permanent" von den Vertretern der Entwicklungsländer in der Regel als Kennzeichen des zwingenden Charakters dieses Rechts im Sinne seiner Unveräußerlichkeit verwandt: vgl. die Äußerungen der Delegierten Galindo Pohl (El Salvador), GAOR (S-VI), A/PV 2221, S. 22, para 263; Kaul (Indien), GAOR, 21st Session, A/C.2/SR 1053, S. 191 und Chammas (Libanon), GAOR, 21st Session, A/C.2/SR 1053, S. 190; vgl. auch die teilweise

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

vorgeschlagene Fassung nicht in den Entwurf der Covenants übernommen30, um insbesondere Befürchtungen zu begegnen, daß sie " ... could be invoked to justify expropriations without proper compensation" 31 • Die Formel von der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen nimmt aber, losgelöst von der Ausgestaltung, die sie in den Menschenrechtskonventionen erfahren hat, als Forderung nach wirtschaftlicher Selbstbestimmung eine eigenständige Entwicklung im Bereich der Vereinten Nationen. Der zeitgeschichtliche Hintergrund der kolonialen Problematik32 führt gegenüber der früher überwiegenden Betonung der Verfügbarkeit ausländischen Kapitals für die Entwicklung der Dritten Welt nunmehr zu der Forderung, "that a nation or a people should be masters of their own wealth" 33• Der sachliche Inhalt der Entschließung A/837 (IX) läßt die Schwerpunkte der ihrer Annahme voraufgegangenen Debatten nicht erkennen34. Ihr im wesentlichen prozeduraler Inhalt-'5 enthält eine materielle Aussage nur insoweit, als die Menschenrechtskommission aufgefordert wird, sich bei ihren Empfehlungen leiten zu lassen von "due regard to the rights and duties of States under international law and to the importance of encouraging international cooperation in the economic development of underdeveloped countries" 36• Mit der Annahme dieser Ergänzung1l7 und der darin liegenden Anerkennung völkerrechtlicher alternierende Verwendung des Adjektivs "inalienable" in Präambelabschn. 1 und Ziff. 1 des Res. A/3171 sowie Präambelabschn. 4 der Res. A/1803. so Ausführliche Wiedergabe der Entstehungsgeschichte der Covenants bei Decker, S. 205 ff. at Vgl. das o. a. angegebene Dokument der "Commission on Permanent Sovereignty Over Natural Resources", A/AC.97/1, S. 4, 5. Vgl. weiter die Wiedergabe der wesentlich abgeschwächten Neufassung (Art. 1 Abs. 2 n. F.) bei James N. Hyde, S. 856. a2 Von Sapoznhikov, S. 94 als "most flagrant and unconcealed form of violating sovereignty" apostrophier t. 33 So Banerjee, S. 520. Vgl. zu dieser Verlagerung der Problematik auch James N. Hyde, S. 855. 34 Vgl. Bericht des 3. Ausschusses der GV, UN-Doc. A/2829, GAOR, 9th Session, Annexes, Agenda Item 12, S. 9 ff., S. 13, 14. AlsBefürwortereines Rechts auf wirtschaftliche Selbstbestimmung treten in den Ausschußberatungen der 9. GV vor allem hervor: Del. Nunez (Costa Rica), A/C.3/SR 594, S. 265; Del. De Meira Penna (Brasilien), A/C.3/SR 594, S. 266; Del. Zuazo Cuenca (Bolivien), A/AC.3/SR 594, S. 267. Gegen eine Verquickung der Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung mit dem Selbstbestimmungsgrundsatz wandten sich dagegen die westlichen Industrieländer: dieser stehe als politische Forderung in keiner Beziehung zu einer Kontrolle der natürlichen Ressourcen, die ein anerkanntes Attribut der staatlichen Souveränität sei: vgl. statt aller Del. Meade (Großbritannien), A/C.3/SR 595, S. 273 sowie der o. a. Bericht des 3. Ausschusses, S. 14. 35 Vgl. Ziff. 1 und 2 der Resolution A/837 (IX). 36 Vgl. Ziff. 1 Hs. 2 der Resolution A/837 (IX). 37 Sie ist das Ergebnis eines von den USA, Brasilien und Peru gemeinsam getragenen Abänderungsantrages, der von der GV mit 23:14: 11 Stimmen, jedoch nur in dieser, hinter der ursprünglichen Reichweite zurückbleibenden

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

29

Pflichten sprach sich die Generalversammlung in ihrer Mehrheit38 gegen die Forderung aus, "that there could be no limitation to the principle of self-determination"39. IV. Res. A/1314 (XID). 1958

Diese Sicht, daß auch die Forderung nach wirtschaftlicher Selbstbestimmung-10 nicht losgelöst von den Bestimmungen des Völkerrechts und den Bedingungen intemationaler Kooperation betrachtet werden kann, wird mit der Resolution A/1314 (XIII) vom 12. 12. 195841 bestätigt und die permanente Souveränität über natürliche Reichtümer und Ressourcen als Teil des Selbstbestimmungsrechts bekräftigt42. Wesentlicher Inhalt der Resolution ist der Beschluß, eine Kommission einzusetzen mit dem Auftrag, "to conduct a full survey of this basic constituent of the right of self-determination with recommandations where necessary for its strengthening"43 • V. Res. A/1720 (XVI).l961 Der Bericht dieser Kommission44 liegt zusammen mit einer vom UN-Sekretariat erstellten umfangreichen Studie46 und einem von der Kommission erarbeiteten Resolutionsentwurf46 der XVI. Generalversammlung vor, führt aber aus Zeitmangel47 nicht zu einer Sachaussage48

Fassung angenommen wurde: vgl. GAOR, 9th Session, A/PV 512, S. 505 und für die ursprüngliche Fassung (UN-Doc. A/C.3/L. 441) den Bericht des 3. Ausschusses, UN-Doc. A/2829, GAOR, 9th Session, Annexes, Agenda Item 12, S.14 sowie Del. De Barros (Brasilien), GAOR, 9th Session, A/PV 512, S. 502. 38 Vgl. GAOR, 9th Session, A/PV 512, S. 505: Annahme in nicht namentlicher Abstimmung mit 41 : 11 : 3 Stimmen. 39 So die im o. a. Bericht des 3. Ausschusses, S. 14, para. 57 wiedergegebene Mindermeinung. 40 Vgl. zu den im wesentlichen über Inhalt und Rechtsnatur des Selbstbestimmungsgrundsatzes geführten Debatten den Bericht des 3. Ausschusses UN-Doc. A/4019 vom 3. 12. 1958, GAOR, 13th Session, Annexes, Agenda Item 33, s. 5 ff. 41 Zum Text dieser Entschließung s. YUN 12 (1958) S. 212 ff. 42 Vgl. Ziff. 1 und Präambelabschn. 1 der mit 52 : 18 : 8 Stimmen angenommenen Entschließung A/1314 (XIII), GAOR, 13th Session, A/PV 788, S. 554. 43 Vgl. Ziff. 1 der Resolution A/1314 (XIII). Mitglieder dieser "Commission on Permanent Sovereignty Over Natural Resources" sind: Afghanistan, Chile, Guatemala, Niederlande, Philippinen, Schweden, UdSSR, Vereinigte Arabische Republik, USA. 44 UN-Doc. E/3511, abgedr uckt in Status, S. 239 ff. 45 "The Status of Permanent Sovereignty over Natural Wealth and Resources", New York 1962. 46 Vgl. Status, S. 244 f. 47 Vgl. den Bericht des Rapporteurs des 2. Ausschusses der 17. GV., Del. Miss. SeHers (Kanada), GAOR, 17th Session, A/PV 1193, S. 1122 und zum Hintergrund der Verzögerungen - anfängliche Uneinigkeit darüber, ob der 1. (politische), 2. (wirtschaftliche) oder 6. (rechtliche) Ausschuß der GV für die Beratung der Vorschläge der Kommission zuständig sein sollte- ausführlich Gess, S. 417, 418. 48 Vgl. Dei. Tabibi (Afghanistan), GAOR, 16th Session, A/C.2/SR 792, S. 430

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

der Vollversammlung, sondern lediglich zu der Ankündigung, die Arbeit in diesem Bereich mit Priorität fortführen zu wollen49 • VI. Res. A/1803 (XVD). 1962

Mit der Deklaration50 über "Permanent Sovereignty Over Natural Resources" - Resolution A/1803 (XVII) vom 14. 12. 196251 bezieht die Generalversammlung auf der Grundlage des Kommissionsvorschlages52 erstmals grundsätzlich Stellung zu diesem Problemkreis53 • Die Bedeutung der von der Generalversammlung in der Endfassung schließlich mit 87:2: 12 Stimmen54 angenommenen Resolution liegt in als Sprecher der Sponsoren der - prozeduralen - Resolution. Der Entwurf wurde von der GV ohne Aussprache angenommen: s. GAOR, 16th Session, A/PV 1084, S. 1115. 49 Vgl. Ziff. 3 der Resolution A/1720 (XVI). 5o Vgl. Wortlaut der Ziff. I sowie Del. Klutznick (USA), GAOR, 17th Session, A/PV 1193, S. 1125 und Del. Soussan (Marokko), GAOR, 17th Session, A/PV 1193, S. 1126. Den Deklarationscharakter als Ausdruck einer betont grundsätzlichen oder besonders gewichtigen Stellungnahme - vgl. dazu das bei Bohn, S. 60 auszugsweise wiedergegebene Memorandum des Generalsekretärs der VN (UN-Doc. EICN. 4IL. 610 [1962]) sowie Asamoah, S. 20 und Tomuschat, Rechtsverbindlichkeit, S. 511 - bejahen auch Goodrich I Hambro I Simons, S. 136; Verdroß, Generalversammlung, S . 690; O'Keefe, S. 239. 51 Zum Wortlaut der Entschließungs. YUN 16 (1962) S. 503 f. 52 In der Kommission hatte sich auf der Basis eines chilenischen Resolutionsentwurfs gegen die insbes. von der UdSSR vertretene Gegenposition die Auffassung durchgesetzt, daß die Souveränität der Staaten über ihre Ressourcen kein absolutes, sondern durch die Pflichten nach Völkerrecht begrenztes Recht sei: vgl. Bericht der Kommission, Status, S. 241 ff.; Gess, S. 399 ff.; Banerjee, S. 527. Die überwiegende Meinung in der 17. Generalversammlung - vgl. statt aller: Del. Albeda (Niederlande), AIC.21SR 834, S. 230, 231; Del. Schweitzer (Chile), AIC.2/SR 834, S. 232; Del. Blois (Kanada), AIPV 1193, S. 1125; Del. Brillantes (Philippinen), AIPV 1193, S. 1121 - sprach sich gegen eine Wiedereröffnung der bereits in der Kommission geführten Debatten aus und wies auch die Kritik zurück, daß - so Del. Luqman (Mauretanien), A/C.2/SR 835, S. 234 - die Kommission, die nicht mehr als vier bis fünf Kapitalimportländer umfaßt habe, nicht als repräsentativ für die große Zahl dieser Länder in der G V angesehen werden könne. sa Dieses Thema, mit 51 : 32 : 10 Stimmen auf Antrag der USA zu einer wichtigen Frage i. S. von Art. 18 Abs. 2 der UN-Charta erklärt- vgl. GAOR, 17th Session, Del. Klutznick (USA), AIPV 1193, S. 1123 und AIPV 1193, S. 1130 - beanspruchte mit 15 Sitzungen des 2. Ausschusses fast ein Viertel seiner Beratungen während der 17. GV und führte zu nicht weniger als 27 verschiedenen Einzelabstimmungen: vgl. den Bericht des Rapporteurs, Miss. SeHers (Kanada), AIPV 1193, S. 1122 und Del. Klutznick (USA), AIPV 1193, S.1125. 54 Vgl. GAOR, 17th Session, AIPV 1194, S. 1134. Gegenstimmen gaben ab: Frankreich und Südafrikanische Union, während sich die sozialistischen Staaten einschließlich Kuba und zusätzlich Ghana und Burma der Stimme enthielten, weil sie ihre in der GV wiederholten, aber im Ergebnis abgelehnten weitgehenden Vorstellungen einer nicht durch völkerrechtliche Schranken begrenzten Ausübung der Souveränität der Staaten über ihre Ressourcen nicht durchsetzen konnten: vgl. dazu insbes. die Anträge der UdSSR (AIC.21 L.670), Ziff. I 4 des Resolutionsentwurfs durch den Text zu ersetzen: "confirms the inalienable right of peoples and nations to the unobstructed execution of nationalization, expropriation and other essential measures

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

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der Aufstellung grundlegender Prinzipien für die Beziehungen zwischen den Kapitalimportländern und ihrem als Korrelat zur politischen Unabhängigkeit gesehenen Streben nach eigenbestimmter Verfügung über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen55 und den sich aus ihrer Eigenschaft als Kapitalexporteure und Rohstoffimporteure ergebenden Interessen der Industrieländer". - Inhalt und Reichweite dieser Aussagen im operativen- I.- Abschnitt der Entschließung sollen im folgenden dargestellt werden. 1. Die Existenz eines "right of peoples and nations to permanent sovereignty over their natural wealth and resources"57 wird von der Generalversammlung als bestehend vorausgesetzt58• Die Resolution verzichtet daher auf eine ausdrückliche Bekräftigung seiner Existenz und beschränkt sich auf Aussagen über seine Ausübung. Die Basisaussage der Ziff. I 1, daß dieses Recht "must be exercised in the interest of their national development and of the well-being of the people of the state concerned", ist in den Beratungen der Generalversammlung nicht ohne Kritik geblieben59 • Trotz der kategorischen Fassung "must be exercised" ist der Inhalt dieser Bestimmung nicht dem Bereich unmittelbar verpflichtender Rechtssätze zuzuordnen, sondern als Empfehlung tz:u der Auswahl der rechtlich bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten zu werten, als "policy, which should underlie the exercise of the right to aimed at protecting and strengthening their sovereignty over their natural wealth and resources" sowie u. a. zusätzlich die Bestimmung aufzunehmen: "unreservedly supports measures taken by peoples and states to re-establish or strengthen their sovereignty over natural wealth and resources and considers inadmissible acts aimed at obstructing the creation, defence and strengthening of that sovereignty": vgl. Bericht des 2. Ausschusses, UN-Doc. A/5344 and Add.l, GAOR, 17th Session, Annexes, Agenda Items 12, 34-37, 39, 84, s. 42. 55 Vgl. GAOR, 17th Session, Del. Schweitzer (Chile), A/C.2/SR 834, S. 231; Del. Vilarde Dorado (Bolivien), A/C.2/SR 848, S. 316; Del. Appiah (Ghana), A/C.2/SR 842, S. 271; Del. Vejjajiva (Thailand), A/C.2/SR 858, S. 386; Del. Brillantes (Philippinen), A/PV 1193, S. 1127; Del. Soussan (Marokko), A/PV 1193, S. 1126; Dei. Fernandini (Peru), A/C.2/SR 845, S. 295; Del. Caranicas (Griechenland), A/C.2/SR 859, S. 393. 58 Vgl. GAOR, 17th Session, Del. Klutznick (USA), A/C.2/SR 835, S. 233; Del. Bolin (Schweden), A/C.2/SR 842, S. 272; Del. Franzi (Italien), A/C.2/SR 846, S. 299; Del. Davis (Australien), A/C.2/SR 854, S. 359. 57 Mit dieser auch in den Ziff. I 2, I 5, I 7 verwandten Formulierung und der weiteren Bezugnahme auf "State" - Ziff. I 3, I 4, I 8 - vermeidet die Generalversammlung eine Entscheidung der Frage, wer als Inhaber dieses Rechtes anzusehen ist. Kritisch dazu Schwarzenberger, World Order, S. 48; O'Keefe, S. 245, 246; Fischer, S. 520. 58 Vgl. die Fassung der Ziff. I 1 und den Wortlaut der Präambel-Abschnitte 2, 3, 4. 59 Insbesondere wurde geltend gemacht, mit dieser Bestimmung werde die Souveränität der Staaten einer ihr wesensfremden Bindung unterworfen. Eingewandt wurde auch, daß die VN nach ihrer Charta für die Behandlung dieses Themas nicht zuständig sei: vgl. Del. Carillo (El Salvador), GAOR, 17th Session, A/C.2/SR 848, S. 315.

32 I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität dispose of natural wealth" 60• Die Generalversammlung bringt damit zum Ausdruck, daß die Souveränität über Ressourcen der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wohl des betreffenden Volkes dienen soll und daß Maßnahmen, die mit dieser Zielsetzung nicht zu vereinbaren sind, jedenfalls in einer Berufung auf dieses Recht keine Grundlage finden können. 2. "Exploration, development and disposition" in bezugauf natürliche Ressourcen sollen sich ebenso wie der Import ausländischen Kapitals für diese Zwecke in Übereinstimmung mit den Vorschriften und Bestimmungen vollziehen, "which the peoples and nations freely consider to be necessary or desirable" 61 • Die Befugnis zur Einführung einer obligatorischen Genehmigung und zu Beschränkungen oder Verboten diE:'ser Tätigkeiten&! wird ausdrücklich als Inhalt der Souveränität über Ressourcen bestätigt63 • Offen bleibt in der Aussage der Generalversammlung der Zeitpunkt, auf den sich die freie Entschließung beziehen soll und die Frage, wer über das Kriterium "freely" entscheidet64. 3. Wenn eine Bewilligung erteilt ist, erklärt Ziff. I 3 der Resolution den Inhalt der Genehmigung, das geltende nationale Recht und das Völkerrecht zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Behandlung des importierten Kapitals und seiner Erträge. Mit dieser Stufenfolge ist die Effektivität des Schutzes erworbener Rechte sichergestellt, denn gegenüber späteren Änderungen der zur Disposition des nationalen Gesetzgebers stehenden innerstaatlichen Vorschriften, die den Inhalt der erteilten Bewilligung beeinträchtigen, kann sich der Bewilligungsinhaber auf die Grundsätze des Völkerrechts berufen, die eine verpflichtende Schranke für diese innerstaatlichen Maßnahmen zumindest insoweit darstellen, als sie zwar nicht den Bestand, aber den Wert seiner "wohlerworbenen Rechte" sichem. Satz 2 der Ziff. I 3 enthält die zusätzliche Bestimmung, daß erzielte Gewinne in freier Vereinbarung zwischen Investor und Gaststaat so aufzuteilen sind, daß die Souveränität des Staates über seine natürAsamoah, S. 82. Ähnlich Schwarzenberger, World Order, S. 42. Vgl. Ziff. I 2 der Res. A/1803 (XVII). 82 Vgl. Ziff. I 2 der Res. A/1803 (XVII). 83 Insbesondere von westlichen Staaten wurde gegenüber den als "unwarrented and mistaken extension of the sovereign rights of State to mean the right of ownership" (Banerjee, S. 516) kritisierten - Bestrebungen einzelner Entwicklungsländer (vgl. dazu auch Gess, S. 416 und Asamoah, S. 85) hervorgehoben, daß zwischen ausländischem Eigentum an den natürlichen Ressourcen und der bestehenden Souveränität der Staaten kein Gegensatz bestehe, denn diese setze nicht Inhaberschaft der Ressourcen voraus, sondern werde verwirklicht durch die Regelungen des Staates über Erwerb und Ausübung der Inhaberschaft: vgl. Del. Bolin (Schweden), GAOR, 17th Session, A/C.2/SR 842, S. 271. 84 Kritisch dazu auch Schwarzenberger, World Order, S. 43. 80 81

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

33

liehen Hilfsquellen nicht beeinträchtigt wird 65• Damit bringt die Generalversammlung unmißverständlich zum Ausdruck, daß die territoriale Zuordnung der Ressourcen einen gewichtigen Bewertungsfaktor bei der Festlegung der Gewinnanteile darstellt, ohne daß dieser Aussage zu entnehmen wäre, wie sich eine ausgewogene Verteilung der Gewinne in praxi vollziehen könnte. In sachlichem Zusammenhang mit dem Inhalt der Ziff. I 3 ist die Ziff. I 8 zu sehen, die eine Verpflichtung enthält, "foreign investment agreements", die von und zwischen souveränen Staaten frei abgeschlossen worden sind, einzuhalten. In ihrer FormulierungU ist diese Aufforderung sowohl auf zwischenstaatliche Abkommen wie auf Verträge zwischen Staaten und Privatpersonen, z. B. ausländischen Gesellschaften gerichtet. Demgegenüber machten insbesondere die Entwicklungsländer geltend, daß Verträge zwischen Staaten und privaten Konzessionsinhabern nicht anders zu behandeln seien als private Verträge im allgemeinen und daher nicht den Normen des Völkerrechts, sondern den innerstaatlichen Gesetzen unterlägen67• 4. Enteignungsmaßnahmen dürfen nach der Aussage der Ziff. I 4 nur aus Gründen von "public utility, security or the national interest" vorgenommen werden, deren Vorrang vor Individualinteressen die Generalversammlung bestätigt. Dem Eigentümer ist entsprechend den Vorschriften des enteignenden Staates und in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zwingend68 eine Entschädigung zu zahlen69 • Die Bestimmung des Ausmaßes der geschuldeten Entschädigung war Gegenstand erbitterter Kontroversen. Während insbesondere die USA die Auffassung vertraten, daß nur eine Entschädigung, die "prompt, adequate es Kritik an der Unklarheit und Widersprüchlichkeit dieser Bestimmung auch bei Fischer, S. 525 und - unter allerdings anderem Blickwinkel - bei Brehme, S. 66. 66 "By and between sovereign States": vgl. Ziff. I 8 der Res. A/1803 (XVII). Zur Entstehungsgeschichte dieses auf Antrag der USA und Großbritanniens eingefügten Zusatzes vgl. Bericht des 2. Ausschusses, UN-Doc. A/5344 and Add. 1, GAOR, 17th Session, Annexes, Agenda Items 12, 34 - 37, 39, 84 S. 43, 44 und ausführlich Schwebe!, S. 465, 466 sowie Banerjee, S. 531, 532; Mughraby, S. 24 ff.; Asamoah, S. 86 ff. 67 Vgl. den Gegenantrag von Libanon und Syrien (UN-Doc. A/C.2/L. 697), Ziff. I 8 auf Verträge zwischen Staaten zu begrenzen, der allerdings eine Mehrheit nicht fand: vgl. den o. a. Bericht des 2. Ausschusses, S. 46. as Vgl. die Formulierung "shall be paid" in Ziff. I 4 S. 2 der Res. A/1803. Die rechtliche Verpflichtung betonen auch Schwebe!, S. 466 und Banerjee, s. 531. 69 Die Aussagen der Ziff. I 4 der Res. A/1803 sollten entsprechend dem auf algerische Initiative (vgl. Del. Yaker [Algerien], GAOR, 17th Session, A/C.2/SR 854, S. 360 und den o. a. Bericht des 2. Ausschusses, S. 43, para. 75, 79; S. 44, para 80) eingefügten - Präambelabschn. 5 ausdrücklich kein Präjudiz abgeben für die Rechte und Pflichten von "successor States and Governments in respect of property acquired before the accession to complete sovereignty of countries formerly under colonial rule".

3 Kemper

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

and effective" sei, den völkerrechtlichen Anforderungen genüge, lehnten vor allem die sozialistischen Staaten jede völkerrechtlich gebotene Entschädigungspflicht ab 70. Mit dem schließliehen Kompromiß71 , zwar eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Entschädigungszahlung anzuerkennen, diese aber durch Zahlung einer angemessenen ("appropriate") Entschädigung als erfüllt anzusehen, ermöglicht die Resolution "interpretations from every ideological angle" 72 . Einerseits soll die Bemessung der Enteignungsentschädigung in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht erfolgen, das zumindest nach offizieller Auffassung der OECD-Staaten73 einen vollen Ausgleich für den durch die Eigentumsentziehung bewirkten Verlust garantiert. Andererseits läßt das Erfordernis angemessener Kompensation neben der Einbeziehung des Wertes der enteigneten Rechte die Berücksichtigung zusätzlicher Umstände zu, wie beispielsweise ein Verfahren, in die Bemessung der Entschädigung einen negativen Faktor für überhöhte Gewinne des enteigneten ausländischen Untemehmers bei der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen einzubeziehen74 . Dementsprechend ist die Resolution A/1803 in der Folgezeit von Vertretem beider Auffassungen als Bekräftigung jeweils ihres Standpunktes angeführt worden76. Prozedural bestimmt Ziff. I 4 S. 3, daß bei Streitigkeiten über die Höhe der Enteignungsentschädigung grundsätzlich der innerstaatliche Rechtsweg zu erschöpfen ist. Mit der Formulierung "should be exhausted"76 kommt unzweideutig zum Ausdruck, daß der Rechtsschutz 1o Vgl. GAOR, 17th Session, Del. Arkadyew (UdSSR), A/C.2/SR 834, S. 230; Del. Komives (Ungarn), A/C.2/SR 846, S. 297; Del. Smid (CSSR), A/C.2/SR 852, S. 342; Del. Primelies (Kuba), A/C.2/SR 854, S. 359. 11 Die USA zogen einen Abänderungsantrag (A/C.2/L. 668), der die Ersetzung von "appropriate" durch "prompt, adequate and effective compensation" zum Inhalt hatte, zurück, gaben aber sowohl im 2. Ausschuß wie im Plenum unwidersprochen zu Protokoll, daß nach ihrer Auffassung eine dem Völkerrecht entsprechende Entschädigung "prompt, adequate and effective" sein müsse: vgl. den o. a. Bericht des 2. Ausschusses der 17. GV, S. 42 ff. und Del. Klutznick (USA), A/C.2/SR 835, S. 234, A/C.2/SR 850, S. 327 und A/PV 1193, S. 1125 sowie Del. Finger (USA), A/C.2/SR 859, S. 396. 72 Falk, General Assembly, S. 789. Die Unklarheit der Aussage der Generalversammlung unterstreichen auch Schwarzenberger, World Order, S. 45, 47; Higgins, ASIL, S. 122; Friedmann, General Course, S. 145; O'Keefe, S. 264, 267. 73 So Polter, S. 34. 74 So Del. Arkadyew (UdSSR), GAOR, 17th Session, A/C.2/SR 834, S. 230. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die chilenische Regelung der Nationalisierung der Kupferminen, insbes. das Dekret des Staatspräsidenten (Allende) vom 28. 9. 1971 über die Festsetzung von Übergewinnen: ILM X (1971), S.1235 ff. 75 Vgl. einerseits Schwebe!, S. 465, 466 und Fischer, S. 526 für den Fortbestand des Erfordernisses der "prompt, adequate and effective compensation", andererseits Okoye, S. 180 für die Zulässigkeit einer flexiblen Festsetzung der Entschädigung unter Einbeziehung ungerechtfertigter Bereicherungen ausländischer Investoren. 76 Die Formulierung geht zurück auf einen Antrag der USA und Groß-

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

35

gegen Enteignungsmaßnahmen nicht auf die Anrufung der innerstaatlichen Gerichte beschränkt ist, sondern die Gewährung diplomatischen Schutzes durch den Heimatstaat des betroffenen Ausländers nach Erschöpfung des Rechtsweges des Gastlandes nicht ausgeschlossen ist77 • Bei entsprechender Vereinbarung besteht zudem alternativ die Möglichkeit einer unmittelbaren Anrufung von internationalen Gerichten oder Schiedsgerichten78• Der deutliche Kompromißcharakter79 der Resolution A /1803, ihr Bemühen, das Spannungsfeld zwischen nationaler Souveränität und internationaler Kooperation durch Konzessionen an beide Seiten auszugleichen, hat ihr einerseits die Annahme durch eine breite Mehrheit von Industrie- und Entwicklungsländern gesichert, ihr andererseits aber auch den Vorwurf der Widersprüchlichkeit nicht erspart80•

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VIL Res. A/2158 (XXI). 1966

Demgegenüber liegt in den Aussagen der Resolution 2158 (XXI) vom 25. 11. 196681 eine spürbare Akzentverschiebung zugunsten der Entwicklungsländer, von ihnen damit begründet, daß nunmehr in logischer Fortsetzung der Resolution A/1803 ihre Position im Detail bestimmt werde, da sie sich mit theoretischen und abstrakten Dokumenten nicht länger begnügen könnten82 • Die Souveränität über Ressourcen erscheint primär als Mittel zur Überwindung der wirtschaftlichen Erbschaft des Kolonialismus und der in der Wertung der Entwicklungsländer damit verbundenen Bereicherung ausländischer Investoren an britanniens, die von der Kommission vorgeschlagene Fassung: "national jurisdiction should be resorted to" entsprechend abzuändern, um jeden Zweifel an der Zulässigkeit diplomatischen Schutzes zu beseitigen: vgl. den o. a. Bericht des 2. Ausschusses der 17. GV, S. 43, para. 79; S. 44, para. 87. Ausführlich dazu auch Schwebel, S. 465, 467. 77 So auch Schwebe!, S. 467; Banerjee, S. 533; O'Keefe, S. 270 ff. 78 Vgl. Ziff. I 4 S. 4 der Res. A/1803. Schwarzenberger, World Order, S . 46, bezeichnet diese Bestimmung als "a splendid example of stating the obvious in as many as twenty-two words". Vgl. dazu auch Gess, S. 434 ; O'Keefe, s. 270, 271. 79 So Friedmann, Changing Structure, S. 320; Mughraby, S. 15; Brehme, S. 69; Isoart, S. 25, 26. 80 Fitzmaurice, Future, S. 229, spricht von Ziff. I 4 der Resolution als "anodyne, highly deficient and ambigous injunction, that takes back with one hand almost all it purports to give with the other". Schwarzenberger, Principles, S. 32, wertet die Resolution als "amusing in its self-contradictions and if it puts anything on record, it is the alienable character of sovereignty". Kritisch zur Unklarheit und Doppeldeutigkeit der Formulierungen auch Schachter, S. 182; Fischer, S . 519, 527; Falk, New States, S. 29. 81 Zu Entstehungsgeschichte und Wortlaut dieser Entschließung s. YUN 20 (1966) s. 329 - 334. 82 Vgl. GAOR, 21st Session, Del Gallardo Moreno (Mexiko), A/PV 1478, S . 2; Del. Ortiz Sanz (Bolivien), A/PV 1478, S. 4. Vgl. dazu auch Colloque Resolutions, S. 63.

