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German Pages 383 Year 1995
ROLF GEMMEKE
Nachträgliche Anordnungen im Atomrecht
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlln
Band 54
Nachträgliche Anordnungen im Atomrecht Unter besonderer Berücksichtigung der Maßnahmen des sogenannten anlageninternen Notfallschutzes
Von
Rolf Gemmeke
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Gemmeke, Rolf:
Nachträgliche Anordnungen im Atomrecht: unter besonderer Berücksichtigung der Massnahmen des sogenannten anlageninternen Notfallschutzes I von Rolf Gemmeke. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Umweltrecht; Bd. 54) Zug!.: Bielefeld, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08277-X NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-08277-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm flir Bibliotheken
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester I 994 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Sielefeld als Dissertation angenommen. Die bis Ende September I 994 erschienene Rechtsprechung und Literatur konnten berücksichtigt werden. Danken möchte ich besonders meinem verehrten Lehrer und Doktorvater Henn Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, dessen Anregung, Fragen der Sanierung von Kernkraftwerken und des Bestandsschutzes der Setreibergesellschaften zum Gegenstand meiner Untersuchung zu machen, ich gerne gefolgt bin. Sein Rat, seine Aufmerksamkeit und sein Vorbild haben ganz wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Henn Prof. Dr. Joachim Wieland danke ich für das mit überaus engagiertem Interesse angefertigte Zweitgutachten. Herrn Prof. Dr. Michael Kloepfer gebührt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in seine Schriftenreihe. Der herzlichste Dank aber gehört meinen lieben Eltern, die mir durch ihre Unterstützung und ihr Verständnis in all den Jahren eine unschätzbare Hilfe waren. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. München, im Oktober 1994
Ro/fGemmeke
Inhaltsverzeichnis Einfllhrung ..... .................................................................................................. . A. Grundlagen und Ausgangspunkte ................................................................... .
.. ... 17
.. .......... 22
I. Zum ingenieurmäßigen Sicherheitskonzept eines Kernkraftwerks.................... .. ..... 22 I. Spaltproduktbarrieren ............. ..... ............... .. .. ............. .. .... 22 2. Sicherheitstechnische Auslegung .................................................... .......................... ....... 22 a) Schutz- und Sicherheitssysteme ................................................................ ................... . 22 b) Konzept der gestatl"elten Prävention ............................................................................. 23 c) Auslegungsstörfälle ....................................................................................................... 24 3. Sicherheitskonzeptionelle Einordnung der Maßnahmen des anlageninternen Notfall.. . .. .. .. ... ... .. .. .. ........ 25 schutzes....... .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. . a) Auslegungsüberschreitende Ereignisse............ ...... ............ .. ..... 25 .. .. 25 aa) Begritllichkeit...... .............. .. bb) Möglichkeiten der Beherrschung......................... ...................... ... 25 ...26 b) Grundkonzept für den anlageninternen Notfallschutz.............. ......... aa) Schutzziele ........... .. ........................................ ............................ ........... .... ............... 26 bb) Schutzzielorientierte Maßnahmen .............. ........................ .................. ...... ..... ...... 26 II. Nachrüstung von Kernkraftwerken ...................................... .. ..... 28 I. Begritllichkeit.................. .. .. ................................... .... 2!! 2. Anlässe und Kategorien der Nachrüstung.. ................. ... 29 a) Anlässe für Nachrüstungsmaßnahmen ..................... ........................... ......... ... ........... ... . 29 b) Kategorien von Nachrüstungsmaßnahmen .......... .............................................. ............ 30 aa) Änderung der Sachlage (Kategorie I) .................................................... .... .............. 30 bb) Änderung der Rechtslage (Kategorie 2) .................... .. .......................... .................. 32 cc) Andere Beurteilung der Rechtslage (Kategorie 3) ........... ........................ ..32 111 . Grundkontlikt zwischen Belreiber und Staat ...... .................... . .... . 32 I. Bedeutung des Bestandsschutzes im technischen Sicherheitsrecht ............. .. ....... 33 2. Statisches oder dynamisch~:s Verständnis d~:s Bestandsschutzes'1 .. .... ...... ... .. .. 34 3. Kategorien des Bestandsschutzes ................................................................ .................... . 35 a) Tatsächlicher und wirtschaftlicher Bestandsschutz ..................................................... 35 b) Passiver und aktiver Bestandsschutz ................ .. ............................... ..................... 36
8. Weitere•· Gang der llntcrsuchung .... .....
.......... . 39
C. Außösung der Konßiktsituation "Bestandsschutz" durch die Bereitschaft der Belreiber zu freiwilliger Nachrüstung .. ........................ .. ................ ........ ... 41
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Inhaltsverzeichnis I. Die Realität heutigen Verwaltungsvollzugs ....................................................... ............. .... .41 II. VorzUge und Nachteile informalen Verwaltungshandelns ................................................... 41 I. Motive der Betreiber ........................................................................................... ............... 41 2.Vorteile für die Behörde ................................................................................... .................. 42 3. Nachteile und Gefahren .......... .................................. ..................................................... .44 111. Rechtlicher Rahmen des informalen Verwaltungshandeins ............................................... 45 I. Begritl' und Inhalt des informalen Verwaltungshandeins .................................... .......... ... 45 a) Begriff ........... ............................................ ............ .... .. ............................. ................... 45 ..................... .. ............. ......................... .. ........ 46 b) Tauschprinzip.......... 2. Zulässigkeil informaler Absprachen ............... ............... ............. .. ................... ....... ........... 4 7 a) Die Rechtsverhältnislehre als Ausgangspunkt... ........ ......................... ......... .................. 47 b) Allgemeine Zulässigkeil nach § 22 VwVfG..... .. ..................................................... 48 c) Vorbehalt des Gesetzes......... .. ............................................. ...... ............. 49 aa) Einfluß faktischer Zwänge ............................. .......................... .. .................... 49 bb) Möglichkeiten zu Sanierungsabsprachen nach dem Atomgesetz ............................ 51 cc) Rechtspflicht der Behörde zur Kooperation? ........................................................... 52 3. Vorrang des Gesetzes...................... .................... .... .. ...... .. .. ...................... .. ........ ... 53 a) Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis - formelle Grenzen informaler Absprachen ..... 54 .. ............... 54 aa) Grundrechtsschutz durch Verfahrenskontakt ................................ bb) Insbesondere: Grundrechtsschutz Drittbetroffener .. ............................... ............. .. 55 b) Materielles Verwaltungsrechtsverhältnis- materielle Grenzen informaler Absprachen................. .................................... ............. ................... ... 57 aa) Bindung an die Grenzen des ersetzten Verwaltungsakts .......................... .. ... .'....... 57 (I) Letztverantwortung der Behörde ......................................................... ................ 57 (2) Entsprechende Anwendbarkeit des § 17 Abs. I S. 3 AtG? ........ ... ................. ...... 59 (3) Verzicht auf Rechtspositionen bei .,freiwilliger" Übererfüllung ......................... 59 bb) Bindung an die Vorschriften des öflentlich-rechtlichen Vertrages ......................... 61 (I) Analoge Anwendbarkeit der§§ 54 ff VwVfG ................................ .... ............. . 61 (2) Insbesondere: Austauschabsprachen............... ...... .. ...................... .. .. ... ... ...... 62 4. Rechtsfolgen informaler Absprachen............................ .. ............ .............. ............. . 65 ...................... ... ........ ........ 65 a) Rechtliche Unverbindlichkeittrotz faktischer Zwänge b) Rechtmäßige (fehlgeschlagene) Absprachen. . .. .......... .... ............ 66 c) Rechtswidrige Absprachen .... ............... ............................................... .. ................... .. 68 ............................................. .................. ... ..... ... .. .... 69 5. Ergebnis ............................
D. Behördliche Eingriffsbefugnisse nach dem Atomgesetz in der Überwachungsphase I. Formen der staatlichen Überwachung ............... ..................................... I. Abschließender Charakter der atomgesetzlichen Regelung.. ................. 2. Übersicht über die verschiedenen Überwachungsinstrumente ................
... 71 ... 71 71 .. 72
II. Entscheidungsinhalte im Genehmigungs- und Aufs ichtswrfahren .. .... ............ ......... . 73 I. Notwendige Unterscheidung der Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren ..... 73 a) Verschiedene Regelungsgehalte ............................ ... .. .... ...................................... ......... 73 .. ........ 74 b) Genehmigung, Aufsicht und Bestandsschutz ............................ .. ........ .......... .. .... 74 2. Genehmigungsentscheidungen.. 3. Aufsichtsentscheidungen .. .. ................. .. .... ..... 75 a) Überwachung der Einhaltung des Genehmigungsbescheides ........ 75
Inhaltsverzeichnis
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b) Vorbereitung und Vollzug von Entscheidungen der Genehmigungsbehörde- Eingriffsrechte nach § 19 Abs. 3 AtG ............................ . ... .... ........ . ...... ................ 76 aa) § 19 Abs. 3 S. I, 2 Alt. AtG .................................................................... ........... . ... 76 (I) Grammatische Auslegung.......... ........................ .. ......... .. ............ ........ 76 (2) Systematische und historische Auslegung ............... ..... ... 78 (3) Teleologische Auslegung..................... ................. .................... .. ......... 81 bb) § 19 Abs. 3 S. I, I. Alt. AtG.. .83 c) Nachrüstungsmaßnahmen ........................... ................................. . 85
lll. Zuständigkeitsfragen ............................................................................................... ..... ..... 86 E. Voraussetzungen ftlr die Anordnung nachträglicher "AuOagen" gemäߧ 17 Abs. I S. 3 AtG ........................................ ............... ........ .............. .. .......... ................ 88 I. Allgemeine Anforderungen an nachträgliche Auflagen....... .................... .... .. ............. 88 I. Allgemeine Zulässigkeil nachträglicher Auflagen......................... . ..... 88 2. Zulässigkeil des Vorbehalts nachträglicher Auflagen ............................................ ......... 88
II . Begriffund Inhalt nachträglicher ,.Auflagen" i. S. von§ 17 AtG ...... .... ............. .. ... 90 I. Begritllichkeit...................... ................. . ... 90 a) "Nachträglich" ................................................................... ........................................ ... 90 aa) Nochmals: Genehmigungsbehördliche Anordnungen und tatsächlicher Bestandsschutz ....................................................................................................................... 90 bb) Zeitpunkt des Beginns der nachträglichen Überwachung durch die Genehmigungsbehörde .................. ............................................ .......................................... . 91 (I) Tatsächlicher Bestandsschutz mit Wirksamwerden der Genehmigung? .......... .. 91 (2) Tatsächlicher Bestandsschutz mit Eintritt der Bestandskraft der Genehmi.. .......... 92 gung'1 ............. .......... ............ (3) Einfluß des§ 50 VwVID ......................... ... ...................... ....... .. . 94 b} "Auflage"............................................................. ....................... .. .... 95 aa} Rechtsnatur .......... .................... ................................ .. ... 95 .. 96 bb} Rechtliche Abgrenzung und Einordnung.................................. (I} Bedingung......................................... .. ................ ................................. 96 (2} Inhaltliche Beschränkungen ................................................................................ 96 (3} lnhaltsbestimmungen....... .................... .... ..................................... ................ 99 (4) Modifizierende Autlagen ............................. ...... .............................. .... .............. IOI cc} Grenzen zulässiger Modifikationen der Genehmigung durch nachträgliche Auf~ lagen ........................ . .... ...... ........ ... 102 dd} Wahlfreiheit der Behörde? .... .. ........................... ................... . .. ... ........... 103 2. Grundsätzliches zum Inhalt 104 a) Nachträgliche sicherheitsrelevante Veränderungen .... .................. .. .... ........... 104 b) Verhältnis von § 17 Abs. I S. 3 zu§ 17 Abs. I S. 2 AtG . I 05 c} Verhältnis von ~ 17 Abs. I S. 3 zu§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG .. ................... .. ................ I 06 lii.(Nachträgl ich} erforderliche atomrechtliche Schadensvorsorge ........................................ I 07 I. Die erforderliche Vorsorge gegen Schäden im Sinne von§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ............. 107 a) Das allgemeine Polizeirecht als Ausgangspunkt.. ........ ................................. .............. I 07 b) § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG als Normnur der Gefahrenabwehr .... . .... ......... . I 08 aa) Ausweitung des herkömmlichen Gefahrenbegrills ................ ... I 09 bb) Kritik ............ .. .......... . . ......... ....... .. .. ... 110 c) Verständnis des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG in der Genehmigungspraxis .. III
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Inhaltsverzeichnis aa) Argumente tlir die sogenannte Drei-Stuten-Theorie .. ........................ ....... .......... !II bb) Bewertung der Drei-Stuten-Theorie .......... .... ... . .. . 114 d) Einheitliche Schadensvorsorge ..................................................................... ............. 116 aa) Begründung eines weiten Vorsorgebegritfs ........................................................ . 116 bb) Kritik ............................................................................. ...................... ... ... ..... ...... 118 e) Schadensvorsorge als Gefahrenabwehr und Risikovorsorge ......................... .. ............ 119 aa) Entwicklung bis zum Wyhi-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ...................... 119 bb) Wyhi-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ......................................... ............ 120 cc) Entwicklung nach dem Wyhi-Urteil .................... .. .............................................. 121 dd) Bewertung der Vorsorgetheorie ... .................... . ................ 123 2. Schadensvorsorge und .. Restrisiko"- Entwicklung der modifizierten Vorsorgetheorie .. l26 3. Verfassungsrechtliche Zulässigkeil des hinzunehmenden Restrisikos ....... ...... ........ .... . 127 130 4. Inhalt und Grenzen der Risikobereiche ................ a) Begritlliches ...................... .................................... .... ............ .. ............. .. 130 ... 132 b) Präzisierung mittels der Risikokomponente ..Schaden" ........ ........... aa) Bestimmungsgemäßer Betrieb .......................................................................... .. 133 (I) Dosisgrenzwerte des § 45 StriSch V ...................................................... .. ........... 133 (2) Strahlenminimierungsgebot gemäߧ 28 Abs. I Nr. 2 StriSchV ....................... 136 bb) Störfälle ................ .... .... ....... ...... .............. ................ ................. ... .. . ............. 138 (I) Störlallplanungswerte des§ 28 Abs. 3 StriSchV .................................. ............. I38 (2) Strahlenminimierungsgebot gemäߧ 28 Abs. I Nr. 2 i.V. mit Abs. 3 StriSchV ............................................................................................ .......... ...... 140 .. ...... 140 cc) Unililie .... ............ .......... ........... ...... .. (I) Planungs-Dosisgrenzwerte'l.. ............ ... ... ................ ... .. .... 140 (2) Strahlenminimierungsgebot? .......... ............................................. .. ...... 142 dd) Ergebnis................... ............................. .............................. ...... 143 c) Präzisierung mittels der Risikokomponente .,Eintrittswahrscheinlichkeit" ................. 143 aa) Anwendungsbereich und Inhalt der bedeutendsten sicherheitsrelevanten anlagenbezogenen verwaltungsinternen Regelungen .... .............................................. 144 (I) Sicherheitskriterien tUr Kernkraftwerke ........................................................... 144 (2) Störtall-Leitlinien .............................................................................. .............. . 145 bb) Tatsächliche Bedeutung und Bewertung der verwaltungsinternen Regelungen ... 147 (I) Beschränkung auf repräsentative Auslegungsstörfälle ... .. ..................... 147 (2) Einschränkungen der in Betracht zu ziehenden Ereignisabläute am Beispiel .. .......... ...... .. 14 7 des Einzeltehler-Kriteriums ......... (3) Unvollständigkeit der Störtall-Leitlinien am Beispiel des Flugzeugabsturzes .. l48 (4) Fehlende quantitative Überlegungen ............. .................. .. ...... ...... ISO (5) Ergebnis ............................ ...................... ....... ..... ................... ............. ... ............ 153 cc) Rechtliche Wirkungen von Sicherheitskriterien und Störtall-Leitlinien ............... 153 (I) Richtlinien als Regelungen im rechtlichen Sinne? ............... .. .......... 153 (2) Nonnkonkretisierende Richtlinien? ................................................................... 155 (3) Rechtliche Wirkungen der Richtlinien bei der Rechtsanwendung .................... 159 dd) Ergebnis................ ................. ... ............... .. ...................... .. .... ... ... ....... .. ... 161 ee) Übertragbarkeit der Ergebnisse aufnachträgliche Entscheidungen nach§ 17 Abs. I S. 3 AtG.... .. ............. .... ..................... 162 (I) Bedeutung der Eintrittswahrscheinlichkeit.. .......................................... ............ 162 (2) Zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte .................................................... 162 5. Abgrenzung der Bereiche .,Risikovorsorge.. und .,Restrisiko........................... .. ............. 164 a) Die maßgebliche Risikokomponente ................................................................... ........ l64 b) Abgrenzungsmethoden und -kriterien ........................................................ . ....... ... .. 167 aa) Der "Stand von Wissenschaft und Technik.. .... ..... ................................................ 167 bb) Der Standard praktischer Vernunft ........................... ..................................... ........ 170 cc) Der Grundsatz bestmöglicher Gefahrenabwehr und Risikovorsorge .. .. ................. 173
Inhaltsverzeichnis
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dd) Die ..Je-desto-Formel·· .... .................................... .......... .............. .......... . .. 174 ee) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .... .... 174 tl) Risikovergleichende Bewertungen ..... .............................................................. . 175 gg) Risikogrenzwerte ................................................................................................... 176 hh) Gestalterische Abwägungsentscheidung? .............................. ............................... 179 6. Rechtsschutz Drittbetroffener ......................................................................... ............. .... 180 .................. ............. .. .............. 181 a) Restrisikobereich ............. ............... ......... ....... b) Gefahrenabwehrbereich.. ......... ........ ......... ... 181 c) Risikovorsorgebereich ... .............. ............. ........ .... ... ........... ......... . ................. 182 aa) Schlußtolgerungen aus dem Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ... .. ..... 183 bb) Eigene Wertung....... .................. ..................... .. 184 IV. Eigenart des Überwachungsermessens ............................................................................ 186
F. Tatsächlicher Bestandsschutz ............................................... ................ ............................. 188 I. Ausgangspunkte ..................... .......... ................ ... ... .... .............. .......................... . I. Abwägungsentscheidung .... ........... .. ........................... ............... .. ....... ... ....... .. 2. Einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Bestandsschutz.............. . 3. Bedeutung der§§ 17 und 18 AtG ................................ ........................ .
.... 188 .... 188 .. 188 . . . 189
II. Einfachgesetzliche Autlösung der Kontliktsituation .. Bestandsschutz" ............. ............. 189 I. Autlösung der Kontliktsituation auf der Tatbestandsseite des § 17 Abs. I S. 3 AtG oder beim Rechtstolgeennessen? ............................................ .. ............................. ... .... 189 2. Verhältnismäßigkeit und Bestandsschutz .................. ...................................................... 192 3. Bestandsschutz und Risikobereiche ....................................................................... .......... 193 a) Zu Iässigkeit nachträglicher Anordnungen im .. Restrisikobereich"? .... .. ............. 194 .. ... 195 b) Nachträgliche Anordnungen im Gefahrenabwehrbereich ........................ .. c) Nachträgliche Anordnungen im Risikovorsorgebereich .. ............... .. .... 197 .. . ..... 197 aa) Grenzen der Risikovorsorge ........... ... .... .. .. ......... ......... .......... (I) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit... ......... ........... ... .. .... ... 197 .. .................... ........ .......... 198 (a) Technische Realisierbarkeil ............ (b) Erforderl ichkeil und Angemessenheit.. ...... .................................................. 199 (aa) Der mit der Anordnung verbundene Aufwand als zulässige Schranke der Risikovorsorge ...................................................................... ............ 200 (bb) Die Berücksichtigung von angestrebtem Erfolg und voraussichtlichem Aufwand ......................................... ........................................................ 201 .. ....... .. ...... ........ 203 (c) Bestandsschutzgesichtspunkte im engeren Sinne.... ( d) Berücksichtigung etwaiger mittelbarer Belastungen Dritter und der Allge.......................... .. .. .................. .... ... 204 meinheit? .. (c) Abwägungsentsche idung ............................ ................................ .................. 205 (!) Verfahren bei Unverhältnismäßigkeit.. ..................................... .. .. ......... 207 . .. 209 (2) Grundsatz der Ausgewogenheit.... .......... ...... ............ ..................... (a) Technischer Grundsatz als Rechtsprinzip .............................. .... .................. 209 (b) Notwendigkeit einer Risikogesamtbetrachtung .......................... . . ...... 210 bb) Anlagenbezogene Begrenzung......... .......... .. ..... .............................. . .......... 21 I 111. Verfassungsrechtliche Absicherung im Lichte des Art. 14 GG ........................................ 2 12 I. Verfassungsrechtliche Veranke rung des Bestandsschutzes ......... ..... .. .................... ........ . 212 a) Bestandsschutz als konkretis ierter Vertrauensschutz i.S. des Art. 14 Abs. I GG ........ 212 b) Kein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 Abs. I GG'' .... .. ......................... .. ............. 21 3
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Inhaltsverzeichnis .. .. 215 c) Schutz des durch "Eigentumsausübung" Erworbenen... ................................. .. ...................... ....... .. 215 2. Grundrechtsfähigkeit der Kernkraftwerksbelreiber ....... a) Vorbemerkung .................................................. .. ... .................... ............ .............. 215 b) Die tatsächlichen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Belreiber als Ausgangspunkt........................................................................................... . .................. ... 216 c) Verfassungsrechtliche Prüfung am Maßstab des An. 19 Abs. 3 GG ............ ............. 217 aa) Grundsätzliche Unterscheidung zwischen der Grundrechtstahigkeitjuristischer .. ................ . 217 Personen des ötl'entlichen und des privaten Rechts..... (I) Grundrechtstahigkeit juristischer Personen des Privatrechts ............... .. ......... 218 ........... 219 (2) Grundrechtsfahigkeit juristischer Personen des ötl'entlichen Rechts bb) Ausnahmen von der Regel......................... .... ........ ..... . ................. .. .... 219 (I) Ausnahmsweise Grundrechtsfähigkeitjuristischer Personen des öltentliehen Rechts ................................................................................................................. 219 (2) Einschränkungen der Grundrechtstahigkeit juristischer Personen des Privatrechts........................ ..... ........................................................... . ......... ......... 220 (3) Zwischenergebnis...... ......................................................................... .. .... 222 ........ 224 cc) Zur Grundrechtsfahigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen (I) Begrifl' und Wesensmerkmale gemischt-wirtschatilicher Unternehmen .... 224 (2) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Autl'assungen im Schritttum speziell zur Grundrechtslahigkeit von Kernkraftwerksbetreibern ................................................................. .......................... .. ..... .............. .. 224 (3) Der Kammer-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16.5.1989 .. ......... 226 (a) Die Argumentation der Kammer.......................................... .. ............ 226 (b) Abweichung von der bisherigen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts .227 (4) Grundrechtstahigkeit und Beteiligungsverhältnisse .......................................... 227 (5) Gesellschaftsrechtliche Eintlußnahmemöglichkeiten der ötl'entlichen Hand .... 229 (a) Die Rechtslage bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung .... 229 (b) Die Rechtslage bei Aktiengesellschaften ................. .. ........................ .. 230 (c) Zwischenergebnis .............................................. ............................... .. ... ...... 231 (d) "Interessenidentität" anstau "Eintlußnahmemöglichkeit" als Maßstab des .. ........................... ..... 232 Art. 19 Abs. 3 GG ....................................... (6) Schutzbedürftigkeit der am Unternehmen beteiligten privaten Anteilseigner ... 232 (7) Grundrechtslahigkeit und wirtschaftsverwaltungsrechtliche Sonderbindungen ................................................................... ........................... .. ............ 233 (8) Grundrechtslahigkeit und ötl'entliche Aufgaben ............................................... 234 (9) Grundrechtsfähigkeit und staatlich-private Einheit im Atomrecht.. ...... ............ 236 (I 0) Grundrechtsfahigkeit und grundrechtstypische Geflihrdungslage .... ............... 236 . ............... 237 dd) Ergebnis........ ................................................ .. .... ..................... ....... 3. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegritl'im Hinblick aufnachträgliche Anordnungen. ................... ....................... .. .. 239 a) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb .... .... 239 aa) Eigentumsschutz des Unternehmens..... ............ .................. .. ................ 239 bb) Nachträgliche Anordnungen und Schutzbereich des Rechtsam Unternehmen .... 241 b) Die atomrechtliche Genehmigung als eigentumsrechtlich geschützte Position .......... 243 c) Abgrenzung zur Freiheit der gewerblich-unternehmerischen Betätigung im Sinne von Art. 12 Abs. I GG .................................................................................. ...... ......... 244 4. Eingriffsqualität der nachträglichen Anordnungen ............................................... ..... ...... 246 5. § 17 Abs. I S. 3 AtG als eine die Sozialptlichtigkeit des Eigentums konkretisierende Inhalts- und Schrankenbestimmung oder als Ermächtigung zu entschädigungsptlich. 246 tigen Enteignungen? ................ ........... .............................. ................... .. a) Die vier Kategorien möglicher Eigentumseingritl'e ............................ .. ..247 aa) Enteignung ..................... .................................... .... ...................... . .. ............. 247 ........ 248 bb) Generell zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung .. ..
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cc) Verfassungswidriger EigentumseingritL. ................ .......................... ... 248 dd) Im Einzelfall ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . 249 b) Abgrenzungstragen .. .. .. .. .......... .... .. .. ... ... ....... ... .. .. . . . .. .... .. .. . 250 aa) Unterscheidung zwischen Sozialbindung und Enh:ignung .... ... .. . 250 (I) Formal-begritlliche Unterscheidung ............ ...... ......... 250 .. .. 251 (2) Aufgabe des Instituts der Aufopferungsenteignung bb) Unterscheidung zwischen ausgleichsptlichtiger und nicht ausgleichsptlichtiger Inhalts- und Schrankenbestimmung ........................... .................... .. ... 252 (I) Notwendigkeit kompensierender Ausgleichsregelungen......... .. .. ....... 252 (2) Abgrenzungskriterien .. .. .. .. ............... ...... .. ............. .. .. ....... 254 c) Übertragung des eigentumsgrundrechtliehen Konzepts auf~ 17 Abs. I S. 3 AtG ...... 256 ................................ ....... .. . ... .... .. .... 256 aa) Allgemeine Schlußfolgerungen ... (I) ~ 17 Abs. I S. 3 i. V. mit § 18 Abs. 3 AtG als Enteignungstatbestand'' ............ 256 .. .... . 259 (2} Zum Entschädigungstypus des* 18 Abs. 3 AtG .................. bb) Art. 14 GG und Risikobereiche.................... .... ........................... .. .... ..... 261 (I) Zum Inhalt der Sozialbindung des Eigentums im Atomrecht ........... 261 (2) Nachträgliche Anordnungen zur Gt:fahrenabwehr . .... ................... .. .... 262 (3) Nachträgliche Anordnungen im Bereich der Risikovorsorge . .. 263 d) Ergebnis .. ......... .... .. . .. ........... .... .. .. 266 G. Zulilssigkeit nachträglicher Anordnungen in den wichtigsten Fällen technischer Nachrüstung .............. ............ .. .......... .... ... .. .................... .. I. Änderungen innerhalb der Umgebung der Anlage I. Technische Fragen ...... 2. Rechtliche Fragen a) Sicherheitskonflikte zum Zeitpunkt der Umgebungsänderung .. . b} Später auftretende Sicherheitskontlikte ...... ....... ...... .. .. .................. .... .... .