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

ihren natürlichen Ressourcen83• Unter Berufung auf die Gleichheit der Rechte der Völker8~ wird nunmehr ein Mitbestimmungsrecht in bezug auf Verarbeitung und Vermarktung ihrer natürlichen Ressourcen beansprucht. Neben die Bekräftigung der Souveränität über Ressourcen als unveräußerlichem Recht aller Völker und der Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts für Art und Ausmaß der Nutzung der Hilfsquellen85 stellt die Entschließung A/2158 die AussageSG, daß den Entwicklungsländern die Möglichkeit gegeben werden müsse, selbst zu wählen, auf welche Weise Abbau und Vermarktung ihrer Ressourcen durchgeführt werden sollen. Der in den bisherigen Stellungnahmen der Generalversammlung stillschweigend vorausgesetzten Annahme, daß Gewinnung, Verarbeitung und Verkauf der Rohstoffe der Entwicklungsländer in der Hand ausländischer Unternehmen konzentriert sind, wird nunmehr die Überlegung entgegengestellt, daß die Entwicklungsziele der Rohstoffländer besser erreicht werden können, wenn diese im Hinblick auf die wirtschaftliche Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen eine echte Wahlmöglichkeit {"freedom of choice") haben. Entsprechend restriktiv ist die Stellungnahme zu der Behandlung ausländischen Kapitals87• Zwar betonen die Sponsoren des Resolutionsentwurfs, ausländisches Kapital werde benötigt und sei weiterhin willkommen. Der äußerst konditionierten FassungS8 des Präambelabschnitts 7 läßt sich aber das deutliche Bestreben entnehmen, seine Rolle auf eine subsidiäre, von den Entwicklungsländern in jeder Phase kontrollierbare Ergänzung ihrer eigenen Anstrengungen zu beschränken89 • Das primäre Ziel der Entwicklungsländer- eigene Verarbeitung und Vermarktung ihrer Rohstoffe- wird auch an den Aussagen der Ziffern I 6 und I 7 der Resolution deutlich. Ausländische Unternehmen sollen, wenn sie natürliche Ressourcen der Entwicklungsländer abbauen, in allen Bereichen für eine beschleunigte Ausbildung einheimischer Arss GAOR, 21st Session, Del. Wilmot (Ghana), A/C.2/SR 1051, S . 180; Del. Sidash (Weißrussische Sowjetrepublik), A/C.2/SR 1051, S.179; Del. Endrefty (Ungarn), A/C.2/SR 1052, S. 183; Del. Mwinga (Sambia), A/C.2/SR 1053, S. 192, 193. 84 GAOR, 21st Session, Del. Wilmot (Ghana), A/C.2/SR 1051, S . 181; Del. Badawi (Vereinigte Arabische Republik), A/C.2/SR 1050, S . 173; Del. Sidash (Weißrussische Sowjetrepublik), A/C.2/SR 1051, S . 179. ss Vgl. Ziff. I 1 und Ziff. I 4 der Resolution A/2158. 86 Vgl. Präambelabschn. 6 und Ziff. I 3 dieser Resolution. 87 Präambelabschn. 7 und Ziff. I 5, I 6, I 7 der Resolution A/2158. ss Ergänzungsantrag der Weißrussischen Sowjetrepublik: vgl. Bericht des 2. Ausschusses, A/6518, GAOR, 21st Session, Annexes, vol. II - III, Agenda Item 45, S. 3, 4. Mit den aufgestellten engen Voraussetzungen sollte der häufig kritisierten Entwicklung entgegengewirkt werden, daß ausländische Investitionen nicht ein integriertes Wachstum der nationalen Volkswirtschaften förderten, sondern "constituted in fact tiny economic enclaves ... virtually isolated from the structure of the native economy" : so Mughraby, S. 12. 89 Vgl. dazu den o. a. Bericht des 2. Ausschusses der 21. GV, S. 3, 4.

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

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beitskräfte sorgen90• Die Industrieländer sollen den Entwicklungsländern weiter auf deren Wunsch technische Hilfe für den Abbau und Absatz ihrer Ressourcen verfügbar machen, um ihre wirtschaftliche Entwicklung zu beschleunigen, und das Bestreben der Entwicklungsländer anerkennen "to secure and increase their share in the administration of enterprises which are fully or partly operated by foreign capital and to have a greater share in the profits derived therefrom" 91 sowie sich jeder Behinderung in der Ausübung dieses Rechts zu enthalten92. Zwar ist die zusätzliche Qualifikation, daß die Aufteilung "on an equitable basis" erfolgen solle93 , auf eine angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Seiten gezielt. Die Unbestimmtheit dieser Formulierung ist aber, ebenso wie die weitere Bezugnahme auf Entwicklungserfordernisse einerseits und eine wechselseitig annehmbare Vertragspraxis andererseits als Kriterium für eine sachgerechte Abwägung der beiderseitigen Interessen weitgehend unbrauchbar. In Ziff. I 8 der Resolution ist schließlich erstmalig eine Ermutigung zum Zusammenschluß der Entwicklungsländer mit dem Ziel einer Förderung von Entwicklung und Absatz ihrer Ressourcen ausgesprochen. Eine Bezugnahme auf völkerrechtliche Verpflichtungen ist in der Entschließung nicht mehr enthalten. Die Belange ausländischer Kapitalgeber werden lediglich mit der Formulierung "equitable basis" und "mutually agreed practices" angesprochen. Im Hinblick darauf wurde insbesondere von den USA und Großbritannien geltend gemacht, daß die Stellungnahme der Generalversammlung inadäquat sei und unvermeidlich nachteilige Wirkungen auf die Investitionsbereitschaft in Entwicklungsländern haben müsse94 • Gleichwohl wurde die Entschließung, obwohl ihre Fassung bis zur Schlußphase in hohem Maße umstritten wartJS, von der Generalversammlung ohne Gegenstimmen angenommen". 9o Als adaequaten Ausgleich für die aus den Ressourcen der Entwicklungsländer gezogenen Vorteile qualifiziert Del. Badawi (Vereinigte Arabische Republik), GAOR, 21st Session, A/C.2/SR 1050, S. 173 diese Bestimmung. 91 Vgl. Ziff. I 5 der Resolution A/2158. 92 Die USA nahmen diese Bestimmung zum Anlaß, zu Protokoll zu geben, daß das Recht der Staaten, in geeigneten Fällen diplomatischen Schutz zu gewähren, durch diese Aussage nicht beeinträchtigt werden könne: vgl. Del. Roosevelt (USA), GAOR, 21st Session, A/PV 1478, S. 3. 93 Dieser Ergänzungsvorschlag der USA wurde später von den Sponsoren der Resolution übernommen: vgl. den o. a. Bericht des 2. Ausschusses der 21. GV, S. 2, para. 6 und S. 4, para. 16. 94 GAOR, 21st Session, Del. Roosevelt (USA}, A/PV 1478, S. 3; Del. Sir E. Warner (Großbritannien}, A/C.2/SR 1057, S. 208 und A/PV 1478, S. 7. Ähnlich: Del. de Grauw (Belgien}, A/C.2/SR 1057, S. 207. us Bei den Vertretern der übrigen Industrieländer dominiert, abweichend von den Stellungnahmen der USA und Großbritanniens, überwiegend die Befriedigung darüber, durch Abänderungs- und Ergänzungsanträge doch noch

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

vm. Res. A/2386 (XXID). 1968 Der in Resolution 2158 vorgesehene Bericht des Generalsekretärs97 über die Verwirklichung der aufgestellten Leitlinien läßt das Thema der Souveränität über natürliche Ressourcen auch auf der Tagesordnung der XXIII. Generalversammlung erscheinen. Ihre Entschließung - Resolution A/2386 (XXIII) vom 19. 11. 1968 98 - enthält aber keine sachlichen Aussagen, sondern beschränkt sich auf die Bekräftigung früherer Empfehlungen der Generalversammlung sowie die Vorbereitung einer Beschlußfassung der XXV. Generalversammlung99• IX. Res. A/2692 (XXV). 1970

Auch die Resolution A/2692 (XXV) vom 11. Dezember 1970100 spiegelt das Bestreben der Entwicklungsländer nach vollerH11 und effektiver Kontrolle über die Ausbeutung ihrer Ressourcen. Neben die Bekräftigung früherer Aussagen der Generalversammlung102 tritt als kennzeichnendes Merkmal dieser Resolution ein Bestreben, den Entwicklungsländern institutionelle Hilfestellung bei der Ausübung ihrer souveränen Rechte zu geben103• Die zeitliche Koinzidenz mit dem Beeine Abschwächung der ursprünglichen Fassung erreicht zu haben: vgl. GAOR, 21st Session, Del. Hogendorp (Niederlande), A/PV 1478, S. 2; Del. MacDonald (Kanada), A/PV 1478, S. 6; Del. Ingram (Australien), A /PV 1478, S. 7 und Del. Deleau (Frankreich), A/PV 1478, S. 7. 96 Ergebnis der nicht-namentlichen Abstimmung: 104:0: 6 Stimmen: vgl. GAOR, 21st Session, A/PV 1478, S. 9. 97 Vgl. den entsprechend Ziff. II c der Res. A /2158 erstellten Bericht in UN-Doc. A/7268 vom 11. 10. 1968, GAOR, 23rd Session, Annexes, vol. I- II, Agenda Item 39. 98 Zum Text s. YUN 22 (1968) S. 436. 99 Vgl. Ziff. 1 und 2 der Resolution A/2386. 1oo Zum Texts. YUN 24 (1970), S. 457, 458. 101 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang eine um die Fassung des Präambelabschn. 7 geführte Diskussion: Ein Antrag der UdSSR, die in dieser Bestimmung im Interesse einer optimalen Nutzung der Ressourcen anerkannte "necessity for all countries to exercise fully their rights ... " an die Einschränkung "in accordance with international law" zu binden, wurde im 2. Ausschuß der GV auch von den Sponsoren des ursprünglichen Entwurfs zunächst angenommen, in der Vollversammlung aber mit der Begründung wieder abgelehnt, daß es nach Ansicht der Entwicklungsländer ein Fehler sei, sich bei dem Bemühen um eine Stärkung der Souveränität über Ressourcen auf Grundsätze des Völkerrechts zu beziehen: vgl. Bericht des 2. Ausschusses A/8221, GAOR, 25th Session, Annexes, vol. I - 11, Agenda Item 45, S. 2, para. 14, S. 3, para. 15 und Del. Cubillos (Chile), GAOR, 25th Session, A/PV 1926, S. 1 sowie Wiedergabe des Abstimmungsergebnisses in der GV (65 : 23 : 18 Stimmen) in GAOR, 25th Session, A/PV 1926, S. 2. 1o2 Vgl. Präambelabschn. 1 sowie Ziff. 2 und 4 der Res. A/2692. 10a Vgl. Ziff. 5 bis 8 der Resolution A/2692. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Arbeit des durch ECOSOC-Res. 1535 (XLIX) vom 27. 7. 1970 (YUN 24 [1970], S . 459 f.) errichteten "Committee on Natural Resources", das in unmittelbarer organisatorischer Zuordnung zum ECOSOC technische Hilfe bei der Exploration und Nutzung der natürlichen Ressourcen der Entwicklungsländer leisten soll: vgl. Berichte über seine vier ersten

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

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schluß über die 2. Entwicklungsdekade der Vereinten Nationen104 wird zum Anlaß genommen, unter Berufung auf die einschlägigen Vorschriften der Strategie105 die besondere Bedeutung der natürlichen Ressourcen für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung hervorzuheben. Die Frage der Gewährleistung der Interessen der Kapitalexportländer ist in der Resolution nicht angesprochen. Lediglich Ziff. 6 enthält im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Kontrolle des Kapitalabflusses eine allerdings eher referierende als imperative Bezugnahme auf ihre Vereinbarkeit nicht nur mit der Ausübung der Souveränität der Entwicklungsländer, sondern auch mit den Erfordernissen internationaler Zusammenarbeit. Die gegensätzlichen und nicht zwangsläufig mit der Zugehörigkeit zu Industrie- oder Entwicklungsländern korrespondierenden Standpunkte werden zutreffend mit der Feststellung erfaßt106, von einer einheitlichen Konzeption der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen könne nicht gesprochen werden, wenn einerseits ein Teil der Entwicklungsländer ausländisches Kapital begrüße107, andere dagegen darin eine Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit sähen108• Die Folgerung109, daß das Problem daher zu einer Behandlung noch nicht reif sei, wurde von der Generalversammlung nicht geteilt. Mit 100: 6:3 Stimmen110 fand die Resolution A/2692 in nicht-namentlicher Abstimmung eine beeindruckende Mehrheit. X. Res. A/3016 (XXVD). 1972

In Resolution 3016 (XXVII) vom 18. 12. 1972111 verzichtet die Generalversammlung erstmalig auf die in früheren Resolutionen112 regelmäßig Sitzungen in UN-Doc. E/4969 (ECOSOC, Off. Records, 50th Session, Suppl. No. 7), E/5097 (ECOSOC, Off. Records, 52nd Session, Suppl. No. 5), E/5247 (ECOSOC, Off. Records, 54th Session, Suppl. No. 4), E/5663 (ECOSOC, Off. Records, 59th Session, Suppl. No. 3). 104 Res. A/2626 (XXV) vom 24. 10. 1970, wiedergegeben in YUN 24 (1970), s. 319 ff. 1os Vgl. Präambelabschn. 2, 5, 6 und Ziff. 3 der Resolution A/2692. 1oe Del. Viaud (Frankreich), GAOR, 25th Session, A/PV 1926, S . 3. to7 Beispielhaft zu nennen in den Beratungen der 25. GV sind Del. Brillantes (Philippinen), A/C.2/SR 1356, S. 367; Del. Hamid (Sudan), A/C.2/SR 1356, S. 367; Del. Castillero (Panama), A/C.2/SR 1355, S. 361, 362. 1os So Del. Adre (Dahome), GAOR, 25th Session, A/C.2/SR 1356, S. 368 und in allgemeinem Kontext Del. Arias Schreiber (Peru), GAOR, 25th Session, A/PV 1926, S. 2 mit dem Anspruch, daß für natürliche Ressourcen ausschließlich die Gesetze des Staates, nicht aber das Völkerrecht maßgebend sein dürften, weil anderenfalls von einer Souveränität des Staates über seine Hilfsquellen nicht gesprochen werden könne. 109 Dei. Viaud (Frankreich), GAOR, 25th Session, A/PV 1926, S . 3. 11o Vgl. GAOR, 25th Session, A /PV 1926, S. 2. 111 Zum Text der Entschließung s. YUN 26 (1972), S. 352. 112 Vgl. Res. A/2692, Ziff. 2; Res. A/2158, Ziff. I 1; Res. A/1803, Ziff. I 1.

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

enthaltene Feststellung, daß die Souveränität über Ressourcen im Interesse der nationalen Entwicklung und des Wohls des betroffenen Volkes auszuüben sei. In den operativen Aussagen der Resolution113 fällt die Bedeutung auf, die einer Sicherung der permanenten Souveränität über Ressourcen gegenüber möglichen äußeren Einwirkungen zugemessen wird114• Anknüpfungspunkt dafür ist die Deklaration der Generalversammlung zu den Prinzipien des Völkerrechts über die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit der Staaten115• Die dort niedergelegte Maxime "that no State may use or encourage the use of economic, political or any other type of measures to coerce another State in order to obtain from it the Subordination of the exercise of its sovereign rights and to secure from it advantages of any kind" 118 wird in Ziff. 3 der Entschließung A/3016 auf den Bereich der souveränen Rechte über natürliche Ressourcen übertragen, in deren Nutzung frei von jedem direkten oder indirekten Druck oder Zwang von den Entwicklungsländern in besonderem Maße die Bedeutung der Konzeption der permanenten Souveränität über ihre natürlichen Reichtümer gesehen wird117• Daneben wird die Wichtigkeit dieses Teilbereichs erneut betont118 und in den globalen Kontext der allgemeinen Entwicklung in den Vereinten Nationen einbezogen119• XI. Res. A/3171 (XXVID). 1973

Die Entschließung A/3171 (XXVIII) vom 17. 12. 1973120, die letzte Stellungnahme der Generalversammlung zum Thema der permanenten 11a Mit 102 : 0 : 22 Enthaltungen wurde die Res. A/3016 von der GV angenommen: vgl. GAOR, 27th Session, A/PV 2113, S. 14, para. 138. 114 Vgl. Ziff. 2, 3 der Resolution A/3016. m Res. A/2625 (XXV) vom 24. 10. 1970 (YUN 24 [1970], S. 788- 792). Zu den erfolglosen Bestrebungen, auch in dieser Prinzipienerklärung ein Recht zu permanenter Souveränität über natürliche Ressourcen zu verankern vgl. Dohna, S. 174 ff. 116 Vgl. Ziff. 2 der Resolution A/3016. 117 Vgl. statt aller: Del. Rivero (Peru), GAOR, 27th Session, A/C.2/SR 1507, S. 501, para. 23 ff. Ein Antrag der USA, das Verbot von Zwang in Ziff. 3 der Res. auf Handlungen "contrary to international law" zu beschränken - vgl. Del. Zagorin (USA), GAOR, 27th Session, A/C.2/SR 1508, S. 504, para. 15 wurde vom 2. Ausschuß mit 56:17:23 Stimmen abgelehnt: vgl. GAOR, 27th Session, A/C.2/SR 1508, S. 507 und Bericht des 2. Ausschusses, GAOR, 27th Session, Annexes, Agenda Item 12, S. 10. 118 Vgl. Präambelabschn. 2 und 3, Ziff. 4, 5 und 6 der Resolution A/3016. 119 Vgl. die Referenzen auf die Beschlüsse der III. Welthandelskonferenz 1972 und die Umweltschutzkonferenz von Stockholm in Präambelabschnitt 4 und 5 der Resolution. Ein umfangreicher Teil der Beratungen war in Anbetracht der bevorstehenden Dritten Seerechtskonferenz der VN der Frage der maritimen Ressourcen gewidmet: vgl. den o. a. Bericht des 2. Ausschusses, S. 8, 9 und die Bezugnahme auf Prinzip XI der UNCTAD-Res. 46 (III) in Präambelabschn. 4. Dieser Komplex muß jedoch in diesem, auf die Aufzeigung der Entwicklung des generellen Prinzips beschränkten Rahmen außer Betracht bleiben.

A. Die Entwicklung bis zur 6. SGV

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Souveränität über Ressourcen vor Annahme der NIEO, ist gekennzeichnet von einem militanten Beharren der Entwicklungsländer auf "ihrer" Konzeption der Souveränität über Ressourcen121 • Eine volle und effektive Ausübung der Souveränität über Ressourcen erscheint als essentielle Voraussetzung der staatlichen Souveränität und als entscheidende Bedingung für die Verwirklichung der Zielsetzungen der 2. Entwicklungsdekade. Im Hinblick darauf wird gefordert, daß die von den Staaten im Interesse einer besseren Nutzung der Ressourcen vorgenommenen Maßnahmen "must cover all stages, from exploration to marketing"1U, Besondere Bedeutung wird dem Aufbau und der Verstärkung einer Zusammenarbeit der Entwicklungsländer untereinander für den Schutz ihrer Resourcen zugemessen123. Als Hauptzweck dieser "machinery of cooperation" stellt sich dar "to concert pricing policies, to improve conditions of access to markets, to co-ordinate production policies and, thus to guarantee the full exercise of sovereignty by developing countries over their natural resources" 124. Die Kernaussage der Resolution A/3171 ist jedoch die Bestimmung der Ziff. 3125, mit der die Generalversammlung, in dem erkennbaren Bestreben, maßgebliche Rechtsregeln niederzulegen, in mehrfacher Hinsicht von den in Res. A/1803 (XVII) enthaltenen Grundsätzen abweicht. Die Generalversammlung erhebt nunmehr den Anspruch, daß die Vornahme von Nationalisierungen, als Ausdruck der Souveränität der Staaten, beinhalte, daß jeder Staat das Recht habe, die Höhe einer möglichen Entschädigung und deren Zahlungsweise autonom festzusetzen und daß ferner entstehende Streitigkeiten nach den innerstaatlichen Vorschriften des enteignenden Staates beigelegt werden sollen. Nach dem Wortlaut der Ziff. 3 wird eine den privaten Interessen vorrangige causa als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Eigentumsentziehung nicht mehr gefordert. Bezug genommen ist lediglich auf den Schutz der natürlichen Ressourcen als- subjektive- Zielsetzung 12o Zum Text der Entschließung s. ILM XIII (1974), S. 238 ff. Vgl. Präambelabschn. 1 und Ziff. 1 sowie die Bezugnahme auf die Wirtschaftliche Erklärung von Algier in Präambelabschn. 7 und die Aussagen der Ziff. 2 und 4 der Res. A/3171. 122 Vgl. Präambelabschn. 2 und 6 der Resolution A/3171. 12s Vgl. Ziff. 7 der Resolution A/3171. 124 Gegen diese Formulierung der Ziff. 7 der Resolution A/3171 wurde vor allem die fehlende Berücksichtigung der durch diese Zusammenarbeit betroffenen legitimen Interessen anderer Staaten eingewandt: vgl. statt aller Dei. Rydbeck (Schweden), GAOR, 28th Session, A/PV 2203, S. 47 (mim.). 125 Ergänzungsantrag von Algerien, Irak und Syrien zu dem ursprünglichen Resolutionsentwurf (UN-Doc. A/C.2/L. 1334), vgl. GAOR, 28th Session, A/C.2/ SR 1576, S. 424, para. 51, von der GV in Einzelabstimmung mit 86 : 11 : 28 Stimmen angenommen: vgl. GAOR, 28th Session, A/PV 2203, S. 53-55 (mim.). 121

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

der Nationalisierung. Die verwandte Formulierung "in order to safeguard their natural resources" schließt zwar nicht aus, daß die getroffenen Maßnahmen im Einzelfall durch Interessen des Gemeinwohls geboten sein können. Sie ist aber so unbestimmt, daß sie die Subsumtion jeder aus politischen Gründen für wünschenswert gehaltenen Eigentumsübertragung auf den Staat als zum Schutz der natürlichen Ressourcen geboten erlaubt126. Eine Entschädigung erscheint ferner - abweichend von Ziff. I 4 der Res. A/1803 - nicht mehr als zwingendes und durch die Grundsätze des Völkerrechts gebotenes Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Enteignung. Daß in Abkehr von früheren Aussagen der Generalversammlung die Rechtmäßigkeit der Nationalisierungsmaßnahmen allein nach innerstaatlichem Recht des enteignenden Staates beurteilt werden soll, ergibt sich eindeutig auch aus Ziff. 3 Hs. 2 der Entschließung A/3171, der die "national legislation of each state carrying out such measures" zur allein maßgeblichen Rechtsgrundlage im Streitfall erklärt. Somit ist jeweils dem einzelnen Staat die Befugnis zuerkannt, in souveräner Entscheidungsgewalt festzulegen, ob, in welcher Höhe und in welcher Form eine Entschädigung gezahlt werden soll. Prozessual bringt die Formulierung der Ziff. 3 "that any disputes should be settled in accordance with the national legislation . .. " 127, auch wenn sie im Gegensatz zu der kategorischen Anweisung hinsichtlich der materiellen Rechtslage1218 als Sollvorschrift gefaßt ist, eindeutig das Bestreben der Entwicklungsländer zum Ausdruck, mit einer endgültigen Streitbeilegung im innerstaatlichen Bereich die Gewährung diplomatisch.e n Schutzes durch den Heimatstaat eines von Nationalisierungsmaßnahmen betroffenen Ausländers auszuschließen129. Im Zusammenhang mit dieser Aussage ist auch die weitere Bestimmung der Ziff. 6 zu sehen, die eine Verpflichtung der Staaten statuiert, sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Form von Zwang (coercion) gegen "the territorial integrity of any state and the exercise of its national jurisdiction" zu enthalten und die im Kontext der Resolution nicht anders gewertet werden kann als eine Gleich126 Von einzelnen Entwicklungsländern wurde in den Beratungen der 28. GV geltend gemacht, daß sich die Bekräftigung des Rechts zur Nationalisierung nicht gegen ausländische Investitionen als solche richte, es müsse jedoch durch staatliche Kontrolle gesichert werden, daß diese für beide Seiten vorteilhaft seien: vgl. Del. Al-Khudhairy (Irak), A/PV 2203, S. 22 (mim.); Del. Jaber (Jordanien), A/PV 2203, S. 68 (mim.); Del. Shemirani (Iran), A/PV 2203, S. 76 (mim.); Del. Garcia-Belaunde (Peru), A/C.2/SR 1576, S. 425. 127 Insoweit ebenfalls eine Abweichung von Ziff. I 4, S. 3 und 4 der Res. A/1803. 12s Vgl. die Formulierung von Ziff. 3 Hs.1 der Res. A/3171: " ... is entitled." 129 Vgl. Del. Garcla-Belaunde (Peru), GAOR, 28th Session, A/C.2/SR 1576, S. 425. Vgl. weiter Lillich, Diplomatie Protection, S. 361.

B. Die Erweiterung in der NIEO

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setzung der Ausübung diplomatischen Schutzes gegen Nationalisierungsmaßnahmen mit einer "form of coercion". Die "intemperate language" 130 des Entwurfs war dementsprechend der Ausgangspunkt für die Kritik der Industriestaaten, die insbesondere geltend machten, die Grundsätze des Völkerrechts müßten gewahrt bleiben13\ damit nicht die private Investitionstätigkeit und damit ein zentraler Pfeiler der Entwicklungspolitik vieler Staaten geschwächt werde132 , der Resolution in der Schlußabstimmung aber nur ein negatives Votum entgegensetzten133.

B. Die Erweiterung dieser Aussagen in der NIEO I. Res.A/3201 (S-VI).1974

In den Debatten der 6. Sondergeneralversammlung wird die Bedeutung der "permanent sovereignty" über die natürlichen Ressourcen für die angestrebte Umgestaltung der Weltwirtschaftsbeziehungen immer wieder hervorgehoben134• Dementsprechend ist eines der Prinzipien, auf die nach der Konzeption der Deklaration die neue wirtschaftliche Ordnung gegründet werden solP85, die "full permanent sovereignty of every state over its natural resources and all economic activities". Mit der Einbeziehung aller wirtschaftlichen Betätigungen geht die Deklaration einen bedeutsamen Schritt über die früheren Aussagen der Generalversammlung hinaus, in denen sich dieser nationale Souveränitätsanspruch nur auf "natural resources" 136 oder "natural wealth and resources" 137 erstreckt hatte und bezieht nunmehr aus130 Del. Mackenzie (Großbritannien), GAOR, 28th Session, A/PV 2203, S. 7 (mim.). 131 Demgegenüber wurde von Del. Fasla (Algerien), GAOR, 28th Session, A/PV 2203, S. 32 (mim.) unter Hinweis auf den "europäischen" Charakter des Völkerrechts die Existenz eines Völkerrechts der Weltgemeinschaft bestritten. 132 GAOR, 28th Session, Del. Hemans (Großbritannien), A/C.2/SR 1577, S. 428 f.; Del. Mackenzie (Großbritannien), A/PV 2203, S.ll (mim.); Del. Evans (USA), A/PV 2203, S. 43 (mim.); Del. Stiepel (Bundesrepublik Deutschland) A/C.2/SR 1578, S. 436; Del. Rydbeck (Schweden), A/PV 2203, S. 46 (mim.); ebenso Del. Aksoy (Türkei), A/PV 2203, S. 73 (mim.). 133 Die GV nahm die Res. A/3171 gegen die Stimme Großbritanniens mit 108: 1: 16 Stimmen an : vgl. GAOR, 28th Session, A/PV 2203, S. 56 (mim.). 134 Vgl. beispielhaft Präsident Boumediime, A/PV 2208, S. 4 ff.; Del. AlSabah (Kuwait), A/PV 2217, S. 12; Del. Chatti (Tunesien), A/PV 2210, S. 14; Del. Cissoko (Guinea), A/PV 2211, S. 4 ff.; Del. Usher (Elfenbeinküste), A/PV 2212, s. 9 ff. 135 Vgl. Ziff. 4 e der Deklaration. 136 So die Resolutionen A/523 (VI), A/2386 (XXIII), A/3016 (XXVII), A/3171 (XXVIII). 137 So die Resolutionen A/626 (VII), A/837 (IX), A/1314 (XIII), A/1720 (XVI), A/1803 (XVII), A/2158 (XXI). Die Abgrenzung zwischen diesen beiden ursprünglich verwandten Begriffen - zur Nomenklatur vgl. auch Kebschull, Rohstoffpolitik, S. 21, 23 - ist im Hinblick auf die ver folgte Konzeption

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

drücklieh auch die durch individuelle wirtschaftliche Tätigkeit geschaffenen Werte in den Anspruch auf absolute einzelstaatliche Souveränität ein138, obwohl operative Schlußfolgerungen daraus in den Entschließungen der 6. Sondergeneralversammlung zunächst nur für den engeren Bereich der natürlichen Ressourcen gezogen werden. Jedem Staat wird, "in order to safeguard these resources" 139 ein Recht zu einer effektiven Kontrolle über seine Ressourcen und ihre Ausbeutung zugesprochen durch Maßnahmen, die seiner Situation entsprechen und ausdrücklich das Recht zur Nationalisierung oder Übertragung des Eigentums auf seine eigenen Staatsangehörigen als Ausdruck seiner Souveränität einschließen. Festgelegt ist weiter1411, daß kein Staat durch wirtschaftliche, politische oder sonstige Zwangsmaßnahmen an der freien und ungehinderten Ausübung dieses unverzichtbaren Rechts141 gehindert werden darf. Neben dieser grundlegenden allgemeinen Aussage erkennt die Deklaration noch eine Reihe von Einzelbestimmungen in diesem Bereich als fundamentale Prinzipien der neuen Ordnung der Weltwirtschaftsbeziehungen an. So wird Staaten, Gebieten und Völkern unter fremder Besetzung, kolonialer Herrschaft oder Apartheid ein Recht auf Restitution und volle Entschädigung für die Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen zuerkannt und den Entwicklungsländern und den Völkern unter kolonialer und rassistischer Herrschaft und fremder Besetzung das Recht142, effektive Kontrolle über ihre natürlichen Ressourcen und wirtschaftlichen Betätigungen wiederzugewinnen143. absoluter staatlicher Souveränität über diesen Bereich ohne sachliche Bedeutung. Sie hat auch ersichtlich für die Entschließungen der GV keine Rolle gespielt. Der einzige Hinweis insoweit findet sich in den Beratungen der 7. GV: vgl. Del. Vaner (Türkei), GAOR, 7th Session, A/C.2/SR 236, S. 277. 138 Vgl. dazu Ipsen, S. 28, 74, 75. 139 Deklaration, Ziff.4 e, S. 2. Die Formulierung entspricht der Fassung der Ziff. 3 der Res. A/3171. 1411 Vgl. Deklaration, Ziff. 4 e, letzter Satz. 141 Trotz der Annahme der Res. 3201 (S-VI) im Konsensusverfahren - vgl. Einleitung - wurden von den westlichen Industriestaaten zu Ziff. 4 e substantielle Vorbehalte geltend gemacht mit dem wesentlichen Inhalt, daß die Souveränität über Ressourcen nur in den Grenzen des Völkerrechts ausgeübt werden könne und insbesondere die Vornahme von Enteignungsmaßnahmen zur Zahlung der völkerrechtlich geschuldeten Entschädigung verpflichte: vgl. GAOR, 6th Special Session, A/PV 2229, S. 7 ff. (USA) ; S. 9 ff. (Bundesrepublik Deutschland, zugleich im Namen der EG); S. 11 ff. (Kanada); S. 13 ff. (Belgien); S . 14 ff. (Frankreich); S. 16, 17 (Australien); A/PV 2230, S. 2, 3 (Italien) ; S. 3, 4 (Japan); S. 10 (Dänemark); A/PV 2231, S. 3 ff. (Großbritannien). 142 In diesem Zusammenhang sind auch die Entschließungen der Vollversammlung zu dem Komplex der ,permanenten Souveränität über Ressourcen in den besetzten arabischen Gebieten'- Res. A/3175 (XXVIII) vom 17. 12. 1973, ILM XIII (1974), S. 241 f., später bestätigt mit Res. A/33336 (XXIX) vom 17.12. 1974, GAOR, 29th Session, Suppl. No. 31, vol. I - zu nennen, ohne daß auf diese Detailfrage der Souveränität über Ressourcen im Rahmen dieser Darlegung näher eingegangen werden kann.

B. Die Erweiterung in der NIEO

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Ziff. 4 g der Deklaration enthält die Forderung nach einer Kontrolle der Tätigkeiten transnationaler Gesellschaften, durch die sichergestellt werden soll, daß diese Unternehmen, an deren Wirken sich die besondere Kritik der Entwicklungsländer entzündet144, ihre Aktivitäten auf der Basis von Achtung für die Souveränität der Gaststaaten und im Einklang mit den Interessen der nationalen Volkswirtschaften verfolgen. II. Res. A/3202 (S-VI). 1974

Die Aussagen des Aktionsprogramms zum Bereich der permanenten Souveränität über Ressourcen beschränken sich, der politischen Zielsetzung dieser Entschließung entsprechend, auf den Aufruf zum Schutz dieses unveräußerlichen Rechts der Entwicklungsländer145 und die Aufforderung, den Entwicklungsländern bei dem Betrieb verstaatlichter Produktionsmittel auf ihr Verlangen Unterstützung zu gewähren146. ßl. Res. A/3281 (XXIX).1974

Die Aussagen der Charta zur wirtschaftlichen Souveränität der Staaten sind umfassend und mit dem Anspruch auf rechtliche Verbindlichkeit147 in Art. 2 des Kap. II niedergelegt. Die Fassung dieses Artikels war in der von der 3. Welthandelskonferenz für die Erarbeitung der Charta eingesetzten Arbeitsgruppe148 wegen der sachlichen Gegensätze in den Auffassungen der Entwicklungsländer und Industrieländer äußerst kontrovers geblieben. Der abschließenden Sitzung der Arbeitsgruppe149 lagen nicht weniger als vier verschiedene Texte des 143 Vgl. Ziff. 4 f und h der Deklaration. 144 Vgl. Memoire, S. 43; GAOR, 6th Special Session, Del. Minic (Jugoslawien), A/PV 2210, S. 3 ff.; Dei. Cissoko (Guinea), A/PV 2211, S. 4; Del. Arikpo (Nigeria), A/PV 2215, S. 19; Dei. Motee'a (Jemen), A/PV 2218, S. 4. Auf die besondere, sich auch in Ziff. 2 b des Art. 2 der Charta- Verbot einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes - widerspiegelnde Zielrichtung der Kritik an den transnationalen Gesellschaften, die mit ihrer in besonderem Maße als souveränitätsunverträglich empfundenen Organisationsform und den negativen Erfahrungen der Vergangenheit begründet wurde, soll jedoch im Rahmen dieser Arbeit ebensowenig eingegangen werden, wie auf den von den USA geltend gemachten Vorbehalt einer Verpflichtung zur nicht-diskriminierenden Ausübung der auch von ihnen bejahten Kontrolle: vgl. Del. Scali (USA), GAOR, 6th Special Session, A/PV 2229, S. 8. 145 Vgl. Abschn. VII, Ziff. 1 b und Abschn. VIII, Buchst. a der Resolution A/3202 (S-VI). 146 Vgl. Abschn. VIII, Buchst. b der Resolution A/3202 (S-VI). 147 Vgl. GAOR, 29th Session, Bericht des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, Castaiieda (Mexiko), A/C.2/SR 1638, S. 384; Del. Kande (Senegal), A/C.2/SR 1650, S. 453; Del. Sadek (Ägypten), A/C.2/SR 1651, S. 456; Del. Rabasa (Mexiko), A/PV 2315, S. 16 (mim.); Dei. Al-Khudhairy (Irak), A/PV 2316, S. 22 (mim.). 148 Vgl. Einleitung. 149 Diese - 4. - Sitzung der Gruppe fand vom 10. bis 28. 6. 1974 in Mexiko statt: vgl. Bericht in UNCTAD-Doc. TD/B/AC. 12/4.

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

Art. 2 vor150, ohne daß zwischen der auf freie Verfügung über natürliche Ressourcen abzielenden Konzeption der Entwicklungsländer und der Auffassung der Industrieländer, daß dieses Recht nur in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts ausgeübt werden könne, eine Einigung erzielt worden wäre151 • Die mit der Stimmenmehrheit der Entwicklungsländer schließlich angenommene Fassung des Art. 2 der Charta152 erkennt in Ziff. 1 jedem Staat den Besitz und die ungehinderte Ausübung voller und dauernder Souveränität über die gesamten natürlichen Reichtümer, Ressourcen und wirtschaftlichen Betätigungen in seinem Territorium153 zu, "including possession, use and disposal". Die daraus abgeleiteten Befugnisse des Staates im Hinblick auf ausländische Unternehmen sind in Ziff. 2 des Art. 2 im einzelnen niedergelegt. Danach hat jeder Staat das Recht - Ziff. 2 a - ausländische Investitionen154 in seinem Hoheitsbereich nach Maßgabe seiner Gesetze und sonstigen Vorschriften und entsprechend seinen nationalen Zielen und Prioritäten zu regeln und staatliche Gewalt über sie auszu150 Vgl. UNCTAD-Doc. TD/B/AC.12/4, S. 7 bis 10: Alternative 1: Vorschlag der Gruppe der 77; Alternative 2: ein Vermittlungsvorschlag des philippinischen Delegierten Brillantes in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der zuständigen Verhandlungsuntergruppe; Alternative 3: ein Kompromißvorschlag Kanadas und Australiens; Alternative 4: der Vorschlag der westlichen Industrieländer, entsprechend der allgemeinen UNCTAD-Terminologie als BGruppenvorschlag gekennzeichnet. 151 Vgl. Bericht des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, Castafieda (Mexiko) im 2. Ausschuß der 29. GV: A/C.2/SR 1638, S. 383, 384. 152 Art. 2 des von der Gruppe der 77 eingebrachten Entwurfs der Charta (UN-Doc. A/C.2/L. 1386), dem der von der GV angenommene Text bis auf geringe, eher redaktionelle Änderungen entspricht, ist zwar gegenüber der der Arbeitsgruppe vorliegenden Fassung der Alternative 1 sprachlich abgemildert, erwies sich aber für die Mehrheit der westlichen Industriestaaten weiterhin als unannehmbar. Ein auf eine Neufassung des Art. 2 abzielender Antrag von 15 westlichen Staaten, u. a. USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Japan, Bundesrepublik (UN-Doc. A/C.2/L. 1404), wurde von der Gruppe der 77 abgelehnt (vgl. Bericht des 2. Ausschusses der 29. GV, UN-Doc. A/9946, S. 22) und die von den Entwicklungsländern eingebrachte Fassung vom 2. Ausschuß der GV in einer Einzelabstimmung über die einzelnen Absätze des Art. 2 mit folgendem Ergebnis angenommen: para 1 119 : 9 : 3 Stimmen, para 2 a 113 : 10 : 4 Stimmen, para 2 b 119 : 4 : 6 Stimmen, para 2 c 104 : 16 : 6 Stimmen (vgl. Bericht des 2. Ausschusses, UN-Doc. A/9946, S. 24). Der mit 120: 6: 10 Stimmen erfolgten Annahme der Charta in der Vollversammlung war keine gesonderte Abstimmung über Art. 2 vorausgegangen: vgl. A/PV 2315, S. 44 (mim.). 153 Vgl. zur sachlichen Reichweite dieser Bestimmung Del. Hays (Kanada), A/PV 2315, S. 56 (mim.), Del. Al-Khudhairy (Irak), A/PV 2316, S. 23 (mim.) und Ipsen, S . 74, 75. 154 Mit besonderem Nachdruck wird in Ziff. 2 b ein Recht zur Kontrolle transnationaler Gesellschaften erhoben. Dieser komplexe Teilbereich der Regelungsbefugnis über ausländische Gesellschaften muß jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit, wie bereits dargelegt, ausgeklammert bleiben.

B. Die Erweiterung in der NIEO

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üben. Kein Staat darf weiter genötigt werden11iö, ausländischen Investoren eine Vorzugsbehandlung zu gewähren. Diese Regelungsbefugnis beinhaltet auch ein unbedingtes Recht des Staates "to nationalize, expropriate or transfer ownership of foreign property" 156• Für die Vornahme von Enteignungsmaßnahmen ist weder eine besondere causa157 Voraussetzung noch die Zahlung einer Entschädigung zwingend geschuldet158• Die Angemessenheit der Entschädigung - die Charta verwendet die auch in Resolution A/1803 niedergelegte Formulierung "appropriate"- soll unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechts- und sonstigen Vorschriften des enteignenden Staates und aller Umstände bestimmt werden, die dieser für wesentlich hält. Daß diese weite Formulierung auch die Möglichkeit eröffnen sollte, unter Hinweis auf unangemessene Gewinne des ausländischen Investors in der Vergangenheit die Zahlung jeder Entschädigung als ungerechtfertigt zu verweigern, wurde in den Debatten der 29. Generalversammlung ausdrücklich hervorgehoben159 • Streitigkeiten über die Frage der Entschädigung sind nach der Konzeption der Charta160, wenn nicht beiderseits frei und einvernehmlich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist, nach dem innerstaatlichen Recht des enteignenden Staates und von seinen Gerichten beizulegen. Abweichend von Resolution A/3171, die ihre Unterstützung für diese Bestrebungen der Entwicklungsländer noch in die empfehlende Sollform gekleidet hatte161, wird mit der eindeutigen Anweisung der Charta: "shall be settled" der Anspruch einer ausschließlichen und endgültigen Streitbeilegung durch die innerstaatlichen Gerichte unter Ausschluß diplomatischer Schutzgewährung durch den Heimatstaat des betroffenen Ausländers erhoben. Damit hat sich gegenüber früheren, abgewogeneren Aussagen der Generalversammlung in der Charta als ihrer bisher letzten Stellungnahme zu dem Bereich der "economic sovereignty" eindeutig und umfassend der absolute Souveränitätsbegriff der Entwicklungsländer162 155 Vgl. die Formulierung "shall be compelled" in S. 2 der Ziff. 2 a des Art. 2 der Charta. 156 Vgl. Ziff. 2 c, S. 1 des Art. 2 der Charta. 157 Die Charta nimmt auch die Qualifikation " ... in order to safeguard these resources . .. ", zu der sich noch Ziff. 4 e der Deklaration und Ziff. 3 der Res. A/3171 bekannt hatten, nicht mehr auf. 158 Vgl. die als Sollvorschrift gefaßte Formulierung: "in which case appropriate compensation shouLd be paid ..." (Hervorhebung zugefügt). 159 Vgl. Del. Martlnez (Kuba), GAOR, 29th Session, A/C.2/SR 1648, S. 448. 160 Vgl. Ziff. 2 c, S. 2 des Art. 2 der Charta. 161 Vgl. Ziff. 3 der Res. A/3171 und die dortigen Darlegungen über die Abweichung von den in Res. A/1803 niedergelegten Grundsätzen. 162 Zu verweisen ist aber auch darauf, daß von einzelnen Kapitalimportländern im Anschluß an die Annahme der Charta ausdrücklich betont wurde,

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I. 1. Abschn.: Die Aussagen der GV zur wirtschaftlichen Souveränität

durchgesetzt, der zutreffend charakterisiert worden ist als: " ... thus the concept of sovereignty over natural resources as conceived of by the capital importing States was in the nature of Austins's sovereignty, absolute and unqualified by any limitations of international responsibility163." In deutlichem Gegensatz zu diesem, den Vorrang der staatlichen Souveränität betonenden Inhalt des Art. 2 der Charta steht der Inhalt ihres Art. 3. Hintergrund der hier in allgemeiner Form statuierten Verpflichtung der Staaten zur Kooperation ist, wie sich aus dem Inhalt der Debatten ergibt164 , ein brasilianisch-argentinischer Wasserstreit. Auf diesen Sonderbereich der "exploitation of natural resources shared by two or more countries" 165 soll aber im Rahmen dieser allgemeinen Untersuchung nicht näher eingegangen werden166. Als weitere Aussagen der Charta zum Gesamtbereich der Souveränität über Ressourcen sind die Artt. 7 und 32 zu nennen. Während Art. 7 ein Recht und eine Verantwortlichkeit jedes Staates statuiert, seine Ressourcen in vollem Umfang für die Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung seines Volkes einzusetzen167, bekräftigt die Charta mit der Aufnahme von Art. 32 in die Schlußbestimmungen ein allgemeines Verbot, wirtschaftliche, politische oder andere Zwangsmittel einzusetzen, um von einem Staat Unterordnung in der Ausübung seiner souveränen Rechte zu erlangen168, wie dieses auch bereits in früheren Aussagen der Generalversammlung die Forderung nach ungehinderter Ausübung der Souveränität über Ressourcen begleitet und ergänzt hatte. daß ihre Zustimmung zur Charta ihre weiterhin verfolgte nationale Politik der Gewährleistung eines sicheren Investitionsklimas nicht beeinträchtige: vgl. GAOR, 29th Session, Del. Kasemsri (Thailand), A/PV 2315, S. 47 (mim.); Del. Awang (Malaysia), A/PV 2316, S. 6 (mim.). 163 Banerjee, S. 516. 164 Vgl. GAOR, 29th Session, Del. Ortlz de Rozas (Argentinien), A/PV 2315, S. 78 (mim.); Del. Valdes Hertzog (Bolivien), A/PV 2315, S. 17 (mim.); Del. Frazao (Brasilien), A/PV 2315, S. 34 (mim.). 165 Vgl. die Fassung des Art. 3 der Charta. 166 Kritik an der Fassung des Art. 3 wurde vor allem mit der Begründung geäußert, daß die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit nicht der Souveränität der Staaten über ihr Territorium vorgehen könne: vgl. statt aller GAOR, 29th Session, Del. Worku (Äthiopien), A/C.2/SR 1640, S. 397, 398 und Del. Mansoor (Afghanistan), A/C.2/SR 1640, S. 399, 400. 167 Damit nimmt die Charta, gegen anfängliche Einwände, daß eine Bindung der Souveränität über Ressourcen an das Interesse der nationalen Entwicklung eine souveränitätsunverträgliche Einengung darstelle - vgl. die Einw(inde des syrischen Vertreters in der Arbeitsgruppe der Charta, UNCTAD-Doc. TD/B/AC.12/1, S.18 - frühere, seit Res. A/3016 aber nicht mehr erwähnte Aussagen über den zweckentsprechenden Einsatz der Souveränität über Ressourcen wieder auf. 168 Art. 32 wurde in der Einzelabstimmung des 2. Ausschusses ohne Gegenstimmen mit 199:11 Enthaltungen angenommen: vgl. GAOR, 29th Session, Bericht des 2. Ausschusses, UN-Doc. A/9946, S. 25.

2. Abschnitt

Der Anspruch nach permanenter Souveränität über den Wirtschaftshereich als Teilaspekt der angestrebten neuen Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen A. Die Konzeption der NIEO im Vergleich zu den Grundannahmen der Charta von San Francisco Die Forderungen der 6. Sondergeneralversammlung nach einer neuen Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen legen die Frage nahe, nach welchen Prinzipien sich bisher die wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit der Staaten in weltweitem Rahmen vollzogen hat. Die Bedeutung dieses Wandels innerhalb der Weltorganisation wird am ehesten erkennbar, wenn die Konzeption der NIEO mit den Vorstellungen verglichen wird, die für die Ausgestaltung, die die wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit der Staaten in der Charta der Vereinten Nationen gefunden hat, maßgebend gewesen sind. I. Die Zielvorstellungen der Charta der Vereinten Nationen

Die Neuordnung der internationalen Beziehungen bei Ende des Zweiten Weltkrieges durch die Charta der Vereinten Nationen hat die wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit der Staaten ausdrücklich in Zielsetzung und Aufgabenstellung der neuen Weltorganisation einbezogen1. Bestimmend für das Gewicht, das die UN-Charta der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Staaten beimißt2 , ist das die Neuordnung der Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmende Ziel der Sicherung des Friedens und der Aufstellung von wirksamen Regeln der internationalen Kooperation als "prerequisite" dieses Friedens3• Ähnlich wie die auf die Erhaltung des Friedens abzielenden Bestimmungen des Kap. VII der UN-Charta vor dem Hintergrund der Erfahrungzweier Weltkriege innerhalb einer Generation zu sehen sind, stellen die auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit der 1 Vgl. Präambelabschn. 4 und 8 und die Bestimmung des Art. 1 Ziff. 3 sowie Kapitel IX und X der UN-Charta. 2 Den weitgehenden Fortschritt der Bestimmungen der UN-Charta gegenüber der Satzung des Völkerbundes unterstreichen Goodrich I Hambro, S. 40; Twitchett, S. 14; Jenks, Charter, S. 104. 3 Vgl. die Fassung des Art. 55 der UN-Charta und Bentwich I Martin, S. 8, 116; Twitchett, S. 14; Ross, S. 174; Stödter, S. 79.

4 Kernper

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I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

Mitgliedstaaten gerichteten Bestimmungen der Kap. IX und X der UN-Charta eine Reaktion auf das traumatische Erlebnis der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre dar4. Vor diesem Hintergrund muß der Versuch gesehen werden, durch eine Konzeption des Freihandels, durch eine gemeinsame Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten zur Verfolgung einer liberalen Handelspolitik wirtschaftliche Rezessionen in Zukunft zu vermeiden und Vollbeschäftigung und Wohlstand für alle Nationen zu sichern und damit einen Rückfall in eine Politik des wirtschaftlichen Nationalismus und ökonomischen Isolationismus zu verhindern, wie sie die Wirtschaftsbeziehungen der Staaten zwischen den beiden Weltkriegen geprägt und schließlich zum Zusammenbruch sowohl der Wirtschaftsordnung wie der Friedensordnung geführt hatte''i. Das wirtschaftliche System der Vereinten Nationen, wie es sich nach der Charta von San Francisco darstellt, geht von der Vorstellung aus, daß es möglich sei, wirtschaftliche Interessenkonflikte auf der Basis eines allgemeinen Interesses an der Optimierung des Güteraustausches und der Maximierung des Weltsozialproduktes beizulegen6 • Es unterscheidet sich von dem klassischen Freihandelskonzept des 19. Jahrhunderts7 aber dadurch, daß an die Stelle der Forderung eines Rückzuges des Staates vom Bereich der Wirtschaft das Verlangen nach Beteiligung des Staates bei der Herstellung eines freieren Wirtschaftsaustausches getreten ist8 , motiviert durch die Erkenntnis, daß dieser Bereich nach den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise nicht mehr dem Belieben der Nationalstaaten überlassen werden, sondern sich nach international anerkannten und durch internationale Wirtschaftsorganisationen überwachten Regeln vollziehen sollte». Die Ausgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Bestimmungen der Charta von San Francisco ist geprägt von dem Grundgedanken, daß ein geschlossenes, sich selbst regulierendes, auf privater Basis beruhendes Handelssystem miteinander weltweit konkurrierender Volkswirtschaften die adaequate Lösung der weltwirtschaftliehen Beziehungen darstelle und daß dieses marktwirtschaftliche System optimal zur Geltung gelangen könne, wenn die Regierungen der einzelnen Staaten sich verpflichten, auf Eingriffe in den Außenhandel zu verzichten und eine am Zahlungsbilanzgleichgewicht orientierte Währungspolitik zu betreiben10 • Vgl. dazu Twitchett, S. 14; Brierly, Outlook, S. 98; Hagemann, S. 222. Vgl. dazu Twitchett, 8.14; Fenwick, Law, S. 586, 592 und AJIL 1966, S. 481; Stödter, S. 79; Schwarzenberger, Frontiers, S. 223, 224. 6 Watrin, S. 426; Scheuner, Strukturwandlungen, S. 209. 1 Vgl. dazu Röpke, Ordnung, S. 173 ff.; Scheuner, Grundlagen, A 39, A 48; Erler, Staatssouveränität, S. 42; Schwarzenberger, Principles, S. 23; Frantz, 4

&

s. 31, 32.

s Scheuner, Grundlagen, A 48. 9 Watrin, S. 426; ähnlich Schwarzenberger, Province, S. 413. 10 Watrin, S. 425.

A. Die Zielvorstellungen von UN-Charta und NIEO

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Diese Vorstellungen sind maßgeblich geprägt von angelsächsischem, insbesondere amerikanischen Einfluß11 und gekennzeichnet durch die stillschweigende Übernahme des marktwirtschaftliehen Systems der nicht-kommunistischen Welt mit der Zielsetzung, dieses System zu verbessern, aber nicht grundlegend zu ändern12• Die Zusammenarbeit der UN-Mitgliedstaaten beruht dabei, da Art. 2 (7) der UN-Charta, abgesehen von Zwangsmaßnahmen nach Kap. VII, der Organisation jede Eingriffsmöglichkeit in Angelegenheiten "essentially within the domestic jurisdiction of any state" versagt, entscheidend auf der freiwilligen Kooperation der Mitgliedsstaaten13• Eine Kompetenz der Vereinten Nationen, ihre Mitglieder auf die Erreichung der in Art. 55 der UN-Charta niedergelegten Zielsetzungen der Verbesserung des Lebensstandards und der Förderung der Vollbeschäftigung und des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts14 zu verpflichten, besteht nicht15 • Zwar ist in Art. 56 der UN-Charta die feierliche Verpflichtung aller Mitglieder niedergelegt, einzeln oder gemeinsam mit der Organisation auf die Erreichung der in Art. 55 niedergelegten Ziele hinzuarbeiten. Diese - als "one of the most obscure provisions of the Charter" 16 bezeichnete - Bestimmung stellt einen sachlichen Kompromiß dar, mit dem die Gründungskonferenz der Vereinten Nationen zu vermitteln suchte zwischen den Forderungen, den Staaten nationale Maßnahmen für die Erreichung der in Art. 55 bestimmten Ziele aufzuerlegen und den - im Ergebnis stärkeren - Tendenzen, auch die Bestimmungen des Abschn. IX der UN-Charta nicht zu einer Einmischung in innere Angelegenheiten der Mitglieder führen zu lassen17• u Vgl. Watrin, S. 428; Erler, Grundprobleme, S. 97; Twitchett, S.14, 15; Strange, S. 101, 103; Frantz, S. 46 ff. Vgl. auch das bei Hagemann, S. 223 wiedergegebene Schlußkapitel der Memoiren von Cordeil Hull, der als USAußenminister bis 1944 die Vorarbeiten zur UN-Charta in starkem Maße mit beeinflußte. Ähnlich bereits Züf. 4 und 5 der Atlantic-Charta vom 14. 8. 1941: vgl. Wiedergabe in International Conciliation, Doc. 1941, S. 595, 596. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings auch, daß diese Freihandelskonzeption mit der ökonomischen Ausgangsposition der USA korrespondierte, die als wirtschaftliche Vormacht des Westens eine Konkurrenz auf den Weltmärkten nicht zu befürchten hatte. Zu Recht weist daher Erler, Grundprobleme, S. 97, darauf hin, daß Advokaten des Freihandels seit jeher die Staaten gewesen seien, die die Verwirklichung dieses Prinzips wegen ihres hohen Industriepotentials gebraucht und wegen ihrer Konkurrenzfähigkeit nicht zu fürchten gehabt hätten. 12 Strange, S. 102, 103. Ähnlich Hagemann, S. 421. 13 Verdroß, Völkerrecht, S. 452; Bentwich I Martin, S. 117; Kelsen, United Nations, S. 27, 29; Goodrich I Hambro, S. 73, 74. 14 Vgl. Wortlaut des Art. 55 der UN-Charta. 1s Schwarzenberger, World Order, S. 38, 39. 16 Kelsen, United Nations, S. 99. 17 Zur Entstehungsgeschichte der in den "Dumbarton Oaks Proposals" nicht enthaltenen Vorschrüt vgl. Goodrich I Hambro I Simons, S. 372, 380 ff.; Bentwich I Martin, S. 118; Ross, S. 127; Stödter, S. 91.