.. .... 268 ...... 268 ..... 268 .. .... 269 .... 269 ... 273
II. Änderungen des Standes von Wissenschalt und Technik ..................... .. ... 274 I. Allgemeines........... .......................... ..................... .. .. ........ 274 2. Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes. .... .. .................. ...... .. ........ ..... 276 a) Naturwissenschatilich-technische Fragen.. ..... ... .... .... ...... .. ...... .... .... ........ .. 277 aa) Unterschiedliche Qualität der Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes 277 (I) Einsatz vorhandener und Schaffung zusätzlicher Einrichtungen .... ......... .. ...... . 277 (2) Präventive und begrenzende Maßnahmen ........................ ........... ... 278 bb) Überblick über einzelne, vor allem zusätzliche Maßnahmen... .. .. .. 278 (I) Beispiele tlir präventiven Notfallschutz ................ ...... .. ... 278 (2) Beispiele für schadensbegrenzenden Notfallschutz ........................ .... .... .... ...... 278 cc) Entwicklungsoffenheit der einzelnen Maßnahmen ........ .. .................... . ... .. 279 dd) Folgerungen aus dem Störfall vom Dezember 1987 im Kernkraftwerk Biblis .... 280 b) Rechtliche Einordnung ...... ................................ ......................... . ... . 281 .. ............ 281 aa) Zuordnung zum Risikovorsorgebereich. ........... ................................ 282 bb) Zuordnung zum Restrisikobereich ............ ................................. cc) Eigene Wertung ..................................... ............ .... ......... .. .. 282 111. Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie I. Tatsächliche Grundlagen ........ .. ...... . 2. Rechtliche Bewertung ...... . a) Kontroverse Beurteilung der Zulässigkeil nachträglicher Anordnungen
.. .. ... .. 284 .284 . ....... 285 ....... 285
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Inhaltsverzeichnis aa) Bejahung der Zulässigkeil unter besonderer Berücksichtigung des Ereignisses 285 .. Flugzeugabsturz•· ................................... .... .... .. .......... ...... ... .. .. ......... .. bb) Die vermittelnde Autl"assung... ......... ................ ...................... ......... 286 ..... .............. .......... 287 cc) Die Gegenautl"assung...... ......................... b) Eigene Wertung ................................................................................................ ........ 287 IV. Rechtsanspruch Dritter und seine Durchsetzbarkeit ...... .................................................. 289 I. Rechtsanspruch Dritter ... ... ......................... ...... ....................................................... 289 a) Allgemeine Grundsätze .............................................................................................. 289 b) Maßnahmen zur Gefahrenabwehr .............................................................................. 290 .. ..... 291 c) Maßnahmen im Bereich der Risikovorsorge ...... . ................... .. .... 292 d) Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes ............................. 2. Durchsetzung des Rechtsanspruchs........................... .......................... ............. 293
H. Wirtschaftlicher Bestandsschutz .......................................................................... ... ... ......... 294 I. Anwendbarkeit des§ 18 AtG aufnachträgliche Anordnungen ................................. .......... 294 I. Argumente für eine weite Auslegung des § 18 Abs. 3 AtG ............................................. 294 2. Die Gegenansicht ..................... ..................................... ..... ....... ....................... ... ............. 295 a) Historische und systematische Auslegung ..................... .................................... .......... 296 b) Teleologische Auslegung ...... .................................................................................... 297 II. Ausschluß der Entschädigung............................ .. ....................................................... 299 I. Rechtswidriges Verhalten des Belreibers oder seines Personals. § 18 Abs. 2 Nrn. I .. .... ...... .. 300 und 2 AtG.. .... ............ .......... ...... .... 2. Nachträglich eingetretene, in der genehmigten Anlage begründete erhebliche Getahr.. ....... 300 dung, § I 8 Abs. 2 Nr. 3 AtG ... .............. a) "Erhebliche Getahrdung" ................................ ........... ......................... ...................... 300 b) "Nachträglich eingetretene" (erhebliche) GeHihrdung ............................... ................. 302 c) "ln der genehmigten Anlage begründete" (erhebliche) Gellihrdung .................... ....... 304 d) Entschädigungsausschluß in den wichtigsten Fällen technischer Nachrüstung .......... 305 .. ......... 305 aa) Änderungen innerhalb der Umgebung der Anlage ....................... (I) Sicherheitskontlikte zum Zeitpunkt der Umgebungsänderung. ..... 305 .. ..... . 307 (2) Später auftretende Sicherheitskontlikte . .. .. .. ..... ........... .... ....... ..... .. .. .. . 307 bb) Änderungen des Standes von Wissenschaft und Technik . cc) Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes ................................................ 308 dd) Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie .............................................. 308 ee) Amtshaftungsansprüche in den Fällen .. Umgebungsänderung" und ..Wandel der Sicherheitsphilosophie" ........ ................................... .................................. ............. 310 e) Ergebnis .................... ............................................ .... .................................................. 311
J. Zusätzliches Erfordernis einer Änderungsgenehmigung .................................. ..... ........... 313 I. .. Wesentlichkeit" der Änderungen ........................................... ................... ..
..... 313
II. Wesentliche Änderungen und nachträgliche Anordnungen .. . ... 314 ..... ............ .. ... 3 14 I. Sinngemäße Anwendung des§ 17 Abs. 4 BlmSchG a) Bestimmtheitserfordernis........... ....................... .. .... ... .. ......... 314 b) Rechtscharakter von wesentlicher Änderung und nachträgt icher Anordnung .. .......... 315 2. Wesentliche Änderung und vorgeschriebene Ötlentlichkeitsbeteiligung ........................ 316
Inhaltsverzeichnis
15
a) Einschränkung des dem § 17 Abs. 4 BlmSchG entlehnten Grundsatzes b) Voraussetzungen einer emeuten Ötlentlichkeitsbeteiligung ..
....... 316 .. 317
III. Wesentliche Änderungen und Nachrüstungsmaßnahmen ............. ..... 317 I. Berücksichtigung der Auswirkungen einer wesentlichen Änderung auf den Altbestand der Anlage ..................................................................... ...... ........................... ... ....... ... ... 317 2. Wesentliche Änderungen und nachträglich angeordnete Maßnahmen des anlageninter. ....... ..... ......... .. . .. .. . 318 nen Notfallschutzes ............... .. ....... ... ...... ........... .... ... .. ..... .... . .... ..... 318 a) Bloße aufsieht! iche Zustimmung? . .. .. .... ....... .. .. .... .... .. ..... ........ . .. .... . 319 b) Wesentliche Änderung'1 ... .... . ...................... .........
K. Reformüberlegungen zu den§§ 17 Abs. I S. 3 und 18 Abs. 3 AtG
....... 321
I. Erfahrungen mit dem bisherigen Recht. .............. ............ ..... ..... .... ........ ..
.. .321
II. Nachträgliche ..Anordnungen" statt .,Auflagen" ................ .
..... 321
III. Angleichung des§ 17 Abs. I S. 3 an§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ............. .
.. .... 322
IV. Normative Konkretisierung der Schadensvorsorge ....... 323 .. ...... .. .. ......... 323 I. Festlegung von Risikogrenzwerten............ ... 323 a) Ausgangslage.................. ... .. .. .. .. .... .. ...... .......... b) Bedeutung der Rechtsverordnung als Regelungsinstrument zur normativen Bewertung und Fixierung technischer Risiken..................... ........ .. .................. 324 c) Möglich er Inhalt einer Anlagensicherheits-Verordnung ................. ... ............... .......... 325 d) "Unt1llle" als Auslegungsstört1llle? ........................................ .................. ... ................ 327 2. Festlegung konkreter Sanierungskonzepte ................................................ .. ........... 327 3. Schaffung der erforderlichen Verordnungsermächtigungen .... .............. .. .. .......... 328 V. Gesetzgeberische Entscheidung über das Bestehen Rechte Dritter ....
......... 328
.. 329 VI. Abschatlimg der Entschädigungspflicht nach § 18 Abs. 3 AtG .... .... .............. .. .. . 329 I. Rechtspolitische Überlegungen ... .................. a) Argumente für eine Beibehaltung der Entschädigungsptl icht. ..... 329 b) Gründe tlir die Abschatlimg der Entschädigungspflicht .......................... .. .. ... 331 aa) Entbehrlichkeit des Förderungszwecks in § I Nr. I AtG .................................... ... 331 bb) Annäherung an das lmmissionsschutzrecht.. ... .... .................................................. 332 2. (Verfassungs)rechtliche Bewertung einer Streichung des § 18 Abs. 3 AtG ......... ........... 333 a) Auswirkungen auf§ 17 Abs. I S. 3 AtG ....................... ........... ..... ..... ............... .... .. 333 b) Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit......................... .. ... 334 VII. Verhältnis von nachträglichen Anordnungen zu Änderungsgenehmigungen ... VIII. Ausblick ................................. ..................................... ........................ .
. ... 335 .. 335
L. Zusammenfassung der Ergebnisse .............................. ........... ............................... ............ 337 I. Ausgangspunkte ............................................. ........ .... .... .. ........ ..
................ ... 337
lnhaltsverzeichn is
16
II ... Freiwillige" Nachrüstung
........ 337
111. Eingriffsbefugnisse in der Überwachungsphase ................. .............................. .............. 338 IV. (Nachträglich) erforderliche Schadensvorsorge
.. ..................................................... 339
V. Tatsächlicher Bestandsschutz .. ................................ ..
... 343
VI. Die wichtigsten Fälle einer technischen Nachrüstung
............. ... ... . 348
VII. Wirtschaftlicher Bestandsschutz ........................ ..................................................... ....... 350 VIII. Zusätzliche Änderungsgenehmigung ............................................................. ............... 352 IX. Reformüberlegungen
.. . 353
Literaturverzeichnis ............................................................ ................................................... ... 355
Einführung Der Reaktorsicherheit wurde von Beginn der Kernenergienutzung an größte Bedeutung beigemessen. In den letzten zwanzig Jahren konzentrierten sich die Arbeiten auf Experimente und die Entwicklung theoretischer Modelle, die die Anforderungen an die Auslegung von Kernkraftwerken absichern sollten. Dabei war die Berücksichtigung des viel zitierten GAU der Grund für passive und aktive Schutzmaßnahmen für Kernkraftwerke. Dieser "größte anzunehmende Unfall", das schwerste denkbare Ereignis, das durch Zusammentreffen eines Ausfalls verschiedener Schutzmaßnahmen und -barrieren eintreten könnte, wurde Grundlage der Auslegung der Anlagen und damit Genehmigungsvoraussetzung. Noch bis zur Mitte der achtziger Jahre war die Meinung weit verbreitet, Sicherheitsfragen seien weitgehend gelöst und weitere Sicherheitsforschung sei nur noch in begrenztem Umfang nötig. Tatsächliche Unfallereignisse mit fast katastrophalen oder auch katastrophalen Folgen haben diese Einschätzung entscheidend geändert. Bereits der Störfall von Harrisburg/USA ( 1979) verdeutlichte Art, Ausmaß und Allgegenwa1t der Risikopotentiale moderner Kerntechnik. Spätestens die durch den Unfall von Tschernobyl/ehemals UdSSR ( 1986) hervorgerufenen Ängste und Befürchtungen, die in der deutschen Öffentlichkeit auf die eigenen Kernkraftwerke übertragen wurden, führten dazu, daß die Kerntechnik von einem beträchtlichen Teil unserer Bevölkerung subjektiv als Bedrohung und Gefährdung empfunden wird 1• Das Ereignis von Tschernobyl hat auch in der Bundesrepublik Deutschland die Reaktorsicherheitsforschung, die sich anfänglich, wie beschrieben, auf die Auslegung von Kernkraftwerken konzentrierte, in der Weise beeintlußt, daß es zu einer Akzentverschiebung in Richtung auf auslegungsüberschreitende Ereignisabläufe kam. Ziel dieser Verschiebung war und ist es, die Sicherheitsreserven zu erhöhen und die Präventivebene auszubauen1 . Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, daß sich dieses sogenannte Präventiv-Konzept nach dem im Dezember 1988 veröffentlichten "Abschlußbericht über die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland durch die RSK" schon in der Vergangenheit bewährt hat und keine Sicherheitsmängel festgestellt wurden, die sofortige Abhilfe erfordert hät1 Siehe
2
auch Mayinger/Birkhoter, atw 1988, 426. 427. Vgl. bereits Birkhoter. et 1987. 337. 338 f. und Haedrich. et 1988. 631. 632.
2 Gemmelee
18
Einführung
ten. Neben dem hohen Sicherheitsstandard deutscher Kernkraftwerke wird es insbesondere auf den konzeptionellen Unterschied zum Reaktortyp in Tschernobyl zurückgefuhrt, daß eine derartige Katastrophe hierzulande ausgeschlossen sei. Der russische Reaktor wäre - gemessen an der Elle des deutschen Atomrechts- überhaupt nicht genehmigungsfähig'. Durch die intensive Beschäftigung mit Unfallszenarien im Rahmen der Reaktorsicherheitsforschung4 wurden in den letzten Jahren immer weitere Störfallmöglichkeiten in Betracht gezogen, um auch äußerst selten zu erwartende schwere Störfälle mit Gefahr der Kernbeschädigung so zu beherrschen, daß eine unzulässige Freisetzung von Radioaktivität in die Umgebung vermieden wird. Daraus hat sich ein wesentlich erweitertes Sicherheitskonzept entwickelt, das sich im Sinne der Frage "Was wäre, wenn ... ?" auch mit jenen auslegungsüberschreitenden Ereignissen befaßt. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird unterstellt, daß einzelne oder gegebenenfalls sogar alle Sicherheitseinrichtungen, die ihrer Bestimmung nach jede Störung zuverlässig begrenzen, gleichzeitig versagen. Die Analyse auslegungsüberschreitender Ereignisabläufe ist nicht gleichbedeutend mit Kernschmelzabläufen, sondern legt die Priorität insbesondere auf präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Kernzerstörungen, die es erlauben, den größten Teil von Störfallszenarien ohne unzulässige Auswirkungen auf die Umgebung der Anlage zu beherrschen. Die Ergebnisse der Reaktorsicherheitsforschung zeigen, daß Notfallschutzmaßnahmen, mit denen entweder in einer Anlage vorhandene Betriebs- und Sicherheitssysteme flexibel eingesetzt oder aber neue und damit zusätzliche Einrichtungen verwirklicht werden, das Schmelzen des Kerns noch verhindem können. Hierbei ist es wichtig, Notfallmaßnahmen nicht erst als Teil des Katastrophenschutzes zu ergreifen, wenn Störfallauswirkungen außerhalb der Anlage zu befürchten sind, sondern bereits möglichst frühzeitig innerhalb der Anlage' . Mit solchen sogenannten anlageninternen Notfallschutzmaßnahmen soll auch Zeit gewonnen werden, um ausgefallene Sicherheitseinrichtungen wieder funktionsfähig zu machen, bevor Kernschäden auftreten".
3 Vgl. nur Birkhoter, et 1987, 337; Michaelis. et 1987, 376 f; Lukes, BB 1986, 1305. 1306; Wagner, NJW 1987, 411. 4 Im Juni 1989 wurde die unter Leitung der Gesellschaft flir Reaktorsicherheit erstellte Phase B der "Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke" veröffentlicht, eine probabilistische Untersuchung zur Sicherheit von Kernkraftwerken. Gegenstand der Untersuchungen dieser Studie ist das Kernkraftwerk Biblis B. Zu den (anlagenspezitischen) Ergebnissen dieser Bewertung siehe Werncr. atw 1991. 125. 128 tl 'Birkhoter. in: 8. AtRS 1989, S. 41. 53; Schenk. atw 1990.514.5 15. " Hicken, atw 1989. 73. 74.
Eintlihrung
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Dabei kann sich die rechtliche Betrachtung auf die Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes beschränken, die sogenannte Zusatzmaßnahmen darstellen. Denn in dem Fall, daß jene Maßnahmen ausschließlich im flexiblen Einsatz ohnehin schon vorhandener Systeme und Komponenten bestehen, erhalten die vorhandenen Einrichtungen lediglich eine zusätzliche, weitere Funktion. Hingegen hat nur dann eine Änderung einzelner Anlagenkomponenten und damit der Anlage insgesamt zu erfolgen, wenn die Maßnahmen die Änderung oder Ergänzung vorhandener Systeme oder den Einbau besonderer Einrichtungen zum Gegenstand haben 7• Jenes Resultat der ständigen sicherheitstechnischen Weiterentwicklung verdient grundsätzlich Beachtung nicht nur flir Anlagen, die schon längere Zeit betrieben werden, sondern auch flir neue, noch zu genehmigende Anlagen und Reaktorkonzepte. Der letzte Fall, daß Notfallschutzmaßnahmen oder überhaupt Maßnahmen zur Erhöhung des Sicherheitsstandards in dem Stadium vorgesehen werden, in dem sich die Anlage noch in der Planung befindet und noch keine Genehmigung dafür erteilt ist, erscheint auf absehbare Zeit nur mehr theoretisch vorstellbar". Das Kernenergieumfeld in der Bundesrepublik Deutschland gibt nicht die günstigsten Rahmenbedingungen flir die Errichtung eines Kernkraftwerkes ab angesichts der überaus langwierigen Genehmigungsverfahren, einer immer komplizierter werdenden Teilgenehmigungspraxis sowie der seit den siebziger Jahren geltenden ungeschriebenen Norm, wonach jede atomrechtliche Genehmigung der gerichtlichen Bestätigung bedarf'. Hinzu kommt die politische Diskussion um einen sogenannten geordneten Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie, die verstärkt wird durch den Vorschlag einer dahingehenden weitreichenden Änderung des Atomgesetzes"' sowie einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht, wonach die energiewirtschaftliche Plutoniumnutzung flir verfassungswidrig erachtet wird". Diese Tendenz wird schließlich v~rstärkt durch die Entscheidung der Elektrizitätswirtschaft, auch in den neuen Bundesländern zumindest in diesem Jahrhundert keine neuen Kernkraftwerke mehr errichten zu wollen 12 • Darüber können auch Erklärungen nicht hinwegtäuschen, denen zufolge die Kernenergie als feste 7 Ebenso Lukes. in: 8. AtRS 1989. S. 63. 67. • Vgl. die schon kritischen Prognosen Ende der achtziger Jahre von Lukes. in: 8. AtRS 1989. S. 63. 72 f und Wagner. NvWZ 1989. 1105. II II.
'' Ossenbühl. OVBI. 1978, I. 111 Siehe den Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der energiewirtschaftliehen Nutzung der Kemenergie und ihrer sicherheitstechnischen Behandlung in der Übergangszeit (Kernenergieabwicklungsgesctz). BT-Drs. Nr. 11 / 13 vom 19.2.1987. 11 Nonnenkontrollantrag des Abgeordneten Dr. Hans-Jochen Vogel und weiterer 179 Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 21.4.1988. 12
FAZvom31.5.1991.S. 15.
20
Einführung
Größe eines energiepolitischen Konzepts befürwortet wird und die Energieversorgung in der Zukunft mit einem "Mix" aller verfugbaren Energien, auch der Kernenergie eben, gesichert werden soll 13 • Aber selbst wenn es nicht zur Bildung eines energiepolitischen Konsenses kommt, der auch die Nutzung der Kernenergie zum Inhalt hat, so wird dies jedenfalls nicht zum sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie fuhren. Die Energieversorgungsunternehmen werden in jedem Fall versuchen, den vorhandenen Bestand unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten zu sichern". Dies erscheintangesichtsdes bei einem (sofortigen) Ausstieg zu erwartenden Stromengpasses - die Kernenergie trägt derzeit allein in den alten Bundesländern bereits zu 40 % zur öffentlichen Stromerzeugung bei - mangels praktisch umsetzbarer, gleichwertiger alternativer Energiekonzepte nur folgerichtig 1; . Liegen demnach aber die entscheidenden Aufgaben der nächsten Jahre neben der Gewährleistung vor allem in der Weiterentwicklung der Sicherheit der in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke 16, so konzentriert sich das Interesse derzeit denn auch auf Fragen der Nachrüstung in bezugauf bereits genehmigte und betriebene Anlagen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, herauszuarbeiten, bis zu welcher Grenze Maßnahmen zur nachträglichen sicherheitstechnischen Verbesserung einer Anlage, die im Rahmen der ursprünglichen Auslegung des Kernkraftwerks noch keine Berücksichtigung gefunden haben, behördlich durchsetzbar sind. Dabei gilt das besondere Interesse gerade jenen anlageninternen Notfallschutzmaßnahmen, die das Risiko von solchen auslegungsüberschreitenden Ereignissen weiter verringern sollen, die letztlich zu erheblichen Schäden am Reaktorkern bis hin zum Schmelzen fuhren können. Die rechtliche Einordnung dieser Maßnahmen bereitet in der hier zu untersuchenden Überwachungsphase ebensoviel Schwierigkeiten wie in der Genehmigungsphase, weil mit den auslegungsüberschreitenden Ereignissen auch der Bereich betroffen sein kann, der dem sogenannten Restrisiko zuzuordnen ist und dann in keinem Fall mehr unter die (tatbestandlichen) Genehmigungsvoraussetzungen fallt. Bei einer (mehr oder weniger) freiwilligen Verwirklichung von Nachrüstungsmaßnahmen durch die Betreiber, wie es vielfach der gängigen Praxis entspricht, stellt sich das Problem der Änderungsgenehmigung nach § 7 Abs. I AtG. Gegenstand der nachfolgenden Untersuchungen soll jedoch schwerpunktmäßig die Situation sein, daß eine Verbesserung des Sicherheitsstandards der Anlage allein auf Initiative der Behörde, mittels staatlichen Zwangs also, veranlaßt wird. Ob IJ Ygl. die Berichte in atw 1991, 209 und 256 sowie FAZ vom 26.3.1991, S. 17 und vom 15.7.1991, S. 15. 14
15 1"
Mutschler. in: Steinberg/Mutschler/Renneberg, Die Zukunft der Kemenergie. S. 20. 25 f Vgl. Kempkens/Otzen. Wirtschaftswoche Nr. 39 vom 21 .9.1990. S. 80. 89 und 92. Siehe auch BMU. Umweltbericht 1990. Zusammenlassung, S. 17.
Einführung
21
und inwieweit es auch in diesem Zusammenhang noch einer zusätzlichen Änderungsgenehmigung bedarf, bleibt allerdings zu prüfen. Als Instrumentarien zur Durchsetzung behördlicherseits nachträglich angeordneter Maßnahmen kommen jedoch in erster Linie nachträgliche Auflagen gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG in Betracht, daneben möglicherweise Aufsichtsmaßnahmen nach § 19 Abs. 3 AtG. Voraussetzung flir die rechtliche Einordnung der Maßnahmen zur sicherheitstechnischen Verbesserung der Kernkraftwerke im allgemeinen und des sogenannten anlageninternen Notfallschutzes im besonderen ist es aber, vorab die ingenieurmäßige Zielsetzung dieser Maßnahmen zu beleuchten. Dieser Frage soll neben weiteren flir die Behandlung des Themas grundlegenden Ausgangspunkten zunächst nachgegangen werden.
A. Grundlagen und Ausgangspunkte I. Zum ingenieurmäßigen Sicherheitskonzept eines Kernkraftwerks 1. Spaltproduktbarrieren
Kernenergie wird überwiegend durch Kernspaltung gewonnen. Diese Spaltprodukte werden durch mehrere hintereinanderliegende Strukturen, die sogenannten Spaltproduktbarrieren, eingeschlossen. Dies sind im einzelnen' : - Das Kristallgitter des Brennstoffs selbst, - die Brennstabhüllrohre, - der Reaktordruckbehälter samt Reaktorkühlkreislaufs, - der den Reaktorkühlkreislauf umschließende Sicherheitsbehälter, - die äußere Stahlbetonhülle, die allerdings nur eine begrenzte Dichtfunktion hat. 2. Sicherheitstechnische Auslegung
a) Schutz- und Sicherheitssysteme Um ein Versagen der soeben beschriebenen Barrieren auch bei Störfallen zu verhindern, werden die kerntechnischen Anlagen mit umfangreichen Sicherheitssystemen und Schutzeinrichtungen versehen. Kommt es zu einem Störfall, so greifen weitgehend automatisch verschiedene, mit hohen Reserven ausgestattete Sicherheitssysteme ein, um die Störung zu erkennen und den Störfall zu beherrschen. Hier sind neben dem Reaktorkern, der die thermische Leistung des Kernkraftwerkes produziert und den wesentlichen Teil der radioaktiven Stoffe der Anlage enthält, im wesentlichen zu nennen' : - Das Reaktorschnellabschaltesystem, 1
Deutsche Risikostudio: Kcmkrallwcrkc Phase t\. llaupthaml. S. 3X f
2
Deutsche Risikostudie: Kcmkraliwerke Phase t\. llaupthand. S. 45
rr
I. Zum ingenieurmäßigen Sicherheitskonzept eines Kernkrattwerks
23
- der Reaktorkühlkreislauf, - der Speisewasser-Dampf-Kreislauf, - das Volumenregel- und das Chemikalieneinspeisesystem, - die Regeleinrichtungen, - das Reaktorschutzsystem, - die elektrische Energieversorgung, - das Notspeisewassersystem, - das Not- und Nachkühlsystem, - das Notstandssystem, - der Sicherheitsbehälter und die umgebende Stahlbetonhülle mit einer Absaugevorrichtung flir den dazwischenliegenden Ringraum . Eine wesentliche Aufgabe dieser Systeme besteht darin, die Kühlung des Reaktorkerns unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, um ein mögliches Schmelzen desselben zu verhindern. Ein erheblicher Teil der Spaltprodukte würde dann in den Sicherheitsbehälter gelangen. Dieser ist in dem Barrieresystem die letzte Barriere gegen eine Aktivitätsfreisetzung in die Umgebung.
b) Konzept der gestaffelten Prävention Bei der zivilen Nutzung der Kernenergie wurde vornehmlich in der Bundesrepublik frühzeitig erkannt, daß zum Schutz gegenüber großen Gefährdungspotentialen die Verwendung mehrerer Verteidigungslinien im Sinne einer gestaffelten Prävention sich als sehr wirksames Konzept erwiesen hat. Dabei war man von Anfang an bestrebt, die Schutzmaßnahmen so weit in den präventiven Bereich vorzuverlagern, wie dies technisch möglich und vernünftig erschien. In diesem Sinne wird versucht, Entstehung und Ausbreitung von Störungen schon im Ansatz abzufangen, bevor sie sich zu größeren Schäden ausweiten können . Dazu ist ftir Kernkraftwerke ein mehrstufiges Sicherheitskonzept entwickelt worden'. Auf der ersten Stufe steht die Qualitätsgewährleistung, d.h., man versucht Störungen durch eine besonders hohe Qualität aller Anlagenteile überhaupt zu vermeiden. Komponenten und Systeme werden mit hohen Sicherheitsreserven ausgestattet, deren hoher Qualitätsstand durch ständig wiederkehrende Qualitätssicherungsmaßnahmen während der gesamten Betriebszeit garantiert wird.
' Dazu und zum tolg~:nd~:n : D~:utsche Risikostudie: Kcrnkra1\w~:rkt: Phas~: A. Hauptband. S. 40 f sowie Maying~:r/Birkhoter, atw 1988. 426, 427 f. und Birkhoter. in: 8. AtRS 1989. S. 41. 42.
24
A.
Grundlag~:n
und Ausgangspunkte
Auf der zweiten Stufe werden mittels mehrfach gestaffelter Regel- und Schutzeinrichtungen Störungen unterbunden, bevor sie sich zu Störfällen entwickeln können. Wichtigste Einrichtung ist das Reaktorschutzsystem, das automatisch Schutzmaßnahmen auslöst, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden. Die Grenzwerte sind so festgelegt, daß Anlagenteile nicht überbeansprucht werden können. Auf der dritten Stufe sollen die vorhandenen Sicherheitseinrichtungen die Aktivitätsbarrieren bei Schäden an wichtigen Systemen schützen. Da Ausfälle von sicherheitsrelevanten Systemen und Komponenten nicht auszuschließen sind, wird verlangt, daß die Funktion der Schutz- und Sicherheitssysteme auch bei Ausfall einzelner Komponenten erhalten bleibt. Das Ziel, ein hohes Maß an Funktionssicherheit der Schutzeinrichtungen zu gewährleisten, wird vor allem dadurch erreicht, daß diese durchweg redundant vorhanden und durch eine räumliche Trennung sowie durch besondere bauliche Maßnahmen vor Beschädigung durch übergreifende Einwirkungen geschützt sind. Sie sind zudem im weitesten Sinne fehlertolerant ausgeflihrt, so daß sie ihre Funktion auch dann noch erftillen, wenn ein von der eigentlichen Schadensursache unabhägiger, zusätzlicher Fehler auftritt. Auch wird der Einfluß menschlichen Fehlverhaltens durch Automatisierung über einen bestimmten Zeitraum weitgehend ausgeschlossen. G)
Auslegungsstörfalle
Charakteristisch ftir diese Sicherheitskonzeption auf der dritten Stufe ist ihre Orientierung am Modell des sogenannten Auslegungsstörfalls. Bei der Planung, Konstruktion und Ausftihrung der Sicherheitsmaßnahmen zur Störfallverhinderung und -beherrschung, mit anderen Worten: bei der sicherheitstechnischen Auslegung der Anlage, werden die Sicherheitseinrichtungen so bemessen, daß sie diejenigen Störfälle beherrschen, die tlir jeweils eine Klasse von Schadensereignissen in dem Sinne repräsentativ sind, daß sie die in dieser Klasse stärksten Anforderungen an die Sicherheitseinrichtungen stellen. Dabei berücksichtigt man nur solche Störungsursachen und daraus resultierende Ereignisabläufe, die nicht als zu weit entfernte Schadensmöglichkeiten erscheinen. Sie werden als hinreichend glaubhaft unterstellt und determinieren die Auslegung der Anlage•. Der durch Vorausberechnung der Auslegungsstörtiille geftihrte Sicherheitsnachweis geht hierbei von Annahmen aus, die in dem Sinne pessimistisch getroffen werden, daß die Wirksamkeit der Sicherheitseinrichtungen im Zweifel sogar unterschätzt wird.