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I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

Demgemäß läßt sich als Maximalverpflichtung dem Art. 56 entnehmen, daß die Staaten, obwohl nicht rechtlich verpflichtet, gleichwohl an einer Obstruktion der in Art. 55 enthaltenen Ziele gehindert und gehalten seien, in "good faith" auf ihre Verwirklichung hinzuwirken18, wenn man nicht, wie ein Teil der Literatur19, die Verantwortlichkeit der UNMitgliedstaaten unter Art. 56 darauf reduziert, nach freiem Belieben der Zielsetzung des Art. 55 die Unterstützung angedeihen zu lassen, die sie für sachgerecht halten120• Zu der von den Gründern der Weltorganisation erhofften allgemeinen Mitwirkung an einem weltweiten System wirtschaftlicher Zusammenarbeit und einer auch institutionell verankerten Basis dieser Beziehungen21 kam es jedoch nich~. Die sozialistischen Staaten gaben von Anfang an ihre Absicht zu erkennen, sich an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der Vereinten Nationen nicht zu beteiligen und die marktwirtschaftlich organisierten Industrienationen der westlichen Welt und Japan zogen es vor, ihre Zusammenarbeit auf GATT23 und OECD zu verlagern24• Erst die Veränderung der früheren, relativ homogenen Zusammensetzung der internationalen Gemeinschaft im 18 So Goodrich I Hambro I Simons, S. 381. 19 Bentwich I Martin, S. 118. Ähnlich Gunst, S. 26 und Kelsen, United Nations, S. 100, der Art. 56 ausdrücklich als "legally ... meaningless and redundant" bezeichnet. 2o Ausführlich zur Bestimmung und Reichweite des Art. 2 (7): Ross, S. 120, 129; s. auch Goodrich I Hambro I Simons, S. 66 ff. u Für den monetären Bereich war es bereits 1944, allerdings ohne Mitwirkung des Ostblocks, zur Errichtung des sog. Bretton-Woods-Systems gekommen: vgl. dazu statt aller Alexandrowicz, S. 215 f.; Curzon, S.l77; Frantz, S. 48. 22 Den weitestgehenden Versuch, die Zielsetzung der UN-Charta über die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Staaten mit rechtlicher Verbindlichkeit auszustatten, stellt die sog. Havanna-Charta dar, benannt nach ihrer von der VN-Konferenz über Handel und Beschäftigung 1948 in Havanna angenommenen Schlußakte, die jedoch, auch wegen zwischenzeitlicher Widerstände in den USA, nie Verbindlichkeit erlangte: vgl. dazu Krappel, S.l7 ff.; Heiduk, S. 81 ff. Zu den Zielsetzungen dieses Dokuments s. Scheuner, Grundlagen, A 51, A 52; Gardner, S. 149 ff. Zu einer späteren - sowjetischen Initiative für die Errichtung einer Sonderorganisation der VN auf wirtschaftlichem Gebiet Mitte der 50er Jahre vgl. Sharp, S. 217. 23 Mit dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) vom 30. 10. 1947 waren die- auf die Verwirklichung der ursprünglichen Konzeption weitestgehender Liberalisierung abzielenden - handelspolitischen Bestimmungen des Entwurfs der Havanna-Charta von ursprünglich 23 Mitgliedsstaaten vorläufig in Kraft gesetzt worden : vgl. dazu Schwarzenberger, Province, S. 413 ff. und Frantz, S. 51 ff. Auch nach dem Scheitern der Havanna-Charta blieben die Regeln des GATT, wenn auch ohne institutionelle Verklammerung mit dem VN-Bereich, die Grundlage für die Handelsbeziehungen von inzwischen (Stand 1975: vgl. Information GATT/ 1168) 83 Mitgliedsstaaten und 3 vorläufig beigetretenen Staaten sowie 18 de-facto-Applikanten. 24 Scheuner, Vereinte Nationen, S. 34; Baudissin, S. 3, 5; Twitchett, S. 15; Curzon, S. 177.

A. Die Zielvorstellungen von UN -Charta und NIEO

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Zusammenhang mit der Dekolonialisierung führte hier zu einem entscheidenden Wandel. Während die marktwirtschaftlich organisierten westlichen Industrieländer mit einer liberalen Weltwirtschaftsordnung und ihrer Wirkungsweise einer Selbstregulierung durch Angebot und Nachfrage die internationalen Wirtschaftsbeziehungen im Grundsatz als angemessen und ausreichend geregelt angesehen hatten, wurde nun eine zunehmend verstärkte Kritik der jungen, wirtschaftlich wenig entwickelten Staaten an den Regeln und der Wirkungsweise dieses inhaltlich auf den Grundannahmen der Charta von San Francisco aufbauenden Weltwirtschaftssystems laut, das nicht zu Unrecht dahingehend charakterisiert worden ist, daß es "was based essentially on economic intercourse between industrialised states and designed to tackle the international economic problems of the 1930's. The overall primary goal was security and there was little awareness that the UN would become involved in long-term efforts to aid countries which at that time were still under some form of colonial domination" 25• D. Die Zielvorstellungen der NIEO

Der Vorhalt, daß das gegenwärtige Wirtschaftssystem "was established at a time when most of the developing countries did not even exist as independent states and which perpetuates inequality" 26 und daß es der Erlangung ihrer politischen Unabhängigkeit als dem "greatest and most significant achievement during the last decades"27 nicht Rechnung trage, ist der Ausgangspunkt der von den Entwicklungsländern bezogenen Gegenposition gegen die bestehende Ausgestaltung der weltwirtschaftliehen Beziehungen. Ihre Kritik entzündet sich vor allem daran, daß die marktwirtschaftliche Ordnung als das prägende Element des internationalen Güteraustausches im Ergebnis bewirke, daß die "Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer" würden28• Der Marktmechanismus sei ein Instrument, das nur die Starken, nämlich die Industrieländer schütze, aber ihre Interessen nicht berücksichtige. Die gebündelte Marktmacht der entwickelten Staaten29 habe ihnen zu günstigen Preisen Zugang zu den Rohstoffen der Entwicklungsländer verschafft, während diese wegen ihrer individuellen Angewiesenheit auf diese Exporterlöse als ihrem einzigen Twitchett, S. 15. Deklaration, Züf. 1. 27 Deklaration, Ziff. 1. zs So sinngemäß Präsident BoumedUme (Algerien), GAOR (S-VI), A/PV 2208, S. 3, para. 36. 29 75 Ofo der Waren der Entwicklungsländer werden in den westlichen Industriestaaten abgesetzt gegenüber 20 Ofo, die auf den Handel zwischen den Entwicklungsländern entfallen und 5 Ofo, die von den sozialistischen Staaten bezogen werden: vgl. Bundesaußenminister Genscher, GAOR (S-VII), A/PV 2328, S. 17 (mim.). 2s

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I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

wirtschaftlichen Aktivum zum Aufbau einer starken Verhandlungsposition nicht in der Lage gewesen seien. Die von ihnen zur Entwicklung und zum Aufbau ihrer Volkswirtschaften dringend benötigten Erlöse aus dem Verkauf ihrer Rohstoffe seien schutzlos den Preisschwankungen auf den von den Industrieländern beherrschten Weltrohstoffmärkten ausgesetzt gewesen und gegenüber den Preisen, die die Industrieländer für ihre Produkte erzielt hätten, ständig zurückgegangen30• Ein Ausgleich für die inflationären Entwicklungen in den Industrieländern und eine Teilhabe an einer vermehrten Wertschöpfung im Verarbeitungssektor sei ihnen versagt geblieben, da die bestehende Weltwirtschaftsordnung die auf die koloniale Vergangenheit ihrer Länder zurückzuführenden ökonomischen Strukturen perpetuiere31 • Die den früheren kolonialen Gebieten zugewiesene Funktion von Komplementärwirtschaften zu den Volkswirtschaften der Metropolen habe dazu geführt, daß sie über eigene Fertigungskapazitäten in der Regel nicht verfügten32• Sie seien daher gezwungen gewesen, einen zunehmend größeren Anteil ihrer Exporte für die Bezahlung der von ihnen benötigten Importe aus den Industrieländern aufzuwenden33• Die Ungleichgewichtigkeit der bestehenden Ordnung ergebe sich auch bereits daraus, daß auf die Entwicklungsländer mit ihrem Anteil an der Weltbevölkerung von 70 Ofo nur ein Anteil von 30 °/o des Weltein30 Zu dieser, mit der Ungerechtigkeit der bestehenden Ordnung begründeten Kritik der Entwicklungsländer vgl. insbes. Memoire, S. 200 und GAOR (S-VI), Del. Vazquez-Carrizosa (Kolumbien), A/PV 2209, S. 26 ff.; Del. Chatti (Tunesien), A/PV 2210, S. 13, 14; Präsident Stevens (Sierra Leone), A/PV 2212, S. 1 ff.; Del. Baah (Ghana), A/PV 2213, S. 15; Del. Cissoko (Guinea), A/PV 2211, S. 4 ff. Vgl. allgem. auch Fels, S. 32 und Seitz, Dritte Welt, S. 214. 31 Mit der Begründung, daß die bestehenden Ungleichgewichtigkeiten der weltwirtschaftliehen Beziehungen eine Folge der kolonialen Ausbeutung der Dritten Welt seien, an der sie nicht beteiligt gewesen wären, lehnen die sozialistischen Staaten eine Beteiligung an den Entwicklungspflichten der NIEO ab und versuchen, diese Aufgabe als "Wiedergutmachung kolonialen Unrechts" allein den westlichen Industriestaaten aufzubürden: vgl. statt aller die Stellungnahmen während der 7. SGV: GAOR (S-VII), Del. Malik (UdSSR), A/PV 2330, S. 33 (mim.); Del. Trepcynski (Polen), A/PV 2332, S. 46 (mim.); Del. Fischer (DDR), A/PV 2336, S. 11 (mim.). Vgl. dazu auch Virally, Organisation, S. 319. 32 Nach einer von Algerien für die 6. SGV vorbereiteten Untersuchung vgl. Memoire, S. 204 - entfallen auf die Entwicklungsländer 25 Ofo der Eisenerzproduktion, aber nur 4 Ofo der Weltstahlproduktion; 50 Ofo der Bauxitproduktion, aber nur 12 Ofo der Weltaluminiumerzeugung; 31 Ofo der Phosphaterzeugung, aber nur 9 °/o der Weltdüngemittelherstellung. aa Als Schulbeispiel für diese behauptete Verschlechterung der "terms of trade" dient in der Regel der Vergleich, daß z. B. Brasilien im Jahre 1954 für den Import eines Jeep den Exportwert von 14 Sack Kaffee, 1962 dagegen für den Import des gleichen Fahrzeugs den Exportwert von 39 Sack Kaffee habe aufwenden müssen. Vgl. aber Bethke I Kebschull, S. 30, 31 mit kritischen Anmerkungen zur Aussagefähigkeit undifferenzierter "terms of trade"Berechnungen. Vgl. als faktisches Hintergrundmaterial auch die für die 6. SGV vorbereiteten Untersuchungen in UNCTAD-Doc. TD/B/488 und UN-Doc. A/9544/Add. 2.

A. Die Zielvorstellungen von UN-Charta und NIEO

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kommens entfalle34. Daß der technologische Fortschritt der letzten dreißig Jahre, der eine ausreichend solide Grundlage für die Verbesserung des Wohlstandes aller Völker abgebe, nicht gerecht zwischen den Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft aufgeteilt worden sei, stelle eine weitere wesentliche Ursache der exorbitanten und sich durch die Ausgestaltung der bestehenden Ordnung noch ständig vergrößernden Entwicklungsunterschiede zwischen Industrieländern und Dritter Welt dar35 und beweise, daß das gegenwärtige Wirtschaftssystem sich als ungeeignet für eine gleichmäßige und ausgewogene Entwicklung der internationalen Gemeinschaft erwiesen habe36• Kennzeichnend für die neue Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen ist dementsprechend eine radikale Abkehr von den bisherigen Grundsätzen: Ersetzung der Regelungsmechanismen des Marktes durch ein weitgefächertes System wirtschaftslenkender Maßnahmen mit dem Ziel einer akzelerierten Entwicklung der Dritten Welt und einer doppelten operativen Ausgestaltung. Durch internationale Zusammenarbeit37 für Entwicklungszwecke, gerichtet auf eine Umstrukturierung der weltwirtschaftliehen Arbeitsteilung durch Aufbau eigener Verarbeitungskapazitäten in den Entwicklungsländern und durch eine generelle Einräumung einer die wirtschaftlich ungünstigere Ausgangslage der Entwicklungsländer berücksichtigenden Behandlung sollen die bestehenden ökonomischen Ungleichgewichtigkeiten beseitigt und den Entwicklungsländern der von ihnen beanspruchte ,gerechtere' Platz im globalen wirtschaftlichen Kräftefeld gesichert werden. Die den Gesamtbereich der weltwirtschaftliehen Beziehungen betreffenden Aussagen der NIE0 38 in allen notwendigen Bezügen zu untersuchen, würde den Rahmen dieser juristischen Arbeit zwangsläufig sprengen. Die folgende, sachlich auf die für den Bereich der natürlichen Reichtümer und Ressourcen unmittelbar und mittelbar 34 Vgl. Deklaration, Ziff. 1. 35 Vgl. Ziff. 1 der Deklaration sowie Memoire, S. 2. 36 Zu den Kernpunkten der in der 6. SGV vorgetragenen Kritik vgl. statt aller GAOR (S-VI), Dei. Ba (Senegal), A/PV 2221, S. 8 ff.; Del. Etiang (Uganda), A/PV 2223, S.17; Dei. Al-Zawawi (Oman), A/PV2226, 8.16; Del. Yamani (Saudi-Arabien), A/PV 2217, S. 8 ff. 37 In den Debatten der 6. SGV ist mehrfach auf das Modell des MarshallPlanes Bezug genommen mit dem Vorhalt, daß die Industrieländer, wenn sie den entsprechenden politischen Willen hätten, über Möglichkeiten zur Hilfeleistung durchaus verfügten, wie diese Hilfsaktion der Industrieländer untereinander, die sich im Gegensatz zu den unbefriedigenden Leistungen der Entwicklungshilfe auf ca. 3 °/o des Bruttosozialproduktes belaufen habe, zeige: Präsident BoumediEme, A/PV 2208, S. 3, para. 38, 39; Del. Sharaf (Jordanien), A/PV 2220, S. 2, para 15; Del. Cissoko (Mali), AIPV 2220, S. 6, para. 56. 38 Vgl. dazu auch die Darstellung bei Engels I Khan I Matthies, S. 12 ff. m. w. Nachw. S. 81 ff.

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relevanten Aussagen der NIEO begrenzte Darstellung beschränkt sich daher auf eine Analyse ihrer Grundstrukturen und zeigt daran auf, daß sich die neue Ordnung der wirtschaftlichen Beziehungen der Staaten trotz ihres umfangreichen Katalogs von Detailmaßnahmen im Grundsatz auf zwei Elemente zurückführen läßt: die Forderung nach Begründung einer solidarischen Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für den Bereich der Weltwirtschaftsbeziehungen (1) und die Entwicklung einer Strategie der "collective self-reliance" der Entwicklungsländer (2), für deren Verwirklichung dem im 1. Abschnitt dargestellten Streben nach absoluter Souveränität über den Wirtschaftsbereich besondere Bedeutung zukommt.

1. Die Forderung nach Solidarität der internationalen Gemeinschaft Die Vision einer neuen Ordnung der Beziehungen der Staaten, in der ein Gefühl gegenseitiger Solidarität den bisherigen zwischenstaatlichen Isolationismus ersetzen soll, durchzieht als Leitmotiv die überwiegende Zahl der Beiträge in der Generaldebatte der 6. Sondergeneralversammlung. Die unter dem Eindruck der Ölkrise fast übereinstimmend von allen39 Delegierten hervor~ehobene Interdependenz40 der Staatengemeinschaft erscheint als Grundlage für eine qualitative Umgestaltung der internationalen Beziehungen zu einer "world community" 41 , in der die Interessen der Entwicklungsländer und der Industrieländer nicht länger isoliert voneinander gesehen, sondern von der Erkenntnis geleitet werden, "that the prosperity of the intemational community as a whole depends upon the prosperity of its constituent parts" 42• Zumindest verbal klingt eine Bereitschaft an, sich der weltweit bestehenden gegenseitigen Abhängigkeit nicht zu verschließen, sondem durch intemationale Solidarität einen positiven Beitrag für die Errichtung einer neuen, kooperativen Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu leisten43 • Grundlage der proklamierten neuen 39 Eine eindeutige Stellungnahme gegen diese Annahme findet sich nur bei der Volksrepublik China: vgl. Dei. Teng, GAOR (S-VI), A/PV 2209, S.15 ff., der den Standpunkt vertritt, der Begriff der sog. Interdependenz diene lediglich den "Supermächten" als Vorwand, die ausbeuterischen Beziehungen der Vergangenheit aufrechtzuerhalten. 40 Vgl. GAOR (S-VI), Dei. Olskowski (Polen), A/PV 2224, S. 4; Dei. Reyes (Philippinen), A/PV 2221, S. 17; Dei. De Pinies (Spanien), A/PV 2218, S. 1; Dei. Adan (Somalia), A/PV 2217, S. 16; Dei. Sir Ramgoolam (Mauritius), A/PV 2217, S. 11; Del Perez Guerrero (Venezuela), A/PV 2213, S. 20; Außenminister Kissinger (USA), A/PV 2214, S. 4, 5; Dei. Rabasa (Mexiko), A/PV 2215, S. 2; Dei. Walding (Neuseeland), A/PV 2211, S. 9 ff.; Dei. Mizuta (Japan), A/PV 2211, S. 13; Dei. van der Stoel (Niederlande), AIPV 2212, S. 2. 41 Vgl. Ziff. 3 S. 1 der Deklaration. 42 Vgl. Ziff. 3 S. 2 der Deklaration sowie Art. 31 der Charta. 43 So ausdrücklich Präsident Boumediene (Algerien), A/PV 2208, S. 10, para. 139; Dei. Mungai (Kenia), A/PV 2224, S. 3; Dei. Patterson (Jamaika),

A. Die Zielvorstellungen von UN-Charta und NIEO

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Ordnung sollen sein: "equity, sovereign equality, interdependence, common interest and cooperation among all states, irrespective of their economic and social systems which shall correct inequalities and redress existing injustices, make it possible to eliminate the widening gap between the developed and the developing countries and ensure steadily accelerating economic and social development and peace and justice for present and future generations44 ." Die darin zum Ausdruck kommende Intention, auch in den internationalen Beziehungen Gerechtigkeitsvorstellungen, Gemeinwohl und Kooperation maßgeblich zu berücksichtigen, wirkt sich in den operativen Bestimmungen der NIEO in einer doppelten Weise aus: als Anspruch auf Beseitigung bestehender Entwicklungsunterschiede durch verstärkte Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft (a) und als Forderung nach einer engeren Kooperation, die die Mitglieder der Staatengemeinschaft in die Lage versetzen soll, auf die globalen Herausforderungen der Gegenwart sachgerecht zu reagieren (b). a) Der Anspruch auf Beseitigung der bestehenden Entwicklungsunterschiede Die NIEO geht von der Grundannahme aus, daß "international cooperation for development is the shared goal and common duty of all countries" 45 • An die Stelle der für die bisherigen Ausgestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen der Staaten kennzeichnenden Gleichmäßigkeit von für alle geltenden Regeln und strengen Reziprozität der Rechte und Pflichten setzt die NIEO die Forderung nach einer den jeweiligen Entwicklungsstand berücksichtigenden Vorzugsbehandlung der Entwicklungsländer in Form eines grundsätzlichen "preferential and non-reciprocal treatment for developing countries, wherever feasible, in all fields of international economic cooperation whenever possible" 46• Dieser, für die Ausgestaltung der neuen Ordnung der weltwirtschaftlichen Beziehungen charakteristische "double-standard" der Rechtspositionen der Entwicklungsländer und Industrieländer soll konzeptionell das Mittel sein, die bestehenden wirtschaftlichen UnA/PV 2223, S. 14; Del. Fitzgerald (Irland), A/PV 2222, S.15; Dei. De Pinies (Spanien), A/PV 2218, S. 2; Del. Umba-Di-Lutete (Zaire), A/PV 2215, S. 16; Del. Rabasa (Mexiko), A/PV 2215, S. 2, 3; Del. Mizuta (Japan), A/PV 2211, S. 13; Del. Blanco (Uruguay), A/PV 2211, S. 24, 25; Del. van der Stoel (Niederlande), A/PV 2212, S. 2; Del. Usher (Elfenbeinküste), A/PV 2212, S. 10; Del. Longerstaey (Belgien), A/PV 2212, S.12, 13; Del. Perez Guerrero (Venezuela), A/PV 2213, S. 17 ff. « Vgl. Präambelabschn. 3 der Deklaration. Von einem möglichen Wendepunkt in der Entwicklung der VN spricht Generalsekretär Waldheim, A/PV 2207, s. 5. 45 Vgl. Züf. 3 S. 3 der Deklaration und Art. 17 der Charta. 46 Vgl. Ziff. 4 n der Deklaration und Art. 19 der Charta. Vgl. dazu auch Radke, S. 26.

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I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

gleichgewichtigkeiten zwischen dem entwickelten "Norden" und dem weniger entwickelten "Süden" zu überwinden, auf deren Beseitigung die Zielsetzung der NIEO gerichtet ist47 • Die Forderung nach Solidarität der internationalen Gemeinschaft ist daher im Kontext von Deklaration, Aktionsprogramm und Charta primär die Umschreibung einer Verantwortung der entwickelten Mitglieder der internationalen Gemeinschaft für die Entwicklung der Dritten Welt, sei es, daß die Industrieländer48 unmittelbar als Adressaten von Maßnahmen zur Überwindung der bestehenden Disparitäten erscheinen, sei es, daß trotz allgemeiner Formulierung nach dem Sachzusammenhang die geforderten Maßnahmen nur von ihnen erbracht werden können. Die in der NIEO statuierten Pflichten für die Umgestaltung der Weltwirtschaftsbeziehungen sollen im folgenden beispielhaft an dem für die Fragestellung dieser Arbeit in besonderem Maße relevanten Rahstoffsektor (aa) sowie den damit unmittelbar in Zusammenhang stehenden Bereichen des Technologietransfers (bb) und der Industrialisierung (cc) aufgezeigt werden. Ausgangspunkt dieser Darstellung sind dabei die einschlägigen Abschnitte des Aktionsprogramms49 als unmittelbarer Umsetzung der mit der Deklaration proklamierten Zielvorstellungen in die politische und wirtschaftliche Realität. aa) An der Spitze des Anspruchskatalogs der Entwicklungsländer im Rohstoffbereich steht die Forderung nach Überwindung der von ihnen als Hauptursache ihres Entwicklungsrückstandes angegriffenen Verschlechterung ihrer "terms of trade"M durch eine "just and equitable relationship" zwischen ihren Exporten in und ihren Importen aus den Industrieländern. Erreicht werden soll diese gerechtere Gestaltung der Austauschrelationen durch die Schaffung einer automatischen Verbindung zwischen den Exportpreisen der Entwicklungsländer und den Preisen ihrer Einfuhren aus den Industrieländern. Durch diese Indexierung würde eine durch einen Anstieg des Preisniveaus der industriellen Güter bewirkte Verteuerung der Importe der Entwicklungsländer automatisch auch eine Erhöhung des Preisniveaus der von 47 Vgl. Präambelabschn. 5 e, 6 a, c der Charta sowie die Abschlußresolution der 7. SGV, Res. A/3362 (S-VII), Präambelabschn. 7, GAOR, 7th Special Session, Suppl. No. 1. Als repräsentativ für diese Forderungen der Entwicklungsländer können die Ausführungen des Dei. Ba (Senegal), GAOR (S-VI), A/PV 2221, S. 7 ff. gelten, für den die souveräne Gleichheit der Staaten die Grundlage eines Anspruchs aller Staaten auf gleichen Lebensstandard bildet. 48 Daneben sind mit der verschlüsselten Formulierung "the developed countries and others in a positian to do so ..." (Hervorhebung zugefügt) vgl. Abschn. IX Ziff. 6 des Aktionsprogramms - die Ölexportländer zur Hilfeleistung aufgerufen. 49 Vgl. Abschn. I 1 und I 3 sowie Abschn. III u. IV. so Vgl. Ziff. 4 j der Deklaration; Ziff. I 1 d und I 3 a des Aktionsprogramms; Art. 28 der Charta.

A. Die Zielvorstellungen von UN-Charta und NIEO

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ihnen angebotenen Erzeugnisse und damit eine Verbesserung ihrer Exporterlöse bewirken51. Zur Verbesserung der bestehenden Austauschrelationen werden zusätzlich gezielte Maßnahmen im Handelsbereich gefordert52• Zu nennen sind hier neben der Aufstellung allgemeiner Prinzipien für die Preispolitik der Rohstoffexporte der Entwicklungsländer die Forderung nach Abschluß von Rohstoffabkommen als Mittel zur Regulierung und Stabilisierung der Rohstoffmärkte und die Vorbereitung eines "Overall-Integrated-Prograrnrne" für eine umfassende Reihe von Rohstoffen mit Exportinteresse für die Entwicklungsländer. Daneben soll, bis zufriedenstellende "terrns of trade" erreicht sind, durch sonstige Maßnahmen, einschließlich kompensatorischer Finanzierung, den Bedürfnissen der Entwicklungsländer Rechnung getragen werden. Im engeren Handelsbereich reicht der Katalog der als flankierende Maßnahmen zusätzlich geforderten Handlungsweisen von einer generellen Verbesserung des Marktzugangs für Entwicklungsländer durch Anwendung und Verbesserung des allgerneinen Präferenzsystems für Exporte der Entwicklungsländer in die Industrieländerli3 und durch fortschreitende Beseitigung auch der nicht-tarifären Handelshernrnnisse54 bis zu den, mit der Errnöglichung einer "just and equitable international division of labour" 55 begründeten Forderungen nach Strukturanpassungen in den Volkswirtschaften der Industrieländer und Reglementierungen ihrer Märkte zugunsten der Erzeugnisse der Entwicklungsländer. bb) Die Aussagen der NIEO zum Bereich der Forschung und Technologie sind unmittelbar geprägt von der Kritik der Entwicklungsländer, daß die Vorteile des technologischen Fortschritts in der Vergangenheit nicht gerecht zwischen den Mitgliedern der internationalen Gerneinschaft aufgeteilt worden seien. Dementsprechend sind die auf den Technologietransfer gerichteten Bestimmungen der NIEQ56 nun51 Eine Zusammenstellung der dagegen geltend gemachten Vorbehalte der Industrieländer findet sich in ILM XIII (1974), S. 744 ff. Gegen die Indexierung wurde insbesondere vorgebracht, das Ziel angemessener und gerechter Austauschrelationen, das auch von den Industrieländern anerkannt werde, könne mit diesem Mittel nicht erreicht werden. Vielmehr werde die Ausschaltung des Marktmechanismus den Preisanstieg noch verstärken und eine Verbesserung der Preise im übrigen in erster Linie den rohstoffreichen Industrieländern sowie den Entwicklungsländern zugute kommen, denen ihr Rohstoffreichtum ohnehin eine bessere Ausgangsbasis sichere. Vgl. dazu auch Montbrial, S. 71. 52 Vgl. im einzelnen Abschn. I 3 a Ziff. i - xii des Aktionsprogramms. sa Vgl. Ziff. I 3 a x des Aktionsprogramms, Art. 18, 19 der Charta sowie die Bezugnahme in Ziff. I 3 b des Aktionsprogramms auf die derzeitigen multilateralen GATT-Handelsverhandlungen. 54 Vgl. Ziff. I 3 a ii und vi des Aktionsprogramms sowie Art. 14 der Charta. ss Vgl. Ziff. I 1 f und I 3 a vii und xii des Aktionsprogramms.