4
Vgl. auch Marburgcr, Atomrechtliche Schadcnsvorsorgc. S. !16 r
I. Zum ingenieurmäßigen Sicherheitskonzept eines Kernkraftwerks
25
3. Sicherheitskonzeptionelle Einordnung der Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes
a) Auslegungsüberschreitende Ereignisse aa) Begrifflichkeit Obwohl mit der Sicherheitsauslegung eine umfassende Schadensvorsorge getroffen ist, kann naturgesetzlich nicht ausgeschlossen werden, daß es auch bei noch so zuverlässigen Sicherheitseinrichtungen zu Systemausfällen und Ausfallkombinationen kommt, die durch die Auslegung nicht abgedeckt sind. Auslegungsüberschreitende Störfälle sind demnach Ereignisse und Ereignisabläufe, bei denen die Sicherheitssysteme ihre in der Auslegung vorgesehene Funktion wegen zusätzlicher Fehlerpostulate nicht erfilllen5• bb) Möglichkeiten der Beherrschung Zur Beherrschung über den Auslegungsstörfall hinausgehender Ereignisse, die, das sei nochmals betont, nicht notwendig zur Beschädigung des Reaktorkerns führen müssen, können grundsätzlich zwei unterschiedliche Wege beschritten werden6 : Der erste besteht in der Verbesserung der sicherheitstechnischen Auslegung, insbesondere durch Verstärkung der Sicherheitssysteme, gegebenenfalls durch Installierung zusätzlicher Einrichtungen. Derartige Verbesserungen bieten sich an, wenn einzelne Schwachstellen zu einer Unausgewogenheit des Auslegungskonzepts führen. Als Beispiel sei die Einfiihrung des viersträngigen Notspeisesystems angeführt, das die Zuverlässigkeit der Nachwärmeabfuhr bei Störfällen erheblich erhöht hae. Als zweiter Weg kommt die Einführung von Maßnahmen anderer Qualität in Betracht. Risikoanalysen von auslegungsüberschreitenden Ereignissen, in deren Verlauf ein gleichzeitiges Versagen einzelner oder auch aller Sicherheitseinrichtungen unterstellt wird, zeigen, daß bei Leichtwasserreaktoren, also bei Druckwasserreaktoren oder Siedewasserreaktoren, wegen des Barriereneinschlusses zumeist einige Stunden vergehen würden, bis es zum Auftreten ernsthafter Schäden am Reaktorkern kommen würde. Diese Zeit kann zu Gegenmaßnahmen, sogenannten anlageninternen Notfallschutzmaßnahmen, oder wie es im Englischen ' Birkhoter, et 1989, 830. '' Birkhoter, et 1989, 830 f 7 Birkhoter, et 1989, 830.
26
A. Grundlagen und Ausgangspunkte
zutreffender ausgedrückt ist, zum "accident managemenr', genutzt werden, um schwere Schäden am Reaktorkern zu verhüten und die Anlage in einen sicheren Zustand zurückzuführen•. Seide Wege zur Beherrschung auslegungsüberschreitender Ereignisse sind flir die nachfolgende rechtliche Beurteilung der Durchsetzbarkeit entsprechender Maßnahmen im Auge zu behalten. wobei vor allem der zweite Weg in jüngster Zeit in der Praxis immer mehr Beachtung gefunden hat.
b) Grundkonzeptfür den anlageninternen Notfallschutz aa) Schutzziele Das Grundkonzept flir den anlageninternen Notfallschutz sieht die Einhaltung weniger, aber vitaler Schutzziele vor'': - Unterkritikalität des Raktorkerns; - langfristige Kühlung des Reaktorkerns im Reaktordruckbehälter: - Schutz der druckfuhrenden Umschließung; - Erhaltung der Integrität des Sicherheitsbehälters; - Rückhaltung von Radioaktivitätsfreisetzung an die Umgebung; - Sicherung der Grundfunktionen, wie der Gleich- und Notstromversorgung. Dabei hat die Erfüllung der Schutzziele absoluten Vorrang gegenüber einer Schadensvenneidung an einzelnen Komponenten des Kernkraftwerks. Oberstes Notfallschutzziel ist letztlich die Integrität des Reaktordruckbehälters und der Verbleib des Kernmaterials in ihm 11'. bb) Schutzzielorientierte Maßnahmen In logischer Verknüpfung dieser Schutzziele - im wesentlichen also Unterkritikalität des Reaktorkerns, langfristige Kernkühlung, Rückhaltung von Radioaktivität- werden anlagenspezifische, schutzzielorientierte Maßnahmen konkretisiert11 . Diese sollen in erster Linie eine Kernzerstörung verhindern. Wenn dies nicht möglich ist, sind sie dazu bestimmt, die Kernzerstörung zu begrenzen und • Birkhoter, in: 8. AtRS 1989, S. 41, 52. 9
Birkhoter. et 1989, 830, 831 .
111
Siehe auch Hossner. atw 1989, 69 und Schenk. atw 1990, 514. 516.
11
Vgl. hierzu und zur Zielrichtung der Maßnahmen: Kuczcrn. atw 1989. 37. 38.
I. Zum ingenieurmäßigen Sicherheitskonzept eines Kernkranwerks
27
die Kernmasse im Reaktordruckbehälter zu halten. Wird auch dies nicht erreicht, sollen sie schließlich die Integrität des Sicherheitsbehälters solange wie möglich erhalten, um die Freisetzung von Radioaktivität in die Umgebung und deren Folgen zu minimieren. Die weitgehende Schutzzielorientiertheit dieser Maßnahmen macht es möglich, sie auch unvorhergesehenen Situationen anzupassen. Anlageninterne Notfallschutzmaßnahmen sind mithin Maßnahmen, die über die automatischen bzw. fest vorgeplanten Sicherheitsaktionen hinausgehen. Sie können die Beherrschbarkeil auslegungsüberschreitender Störfalle unter vollem Schutz des Sicherheitsbehälters steigern und so zur weiteren Risikominderung beitragen. Die Entwicklung von Maßnahmen des "accident managements" ist also nicht als Korrektur des bisherigen mehrstufigen Schutzkonzepts, sondern vielmehr als dessen Ergänzung zu verstehen. Mit solchen anlageninternen Notfallschutzmaßnahmen wird dem erwähnten Mehrstufenkonzept der Sicherheitsvorsorge in Kernkraftwerken eine weitere, vierte Sicherheitsebene gleichsam als auffangendes und umspannendes "Sicherheitsnetz" 12 hinzugefügt. Die nachfolgende Abbildung soll das um die vierte Sicherheitsebene erweiterte Mehrstufenkonzept zur Sicherheitsvorsorge in Kernkraftwerken mit den jeweils vorzusehenden Sicherheitsvorkehrungen noch einmal im Überblick veranschaulichen.
Sicherheitsauslegung gemäß Betriebsgenehmigung
weitere Risikominderung
12
Stufe I
Anlagenzustände Normalbetrieb
Sicherheitsvorkehrungen Qualitätsgewährleistung
Stufe 2
Betriebsstönmgen
Inhärent sicheres Betriebsverhalten; Störungsbegrenzung
Stufe 3
Auslegungsstörtlilie
Reaktorschutzsystem; Sicherheitseinrichtungen
Stufe 4
Auslegungsüberschreitende Ereignisse
Anlageninterner Notfallschutz: Nutzung aller verlugbaren Einrichtungen; Verwirklichung zusätzlicher Einrichtungen
Birkhoti:r. in: ll. AtRS 1989. S. 41. 44.
28
A. Grundlagen und Ausgangspunkte
II. Nachrüstung von Kernkraftwerken I. Begrifflichkeit
Nachrüstung ist ein schillernder Begriff. Der Kern des Wortes verweist auf kriegerische Bereiche und es hatte in diesem Sinne auch aktuelle Bedeutung in der militärpolitischen Diskussion Anfang der achtziger Jahre. Das Wort "Nachrüstung" ist die deutsche Übersetzung des englischen Wortes "back-fitting" flir nachträgliche Maßnahmen an Kernkraftwerken. Das Problem der Nachrüstung tritt hiernach mit fortschreitender Betriebsdauer der Altanlagen auf. Die alten Anlagen bedürfen der technischen Überholung, um auf den ursprünglichen oder einen höheren Sicherheitsstandard gebracht zu werden I). Diese weite begriffliche Interpretation wird der eigentlichen Bedeutung des Wortes jedoch nicht gerecht. Die erste Alternative der soeben wiedergegebenen Auslegung des Begriffs "Nachrüstung" betrifft nämlich lediglich die Situation, daß die Anlage technisch überholt wird, um sie auf den ursprünglichen Sicherheitsstandard zu bringen. "Nachrüstung" in seiner eigentlichen Bedeutung ist mithin abzugrenzen von der bloßen "Nachbesserung" im Sinne einer Reparatur oder Instandsetzung der Anlage, die den ursprünglichen Sicherheitsstandard erhält, der im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage bestanden hat 1•. Mit der Anordnung einer Maßnahme lediglich zur Nachbesserung geht es der Behörde um die Durchsetzung ihrer ursprünglichen Sicherheitsphilosophie, also um die Beibehaltung des im Genehmigungsbescheid festgeschriebenen Sicherheitsstandards. Demgegenüber bezeichnet der BegriffNachrüstung im engeren Sinne die Anpassung einer genehmigten Anlage an neue sicherheitstechnische Erkenntnisse. Technische Änderungen sollen ein nachträglich erkanntes Defizit an Schadensvorsorge oder Risikominimierung ausgleichen, und zwar auch dann, wenn eine Gefährdung im polizeirechtlichen Sinne noch gar nicht vorliegt. Eben diese Variante der Nachrüstung, verstanden als Modemisierung der Anlage, soll Gegenstand der weiteren Überlegungen sein, ohne verkennen zu wollen, daß die unterschiedliche Auslegung des Begriffs keinerlei Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung der Maßnahmen haben kann . Im einen wie im anderen Fall sind -je nach Vorliegen der Voraussetzungen - Anordnungen auf der Grundlage des § 19 Abs. 3 oder des § 17 Abs. I S. 3 AtG grundsätzlich möglich. Unabhängig davon werden von seiten der Setreiber schließlich Bedenken gegen das Wort "Anpassung" erhoben. Sie wollen "Nachrüstung" allein im Sinne
I J Diese weite Auslegung legt auch Richter, Nachrüstung von Kemkraftwerken, S. I seinen Erörterungen zugrunde. 14 Deshalb unterliegen auch Reparaturen nach zutretlender Ansicht nicht dem Vorbehalt der Änderungsgenehmigung nach§ 7 Abs. I AtG, vgl. Lukes, N.IW 1983, 1753, 1757 [
II. Nachrüstung von Kernkratiwerken
29
von Ertüchtigen, also verbessern eines Ist-Zustandes. verstehen, während das Wort "Anpassung" eine finale Bedeutung habe, nämlich auf ein Endergebnis im Sinne des Erreichens eines bestimmten Soll-Zustandes gerichtet sei 15 • Dieser sprachlichen Betrachtung braucht im Rahmen der Begriffserläuterung indes nicht weiter nachgegangen zu werden. Inwieweit jenem aus Sicht der Betreiber nur zu verständlichen Verlangen nach einer mehr pragmatischen denn dogmatischen Anwendung der Nachrüstungsanforderungen Rechnung getragen werden kann, muß letztlich die rechtliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen ergeben. 2. Anlässe und Kategorien der Nachrüstung
a) Anlässe für Nachrüstungsmaßnahmen Allgemein läßt sich feststellen, daß es im wesentlichen zwei Sachverhalte sind, die jeweils die Prüfung veranlassen, ob Veränderungen oder Nachrüstungen zur sicherheitstechnischen Verbesserung an bereits ausgeführten und im Betrieb befindlichen Anlagen notwendig sind. Das sind zum einen neue Erkenntnisse aus der Betriebserfahrung, der Reaktorsicherheitsforschung oder aus der allgemeinen technischen Erfahrung sowie darüber hinaus besondere Vorkommnisse, die entsprechend den behördlich festgelegten Kriterien gemeldet und anschließend darauf hin untersucht werden, inwieweit generelle Maßnahmen zweckmäßig oder erforderlich sind 1". Beispielhaft seien nachfolgend die bedeutendsten Ereignisse zusammengetragen, die in der Vergangenheit Anlaß flir wesentliche Nachrüstschübe gaben 17 : - Der Störfall an der Kondensationskammer des Kernkraftwerks Würgassen (1972); - die Werkstoffproblematik in bezugauf Rohrleitungen und Behälter in verschiedenen Bereichen der Anlage (1974); - der Störfall von Harrisburg/USA ( 1979); - das Erscheinen der 3. Ausgabe der RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren (1981); - die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl/ehemals UdSSR ( 1986); - der Vorfall im Kernkraftwerk Biblis A ( 1987);
15
Vgl. Stäbler, atw 1982, 522; dens.. atw 1991 , 378.
Siehe BMU, Strahlenschutz- Reaktorsicherheit, Umwelt '90, S. 98. 17 Vgl. auch Fabian, Nachrüstungsmaßnahmen im Risikobereich: Was tun die Betreiber?, Vortrag (maschinenschriftlich), S. 2 f. 16
30
A. Grundlagt:n und Ausgangspunkte
- der Abschlußbericht der Sicherheitsüberprüfung der RSK als Reaktion auf das Ereignis Tschernobyl ( 1988); - die Risikostudie Phase 8 ( 1989); - die wesentliche Neufassung der KTA-Regeln ( 1989).
b) Kategorien von Nachrüstungsmaßnahmen Nachrüstungsmaßnahmen sind dadurch gekennzeichnet, daß sich bei Fortbestehen einer nach wie vor rechtmäßigen Genehmigung bestimmte Umstände in einer Weise geändert haben, die inzwischen eine Genehmigung der Anlage nicht mehr zulassen würden und daher Modemisierungen erfordern. Betrachtet man die einzelnen Umstände, die im konkreten Fall einen Nachrüstungsbedarf auslösen können, so lassen sich verschiedene Kategorien bilden und voneinander unterscheiden. aa) Änderung der Sachlage (Kategorie I) Zunächst kann eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zu einerneuen Beurteilung der erforderlichen Schutzvorkehrungen führen. Hier sind die beiden Situationen vorstellbar, daß entweder neue Tatsachen (Kategorie I a) oder neue Erkenntnisse über Tatsachen (Kategorie I b) zu der Prüfung zwingen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen für die kerntechnische Anlage weiterhin erfüllt sindiX. In Betracht kommt etwa der Fall, daß aufgrund des Alterungsprozesses einzelne sicherheitstechnisch wichtige Einrichtungen nicht mehr das erforderliche Maß an Sicherheit gewährleisten (Kategorie I a) oder daß neue technischwissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, daß bestimmte im Kernkraftwerk verwendete Bauteile weniger widerstandsfähig sind, als im ursprünglichen Genehmigungsverfahren angenommen wurde (Kategorie I b). Seide Kategorien fallen insoweit jedoch definitionsgemäß nicht unter den Begriff der Nachrüstung im eigentlichen Sinne, da jeweils Gesichtspunkte betroffen sind, die von der Behörde bereits im Genehmigungsverfahren untersucht worden sind. Geht es aber lediglich darum, zu überprüfen, ob die Anlage noch den Bestimmungen des Genehmigungsbescheides, mithin dem bislang geltenden Recht entspricht, handelt es sich, wie dargelegt, um bloße Reparatur- oder lnstandsetzungsmaßnahmen. Unter diesen Vorzeichen können die ersten beiden Fallgruppen demnach für die vorliegende Untersuchung außer Betracht bleiben.
1" Diese beiden Situationen wt:rden von Schattke, atw 1988. 411 . 412 im Zusanunt:nhang mit der Parallelproblematik bt:i einem Widerruf dt:r atomrechtlichen Genehmigung als denkbare Widerrutstlille der Betriebsgenehmigung behandelt.
II. Nachrüstung von Kernkraftwerken
31
Unter der Kategorie "Änderung der tatsächlichen Verhältnisse" verbleibt aber noch der Fall der Änderung innerhalb der Umgebung der Anlage als Unterfall der Kategorie I a. Die Umgebung einer Anlage kann sich entweder dadurch ändern, daß Wohnbebauung nachrückt. Sie kann aber auch durch die Neuansiedlung anderer gefahrenträchtiger Anlagen ihren Charakter wechseln 1''. Auch hier ist allerdings wiederum die Situation denkbar, daß die Behörde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die fraglichen Tatsachen im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Änderung der Umgebung der Anlage vorausschauend unter dem Gesichtspunkt des erforderlichen Schutzes gegen "sonstige Einwirkungen Dritter" nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG 211 oder jedenfalls auf bauplanungsrechtlicher Grundlage bei der Erteilung der für die kerntechnische Anlage notwendigen Baugenehmigung21 schon berücksichtigt hat. Im Zeitpunkt des atomrechtlichen bzw. baurechtliehen Genehmigungsverfahrens ist die zukünftige Entwicklung der Umgebung des Standortes jedoch nicht abschließend vorhersehbar. Welchen potentiellen Gefahren oder Risiken im einzelnen durch eine verstärkte sicherheitstechnische Auslegung begegnet werden muß, kann bestenfalls vennutet werden. Die vom Antragsteller im Rahmen des abstrakten Auslegungsschutzes geforderten Maßnahmen müssen sich auf solche beschränken, die typischerweise die Anfalligkeit einer kerntechnischen Anlage insbesondere gegenüber anderen gefahrenträchtigen Anlagen herabzusetzen geeignet sind. Das schließt aber nicht aus, daß ein bestimmter nachrückender gefahrenträchtiger Betriebtrotz der an der Atomanlage durch den abstrakten Auslegungsschutzgetroffenen Sicherheitsvorkehrungen aufgrundder speziellen, von ihm ausgehenden Einwirkungen eine neue Gefahren- oder Risikolage schaffen kann 22 • Somit behält im Zusammenhang mit der Anordnung nachträglicher Maßnahmen zur sicherheitstechnischen Verbesserung des Kernkraftwerks dieses Rechtsinstitut- das Vorliegen der noch zu prüfenden rechtlichen Voraussetzungen unterstellt- seine Berechtigung auch in den Fällen der Umgebungsänderung, soweit eben neue Risiken zutage treten, deren Beherrschung weder konkret noch - als vorbeugender Schutz- abstrakt Gegenstand der ursprünglichen Sicherheitsauslegung gewesen ist.
19
Beide Möglichkeitenuntersucht auch Richter, Nachrüstung von Kernkraftwerken. S. 78 f.
A.A. Mutschler. in: I. AtRS 1972, S. 95. 97 tf.. der über das gemäß* 7 Abs. 2 AtG erötlilete Ermessen der Behörde die Möglichkeit einräumen will, im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren aufeine entsprechende sicherheitstechnische Ausstattung des Vorhabens hinzuwirken. 211
21 Als eine Frage des Planungs- bzw. Baurechts beurteilen die Frage des sogenannten ,.abstrakten Auslegungsschutzes", d.h. des vorbeugenden Schutzes gegen mögliche, jedoch im Genehmigungszeitpunkt noch nicht vorausseilbare Einwirkungen von außen. auch Vollmer. in: I. AtRS 1972, S. 39. 48 tf.; Roser, in: I. AtRS 1972. S. 115. 117; Schmieder. Atomanlagengenehmigung und Bestandsschutz von Atomanlagen bei nachrückender lndustrieansiedlung, S. I 0 ll'. 12 Im Ergebnis ebenso tlir eine nachrückende Industrieanlage: Schmieder, Atomanlagengenehmigung und Bestandsschutz von Atomanlagen bei nachrückender lndustrieansiedlung, S. 19.
32
A. Grundlagen und Ausgangspunkte
bb) Änderung der Rechtslage (Kategorie 2) Zum Zwecke der Nachrüstung der Anlage kommt neben der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse des weiteren eine Änderung der Rechtslage in Betracht. Hier ist der Fall denkbar, daß nach der Aufnahme des Betriebs Änderungen des Standes von Wissenschaft und Technik aus Sicherheitsgründen eine Anpassung der Anlage erfordern, etwa wenn neue technisch-wissenschaftliche Abschätzungen ergeben, daß die Eintrittswahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses höher einzustufen ist als ursprünglich angenommen 2·1 . cc) Andere Beurteilung der Rechtslage (Kategorie 3) Schließlich kann auch eine bloß andere Beurteilung der Rechtslage durch die Genehmigungsbehörde in gleicher Weise nachträglich angeordnete Maßnahmen veranlassen wie ein Fortschreiten des naturwissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisstandes. Eine solche Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie liegt vor allem dann vor, wenn bei unverändertem naturwissenschaftlichtechnischen Erkenntnisstand die Genehmigungsbehörde die Grenze zwischen unerlaubtem Risiko und erlaubtem Restrisiko nachträglich heruntersetzt, um auf diese Weise ein bestimmtes Ereignis schon tatbestandlieh in die erforderliche Schadensvorsorge des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG einzubeziehen 24 . Damit interpretiert sie die Genehmigungsvoraussetzungen enger als bisher und legt somit das Gesetz in einer flir den Setreiber ungünstigeren Weise aus. Soweit sie unter die Nachrüstung im engeren Sinne fallen, sind die erwähnten drei Kategorien später auf die Zulässigkeil nachträglicher behördlicher Anordnungen hin zu untersuchen.
111. Grundkonflikt zwischen Setreiber und Staat Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, daß eine gemäß und im Einklang mit der Rechtsordnung errichtete kerntechnische Anlage im Laufe der Zeit angesichts einer veränderten Sach- oder Rechtslage ganz unterschiedlichen Anforderungen ausgesetzt sein kann. So wie die Anlage während ihrer Lebensdauer strengeren atom- und strahlenschutzrechtlichen Voraussetzungen unterliegt als im Zeitpunkt der Genehmigung, verläuft konträr dazu das Interesse des Setreibers an der Erhaltung und weiteren Ausnutzung seines in der Regel
l> Vgl. statt anderer Backhenns, in: 6. AIRS 1979. S. 173, 177 sowie Schmieder, Atomanlagengenehmigung und Bestandsschutz von Atomanlagen bei nachrückender lndustrieansiedlung. S. 124. 24 Vgl. wiederum nur Backherms. in: 6. AtRS 1979. S. 173. 177 und Schmicder. Atomanlagengenehmigung und Bestandsschutz von Atomanlagen bei nachrückt:nder lndustrieansicdlung. S. 124 f
Ill. Grundkonflikt zwischen Belreiber und Staat
33
unter Einsatz erheblichen KapitalaufWandes geschaffenen Anlagenbestandes; es entsteht das Problem des Bestandsschutzes. I. Bedeutung des Bestandsschutzes im technischen Sicherheitsrecht
Angesichts der raschen Entwicklung der immer noch relativ jungen Kerntechnik kann sich die in der Anlagengenehmigung festgeschriebene stoffliche, konstruktive und betriebstechnische Auslegung immer nur auf die Situation in einem bestimmten Augenblick beziehen und somit lediglich eine "Momentaufnahme"2; einfangen. Infolge der allgemeinen Fortentwicklung und Verbesserung der Sicherheitstechnik ist es ohne weiteres möglich, daß eine Anlage in ihrer jetzigen Form nicht mehr genehmigungsfahig wäre. Somit kann selbst gegenüber ordnungsgemäß genehmigten Atomanlagen ein repressives Einschreiten in Form von nachträglich anzuordnenden Maßnahmen erforderlich werden, sofern die Sicherheit einzelner Betroffener oder der Allgemeinheit dies erfordert. Diese Maßnahmen kollidieren regelmäßig mit dem vorhandenen "Besitzstand" des Betreibers, der in seiner Ausgestaltung den zwischenzeitlich gewandelten Anforderungen nicht mehr entspricht. Der Bestandsschutz wird durch nachträglich angeordnete Maßnahmen insoweit gemindert, als von der mit der Genehmigung einmal eingeräumten Befugnis nicht mehr uneingeschränkt Gebrauch gemacht werden darf. Die Grundproblematik des Bestandsschutzes ergibt sich somit aus zwei grundsätzlich gegenläufigen Interessen, die nicht immer leicht miteinander in Einklang zu bringen sind: Auf der einen Seite steht die prinzipielle Notwendigkeit einer Anpassung der Technik an gewandelte tatsächliche und vor allem rechtliche Rahmenbedingungen im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit. Auf der anderen Seite sind die legitimen Beharrungsinteressen des Setreibers anzuerkennen, für den die Gewährleistung eines effektiven Bestandsschutzes unabdingbare Voraussetzung für ein rationales Wirtschaften unter Kapitaleinsatz istl 6 . Das Hauptanliegen der nachfolgenden Untersuchungen wird es demnach sein, zu entscheiden, nach welchen Maßstäben zu bestimmen ist, daß sich im konkreten Fall entweder das Interesse des Genehmigungsinhabersam Erhalt seiner bestehenden Rechtsposition oder das des Staates an einer belastenden nachträglichen Maßnahme durchsetzen kann.
1; Friaut: in: Festgabe aus Anlaß des 25_jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, S. 2 17.
26
Ähnlich Friaut: WiVerw. 1989, 12 1, 126.
3 Gemmeke
34
A. Grundlagen und Ausgangspunkte
2. Statisches oder dynamisches Verständnis des Bestandsschutzes?
Die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung21 und Schrifttum2" versteht unter dem (gewerberechtlichen) Bestandsschutz die Befugnis, eine Anlage, die in materiell-legaler Eigentumsnutzung geschaffen wurde, auch dann noch halten und nutzen zu dürfen, wenn sie nach inzwischen geänderter Sach- oder Rechtslage materiell-illegal geworden ist. Bestandsschutz ist hiernach mit anderen Worten das rechtlich geschützte Interesse des Setreibers einer genehmigten technischen Anlage vor (entschädigungslosen) Eingriffen der öffentlichen Hand in Form von nachteiligen Maßnahmen, die das durch die Eigentumsnutzung Geschaffene in Frage stellen. Bei dieser Betrachtung handelt es sich um eine vorwiegend statische Betrachtung, die die Erfordernisse der dynamischen Fortentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik weitgehend auszuklammern scheint. In der Tat kann - ohne den weiteren Untersuchungen vorgreifen zu wollen die materiell-rechtliche Dynamisierung der atomrechtlichen Schadensvorsorge keinesfalls bedeuten, daß jede Rechtsänderung oder gar jede Änderung von Erkenntnissen oder des Standes von Wissenschaft und Technik gleichsam ipso iure den Genehmigungsinhalt ändern und die Kernkraftwerksbelreiber einer dauernden Anpassungs- und Nachrüstungspflicht aussetzen könnte. Die Nachrüstungspflicht bedarf jedenfalls grundsätzlich einer konkretisierenden nachträglichen Anordnung durch die zuständige Behörde, so daß der Bestandsschutz flir den Setreiber zumindest bis zu diesem Zeitpunkt erhalten bleibe~. Erst das atomrechtliche Instrumentarium des § 17 AtG eröffnet der Behörde die notwendigen Handlungsbefugnisse, um den durch die Genehmigung rechtlich einstweilen verbindlich festgeschriebenen verfahrensrechtlichen Rückstand dem materiell-rechtlich rezipierten wissenschaftlich-technischen Fortschritt anpassen zu können>". Die atomrechtliche Genehmigung stellt nämlich wie jede andere gewerbe- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung (gleichsam statisch) auf die Situation der Anlage und ihrer Umwelt zum Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage bei Genehmigungserteilung ab. Jedoch darf der Umstand, daß Atomanlagen -wie erwähnt- Teil der dynamischen technischen Entwicklung sind, bei der Charakterisierung des Bestandsschutzes nicht außer acht gelassen werden. Dem sich fortentwickelnden Stand 17 Vgl. etwa BVerwGE 25, 161 , 162 f ; 27, 341. 343 : 36. 296. 300 f: 50. 49, 57: DVBI. 1972. 219,220f.;DVBI.I973,451,453:NJW 1981,1224.
2" Vgl. z.B. Friaut: WiYerw. 1986, 87, 95; ders .. WiYerw. 1989. 121, 125: Dolde. in: Festschrift tUr Bachot; S. 191, 211 : Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 20 (1987), 307, 333; Papier, in: Maunz) Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 340. 2 ~ Hieraufweist Sendler, UPR 1990,41,43 hin. >o Schoch, DVBI. 1990, 549, 550.
111. Grundkontlikt zwischen Belreiber und Staat
35
von Wissenschaft und Technik versuchen die Genehmigungsbehörden durch eine möglichst weit vorausschauende Sicherheitsphilosophie und Genehmigungspolitik gerecht zu werden, wobei mit erheblichen "Sicherheitszuschlägen" gearbeitet wird. Indem die Sicherheitstechnik fortlaufend an die noch nicht betriebserprobten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepaßt wird, kann der Bestandsschutz auch im Interesse der Setreiber selbst nicht dazu dienen, den gegenwärtigen Zustand rechtlich unabänderlich festzuschreiben. Die Bewältigung des Zeitfaktors im Spannungsverhältnis von Technik und Recht - das Atomrecht greift, wie noch zu zeigen sein wird 31 , weit ins technische Vorfeld der noch nicht etablierten und in allgemeine Praxis umgesetzten Erkenntnisse und Neuheiten hinein - verbietet ein allzu statisches Verständnis des Bestandsschutzes32 . Schließlich gewinnt der Bestandsschutz auch insoweit ein gewisses dynamisches Element, als es bei der Beurteilung seiner Reichweite rechtsdogmatisch insbesondere um die Frage geht, warum sich in einer bestimmten Konfliktsituation das Interesse des Setreibers durchzusetzen vermag, in einer anderen dagegen das Eingriffsinteresse des Staates>>. 3. Kategorien des Bestandsschutzes
a) Tatsächlicher und wirtschqft/icher Bestandsschutz Die rechtliche Ausgestaltung des Bestandsschutzes erfolgt im Atomrecht durch ein umfassendes Regelungsgefuge. Der tatsächliche Bestandsschutz, dessen wesentliche Zielrichtung es ist, den tatsächlichen Bestand in materieller Hinsicht zu schützen, wird von den jeweiligen Regelungen über die Rücknahme, den Widerruf und die nachträgliche Auflage nach § 17 AtG bestimmt. Die materielle Schutzfunktion wird wirksam, wenn eine einstmals legal erlangte Rechtsposition später durch Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse illegal w~d. . Vom tatsächlichen Bestandsschutz ist der sogenannte wirtschaftliche Bestandsschutz abzugrenzen, der immer dann zum Tragen kommt, wenn für jene nachträglich belastenden Maßnahmen der Verwaltung eine finanzielle Entschädigung gewährt werden muß. Die finanziellen Ausgleichsrechte des § 18 AtG treten im Falle eines tatsächlichen Zurückweichens des materiellen Bestandsschutzes als
31
Vgl. unterE. 111.
32
Siehe auch Kuckuck. in: 6. AtRS 1979. S. 205. 206 f: Ronellentitsch. DVBI. 1989. 851. 864.
33 Ähnlich Kutschera. Bestandsschutz im öltentliehen Recht. S. II. flir den lediglich die Antwort auf die Frage. ob der berührten Rechtsposition im Ergebnis Bestandsschutz zukommt oder nicht. statisch ist.
36
A. Grundlagen und Ausgangspunkte
Ersatz an dessen Stelle. § 18 AtG vermittelt also letztlich eine "Wertgarantie"34 • Da mithin auch der wirtschaftliche Bestandsschutz auf rechtlicher Grundlage gewährt wird, ist im ilbrigen die vielfach 35 vorgenommene Charakterisierung des tatsächlichen Bestandsschutzes als "rechtlicher Bestandsschutz" ungenau und daher abzulehnen 36•
b) Passiver und aktiver Bestandsschutz Der passive und der aktive Bestandsschutz sind beide Unterfalle des tatsächlichen Bestandsschutzes. Der anlagenbezogene passive Bestandsschutz bezeichnet das Recht des Betreibers, eine einmal in formell und materiell legaler Weise errichtete gewerbliche Anlage ohne nachträgliche behördliche Sanktionen weiter betreiben zu dilrfen, wenn sie infolge einer mittlerweile geänderten Sachoder Rechtslage materiell-illegal geworden ist. Bestandsschutz im allgemeinen wird mithin regelmäßig als passiver Bestandsschutz definiert. Dieser folgt aus der Schutzwirkung der Genehmigungserteilung bzw. dem rechtlichen Bestand des Vorhabens in seiner bisherigen Funktion. Er führt zur Auflösung der Konfliktsituation zwischen Setreiber und Behörde und beantwortet die Frage, inwieweit sich die bestehende Rechtsposition des Genehmigungsinhabers gegen die nachträglichen behördlichen Sanktionen durchsetzen kann. Dabei regelt § 17 AtG auf einfach-gesetzlicher Ebene, unter welchen Voraussetzungen nachträgliche Eingriffe in den genehmigten Bestand der kerntechnischen Anlage zulässig sind. Während sich der passive Bestandsschutz letztlich in der Anerkennung des gegenwärtigen Zustands erschöpft, geht der sogenannte aktive Bestandsschutz darOber hinaus. Hier geht es darum, inwieweit aus der legalen Existenz einer Anlage ein Anspruch auf die Genehmigung von Folgemaßnahmen, also auf die Vornahme von Änderungen oder insbesondere Erweiterungen des Anlagenbestandes, herbeigeführt werden kann, die notwendig erscheinen, um die ursprUngliehe Anlage zu erhalten, zu sichern und unter veränderten Gegebenheiten wei-
34 Vgl. Bender, DÖV 1988, 813, 817; Sellner, in: Festschrift tur Sendler, S. 339, 350; Ierner Ossenbühl, Bestandsschutz und Nachrüstung von Kernkraftwerken. S. 103 f, der deshalb und mit Blick auf die entsprechende Systematik und Tem1inologie des allgemeinen Verwaltungsrechts, (hierzu Maurer. in: Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren. S. 223, 236). den Begritl' .,Vem1ögensschutz'' vorziehen möchte. 35 Siehe etwa Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, S. 40; Backhenns. in: 6. AIRS 1979. S. 173, 174; Schoch, DVBI. 1990, 549. 550. 36 Wie hier: Kuckuck, in: 6. AtRS 1979, S. 205, 209.
111. Grundkonflikt zwischen Belreiber und Staat
37
terhin funktionsgerecht zu nutzen, die jedoch - isoliert gesehen - nach derzeit geltendem Recht nicht genehmigungsfähig wären' 7 • Der aktive Bestandsschutz läßt sich schließlich in den "einfachen" und den "überwirkenden" Bestandsschutz aufgliedern'". Der einfache (aktive) Bestandsschutz räumt lediglich das Recht ein, solche baulichen Veränderungen und Sicherungen vorzunehmen, die der Erhaltung des tatsächlich vorhandenen Bestandes dienen. Demgegenüber impliziert der überwirkende (aktive) Bestandsschutz39 die Zulassung der Änderung oder Erweiterung des Bestehenden, soweit die Beibehaltung und funktionsgerechte Nutzung der vorhandenen Anlage dies erfordern. Für die hier zu untersuchende Thematik der Durchsetzbarkeil nachträglich angeordneter Maßnahmen steht dabei sachnotwendig die Frage im Vordergrund, ob dem betroffenen Setreiber ein Abwehrrecht gegen hoheitliche Anordnungen zusteht, die seine Rechtsposition nachteilig berühren. Damit ist der passive Bestandsschutz betroffen, während der aktive Bestandsschutz im folgenden für die Frage nachträglicher Sanktionen keiner eingehenderen Behandlung bedarf"'. Im Zusammenhang mit dem aktiven Bestandsschutz sei der Vollständigkeit halber lediglich erwähnt, daß nach der zumindest für das Immissionsschutzrecht entwickelten Konzeption des Bundesverwaltungsgerichts~' sogar der überwirkende (aktive) Bestandsschutz keine wesentlichen Änderungen des vorhandenen Anlagenbestandes in qualitativer oder quantitativer Hinsicht gestattet. Er stellt weder eine hinreichende Grundlage für weitreichende Modemisierungsmaßnahmen noch für Kapazitätserweiterungen dar, die zur dauerhaften Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit eines Betriebes erforderlich sein können42 . Inwieweit diese für das Immissionsschutzrecht konzipierten Rechtsgrundsätze zum aktiven Bestandsschutz überhaupt in das Atomrecht übertragbar sind, ist nicht abschließend geklärt43 • Kommt man zur Nichtanwendbarkeit, genießt der Inhaber einer atom-
37 Zur Tenninologie vgl. Friaut: in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Besteheus des Bundesverwaltungsgerichts. S. 217.219 f; dens .. WiVerw. 1986. 87. 8911'.: dens .. WiVerw. 1989. 121. 122 f.
Wie Fn. zuvor. Vgl. zum überwirkenden Bestandssdmtz im Atomrecht auch RoßnageL DVßl. 1987. 65. 71 r m.w.Nachw. ~ 0 Dit: Vomahme von Verbesst:rungo::n des Sicht:rho::itsstandards der Anlage allt:in auf lnitiatiw dt:s Betreibcrs soll nach der Themenstellung nicht behandelt werden. 1'
1''
41
Vgl. BVerwGE 50. 49. 55 !I
~ 2 Siehc:auchFriaut: WiVc:rw. l989. 121.124. ~ 1 Zum Streitstand vgl. etwa Butze. in: 6. AIRS 1979. S. 197 stung von Kemkraftwerkt:n, S. 127 ll andt:rerseits.
r. einerseits sowi.: Richter. Nachrü-
38
A. Grundlagen und Ausgangspunkte
rechtlichen Genehmigung nicht einmaljenen eingeschränkten aktiven Bestandsschutz, wie er dem Betreiber einer immissionsschutzrechtlichen Anlage zukommt. Der Frage braucht indes, wie dargelegt, im weiteren nicht näher nachgegangen zu werden.
B. Weiterer Gang der Untersuchung Die vorstehend beschriebene Konfliktsituation zwischen Behörde und Setreiber wird in der Praxis bezeichnenderweise weniger mittels staatlicher Zwangsmittel aufgelöst, als vielmehr im Wege einvernehmlichen Zusammenwirkens durch sogenannte Sanierungsabsprachen zwischen den Beteiligten. Dementsprechend liegt ein erster rechtlicher Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf der Analyse dieses unter dem Begriff des informalen Verwaltungshandeins nicht nur im Umweltrecht immer häufiger eingesetzten Mittels zur Konfliktbewältigung (C.). Es tritt an die Stelle des einseitig hoheitlichen Handelns. Die nachfolgenden Erörterungen konzentrieren sich sodann auf eben dieses in der gegenwärtigen Sanierungspraxis häufig ersetzte Instrument der nachträglichen Auflage nach § 17 Abs. I S. 3 AtG, bei dem es sich - neben der Rücknahme und dem Widerruf, die die Aufhebung der Genehmigung als Ganzes zum Gegenstand haben- um das einzige Mittel der Behörde handelt, mit dessen Hilfe sie eine Verbesserung des Sicherheitsstandards der Anlage einseitig durchzusetzen vermag. Das Instrument der nachträglichen Auflage wird zudem maßgeblich durch die von der Behörde gleichsam in der Hinterhand gehaltenen staatlichen Zwangsmittel geprägt, insbesondere den Widerruf nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 und § 17 Abs. 5 AtG. Nach einer Darstellung der behördlichen Eingriffsbefugnisse in der Überwachungsphase insgesamt, die auch das staatliche Aufsichtsverfahren im engeren Sinne mit einschließt, siehe die Ausftihrungen unter D., steht im Vordergrund der unter E. vorzunehmenden Untersuchung folglich die Frage nach der Reichweite der von § 17 Abs. I S. 3 AtG vorgeschriebenen nachträglichen Schadensvorsorge. Berücksichtigt man, daß rund die Hälfte der in der Bundesrepublik betriebenen Kernkraftwerke älter als zehn Jahre ist, die naturgemäß nicht immer die an neue Anlagen zu stellenden Anforderungen hinsichtlich Sicherheitstechnik und Notfallschutz erftillen können, fUhrt es zu wirtschaftlichen Belastungen, die in Einzelfällen den Weiterbetrieb der Anlagen gefährden können, wenn die Setreiber zur Nachrüstung verpflichtet werden. Damit ist die Frage des tatsächlichen Bestandsschutzes aufgeworfen, worauf unter F. eingegangen wird. Auch wenn die Prüfung ergibt, daß der Bestandsschutz im Atomrecht abschließend einfachgesetzlich geregelt ist, bildet die Grundlage des Bestandsschutzes das Verfassungsrecht, insbesondere die Eigentumsgewährleistung aus Art. 14 GG. Dies gilt auch flir den wirtschaftlichen Bestandsschutz nach § 18 AtG, der insoweit bereits
40
8. Weiterer Gang der Untersuchung
in die verfassungsrechtlichen Überlegungen mit einzubeziehen ist. Das Verfassungsrecht bildet den Maßstab für die Zulässigkeit der Ausgestaltung des Bestandsschutzes durch das einfache Recht. Unter Zugrundelegung der einfach-gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Auslegungsergebnisse zu § 17 Abs. I S. 3 AtG soll im Anschluß die Zulässigkeil nachträglicher Auflagen in den wichtigsten Fällen einer technischen Nachrüstung untersucht werden (G.). In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, inwieweit Drittbetroffene einen Rechtsanspruch auf die Vornahme entsprechender Maßnahmen haben und wie dieser Anspruch durchsetzbar ist. Den Eingriffsmöglichkeiten der Behörde steht ein eingeschränkter Entschädigungsanspruch des Genehmigungsinhabers gegenüber. Dieser sogenannte wirtschaftliche Bestandsschutz schließt sich an die Erörterungen zum rechtlichen Bestandsschutz an (H.). Praktisch bedeutsamer, im rechtswissenschaftliehen Schrifttum noch umstrittener und daher juristisch ebenso interessant wie die zuvor zu behandelnden Entschädigungsgrundsätze ist dabei der gesetzliche Ausschluß der Entschädigungspflicht nach § 18 Abs. 2 AtG. Das zweite rechtliche Instrument zur Durchsetzung technischer Nachrüstung ist die Änderungsgenehmigung gemäߧ 7 Abs. I AtG . Im Unterschied zur nachträglichen Auflage ist der Anwendungsbereich der Änderungsgenehmigung zwar in erster Linie auf die Fälle zugeschnitten, in denen der Setreiber seine Anlage aus freien Stücken verbessern möchte. Es ist darüber hinaus aber durchaus denkbar, daß die im Wege nachträglicher Auflagen angeordneten Maßnahmen zugleich wesentliche Änderungen im Sinne des § 7 Abs. I AtG bewirken, womit die Frage aufgeworfen ist, ob die nachträgliche Auflage in diesem Fall die Änderungsgenehmigung zu ersetzen vermag. Hiermit befassen sich die Ausflihrungen unter J. Zum Schluß (K.) soll ein rechtspolitischer Ausblick auf eine mögliche Weiterentwicklung des Atomgesetzes unternommen werden. Es wird der Frage nachgegangen, ob und gegebenenfalls in welcher Form das Gesetz im hier interessierenden Bereich der §§ 17 und 18 modifiziert bzw. ob das rechtliche Instrumentarium für sicherheitstechnische Nachrüstungen sogar- zum Nachteil der Setreiber - ausgeweitet werden sollte.
C. Auflösung der Konfliktsituation "Bestandsschutz" durch die Bereitschaft der Betreiber zu freiwilliger Nachrüstung I. Die Realität heutigen Verwaltungsvollzugs Es ist interessant festzustellen, daß in der Vergangenheit eine Vielzahl der tatsächlich durchgeführten Nachrüstungsmaßnahmen mehr oder weniger freiwillig realisiert wurden. Sofern es sich hierbei um wirklich unbeeinflußt freiwillig verwirklichte Maßnahmen durch die Setreiber handelt - die Frage soll vorliegend, wie erwähnt, nicht thematisiert werden - stellt" sich das Problem der Änderungsgenehmigung nach § 7 Abs. I AtG. Die gängige Verwaltungspraxis weist jedoch oftmals den Weg, daß die Behörden versuchen, anstelle einer an sich in Betracht kommenden förmlichen nachträglichen Anordnung sich auf eine informale Absprache mit dem Anlagenbelreiber einzulassen und dessen Mitwirkung über eine "freiwillige" Verpflichtungserklärung oder - bei ins Auge gefaßten wesentlichen Änderungen - einen "freiwilligen" Genehmigungsantrag herbeizuführen. Diese sogenannten freiwilligen Nachrüstungserklärungen sind also in Wirklichkeit behördlich abverlangt. Damit ist sowohl die Frage nach den Motiven der Setreiber als auch nach den rechtlichen Grenzen dieser Nachrüstungsbereitschaft aufgeworfen.
II. Vorzüge und Nachteile informalen Verwaltungshandeins I. Motive der Betreiber
Die Bereitschaft der Setreiber zu derartigen informalen Absprachen ergibt sich zum einen daraus, daß ihnen an einem guten Verhältnis zur zuständigen Behörde gelegen ist, und zwar im Hinblick sowohl auf spätere Änderungsgenehmigungen als auch auf die Genehmigung anderer Anlagen oder Tätigkeiten 1• So kann es vorkommen, daß die Behörde gleichsam als Gegenleistung für die auf der Setreiberseite gebotene Erhaltung oder Herbeiführung eines bestimmten, umweltpolitisch erwünschten Zustandes wirtschaftliche oder sonstige Vorteile in Aussicht stellt, etwa eine großzüg ige Förderung von Forschungs- und Entwick1 Siehe
auch Jarass, DVBI. 1986, 3 14, 320.
C. Freiwillige Nachriistung
42
lungsvorhaben. Des weiteren spielt die Vermeidung erheblicher wirtschaftlicher Nachteile eine Rolle. Die Behörden versuchen nämlich nicht selten dadurch Druck auszuüben, daß sie ihre Zustimmung zum Wiederanfahren des Reaktors etwa nach bloßen Nachbesserungs-, sprich: Reparaturarbeiten, von der Erfüllung bestimmter Nachrüstungsmaßnahmen abhängig machen. Die anderenfalls zu erwartenden Verzögerungen des Weiterbetriebs sind flir die Anlagenbetreiber wirtschaftlich so schwerwiegend, daß sie sich mit der gewünschten Nachrüstung als dem regelmäßig kleineren Übel einverstanden erklären 2• Schließlich sind die Betreiber einem enormen politischen wie öffentlichen Druck ausgesetzt. Um die Akzeptanz flir den weiteren Betrieb ihrer Anlagen in Politik und Öffentlichkeit bemüht, sehen sich die Setreiber im Zuge der öffentlichen Diskussion häufig gezwungen, nach besonderen Vorkommnissen und einem dadurch bedingten zeitweisen Stillstand der Anlagen weiterreichende Nachrüstungsmaßnahmen vorzunehmen, als dies zur Beseitigung der Ursachen des bestimmten Ereignisses notwendig isf. Die herbeigeführte Nachrüstung im Wege der Verknüpfung einer "freiwilligen" Verpflichtungserklärung mit einem - soweit gesetzlich vorgeschrieben entsprechenden Antrag auf Änderungsgenehmigung kann dem Setreiber in den Fällen gewisse Vorteile bringen, in denen die von der Behörde ins Auge gefaßte nachträgliche Auflage eine wesentliche Veränderung des Sicherheitssystems der Anlage bewirkt und deshalb eine Änderungsgenehmigung erfordert: die beschriebene Verwaltungspraxis verschaffi dem Setreiber auf kooperativem Wege rasch den Bestandsschutz der neuen Genehmigung\ ohne daß es langwieriger verwaltungsgerichtlicher Prozeßverfahren mit der Behörde durch mehrere lnstanzen bedarf. Überhaupt hilft diese Form des Verwaltungshandeins Rechtsunsicherheiten infolge des gerade im Atomrecht vorherrschenden normativen Defizits abzubauen, was wiederum zu mehr Rechtssicherheit und -klarheit beiträgt. 2. Vorteile für die Behörde
Demgegenüber erreicht die Behörde im Einzelfall Maßnahmen, die nicht selten über das gesetzlich Gebotene hinausgehen und rechtlich nicht hätten erzwungen werden können. Außerdem erspart sie den flir den Erlaß nachträglicher Anordnungen erforderlichen Verwaltungsaufwand. Kooperationsverfahren eröffnen der Behörde zudem die Möglichkeit, sich ständig den geänderten techni2 Vgl. Butze, in: 6. AtRS 1979, S. 197. 202 f.; Klante. Erste Teih:rrichtungsgem:hmigung und Vorbescheid im Atomrccht. S. 334. 3 Kritisch zu dieser Praxis: Schmitt. in: 8. AtRS 1989. S. 81. 93: Wagnt:r. DÖY 1987. 524. 529: ders., NVwZ 1989, I I 05, II 08. 4
Siehe auch Haedrich, Atomgesetz, § 17 Rdnr. 7.
II. Vorzüge und Nachteile informalen Verwaltungshandeins
43
sehen und wissenschaftlichen Entwicklungen anzupassen, ohne daß es umständlicher Verfahren zur Aufhebung einseitig hoheitlicher Regelungen bedarf. Aufgrund der beiderseitigen Akzeptanz können auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene Problemlösungen gefunden werden, die entsprechend zügig umsetzbar sind5 • Für das koopertative Verwaltungshandeln ist mithin neben Praktikabilität und Effektivität vor allem Flexibilität kennzeichnend. In den Fällen, in denen zusätzlich ein Änderungsgenehmigungsverfahren erforderlich ist, erlangt die Behörde auch deshalb oft einen Verhandlungsvorteil, weil dem Setreiber regelmäßig an einer möglichst zügigen Durchfiihrung des Genehmigungsverfahrens gelegen ist. In der Erwartung, daß die Behörde im Änderungsgenehmigungsverfahren etwas großzügiger verfahrt, sieht sich der Setreiber dann im Gegenzug zu Zugeständnissen veranlaßt, die auch darauf gerichtet sein können. an einem anderen Anlagenteil oder an einer anderen Anlage Verbesserungsmaßnahmen durchzufiihren. Zwar darf nicht übersehen werden, daß informales Verwaltungshandeln die Behörde in ihrer Verwaltungstätigkeit im einzelnen Fall auch behindern kann, so etwa wenn eine einvernehmliche Lösung nicht erreicht wird oder durch leere Versprechungen des Setreibers rechtlich gebotene Maßnahmen hinausgeschoben werden. Dies kann vom Setreiber ganz bewußt so eingesetzt sein, um zu verzögern und unter betriebswirtschaftliehen Aspekten Zeit zu gewinnen. Da jedoch gerade im Bereich der Sanierung technischer Anlagen der Setreiber häufig einwenden wird, daß bestimmte Verbesserungsmaßnahmen fiir ihn technisch nicht realisierbar seien", ist die Behörde, um sich eigene aufwendige Tatsachenermittlungen zu ersparen, auf die Unterstützung des Setreibers geradezu angewiesen. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang ferner die Entlastung der Verwaltungstätigkeit, da der Staat bei kooperativen Absprachen einen Teil der Kontrolle und Verantwortung, der bei der Anwendung von Verwaltungszwang erforderlich wäre, auf diese Weise unter Verminderung des eigenen Personal-, Zeit- und Kostenaufwands auf den Setreiber übertragen kann 7 • Ähnlich vorteilhaft für die Behörde kann sich schließlich ein vom Setreiber für den Fall des Fehlschiagens der Absprache oder darüber hinaus erklärter Rechtsmittelverzicht auswirken.
5 Vgl. auch Bauer, VerwArch. 1987, 241, 253; Hili, DÖV 1987, 885, 892: Dauber, in: BeckerSchwarze u.a. (Hrsg.). Wandd der Handlungstonnen im ötlcntlichen Recht, S. 67, 81.
'' Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 144. 7 Ähnlich Müggenborg, NVwZ 1990. 909, 916. der gar von einem .,Kooperationszwang" des Staates ausgeht; vgl. auch Breuer. in: von Miinch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschnitt. Rdnr. 18; Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 145.
44
C. Freiwillige Nachrüstung
3. Nachteile und Gefahren
Das infonnale Verwaltungshandeln ist auf der anderen Seite aber auch mit typischen Nachteilen, und zwar zunächst für die Rechtsordnung allgemein, verbunden. Inwieweit sogar die Gefahr besteht, daß das Recht zum Tauschobjekt verkommt und rechtsstaatliche Anforderungen in der Praxis zu verschütten drohenK, mag dahingestellt bleiben. Dieser Erwägung liegt der Gedanke zugrunde, daß der bei kooperativer Problemlösung von staatlicher Seite zu entrichtende "Preis" nicht selten in Abstrichen an umweltrechtlich möglichen Forderungen liegt, so daß Absprachen - zumindest tendenziell - immer hinter dem rechtlich Möglichen zurückbleiben 9 • Dies ist in der atomrechtlichen Behördenpraxis jedoch- wie soeben beschrieben- offenbar genau umgekehrt. Hier scheint im Regelfall mittels einvernehmlich getroffener Absprachen ein über das gesetzlich Notwendige hinausgehender Erfolg erzielt werden zu können. der (weit) über das hinausgeht, was bei einseitig hoheitlicher Festsetzung rechtlich hätte erzwungen werden können. Jedenfalls werden auch hier- wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen - die gesetzlichen Regelungen und normativen Vorgaben relativiert, zumal durch die freie Fonn jener Kooperation die Kontrolle der abschließenden Entscheidung durch die gerichtlichen Instanzen zumindest erheblich erschwert ist. Zur einvernehmlichen Problemlösung sind Vereinbarungen erforderlich, die vertraulich stattfinden und in Akten nicht oder nur punktuell dokumentiert sind, wodurch die flir eine nachfolgende verwaltungsgerichtliche Kontrolle unabdingbare Aufbereitung des Tatsachen- und Rechtsstoffs oft nur schwer möglich ist und Art und Umfang der Kontrolle entsprechend vermindert werden. Ohne den nachfolgenden rechtlichen Untersuchungen vorgreifen zu wollen, deutet einiges darauf hin, daß die zuständigen Behörden im Rahmen von infonnalen Nachrüstungsmaßnahmen zur sicherheitstechnischen Verbesserung der Anlagen vielfach tatsächlich eine Auslegungs- und Nachweistiefe verlangen, die sich an den Anforderungen solcher kerntechnischer Sicherheitssysteme orientiert, die (weit) über nonnale ingenieunnäßige Anforderungen hinausgehen 11'. Mag die damit einhergehende Aushöhlung des tatsächlichen Bestandsschutzes von den Umständen des Einzelfalls abhängen und von Fall zu Fall unterschiedlich zu bewerten sein, so sind aus der Praxis bislang Fälle nicht bekannt geworden, in denen die Setreiber sich auf den ihnen zukommenden wirtschaftlichen Bestandsschutz berufen hätten; sie haben - aus welchen Gründen auch immer - den ihnen über § 18 AtG einge-
K So
9
aber Bauer, VerwArch. 1987,241 , 254.
Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. ISO f ; Müggenborg, NVwZ 1990.909.915.
10
Vgl. Krämer, atw 1990, 378,384.
111. Rechtlicher Rahmen des informalen Verwaltungshandeins
45
räumten gesetzlichen Entschädigungsanspruch nicht geltend gemache 1• Dies führt gleichwohl zu einer faktischen Entwertung rechtlich geschützter Bestände, weil damit die gesetzliche Entschädigungsregelung des § 18 Abs. 3 AtG ausgehebelt wird. Indem die Setreiber freiwillige Zugeständnisse machen, die über das hinausgehen, was die Behörden verlangen können, wird Recht damit für beide Kooperationspartner zum Dispositionspotential und seine gleichmäßige Durchsetzung in Frage gestellt 12 • Schließlich verdienen in diesem Zusammenhang die nachteiligen Auswirkungen des Einsatzes informaler Mittel auf das Rechtsschutzsystem Erwähnung. Bei einer bloß informalen Maßnahme wird - weil sie keinen rechtlichen Zwang erzeugt und der Betroffene sie selbst mitzuverantworten hat - in aller Regel der Rechtsschutz erheblich eingeschränkt sein 13 . Auch hierauf wird im folgenden zurückzukommen sein.
111. Rechtlicher Rahmen des informalen Verwaltungshandeins I. Begriff und Inhalt des informalen Verwaltungshandeins
a) Begriff Der Begriff "informales Verwaltungshandeln", den die Rechtsordnung nicht kennt, wird weit ausgelegt. Es fallen darunter alle Verwaltungshandlungen, die sich nicht unter die herkömmlichen rechtlich formalisierten Handlungsformen der Verwaltung einordnen lassen 14 • Informales Handeln erfaßt daher neben den im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen vor allem interessierenden Absprachen zwischen Staat und Bürger auch einseitiges Hoheitshandeln, wie behördliche Auskünfte, Empfehlungen, Warnungen usw., sowie den Bereich informaler und administrativer Rechtsetzung, die sich außerhalb des verfassungsrechtlich formalisierten Verfahrens vollzieht. Festzuhalten bleibt für das terminologische Verständnis - sofern man den Begriff auf die hier bedeutsamen informalen Absprachen beschränkt -, daß diese Kontakte zwischen Anlagenbetreiber und Behörde jedenfalls einerseits an Intensität erheblich über die allgemeine BürgerStaat-Beziehung hinausreichen, sich andererseits aber (noch) nicht soweit verdichtet haben, daß sie als formales Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 11 Dies stellt auch Sendler. UPR 1990. 41. 45 tt:st. der meint. vidleicht empfänden dk Betn::iber den gesetzlichen Entschädigungsanspruch sogar selbst als unangemessen. 12
13 14
So Hotlinann-Riem, AöR 1990, 400, 425 f. 1m Ergebnis ebenso Becker, DÖV 1985, 1003. 1010 und Müggenborg. NVwZ 1990, 909,916. Vgl. auch Pauly, DVBI. 1991 . 521 mit Fn. 5.
C. Freiwillige Nachrüstung
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VwVfG gelten können". Absprachen können auf der Vollzugsebene 1'' sowohl in Vorbereitung des Erlasses von Verwaltungsakten, des Abschlusses von verwaltungsrechtlichen Verträgen oder der Vomahme von (weiteren) Realakten als auch zur Venneidung sämtlicher dieser Handlungen zum Einsatz kommen.
b) Tauschprinzip Informale Absprachen stellen in der atomrechtlichen Praxis eine faktische Alternative zu belastenden Ordnungsverfl.igungen dar, die auf die Verbesserung des sicherheitstechnischen Zustandes der Anlage gerichtet sind. Informale VerfahrenshandJungen im allgemeinen und infonnale Absprachen im besonderen beruhen auf dem Prinzip des Austausches von Leistung und Gegenleistung 17 • Der Anlagenbelreiber stellt vorrangig in Aussicht, von sich aus, d.h. freiwillig, ausreichende Sanierungsmaßnahmen zu treffen, während die Behörde in erster Linie zusagt, in bezug auf die konkrete Anlage auf die Einleitung eines förmlichen Verfahrens zum Erlaß einer nachträglichen Auflage vorerst zu verzichten. Der Setreiber erreicht auf diese Weise, daß die Behörde in der Regel keine (noch) weitergehenden Sanierungsforderungen erhebt. Eine solche Vereinbarung steht dann allerdings unter dem Vorbehalt einer Verschärfung der gesetzlichen oder sonstiger die Verwaltung bindender Vorgaben. Die Behörde auf der anderen Seite erspart in erster Linie den Erlaß des Verwaltungsaktes und somit den Verwaltungsaufwand flir den Einsatz hoheitlichen Zwangs sowie die damit häufig verbundenen Rechtsmittelverfahren 1K. Hier geht es also nicht um den Ersatz von Unterlassungs- oder Beseitigungsverfligungen durch infonnale Absprachen - was rechtlich äußerst fragwürdig wäre 1'' -, sondern allein um den Nichterlaß einer fonnell in Betracht kommenden Verfligung, die wegen der Absprache unterbleibt.
1;
Siehe auch Beyerlin, NJW 1987,2713,2714.
Nonnersetzende Absprachen bleiben- wie schon das einseitige intonnale Verwaltungshandelnim vorliegenden Zusammenhang unberücksichtigt. 16
17
Vgl. Bohne, Der intonnale Rechtsstaat, S. 68 und 72: temer Brohm, DVBI. 1994, 133, 137.