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I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

mehr dominiert von dem Anspruch der Entwicklungsländer, Zugang zu den Errungenschaften der modernen Technologie zu erhalten und der Forderung, daß dieser Zugang zu Vorzugsbedingungen und unter Wahrung ihrer spezifischen Interessen ermöglicht werden müsse. Die Regeln, nach denen sich dieser Prozeß im einzelnen vollziehen soll, sind in Art. 13 der Charta niedergelegt. Danach steht allen Staaten das Recht zu, an den Fortschritten in Wissenschaft und Technologie teilzuhaben, um ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu fördern. Bei der Ausgestaltung der technologischen Zusammenarbeit sind alle legitimen Interessen, auch die der Empfänger, gebührend zu berücksichtigen und insbesondere ein Mißbrauch der Rechte der Verkäufer zu verhindern. Alle entwickelten Länder sind zu einer Kooperation mit den Entwicklungsländern für die Errichtung, Stärkung und Entwicklung ihrer wissenschaftlichen und technologischen Infrastruktur aufgerufen, und schließlich sollen in Form eines ,code of conduct' allgemeine Regeln über den Technologietransfer aufgestellt werden, um damit die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Entwicklungsländer auch formell a bzusichern57• cc) Ansprüche gegenüber den entwickelten Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft und das Streben nach einer Revision der bestehenden weltwirtschaftliehen Arbeitsteilung bestimmen auch die Aussagen der NIEO im Bereich der Industrialisierung58• Durch Maßnahmen der Industrieländer und der zuständigen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen- angeführt werden Finanzierungshilfen, Aufbau industrieller Kapazitäten und Durchführung technischer Hilfsprogramme - soll die bisherige Abhängigkeit der Entwicklungsländ~ vom Rohstoffexport beseitigt und ihr Anteil an der Weltindustrieproduktion erhöht werden. b) Die Forderung nach verstärkter Kooperation der internationalen Gemeinschaft Mit einer ausschließlich quantitativen Betrachtungsweise, abgestellt auf die angestrebte Vergrößerung des Anteils der Entwicklungsländer an der Gesamtheit der weltwirtschaftliehen Beziehungen läßt sich die grundsätzliche Bedeutung der NIEO und ihrer Zielsetzung, ein Element der gegenseitigen Verantwortlichkeit in die wirtschaftlichen Beziehungen der Staaten einzuführen, nicht erfassen. Darin liegt vielmehr der Versuch einer auch qualitativen Umgestaltung der Beziehungen der Staaten und eine Abkehr von dem die völkerrechtlichen Beziehungen 5& Vgl. Abschn. IV des Aktionsprogramms, Buchst. 4 p der Deklaration und Art. 13 der Charta. Vgl. dazu auch Memoire, S. 52 ff. und Montbrial, S. 74. 57 Vgl. Art. 13 Ziff. 3, 4 der Charta und Ziff. 4 p der Deklaration sowie Abschn. IV a des Aktionsprogramms. 58 Vgl. Abschn. I 1 g und Abschn. III Buchst. a - d des Aktionsprogramms.

A. Die Zielvorstellungen von UN-Charta und NIEO

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der Gegenwart kennzeichnenden Leitbild unverbunden nebeneinander existierender und, bis zur Grenze der Existenzgefährdung dritter Staaten, grundsätzlich auf die Wahrnehmung eigener Interessen bedachter Völkerrechtssubjekte. Am deutlichsten ist dieser qualitativ veränderte Ansatz in der Charta ausgeprägt, wo erstmalig in dieser Geschlossenheit und mit dem Anspruch auf rechtliche Verbindlichkeit allgemeine Verpflichtungen der Solidarität zwischen den Nationen statuiert werden59, wenn auch in besonders akzentuierter Form gegenüber den schwächeren Gliedern der internationalen Gemeinschaft. Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten ist von ihren Initiatoren ausdrücklich nicht nur als rechtliche Basis der weltwirtschaftliehen Beziehungen der Staaten gesehen, sondern speziell als Instrument einer progressiven Fortentwicklung der Prinzipien des Völkerrechts konzipiert worden60• Mit ihr wird der Anspruch erhoben, die in den Entschließungen der 6. Sondergeneralversammlung programmatisch umrissene "Neue Ordnung der weltwirtschaftlichen Beziehungen" in ein rechtliches System von Ansprüchen und Verpflichtungen zu bringen61 • Ausdruck dieser neuen Struktur der internationalen Beziehungen62 sind die in Kap. I der Charta zusammengestellten grundlegenden Aussagen - "Fundamentals" - über die maßgeblichen Prinzipien der wirtschaftlichen, politischen und sonstigen Beziehungen der Staaten. Sie sind gekennzeichnet von dem Bestreben, auch in den internationalen Bereich Erwägungen des allgemeinen Wohls und soziale Gesichtspunkte einzuführen, wie an den Grundsätzen -

"mutual and equitable benefit"63 , "promotion of international social justice"64 und "international cooperation for development"65

deutlich wird. Vgl. dazu auch die Analyse von Feuer, Reflexions, S. 284-286. Vgl. GAOR, 29th Session, Bericht des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, Castaiieda (Mexiko), A/C.2/SR 1638, S. 385, para. 14; Del. Nolasco (El Salvador), A/C.2/SR 1640, S. 398; Del Poerwanto (Indonesien), A/C.2/SR 1644, S. 422; Del. Ortiz de Rozas (Argentinien), A/PV 2315, S. 12 (mim.). Demgegenüber hatten die Industriestaaten in der Arbeitsgruppe zur Charta von Anfang an die Auffassung vertreten, daß sich die Charta auf eine Kodifikation der anerkannten Prinzipien des Völkerrechts beschränken müsse: vgl. Bericht der Arbeitsgruppe, UNCTAD-Doc. TD/B/AC.12/1, S. 4 ff., Ziff. 18-29. 61 In den Beratungen der Arbeitsgruppe wird die Charta als Korrelat zu den Arbeiten an der Aufstellung der Völkerrechtsprinzipien über die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten gesehen: vgl. UNCTAD-Doc. TD/B/AC.12/1, S. 4. Ahnlieh White, S. 543. &2 Vgl. auch Präambelabschn. 4, 5 a, b, c, 6 b, d, 7, 8, 9, 10. 63 Kap. I, lit. e. 64 Kap. I, lit. m. 65 Kap. I, lit. n. 59

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I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

aa) In Verfolgung dieser Zielsetzungen statuiert die Charta eine Kette allgemeiner Pflichten und Verantwortlichkeiten66 , die auf die Begründung einer engeren Kooperation der Staaten zum beiderseitigen und auch allgemeinen Vorteil abzielen, hebt aber darüber hinaus in regelmäßigen Zusätzen67 die Verpflichtung zur besonderen Berücksichtigung der Entwicklungsbedürfnisse auch bereits redaktionell hervor. Beispielhaft zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang das in Art. 4 statuierte allgemeine Recht jedes Staates "to engage in international trade and other forms of economic cooperation", die in Art. 6 enthaltene Verpflichtung (duty) der Staaten, zur Entwicklung des internationalen Warenhandels beizutragen und die ihnen auferlegte gemeinsame Verantwortung (responsibility) für die Förderung eines regelmäßigen Flusses aller Handelsgüter "at stable, remunerative and equitable prices"68• Ausdruck der gleichen Grundannahme einer internationalen Verantwortung der Staaten für die weltwirtschaftliehen Beziehungen mit Rücksicht auf das Wohl der Gesamtheit sind auch die Artikel 8, 9, 14 und 24 der Charta. Art. 8 enthält die Aufforderung an alle Staaten zusammenzuarbeiten, um eine rationalere und gerechtere Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen zu erleichtern und im Einklang mit den Bedürfnissen und Interessen aller Länder einen strukturellen Wandel zu fördern. Art. 9 proklamiert eine allgemeine Zusammenarbeitspflicht im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, wissenschaftlichen und technologischen Bereich für die Förderung eines weltweiten, insbesondere den Entwicklungsländern zu Gute kommenden Fortschritts. Art. 14 legt den Staaten eine Pflicht zur Teilnahme an der Förderung einer stetigen Ausweitung und Liberalisierung des Welthandels mit dem Ziel einer Verbesserung des Wohlstandes aller Völker auf und ,Art. 24 schließlich fordert alle Staaten auf "to conduct their mutual economic relations 66 Der Sprachgebrauch der Charta ist nicht einheitlich. Zum Teil verwendet sie den sprachlich schwächeren Ausdruck "responsibility" - vgl. Art. 6 S. 2, Art. 7, Art. 9, Art. 13 -; z. T. statuiert sie ausdrückliche Pflichten ("duties") - vgl. Art. 5 S. 2, Art. 6 S. 1; Art. 14 S. 1, Art. 24. Vgl. dazu auch Tomuschat, Charta, S. 465. 67 Vgl. die Zusätze "especially developing countries" oder "particularly developing countries": Art. 6, 8, 9, 11, 12 Abs. 1, 13 Abs. 2, 14, 24, 27 Abs. 2. 6B Ein Vorschlag der Industrieländer in der Arbeitsgruppe zur Charta, im Hinblick auf ihr Interesse an der Sicherung einer kontinuierlichen Rahstoffversorgung Art. 2 der Charta zu ergänzen durch eine Bestimmung, daß bei Ausübung der Souveränitä über Ressourcen auch zu berücksichtigen seien: "the requirements and interdependence of the economies of all States and the necessity to contribute to the balanced expansion of the world economy" - vgl. UNCTAD-Doc. TD/B/AC.12/4, S. 10- wurde von den Entwicklungsländern abgelehnt. Vor diesem Hintergrund muß die Überzeugungskraft der Wertung von Lillich, Economic Coercion, S. 371, die Annahme von Art. 6 sei ein Ausdruck dafür, daß die Staaten sich ihrer internationalen Verantwortung bewußt geworden seien, zumindest in Frage gestellt werden.

A. Die Zielvorstellungen von UN-Charta und NIEO

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in a manner which takes into account the interests of other countries", die noch ergänzt wird durch die in den Schlußbestimmungen bekräftigte Pflicht der Staaten69 , im Hinblick auf die bestehende enge Beziehung zwischen dem Wohlstand der entwickelten Staaten und der wirtschaftlichen Entwicklung der Entwicklungsländer ihre Anstrengungen für eine ausgewogene Expansion der Weltwirtschaft zu vereinen. bb) Auch für den Bereich der natürlichen Ressourcen klingen in der NIEO neue Akzente an. Neben das die bisherigen Diskussionen beherrschende Verlangen der Entwicklungsländer nach effektiver Kontrolle über ihre Ressourcen tritt die Forderung nach Aufstellung neuer, rationaler Regeln, die die bisherige Verschwendung natürlicher Ressourcen beenden und die Erhaltung und den optimalen Gebrauch dieser Hilfsquellen im allgemeinen Interesse der internationalen Gemeinschaft sichern sollen70• Erstmals in den Beratungen der 6. Sondergeneralversammlung tritt die Überlegung hervor, daß natürliche Ressourcen zu wertvoll und für das Wohlergehen der Menschheit insgesamt zu essentiell sind, als daß es einem einzelnen Land, unbeschadet seiner Souveränität, erlaubt sein dürfe, ohne eine Berücksichtigung der Interessen der internationalen Gemeinschaft nach seinem Belieben mit ihnen zu verfahren71. Die zumindest mittelbar offensichtlich ebenfalls von der "Ölkrise" beeinflußte Sicht der natürlichen Ressourcen im Gesamtrahmen der vordringlichen globalen Probleme, wie Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelknappheit, ökologische Grenzen des Wachstums und Erschöpflichkeit der Ressourcen72 führt zu der Forderung nach Aufstellung von Rechtsregeln für ihren wirkungsvolleren Gebrauch und ihre Erhaltung73• Die Problematik einer realen Verfügbarkeit natürlicher HUfsquellen läßt zudem ein Bedürfnis für die Einführung von neuen Regeln über eine gerechte Verteilung der vorhandenen Güter hervortreten, die zwar das Recht jedes Staates, "master of its own wealth" zu sein, unangetastet lassen, gleichzeitig aber auch den Staaten, die über keine eigenen Ressourcen verfügen, das Recht sichern sollen, auf der Basis wechselseitig vorteilhafter Verträge und ohne Vgl. Abschn. IV, Art. 31 der Charta. Vgl. Ziff. 4 q der Deklaration, Abschn. I 2 d, IV e des Aktionsprogramms sowie Präambelabschn. 5 f und Art. 30 der Charta für den engeren Bereich des Umweltschutzes. 11 GAOR (S-VI), Del. Sharp (Kanada), A/PV 2211, S. 19 ff.; Del. Walding (Neuseeland), A/PV 2211, S. 10 ff.; Del. Mizuta (Japan), A/PV 2211, S. 13. 72 So GAOR (S-VI) - die Delegierten Hasan (Pakistan), A/PV2224, S. 13; Mungai (Kenia), A/PV 2224, S. 3; Rossides (Zypern), A/PV 2225, S. 4, 5. 73 Vgl. GAOR (S-VI), Del. Sharp (Kanada), A/PV 2211, S. 19; Del. van der Stoel (Niederlande), A/PV 2212, S. 4; Del. Ennals (Großbritannien), A/PV 2209, S. 24, 25; Del. Väsquez-Carrizosa (Kolumbien), A/PV 2209, S. 26 ff.; Del. Ramgoolam (Mauritius), A/PV2217, S.ll; Del. Mizuta (Japan), A/PV 2211, s. 12, 13. 69

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I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

Diskriminierung Zugang zu den von ihnen benötigten Ressourcen zu erhalten74• Auch wenn in den Beiträgen der Generaldebatte der 6. Sondergeneralversammlung in Anbetracht der gegebenen Konstellation einer wechselseitigen Abhängigkeit der Industrieländer und Entwicklungsländer von dem jeweiligen Markt des anderen - bereits Lösungen der "reciprocity" 75, des Austausches der beiderseitigen Güter zum wechselseitigen Vorteil entwickelt werden, darf die Wünschbarkeit dieser Entwicklung aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Konzeption in den politischen und wirtschaftlichen Realitäten noch keine Grundlage findet, sondem daß diese zumindest im Bereich der natürlichen Ressourcen auch unter der "Neuen Ordnung der Weltwirtschaftlichen Beziehungen" weiterhin dominiert werden von der Zielsetzung der permanenten Souveränität jedes Staates über alle wirtschaftlichen Betätigungen auf seinem Territorium.

2. Die Strategie der "collective self-reliance" der Entwicklungsländer Intemationale Solidarität und engere Kooperation der Staaten sind nach der Konzeption der NIEO nur eine der Grundlagen, auf denen die neue Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut werden soll. Daneben stellt die NIEO den Aufruf zu einer Verstärkung der Zusammenarbeit der Entwicklungsländer untereinander76 und nimmt damit die früheren Bekundungen der Dritten Welt auf, daß die Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung in erster Linie jedem Land selbst zukommt und daß darin sowohl ein Recht wie eine Pflicht jedes Staates liege71• Dieser von der NIEO proklamierten Strategie der "collective self-reliance" liegt eine doppelte Zielvorstellung zugrunde: Verstärkung der Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer durch Konzentration ihrer Ressourcen auf die Verfolgung ihrer Entwicklungsziele (a)18 und Verstärkung ihres realen Stellenwertes durch gemeinsame Organisierung ihrer Wirtschaftsinteressen und deren Verfolgung durch konzertierte Aktionen (b)19 • 74 Vgl. GAOR (S-VI), Del. Macovescu (Rumänien), A/PV2213, S.ll, para. 129; Del. Mizuta (Japan), A/PV 2211, S. 13, para. 145; Del. Olskowski (Polen), A/PV 2224, S. 6, para. 58. 711 So ausdrücklich Del. Ennals (Großbritannien), GAOR (S-VI), A/PV 2209, S. 24, para. 270, 271; Präsident Bongo (Gabun), GAOR (S-VI), A/PV 2210, S. 3, para. 34. 76 Vgl. Abschn. VII, insbesondere Ziff. 1 des Aktionsprogramms. 77 So auch bereits Abschn. III und F der Charta von Algier, UNCTAD II Proceedings, vol. I, Annex IX, S. 431 ff. Vgl. dazu Virally, Organisation, s. 318. 78 Vgl. Ziff. 4 e, g, r, s der Deklaration; Abschn. VII des Aktionsprogramms sowie Präambelabschn. 11 und Art. 21, 23 der Charta.

A. Die Zielvorstellungen von UN-Charta und NIEO

65

a) Der Anspruch auf absolute Souveränität über den Wirtschaftsbereich Der Kerngehalt dieser Zielsetzungen ist im 1. Abschnitt dargestellt worden. Diese Darlegungen, auf die sachlich verwiesen wird, sollen im Rahmen dieses Abschnitts lediglich durch die Gesamtwertung ergänzt werden, daß der Anspruch nach absoluter Souveränität über den Wirtschaftsbereich, der als erste Forderung der Entwicklungsländer hervorgetreten ist, im Gesamtkonzept der NIEO nur einen, allerdings gewichtigen und mit besonderer Priorität behandelten Teilaspekt der neuen Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen darstellt. b) Die Forderung nach ungehinderter Betätigung von Produzentenzusammenschlüssen Die Bestrebungen, Zusammenschlüsse der rohstoffproduzierenden Entwicklungsländer zu gründen mit dem Ziel, durch konzertierte Aktionen zweckentsprechender und erfolgreicher auf die Verwirklichung der eigenen Interessen hinzuwirken, werden von den Entwicklungsländern mit der Notwendigkeit begründet, gegen die Übermacht der Industrieländer auf den Weltrohstoffmärkten, insbesondere auch der Marktmacht der transnationalen Gesellschaften ein wirtschaftliches Gegengewicht aufzubauen80• Den Ausgangspunkt für diese Bestrebungen bildet das Beispiel der OPECS1 und der durch diese konzertierte Aktion demonstrierte Erfolg solidarischen Zusammenwirkens, der nun generell durch Zusammenschlüsse auch anderer Rohstoffproduzenten wiederholt werden soll82• In den Diskussionen der 6. Sondergeneralversammlung wird der Souveränität über Ressourcen und der daraus abgeleiteten Möglichkeit, sie als "bargaining-power" einzusetzen, von den Entwicklungsländern unverhüllt Hebelwirkung für die angestrebte Umgestaltung der Weltwirtschaftsbeziehungen beigemessen, wie an der Ankündigung, gegebenenfalls die kollektive Marktmacht der Entwicklungsländer für eine konsequente Verwirklichung ihrer Ziele einzusetzen83, deutlich wird. Vor diesem Hintergrund müssen 79 Vgl. Ziff. 4 t der Deklaration; Abschn. I 1 c des Aktionsprogramms; Art. 5 der Charta. so Vgl. Mughraby, S.175 sowie S.164; s. dazu auch Heimpel, S. 66, 70. Zum faktischen Hintergrund vgl. Kebschull, Vermarktung, S. 54 ff., S. 154 ff. 81 Vgl. Abschn. VIIl a, S. 2 des Aktionsprogramms, wo die "increasingly effective mobilization by the whole group of oil-exporting countries of their natural resources for the benefits of their economic development" ausdrücklich begrüßt wird. 82 Auch für Kupfer (CIPEC), Bauxit (IBA) und allerdings noch ohne konkrete Beschlüsse - Eisenerz haben sich bereits Zusammenschlüsse der rohstoffproduzierenden Länder gebildet: vgl. im einzelnen Studie, S.13, 26, 35. Vgl. dazu auch Engels I Khan I Matthies, S. 32 mit weit. Nachw. 8S Vgl. GAOR (S-VI), Del. Väsquez-Carrizosa (Kolumbien), AIPV 2209, S. 26; Del. Chatti (Tunesien), A/PV 2210, S. 13, 14; Del. Mwaanga (Sambia),

5 Kernper

66

I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

die Aussagen der NIEO zu Funktion und Bedeutung der Produzentenzusammenschlüsse gesehen werden. Artikel 5 der Charta erkennt ein Recht aller Staaten, sich in Organisationen von Grundstofferzeugern zusammenzuschließen, ausdrücklich an. Satz 2 dieser Bestimmung legt "correspondingly" allen Staaten die Pflicht auf, sich aller wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen zu enthalten, die dieses Recht beschränken könnten. Der materielle Gehalt dieser Bestimmung ist nicht eindeutig. Zutreffend ist in der Literatur darauf hingewiesen worden, daß die in ihr enthaltene Verpflichtung eines Verbots von Gegenmaßnahmen nicht auf die Existenz, sondern auf die Tätigkeit von Rohstoffkartellen bezogen werden müsse, wenn diese Aussage nicht auf eine inhaltslose Formel beschränkt sein solleß4. Als Zielsetzung der Rohstoffzusammenschlüsse erscheint nach dem Wortlaut des Artikels 5 der Charta die Sicherung einer stabilen Finanzierung für Entwicklungszwecke und eine dadurch erreichte Förderung eines beständigen Wachstums der Weltwirtschaft, insbesondere eine Beschleunigung des Wachstums der Entwicklungsländer. An der Vereinbarkeit dieser beiden Zielrichtungen werden in den Vorbehalten der IndustrieländerSS ernstliche Zweifel geltend gemacht. Insbesondere aus S. 2 des Art. 5 der Charta wird die Befürchtung abgeleitet, daß Zusammenschlüsse von Rohstoffproduzenten in praxi weniger dem allgemeinen Interesse oder der Berücksichtigung legitimer Belange der Verbraucher als einseitiger Durchsetzung der eigenen Interessen der Rohstoffländer dienen. Die Strategie einer Verstärkung der Zusammenarbeit der Entwicklungsländer untereinander als zweiter Pfeiler der neuen Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen ;steht mit ihrem Anspruch auf absolute Souveränität über den Wirtschaftsbereich und ungehinderter Betätigung von Produzentenzusammenschlüssen in einem deutlichen Gegensatz zu den übrigen Aussagen der NIEO und der für sie charakteristischen starken Betonung der zwischenstaatlichen Kooperationspflicht und Verantwortlichkeit für das gemeinsame Wohl. Welche Folgerungen daraus für eine abschließende Wertung der NIEO zu ziehen sind, soll im 2. Teil dieser Arbeit untersucht werden. In diesem 1. darstellenden - Teil soll nunmehr den Auswirkungen der NIEO auf die weitere Entwicklung im Bereich der Vereinten Nationen nachgegangen werden. A/PV 2211, S. 22, 23; Dei. Baah (Ghana), A/PV 2213, S. 14, 15; Del. Cissoko (Mali), A/PV 2220, S. 9. 84 Vgl. Tomuschat, Weltwirtschaftsordnung, S. 95. 85 Vgl. die Vorbehalte der Bundesrepublik Deutschland, Japans, der USA, Österreichs, Australiens, Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, auszugsweise wiedergegeben in ILM XIII (1974), S. 744- 766.

B. Die NIEO und die weitere Entwicklung im VN-Bereich

67

B. Die Bedeutung der NIEO für die weitere Entwicklung im Bereich der Vereinten Nationen

Die politische Bedeutung der NIEO zeigt sich daran, daß sie von den Entwicklungsländern bei allen nachfolgenden Konferenzen im Rahmen der Vereinten Nationen kontinuierlich als Referenzgrundlage für ihre Forderungen in Anspruch genommen wird, entsprechend der Aufforderung in Abschnitt IX Ziff. 2 des Aktionsprogramms, die Arbeiten der Vereinten Nationen auf die globalen Ziele der NIEO auszurichten. Im folgenden soll zunächst Inhalt und Ergebnis der 7. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen analysiert (I) und sodann- bezogen auf die Themenstellung dieser Arbeita&- ein Überblick über die Anstoßwirkung der NIEO in den einzelnen Fachbereichen der Vereinten Nationen gegeben werden (II). I. Der Stellenwert der 7. Sondergeneralversammlung für die von der 6. Sondergeneralversammlung eingeleitete Entwicklung

Die Debatten der 7. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen sind, trotz bestehender sachlicher Divergenzen, im wesentlichen gekennzeichnet von dem Bemühen, für beide Seiten annehmbare Lösungen zu finden87• Ein gegenüber der 6. Sondergeneralversammlung gewachsenes Verständnis der Vertreter der Dritten Welt dafür, daß die geforderten Änderungen der Weltwirtschaftsordnung sich nicht ad hoc verwirklichen lassen, sondern eine reale Verbesserung der Position der Entwicklungsländer einen längerfristigen Prozeß bedingt88 und eine zunehmende Bereitschaft der Industrieländer, Kernanliegen der Entwicklungsländer wie Sicherung und Stabilisierung ihrer Rohstofferlöse, Beschleunigung ihrer Entwicklung und Verbesserung des Marktzuganges für ihre Produkte als grundsätzlich berechtigt anzuerkennen89, erss Nicht einbezogen in diese primär auf den Rohstoffsektor und seine Verarbeitungsprobleme beschränkte Darstellung sind die unmittelbar auf die 6. SGV folgenden globalen Konferenzen der VN: die Weltbevölkerungskonferenz in Bukarest vom 19. bis 30. August 1974 und die Welternährungskonferenz in Rom vom 5. bis 16. November 1974. Vgl. dazu und zum Bezug auf die NIEO Engels I Khan I Matthies, S. 111 ff., S. 165 ff. 87 Die bereits von der 28. GV beschlossene SGV zum Thema "Development and International Economic Cooperation" - vgl. Einleitung- war nach der 6. SGV dann mit Res. N3343 (XXIX)- GAOR, 29th Session, Suppl. No. 31, vol. I - auf eine Fortführung der von der 6. SGV begonnenen Entwicklung ausgerichtet worden. Vgl. dazu Wechmar, S. 444 ff. 88 GAOR (S-VII), Del. Quaiser (Pakistan), NPV 2342, S. 23 (mim.); Del. Aguirre (Guatemala), NPV 2327, S. 106, 113 (mim.); Del. Amouzegar (Iran), AIPV 2328, S. 2 ff. (mim.); Dei. Chavan (Indien), NPV 2328, S. 67 (mim.); Del. Malik (Indonesien), NPV 2329, S. 58 (mim.); Del. Chagula (Tansania), NPV 2335, S. 61 (mim.); Dei. Hitam (Malaysia), AIPV 2336, S. 41 (mim.). 89 Vgl. GAOR (S-VII) - insbes. die Stellungnahme der USA (Außenminister Kissinger), AIPV 2327, S. 23 ff. (mim.) und die Ausführungen von Bundesaußenminister Genscher, NPV 2328, S. 26 ff. (mim.). Vgl. weiter

68

I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

möglichten die Annahme der Abschlußresolution der 7. Sondergeneralversammlung im Konsensusverfahren90• Inhaltlich91 ist diese Resolution gekennzeichnet durch eine Bekräftigung der grundsätzlichen Zielsetzungen der NIEO und das Bestreben, einen generellen Rahmen für die vertiefte Behandlung der Problematik in den einzelnen Fachbereichen zu schaffen. Die Tatsache, daß die von den Industrieländern bisher als unannehmbar abgelehnten Forderungen nach Unterstellung von Nationalisierungsmaßnahmen ausschließlich unter innerstaatliches Recht und nach ungehinderter Betätigung von Produzentenzusammenschlüssen in die Entschließung nicht aufgenommen worden sind, könnte die Wertung nahelegen, daß auch auf Seiten der Entwicklungsländer die Einsicht in die Notwendigkeit der Kooperation92 an die Stelle einer Strategie der Konfrontation getreten ist. Der Stellenwert der 7. Sondergeneralversammlung läge dann darin, daß in den die Industrieländer nicht weniger zentral als die Entwicklungsländer betreffenden Fragen einer funktionsfähigen Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen auf der Grundlage realistischen Verständnisses auf beiden Seiten93 eine Basis dafür geschaffen worden beispielhaft Del. Kimura (Japan), A/PV 2329, S. 41 ff. (mim); Außenminister Callaghan (Großbritannien), A/PV 2330, S. 51 (mim.); Del. MacEachen (Kanada), A/PV 2331, S. 46 53 (mim.). Unübersehbar sind das weitgehende Entgegenkommen der nordischen Staaten - vgl. Del. Lidborn (Schweden), A/PV 2331, S. 26 ff., S. 31 (mim.) - und Frankreichs - Außenminister Sauvagnargues, A/PV 2234, S. 31 ff., 37 (mim.) - sowie Irlands - Außenminister Fitzgerald, A/PV 2333, S. 61 ff., S. 63 (mim.) -. 90 Res. A/3362 (S-VII) vom 19. 9. 1975, GAOR, 7th Special Session, Suppl. No. 1. Der Konsensus - vgl. GAOR (S-VII) A/PV 2349, S. 11, 13 (mim.) kam mit der verfahrensmäßigen Absprache zustande, daß auf eine Wiederholung der im Ad-hoc-Ausschuß gegen die Resolution geltend gemachten Vorbehalte im Plenum verzichtet würde, diese aber dem Ausschußbericht im Wortlaut beigefügt würden. Insbes. die USA legten nachdrücklich dar, daß ihr Konsensus zu der Abschlußresolution der 7. SGV keine Zustimmung zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung und keine Aufgabe ihrer Vorbehalte gegen die Beschlüsse der 6. SGV bedeute: vgl. Wiedergabe der USErklärung in Materialien Nr. 51, S. 93 ff. In der Bundesrepublik entzündete sich eine innenpolitische Diskussion an der Frage, ob die Zustimmung zu der Abschlußresolution der 7. SGV eine Aufgabe der gegen die neue Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen bisher erhobenen Vorbehalte darstelle: vgl. die Antworten auf die Anfragen A 89 ff. und A 113 ff. im Deutschen Bundestag, BT-Drucks., 7. Wahlperiode, 190. Sitzung, S. 13.271 bis 13.274 und 193. Sitzung, S. 13.403 - 13.412. 91 Vgl. zum Inhalt der Entschließung im einzelnen Prill, S. 135 ff. 92 Vgl. Timmler, S. 393 ff., 406 und Radke, S. 36. 93 Vön zahlreichen Entwicklungsländern wurden die konkreten Vorschläge insbesondere der USA und der Bundesrepublik zur Verbesserung der derzeitigen Ausgangslage ausdrücklich begrüßt: vgl. statt aller - GAOR (S-VII) - Del. Malik (Indonesien), A/PV 2329, S. 67 (mim.); Del. Hitam (Malaysia), A/PV 2336, S. 47 (mim.); Del. Bihute (Burundi), A/PV 2336, S. 83 (mim.); Del. Reiyes (Philippinen), A/PV 2348, S. 2 (mim.); Del. Malinga (Swaziland), A/PV 2344, S. 51 (mim.); Del. Boaten (Ghana), A/PV 2343, S. 97 (mim.).