IK
Siehe auch Bohne. Der intonnale Rechtsstaat, S. 73.
Vgl. Bohne. VerwArch. 1984, 343, 356 sowie zur Problematik der sogenannten ..aktiven Duldung" in diesem Zusammenhang, Randelzhoter/Wilke. Die Duldung als Fonn flexibl en Verwaltungshandelns, S. 80 tl; temer Hennes/Wieland, Die staatliche Duldung rechtswidrigen Verhaltens, S. 48 f. 1"
111. Rechtlicher Rahmen des informalen Verwaltungshandeins
47
2. Zulässigkeit informaler Absprachen
a) Die Rechtsverhältnislehre als Ausgangspunkt Die rechtliche Erfassung des Phänomens der infonnalen Absprachen ist umstritten. Ein möglicher Ansatzpunkt ist die sogenannte Handlungsfonnenlehre. Ausgehend davon, daß es keinen numerus clausus administrativer Handlungsformen gibf0 , liegt es nahe, das informale Verwaltungshandeln und dessen Einzelausprägungen als potentiell neue Handlungsform zu begreifen 21 • Die Handlungsformenlehre ist jedoch zunehmend auf Kritik gestoßen, da die Handlungsformen vor allem punktuell-augenblicksverhafteten Charakter haben und deshalb nicht als geeignet erscheinen, die Besonderheiten informaler Kontaktverhältnisse inhaltlich angemessen zu erfassen 22 • Hinzu kommt, daß die Handlungsformenlehre einseitig auf das Handeln der Verwaltung ausgerichtet ist und damit die für die informalen Beziehungen charakteristische Mehrseitigkeit des Rechtsverhältnisses vernachlässige'. Somit ist statt dessen die sogenannte Rechtsverhältnislehre zum Ausgangspunkt der rechtlichen Erfassung informaler Absprachen geworden 24, wenn auch Voraussetzungen und Folgen der Figur des schlichten Verwaltungsrechtsverhältnisses im einzelnen noch weitgehend ungeklärt sind. Verwaltungsrechtsverhältnisse sind zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten bestehende, über das bloße Staat-Bürger-Verhältnis hinaus verdichtete, besondere öffentlich-rechtliche, nicht verfassungs- oder völkerrechtliche Rechtsbeziehungen25. In der Regel bestehen sie aus gegenseitigen, aufeinander bezogenen Rechten und Pflichten. Verwaltungsrechtsverhältnisse können auch außerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens im Rahmen eines sozialen Kontaktes zwischen Bürger und Verwaltung entstehen 2", und zwar sowohl bevor ein Verfahrensrechtsverhältnis im Sinne einer verdichteten Rechtsbeziehung zustande kommt, als auch wenn diese Rechtsbeziehung nicht beabsichtigt ist, wie dies in den Fällen informaler Absprachen der Fall ist. Sie sind den eigentlichen Ver2"
Vgl. auch Ossenbtihl, JuS 1979, 681, 682.
21 ln
diesem Sinne etwa Becker, DÖV 1985, 1003, 1005 tr. sowie Bohne. Der intonnah: Rechtsstaat, S. 42, der von "alternativen Handlungstonnen" schreibt. 12 Ehlers, DVBI. 1986, 912, 914 f.; Bauer, VerwArch. 1987, 241 , 258 L Schulte. DVBI. 1988, 512, 513; Henneke, NuR 1991,267,274. 23
Wie Fn. zuvor.
14
Vgl. Schulte, DVBI. 1988,512, 5131L Bauer, VerwArch. 1987.241,259 tr.
15
Siehe Erichsen, in: Erichsen/Martens (Hrsg.). Allgemeines Verwaltungsrecht ~ I 0 Rdnrn. 25 tr.
2" Vgl. Hili, Das tehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S . 281 ; Bauer, VerwArch. 1987, 241, 264; Erichsen. in: Erichsen/Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 30.
48
C.
l'n:iwillig~
Nachrüstung
tragsverhandlungen, die als schuldrechtsähnliche Verwaltungsrechtsverhältnisse anerkannt sind, vergleichbar27 , auch wenn diese Kontakte letzlieh nicht der Vorbereitung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages dienen. Überdies dürfte es häufig bei der Aufnahme von Verhandlungen noch gar nicht feststehen, mitunter sogar von Zufalligkeiten abhängen, ob solche Vorverhandlungen mit einer rechtsverbindlichen Entscheidung oder einem bloß unverbindlichen Übereinkommen abgeschlossen werden. Ein solches, auch im öffentlichen Recht anzuerkennendes, durch Kontaktaufnahme begründetes Vorverfahrensverhältnis (Kontaktverhältnis) ist dem gesetzlichen Schuldverhältnis aus geschäftlichem Kontakt im BGB vergleichbar. Da Verwaltungsrechtsverhältnisse auch durch schlichtes Verwaltungshandeln (tatsächliche Handlung, Realakt) begründet werden können 2', fallt mithin auch das informale Handeln darunter. Aus der Rechtsverhältnislehre lassen sich - wie im folgenden zu zeigen ist - Schlußfolgerungen für Wirkungen und Grenzen informaler Absprachen ableiten.
b) Allgemeine Zulässigkeil nach§ 22 VwVJG Informale Absprachen sind als Sanierungsinstrumentarium grundsätzlich zulässig. Ein ausdri.ickliches und generelles Verbot solcher Verfahrenshandlungen ist in der geltenden Rechtsordnung nirgends feststellbar und wäre auch rechtlich nicht zu begründen. Da die Sanierungsabsprache die einseitige behördliche Anordnung, den Erlaß eines Verwaltungsakts also, ersetzt, enthält sie zugleich die Entscheidung, kein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG einzuleiten. Der Zulässigkeit informaler Absprachen kann folglich allein die Vorschrift des § 22 VwVfG entgegenstehen, die die Voraussetzungen für den Beginn eines Verwaltungsverfahrens festlegt. Gemäß § 22 S. I VwVfG steht die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens im pflichtgemäßen Ennessen der Behörde. Daher bleibt es bei der zuvor getroffenen Feststellung, daß das beiderseitige Einvernehmen von Behörde und Betreiber, ein Verwaltungsverfahren nicht zu eröffnen, im Grundsatz keinen Bedenken begegnet. Lediglich in den Fällen des § 22 S. 2 VwVfG ist eine solche Absprache unzulässig, also in erster Linie wenn die Behörde von Amts wegen tätig werden muß. Entsprechendes gilt, wenn der Setreiber einen Antrag gestellt hat, im vorliegenden Zusammenhang auf Durchführung eines Änderungsgenehmigungsverfahrens. In diesem Fall ist die Behörde zur Verfahrenseröffnung verpflichtet, es sei denn, die gleichwohl getroffene informale Absprache enthält zugleich die Ri.icknahme des Antrags auf Änderungsgenehmigung. Dann wäre der Antrag weggefallen und die Einleitung eines Verwal-
27
A.A. Kunig, DVBI. 1992. 1193. 1201.
2'
Vgl. auch Maurer. Allgemeines Verwaltungsrecht. ~ 8 Rdnr. 18.
111. Rechtlicher Rahmen des intormalen Verwaltungshandeins
49
tungsverfahrens unzulässig, da die Behörde nur auf Antrag tätig werden darf, § 22 S. 2 Nr. 2 VwVfG. Hier wäre die unverbindliche Absprache über die Nichteröffnung des Änderungsgenehmigungsverfahrens somit zulässig. Da informales Verwaltungshandeln der Kategorie des schlicht hoheitlichen Handeins unterfallt, kann die Exekutive wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln "lediglich" an die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes gebunden sein.
c) Vorbehalt des Gesetzes Ob die inhaltliche Gestaltung einer informalen Absprache einer gesetzlichen Grundlage bedarf, bemißt sich nach dem Grundsatz des sogenannten Vorbehalts des Gesetzes. Im Geltungsbereich des Vorbehalts des Gesetzes ist der Gesetzgeber gehalten, die der staatlichen Gestaltungsfreiheit offenliegende Rechtssphäre selbst festzulegen und nicht dem Ermessen der Exekutive zu überantworten. Ob und inwieweit die Verwaltungsbehörde für die informale Absprache einer Legitimationsgrundlage bedarf, bemißt sich unter Zugrundelegung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie2" danach, ob es sich um die Entscheidung grundsätzlicher Fragen handelt, die den Bürger unmittelbar betreffen. Dabei ist im grundrechtsrelevanten Bereich darauf abzustellen, ob der Absprachegegenstand für die Verwirklichung der grundrechtliehen Wertvorgaben wesentlich ist. Dies wiederum hängt entscheidend von der Intensität der Einwirkung ab. aa) Einfluß faktischer Zwänge Bei verwaltungsrechtlichen Verträgen geht die Rechtsprechung herkömmlich davon aus, daß in Anbetracht der einverständlichen Mitwirkung der Vertragspartner es jedenfalls nicht in dem Sinne zu Eingriffen komme, wie dies bei dem Erfordernis gesetzlicher Grundlage vorausgesetzt werde, und zwar unabhängig davon, ob Grundrechtspositionen berührt werden oder niche". Eine vertragliche Rechtsbindung des Bürgers ist damit nicht notwendig Freiheitsbeschränkung, sie kann auch Freiheitsgebrauch sein, da zur grundrechtlich geschützten Freiheit auch die Möglichkeit zählt, sich auf der Grundlage eigener Entschließung zu
2" Vgl. nur BVertGE 47. 46. 79: 49. 89. 126: 57. 295. 320 f. : 58. 257. 268 f: 61. 260. 275: 77. 170. 230 f : 79. 174. 195 f " ' BVerwGE 42, 331 . 335.
4 Gemmcke
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C. Freiwillige Nachrüstung
binden 31 • Dies müßte folglich fur bloß informale Absprachen, bei denen darüber hinausjegliche rechtliche Verbindlichkeit fehlt, erst recht gelten. Dabei wird allerdings übersehen, daß auch das kooperative Verwaltungshandeln des Staates den privaten Setreiber faktischen Zwängen aussetzen kann, so daß es des nach Maßgabe des grundrechtliehen Gesetzesvorbehalts vermittelten verfahrensrechtlichen Schutzes bedarf, der für jede nachteilige Einwirkung auf grundrechtlich gewährte Freiräume zur Entfaltung gelangt. Es ist somit darauf abzustellen, ob und welche tatsächlichen Alternativen dem Setreiber gegenüber dem Kooperationsangebot der Behörde bleiben. Haben sich diese Möglichkeiten für den Setreiber zu einem faktischen Zwang verdichtet, sich mit der Behörde aufkooperativem Wege einigen zu müssen, kann auch eine bloß rechtlich unverbindliche Erklärung des Betreibers, die aber gleichwohl zur Einhaltung zwingt, nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erfolgen 32 • Eine solche Sachlage kann vor allem dann gegeben sein, wenn die Behörde für den Fall des Nichtzustandekommens der informalen Einigung die zwangsweise Durchsetzung der vom Betreiber geforderten Leistung androht. Dies dürfte, ausdrücklich oder jedenfalls konkludent, bei Sanierungsabsprachen regelmäßig der Fall sein. Soweit hiernach der Vorbehalt des Gesetzes, konkretisiert durch die Wesentlichkeitstheorie, zum Tragen kommt, ist der Behörde der Weg des kooperativen Verwaltungshandeins ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage versagt'3 • Der Gesetzgeber ist daher in diesen Fällen gehalten, die der staatlichen Gestaltungsfreiheit offenliegende Rechtssphäre selbst abzugrenzen und nicht dem Ermessen der Exekutive zu überlassen. Daraus folgt, daß dem Gesetzesvorbehalt keinesfalls eine allumfassende Blankettermächtigung genügt, und daß die erforderliche gesetzliche Regelung allein der Sachgesetzgeber treffen kann 3~. § 56 VwVfG, dessen sinngemäße Anwendbarkeit auf die informalen Absprachen in Betracht gezogen werden kann 3\ schafft mit seiner abstrakten Formulierung kei31 Robbers, JuS 1985, 925, 930; Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen städtebaulicher Verträge, S. 115 f; Göldner, JZ 1976. 352, 355; Maurer. DVBI. 1989. 798. 805: Scherzberg, JuS 1992. 205. 211. 32 So tur den verwaltungsrechtlichen Vertrag: Schmidt-Aßmann/Krebs. Rechtsfragen städtebaulicher Verträge, S. 117; vgl. auch Kirchhof: Verwalten durch ,.mittelbares" Einwirken, S. 188. 33 Im Ergebnis ebenso: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 84. A.A. Kunig, DVBI. 1992, 1193, 1197, der jedenfalls im Hinblick auf das Verhältnis der Teilnehmer der Absprache zueinander das Erfordernis einer Legitimationsgrundlage tur Absprachen verneint und diese insoweit vom verwaltungsrechtlichen Vertrag deutlich abgrenzt. 3 ~ Dies ist fur die vertragliche Gegenleistung allerdings umstritten, vgl. Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtstragen städtebaulicher Verträge, S. 120 und Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rdnr. 336 einerseits, sowie Erichsen, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rdnrn. 15 tf. und Achterberg, JA 1979, 356, 359 andererseits. die in den §§ 54 tf. VwVKi eine dem Vorbehalt des Gesetzes hinreichend Rechnung tragende Rechtsgrundlage erblicken. 35 Eingehend dazu später unter C. 111. 3. b) bb) (2).
111. Rechtlicher Rahmen des intormalen Verwaltungshandeins
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ne rechtliche Grundlage für die vom Bürger zu erbringende Leistung, die Gegenleistung also, sondern setzt eine solche Grundlage voraus, die aus den Normen des besonderen Verwaltungsrechts, hier aus dem Atomgesetz, gewonnen werden muß. Mithin ist es wegen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes in erster Linie Aufgabe des Atomgesetzgebers zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der Exekutive Raum für informale nonnvollziehende Absprachen eingeräumt sein soll. bb) Möglichkeiten zu Sanierungsabsprachen nach dem Atomgesetz Möglichkeiten zu Sanierungsabsprachen ergeben sich demzufolge dann, wenn der Atomgesetzgeber der Behörde Entscheidungsfreiräume, sprich: Beurteilungsspielräume oder Ermessensermächtigungen, eröffnet hat. Formuliert der Gesetzgeber den gesetzlichen Tatbestand weitestgehend abschließend und bestimmt und knüpft er daran noch dazu präzise Rechtsfolgen, so führt dies zu einer Eindämmung - wenn auch nicht notwendig zu einem Ausschluß - informaler Absprachen, da einvernehmliches Verwaltungshandeln nicht zu Lockerungen der Gesetzesbindung führen darf'1'. Die Behörde darf nur das vereinbaren, was bereits gesetzlich festgelegt ist. Eine Abweichung von zwingenden gesetzlichen Vorschriften ist grundsätzlich unzulässig. Beläßt der Gesetzgeber der Verwaltung dagegen einen größeren Entscheidungsspielraum, vornehmlich durch die Einräumung von Ermessen, so ist es der Behörde bei Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen grundsätzlich nicht versagt, anstatt einer an sich in Betracht kommenden nachträglichen Auflage im Wege einer Absprache mit dem Genehmigungsinhaber eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen' 7 • Das bedeutet, daß die Zulässigkeil informaler Sanierungsabsprachen auch im Atomrecht rechtlich unbedenklich ist, wenn und soweit der Erlaß nachträglicher Auflagen bei Vorliegen der tatbestandliehen Voraussetzungen nicht zwingend angeordnet ist, sondern im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde steht. Informale Absprachen sind des weiteren unproblematisch zulässig, wenn die Behörde auf eine Sanierungsverfügung verzichtet, weil oder soweit der gesetzliche Eingriffstatbestand nicht erfüllt ist. Denn in diesem Fall ist die Behörde zum Erlaß einseitiger Anordnungen nicht legitimiert, so daß nur der Weg einvernehmlicher Problemlösungen offenbleibt'". Schließlich kommt für eine informale Sanierungsabsprache noch der Fall in Betracht, daß über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Ungewißheit besteht. Hier folgt die grundsätzliche Zulässigkeit daraus, daß die Be-
'" Siehe Kunig/Rublack. Jura 1990. I. 7. 37
Vgl. Bauer. VerwArch. 1987,241.26 1. allgemein Bohne. VerwArch. 1984. 343. 355 .
JX Siehe
4•
52
C. Freiwillige Nachrüstung
hörde auf formale Entscheidungen nach pflichtgemäßem Ermessen verzichten kann. Einzelheiten lassen sich für diese Fälle bei einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag der Bestimmung des§ 55 VwVfG entnehmen. Lediglich in den Fällen, in denen für die Behörde eine Verpflichtung zum formalen Eingreifen besteht, hat eine informale Sanierungsabsprache von vomherein auszuscheiden. Diese Situation dürfte vornehmlich bei echten Gefahrensituationen gegeben sein, die - sieht man einmal von außergewönlichen Umständen ab - in der Regel keinen Aufschub dulden. Wo - wie bei der atomrechtlichen Schadensvorsorge - Leib und Leben vieler Menschen auf dem Spiele stehen, ist der Staat aus seiner Schutzverpflichtung Dritten gegenüber'" gehalten, einseitig verbindliche Regelungen zu erlassen und durchzusetzen4". Hier kann und darf die Behörde das Risiko nicht eingehen, daß der Anlagenbelreiber die informale Einigung, in der für ihn als potentieller Störer auch ein Zeitgewinn liegen kann, absprachewidrig nicht einhält. Demgegenüber vermag die Gegenauffassung41 , die auch im Bereich der Gefahrenabwehr informale Sanierungsabsprachen für zulässig erachtet, wenn die Voraussetzungen für die an sich zu erlassende nachträgliche Auflage deshalb entfallen, weil durch die Absprache ein tatsächlicher Zustand herbeigeführt werde, der die Gefahr beseitige, nicht zu überzeugen. Genau hier besteht für die Behörde wegen der allein im vorhinein möglichen Beurteilung der Verläßlichkeit der vom Setreiber abgegebenen Verpflichtungserklärung ein beträchtliches Maß an Ungewißheit, welches der Rechtsordnung und mit ihr der Allgemeinheit nicht in zurnutbarer Weise aufgebürdet werden kann. cc) Rechtspflicht der Behörde zur Kooperation? Eine andere Frage ist, ob für die Behörde gegebenenfalls sogar eine Rechtspflicht zur Kooperation, zur einvernehmlichen Problem Iösung, besteht, bevor sie zum Einsatz der gesetzlich vorgesehenen Instrumente greift. Immerhin könnte das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Übermaßverbot gebieten, vor der Anwendung der normativen Ge- und Verbote in Verhandlungen mit dem Setreiber zu eruieren, ob nicht der Weg der informalen Absprache als das für den Betreiber weniger belastende Mittel das umweltschutzrechtliche Ziel in gleicher Weise erreicht42 • Dem ist entgegenzuhalten, daß Kooperati~n kein Selbstzweck 39
Vgl. hierzu Klein, NJW 1989, 1633, 1637.
411
So auch Murswiek, JZ 1988,985, 987; Hili, DVBI. 1989,321 , 326; Schrader, DÖV 1990. 326,
331.
Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 199. ln diesem Sinne Becker, DÖV 1985, 1003, 1007 f ; von Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente des Umweltschutzes, S. 10; Bulling, DÖV 1989, 277, 289; grundsätzlich bejahend auch Dau41
42
111. Rechtlicher Rahmen des informalen Verwaltungshandeins
53
ist, sondern lediglich Hilfsmittel zur Erfüllung der staatlichen Politik. Weil auch das im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verankerte Gebot der Erforderlichkeil und des geringsten Eingriffs niemandem einen Anspruch auf Erhalt einer staatlichen Leistung außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Weges gewährt, besteht auch kein Vorrang zur Erzielung möglichst einvernehmlicher Lösungen4 ). Im Gegenteil: Vielmehr kann im Einzelfall eine Rechtspflicht der Behörde zu einseitigem Handeln bestehen, so etwa wenn - wie dargelegt - im Bereich der Gefahrenabwehr der Einsatz kooperativer Lösungen sich als unzureichend erweist und eine Verletzung der staatlichen Schutzpflichten darstellen würde. Entsprechendes gilt, wenn- wie z.B. bei Routinefallen-nicht kooperatives, einseitiges Handeln eine effizientere und gleichmäßigere Verwaltungstätigkeit gewährleistet44. 3. Vorrang des Gesetzes
Das fiir informale Absprachen charakteristische Merkmal der rechtlichen Nichtregelung darfnicht zu der Annahme verleiten, hier gehe es um ein Handeln im rechtsfreien Raum. Daß auch die informale Verwaltungstätigkeit gewissen rechtlichen Bindungen unterworfen sein muß, liegt auf der Hand45 • Dafür spricht schon Art. 20 Abs. 3 GG, der die Bindung der Verwaltung in allen ihren Äußerungen- rechtsformunabhängig und damit auch im tatsächlichen Bereich- an die gesetzlichen Vorschriften und die rechtlichen Grundsätze normiert. Auch die bloß faktischen Auswirkungen informaler Absprachen dürfen mithin nicht gegen Rechtsnormen verstoßen. Unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 3 GG ist die Behörde bei Abschluß einer Kooperationsvereinbarung in gleicher Weise rechtIich gebunden wie bei dem Erlaß eines Verwaltungsakts .. Weder die von der Behörde versprochene Leistung, noch die in Aussicht gestellte Gegenleistung des
ber, in: Becker-Schwarze u.a. (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im ötlentlichen Recht, S. 67, 92 unter Bezugnahme auf den Brokdort:ßeschluß des Bundesverfassungsgerichts. BVertGE 69, 315, 353 f; otlenlassend: Moggenborg, NVwZ 1990,909.915. 4> Wie hier HartkoptYBohne. Umweltpolitik. Bd. I. S. 115: Liibbe-Woltr NuR 1989. 295, 301: Schrader. DÖV 1990, 326, 328 f 44 Vgl. allgemein zu den Grenzen kooperativen Verwaltungshandeins auch Hili, VVDStRL 47 (1989), 173, 194 f.; Maurer, in: Hili (Hrsg.), Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen, S. 15, 35; Dauber, in: Becker-Schwarze u.a. (Hrsg.), Wandel der Handlungstonnen im ötlentlichen Recht, S. 67, 92.
45 Insoweit ist die Kritik von Bauer, VerwArch. 1987, 241, 260 mit Fn. III unbegründet. Vgl. auch Bulling. DÖV 1989. 277. 288 und dens .. in: Hili (Hrsg.). Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen, S. 147, 155 f , der von dem Begritlspaar .. kooperativ/einseitig" ausgeht, weil er es als wesentlich weniger abwertend tendenziös ansieht als das Begritlspaar .Jonnal/intonnal". Damit wird allerdings der Typus des einseitig - nach der hier benutzten Tenninologie - .. info rmalen" Verwaltungshandeins ausgeklammert.
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C. Freiwillige Nachrüstung
Setreibers darf gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die Absprache kann folglich wegen ihres Inhalts sehr wohl mit der Rechtsordnung kollidieren. Widerspricht der Abspracheinhalt dem in jedem Fall höherrangigen Gesetz, ist die Absprache rechtswidrig. Der hinsichtlich der Rechtsfolgen unverbindliche Inhalt informaler Absprachen stößt also selbstverständlich auch auf rechtliche Grenzen. Diese Grenzen bestehen sowohl in formell-, als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht. Demgemäß ist - ausgehend von der hier zugrundegelegten Rechtsverhältnislehre - zwischen Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis und materiellem Verwaltungsrechtsverhältnis zu unterscheiden.
a) Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis -formelle Grenzen informaler Absprachen aa) Grundrechtsschutz durch Verfahrenskontakt Obwohl beide zusammengehören und wechselseitig miteinander verbunden sind - das Verfahrensrechtsverhältnis läßt das materielle Rechtsverhältnis entstehen - ist das Verfahrensrechtsverhältnis, wie es nunmehr Gegenstaild der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder ist, wegen der Eigenständigkeit des Verwaltungsverfahrens ein vom materiellen Recht theoretisch absonderbares Rechtsverhältnis~". Unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts~ 7, wonach sich der Grundrechtsschutz im und durch Verfahren vollzieht, erstreckt sich der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt gerade auch auf die Verfahrensregeln, die der Verwirklichung und Durchsetzung der materiellen Grundrechte dienen. Auch das informale Verwaltungshandeln muß aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Wirkungen so ausgestaltet sein, daß durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen einer möglichen Grundrechtsverletzung entgegengewirkt wird~". Die Grundrechtsträger müssen mit anderen Worten die Chance haben, ihre Belange wirkungsvoll in den Abwägungsprozeß einzubringen. Nicht zuletzt fordert der Grundsatz der Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. I GG, daß sowohl der Setreiber als Kooperationspartner der Behörde als auch in ihren Rechten betroffene Dritte ihre Verfahrensrechte tatsächlich auch wahrnehmen
~,. Vgl. Hili. Das fchh:rh Dies hat die neuere Rechtsprechung nunmehr mit ertreulicher Klarheit entschieden, siehe OVG LUneburg, NVwZ 1989, 1180, 1181 f sowie die kommentierende Wiedergabe der wesentlichen Ergebnisse der Entscheidung bei Hellenschmidt, in: Pelzer (Hrsg.), Kernenergiepolitik zwischen Ausstiegsforderung und europäischem Binnenmarkt, S. I 09, 115 ff. 37
Hiervon geht zutrelfend auch Lukes, in: 8. AtRS 1989, S. 63. 79, aus.
II. Entscheidungsinhalte im Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren
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hördliche Anordnungen, die auf die 1. Alternative gestützt werden, nur zur Abwehr von Gefahren im Sinne der 2. Alternative zuzulassen. Anderenfalls käme man über Umwegen doch zu einer Egalisierung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 S. I AtG mit denen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, was dem beschriebenen Charakter der Aufsichtsmaßnahmen jedoch widersprechen würde.
c) Nachrüstungsmaßnahmen Aus dem vorstehend Geschriebenen folgt, daß Aufsichtsmaßnahmen nach § 19 Abs. 3 AtG voraussetzen, daß sich die Gefahrensituation geändert hat. Da die ordnungsgemäß erlassene Genehmigung die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen abschließend erfaßt, kann jene Veränderung darin liegen, daß bereits ursprünglich bei Erteilung der Genehmigung Gefahren bestanden haben, die zunächst übersehen und erst nunmehr erkannt werden. In der Praxis Bedeutung gewinnen dürfte dagegen lediglich der Fall, daß die Gefahren erst nachträglich eingetreten sind und die bislang zur Abwehr vorgesehenen Maßnahmen sich als unzulänglich erweisen. Als mögliche Sachverhalte, die zu (sofortigen) Aufsichtsmaßnahmen nach § 19 Abs. 3 AtG fuhren, kommen hiernach etwa eine Änderung der Anlage oder ihrer Teile durch Abnutzung, Korrosion oder Versprödung sicherheitstechnisch bedeutsamer Komponenten in Betracht, ohne daß ein Ersatz oder eine Reparatur möglich ist. Auch Änderungen in der Umgebung der Anlage gehören hier hin. Ferner können neue Erkenntnisse aufgrund einer Änderung des Standes von Wissenschaft und Technik ohne gleichzeitige Änderung der Anlage, ihrer Teile oder ihrer Umgebung zur Annahme einer Gefahrdung im Sinne des § 19 Abs. 3 AtG rnhren3x. Hingegen kann eine bloße Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie schon deshalb keine aufsichtsrechtlichen Überwachungsmaßnahmen im Sinne von § 19 Abs. 3 AtG nach sich ziehen, weil jene Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie schon tatbestandlieh nicht unter die Bestimmung fallt. Nach der oben 39 vorgenommenen Definition ist hierunter die Änderung der Behördenauffassung über den Umfang des hinzunehmenden Restrisikos bei unverändertem naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisstand zu verstehen. Was bislang als erlaubt betrachtet wurde, wird von nun an zur Gewährleistung der gebotenen Schadensvorsorge als nicht mehr ausreichend angesehen, ohne daß dabei allerdings bereits die Schwelle zur Gefahr im eigentlichen Sinne überschritten wäre, so daß fl.ir ein Einschreiten der Aufsicht schon aus diesem Grunde kein Raum bleibt. Abgesehen davon ist es realitätsfremd, anzunehmen, daß ein nach Art und Ausmaß besonders gravierendes Risiko in tatsächlicher Hinsicht Jx A.A., aber ohne Begründung, Lukes, in: 8. AtRS 1989. S. 63, 79. 39
Siehe A. II. 2. b) cc).