B. Die NIEO und die weitere Entwicklung im VN-Bereich

69

wäre, die mit der 6. Sondergeneralversammlung begonnene Entwicklung fortzuführen in Richtung auf die Erarbeitung neuer Formen der Kooperation zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern, die den Belangen beider Gruppen angemessen Rechnung tragen94, dem Streben der Entwicklungsländer nach einem gerechteren Platz im gegenwärtigen System der Weltwirtschaft ebenso wie den Interessen der Industrieländer an der Beachtung der objektiven Interdependenz der globalen Beziehungen. Daß die gleichzeitige Verwirklichung dieser beiden Zielsetzungen, auch wenn die Wünschbarkeit ihrer Synthese von den Repräsentanten der Industrieländer wie der Entwicklungsländer in gleicher Weise bekräftigt wird, in der konkreten Sacharbeit immer wieder in Phasen der Konfrontation zurückführt, zeigt die Entwicklung, die sich in den einzelnen Fachbereichen der Vereinten Nationen in dem anhaltenden Sachdialog zu den Zielsetzungen der NIEO vollzogen hat. U. Die Anstoßwirkung der NIEO in den Fadlbereichen der Vereinten Nationen

1. Die Entschließungen der 2. UNIDO-Generalkonferenz 1975 Die Forderungen der Dritten Welt nach einer neuen Ordnung der weltwirtschaftliehen Beziehungen prägen unübersehbar auch Verlauf und Ergebnis der 2. UNIDO-Generalkonferenz vom 12.-26. 3. 1975 in Lima, die durch die Entschließungen der 6. Sondergeneralversammlung und der 29. Generalversammlung eine völlig neue Orientierung erhielt95. Die Grundaussagen der NIEO über die Umgestaltung der bestehenden Strukturen der weltwirtschaftliehen Beziehungen werden in den Entschließungen der Konferenz, der Deklaration und dem Aktionsprogramm von Lima96, für den Teilbereich der Industrialisierung inhaltlich übernommenln und diese materielle Anlehnung auch in den 94 Die Suche nach politischen Lösungen für die zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern aufgebrochenen Konflikte ist in einem kleineren, aber mit dem ausdrücklichen Bemühen um Repräsentativität ausgewählten Kreis von acht Industrie- und 19 Entwicklungsländern (Ölexport- und sonstige Entwicklungsländer) Gegenstand der Beratungen der Mitte Dezember 1975 in Paris eröffneten Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit (KIWZ), deren Sachergebnisse abzuwarten bleiben. Vgl. zum derzeitigen Stand der Beratungen Abschluß der 1. Konferenzphase - das Kommunique über die Tagung vom 8. - 10. 7. 1976, abgedruckt in Europa-Archiv 1976, D 423, D 424. 95 Vgl. einerseits das ursprüngliche Mandat in Res. A/2952 (XXVII) vom 11. 12. 1972, YUN 26 (1972), S. 310 und andererseits Res. A/3306 (XXIX) vom 14. 12. 1974, GAOR, 29th Session, Suppl. No. 31, vol. I und Konferenzbericht ID/Conf. 3/31 vom 9. Mai 1975 (im folgenden: Bericht), insbes. Ziff. 5. 96 Wiedergegeben in Doc. ID/Conf. 3/31, S. 44 ff., im folgenden nach den fortlaufenden Nummern der Aussagen zitiert (Nr. 1-57: Deklaration; Nr. 58 bis 76: Aktionsprogramm).

70

I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

wiederkehrenden Bezugnahmen auf die NIEO formal zum Ausdruck gebracht98. Die Schlüsselstellung des Aufbaues eigener Fertigungskapazitäten in den Entwicklungsländern für eine beschleunigte wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Dritten Welt wird bestätigt99 und durch die Proklamation ergänzt, den Anteil der Entwicklungsländer an der Weltindustrieproduktion von derzeit 7 °/o bis zum Jahre 2000 auf mindestens 25 °/o zu steigerntoo. Der von den Entwicklungsländern angestrebtetot Konsensus über die Entschließungen der Konferenzt02' kam jedoch nicht zustande. Deklaration und Aktionsprogramm von Lima wurden zwar mit einer deutlichen Mehrheit von 82: 1 : 7 Stimment03 angenommen, ließen aber die sachlichen Gegensätze zwischen den Vorstellungen der Industrieländer und der Dritten Welt deutlich hervortretentM.

2. Das Integrierte Rohstoffprogramm der UNCT AD Auf dem für die Belange der Entwicklungsländer besonders vitalen Rohstoffbereich stellt das vom Generalsekretär der UNCTAD vorgelegte und nach ihm ,Corea-Plan' benannte "Overall lntegrated Programme for Commodities"t05 einen Versuch zur Verwirklichung der Zielsetzungen des Aktionsprogrammst06 dar, der von der Rohstoffkonferenz der Entwicklungsländer in Dakar 1975 ausdrücklich gebilligt worden istt 07. 97 Vgl. insbes. Ziff. 4, 5, 20, 21 sowie Wiederholung der Forderung nach Indexierung - Nr. 19 -, nach voller und permanenter Souveränität über natürliche Ressourcen - Nr. 32, 59 j - sowie nach Anerkennung von Produzentenzusammenschlüssen der Entwicklungsländer - Nr. 47, 60 e, f -. 98 Vgl. Präambelabschn. 4, 7 und Ziff. 33, 40 c, 60 h, 61 e, 76. 99 Vgl. Ziff. 23, 29 der Lima-Deklaration. too Vgl. Ziff. 28 der Lima-Deklaration. tot Vgl. Bericht S. 64, Ziff. 251 bis 255. t02 Vgl. den Überblick über die Beratungen dieser Konferenz bei Kurth, s. 74 ff. toa Gegenstimme: USA; Stimmenthaltungen: Belgien, Kanada, Bundesrepublik Deutschland, Israel, Italien, Japan, Großbritannien: vgl. Bericht, S. 70, Ziff. 279. to4. Vgl. die Anträge der Industrieländer auf Einzelabstimmung über kontroverse Sachaussagen - Bericht, Ziff. 255, 259 bis 277 - sowie die Erklärungen zur Stimmabgabe, wiedergegeben in ID/Conf. 3/SR 18 Add. 1 vom 19. 4. 1975. tos Vgl. UNCTAD-Res. TD/B/124 (XIV) vom 13.9.1974 und UNCTAD-Doc. TD/B/C.l/166 und Suppl. 1 bis 5 vom 9. 12. 1974 sowie Folgedokumente. Vgl. dazu auch Seitz, Rohstoffversorgung, S. 463 ff. und Timmler, S. 404 sowie Petersmann, Dritte Welt, S. 533 ff. to& Abschnitt I 1 - 3, insbes. Ziff. 3 a iv des Aktionsprogramms. to7 Vgl. Wiedergabe von Deklaration und Aktionsprogramm von Dakar in UNCTAD-Doc. TD/B/C.1/45 vom 17. 2. 1975, insbesondere Teil A 1 des Dakar-Aktionsprogramms, a.a.O., S. 11.

B. Die NIEO und die weitere Entwicklung im VN-Bereich

71

Kennzeichnend für diese Konzeption ist zunächst, daß abweichend von der ,case-by-case'-Basis traditioneller Rohstoffabkommen108 eine Vielzahl von Grundstoffen mit Exportinteresse für die Entwicklungsländer in den Verhandlungen zusammengefaßt werden, um damit einmal den Zusammenhalt der Produzenten der Dritten Welt zu stärken, zum anderen durch diese breitere Angebotspalette die Industrieländer unter Ausnutzung ihrer Interessen an bestimmten Rohstoffen zum Abschluß von Abkommen auch über die anderen Produkte der Liste zu bewegen. Die typische Besonderheit des integrierten Programms, dessen detaillierte Wiedergabe die Zielsetzung dieses Überblicks übersteigen würde109, liegt aber in dem Versuch einer multidimensionalen Problemlösung, basierend auf fünf Elementen: - Internationale Abkommen mit Vorratshaltung für alle lagerfähigen Grundstoffe der Liste, - gemeinsamer Fonds zur Finanzierung dieser internationalen Lager, - staatliche Abnahme- und Lieferverpflichtungen, - Verbesserung der derzeitigen Maßnahmen der Erlösstabilisierung, -Maßnahmen zur Ausweitung der Verarbeitung von Rohstoffen in Entwicklungsländern. Die bereits dargestellte Schlüsselstellung des Rohstoffbereichs für die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer hat das Integrierte Programm inzwischen zu einem politischen Zentralpunkt in den Beziehungenzwischen "Nord" und "Süd" werden lassen, wie insbesondere auch die Beratungen der 4. Welthandelskonferenz im Mai 1976 in Nairobi deutlich gemacht haben110• Obwohl auch die UNCTAD IV, wie die bisherigen Welth~ndelskonferenzen, unter der wnfassenden Zielsetzung stand, Lösungen für die Gesamtheit der handelspolitischen und finanziellen Schwierigkeiten der Entwicklungsländer zu finden 111 , ließ die besondere Stoßkraft der Forderungen der Entwicklungsländer im Rohstoffbereich und die damit im Zusammenhang stehende Konzentration auch des öffentlichen Interesses auf diesen Sektor weitere wichtige Fragen der Konferenz, wie beispielsweise die Verschuldensproblematik, die Verbesserung des Marktzugangs und den Tech.nologietranstos Vgl. zu Zielsetzung und Instrumentarium der traditionellen Rohstoffabkommen Knote, S. 82 ff. und Krappel, S. 14 ff. tos Zu seiner Zielsetzung und den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Implikationen vgl. Glismann I Juhl I Stecher, S. 3, 4, S. 16 ff. uo Vgl. zu Inhalt und Ergebnissen der 4. Welthandelskonferenz Friderichs, s. 518 ff. 111 Vgl. die Zusammenstellung der Forderungen der Entwicklungsländer in der sog. "Manila-Erklärung", einer Entschließung des Ministertreffens der ,Gruppe der 77' zur Vorbereitung auf UNCTAD IV vom 2. 2. bis 7. 2. 1976 in Manila, wiedergegeben in ILM XV (1976), S. 414 ff. und auszugsweise auch in Europa-Archiv 1976, D 404 ff.

72

I. 2. Abschn.: Wirtschaftliche Souveränität als Teilaspekt der NIEO

fer weitgehend in den Hintergrund treten. Die Härte, mit der im Rohstoffbt-reich die unterschiedlichen Positionen aufeinanderprallten, rückte mehr als einmal das Scheitern der Konferenz und damit nicht zu unterschätzende negative Auswirkungen auf den weiteren Fortgang des Nord-Süd-Dialogs in bedrohliche Nähe. Daß schließlich doch ein Konsensus über die Konferenzentschließung zum Rohstoffbereichll! erzielt werden konnte, dürfte entscheidend auf den im wesentlichen prozeduralen Gehalt der Resolution zurückzuführen sein. Der damit gefundene Formelkompromiß ist von den Vertretern beider Lager, den Industrieländern sowohl wie den Entwicklungsländern, als Beweis für ihre Wertung in Anspruch genommen worden, mit der Zustimmung zum sachlichen Inhalt der Entschließung ihre bisherigen essentiellen Positionen nicht aufgegeben zu haben113• An diesen gegensätzlichen Interpretationen wird deutlich, wie weit die Industrieländer und die Entwicklungsländer noch von einem materiellen Konsensus über eine wechselseitig annehmbare Ausgestaltung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen entfernt sind. Sie zeigen andererseits aber auch auf, wie massiv die Anstoßwirkung der NIEO und wie manifest der politische Wille der Entwicklungsländer veranschlagt werden muß, die sachliche Ebene der Fachorganisationen der Vereinten Nationen zur Verwirklichung der in ihr niedergelegten Zielsetzungen zu nutzen.

11! UNCTAD-Res. 93 (IV) vom 30. 5.1976, in deutscher Fassung abgedruckt in Materialien Nr. 53, S. 66 ff. sowie in Europa-Archiv 1976, D 412 ff. Zum Inhalt der Entschließung vgl. im einzelnen Kühn, S. 1 ff. 113 Vgl. einerseits beispielhaft die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland in der Schlußsitzung der 4. Welthandelskonferenz, wiedergegeben in Materialien Nr. 53, S. 72 sowie die Regierungserklärung vom 2. 6. 1976, BTDrucks., 7. Wahlperiode, 246. Sitzung, S. 17453 -17458 und andererseits die Erklärung der ,Gruppe der 77' in der Schlußsitzung der 4. Welthandelskonferenz, wiedergegeben in Materialien Nr. 53, S. 73 ff.

2. TEIL

Rechtliche und rechtspolitische Wertung der Konzeption der NIEO 1. Abschnitt

Untersuchung der rechtlichen Qualität der Aussagen der Generalversammlung A. Die Frage nach materieller Vereinbarkeit der Entschließungen der Generalversammlung mit dem allgemeinen Völkerrecht I. Die Forderung nadl permanenter und absoluter Souveränität über den Wirtschattsbereidl

Ausgangspunkt der rechtlichen Wertung der Forderung nach permanenter und absoluter Souveränität über den Wirtschaftsbereich ist Art. 2 der Charta als jüngste und unter Aufgabe früherer Positionen erfolgte umfassendste Aussage der Generalversammlung zu diesem Themenbereich.

1. Die Ableitung dieser Forderung aus dem Selbstbestimmungsgrundsatz Untersucht werden soll zunächst, ob das Recht zu unlimitierter nationaler Kontrolle natürlicher Reichtümer, Ressourcen und aller wirtschaftlichen Betätigungen, wie es in Art. 2 der Charta niedergelegt ist, eine rechtliche Grundlage im Selbstbestimmungsgrundsatz findet 1 • Zwar bildet, wie im 1. Teil dargelegt worden ist, der Anspruch auf wirtschaftliche Selbstbestimmung den Ausgangspunkt für die Forderung der Entwicklungsländer nach "permanent sovereignty over natural wealth and resources". Gleichwohl erscheint fraglich, ob der Selbstbestimmungsgrundsatz, unabhängig von der Frage, ob ihm Rechtssatzcharakter zukommt2 , als Grundlage für den Anspruch nach ausschließ1 So Bedjaoui, S. 496 und einhellig die sozialistische Lit.: vgl. statt aller Arzinger, S. 96, 192 ff. und Brehme, S. 72.

74

II. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

lieh nationaler Regelungsbefugnis über den wirtschaftlichen Bereich begrüflich in Frage kommen kann. Das Selbstbestimmungsrecht als "Anspruch einer nach bestimmten Merkmalen gekennzeichneten Gruppe von Menschen, das eigene Schicksal grundsätzlich unabhängig von Einflüssen eines Staates oder einer Staatengruppe zu gestalten" 3 ist seinem Wesen nach als Anspruch auf Unabhängigkeit gegen einen bestehenden Staat oder sonstigen Verband gerichtet4 • Die Forderung nach wirtschaftlicher Selbstbestimmung beinhaltet aber nicht diese Zielrichtung, sondern einen Anspruch auf effektive nationale Kontrolle über den Wirtschaftsbereich. Sie richtet sich als Anspruch eines konstituierten Staatsvolkes in seiner Gesamtheit5 gegen ausländische Wirtschaftsinteressen, von denen die jungen Nationen ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit bedroht sehen. Mit dieser Zielrichtung der Beseitigung jeder Form von unter formaler Anerkennung der Unabhängigkeit der Entwicklungsländer verwirklichter "neokolonialer Herrschaft" 6 ist der Anspruch auf permanente Souveränität des Staates über seinen Wirtschaftsbereich gerade nicht, wie es Inhalt des Selbstbestimungsrechts ist, auf Sezession von einem bestehenden Staatenverband gerichtet, sondern hat die Ausübung wesensmäßig staatlicher Funktionen zum Inhalt, nämlich die Ausübung territorialer Herrschaftsgewalt im eigenen Hoheitsgebiet. Die Forderung nach wirtschaftlicher Selbstbestimmung, die dem Bestreben nach "permanenter Souveränität" zu Grunde liegt, bildet insoweit lediglich das Motiv für die geltend gemachten Ansprüche. Ihr Inhalt, daß jeder Staat ,master of its own wealth'7 sein solle, ist aber begrüflich nicht 2 Die in der Vergangenheit zumindest in der westlichen Völkerrechtslehre - Anerkennung als Rechtsnorm grundsätzlich im Völkerrecht der sozialistischen Staaten: vgl. Tunkin, S. 39, 41; Graefrath, S. 55; Arzinger, S. 85, 107; Brehme, S. 71 sowie Nachweise bei Bracht, S. 14 ff. - kontroverse Frage, ob das Selbstbestimmungsrecht als Rechtsnorm - so Doehring, Selbstbestimmungsrecht, S.18, 48; Rabl, S. 479, 481; Decker, S. 338; Higgins, Development, S. 99 ff., 103 - oder als politischer Grundsatz - so Armbruster, S. 253, 254; Verdroß, Völkerrecht, S. 429; Dahm, Völkerrecht I, S. 390; Delbrück, S. 102, 103; Dohna, S. 222; Heidelmeyer, S. 243, 259 - einzuordnen sei, wird nunmehr, nicht zuletzt unter Berufung auf das Inkrafttreten der beiden UN-Menschenrechtspakte überwiegend zugunsten der Rechtsgeltung dieses Grundsatzes entschieden: vgl. dazu nunmehr auch Berber, Völkerrecht, 2. Aufl., S. 76, 176, 177 sowie die ausführliche Untersuchung von Thürer, S. 82 ff., der allerdings - S. 192 - eine Beschränkung des Rechtscharakters auf den Bereich der Dekolonisierung annimmt. Überblick über den Stand der Meinungen auch bei Delbrück, S. 102 bis 106; Dohna, S. 218 ff. und Chou-Young, S.124 ff. a So die allgemeine Definition von Armbruster, S. 250; ähnlich Fawcett, Law, S. 36 und Thürer, S. 49. Vgl. zu Inhalt und Anwendungsbereich des Selbstbestimmungsrechts auch Doehring, Selbstbestimmungsrecht, S. 9. 4 Armbruster, S. 253; Scupin, S. 724; Fawcett, Law, S. 36. 5 Vgl. Doehring, Selbstbestimmungsrecht, S. 29. 6 Schröder, Dritte Welt, S. 18; Subhan, S. 137.

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

75

Inhalt des Selbstbestimmungsrechts8 , sondern ein Problem von Inhalt und Reichweite der staatlichen Souveränität9 •

2. Die Ableitung dieser Forderung aus der territorialen Souveränität Im folgenden soll untersucht werden, ob der in Art. 2 der Charta niedergelegte Anspruch auf volle dauernde Souveränität jedes Staates nicht nur über natürliche Reichtümer und Ressourcen, sondern über alle wirtschaftlichen Betätigungen innerhalb seines Hoheitsgebiets und auf ungehinderte Ausübung dieser Rechte in seiner allgemeinen Souveränität eine Grundlage findet. a) Der Anspruch auf unlimitierte Ausübung der staatlichen Souveränitätsbefugnisse Aus dem Wesen der Souveränität, die als "internal independence" die "liberty of action of a State inside its borders" und als "external independence" den Ausschluß jeder "dependence from any other authority and in particular upon the authority of another State" umfaßt10, ergibt sich die grundsätzliche Befugnis jedes Staates "to exercise supreme authority over all persons and things within its territory" 11 • Ein Recht jedes Staates, die Ausbeutung natürlicher Reichtümer und Ressourcen sowie jede wirtschaftliche Betätigung innerhalb seines Hoheitsgebietes12 den Regelungen zu unterwerfen, die er für notwendig und wünschenswert hält, steht daher grundsätzlich in Einklang mit dem Inhalt der territorialen Souveränität der Staaten13. Zu prüfen bleibt aber, ob auch der in Art. 2 der Charta niedergelegte Anspruch 7 Vgl. dazu Banerjee, S. 520. s Der Ansatz von Seidl-Hohenveldern, Selbstbestimmung, S. 11, 12, die wirtschaftliche Selbstbestimmung als bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen potentiell negierend in Gegensatz zu stellen zu der relativen, völkerrechtliche Verpflichtungen anerkennenden Souveränität verliert auf dem Hintergrund der beanspruchten absoluten Souveränitätsrechte der Entwicklungsländer an Überzeugungskraft. Vgl. in diesem Kontext auch Doehring, Selbstbestimmungsrecht, S. 30. 9 So auch Doehring, Selbstbestimmungsrecht, S. 29, 49; Bokor-Szegö, S. 31; Asamoah, S. 83; Thürer, S.112, 113. 10 So Opp. I Lauterpacht, § 123. 11 Opp.l Lauterpacht, § 123. Ebenso Kelsen, Souveränität, S. 278, 280; Fenwick, Law, S. 296; Fawcett, Law, S. 31, 33; Serensen, S. 145; Alfaro, S. 98; Alvarez, S. 473; Verdroß, Völkerrecht, S. 7; Bentwich I Martin, S. 10; Korowicz, S. lOB; Dahm, Völkerrecht I, S. 154, 155; van Kleffens, S. 84; Schwarzenberger, Sovereignty, S. 266; Krüger, S. 3; Berber, Völkerrecht, S.180, 181; Charles C. Hyde, S. 439, 510. 12 Vgl. zur Rechtsnatur der territorialen Souveränität Lauterpacht, S. 91 ff.; s. auch Wengler, Völkerrecht II, S. 971; Dinh, S. 343, 344; Guggenheim, S. 335 ff. 1a Art. 2 der Charta spricht ausdrücklich nur "States" als Inhaber der dort niedergelegten Rechte an. Eine Auseinandersetzung mit der nach dem Wort-

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II. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

auf ungehinderte Ausübung der Souveränität über natürliche Reichtümer, Ressourcen und wirtschaftliche Betätigungen zu Recht als Inhalt einer ausschließlichen Staatenkompetenz in Anspruch genommen worden ist. Der in Art. 2 Abs. 1 der Charta erhobene Anspruch auf unbeschränkte (.,freely") Ausübung der Souveränität über den Wirtschaftsbereich geht über eine Bekräftigung der grundsätzlich völkerrechtlich unbestrittenen Pflicht jedes Staates hinaus ., to abstain, in the absence of enabling rules to the contrary, from intervention in the domestic affairs of other sovereign States" 14 • Er stellt sich dar als Proklamation eines absoluten staatlichen Rechts zur Regelung aller wirtschaftlichen Betätigungsformen und statuiert eine - aus der Einordnung der in diesem Zusammenhang insbesondere auf dem Sektor der natürlichen Ressourcen getroffenen Maßnahmen als legitime Mittel der innerstaatlichen Wirtschaftspolitik abgeleitete- unbeschränkte Befugnis, alle davon betroffenen Berekhe, wie Vornahme von Enteignung und Festsetzung von Entschädigung sowie gerichtliche Überprüfbarkeit der Zuständigkeit des Völkerrechts zu entziehen und ausschließlich der innerstaatlichen Rechtsordnung zuzuweisen15• Mit diesem absoluten Souveränitätsanspruch steht der in der Charta niedergelegte Souveränitätsbegriff der Entwicklungsländer16 im Gegensatz zu dem zumindest in der westlichen Völkerrechtslehre absolut einhellig17 gefaßten Begriff der .,sovereignty within the law", der Souveränität als relativem, durch die Verpflichtungen des Völkerrechts limitierten Recht18. laut früherer Resolutionen der GV nicht eindeutigen Frage - vgl. die Ausführungen zu Res. Al1803 im 1. Teil der Arbeit -, ob nach Auffassung der GV dieses Recht den Völkern oder den Staaten zustehen solle, erscheint daher entbehrlieh. 14 Schwarzenberger, Internat. Law, S. 119; ders., Fundamental Principles, S. 216. Inhaltlich übereinstimmend: Opp. I Lauterpacht, § 124; Berber, Völkerrecht, S. 298; Fitzmaurice, General Principles, S.166, 170; Scelle, S.116; Dinh, S. 350; Erler, Grundprobleme, S. 159, 160; Alvarez, S. 473; Fawcett, Law, S.33. 15 Vgl. Bokor-Szegö, S. 56, 57; Okoye, S. 179, 183; Bedjaoui, S. 540; Salem, s. 789. 16 Wohl die schärfste Kritik an diesem Begriff der permanenten Souveränität über Ressourcen als "reassertion of political sovereignty in its most primitive form: the supremacy of politics irrespective of and if necessary against the law" findet sich bei Schwarzenberger, Misery, S. 194 und inhaltlich übereinstimmend in World Order, S. 49 sowie Principles, S. 32. 17 Opp. I Lauterpacht, § 70; Verdroß, Völkerrecht, S. 8; Dahm, Völkerrecht I, S.153; Sauer, S.161; Schwarzenberger, Ideology, S. 8; ders., Politics, S. 89; van Kleffens, S. 84 ff.; Erler, Grundprobleme, S. 159, 160; Seidl-Hohenveldern, Selbstbestimmung, S. 11; Andrassy, Relations, S. 95; Gunst, S. 69, 102; Korowicz, S.l08; Fawcett, Law, S. 33; Jenks, Mankind, S. 124; Fenwick, Law, S. 297; Dinh, S. 364; Serensen, S. 164, 175; Bentwich I Martin, S.10; Garner, S. 6, 12. Die - z. B. von Heller, S. 118 ff., S. 161 ff. vertretene - absolute Souveränitätstheorie hat sich in der westlichen Völkerrechtslehre nicht durchsetzen können: vgl. dazu Serensen, S. 164 und Schaumann, S. 69 ff.

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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Im folgenden sollen auf der Grundlage dieses relativen Souveränitätsbegriffs die in Art. 2 der Charta niedergelegten Aussagen über die souveränen Rechte der Staaten auf ihre Vereinbarkeit mit den Normen des Völkerrechts untersucht werden. Der Ausdehnung des sachlichen Geltungsbereichs des erhobenen Souveränitätsanspruchs über die natürlichen Ressourcen hinaus auf alle wirtschaftlichen Betätigungen und damit auch auf die von Menschen geschaffenen Werte entsprechend, sollen zunächst die in Art. 2 Ziff. 1 der Charta proklamierten souveränen Rechte in bezug auf Besitz, Nutzung und freie Verfügung über natürliche Ressourcen (aa), daran anschließend der in Art. 2 Ziff. 2 niedergelegte Anspruch auf ausschließlich innerstaatliche Regelungsbefugnis über ausländische Unternehmen (bb) einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden. aa) Die Frage nach völkerrechtlichen Schranken der souveränen Rechte in bezug auf natürliche Ressourcen In der Sicht der Charta schließt die volle Souveränität über natürliche Reichtümer und Ressourcen ausdrücklich "possession, use and disposal" 19 ein. Es stellt sich daher die Frage, ob insoweit eine ausschließliche Staatenkompetenz im völkerrechtlichen Sinne besteht. aaa) Soweit der Begrüf "possession" ein Recht des Staates auf Besitz und Eigentum an natürlichen Reichtümern auf seinem Gebiet oder allgemein ein Recht zur Übernahme des gesamten Wirtschaftsbereiches in die unmittelbare Verantwortung des Staates durch Sozialisierung statuiert, stehen dem völkerrechtliche Schranken nicht entgegen. Das Völkerrecht befaßt sich mit der Ausgestaltung der inneren Wirtschaftsordnung der Staaten grundsätzlich nicht2(l. Eine innerstaatliche Regelung, die Bodenschätze der Verfügung des Grundeigentümers entzieht und ein Aneignungsrecht des Staates vorsieht4!1, steht als Ausübung ausschließlicher Staatenkompetenz im Wirtschaftsbereich daher ebenso außerhalb des Regelungsbereichs des Völkerrechts wie die grundsätzliche Befugnis jedes Staates "to choose its economic system as weil as its political, social and cultural system"212 • 18 Vgl. dazu Schwarzenberger, International Law, S. 121: "In fact, international law assists in a number of ways in making possible limitations on sovereignty. Rules of international customary law, general principles of law recognised by civilised nations and above all treaties impose far-reaching limitations on the sovereignty of States." 19 Vgl. den Wortlaut des Art. 2 Ziff. 1 der Charta. 2o Brierly, Law, S. 74, 75; Schwarzenberger, Ideology, S. 9 und Frontiers, S. 25; Scheuner, Grundlagen, A 21; Samy Friedma nn, 8.117, 118. 21 Überwiegend sehen die nationalen Berggesetze eine solche Regelung vor: vgl. die Übersicht in Status, S. 8 ff. 22 Vgl. Art. 1 der Charta.

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Il. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

bbb) Auch eine grundsätzliche Befugnis des Staates zu ungehindertem Gebrauch (use) natürlicher Reichtümer und wirtschaftlicher Aktivitäten im eigenen Hoheitsbereich ist als Inhalt der territorialen Souveränität völkerrechtlich zumindest dann anerkannt, wenn der ausgeübte Gebrauch keine Rückwirkung auf fremdes Staatsgebiet hat23 • Zwar bestehen nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht unbestritten Einschränkungen dieser souveränen Handlungsbefugnis. So ist der Inhaber der Gebietshoheit verpflichtet, dafür zu sorgen, daß von seinem Gebiet keine schädigenden Einwirkungen nicht unerheblichen Umfangs auf fremdes Territorium gelangen24 • Ihm obliegen femer bestimmte, sich im einzelnen aus dem internationalen Wasserrecht ergebende Pflichten hinsichtlich der Erhaltung von natürlichem Ablauf und Bestand von Gewässem, die nicht ausschließlich seinem Hoheitsgebiet zuzuordnen sind25• Insoweit handelt es sich aber um Sonderregelungen, deren maßgebliche Gesichtspunkte - Respektierung der territorialen Integrität des Nachbarstaates im Immissionsschutzrecht und reale Beteiligung der Anliegerstaaten an nicht ausschließlich dem Hoheitsbereich eines Staates zuzuordnenden Ressourcen im intemationalen Wasserrecht - auf die allgemeinen "relations de voisinage" zwischen den Staaten nicht übertragen werden können•. ccc) Auch für die von der Charta als Inhalt der Souveränität in Anspruch genommene Befugnis jedes Staates, über seinen Wirtschaftsbereich und damit auch über seine natürlichen Ressourcen ungehindert zu verfügen (disposal) gilt, daß "in all matters, which arenot regulated by relevant rules of intemationallaw or commitments entered into by a sovereign state, it has within its own territory the sole right of decision in all matters, economic, political, financial or other" 27• Daß zum Kembereich dieser souveränen Rechte die Befugnis gehört, Art und Ausmaß der Nutzung der in dem Territorium der Staaten vorhandenen natürlichen Ressourcen den Regeln zu unterwerfen, die sie im Hinblick auf ihre Zielsetzungen und Prioritäten für sachgerecht 2s Wengler, Völkerrecht II, S. 1000; Berber, Völkerrecht, S. 298; Schwarzenberger, Principles, S. 28 und Fundamental Principles, S. 219. 24 Vgl. statt aller: Trail-Smelter-Case, Report of International Arbitral Awards, vol. III, S. 1905 ff. ; Thalmann, S. 59, 159; Andrassy, Relations, S. 95; Verdroß, Völkerrecht, S. 230; Wengler, Völkerrecht II, S. 1001. 25 Vgl. statt aller: Berber, Wassernutzungsrecht, S. 181, 190 mit umfangreichem Überblick über die Literatur (S. 23 bis 33) und ders., Völkerrecht, S. 309; S0rensen, S. 198; Verdroß, Völkerrecht, S. 229; Andrassy, Relations, 8.117 und ders., Wassernutzung, S. 60, 65; Guggenheim, S. 358; Dahm, Völkerrecht I, S. 628, 630; Wengler, Völkerrecht II, S. 1001. 26 S0rensen, S. 195. Vgl. dazu auch von der Heydte, S. 135, 136. 27 Schwarzenberger, Fundamental Principles, S. 219. Ebenso Brierly, Law, s. 74, 75.

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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und wünschenswert ansehen28 und zumal bei erschöpfliehen Ressourcen auch eine Begrenzung des Abbaues vorzusehen, ist bereits dargelegt worden. In gleicher Weise besteht, sofern nicht Verpflichtungen des Völkervertragsrechts eingreifen, nach allgemeinem Völkerrecht eine Freiheit der Staaten zur Verfügung über ihre Ressourcen auch bezüglich ihrer Handelspolitik einschließlich der Möglichkeit zu Boykott- und Embargomaßnahmen. Ein allgemein anerkannter positiv-rechtlicher Satz des Völkerrechts, der die Handelsfreiheit verbürgt29 , besteht ebensowenig30 wie ein allgemeines Diskriminierungsverbot einen Bestandteil des geltenden Völkerrechts bildet31 • Vielmehr gilt auch insoweit, daß "thus in matters as vital for the rest of the world as migration, trade and armaments, each individual state is entitled to lay down the law for those parts of the world for which international law allocates to it exclusive responsibility"a!. Trotz der in dieser weitgehenden Freiheit des einzelnen Staates unbestreitbar enthaltenen Gefahr, durch einen rechtlich möglichen, aber sachwidrigen Gebrauch dieser Verfügungsmacht, z. B. durch grundlose Verweigerung existentiell benötigter Lieferungen, schwere Nachteile für die von solchen Maßnahmen betroffenen Staaten auszulösen, ist ein Schutz der Staaten vor schädlichen Auswirkungen der Wirtschaftspolitik anderer Staaten nicht bereits nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen, sondern allenfalls bei Vorliegen entsprechender vertraglicher Vereinbarungen33 anerkannt34• 28 Vgl. die von der Charta nicht gesondert aufgenommene Zielsetzung in Ziff. 4 e der Deklaration: "In order to safeguard these resources, each State is entitled to exercise effective control over them and their exploitation ..." 29 Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in Fortführung naturrechtlieber Gedankengänge von einem Teil der Literatur eine völkerrechtliche Pflicht der Staaten, sich für den internationalen Handel zu öffnen, bejaht: vgl. von Liszt, S. 68 und auch noch von Liszt I Fleischmann, S. 126; Harms, S. 68; Politis, S. 34, 35. Vgl. zu der geschichtlichen Entwicklung dieses in seinen Ursprüngen auf Vitoria zurückreichenden ius commercii Scott, S. 139 ff. und die a.a.O., Appendix A wiedergegebene "Relectione de Indis", insbes. Section III, S. XXXVII, Rz. 389- 391. Vgl. weiter Scheuner, Solidarität, S. 263, 264 und ders., Naturrechtliche Strömungen, S. 571 sowie Stödter, S. 70, 74 ff. und - ausführlich - Lindemeyer, S. 362 ff. so Vgl. Erler, Grundprobleme, S. 55 und ders., Boykott, S. 239; Wengler, Völkerrecht li, S.1038; Opp. I Lauterpacht, § 141; Scheuner, Formation, S. 189; Schwarzenberger, Principles, S. 12, 49 und ders., Equality, S. 164; Lindemeyer, S. 371, S. 403; Alfaro, S. 100. Auch Alvarez, S. 552 erkennt ausdrücklich an, daß das in seine Zusammenstellung der "principes nouveaux" aufgenommene - fast wörtlich an die Formulierung Vitorias anknüpfende - "droit de tous les Etats aux matieres premieres que possedent en excedant d'autres Etats, ce droit supposant en retour le paiement d'une juste indemnite ... n'est pas encore definitivement reconnu par l'opinion publique mondiale". s1 Kewenig, Nichtdiskriminierung, S. 32, 49; Erler, Boykott, S. 239; Jaenicke, Diskriminierung, S. 145, 146; Schwarzenberger, Equality, S. 163; Baade, s. 23, 24. 82 Schwarzenberger, Politics, S. 90.

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II. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

Versuche, im Hinblick auf die mögliche Intensität der nachteiligen Wirkungen einzelstaatlicher Maßnahmen die Befugnis der Staaten zur Verfügung über ihren Wirtschaftsbereich, insbes. die Vermarktung ihrer Ressourcen bereits de lege lata als durch völkerrechtliche Normen eingeschränkt zu sehen, vermögen nicht zu überzeugen. So ist unter Hinweis auf die "Ölkrise" geltend gemacht worden3•\ die Lieferbeschränkungen der arabischen Erdölproduzenten gegenüber den westlichen Industriestaaten hätten gegen die Zielvorstellungen ("goal-values") der Charta der Vereinten Nationen, insbesondere gegen das Gewaltverbot des Art. 2 (4) verstoßen. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich nach absolut herrschender Meinung zumindest in der westlichen Völkerrechtsliteratur-W das Gewaltverbot der UN-Charta87 nicht auf wirtschaftliche Gewalt, gleichgültig welcher Intensität bezieht38, auch wenn unstreitig in massivem wirtschaftlichen Druck eine Gewaltanwendung liegen kann, die hinter der Wirksamkeit bewaffneter Aktionen nicht zurücksteht39 • Nicht ausgeschlossen ist allerdings, daß im Einzelfall das völkerrechtliche Interventionsverbot der grundsätzlich bestehenden Freiheit der Staaten zur Verfügung über ihre Ressourcen Grenzen setzt40 • Von einer Stellungnahme zu diesem allgemein auf die Verhinderung einer völkerrechtswidrigen Einwirkung auf die Entschließungsfreiheit eines anderen Staates und damit die politische Sphäre abzielenden Prinzip soll jedoch in diesem Zusammenhang der Untersuchung möglicher völkerrechtlicher Schranken einer ökonomischen Nutzung der natürlichen 33 Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem die multilateralen GATT-Verpflichtungen zur Nichtdiskriminierung: vgl. insbes. Art. I, XI, XIII. Zu der Frage der Vereinbarkeit von Exportbeschränkungen und -kontrollen mit den Verpflichtungen des GATT im einzelnen s. Jackson, S. 498 ff. Vgl. aber auch die kritischen Stellungnahmen zur tatbestandsmäßigen Reichweite der allgemeinen Ausnahmebestimmungen der Art. XX, XXI bei Bergsten, Export-Controls, S. 4 ff. und Kewenig, Nichtdiskriminierung, S. 71, der die Eignung der Ausnahmebestimmungen als Einbruchstellen für potentiellen Mißbrauch ausdrücklich hervorhebt. 34 Slllrensen, S. 195; Bowett, S. 107, 113; Schwarzenberger, Ideology, S. 9; ders., Principles, S. 28. 35 Paust I Blaustein, S. 412 f., 417. Zutreffende Kritik daran bei Smith, S. 136, 137. Darstellung der Rechtmäßigkeit des Embargos aus arabischer Sicht bei Shihata, S. 608 ff., 616, 621 ff. 36 Zum Stand der Meinungen vgl. Kewenig, Gewaltverbot, S. 188 ff. 37 Vgl. zu seiner unbestrittenen allgemeinen Geltung statt aller: Brownlie, S. 112; Dahm, Völkerrecht I, S. 200; Scheuner, Nichtmitglieder, S. 383. 38 Vgl. Wengler, Gewaltverbot, S. 17, 18, 20; Kewenig, Gewaltverbot, S.190; Verdroß, Völkerrecht, S. 543; Dahm, Völkerrecht I, S. 199; Derpa, S. 136 mit umfassender Literaturübersicht S. 26, 27; Dohna, S. 58; Seidl-Hohenveldern, Selbstbestimmung, S. 12; Golsong, S. 7. 39 Wittig, S. 56. 40 Vgl. dazu statt aller Dahm, Völkerrecht I, S. 204, 206 f.; Berber, Völkerrecht, 2. Aufl., S. 186 ff. und Kewenig, Gewaltverbot, S. 175, 191.

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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Ressourcen eines Staates mit der Zielrichtung einer Förderung seiner wirtschaftlichen Entwicklung abgesehen werden. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß zwar der in Art. 2 Ziff. 1 der Charta niedergelegte Anspruch, die Souveränität über den Wirtschaftsbereich unlimitiert auszuüben, mit dem relativen Souveränitätsbegriff des Völkerrechts in Widerspruch steht, daß aber die beanspruchten Befugnisse zu Besitz, Nutzung und Verfügung über natürliche Reichtümer, Ressourcen und den Wirtschaftsbereich allgemein als Inhalt der territorialen Souveränität der Staaten völkerrechtlich anerkannt sind. bb) Die Frage nach völkerrechtlichen Schranken der souveränen Rechte in bezug auf ausländische Investitionen Ein Recht jedes Staates, über ausländische Unternehmen in seinem Hoheitsgebiet entsprechend seinen Gesetzen und Vorschriften und im Einklang mit seinen nationalen Zielen und Prioritäten staatliche Gewalt auszuüben, ist als Inhalt seiner allgemeinen staatlichen Souveränität grundsätzlich völkerrechtlich anerkannt. Kein Staat ist völkerrechtlich verpflichtet, ausländische Unternehmen in seinem Gebiet zuzulassen oder fremden Staatsangehörigen in gleichem Umfang wie seinen eigenen Staatsangehörigen die Möglichkeit zu gewerblicher Betätigung zu geben41 • Soweit aber ausländische Unternehmen unter Beachtung der entsprechenden staatlichen Vorschriften42 eine Tätigkeit aufgenommen oder im Territorium des Staates Vermögen erworben haben, richtet sich ihre Rechtsstellung nicht mehr ausschließlich nach nationalen Vorschriften, sondern auch nach den Bestimmungen des Völkerrechts und begründet eine völkerrechtliche Verantwortung des Staates für eine Behandlung ausländischer Staatsangehöriger, die diesen Grundsätzen nicht entspricht: "No state is legally bound to admit aliens into its territory, but if it does so, it must observe a standard of 41 Opp. I Lauterpacht, § 321; Guggenheim, S. 300; Berber, Völkerrecht, S. 380 und 2. Auft., S. 403 ff., 408; Brierly, Law, S. 278; Charles C. Hyde, S. 216, 217 und 651; Böckstiegel, Grundsätze, S. 67, 120; Wengler, Völkerrecht II, S.1005. 42 Vgl. dazu Frick, S. 38 ff. sowie die umfassende Übersicht in Status, S. 7 ff.

über die in Ausübung staatlicher Regelungsbefugnis getroffenen Einzelregelungen im Sektor natürlicher Reichtümer und Ressourcen, wie z. B. Einführung einer zwingenden Konzessionierungspfticht mit einer grundsätzlich in das staatliche Ermessen gestellten Verweigerung oder nur beschränkten Erteilung der Erlaubnis ("discretionary grants"), Einführung einer obligatorischen staatlichen oder inländischen Beteiligung an ausländischen Unternehmen - vgl. zu den sog. "joint-ventures" insbes. die Untersuchungen von Friedmann I Beguin, S . 4 ff., 310 ff. und Friedmann I Pugh, S . 746 ff. - und Beschränkungen von Import und Export ausländischen Kapitals. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Regelung des Investment-Code des Anden-Marktes - abgedruckt in ILM XI (1972), S. 126 ff. - , der eine schrittweise Ablösung ausländischer Investitionen nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne vorsieht. 6 Kernper

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decent treatment towards them43." Denn nach den kraft allgemeinen Völkergewohnheitsrechts44 geltenden Grundsätzen des völkerrechtlichen Mindeststandards sind Ausländer gegenüber Maßnahmen des territorialen Souveräns durch einen objektiven Standard von Personen- und Vermögensrechten45 geschützt, den sie nach allgemeinem Völkerrecht beanspruchen können, ohne Rücksicht darauf, welche Rechte der Gaststaat seinen eigenen Staatsangehörigen zubilligt-44. aaa) An dieses Rechtsinstitut des fremdenrechtliehen Mindeststandards erteilt Art. 2 Ziff. 2 S. 2 der Charta mit der Forderung, daß kein Staat gezwungen werden dürfe, ausländischen Investoren eine Vorzugsbehandlung47 zu gewähren, eine eindeutige Absage. Mit dieser Bestimmung wird eine Tendenz aufgenommen und erweitert, die bisher insbesondere in der Praxis der südamerikanischen Staaten48 zu beobachten gewesen ist. In Abkehr von einem objektiven, sich aus dem Völkerrecht ergebenden Standard in der Behandlung von Gebietsfremden, der verglichen mit der Behandlung inländischer Staatsangehöriger zu einer besseren Behandlung der Ausländer dann führt, wenn die Rechtsordnung des Gastlandes hinter den völkerrechtlichen Anforderungen zurückbleibt49, ist insbesondere von ihnen die Auffassung vertreten worBrierly, Law, S. 276. Zur Entwicklung dieser Grundsätze s. Schwarzenberger, Internat. Law, S. 207 und ders., Frontiers, S. 62. Vgl. dazu aber auch die kritischen Ausführungen von Schindler, S. 14 ff., S. 34 ff. über die - S. 35 - Ausformung dieser Grundsätze "zum Zwecke der juristischen Rechtfertigung der diplomatischen Intervention der Westmächte". 45 Auf die Schwierigkeit einer präzisen Bestimmung von Inhalt und Umfang dieser Rechte wird in der Lit. fast übereinstimmend hingewiesen: vgl. Briggs, S. 567; Brierly, Law, S. 279; Wengler, Völkerrecht li, S. 1006; Berber, Völkerrecht, S. 381 und 2. Auft., S. 408; Schnitzer, S. 537; Frick, S. 87 sowie Schindler, S. 50 mit besonderer Betonung der Wechselwirkung zwischen den Wandlungen der internationalen Gemeinschaft und der Reichweite dieser Rechtsgrundsätze. 46 Wengler, Völkerrecht li, S. 1003, 1004; Brierly, Law, S. 278; de Visscher, S. 242; Fenwick, Law, S. 329; Dinh, S. 365; Frick, S. 86; Guggenheim, S. 310; Jaenicke, Gleichbehandlung, S. 693; Böckstiegel, Grundsätze, S. 77; Schwarzenberger, Intern. Law, S. 206; ders., Order, S. 103 und Frontiers, S. 219; Berber, Völkerrecht, S. 380 und 2. Auft., S. 406, 407; Fitzmaurice, General Principles, 43 44

S.189.

47 Gerechtfertigt wird diese Abkehr der Entwicklungsländer von völkerrechtlichen Grundsätzen mit dem Argument, daß diese ihnen für die Behandlung von Ausländern einen Standard aufzwängen, den sie in aller Regel nicht einmal ihren eigenen Bürgern zu sichern in der Lage seien: vgl. statt aller Okoye, S. 183. 48 Von Fenwick, Law, S. 331 charakterisiert "as an offset to what has been considered the ,interventionist' policy of the United States". Vgl. dazu auch Schwarzenberger, Principles, S. 30; Schindler, S. 31- 34. 49 Fenwick, Law, S. 332; Berber, Völkerrecht, S. 380; Frick, S. 86. Darauf, daß mit zunehmender Anerkennung einer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte die Unterscheidung zwischen Inländerbehandlung und objektivem Mindeststandard ihre Bedeutung verliere, weisen

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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den, ein Staat genüge seinen Pflichten gegenüber Ausländern bereits dann, wenn er ihnen die gleiche Behandlung zuteil werden lasse wie seinen eigenen Staatsangehörigen50• Mit ihrer in Art. 2 Ziff. 2 im einzelnen niedergelegten Ablehnung jeder völkerrechtlichen Verpflichtungen in bezug auf ausländische Unternehmen geht die Charta über diese, zumindest einen "standard of national treatment"51 zuerkennenden Auffassungen aber noch hinaus, wie im folgenden für den Bereich der Eigentumsentziehungen Ziff. 2 c des Art. 2 der Charta - näher dargelegt werden soll. aaa 1) Ein sich aus der Souveränität ergebendes Recht jedes Staates zur Eigentumsentziehung ist völkerrechtlich unbestritten52• Gleichwohl steht aber das in Art. 2 Ziff. 2 c der Charta proklamierte Recht "to nationalize, expropriate or transfer ownership of foreign property"53 mit den allgemeinen Grundsätzen des VölkerrechtsM über Eigentumsentziehungen nicht in Einklang. Nach diesen Grundsätzen ist eine Eigentumsentziehung nur dann völkerrechtsgemäß, wenn ihr der Inhalt bindender Verträge nicht entgegensteht55, wenn ihre Vornahme durch öffentliche Interessen als rechtfertigende causa geboten56 ist, sie Wengler, Völkerrecht II, S. 1004, Doehring, Fremdenrecht, S. 75 und Frick, S. 87, 88, hin. Vgl. aber auch die daran für den Bereich des Eigentumsschutzes geäußerten Zweifel von Bedjaoui, S. 542, 543. 50 Vgl. den Überblick zum Meinungsstreit um die ,equality doctrin' bei Briggs, S. 564, 565. Diese Auffassung hat sich jedoch in Völkerrechtslehre und Staatenpraxis nicht durchsetzen können: vgl. statt aller Doehring, Fremdenrecht, S. 87 ff. und Bindschedler, Verstaatlichungsmaßnahmen, S. 12, 13. 61 Schwarzenberger, Frontiers, S. 220. 52 Vgl. statt aller Böckstiegel, Nationalisierungsmaßnahmen, S. 30 und Vertragspartner, S. 171 m. w. Nachw. 53 Zur Nomenklatur vgl. O'Keefe, S. 256 und Böckstiegel, Grundsätze, S. 31 ff., der die Uneinheitlichkeit der verwandten Terminologie betont. 54 Die Geltung eines allgemeinen Prinzips angemessener Kompensation von Ausländern wird bestritten von der sozialistischen Völkerrechtslehre, nach der es sich bei dem Rechtsinstitut des internationalen Mindeststandards um den Versuch handelt, "die Grundprinzipien des Rechts der führenden kapitalistischen Mächte ... als für alle verbindlich zu proklamieren": vgl. Tunkin, S. 126, 127 und Brehme, S.136 und 247. Auf diese ideologisch bestimmte Gegensätzlichkeit und die Frage, inwieweit sich diese Gegensätzlichkeit auf die Universalität der völkerrechtlichen Grundsätze auswirkt, soll jedoch nicht näher eingegangen werden: s. dazu auch Berber, Völkerrecht, S. 401 und de Visscher, S. 197. 65 Daß neben den in völkerrechtlichen Verträgen übernommenen Verpflichtungen auch Konzessionsverträge des Staates mit privaten Unternehmen der völkerrechtlichen Regel des "Pacta sunt servanda" unterliegen - vgl. statt aller Böckstiegel, Vertragspartner, S. 179 ff., 213 ff. mit ausführlichen Nachweisen-, kann als h. M. nicht angesehen werden: vgl. dazu Frick, S. 49 und Baade, S. 25, 26. 56 Dahm, Völkerrecht I, S. 513; Berber, Völkerrecht, S. 398; StzJrensen, S.175; Cheng, Principles, S. 38, 49; Schwarzenberger, Order, S. 90; Wengler, Völkerrecht II, S. 1007; Böckstiegel, Grundsätze, S. 71 und Vertragspartner, S. 171; Domke, S. 591, 600; Polter, S. 59. 6•

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li. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

in nicht-diskriminierender Weise-57 vorgenommen und die nach allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts zwingend58 geschuldete Entschädigung gezahlt wird. Welche Entschädigung völkerrechtlich geschuldet ist, gehört zu den wohl umstrittensten Fragen des Enteignungsvölkerrechts. Die klassische, durch die Grundsätze von "prompt, adequate and effective compensation" gekennzeichnete Auffassung59 sieht eine Entschädigung nur dann als den völkerrechtlichen Anforderungen entsprechend an, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vornahme der Enteignung gezahlt wird, dem Eigentümer einen vollen Ausgleich für den Wert der enteigneten Anlage verschafft und ihm durch ihre tatsächliche Verfügbarkeit gleichwertige wirtschaftliche Dispositionen erlaubt60 • Eine detaillierte Stellungnahmell1 dazu, ob von einer weiterhin bestehenden Anerkennung dieser strikten Erfordernisse als Inhalt des universalen Völkerrechts auszugehen ist62, ob sich eine allgemeine Auflockerung dieser Entschädigungsgrundsätze vollzieht63 mit der Folge, daß die völkerrechtlichen Verpflichtungen eines Staates im Enteignungsfall bereits durch Zahlung einer Entschädigung erfüllt sind, 57 Keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot bei auf ausländische Unternehmen beschränkten Nationalisierungsmaßnahmen sieht Petersmann, Wirtschaftsintegrationsrecht, S. 239. Ähnlich Baade, S. 24. Vgl. zu der Frage eines differenzierenden Ansatzes insoweit auch Kewenig, Nichtdiskriminierung, S. 89, 90. 58 Zum zwingenden Charakter der Entschädigung vgl. statt aller: SeidlHohenveldern, Charta, S. 239; Cheng, Principles, S. 47; Böckstiegel, Grundsätze, S. 75. so Grundlegend für diesen Standard ist der Briefwechsel zwischen den USA und der mexikanischen Regierung über die von Mexiko vor dem 2. Weltkrieg vorgenommenen Landreformen und Verstaatlichung der Ölindustrie, abgedruckt in AJIL 32 (1938), Suppl., S. 181 bis 207. 80 Vgl. statt aller: Seidl-Hohenveldern, Investitionen, S. 21, 23; Böckstiegel, Vertragspartner, S. 175 und Nationalisierungsmaßnahmen, S. 30. Inhaltlich übereinstimmend, unheselladet der verwandten Formulierung "angemessen" auch Bindschedler, Verstaatlichungsmaßnahmen, S. 69 sowie - zumindest für Individualenteignungen - Berber, Völkerrecht, S. 399. Repräsentativ für die Kritik der Entwicklungsländer an der westlichen Berechnungsweise eines vollen Wertausgleichs - vgl. dazu auch die kritischen Ausführungen von Friedmann, Social Conflict, S. 128 - sind die Ausführungen von Okoye, 8.180 ff. 61 Die Literatur zu diesem Bereich ist fast unübersehbar. Eine Zusammenstellung auf relativ neuem Stand ist in UN-Doc. ST/LIB/35 vom 20. 9. 1974 enthalten. Vgl. auch den bibliographischen Anhang (allerdings Stand 1963) bei Seidl-Hohenveldern, Investitionen. 62 Als offizielle Haltung der OECD-Staaten bezeichnet sie Folter, S. 34. 83 In der Literatur sind Tendenzen erkennbar, unter Hinweis auf die in den Resolutionen der GV zur permanenten Souveränität niedergelegten Aussagen eine inzwischen eingetretene Derogation dieser Grundsätze - zumindest was ihre universale Geltung angeht - anzunehmen, da darin eine fehlende, aber für den Fortbestand dieser Grundsätze als Rechtsregeln der internationalen Gemeinschaft erforderliche opinio iuris communis zum Ausdruck komme: vgl. Castai'ieda, 8.171; Fawcett, United Nations, S. 64 und

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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die unter Einbeziehung aller Umstände als gerechter - angemessener - Ausgleich der abzuwägenden Interessen angesehen werden kann6 4, oder ob eine solche Entschädigung nach Billigkeitsgesichtspunkten nur für einschneidende strukturelle Umgestaltungen der Wirtschafts- und Sozial01·dnungM oder zumindest bedeutender Sektoren der Volkswirtschaft6lt gelten kann, ist im Rahmen dieser Arbeit und der mit ihr verfolgten Zielsetzung einer völkerrechtlichen Wertung der in der NIEO niedergelegten Grundsätze weder möglich noch erforderlich. Denn dieser Meinungsstreit bezieht sich nur auf den Umfang der geschuldeten Entschädigung, stellt aber nicht in Frage, daß nach allgemeinem Völkerrecht eine Verpflichtung zur Entschädigungszahlung bei Eigenturnsentziehungen besteht. Wenn, wie in diesem Falle, zwar über die Reichweite einer Verpflichtung keine Einigkeit besteht, ihre Existenz als solche aber nicht in Frage gestellt wird, gilt als unbestrittener Inhalt des Völkerrechts auf jeden Fall "die Norm der unteren Grenze" 67, die Rechtsüberzeugung, die der Regel die geringste Ausdehnung gibt, denn mindestens insoweit besteht ein allgerneiner Konsensus. Das führt zu dem Ergebnis, daß -unabhängig von der Frage, welcher Auffassung über die Höhe der geschuldeten Entschädigung man folgtdie in Art. 2 Ziff. 2 c der Charta enthaltene Ablehnung jeder völkerrechtlichen Verantwortung für die Entziehung ausländischen Eigenturns mit den für die Rechtmäßigkeit einer Eigenturnsentziehung geltenden völkerrechtlichen Mindestanforderungen eindeutig nicht zu vereinbaren ist. Weder ist die Entziehung ausländischen Vermögens an die Voraussetzung einer dem Individualinteresse vorgehenden rechtfertigenden causa geknüpft noch das Gebot der Nichtdiskriminierung bei White, S. 547. Allgemein zur Evidenzfunktion von Resolutionen der Generalversammlung für den Prozeß der desuetudo: Arangio-Ruiz, S. 471; Steinberger, S. 641; Guradze, S. 60; Sloan, S. 25; Higgins, ASIL, S.121; Serensen, S. 99; Golsong, S. 30. 64 So Dahm, Völkerrecht I, S. 516, 517 unter Hinweis darauf, daß sich auch im nationalen Recht eine soziale Pflichtenbindung des Eigentums weitgehend durchgesetzt habe. Friedmann, Changing Structure, S. 206 ff. und General Course, S. 180, 181 tritt für die Anwendung eines "principle of unjust enrichment" ein mit der Folge einer Festsetzung nicht nach den Gewinnerwartungen des enteigneten Unternehmens, sondern auf der Basis eines Vergleichs der von ihm gezogenen Vorteile mit dem dem enteignenden Staat durch die Investition zugeflossenen Nutzen. Vgl. dazu auch Cheng, Principles, S. 48. Ähnlich Mughraby, S. 31, 35; de Nova, S. 136, 138; Wehser, S. 120, 121. 65 Vgl. dazu beispielhaft Berber, Völkerrecht, S. 399 und inhaltlich übereinstimmend 2. Aufl., S. 427, 428 m. weit. Nachw. sowie den Bericht von La Fradelle für die Tagung des IDI 1950, Annuaire, vol. 43, tome I, S. 42 ff. und die Beratungen der Tagung des IDI 1952 zu diesem Thema, Annuaire, vol. 44, tome II, S. 251 ff. 66 Vgl. dazu beispielhaft Wengler, Völkerrecht II, S. 1008; Tomuschat, Berichte, Heft 13, S. 137. 67 s. Dahm, Völkerrecht I, S. 33; Wengler, Völkerrecht I, S. 180.