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D. Behördliche Eingriffsbefugnisse in der Überwachungsphase
der Behörde bekannt gewesen ist, aber gleichwohl von ihr lediglich als vernachlässigbar dem hinzunehmenden Restrisikobereich zugerechnet worden ist. Es dUrfte schlichtweg nicht vorkommen, daß ein solches bereits erkanntes Risiko erst im Zuge einer Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie als echte Gefahr neu bewertet wird. Die vorliegend im Mittelpunkt stehenden nachträglichen Maßnahmen zur sicherheitstechnischen Verbesserung der Kernkraftwerke können mithin nur dann von den Aufsichtsbehörden angeordnet werden, wenn sie der Abwehr echter Gefahren zu dienen bestimmt sind. Ohne bereits im Rahmen der Prüfung des § 19 Abs. 3 AtG eine abschließende rechtliche Einordnung der Maßnahmen des sogenannten anlageninternen Notfallschutzes4" vornehmen zu müssen, läßt sich im Hinblick auf diese Maßnahmen feststellen, daß sie unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit der Ereignisse bzw. Ereignisabläufe, gegen die sie sich richten, in keinem Fall Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind. Die hier zu untersuchenden nachträglichen Zusatzmaßnahmen, die zu den Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes rechnen, fallen demnach nicht in den Kompetenzbereich der Aufsichtsbehörde und gehören nicht zu den Überwachungsmaßnahmen des§ 19 Abs. 3 AtG. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß aufsichtsbehördliche Anordnungen, weil sie an den Regelungsumfang der ursprünglichen Genehmigung gebunden sind und mithin keine wesentlichen Änderungen der Anlage zulassen. allenfalls sicherheitsneutrale Änderungen, die aus diesem Grunde unwesentliche Änderungen sind, bewirken können. Mehr noch: § 19 Abs. 3 AtG bietet alles in allem keine rechtliche Grundlage, das Problem der Nachrüstung von Kernkraftwerken in den Griff zu bekommen. II I. Zuständigkeitsfragen An die Frage der Abgrenzung der Entscheidungsinhalte im Genehmigungsund Aufsichtsverfahren schließt sich notwendig die Frage nach der die jeweilige Maßnahme erlassenden Behörde an, mit anderen Worten, ob in der Überwachungsphase neben der vorstehend verdeutlichten funktionellen Unterscheidung auch institutionell und organisatorisch zwischen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden differenziert werden kann. Die Rechtsinstitute der Genehmigung und der Aufsicht ftir kerntechnische Anlagen werden im Grundsatz von Behörden der Länder im Auftrage des Bundes wahrgenommen, vgl. § 24 Abs. I S. I AtG. Dabei schreibt § 24 Abs. 2 AtG ftir Kernkraftwerke im Sinne von § 7 AtG die ausschließliche Zuständigkeit der
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Zur rechtlichen Einordnung der Maßnahmen siehe ausllihrlich unter G. II. 2. b).
111. Zuständigkeitsfragen
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obersten Landesbehörden vor. Nun gehören aber Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in aller Regel nicht nur demselben Landesministerium an, häufig nimmt sogar dieselbe Referatsgruppe beide Verwaltungsaufgaben wahr. Lediglich in Baden-Württemberg ist für Kernenergieanlagen grundsätzlich das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie zuständig, während speziell die atomgesetzliche Aufsicht dem Umweltministerium obliegt. Abgesehen von diesem Ausnahmefall zwingt die Zuständigkeitsverteilung für sich genommen noch nicht zu einer genauen Differenzierung zwischen den beiden Verfahrensarten und sind die institutionelle und die organisatorische Zuständigkeit folglich kein geeignetes Abgrenzungskriterium von Maßnahmen der Genehmigungs- und der Aufsichtsbehörden. Insofern muß es bei der vorgenommenen Differenzierung allein nach den Entscheidungsinhalten bleiben.
E. Voraussetzungen tlir die Anordnung nachträglicher "Auflagen" gemäß § 17 Abs. 1 S. 3 AtG I. Allgemeine Anforderungen an nachträgliche Außagen 1. Allgemeine Zu Iässigkeit nachträglicher Auflagen
Die im Einzelfall den verantwortlichen Betreibern aufgegebenen Anforderungen bedürfen als belastende Maßnahmen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, und zwar unabhängig davon, ob sie isoliert oder als nachträgliche Auflagen ergehen 1• Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ist notwendig, weil die nachträgliche Auflage sachlich die teilweise Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts verbunden mit dem teilweisen Neuerlaß eines Verwaltungsakts mit teilweise anderem Inhalt bedeutet2. Nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ist eine nachträgliche Auflage nur zulässig, wenn der Genehmigung der Vorbehalt einer nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage beigefügt war. Wenn auf die GenehmigungseTteilung ein Rechtsanspruch besteht, ist es erforderlich, daß die Beifügung der Nebenbestimmung durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder sicherstellen soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der GenehmigungseTteilung erfüllt werden, § 36 Abs. 2 Nr. 5, Abs. I VwVfG. Besteht hingegen auf die GenehmigungseTteilung kein Anspruch, steht auch die Beifügung des Auflagenvorbehalts im Ermessen der Behörde, § 36 Abs. 2 VwVfG. Die Erteilung der Genehmigung unter Nebenbestimmungen, so auch versehen mit einem Auflagenvorbeha/t, stellt gegenüber der Genehmigungsversagung eine den Antragsteller weniger belastende Maßnahme dar. 2. Zulässigkeit des Vorbehalts nachträglicher Auflagen
Die Erteilung der Atomanlagengenehmigung gemäß § 7 AtG steht im Ermessen der Behörde. Diese kann bei der Entscheidung über den Genehmigungsan-
1 Für nachträgliche Nebenbestimmungen vgl. Woltl7Bacho t: Verwaltungsrecht I. § 50 I d; Adler. Nachträgliche Anforderungen an Gewerbebetriebe. passim.
2 Siehe
Kopp, VwVfG. § 36 Rdnr. 44.
I. Allgemeine Anforderungen an nachträgliche Autlagen
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trag Ermessenserwägungen anstellen, die von dem durch die Zweckbestimmungen des § I AtG vorgegebenen Ermessensrahmen bestimmt sein müssen, und daraufhin entweder die Genehmigung versagen oder aber mit entsprechenden Nebenbestimmungen versehen. Dies sieht § 17 Abs. I S. 2 AtG flir die inhaltliche Beschränkung und die der Genehmigung beigefügte Auflage ausdrücklich vor. Auch ein Auflagenvorbehalt ist durch die Regelung des Atomgesetzes nicht ausgeschlossen, soweit ein solcher Vorbehalt, die Genehmigung nachträglich mit Auflagen zu versehen, zur Erreichung der in § I Nm. 2 und 3 AtG bezeichneten Zwecke gemacht wird3 • Dem steht auch nicht entgegen, daß die Aufzählung der zulässigen Nebenbestimmungen in § 17 Abs. I S. 2 bis 4 AtG angesichts der Besonderheit der Materie die Bedeutung einer abschließenden Regelung hat. Mit der Genehmigungserteilung ist zugleich der frühestmögliche Zeitpunkt genannt, in dem durch hoheitliche Maßnahmen der einleitend beschriebene Sicherheitskonflikt gelöst oder seiner Entstehung doch jedenfalls vorgebeugt werden kann. Dabei ist allerdings filr die Beantwortungder Frage, ob ein Auflagenvorbehalt sich noch auf zulässige Ermessenserwägungen stützt, der Zeitpunkt der zu prüfenden behördlichen Entscheidung, also der der Genehmigungserteilung unter Auflagenvorbehalt, maßgebend, und nicht der Zeitpunkt der Realisierung dieses Vorbehalts durch die Erteilung nachträglicher Auflagen4 • Allerdings würde der für kerntechnische Anlagen bestehende besondere Bestandsschutz ausgehöhlt, wenn ein Vorbehalt nachträglicher Auflagen unbeschränkt zulässig wäre. Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren will dem Antragsteller jedenfalls auch eine Rechtsstellung verschaffen, die nur unter erschwerten Voraussetzungen angreifbar ist. Unzulässig ist eine im Genehmigungsbescheid vorab statuierte Unterwerfung des Antragstellers unter bestimmte nachträgliche Auflagen zumindest dann, wenn die Genehmigungsbehörde damit die Entschädigungsregelung des § 18 AtG umgehen will 5• Auf der anderen Seite wird ein Auflagenvorbehalt als rechtmäßig anzusehen sein, der im Interesse des Antragstellers der Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen dient6 • Im Falle eines solchen zulässigen Auflagenvorbehalts löst die nachträgliche Auflage keinerlei Entschädigungsansprüche des Anlagenbetreibers gegenüber der anordnenden Behörde aus. Dies
' Vgl. Fischerhot: Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, Bd. I, § 17 Rdnr. 4; Ronellentitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 382; Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 32 f 4 Vgl. Schmieder, Atomanlagengenehmigung und Bestandsschutz von Atomanlagen bei nachrückender lndustrieansiedlung, S. 15. ; So auch Fischerhot: Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, Bd. I. § 17 Rdnr. 8; Haedrich. Atomgesetz. § 17 Rdnr. 7; Mutschler, Nebenbestimmungen zur Atomanlagengenehmigung und die Zulässigkeil ihrer Verwendung zur Ausräumung von Versagungsgründen, S. 29 n:
'' Hansmann. in: I. AtRS 1972. S. 151, 153.
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E. Voraussetzungen !Ur die Anordnung nachträglicher ,.Auflagen"
folgt aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck des§ 18 Abs. 3 AtG, wonach der Vertrauensschutz, sprich: wirtschaftliche Bestandsschutz des Betreibers, nur für nachträgliche Auflagen nach § 17 Abs. 1 S. 3 AtG zum Tragen kommt. Insoweit kann die Behörde auch nachträglich auftretenden Gefahrenlagen nicht nur mit Hilfe derjenigen Eingriffsgrundlagen begegnen, die das Atomgesetz in § 17 AtG gerade für diese Fälle ausdrücklich vorgesehen hat. Dies steht auch ohne weiteres mit der allgemeinen Regel im Einklang, wonach eine spezialgesetzliche Vorschrift allgemeinen Grundsätzen vorgehe. Mit der Schaffung derartiger Spezialbestimmungen hat der Gesetzgeber nämlich keineswegs die weitergehende, sich aus allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ergebende Möglichkeit des Vorbehalts nachträglicher Auflagen einschränken wollen. Fehlt es der Genehmigung allerdings an einem derartigen Auflagenvorbehalt, kann sich die Ermächtigung zum Erlaß einer nachträglichen Auflage gegenüber dem Genehmigungsinhaber nur aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Vor diesem allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Hintergrund ist die einschlägige Spezialvorschrift des § 17 Abs. I S. 3 AtG zu sehen.
II. Begriff und Inhalt nachträglicher "Auflagen" i. S. von § 17 AtG 1. Begrifflichkeit
a) ,. Nachträglich" aa) Nochmals: Genehmigungsbehördliche Anordnungen und tatsächlicher Bestandsschutz Der Begriff "nachträglich" wirft die Frage nach dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 S. 3 AtG auf. Ein Vergleich dieser Bestimmung mit der des § 17 Abs. 1 S. 2 AtG, der die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei der Anlagengenehmigung regelt, ergibt, daß eine Maßnahme nach § 17 Abs. 1 S. 3 AtG erst dann in Betracht kommt, wenn eine Genehmigung gemäß § 7 Abs. 1 AtG bereits erlassen ist. Ausgehend davon, daß der tatsächliche Bestandsschutz neben den Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf durch die Vorschrift über nachträgliche Auflagen bestimmt wird, folgt die bestandsschutzrechtliche Relevanz auch des § 17 Abs. 1 S. 3 AtG daraus, daß er für
7 Anders jedoch unter Berufung auf eben jenen Grundsatz: Adler, Nachträgliche Anforderungen an Gewerbebetriebe, S. 89; Mutschler. Nebenbestimmungen zur Atomanlagengenehmigung und die Zulässigkeil ihrer Verwendung zur Ausräumung von Versagungsgründen, S. 31 .
II. BegritT und Inhalt nachträglicher "Autlagen" i. S. von § 17 AtG
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seinen Regelungsbereich die im Normalfall mit dem Erlaß des Verwaltungsakts, sprich: der atomrechtlichen Genehmigung, eintretende Bindungswirkung im Verhältnis Behörde - Setreiber durchbricht. Der zeitliche Anwendungsbereich der überwachungsrechtlichen Kompetenzen der Genehmigungsbehörde nach Genehmigungserteilung und der Beginn des tatsächlichen Bestandsschutzes fallen demnach zusammenx. bb) Zeitpunkt des Beginns der nachträglichen Überwachung durch die Genehmigungsbehörde Ausgangspunkt zur Lösung dieses Problems ist die Parallelregelung der§§ 48, 49 VwVfG. Denn verbunden mit dem teilweisen Neuerlaß eines inhaltlich geänderten Verwaltungsakts stellt eine nachträgliche Auflage - wie bereits dargelegt sachlich immer auch eine teilweise Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts dar.
(1) Tatsächlicher Bestandsschutz mit Wirksamwerden der Genehmigung? Der Bestandsschutz einer noch nicht bestandskräftigen Genehmigung wird teilweise bejaht. Zur Begründung dieser Ansicht wird auf den Subsidiaritätsgrundsatz des § I Abs. I VwVfG verwiesen. § 17 AtG enthalte keine Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf der Genehmigung vor Eintritt der Bestandskraft, so daß dieser dort nicht geregelte Bestandsschutz nicht bestandskräftiger Genehmigungen von den §§ 48 ff. VwVfG erfaßt werde9 • Diese Vorschriften böten dem Genehmigungsinhaber als betroffener Person zudem einen wenn auch begrenzten - Bestandsschutz und seien daher günstiger. Schließlich sichere ihre Anwendung den umfassenderen Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes11'. Hieraus folgt, daß nach den Grundsätzen der §§ 48, 49 VwVfG eine atomrechtliche Genehmigung bereits nach ihrem Erlaß nur eingeschränkt aufgehoben und bereits von diesem Zeitpunkt an auch lediglich unter den engen Voraussetzungen des§ 17 Abs. I S. 3 AtG mit nachträglichen Auflagen versehen werden kann.
'Ebenso Richter, Nachrüstung von Kernkraftwerken, S. 12. ''Richter, Nachrüstung von Kernkraftwerken, S. 13 f. 10
Vgl. Richter, Nachrüstung von Kernkraftwerken, S. 14.
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E. Voraussetzungen tur die Anordnung nachträglicher .,Auflagen"
(2) Tatsächlicher Bestandsschutz mit Eintritt der Bestandskraft der Genehmigung? Die vorstehende Ansicht vennag nicht zu überzeugen. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, letzter HS. VwVfG steht die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes unter dem allgemeinen Vorbehalt anderweitiger (inhaltsgleicher oder entgegenstehender) Regelungen durch Rechtsvorschriften des Bundes. Das bedeutet, daß die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes nur subsidiär gelten, also nur, wenn und soweit das Atomgesetz keine Vorschriften hinsichtlich des Verfahrens enthält. Der Regelungsgehalt der §§ 48, 49 VwVfG kommt mithin nur insoweit zum Tragen, als die gemäß der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. I VwVfG vorgehenden besonderen Rechtsvorschriften des § 17 AtG die hier interessierende Frage abschließend regeln. Ob dies der Fall ist oder ob es sich bei § 17 AtG lediglich um eine partielle Regelung handelt, ist grundsätzlich Auslegungsfrage. Dabei ist einerseits auf den Zweck des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzustellen, ein möglichst einheitliches, modernen rechtsstaatliehen Grundsätzen genügendes Verwaltungsverfahrensrecht zu schaffen, andererseits jedoch auch darauf, ob der im Wege der Auslegung zu ennittelnde Zweck der Sonderregelung des § 17 AtG eine Ergänzung durch das Verwaltungsverfahrensgesetz erlaubt'' . In diesem Zusammenhang spricht bei zeitlich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz erlassenen Gesetzen - bei Fehlen von Anhaltspunkten dafur, daß das Verwaltungsverfahrensgesetz ergänzend zur Anwendung kommen soll - eher eine gewisse Vennutung daflir, daß eine abschließende Regelung gewollt ist 12 • Hingegen kann, wenn es sich um den Vergleich von Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit älteren Tatbeständen handelt, der Gesichtspunkt zum Tragen kommen, daß Sinn und Zweck der fachgesetzlichen Sonderregelung mittlerweile anders zu sehen sind, als der Gesetzgeber sie einst gesehen hat, und die Rechtsentwicklung fortgeschritten ist, zumeist in Richtung einer bürgerfreundlicheren Auslegung 13, oder daß rechtsstaatliche Verfahrensgarantien nicht in dem umfassenden Maße berücksichtigt sind, wie das Verwaltungsverfahrensgesetz sie vorsieht 14• Zwar rechnet das Atomgesetz aus dem Jahre 1959 an sich zu den älteren Gesetzen, die bereits vor Erlaß des Verwaltungsverfahrensgesetzes bestanden, so daß bei der Prüfung, ob eine abschließende oder eine Teilregelung vorliegt, im Grundsatz nach dem Zweck des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Sinne einer 11
Ygl. BYerwG, NYwZ 1987,488.
Kopp, VwVfG, §I Rdnr. 8. 13 Vgl. Schmidt-Aßmann, StuGB 1977,9, 15; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs. VwVtG. §I Rdnr. 123. 14 Vgl. Obermayer, Kommentar zum VwVtG, § I Rdnr. 48. 12
II. Begriff und Inhalt nachträglicher .,Auflagen" i. S. von § 17 AtG
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Ergänzung und Lückenschließung des Spezialrechts zu entscheiden wäre. Jedoch weist gerade die getroffene Regelung der Aufhebung der Bindungswirkung atomrechtlicher Genehmigungen im § 17 AtG die Besonderheit auf, daß die Rücknahmeregelung in Absatz 2 durch das Dritte Änderungsgesetz vom 15.7. 1975 1; zur Anpassung des Atomgesetzes an das damals zur Verabschiedung anstehende Verwaltungsverfahrensgesetz nachträglich eingefügt wurde. Das bedeutet, daß das Atomgesetz die Regelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, wonach ein Verwaltungsakt bereits nach seinem Wirksamwerden zurückgenommen oder widerrufen werden kann, (ausdrücklich) nicht übernommen hat. Es wäre für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, den § 17 AtG nicht lediglich sprachlich, sondern auch rechtlich den §§ 48, 49 VwVfG anzupassen. Da der Gesetzgeber jene bloß sprachliche Angleichung bewußt und in voller Kenntnis des seinerzeit vorliegenden VwVfG-Entwurfs vorgenommen hat, kann auch schwerlich von einem Redaktionsversehen gesprochen werden. Die Entstehungsgeschichte des § 17 AtG vermag die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auch nicht mit dem im Hinblick auf die inhaltlichen Beschränkungen und Auflagen gegebenen Hinweis auf die "allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätze" 11' zu begründen. Dieser Hinweis legt vielmehr die Annahme des Gegenteils, also die Unanwendbarkeit der§§ 48, 49 VwVfG, nahe. Denn die Verknüpfung des Bestandsschutzes mit der Bestandskraft der Genehmigung entsprach vor Erlaß des Verwaltungsverfahrensgesetzes der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 17 • Damit enthält § 17 AtG eine negative Regelung über die Widerrufs- und Rücknahmemöglichkeiten der Behörde hinsichtlich der nicht bestandskräftigen Genehmigungen. Wegen des Spezialitätsgrundsatzes des § 1 Abs. I Nr. 2, letzter HS. VwVfG bleibt es folglich bei der allgemeinen Regel, daß tatsächlicher Bestandsschutz erst mit der Bestandskraft des Verwaltungsakts eintritt 1K. Ein erhöhter Vertrauensschutz des Begünstigten besteht erst ab dem Zeitpunkt, von dem an die zugrunde liegende Genehmigung oder allgemeine Zulassung nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar ist. Der Zeitpunkt des Beginns der nachträglichen Überwachung durch die Genehmigungsbehörde liegt also beim Eintritt der Bestandskraft der Genehmigung.
1;
BGBI. I S. 1885.
Begründung zum Regierungsentwurf des§ 17 AtG, BT-Drs. 3/759, S. 30. Siehe BVerwG. DVBI. 1976,220,222 m.w.Nachw. IK Im Ergebnis ebenso: Backherms, in: 6. AIRS 1979, S. 173, 174; Büdenbender/Mutschler, Bindungs- und Präklusionswirkung von Teilentscheidungen nach BlmSchG und AtG, Rdnm. 59 und 117; Schnappauf, Standortbestimmung bei Kernkraftwerken, S. 251; Haedrich, Atomgesetz, § 17 Rdnr. 10; Schmitt, in: 8. AtRS 1989, S. 81, 84; Schattke, atw 1988, 41 I; Bender, DÖV 1988, 813, 814; Wagner, DÖV 1987, 524. 528; Lange, NJW 1986, 2459, 2463; Schoch, DVBI. 1990, 549; Obermayer, Kommentar zum VwVtG, § 48 Rdnr. 4; Knack, VwVtG, § 48, Anm. 1.4.1. 16 17
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E. Voraussetzungen tur die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
(3) Einfluß des§ 50 VwVfG Fraglich ist, ob demgegenüber mit Erfolg eingewandt werden kann, der Bestandsschutz flir begünstigende Verwaltungsakte mit Drittwirkung werde in §50 geregelt und diese Bestimmung erfasse auch das Atomrecht19• Dabei schließt die soeben getroffene Feststellung, § 17 AtG sei im Verhältnis zu den allgemeinen Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfG als Spezialnorm abschließend, die Anwendbarkeit des § 50 VwVfG nicht von vomherein aus. Da die §§ 48 ff. VwVfG nur insoweit durch Rechtsvorschriften verdrängt werden, als diese inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten, besteht die Möglichkeit, daß nur einzelne Vorschriften der §§ 48 bis 52 VwVfG verdrängt werden, während andere anwendbar bleiben20 • Dies beurteilt sich danach, in welchem Umfang die Spezialvorschriften eine abschließende Regelung treffen wollen. Daß der Bestand eines Verwaltungsakts noch nicht abschließend gesichert ist, solange Rechtsbehelfe dagegen anhängig sind, und daß insoweit auch das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts noch nicht schutzwürdig ist, ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes21• §50 VwVfG muß demnach zumindest sinngemäß auch auf Verwaltungsakte anwendbar sein, die - wie die Genehmigungen und allgemeinen Zulassungen nach dem Atomgesetz - nicht unmittelbar unter die §§ 48 ff. VwVfG fallen und flir die auch keine ausdrücklichen sonstigen Regelungen hinsichtlich der Frage der Aufhebbarkeit der Genehmigung flir den Fall bestehen, daß die Genehmigung von einem Dritten angefochten isf2 • Die im § 17 AtG enthaltenen Beschränkungen der Aufhebbarkeit atomrechtlicher Genehmigungen gelten somit dann nicht, wenn die Aufhebung erfolgt bzw. die nachträgliche Auflage erlassen wird, um dem Widerspruch oder der Klage eines Drittbetroffenen gegen die Genehmigung abzuhelfen. Diese Auslegung liegt nun aber auf einer Linie mit dem zuvor gefundenen Ergebnis, wonach § 17 AtG als abschließende Bestimmung nur auf bestandskräftige Genehmigungen Anwendung findet. Die Gegenansiche>, die demgegenüber fllr den Regelfall vom Bestandsschutz auch der nicht bestandskräftigen Genehmigung ausgeht und daher einen Zusammenhang zwischen den regelmäßig bestandsgeschützten, nicht bestandskräftigen Genehmigungen und der Vorschrift des§ 50 VwVfG herzustellen versucht, vermag nicht zu überzeugen. Sie übersieht, daß die allgemeine Frage, ob eine Aufhebung der Genehmigung bzw. der Erlaß einer nachträglichen Auflage be19 So
Richter. Nachrüstung von Kernkraftwerken, S. 13.
20
Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 II.
21
Siehe Wolft7Bachof, Verwaltungsrecht I,§ 53 II. e) 2.
Siehe auch Kopp, VwVtG, § 50 Rdnr. 21. Vgl. Richter, Nachrüstung von Kernkraftwerken, S. 12 ff.; Büdenbender. in: 6. AIRS 1979. S. 235 (Diskussionsbeitrag). 22 23
II. Begriff und Inhalt nachträglicher "Autlagen'" i. S. von § 17 AtG
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reits vor oder erst nach Unanfechtbarkeil der Genehmigung zulässig ist, nicht allein danach zu beantworten ist, ob die betreffende Genehmigung durch einen Dritten angefochten ist oder nicht. Sie stellt sich in gleicher Weise auch in den Fällen, in denen die Behörde von sich aus, ohne Intervention eines Dritten, die Aufhebung bzw. Teilaufhebung der Genehmigung erstrebt. Alles in allem ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 17 Abs. I S. 3 AtG an den Eintritt der Bestandskraft der atomrechtlichen Genehmigung geknüpft.
b) ,.Auflage" aa) Rechtsnatur Der Begriff der Auflage ist weder als ursprünglicher Genehmigungszusatz im § 17 Abs. I S. 2 AtG noch als nachträgliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. I S. 3 AtG näher definiert. Es ist insoweit auf die allgemeine Bestimmung des Begriffs in § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG zurückzugreifen, wonach eine Auflage ein mit der Genehmigung verbundenes belastendes Element ist, durch das dem Genehmigungsinhaber in der Regel ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Der Streit, ob Auflagen selbst Verwaltungsakte sind oder nur Bestandteile der Genehmigung, der sie beigefUgt sind2\ ist ohne praktische Relevanz, da unabhängig davon auf Auflagen, weil sie Regelungscharakter haben 2 \ jedenfalls die Vorschriften über Verwaltungsakte Anwendung finden. Auflagen sind auch akzessorisch, indem sie in ihrem Bestand von der Wirksamkeit der Hauptentscheidung abhängen, ohne andererseits für deren Bestand und Wirksamkeit unmittelbare Bedeutung zu haben. Mangels entgegenstehender gesetzlicher Regelung gelten diese Überlegungen einschließlich der Begriffsdefinition auch ftir nachträgliche Auflagen gemäߧ 17 Abs. 1 S. 3 AtG. Als Beispiel ftir nachträgliche Auflagen im engeren Sinne seien Reparaturpflichten aufgrund nachträglicher Veränderungen des Anlagenzustandes genannt, die im Rahmen der Betriebsgenehmigung nicht bedacht worden sind. So kann die Behörde mittels nachträglicher Auflage nach § 17 Abs. I S. 3 AtG etwa anordnen, daß der Setreiber in der Folgezeit im Falle der Beschädigung eines oder mehrerer Brennelementzentrierstifte diese zu reparieren oder auszutauschen habe, wenn dies aus sicherheitstechnischen Gründen angezeigt ist.
24
25
Zum Streitstand siehe Kopp, VwVtG, § 36 Rdnr. 29 m.w.Nachw. Stelkens, NVwZ 1985,469,470 mit Fn. 17.
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E. Voraussetzungen fllr die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
bb) Rechtliche Abgrenzung und Einordnung (1) Bedingung
Auflagen nach dem Atomgesetz, und zwar ursprüngliche wie nachträgliche, dürfen nicht in der Art einer Bedingung ausgestaltet sein, wodurch die Rechtswirksamkeit des Genehmigungsaktes (wieder) in Frage gestellt würde. Eine Ongewißheit über Eintritt oder Fortbestand der Genehmigung wäre mit Rücksicht auf das hohe Investitionsrisiko des Setreibers nicht zulässig2~>.
(2) Inhaltliche Beschränkungen Auf eine genauerechtliche Einordnung eines Genehmigungszusatzes entweder als Auflage oder aber als inhaltliche Beschränkung(§ 17 Abs. I S. 2 AtG) kann schon deshalb nicht verzichtet werden, weil von ihr einmal die Frage der isolierten, unmittelbaren Vollstreckbarkeit eines solchen Zusatzes und zum anderen die Statthaftigkeit der Klageart abhängt; dies jedenfalls dann, wenn man die vorstehend offengelassene Frage nach dem Rechtscharakter der Auflage mit der mittIerweile wohl vorherrschenden Auffassung dahingehend beantwortet, daß die Anfechtungsklage nur noch für die "echte" Auflage in Betracht kommt, während in allen anderen Fällen die Verpflichtungsklage auf uneingeschränkte bzw. erweiterte Genehmigung zulässig ist. Dabei stellt sich das Problem der rechtlichen Abgrenzung und Einordnung sowohl im Anwendungsbereich der gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 AtG unmittelbar mit der Genehmigung verbundenen Zusätze als auch im Rahmen nachträglicher Maßnahmen nach § 17 Abs. 1 S. 3 AtG. Die Abgrenzung wird dadurch erschwert, daß die Behörden - auf deren erkennbaren Willen bei der Auslegung vorrangig abzustellen ist - vielfach mehr oder weniger neutrale Formulierungen verwenden oder den Begriff der Auflage benutzen, ohne sich über die rechtlichen Konsequenzen hinreichend Klarheit verschafft zu haben 27 • Durch inhaltliche Beschränkungen wird die Ausübung der genehmigten Tätigkeit der Sache nach, also nicht zeitlich, bestimmten Einschränkungen unterworfen, wobei sich sowohl Umfang wie auch Reichweite einer Regelung beeinflussen Iassen 2x. Die inhaltliche Beschränkung ist als aliud zu den herkömmlichen Nebenbestimmungsformen anzusehen29, wenn auch ausweislich der Gesetzes-
26
Vgl. amtliche Begründung zum AtG, BT-Drs. 31759, S. 30.
27
Kritisch auch Rumpel, NVwZ 1988, 502, 503. die Fallgruppen bei Ronellentitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 367 tl'. 29 Rumpel, Nebenbestimmungen zu atomrechtlichen Teilentscheidungen unter besonderer Berücksichtigung der inhaltlichen Beschränkung nach § 17 Abs. I Satz 2 des Atomgesetzes, S. 72. ZK Vgl.
II. Begriffund Inhalt nachträglicher "Auflagen" i. S. von§ 17 AtG
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materialien zum Atomrechf" Querverbindungen insbesondere zwischen inhaltlichen Beschränkungen und Bedingungen bestehen. Nach der Intention des atomrechtlichen Gesetzgebers sollte die inhaltliche Beschränkung nämlich an die Stelle der Bedingung treten und dabei ähnliche Funktionen wie diese erfüllen. Jedoch fehlt es der inhaltlichen Beschränkung an der für Bedingungen charakteristischen Schwebewirkung. Inhaltliche Beschränkung und Bedingung schließen sich wechselseitig aus31 • Dessen ungeachtet gibt es Stimmen in der Literatur, die in dem Institut der inhaltlichen Beschränkung - soweit es mit der ursprünglichen Genehmigung verbunden wird - eine eigene Nebenbestimmungsform sehen. Dies wird mit der Doppelnatur begründet, die inhaltlichen Beschränkungen deshalb zukomme, weil sie ein ungünstiges Abweichen der Erlaubnis vom Antrag beinhalteten, wobei ihnen zusätzlich eine teilversagende Wirkung zukomme32 • Diese Doppelnatur liegt zum einen in der auf den Inhalt des Verwaltungsakts modifizierend einwirkenden Veränderung des Genehmigungsgegenstandes und zum anderen in der davon an sich zu trennenden selbständigen Verfügung, die - in der Rechtsform der Auflage- der Durchsetzung des so modifizierten Genehmigungsinhalts dient. Bei Lichte besehen kann jedoch auf die Auflagenwirkung beim Institut der inhaltlichen Beschränkung verzichtet werden. Schränkt die Behörde den Rahmen der Vergünstigung, so wie er beantragt war, ein, wird der Antragsteller an der Verwirklichung des von ihm in vollem Umfang beantragten Tuns schon dadurch gehindert, daß die Behörde sich insoweit weigert, das gesetzliche Verbot in vollem Umfang auszuräumen 33 • Eines zusätzlichen Verbots, die Reichweite oder den Inhalt der Vergünstigung zu überschreiten, bedarf es daher nicht mehr. Der eigentliche Aufhänger der inhaltlichen Beschränkung liegt mithin grundsätzlich jedenfalls in Fällen bei Genehmigungserteilung beigefügter Beschränkungen bei der von ihr vordergründig ausgehenden modifizierenden Wirkung und nicht bei der Verbotswirkung. Anders ist die Ausgangslage in der Tat dann, wenn die inhaltliche Beschränkung nicht als ursprünglicher Genehmigungszusatz, sondern- wie dies auch Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist- nachträglich angeordnet wird. In diesem Fall kann schon deshalb auf jene "Auflagenwirkung" nicht verzichtet werden, weil es der zusätzlichen Begründung eines gesonderten, selbständig vollstreckbaren Ge- oder Verbots bedarf, mit anderen Worten der eigenständigen Durchset'" Vgl. BT-Drs. 3.'759. S. 30. A.A. wohl Ossenbtihl. DVBI. 1980. 803, 806. So Elster. Begünstigende Verwaltungsakte mit Bedingungen, Einschränkungen und Autlagen, s. 54 ff., 66 tr 33 Vgl. Schachel. Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 66 ti; dens., Jura 1981,449,455. 31
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7 Gemmelee
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E. Voraussetzungen ftir die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
zung des durch die Beschränkung modifizierten Genehmigungsinhalts. Hier stellt sich mit Blick auf die Vorschrift des § 17 Abs. 1 S. 3 AtG vielmehr - erweiternd - die Frage, ob nicht der Begriff "Auflagen" im Sinne dieser Bestimmung auch Inhaltsbeschränkungen mit einschließt und nach richtigem Verständnis als "Anordnungen" gelesen werden muß, so wie sie auch im § 17 BlmSchG anzutreffen sind. Beschränkt man die nachträglichen "Auflagen" hingegen auf nachträgliche "Nebenbestimmungen" oder sogar auf "Auflagen" im engeren Sinne, wären nachträgliche Inhaltsbeschränkungen nur im Wege der Teilrücknahme oder des Teilwiderrufs der Genehmigung zulässig. Dafür ließe sich in der Tat anführen, daß § 17 Abs. 1 S. 3 AtG anstelle des Begriffs der nachträglichen "Anordnung" ausdrücklich nur den der nachträglichen "Auflage" kennt. Bei den offenkundig nicht sonderlich klaren Vorstellungen des Gesetzgebers zu den Anlässen und Zwecken nachträglich anzuordnender Auflagen34 kann dem Wortlaut des Gesetzes allerdings keine zu große Bedeutung beigemessen werden. Mehr als die grammatische Auslegung kann für jenes Ergebnis dann auch nicht angeführt werden. Schon die systematische Auslegung weist in eine andere Richtung. § 17 Abs. I S. 2 AtG, der als Nebenbestimmungen, die der ursprünglichen Genehmigung beigefügt werden können, neben der Auflage auch die inhaltliche Beschränkung ausdrücklich vorsieht, muß in unmittelbaren Zusammenhang mit der Bestimmung des § 17 Abs. I S. 3 AtG gestellt werden. Dann aber drängt sich die Frage auf, warum der Gesetzgeber die beiden Vorschriften nicht einander entsprechend ausgestaltet hat. Warum sollte zudem die atomrechtliche Genehmigung im nachhinein nicht mehr inhaltlich beschränkbar sein, während etwa die immissionsschutzrechtliche es gemäß § 17 BlmSchG35 ohne Frage ist? Dies läßt sich nicht allein mit Bestandsschutzgesichtspunkten erklären, solange jedenfalls die rechtlichen Grenzen zulässiger Modifikationen beachtet werden. In diesem Zusammenhang verfangt auch das Argument vom abschließenden Charakter der Aufzählung der nach dem Atomgesetz zulässigen Nebenbestimmungen nicht, da lnhaltsbeschränkungen, wie eingehend dargelegt, gerade nicht zu den Nebenbestimmungen des§ 36 VwVfG rechnen. Im Gegenteil spricht für die Anerkennung nachträglicher "inhaltlicher Beschränkungen" nach § 17 Abs. I S. 3 AtG, daß eine solche Einschränkung in gleicher Weise wie eine nachträgliche Auflage die abschließende Regelung der Genehmigung durchbricht. Hinzu kommt, daß die Grenze zwischen "Auflagen" und "lnhaltsbeschränkungen" in der Praxis nicht immer genau auszumachen sein wird. Es spricht aber viel dafür, daß es sich bei den als "nachträgliche Auflagen" Vgl. BT-Drs. 31759, S. 30. Vgl. hierzu Jarass, BlmSchG, § 17 Rdnm. 15 t:; Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 436. 34
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II. Begriff und Inhalt nachträglicher ,,Autlagen" i. S. von § 17 AtG
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verfugten Maßnahmen rechtstechnisch in Wirklichkeit - so wohl auch bei einem Teil der Nachrüstungsflille - vielfach gar nicht um "Auflagen" im engeren Sinne handelt. Es besteht darüber hinaus sogar eine erhebliche praktische Notwendigkeit, inhaltliche Beschränkungen als zulässige nachträgliche "Auflagen" im Sinne von § 17 Abs. I S. 3 AtG anzusehen. Gerade im Atomrecht als einem Bereich, in dem eine schnelle Umsetzung neuer Erkenntnisse der Sicherheitsforschung oder neuer technischer Möglichkeiten stets in besonderem Maße gefragt ist, ist es ein elementares Interesse der Behörde, über rechtliche Möglichkeiten zu verfUgen, mit denen sie die ursprüngliche Genehmigung nachträglich inhaltlich verändern kann 3('. Andernfalls würde der Anwendungsbereich des § 17 Abs. I S. 3 AtG über Gebühr eingeschränkt. Denn nachträgliche Inhaltsbeschränkungen könnten nur durch Rücknahme oder Widerruf der Genehmigung verbunden mit dem Neuerlaß einer inhaltlich geänderten Genehmigung erreicht werden. Ein solches Vorgehen wäre aber auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten mehr als bedenklich, da es den Setreiber nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Anforderungen, die an den Erlaß einer nachträglichen Auflage oder an ein neues Genehmigungsverfahren zu stellen wären, wesentlich stärker belastetn. Nicht zuletzt nach Sinn und Zweck des § 17 Abs. I S. 3 AtG erscheint es daher gar zwingend geboten, den Begriff der "nachträglichen Auflagen" im Sinne von "nachträglichen Anordnungen", d.h. nachträglichen Beschränkungen und Auflagen, auszulegen. Um eine nachträgliche inhaltliche Beschränkung in dem oben beschriebenen Sinne wird es sich beispielsweise handeln, wenn die Behörde im nachhinein eine Druckbegrenzungseinrichtung ftir den Sicherheitsbehälter verlangt, die eine zusätzliche, von der ursprünglichen Genehmigung nicht vorgesehene Schutzbarriere schafft.
(3) Inhaltsbestimmungen Die inhaltlichen Beschränkungen im vorstehend erörterten Sinne sind nicht mit den "lnhaltsbestimmungen" zu verwechseln, die diesen in ihrer Wirkung, den Inhalt der Erlaubnis auszugestalten, auf den ersten Blick deshalb ähneln, weil sich Konkretisierung und Einschränkung häufig kaum voneinander abgrenzen lassen. Die Schwierigkeiten gelten für die Unterscheidung zwischen Inhalts-
)(, So jedenfalls tllr die behördliche Änderung des Genehmigungsantrags bei Erlaubniserteilung: Mutschler. Nebenbestimmungen zur Atomanlagengenehmigung und die Zulässigkeil ihrer Verwendung zur Ausräumung von Versagungsgründen, S. 17. ; 7 Auf diesen Gesichtspunkt weist zutretlend Richter. Nachrüstung von Kernkraftwerken, S. 9, hin. 7•
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E. Voraussetzungen ftlr die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
bestimmungen und Auflagen im engeren Sinne in gleicher Weise. Zur Abgrenzung von Inhaltsbestimmungen und Auflagen bzw. von Inhaltsbestimmungen und Einschränkungen wird nach verbreiteter Ansicht bei der Abweichung von Antrag und Genehmigung angeset:zfK. Genehmigungsinhaltsbestimmungen zeichneten sich dadurch aus, daß sie dem - ausdrücklich oder konkludent erklärten - Willen des Antragstellers, wie er im formulierten Antrag zum Ausdruck komme, gerade nicht widersprächen 39, während die inhaltliche Ausgestaltung bei den inhaltlichen Beschränkungen und demnach auch bei den Auflagen im engeren Sinne in Abweichung vom Genehmigungsantrag erfolgte. Diese Auffassung übersieht, daß sich das Problem der Abgrenzung der beiden Regelungstypen unabhängig davon stellt, ob die Regelung auf Antrag des Adressaten oder von Amts wegen beigefugt worden ist. Bei der Inhaltsbestimmung geht es nur darum, den Genehmigungsgegenstand, also die erlaubte Handlung, festzulegen. Die Regelungsintensität der Entscheidung wird nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil ausgefullt, während es sich bei der Auflage oder inhaltlichen Beschränkung um die Begründung zusätzlicher Handlungs- und Unterlassungspflichten handelt, die zur Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen zu beachten sind und sich nur mittelbar auf Errichtung und Betrieb der Anlage beziehen40 • Auch bloße Inhaltsbestimmungen können selbstredend sowohl bei als auch nach Vornahme der erlaubten Handlung, d. h. nach Gebrauchmachen von der Genehmigung, beigefugt werden. Im letzten Fall spricht man von "nachträglichen Inhaltsbestimmungen". Um eine solche handelt es sich etwa, wenn die Behörde nachträglich die zulässigen Abgabewerte fur einzuleitendes Kühlwasser aus der Anlage näher spezifiziert. Wie schon bei der Abgrenzung Auflage - inhaltliche Beschränkung sind auch bei der Unterscheidung inhaltliche Beschränkung - Inhaltsbestimmung die Übergänge fließend. Da sich inhaltliche Beschränkung und Inhaltsbestimmung von ihrer Funktion her insoweit gleichen, als sie den Regelungsgegenstand im Sinne des Erlaubnisinhalts festschreiben, sind auch beide sachnotwendig von § 17 Abs. I S. 3 AtG erfaßt. Die am Ende des vorangehenden Gliederungspunktes gefundene Definition des Begriffs der "nachträglichen Auflagen" ist somit noch JK Vgl. die Nachweise bei Laubinger, WiVerw. 1982, 117, 133 f ; Rumpel, BayVBI. 1987. 577, 578; Kunert, UPR 1991,249, 252. 39 Rumpel, Nebenbestimmungen zu atomrechtlichen Teilentscheidungen unter besonderer Berücksichtigung der inhaltlichen Beschränkung nach§ 17 Abs. I Satz 2 des Atomgesetzes, S. 84.
40 Vgl. Elster. Begünstigende Verwaltungsakte mit Bedingungen, Einschränkungen und Auflagen, S. 232, 244, 298; Fluck, DVBI. 1992, 862, 863 f'[; anschaulich auch Hotfmann, DVBI. 1977, 514, der danach differenziert, ob sich die Wirkung eines Verwaltungsaktszusatzes vornehmlich in der Feststellung einer Genehmigungsvoraussetzung erschöpft oder aber der Gewährung "gewissennaßen ein Zusatz aufgepfropft wird".
II. Begriff und Inhalt nachträglicher "Auflagen" i. S. von § 17 AtG
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um ein zusätzliches Element zu erweitern und demnach als nachträgliche lnhaltsbestimmungen, Inhaltsbeschränkungen und Auflagen zu verstehen.
(4) Modifizierende Auflagen Die Rechtsfigur der sogenannten modifizierenden Auflage begründet nicht, wie die einfache Auflage, eine zusätzliche, den Hauptverwaltungsakt nicht berührende Leistungspflicht, sondern betrifft unmittelbar das zur Genehmigung anstehende Vorhaben selbst und hat deshalb im Hinblick auf diese Genehmigung eine modifizierende Funktion. Sie steht mit dem Gesamtinhalt eines Verwaltungsakts in einem untrennbaren Zusammenhang und schränkt insbesondere eine mit dem Verwaltungsakt ausgesprochene Rechtsgewährung inhaltlich ein oder ändert den Gegenstand des Hauptverwaltungsakts ab41 • Wenig Zuspruch gefunden hat die vereinzelt vertretene Ansicht, die die modifizierende Auflage als Bedingung qualifizie~2 • Diese Auffassung übersieht, daß die modifizierende Auflage nicht den Beginn oder das Ende der Rechtswirksamkeit des Verwaltungsakts, sondern dessen Inhalt betrifft. Darüber hinaus zeigt sich bei näherer Betrachtung der Begriffsdefinition, daß es sich in Wirklichkeit viel weniger um eine modifizierende Auflage als vielmehr um eine modifizierende Genehmigung handelt. Das Instrument der modifizierenden Auflage erweist sich im Grunde als überflüssig, da es lediglich die Umschreibung der teilweisen Ablehnung einer Begünstigung oder der Ablehnung, verbunden mit der Gewährung einer anderen Begünstigung, darstellt43 • Soweit bei einem Verwaltungsaktszusatz ersichtlich der Zweck der Kennzeichnung des Genehmigungsumfangs im Vordergrund steht, erscheint es für die Verwaltung zumindest nicht geboten, auf die äußere Form der Auflage zurückzugreifen. Denn die Grenze zwischen legalem und illegalem Verhalten wird dem Erlaubnisnehmer durch die Beifügung einer inhaltlichen Beschränkung viel deutlicher vor Augen geführt als durch die Beifügung einer bloßen Auflage. Wo es der Verwaltung bei der Beifügung eines Verwaltungsaktszusatzes vorrangig um die Bestimmung des Regelungsinhalts geht und damit die Auflagenwirkung ohnehin verzichtbar ist, sprechen Gründe der Bestimmtheit des Mittels und letztlich der
41 Siehe Weyreuther, DVBI. 1969, 232, 295, 296 f.; dens., DVBI. 1984. 365 tr; BVerwGE 36, 145, 154; BVerwG, DÖV 1974,380. 42 Siehe etwa Ehlers, VerwArch. 1976, 369, 375 tl; ähnlich Ronellentitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 371, der moditizierende Auflagen im Zusammenhang mit atonnrechtlichen Genehmigungsentscheidungen deshalb tlir äußerst bedenklich erachtet, weil solche moditizierenden Entscheidungen dem Muster des§ 150 S. 2 BGB tolgten. womit eine der Schwebelage bei einer Bedingung vergleichbare Rechtsunsicherheit entstehe, die der Gesetzgeber gerade habe venneiden wollen. 41 Woltl7Bachot: Verwaltungsrecht I, § 491. t); BayVGH, BayVBI. 1985, 149.
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E. Voraussetzungen für die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
Durchsichtigkeit des Verfahrens flir eine Abkehr vom Institut der modifizierenden Auflage44 . Die Beurteilungsgrundlage ist eine andere, wenn der Wille der Behörde dahin geht, eine vollstreckbare Verfugung des Regelungsgegenstandes des Genehmigungszusatzes zu erhalten. Hierfür kommt es entscheidend auf die zwangsweise Durchsetzbarkeil eines solchen Verwaltungsaktszusatzes an, wie sie gerade flir die Auflage im engeren Sinne kennzeichnend ist. Bei einer nachträglich die Genehmigung modifizierenden Beschränkung erweist sich die Frage, wie die Behörde die Einhaltung des zusätzlichen Ge- oder Verbots sicherstellt, als nicht problematisch. Denn mit der Bestimmung des § 17 Abs. I S. 3 AtG ist der Behörde ein eigenes Rechtsinstrument an die Hand gegeben, um die Inhaltsbeschränkung auch zwangsweise durchsetzen zu können. Inwieweit die Behörde demgegenüber die Einhaltung solcher Genehmigungszusätze verfahrensmäßig kontrolliert, die sie unmittelbar bei Genehmigungserteilung beifügt, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Demnach kann es auch dahinstehen, ob gerade diese Überlegung flir die Beibehaltung des Instituts der modifizierenden Auflage sprechen müßte, weil die Behörde sich möglicherweise auf diesem Wege am besten einen selbständig durchsetzbaren Anspruch verschaffen kann. cc) Grenzen zulässiger Modifikationen der Genehmigung durch nachträgliche Auflagen Die Ausweitung des § 17 Abs. I S. 3 AtG auch auf Inhaltsbeschränkungen wirft notwendig die Frage auf, inwieweit die ursprüngliche Genehmigung durch solcherart nachträgliche Anordnungen geändert werden darf. Wo die Grenze zulässiger Modifikationen jeweils zu ziehen ist, muß zwar der Ermittlung in jedem Einzelfall vorbehalten bleiben, so daß die Auflistung abstrakter Kriterien nur mit Einschränkungen erfolgen kann 4 ; . Im Grundsatz ist es jedoch als unzulässig anzusehen, wenn die Behörde mittels des rechtstechnischen Instrumentariums des § 17 Abs. I S. 3 AtG den Regelungsgegenstand der ursprünglichen Genehmigung grundlegend verändert. Bezogen auf das Atomrecht wird man daher ganz allgemein sagen können, daß die grundlegenden Auslegungsmerkmale der Anlage, wie insbesondere Standort, Typ oder Funktionsweise, nicht durch nachträgliche inhaltliche Beschränkungen unterlaufen werden dürfen 4" . Bei den bisher in der Diskussion befindlichen zusätzlichen Maßnahmen zur sicherheitstechnischen Verbesserung der Kernkraftwerke handelt es sich jedoch nicht um solche Modifi-
44
Ähnlich Rumpel. BayVBI. 1987, 577. 584.
Siehe Weyreuther, DVBI. 1969, 232.295,298 f .! Mutschler. Nebenbestimmungen zur Atomanlagengenehmigung und die Zulässigkeil ihrer Verwendung zur Ausräumung von Versagungsgriinden. S. 17 f. 45
II. Begriff und Inhalt nachträglicher "Auflagen" i. S. von § I 7 AtG
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kationen, durch die die grundlegenden Auslegungsmerkmale der Anlage verändert werden47 • Darüber hinaus ist bei der vorzunehmenden Grenzziehung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die mit der nachträglichen Auflage oder Anordnung verbundene Belastung für den Setreiber muß mit der mit der ursprünglichen Genehmigung gewährten Vergünstigung in einem angemessenen Verhältnis stehen, d.h., die Belastung durch die nachträgliche Maßnahme muß in ihrem Gewicht hinter der gewährten Vergünstigung zurückbleiben4 K. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Notkühlsysteme sind - wie andere Sicherheitssysteme auch - mit gewissen Ausfallwahrscheinlichkeiten behaftet. Deshalb werden sie redundant vorgesehen. Das Prinzip der Redundanz, d.h. der Mehrfachsicherung gegen die Folgewirkungen eines Versagensereignisses, findet auch in den Sicherheitskriterien für· Kemkraftwerke49 Berücksichtigung und ist damit bereits bei der Auslegung der Anlage mit dem Ziel der Störfallbeherrschung zu beachten. In der Bundesrepublik Deutschland wird filr bewegliche Sicherheitssysteme eine dreifache Redundanz gefordert, da verschärfend unterstellt wird, daß sich ein Teilsystem im Bedarfsfall in Reparatur befindet'0 • Würde die Behörde nun nachträglich eine noch größere Redundanz fordern, damit gegen den gleichzeitigen Ausfall mehrerer Notkühlsysteme Vorsorge getroffen ist, ist ein Punkt vorstellbar, an dem der Sicherheitsgewinn gegen Null geht und der Aufwand im Verhältnis zu dem erzielbaren Zuwachs an Sicherheit nicht mehr angemessen ist. Selbstverständlich darf auch von vomherein nur eine solche inhaltliche Beschränkung angeordnet werden, die das Risiko weiter als andere, weniger aufwendige Maßnahmen reduzieren kann. Sonst würde es bereits mangels Erforderlichkeit des Vorsorgemittels an der Verhältnismäßigkeit (i.w.S.) fehlen. Mit den beiden genannten Einschränkungen - Unveränderbarkeit der grundlegenden Auslegungsmerkmale und Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind daher nachträgliche Auflagen auch in Form von inhaltlichen Beschränkungen im Grundsatz zulässig. dd) Wahlfreiheit der Behörde? Weil nachträgliche Inhaltsbestimmungen und Inhaltsbeschränkungen auf der einen sowie nachträgliche Auflagen (im engeren Sinne) auf der anderen Seite insoweit das gleiche Ziel verfolgen, als sie die Einhaltung vornehmlich des
~ 7 Siehe auch Lukes, in: 8. AtRS 1989, S. 63, 77. Vgl. Weyreuther, DVBI. 1969, 232, 295, 298 f; Elster, Begünstigende Verwaltungsakte mit Bedingungen, Einschränkungen und Auflagen, S. 258 Fn. 52 m.w.Nachw. 4 " Vgl. Kriterium 1.1.2, BAnz. Nr. 206 vom 3.11.1977. 50 Nachweise bei Smidt, in: 6. AtRS 1979, S. 39, 42. 4K
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Schutzzwecks des § I Nr. 2 AtG sicherstellen wollen und zudem die Übergänge zwischen den einzelnen Rechtsinstituten fließend sein können, bleibt zu prüfen, ob und inwieweit die Behörde zwischen diesen Instituten möglicherweise frei wählen kann. Sofern eine nachträgliche Inhaltsbestimmung von vomherein nicht in Betracht kommt, da es der Behörde um die Begründung zusätzlicher Handlungs- und Unterlassungspflichten geht, die die Regelungsintensität der ursprünglichen Genehmigung beeinträchtigen, handelt die Behörde jedenfalls nicht materiell rechtswidrig, wenn sie die gesetzgeberische Wertung in der Weise umsetzt, daß sie ihren Bescheid allgemein auf § 17 Abs. I S. 3 AtG stützt, ohne nach der genauen Art der nachträglichen Anordnung - Inhaltsbeschränkung oder Auflage - zu differenzieren. Hingegen ist die Behörde in ihrer Wahl zwischen Inhaltsbeschränkungen und bloßen Inhaltsbestimmungen, auch wenn diese nachträglich ergehen, nicht frei. Denn bei Inhaltsbestimmungen geht es - anders als bei inhaltlichen Beschränkungen und Auflagen - nicht um die Begründung eines gesonderten, selbständig vollstreckbaren Ge- oder Verbots. Sie stellen mithin keine im Vergleich zur ursprünglichen Genehmigung neue Belastung dar. Somit gebietet schon der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß die Behörde - sofern nachträgliche Inhaltsbestimmung und Inhaltsbeschränkung in gleicher Weise geeignet sind, den angestrebten Zweck zu erreichen - mit der bloßen Inhaltsbestimmung das weniger belastende Mittel wählt. Mit der eingeschränkten Wahlfreiheit der Behörde geht auch eine entsprechende, aus dem rechtsstaatliehen Bestimmtheitsgebot abzuleitende Differenzierungspflicht einher", wonach die Behörde gehalten ist, im Anordnungsbescheid ausdrücklich zwischen nachträglicher Inhaltsbestimmung und Inhaltsbeschränkung zu unterscheiden. Bei den hier zu diskutierenden Maßnahmen zur nachträglichen Verbesserung des Sicherheitsstandards eines Kernkraftwerks dürfte es sich allerdings in der Mehrzahl der Fälle weniger um Inhaltsbestimmungen als vielmehr um Inhaltsbeschränkungen handeln, da regelmäßig die Regelungsintensität der ursprünglichen Genehmigungsentscheidung beeinträchtigt wird. 2. Grundsätzliches zum Inhalt
a) Nachträgliche sicherheitsrelevante Veränderungen Eine nachträgliche "Auflage" gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG wird - das haben die vorangehenden Ausführungen gezeigt - stets dann relevant, wenn dem Genehmigungsinhaber eine nach der Genehmigung nicht bestehende Pflicht aufer-
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Vgl. VGH Mannheim. NVwZ 1988, 382, 384; Rumpel, BayVBI. 1987. 577, 583.
II. Begriff und Inhalt nachträglicher "Autlagen" i. S. von § 17 AtG
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legt werden soll, um die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit gegenüber denjenigen von der kerntechnischen Anlage ausgehenden Gefahren und Risiken zu schützen, die sich erst später als solche herausstellen. Dies hatte auch der Gesetzgeber bei der Schaffung des Atomgesetzes im Jahre 1959 im Auge, als er den Genehmigungsbehörden ausdrücklich die Möglichkeit verschaffen wollte, "durch die fortschreitende Entwicklung der Wissenschaft und Technik gebotene Auflagen festzusetzen" 52 • Denn im technischen Sicherheitsrecht sind stets Ereignisse und Ereignisabläufe vorstellbar, die aufgrund fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Erfahrungen zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht berücksichtigt wurden und auch nicht berücksichtigt werden konnten.
b) Verhältnis von§ 17 Abs. 1 S. 3 zu§ 17 Abs. 1 S. 2 AtG Der mögliche Inhalt einer nachträglichen "Auflage" entspricht im Grundsatz dem einer ursprünglichen, parallelen "Auflage", wobei § 17 Abs. 1 S. 3 AtG für die nachträgliche "Auflage" allerdings zwei Einschränkungen macht: Im Unterschied zu der mit der Genehmigung selbst verbundenen "Auflage", die zur Erreichung aller in § I AtG genannten Zwecke zulässig ist, darf die nachträgliche "Auflage" nur zur Erreichung der in § I Nm. 2 und 3 AtG bezeichneten Sicherheitszwecke eingesetzt werden. Darüber hinaus muß sie zur Erreichung dieser Zwecke "erforderlich" sein. Anderenfalls bliebe unberücksichtigt, daß es einen Unterschied macht, ob die Schutzzwecke-bis zur Genehmigungserteilungdurch § 7 AtG oder - nach Abschluß des Genehmigungsverfahrens, d.h. ganz genau: nach Eintritt der Bestandskraft der Genehmigung - durch § I 7 AtG verwirklicht werden. Würde man nämlich die Formulierung des § 17 Abs. I S. 3 AtG "zur Erreichung der in § I Nm. 2 und 3 bezeichneten Zwecke" mit der Formulierung "nach dem Stand von Wissenschaft und Technik" gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG einfach gleichsetzen, blieben die Besonderheiten des § 17 Abs. I S. 3 AtG, das sind vor allen Dingen Umfang und Grenzen des Bestandsschutzes, außer Betracht, die hier neben den Grundsätzen, die bereits für das Genehmigungsverfahren maßgebend waren, zu berücksichtigen sind53 • Denn trotz der Diskrepanz zwischen der Statik einer Genehmigung auf der einen und der Dynamik der technischen Entwicklung auf der anderen Seite statuiert § I 7 Abs. I S. 3 AtG keine rechtsnormative Bindung an den jeweils neuesten Stand von Wissenschaft und Technik in der Weise, daß die Anlage unter Ausgrenzung jeg52
5'
Vgl. dazu die Begründung des Regierungsentwurfs aus dem Jahre 1958, BT-Drs. 3/759, S. 30.
Vgl. vor allem Richter, Nachrüstung von Kernkraftwerken, S. 20; Rengeling, DYBI. 1988, 257, 260; Schmitt. in: 8. AtRS 1989, S. 81, 88; weitergehend Schneider, in: Schneider/Steinberg, Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung, Bestandsschutz und staatlicher Aufsicht, S. 115, 125. der von der These ausgeht, daß die Sicherheit einer kerntechnischen Anlage nicht durch Bestandsschutzerwägungen in Frage gestellt werden dürfe.