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II. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

der Durchführung der Enteignungsmaßnahmen aufgenommen noch eine völkerrechtlich zwingend geschuldete Entschädigung anerkannt. Vielmehr sind alle Maßnahmen ausschließlich in die Disposition des enteignenden Staates gestellt. In besonders ausgeprägtem Maße zeigt sich dieses an der Festsetzung der Modalitäten der Entschädigung: die gleichwertige Bezugnahme auf Gesetze und Vorschriften einerseits und die subjektiv vom enteignenden Staat für wesentlich gehaltenen Umstände andererseits schließt jede objektive Bestimmbarkeit der zu zahlenden Entschädigung aus und führt damit ein Element der Rechtsunsicherheit in die Rechtsstellung ausländischer Privatinvestitionen ein, das auf die - wirtschaftliche - Entscheidung über die Vornahme von Investitionen im Ausland nicht ohne Einfluß bleiben kann68• aaa 2) Auch die in Art. 2 Ziff. 2 c S. 2 der Charta getroffene Regelung des Rechtsschutzes für Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung steht mit völkerrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang. Zwar umfaßt die territoriale Souveränität eines Staates auch das Recht "to exercise jurisdiction over all persons in its territory, including foreigners present here"69 • Andererseits ist aber anerkannt, daß grundsätzlich jeder Heimatstaat ein Recht zur Ausübung diplomatischen Schutzes über seine Staatsangehörigen im Ausland hat7°. Die in Art. 2 der Charta statuierte endgültige Streitbeilegung durch die innerstaatlichen Gerichte zielt demgegenüber darauf ab, die Gewährung diplomatischen Schutzes auch dann auszuschließen, wenn die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind, ohne daß dem Interesse des enteigneten Ausländers Genüge getan worden ist71 oder wenn innerstaatliche Rechtsbehelfe entweder nicht vorhanden sind oder verweigert werden72• Mit der darin liegenden Abkehr von den Regeln des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts über die diplomatische Schutzgewährung73 knüpft die Charta an den Inhalt der von gleichen Zielos Als "gefährlichen Trend, der die freie völkerrechtliche Zusammenarbeit aufs schwerste belasten und letztlich den Urhebern dieser Deklaration mehr Schaden als Nutzen bringen könnte", wertet Berber, Völkerrecht, 2. Auflage, S. 430 die Ausgestaltung der Enteignungsbestimmungen der NIEO. ee Fitzmaurice, General Principles, S. 170. 10 Diese einhellige Meinung der Literatur vgl. beispielsweise Opp. I Lauterpacht, § 319; Dahm, Völkerrecht I, S. 524 ; Fenwick, Law, S. 330; Samy Friedmann, Expropriation, S. 5; Fitzmaurice, General Principles, S. 190; Geck, S. 379, 383; Brierly, Law, S. 276; Scheuner, Grundlagen, A 21; Schwarzenberger, Order, S. 103- ist vom IGH im "Barcelona-Traction-Case" bestätigt worden: vgl. ICJ-Reports 1970, S. 3 ff. (32 ff., 44). 11 Vgl. zu dieser "exhaustion of local remedies-rule" statt aller Geck, S. 383 und Schwarzenberger, World Order, S. 46. 12 Vgl. zu diesem Tatbestand eines "denial of justice" statt aller Fenwick, Law, S. 330 und Verosta, S. 83, 84. 73 Zur Kritik der Entwicklungsländer an der völkerrechtlichen Praxis der diplomatischen Intervention vgl. Mughraby, S. 13; Okoye, S. 179.

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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setzungen geleiteten, insbesondere in der latein-amerikanischen Staatenpraxis verbreiteten sog. Calvo-KlauseF4 an, die jedoch in Staatenpraxis und Judikatur allgemeine Anerkennung nicht gefunden hat75 • Ebenso wie diese, finden auch die Aussagen der Charta über den im Enteignungsfalle zu gewährenden Rechtsschutz im geltenden Völkerrecht keine Stütze. bbb) Die Entwicklungsländer begründen ihre Forderung nach freier, durch die Grundsätze des fremdenrechtliehen Mindeststandards nicht beschränkter Ausübung ihrer Souveränität über den Wirtschaftsbereich damit76, daß diese einer Zeit entstammten, in der die Struktur und damit auch die Rechtsregeln der internationalen Gemeinschaft von einem kleinen Kreis europäischer Staaten bestimmt worden seien77 , während man die nicht-europäischen Völker eher als Objekte denn als Subjekte des Völkerrechts angesehen habe78 und daß demzufolge die Regeln des völkerrechtlichen Mindeststandards ausschließlich auf die Sicherung der Interessen der Kapitalexportländer zugeschnitten seien79 • Im folgenden soll daher untersucht werden, ob in Anbetracht der entschlossenen Abkehr der Entwicklungsländer von dem Institut des völkenechtlichen Mindeststandards, wie sie sich in den Resolutionen der Generalversammlung anbahnt und in Art. 2 der Charta ihren vorläufigen Höhepunkt findet, noch von einer Fortgeltung dieser Grundsätze als universalem Völkerrecht auch für die erweiterte Völkerrechtsgemeinschaft der Gegenwart ausgegangen werden kann. Für eine rechtliche Wertung der erhobenen Einwände ist auf der Basis der für Reichweite und Geltungsdauer des Völkergewohnheitsrechts geltenden Grundsätze80 davon auszugehen, daß trotz einer ent74 Die Calvo-Klausel, benannt nach dem argentinischen Völkerrechtslehrer gleichen Namens, zielt darauf ab, durch entsprechende vertragliche Zusätze zu erreichen, daß Ausländer sich für jeden Anspruch oder jede Streitigkeit aus dem Vertrag einer ausschließlichen Zuständigkeit nationaler Gerichte unterwerfen und auf den Schutz ihrer Heimatstaaten verzichten. 75 Vgl. dazu Verdroß, Völkerrecht, S. 330; de Visscher, S. 344; Dahm, Völkerrecht I, S. 524, 525; Opp./ Lauterpacht, § 155 a; Wengler, Völkerrecht II, S. 1005; Sortais, S. 194; Lillich, Diplomatie Protection, S. 360. 76 Vgl. insbes. Bedjaoui, S. 472 ff., 528; Okoye, S. 179. 77 Zum europäisch geprägten Charakter der bestehenden Völkerrechtsordnung vgl. auch Jenks, Mankind, S. 65, 74; Partsch, Berichte, Heft 13, S. 139; Röling, S. X, S. 10 ff., S. 15; Falk, New States, S. 34 ff.; ders., Status, S. 513; Schröder, Dritte Welt, S. 26, 33 ff. ; Elias, S. 41, 49. 78 Okoye, 8 . 176, 182; Röling, S. XV. Ähnlich Friedmann, General Course, S.176. 79 So Colloque Alger, S. 46; Bokor-Szegö, S. 53. Daß die Ausbildung der Grundsätze des internationalen Mindeststandards aus einer ursprünglichen Vertragspraxis "corresponds to the general interests of investors and was increasingly followed by other creditor nations" - Schwarzenberger, Frontiers, S. 62 - wird auch von den Vertretern des internationalen Mindeststandards nicht bestritten. 80 Friedmann, General Course, S. 135, 176 ff., weist darauf hin, daß nicht

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li. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

gegenstehenden Praxis der sozialistischen Staaten seit dem Ende des 1. Weltkrieges die Achtung der erworbenen Vermögensrechte von Ausländern auch über das Maß der den Inländern gewährten Rechtsstellung hinaus als verpflichtender Satz des völkerrechtlichen Fremdenrechts in Geltung geblieben ist81 • Als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts entfalten diese Grundsätze aber unmittelbare Wirkung auch für jeden neu in die Völkerrechtsgemeinschaft eintretenden Staat82• Zwar ist, da Schöpfer der Völkerrechtsordnung die Staaten sind, durch Begründung abweichender Praxis und Rechtsüberzeugung eine Änderung bestehender Verpflichtungen des Völkergewohnheitsrechts möglich. Auch wenn den Vertretern der Entwicklungsländer zuzugeben ist, "that it is the practice of the new States no less than that of the established European States, that determines the degree to which international law is an effective legal system" 83, kann eine Derogation bisher allgemein anerkannter Normen des Völkerrechts durch eine einseitige Lossagung eines Teils der internationalen Gemeinschaft von ihnen nicht erfolgen84 • Erforderlich ist vielmehr eine allgemeine Änderung der Übung und Rechtsüberzeugung derjenigen Staaten, für die der Inhalt der Norm bisher gegolten hat85• Von einer solchen allgemeinen Änderung der Rechtsüberzeugung kann aber bei dem entschiedenen Festhalten der westlichen Industrievon einer allgemeinen Ablehnung des Völkerrechts durch die Entwicklungsländer gesprochen werden könne, sondern daß ihre Einwendungen gegen das universale Völkergewohnheitsrecht sich auf einige wenige Gebiete konzentrierten, die von ihnen als "being the product of specifically ,Western' or ,Capitalist' ideologies" angesehen würden und hebt als Grundanliegen der Entwicklungsländer u. a. hervor "the extension of the doctrine of sovereignty ... to economic sovereignty" und "the limited challenge to the theory of vested rights". Ähnlich Fischer, S. 522; Okoye, 8.175 ff. und 184; Syatauw, S. 230, 232 ff. Auch Scheuner, Völkerrecht, S. 22 wertet die Probleme der Neustaaten als "Erscheinungen des Überganges", die nicht zur Verneinung einer einheitlichen universalen Völkerrechtsordnung nötigten. 81 Vgl. Mosler, S. 60, 61; s. dazu auch Berber, Völkerrecht, S. 401. 82 Opp. I Lauterpacht, § 12; de Visscher, S. 195; Wengler, Völkerrecht I, S. 179, 180; Dahm, Völkerrecht I, S. 31. Ob mit dieser Ableitung der Forderung an die westliche Völkerrechtslehre entsprochen ist- vgl. McWhinney, S. 30"to develop theories in the international law area, which adequately reflect the dynamic relationship between positive law and social change" kann im Rahmen dieser Darstellung nicht vertiefend behandelt werden. Vgl. auch die kritische Fragestellung von Röling, S. 15, ob der Anspruch auf Aufrechterhaltung eines europäisch geprägten Völkerrechts in der erweiterten Staatengemeinschaft der Gegenwart "does not express the unconscious desire, through rules of law to maintain a status which can no Ionger be ensured by power". Ähnlich Schindler, S. 25, S. 44. Kritisch auch Kordt, S. 16, 17 mit der Forderung eines Nachweises der Anerkennung der Regeln des allgemeinen Völkerrechts durch den Neustaat. 8s Okoye, S. 178. 84 Opp. I Lauterpacht, § 12.

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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staaten an den Grundsätzen des völkerrechtlichen Mindeststandards86 nicht gesprochen werden, insbesondere nicht, wenn in Betracht gezogen wird, daß der Praxis und der Rechtsüberzeugung dieser Staaten, die als Kapitalexportländer in besonderer Weise von den Auswirkungen einer Änderung der bisherigen Rechtsgrundsätze betroffen würden, ein besonderes Gewicht für die Gewohnheitsrechtsbildung beizumessen ist. Daher kann die Ablehnung einer Fortgeltung der Grundsätze des internationalen Mindeststandards durch einen Teil der Staatengemeinschaft nicht zu dem Ergebnis führen, daß damit diese Normen nur noch maßgebend seien für die Behandlung, die sich die Industrieländer untereinander schuldeten87 • Es ist vielmehr auf der Grundlage der allgemeinen Normen des Völkerrechts weiterhin von einer grundsätzlichen Fortgeltung des Rechtsinstituts des internationalen Mindeststandards als universalem Völkerrecht auszugehen, wobei zuzugeben ist, daß seine Ausgestaltung im einzelnen, insbesondere was den Umfang der geschuldeten Entschädigung angehtsS, von den strukturellen Wandlungen der internationalen Gemeinschaft und den sozialen Entwicklungen der Gegenwart nicht unbeeinflußt bleiben wird. Als Ergebnis läßt sich daher feststellen, daß die in Art. 2 Ziff. 1 und Ziff. 2 a, c der Charta niedergelegten Aussagen über die Rechtsstellung ausländischer Privatinvestitionen im Völkerrecht der Gegenwart keine Grundlage finden. Es liegt ein mit den Stimmen der Entwicklungsländer - unterstützt durch die sozialistischen Staaten - unternommener Versuch konstitutiver Festsetzung neuer, vom bisherigen Inhalt des Völkerrechts abweichender Rechtsnormen vor. b) Der Anspruch auf Unveräußerlichkeit der Souveränität über den Wirtschaftsbereich Abschließend soll der mit der formelhaften Bezeichnung "permanent sovereignty" erhobene Anspruch auf Unveräußerlichkeit der Souveränität über natürliche Ressourcen im Sinne einer zwingenden Norm des Völkerrech~9 auf seinen rechtlichen Gehalt untersucht werden. Einer allgemeinen Stellungnahme zu der Frage, ob und in welchem Umfang auch im Völkerrecht von Normen des ius cogens ausgegangen 85 Verdroß, Völkerrecht, S. 86; Dahm, Völkerrecht I, S. 31; Wengler, Völkerrecht I, S. 181. Im Ergebnis auch Schweitzer, S. 66. 86 Vgl. beispielhaft die im 1. Teil der Arbeit dargestellten, jeweils gegen die Resolutionen der GV geltend gemachten Vorbehalte der Industriestaaten. 87 So Colloque Alger, S. 46 und Brehme, S. 248. 88 Als "proper reflection of the continous adaptation of international law to new conditions" wertet Friedmann, General Course, S. 181 die Entwicklungen der Gegenwart im Enteignungsvölkerrecht. Vgl. dazu auch Schindler,

s. 47,

50.

89 So ausdrücklich Colloque Alger, S. 48, 49; Brehme, S. 206 ff., der- S. 214 -aus dieser Annahme die Unwirksamkeit der Kapitalschutzabkommen der

90

II. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

werden kann, bedarf es in diesem Zusammenhang nicht. Auch soweit die Existenz zwingender Normen des Völkerrechts bejaht ist90 , wird eine Unveräußerlichkeit staatlicher Souveränitätsbefugnisse zu dem unverzichtbaren Normenbestand des Völkerrechts jedenfalls nicht gerechnet. Die absolut herrschende Meinung geht vielmehr davon aus, daß es keine Regel des Völkerrechts gibt, die den souveränen Staat daran hindert, sich in freier Entscheidung seiner souveränen Rechte zu begebenll'1. Die Fähigkeit, sich vertraglich zu Beschränkungen der Souveränität zu verpflichten, wird nicht als Verlust der Souveränität gewertet, sondem gerade als eine Betätigung dieser souveränen Befugnisse92. Ein Anspruch auf Permanenz der Souveränität über Ressourcen im Sinne der Fixierung eines zwingenden, entgegenstehende Verträge überdauemden allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts findet daher im geltenden Völkerrecht keine Grundlage93 • Auch insoweit liegt in den Aussagen der Generalversammlung der Versuch einer konstitutiven Festsetzung einseitiger Forderungen der Entwicklungsländer als verbindliche Prinzipien für die Rechtsbeziehungen der intemationalen Gemeinschaft. II. Die Forderung nach Solidarität der internationalen Gemeinschaft

1. Die Frage nach Verankerung der Solidarpflichten der NIEO im Völkergewohnheitsrecht

Im 1. Teil der Arbeit ist dargestellt worden, daß die Forderung nach einem solidarischen Zusammenstehen94 der einzelnen Glieder der Bundesrepublik ableitet, weil ihre Entschädigungs- und Kapitaltransferbestimmungen - vgl. dazu Langer, S. 21 ff. - den souveränen Rechten der jungen Nationalstaaten widersprächen. Ebenso Bedjaoui, S. 496 und offenbar auch Mughraby, S. 38. Vgl. weiter die Hinweise bei Dohna, S. 175; Schwarzenberger, World Order, S. 41 und Petersmann, Wirtschaftsintegrationsrecht, s. 243. 90 Vgl. dazu statt aller Verdroß, Quellen, S. 21 ff. ; Jaenicke, Ordre public, S. 88 ff.; Wengler, Völkerrecht I, S. 75; Berber, Völkerrecht, S. 180 und 2. Aufl., S. 181, 182 sowie Tunkin, S. 99. 91 Opp. I Lauterpacht, § 127; Schwarzenberger, Fundamental Principles, S. 211, 217, 222; ders., Manual, S. 152; Fawcett, Law, S. 33; Erler, Grundprobleme, 8.159; S"rensen, 8.175, 176; Brierly, Outlook, 8.12. 92 "The Wimbledon", PCIJ (1923), Series A No. 1, S. 25, wo sich der Ständige Internationale Gerichtshof ausdrücklich dagegen ausspricht "to see in the conclusion of any treaty by which a state undertakes to perform or refrain from performing a particular act an abandonment of its sovereignty ..." und ausdrücklich hervorhebt: "the right of entering into international engagements is an attribute of State sovereignty ..." 93 Die betont ablehnende Haltung der Entwicklungsländer gegenüber Verträgen, die ihre "economic sovereignty" beschränken könnten - vgl. Okoye, 8.179; Bedjaoui, S. 465, 483 ff.; Bokor-Szegö, 8 . 111; Schröder, Dritte Welt, S. 55 - ist teilweise zurückzuführen auf Sonderbereiche, zu deren Lösung es der Forderung nach einem zwingenden Charakter der ,permanent sovereignty' nicht bedarf: so gelten für die Frage des Überganges vertraglicher Verpflichtungen im Falle der Staatensukzession besondere Regeln, und so können

A. Vereinbarkeit der Entschließungsinhalte mit dem Völkerrecht

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internationalen Gemeinschaft und eine verstärkte Kooperation der Staaten einen kennzeichnenden Zug der NIEO darstellen. Bei einer rechtlichen Wertung dieses Anspruchs auf Solidarität der internationalen Gemeinschaft ist unbestreitbar, daß eine allgemeine Hilfsund Beistandspflicht der Staaten im Völkerrecht der Gegenwart nicht enthalten ist. Der Anerkennung einer solchen Pflicht steht zunächst die absolut einhellige Staatenpraxis entgegen, deren Uniformität es entbehrlich erscheinen läßt, im einzelnen zu belegen, daß mit dem dieser Praxis zugrunde liegenden Selbstverständnis der Staaten als unverbunden nebeneinander existierender souveräner und gleicher nationaler Einheiten eine rechtliche Verpflichtung, bei staatlichen Betätigungen politischer oder wirtschaftlicher Art auf das Wohlergehen dritter Staaten Rücksicht zu nehmen, unvereinbar istt5• In Übereinstimmung mit dieser Staatenpraxis geht die Völkerrechtslehre herrschend davon aus, daß in einer nicht-organisierten Staatengemeinschaft die Pflichten der Staaten gegenüber den anderen Mitgliedern dieser Gemeinschaft auf Gebote zu einem ,Non-facere', auf die Respektierung der völkerrechtlich enumerativ festgelegten Grundrechte der anderen Staaten beschränkt sind96• Darüber hinausgehende positive Handlungspflichten für eine Verfolgung gemeinsamer Ziele97 oder eine aktive Beitragspflicht für die Förderung der schwächeren Glieder der internationalen Gemeinschaft bestehen dagegen völkerrechtlich nur insoweit, als die Staaten auf der Grundlage einer besonderen Vereinbarung zum Zusammenwirken verpflichtet sind98 • Von einer rechtlichen Anerkennung99 der von der Charta zu "fundamentals" der internatioweiter im Einzelfall souveränitätsbeschränkende Verträge deshalb unwirksam sein, weil sie unter die Kriterien ungleicher oder unter Zwang abgeschlossener Vereinbarungen fallen. Insoweit handelt es sich aber, wie auch von Brehme, S. 218 anerkannt wird, um komplexe selbständige Problembereiche, auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden kann. 94 Zur Definition der Solidarität vgl. Alvarez, S. 315 und Sauer, S. 114, 116. 95 Daß gegenseitige Hilfs- und Beistandspflichten dem System des Völkerrechts nicht immer fremd gewesen sind, sondern in Praxis und Lehre des Völkerrechts stärkere Wurzeln besitzen als es die Ausbildung des Leitbildes unabhängiger Nationalstaaten seit dem 19. Jahrhundert erkennen läßt, hat mit eingehender Darstellung der historischen Entwicklung Scheuner, Solidarität, S. 255 bis 270 nachgewiesen. Vgl. auch Scheuner, Völkerrecht, S. 28, 29 und allgemein de Visscher, S. 48 ff. 96 Dahm, Völkerrecht I, S. 191; ders., Völkerrecht II, S. 581; Verdroß, Völkerrecht, S.177 ; de Visscher, S.118; Opp./Lauterpacht, §112ff.; Friedmann, Changing Structure, S. 89; ders., General Course, S. 92; Tomuschat, Weltwirtschaftsordnung, S. 97 und Charta, S. 457, 458; Dohna, S.191; Graf, S. 68; Schwarzenberger, Principles, S. 65; Berber, Völkerrecht, S. 32, 33; Vellas, S. 17; Pinto, S. 52. 97 Zu Reichweite und Inhalt des in Res. A/2626 (XXV) vom 24. 10. 1970 - YUN 24 (1970), S. 319 ff. - aufgenommenen Prinzips der Kooperation zwischen den Staaten vgl. Dohna, S. 179 ff., 192 und Frowein, S. 70, 74. 98 Vgl. Friedmann, General Course, S. 94.

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II. 1. Abschn.: Rechtliche Wertung der Aussagen der GV

nalen Beziehungen erhobenen Grundsätze eines wechselseitigen und gerechten Vorteils, einer Förderung der internationalen sozialen Gerechtigkeit und einer internationalen Zusammenarbeit für Entwicklungszwecke im allgemeinen Völkerrecht kann daher ebensowenig ausgegangen werden wie von der Rechtsgeltung der in Verfolgung dieser Zielsetzung im einzelnen statuierten Rechte und Pflichten.

2. Die Frage nach Verankerung der Solidarpflichten der NIEO in der Charta der Vereinten Nationen Daß die Charta der Vereinten Nationen, auch wenn in den Debatten der 6. Sondergeneralversammlung die Forderungen der Entwicklungsländer von einigen Delegierten ausdrücklich mit dem Hinweis auf die in Art. 55 der UN-Charta übernommenen Verpflichtungen begründet worden sind100, positiv-rechtliche Pflichten zur wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit nicht enthält, ist bereits im 2. Abschnitt des 1. Teils dargelegt worden. Auch wenn daher die NIEO auf "spirit, purposes and principles" der Satzung der Vereinten Nationen und ihre Zielsetzung der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts ausdrücklich Bezug nimmt101, kann sie als rechtliche Grundlage für die in der ,neuen Ordnung' der weltwirtschaftliehen Beziehungen proklamierten Beistands- und Kooperationspflichten bereits aus diesem Grund nicht in Anspruch genommen werden. Basisannahme der Konzeption der UN-Charta ist zudem das Leitbild der souveränen Gleichheit ihrer Mitglieder1012. Sie geht aus von einer grundsätzlichen Eigenverantwortlichkeit der Staaten für ihren Bereich und einer egalitären, dem Modell der liberalen politischen Demokratie nachgebildeten103 Gleichheit als Strukturprinzip der internationalen Gemeinschaft. Die sich daraus ergebende Folge einer gleichmäßigen Geltung und Anwendung bestehender Regeln auf alle Staaten104 ist aber unvereinbar mit der Forderung nach materieller Gleichheit als charakteristischem Zug der NIEO. Für die von den Entwicklungsländern unter Berufung auf die tatsächliche Ungleichheit, zu der ee Für Berber, Völkerrecht, 2. Aufiage, S. 225 handelt es sich bei den Beistands- und Hilfspfiichten der NIEO "weniger um juristisch verwertbare präzise Grundpfiichten als vielmehr um ein Zukunftsprogramm, das in einzelnen seiner Bestimmungen .. . kaum universelle Zustimmung finden dürfte". too Vgl. Del. Usher (Elfenbeinküste), GAOR (S-VI), AIPV 2212, S. 9; Dei. Hasan (Pakistan), GAOR (S-VI), A IPV 2224, S. 12. 1o1 Vgl. Präambelabschn. 2 der Deklaration; Präambelabschn. 1 der Charta. 102 Vgl. Art. 2 Ziff. 1 der UN-Charta und dazu Goodrich I Hambro I Simons, s. 37. toa Strange, Economic Relations, S. 103. Vgl. allgemein zu den Begriffen der egalitären und wertenden Gleichheit auch Schaumann, S. 53 ff. und Jaenicke, Diskriminierung, S. 141, 142. 104 Zu diesem Gleichheitsbegriff vgl. Erler, Grundprobleme, S. 159; Schwarzenberger, Equality, S. 165; Vandenbosch I Hogan, S. 102.

B. Rechtliche Bedeutung des formalen Charakters der NIEO

93

in Anbetracht der bestehenden Unterschiede zwischen den Staaten jede ,gleichmäßige' Behandlung der Mitglieder der Staatengemeinschaft führen müsse106, geforderte unterschiedliche, auf den jeweiligen Entwicklungsstand abgestellte (Präferenz)-Behandlung kann daher die Charta der Vereinten Nationen auch aus diesem Grunde nicht als Grundlage in Betracht kommen. Als Ergebnis ist daher festzustellen, daß die in der NIEO niedergelegten Entwicklungs- und Kooperationspflichten weder im allgemeinen Völkerrecht noch in der Charta der Vereinten Nationen eine rechtliche Grundlage finden.

B. Die rechtliche Bedeutung des formalen Charakters der NIEO Ob und inwieweit der formalen Qualität der NIEO 'als mehrheitlich angenommener Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen Wirkung für den rechtlichen Wert der in ihr niedergelegten Aussagen zukommt, soll im folgenden untersucht werden. I. Die satzungsgemäße Wirkung von Resolutionen der Generalversammlung

Die Befugnisse der Generalversammlung der Vereinten Nationen sind, abgesehen vom internen Organisationsbereich106, beschränkt auf die Erörterung von Fragen im Zuständigkeitsbereich der Weltorganisation, die Veranlassung ihrer näheren Prüfung und die Abgabe von Empfehlungen107• Die Vollversammlung mit Rechtsetzungsbefugnis auszustatten, wurde von der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt108• Das Schwergewicht ihrer Kompetenzen sollte auf politischem, nicht auf rechtlichem Gebiet liegen109• In der politischen und moralischen Anstoßfunktion, basierend auf der 106 Strange, S. 114, vertritt unter Berufung auf eine im Netto-Ergebnis ungleiche Auswirkung der bisherigen Spielregeln der internationalen Gemeinschaft auf wirtschaftlich verschieden entwickelte Staaten die Auffassung, auf die Beziehungen zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern die Begriffe ,Partner' und ,Partnerschaft' anzuwenden, sei "just as pure humbug as when they are used by paternalistic commercial corporations about their junior employees". 100 Vgl. zu der im Rahmen dieser Arbeit nicht relevanten - rechtsverbindlichen - Wirkung dieser Beschlüsse statt aller: Verdroß, Generalversammlung, S. 691 und Brugiere, S. 68. 107 Vgl. Art. 10, 13 Ziff. 1 der UN-Charta. So auch der überwiegende Teil des Schrifttums: vgl. Kelsen, United Nations, S. 196, 200; Sl