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E. Voraussetzungen tllr die Anordnung nachträglicher ,.Auflagen"
licher Bestandsschutzerwägungen in einem jederzeit genehmigungsfahigen Zustand zu halten wäre. Der Faktor "Zeit" ist in die Entscheidung über nachträgliche "Auflagen" einzubeziehen.
c) Verhältnis von§ 17 Abs. I S. 3 zu§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG Auch die beiden Vorschriften der§§ 17 Abs. I S. 3 und 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG stehen keineswegs unverbunden und isoliert nebeneinander, sondern konkretisieren gleichermaßen die Schutzzwecke aus§ I Nm. 2 und 3 AtG. Zwischen § 17 AtG und § 7 AtG besteht insoweit eine - auch letztlich durch Art. 2 Abs. 2 S. I GG vermittelte - Zweck- und Zielidentität, d.h. ein enger systematischer Zusammenhang, der es grundsätzlich erlaubt, die Voraussetzungen des § 17 Abs. I S. 3 AtG parallel zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG zu bestimmen54• Somit sind die Voraussetzungen für nachträgliche "Auflagen" - grundsätzlich jedenfalls - an § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG auszurichten, mit der Folge, daß die Normstruktur dieser Vorschrift in gleicher Weise für Nachrüstungsmaßnahmen relevant wird. Die gewiß bedeutendere, weil unzweifelhaft jede Aufuahme einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit nach dem Atomgesetz bestimmende Schutzzweckbestimmung des § I Nr. 2 AtG wird durch § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, der zentralen Genehmigungsvorschrift für die Zulassung der Errichtung und des Betriebs kerntechnischer Anlagen, näher konkretisiert. Demzufolge können nachträgliche "Auflagen" nach § 17 Abs. I S. 3 AtG im wesentlichen, d.h. mit den erwähnten bestandsschutzrelevanten Einschränkungen, immer dann ergehen, wenn sich herausstellt, daß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht mehr gewährleistet ist. Damit sind als nächstes Inhalt und Reichweite der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Vorsorge gegen Schäden im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG näher zu beleuchten.
54 Siehe auch Richter, Nachrüstung von Kernkraftwerken. S. 20; Rengeling, DVBI. 1988. 257, 260; Lukes, in: 8. AtRS 1989. S. 63, 77; Schoch, DVBI. 1990. 549, 550; Sellner, in: Festschrift t1ir Sendler. S. 339.343 f: Papier, in Lukes (Hrsg.), Reformüberlegungen zum Atornrechts. S. II I. 186; Kuckuck. in: 6. AtRS 1979. S. 205. 211. der von einem .,Wirkungszusarnrnenspiel der§§ 7. I und 17 AtG" spricht. Einschränkend Ossenbühl, Bestandsschutz und Nachrüstung von Kernkraftwerken. S. 27 tr. der nicht davon ausgeht, daß das Atomgesetz den in § 7 Abs. 2 Nr. 3 allgemein t1ir das Genehmigungsverfahren jeweils vorgesehenen Sicherheitsstandard auch zum Maßstab 11ir nachträgliche ,.Auflagen" erhebt.
111. (Nachträglich) erforderliche atomrechtliche Schadensvorsorge
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111. (Nachträglich) erforderliche atomrechtliche Schadensvorsorge I. Die erforderliche Vorsorge gegen Schäden im Sinne von§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG
Neben der Rechtsprechung hat sich sowohl das rechtswissenschaftliche als auch das naturwissenschaftliche Schrifttum in der Vergangenheit an der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe jener Schlüsselnorm des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens versucht. Dabei ist die Zahl dieser Versuche nicht nur nicht mehr überschaubar, auch ist zwischenzeitlich in terminologischer Hinsicht ein regelrechtes Begriffswirrwarr entstanden, das nicht nur Ausdruck sprachlicher Vielfalt, sondern ebenfalls sachlicher Hilflosigkeit der Rechtswissenschaft gegenüber dem wissenschaftlich-technisch geprägten Entscheidungsprozeß zu sein scheint'5 . Eine verbindliche Festlegung des materiellen Inhalts des Begriffs der Schadensvorsorge ist aber nicht nur rechtsdogmatisch bedeutsam, sondern hat praktische Auswirkungen filr den Rechtsschutz Drittbetroffener, flir die Anwendung und den Umfang des behördlichen Versagungsermessens im Genehmigungsverfahren sowie nicht zuletzt flir den Umfang der gerichtlichen Kontrolldichte. Die vorliegende Arbeit verlangt nicht, den Stand der Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Literatur bis in alle Einzelheiten nachzuzeichnen. Es gilt allerdings darzulegen, welcher Auslegungstheorie in welcher Ausprägung der Vorzug gebührt, wobei insbesondere die Kategorie des sogenannten Restsrisikos einer kritischen Würdigung unterzogen werden soll. Das erfordert zunächst, jenes Begriffswirrwarr aufzulösen und die unterschiedlichen Interpretationsansätze im Groben herauszuarbeiten.
a) Das allgemeine Polizeirecht als Ausgangspunkt Ungeachtet aller divergierender Begriffsbildungen und Auslegungen besteht eine weitgehende Übereinstimmung dahingehend, daß die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "erforderlichen Schadensvorsorge" ihren Ausgangspunkt bei dem Gefahrenbegriff des Polizeirechts nimmt, und zwar unter Berücksichtigung seiner Ausformung im technischen Sicherheitsrecht, als dessen Teil das Atomrecht anerkannt ist. Zwar spricht das Gesetz in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG nur von "Vorsorge gegen Schäden". Jedoch sind in § I Nr. 2 AtG die "Gefahren" näher spezifiziert, gegen die Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen. Aus der Verknüpfung der beiden Vorschriften ergeben sich zum einen die in Betracht zu ziehenden Schutzgüter der Schadensvorsorge wie auch die Art
;; So anschaulich Ossenbühl, in: Blümei/Wagner (Hrsg.), Technische Risiken und Recht, S. 45.
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der zu berücksichtigenden Schäden: Leben, Gesundheit und Sachgüter sind vor den Gefahren der Kernenergie zu schützen. Nach der auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zurückgehenden klassischen polizeirechtlichen Definition des Gefahrenbegriffs56 bezeichnet "Gefahr" einen objektiv zu erwartenden Geschehensablauf, der - ungehindert - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit bzw. Ordnung herbeiführen würde57 • Demnach rechnen zur "Gefahrenabwehr" jene Maßnahmen, die geeignet und ausreichend sind, entweder im Wege einer präventiven Gefahrenabwehr einer erst künftig drohenden Gefahr oder im Wege einer repressiven Gefahrenabwehr einer gegenwärtigen Gefahr so zu begegnen, daß die "Gefahrenschwelle" nicht erreicht oder gar überschritten wird. Für die Beurteilung, ab wann der Eintritt eines Schadens "hinreichend" wahrscheinlich ist, ist die sogenannte "Je-desto-Formel" entwikkelt worden, die die beiden zentralen Elemente des Gefahrenbegriffs, den "Schaden" und seine "Eintrittswahrscheinlichkeit", in der Weise miteinander verknüpft, daß je höher der zu erwartende Schaden ist, umso geringer der Wahrscheinlichkeitsgrad für dessen Eintritt sein muß5x. Dabei ist zusätzlich nach Art und Anzahl der bedrohten Rechtsgüter zu differenzieren. b) § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG als Norm nur der Gefahrenabwehr Unter den Vertretern, die die tatbestandlieh gebotene Schadensvorsorge mit der Gefahrenabwehr im polizeirechtlichen Sinne gleichsetzen, herrscht insoweit Einigkeit, als der allgemeine polizeirechtliche Gefahrenbegriff fiir das technische Sicherheitsrecht, und damit auch für das Atomrecht, der Verfeinerung bedarf, um die aus einer technischen Anlage resultierenden Gefahrdungen zu erfassen;'~. Die Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens und das zu erwartende Schadensausmaß seien wegen der Kompliziertheit der Kausalzusammenhänge den Sachverständigen vorbehalten 60, während der herkömmlich bemühte Bestand an allgemeiner Lebenserfahrung als Grundlage für die hier vorzunehmende Prognoseentscheidung nicht ausreiche.
;c.
Vgl. nur PrOVGE 77, 333, 338.
57
Statt vieler Drews/WackeNogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 220.
;x Zur Anwendbarkeit dieser- mathematisch betrachtet- "Produktformel" im Polizeirecht wie vor allem im technischen Sicherheitsrecht vgl. Martens, DVBI. 1981, 597, 599; Hansmann, DVBI. 1981. 898, 899; sowie Nell, Wahrscheinlichkeitsurteile in juristischen Entscheidungen, S. 164.
;y Vgl. hierzu Plischka, Technisches Sicherheitsrecht, S. I 05 f; Rehbinder. BB 1976, I; Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, S. 25; Breuer, DVBI. 1978, 829, 833; Bender, NJW 1979, 1425, 1426; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsvertatuen, S. 246. 60 Murswiek, in: Kimminich/von Lersner/Storm, Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. I. Sp. 616.
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Aufgrund vieler offener Fragen in der Wirkungsforschung seien konkrete Angaben zur Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und damit fundierte Gefahrenprognosen häufig unmöglich. Im Atomrecht bestehe vor allem Ungewißheit über die Wirkung geringer Strahlendosen. Es sei bisher nicht bekannt, ob bzw. von welcher Dosis an ionisierende Strahlen bei Einwirkung auf den Menschen Krebs erregen oder genetische Veränderungen bewirken(' 1• Die Quantifizierung der Gefahr kleinster Strahlendosen beruhe also letztlich auf einer hypothetischen Annahme, worin keine Schadenswahrscheinlichkeit im Sinne des juristischen Gefahrenbegriffs, sondern lediglich im Sinne eines Gefahrenverdachts gesehen werden könnet'l. Eine weitere Besonderheit des Atomrechts gegenüber dem allgemeinen Polizeirecht bestehe im Hinblick auf die Höhe des Schadensausmaßes, die unterschiedliche Anforderungen an den maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsgrad und damit auch unterschiedliche Sicherheitsanforderungen bedinge, ohne daß dieses quantitative Element auf einen im Vergleich zum Polizeirecht verschiedenen Gefahrenbegriff zurückgeführt wird('3 • aa) Ausweitung des herkömmlichen Gefahrenbegriffs Die erforderliche Anpassung des allgemeinen polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs an die nuklearspezifischen Besonderheiten geht dahin, daß im technischen Sicherheitsrecht der Gefahrenbegriff keine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse verlange, vielmehr bereits der hinreichend begründete Gefahrenverdacht als Gefahr zu qualifizieren sei und mithin Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gestatte64 • Auch im allgemeinen Polizeirecht wird teilweise die Ansicht vertreten, daß in den Fällen, in denen sich durch vorläufige Maßnahmen der Verdacht einer Gefahr weder bestätigen noch entkräften lasse, ausnahmsweise auch endgültige Maßnahmen zulässig seien, wenn beson-
61 Vgl. Barthelmeß, in: 4. AtRS 1976. S. 309 tl; Manstein, in: 4. AtRS 1976, S. 301 fl; Rausch. in: 4. AtRS 1976, S. 277,279 fl; Trott, atw 1978,513, 516.
62
So BVerwG, NJW 1981, 1393, 1395.
Vgl. aus der Rechtsprechung: OVG NW, et 1975, 229; VG Freiburg, DVBI. 1976, 804; VG Würzburg, et 1976, 245; VG Karlsruhe, et 1978, 609; VG Hannover, DVBI. 1978, 75; sowie aus der Literatur: Albers, DVBI. 1978, 22, 24; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 187; Ossenbühl, in: BIOmelfWagner (Hrsg.), Technische Risiken und Recht, S. 45, 46; dens., NVwZ 1986, 161, 163, 168; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsvertilhren, S. 232, 235 ff. ; Schmidt, KJ 1986, 470, 475 f.; Wagner, NJW 1980, 665, 668; dens., DÖV 1980,269,273 f 63
64 Siehe Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 181 ; Wagner, NJW 1980, 665, 668 fi ; dens., DÖV 1980, 269, 273 tT.; vgl. auch Martens, DVBI. 1981 , 597, 599; dens., DÖV 1982, 89. 93; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 232. 235 fi ; dens., DVBI. 1989, 851, 858 f.
II 0
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ders wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit auf dem· Spiele stünden";. Insofern sei gerade im Atomrecht ein eigenständiger Vorsorgegrundsatz weder begründbar noch erforderlich. Die notwendige Vorverlagerung der Risikogrenze könne - wie beschrieben - unter Zugrundelegung eines verfeinerten Gefahrenbegriffs erfolgen, der in Verbindung mit der"Je-desto-Formel" die Möglichkeit biete, ftir die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung über den Erkenntnisstand hinaus auch theoretische und hypothetische Annahmen zu berücksichtigen. bb) Kritik Gegen den Versuch, den allgemeinen Gefahrenbegriff um der dogmatischen Begrifflichkeit willen auf die besonderen Risikolagen in Teilbereichen des Rechts der technischen Sicherheit auszudehnen und damit gegen eine Beurteilung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG nach der Gefahrentheorie spricht jedoch entscheidend, daß sie zwangsläufig den durch jahrzehntelange Rechtsprechung geprägten, tatbestandlieh typisierten Gefahrenbegriff in eine offene Wertungsformel auflösen würde, was seine Anwendung im herkömmlichen Sicherheitsrecht außerordentlich erschwert66 • Es ist zudem weder sprachlich noch sachlich sinnvoll, den Gefahrenverdacht dem polizeirechtlichen Gefahrenbegriff gleichzustellen. An dem Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist festzuhalten. Könnten nämlich allein schon der Rang des betroffenen Schutzgutes und der befürchtete Schadensumfang selbst bei völlig unsicherer Beurteilungsgrundlage und spekulativer Bewertung die Annahme einer Gefahr begründen, würde- weil die Anforderung an die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts so weit herabgesetzt würde - dieses Merkmal der hinreichenden Wahrscheinlichkeit bedeutungslos67• Der polizeirechtliche Gefahrenbegriff verlangt sowohl hinsichtlich der zur Tatsachenfeststellung maßgeblichen Erfahrungssätze als auch hinsichtlich der Erfahrungssätze über die generelle Kausalität eine Beurteilung auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse oder, mit anderen Worten, eine unanfechtbare Aussage über die Gefährlichkeit6 x. Der Verdacht einer Gefahr ist eben keine Gefahr im engeren Sinne. Abgesehen davon ist es im rechtswissenschaftliehen Schrifttum auch keinesfalls unumstritten, ob der bloße Gefahrenverdacht
6 ; Vgl. unter Betonung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit BVerwGE 12. 87. 93 fl.; 39. 190. 195 ff: sowie Drews/WackeNogei/Martens. Gefahrenabwehr. S. 227 und Schumann. Grundriß des Polizei- und Ordnungsrechts. S. 33. M So Oberzeugend Marburger. Atomrechtliche Schadensvorsorge. S. 70 Fn. 245; Hotinann. Rechtstragen der atomaren Entsorgung, S. 344 tr
Siehe Rid/Hammann, UPR 1990, 281,284. Hanning!Schmieder, DB 1977, Beilage Nr. 14, I, 5; a.A. Hansen-Dix. Die Getahr im Polizeirecht. im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 76. 67 6K
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III
die Anordnung endgültiger Schutzmaßnahmen legitimieren kann''9 • Demnach erscheint es sachgerechter, den besonderen Problemen der technischen Sicherheit im Atomrecht durch die Anerkennung eines eigenständigen Vorsorgeprinzips zu begegnen. Darüber hinaus sind durch die Ausdehnung der herkömmlichen Gefahrenabwehr auf den hinreichend begründeten Gefahrenverdacht die spezifischen Probleme der atomrechtlichen Anlagengenehmigung nur zum Teil auflösbar. Denn dem Gefahrenverdacht ließe sich zwar die ungeklärte Dosis-WirkungsBeziehung kleiner und kleinster Strahlendosen, nicht dagegen die beim Störfallund Unfallrisiko auftretende Problematik der rechtlichen Behandlung extrem geringer Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen 70 .
c) Verständnis des§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG in der Genehmigungspraxis aa) Argumente flir die sogenannte Drei-Stufen-Theorie Jedenfalls bis zum Wyhi-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1985 71 ist die Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG von der Staatspraxis, aber auch von einem Teil der Rechtsprechung72 und Literatur73 dreistufig interpretiert worden: Ausgehend von dem vorstehend beschriebenen erweiterten Gefahrenbegriff verberge sich hinter der Tatbestandsvoraussetzung "Vorsorge gegen Schäden" nichts anderes als der das technische Sicherheitsrecht prägende Grundsatz der Gefahrenabwehr. Das Statut des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG sei eine reine Gefahrenabwehmorm, die Subsumtion eines Sachverhalts unter die Genehmigungsvoraussetzungen richte sich deshalb grundsätzlich nach reinen allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätzen, wobei Maßstab der Beurteilung der Stand von Wissenschaft und Technik sei. In diesem Bereich seien, da der Schutzzweck des
''" Vgl. die Darstellung bei Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht. im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 61 fl m.zahlr.w.Nachw. 70 So auch Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge. S. 64. 71 BVerwGE 72, 300. 72 Vgl. VGH Baden-Württemberg, ESVGH 32, 161, 162 (LS 21); OVG Lüneburg, UPR 1983, 166 f.; VG Würzburg, NJW 1977, 1650. 73
Vgl. Hohlefelder, et 1983, 392, 394; dens .. et 1985, 709, 710; Bochmann, atw 1983, 366, 368
f.; Hanning!Schmieder, DB 1977, Beilage Nr. 14, I, 9 ff; Lukes/Backherms. AöR 103 (1978), 334, 335 f.; Ossenbühl. DÖV 1982, 833; Schanke, in: Roßnagel (Hrsg.), Recht und Technik im Spannungsfeld der Kemenergiekontroverse. S. 101 , 105 tf.; dens., et 1982, 1083, 1087; Winters, DÖV 1978, 265, 271; Kutscheidt. in: 6. AtRS 1979, S. 71, 73; Hawickhorst. et 1983, 844; Sellner, in: Hosemann (Hrsg.), Risiko- Schnittstelle zwischen Recht und Technik, S. 183, 203; Weber. Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, S. 94 ff.; Haedrich, Atomgesetz, § 7 Rdnr. 106.
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E. Voraussetzungen flir die Anordnung nachträglicher .,Auflagen"
Atomgesetzes absoluten Vorrang vor dem Förderungszweck habe, Schäden an Leben, Gesundheit und Sachgütem kategorisch auszuschließen. Auf der zweiten Stufe könne im Rahmen des gemäß § 7 Abs. 2 AtG eröffneten Versagungsermessens die Genehmigungsbehörde Gefahrenvorsorgemaßnahmen treffen. Hier gehe es darum, jenseits der Schwelle der ersten Ebene bestimmte Risikopotentiale trotz deren geringer Auftrittshäufigkeit nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit noch weiter zu verringern. Der dritte Bereich schließlich bilde den Bereich, in dem das filr die konkrete Anlage zu bestimmende Restrisiko hingenommen werden könne und nach Genehmigung einer Anlage auch tatsächlich hingenommen werde. Diese dritte Ebene sei das Ergebnis unzureichender Erfahrungen oder anderer menschlicher Erkenntnisgrenzen, welche als unentrinnbar im Bereich des allgemeinen Lebensrisikos lägen und insofern als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen seien. Weitergehende Maßnahmen der Restrisikoreduzierung werden nach dieser Auffassung nicht flir erforderlich gehalten. Zur Begründung verweisen die Vertreter der Drei-Stufen-Theorie zunächst auf den Wortlaut des Gesetzes, wonach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG keine ausdrückliche Regelung einer von der Gefahr verschiedenen Vorsorge74 enthalte. Die Bedeutungskomponente der Fürsorge oder Vorsorge sei immer im polizeirechtlichen Gefahrenbegriff enthalten gewesen 75 • Die Begriffe "Gefahr" und "Schaden" gehörten zusammen. Dies müsse flir das technische Sicherheitsrecht genauso gelten wie im Polizeirecht mit der Folge, daß die "Vorsorge gegen Schäden" nicht der Oberbegriff flir die gesamte Risikobetrachtung sein könne. Ferner spreche die systematische Auslegung fiir dieses Ergebnis, denn die Verwendung der Begriffe "Vorsorge" bzw. "Vorsorgemaßnahmen" in § 12 Abs. I Nm. 1 und 2 AtG bezögen sich allgemein auf die Verhinderung von Schäden und damit in erster Linie auf die präventive Gefahrenabwehr76 • Die Rechtsverordnungen nach § 12 AtG beträfen lediglich die Ausflillung der gesetzlich vorgeschriebenen Kategorien durch Konkretisierung im Hinblick auf bestimmte Maßnahmen, ohne die qualitativen gesetzlichen Abgrenzungen in § 7 AtG zu verschieben. Das Strahlenminimierungsgebot des § 28 Abs. I StriSchV könne den
74 Dieser Begriff ist dem der "gefahrenunabhängigen" Risikovorsorge vorzuziehen, da angesichts der gleichen Beurteilungskomponenten (Wahrscheinlichkeit und Schaden) eine Unabhängigkeit nicht anzunehmen ist (so auch Lukes. in: 8. AtRS 1989, S. 63, 66 f.).
75
Ronellenfitsch, DVBI. 1989, 851 , 858 f.
Vgl. Hanning/Schmieder, DB 1977, Beilage Nr. 14, I, 7; Lukes/Backherms, AöR 103 (1978), 334, 335; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht. im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 81 f. , 218. 76
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113
Genehmigungstatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG nicht um ein zusätzliches, von der Gefahr verschiedenes Vorsorgegebot erweitem 77 • Auch die Entstehungsgeschichte wird gegen den Vorsorgecharakter der Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG angeftihrt, denn der Atomgesetzgeber des Jahres 1959 habe eine Parallelregelung zu § 16 Gewü a.F. schaffen wollen, dem der Vorsorgegedanke fremd gewesen sei 7K. Demzufolge sprächen die Gesetzesmaterialien7" im Zusammenhang mit der Schadensvorsorge nur von der "Abstellung von Gefahren". Aus diesem Grunde sei auch der Rückschluß vom jüngeren Bundes-lmmissionsschutzgesetz, das in § 5 Abs. I Nr. 2 die Risikovorsorge unterhalb der Gefahrenschwelle als Genehmigungsvoraussetzung begründet, auf das 15 Jahre früher entstandene Atomgesetz unzulässig. Insoweit verliere der Einwand an Gewicht, die atomrechtliche Vorsorge dürfe nicht hinter dem im Bundes-Immissionsschutzrecht festgelegten Standard zurückbleibenK0 • Zudem sei der Charakter des immissionsschutzrechtlichen Vorsorgegebots umstrittenK 1 und noch dazu die Differenzierung zwischen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge bereits im Immissionsschutzrecht unergiebig, weil sowohl die Gefahr als auch das Risiko von den gleichen Komponenten, der Eintrittswahrscheinlichkeit und dem Schadensausmaß, bestimmt würden. Auf das Atomrecht übertragen bedeute dies, daß die lediglich graduelle Unterscheidung zwischen Gefahr und Risiko auch hier nicht zur Konkretisierung beitragen könneK2• Der Gefahrenbegriff des Atomrechts sei ferner von Anfang an durch seinen extrem geringen Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens gekennzeichnet gewesen. Diese ausgesprochen hohen Anforderungen ließen ftir eine
77
103. 7K
So i.E. Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 65; Haedrich, Atomgesetz, § 7 Rdnr. Hanning/Schmieder, DB 1977. Beilage Nr. 14, I, 6 f.
BT-Drs. 3/759, S. 23. Vgl. Hanning!Schmieder, DB 1977. Beilage Nr. 14. I, 7 L Lukes/Backherrns, AöR 103 (1978), 334, 335; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 218 f. ; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 236; Haedrich. Atomgesetz, § 7 Rdnr. I 06. Kl Teils wird ihm lediglich eine Planungs- und Verteilungsfunktion zur Sicherung von Freiräumen zugemessen, vgl. etwa Feldhaus, DVBI. 1980, 133; dens., DVBI. 1981, 165, 170; Soell, ZRP 1980, 105. 106; teils wird es als Gebot einer gefahrenunabhängigen Risikovorsorge interpretiert, vgl. z.B. Papier, DVBI. 1979. 162; Breuer, in: VEnergR 50 (1982), 37. 54 ff.; Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge, S. 36 tl, 53 tl, 71; dens., DVBI. 1982, 622, 624 f. ; vgl. auch Haedrich, Atomgesetz, § 7 Rdnr. 106 sowie Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 65 f. jeweils m.w.Nachw. Kl Vgl. Lukes. in: ders. (Hrsg.), Gefahrenund Gefahrenbeurteilungen im Recht, Teil I, S. 17, 34ft: 79
KO
8 Gemmel Vgl. Anlage zu BT-Drs. 3/1412. 90 Zweitelnd auch Mayinger, Restrisiko bei Versuchsanlagen und Prototypen im Kernenergierecht, S. 56 tl " 1 Vgl. Hohletelder, et 1983,392,394: Bochmann, atw 1983,366,368.
116
E. Voraussetzungen filr die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
hinterfragt und mit Recht bemängelt worden92 • Denn zumindest die Gesichtspunkte der Geeignetheit und der Erforderlichkeit einzelner sicherheitstechnischer Anforderungen müßten auch hier Berücksichtigung finden.
d) Einheitliche Schadensvorsorge aa) Begründung eines weiten Vorsorgebegriffs Ausgehend von der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts93 will eine Mindermeinung in der Literatur94 die Bereiche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge unter dem einheitlichen Begriff der Schadensvorsorge zusammenfassen, so daß eine Aufspaltung in jene beiden Bereiche mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen von der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG nicht mehr gedeckt sei. Dabei wird die Formel von der "bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge"95 wörtlich genommen und beide Aufgabenbereiche prinzipiell gleichgesetzt, womit zwischen beiden kein qualitativer Unterschied für das Verwaltungshandeln bestehe. Vielmehr müßten Gefahren und Risiken praktisch ausgeschlossen sein. Dabei verpflichteten selbst über die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens hinausreichende Zweifel am Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Schadensverläufe noch zu Maßnahmen im Rahmen der "erforderlichen Schadensvorsorge". Insoweit gehe das Bundesverwaltungsgericht im Wyhl-Urteil96 noch einen Schritt weiter als das Bundesverfassungsgericht im Kalkar-Beschluß97 , das Vorkehrungen gegen eventuelle Schäden bis an die Schwelle der "praktischen Vernunft" verlange, die ausdrücklich gleichgesetzt werde mit den "Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens". Zum Bereich des sogenannten Restrisikos gehörten deshalb nur solche Schadensereignisse, die mit den beschränkten Mitteln des vorhandenen wissenschaftlichen und technischen Erfahrungswissens als solche weder bereits erkannt worden noch erkennbar und vorhersehbar seien und daher aus der Sicht "praktischer Vernunft" geradezu schicksalhaften Charakter
92
Siehe Haedrich, Atomgesetz, § 7 Rdnr. 102.
93
BVerwGE 72, 300; 78, 177; 80, 207; 81, 185; NVwZ 1989, 1169.
Vgl. Steinberg, in: Schneider/Steinberg, Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung, Bestandsschutz und staatlicher Aufsicht, S. 9, 27 ff.; Schneider, ebenda, S. 115, 141 ff.; dens., in: 9. AtRS 1991 , S. 239,245, 250; dens., in: Steinberg (Hrsg.), Reform des Atomrechts, S. 108, 109; Wieland, ebenda, S. 34, 39 t: 94
95 96
97
So bereits BVertGE 49, 89, 143; 53, 30, 58 f. BVerwGE 72. 300, 315. BVerfGE 49, 89, 143.
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trügen, nicht aber solche Ereignisse, deren Eintritt nur extrem unwahrscheinlich sei. Die Vertreter des einheitlichen Schadensvorsorgebegriffs rechnen auch solche Ereignisse zur Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, deren Eintrittswahrscheinlichkeitzwar extrem gering ist, die aber zu einem enormen Schadensausmaß fiihren würden. Da das Atomgesetz nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts~K jenseits der Grenzen menschlicher Erkenntnis zwar ein Restrisiko, keinesfalls aber einen Restschaden hinnehme, sei das Vorsorgegebot des Atomgesetzes nur erfüllt, wenn kein Ereignis von vomherein unberücksichtigt bleibe, das geeignet sei, einen Schaden herbeizuführen~9 • Für das Versagungsermessen des§ 7 Abs. 2 AtG fiihrt der einheitliche Vorsorgebegriff des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG dazu, daß anlagenbezogene sicherheitstechnische Fragen im Ermessensbereich keine Rolle mehr spielen. Zur Begründung wird auch das Wyhi-Urteil des BundesverwaltungsgerichtsHMI herangezogen, wonach Gefahren und Risiken "praktisch ausgeschlossen" sein müssen, wenn die erforderliche Vorsorge im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG getroffen sein soll. In der Forderung nach dem praktischen Ausschluß nicht nur von Schäden und Gefahren, sondern (ganz allgemein) von Risiken seien außerordentlich hohe rechtliche Anforderungen an den Sicherheitsstandard formuliert 1111 • Das Prinzip der "dynamischen Schadensvorsorge" bedeute nach alledem auch fiir sogenannte "Aitanlagen", daß - weil jene nur in einem jederzeit nach dem jeweiligen "Stand von Wissenschaft und Technik" genehmigungsfähigen Zustand betrieben werden dürften - bei Abweichungen des Ist-Zustandes von den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachrüstungsmaßnahmen zwingend geboten seien, sofern sie "nicht völlig außer Verhältnis" 102 zu den mit der Altanlage verbundenen (erhöhten) Risiken stünden. Die Aufgabe der Schadensvorsorge verlange mit anderen Worten auch nachträgliche Vorkehrungen gegen alle Schäden, die nach menschlichem Ermessen, d.h., soweit das wissenschaftliche und technische Erkenntnisvermögen reicht, durch den Betrieb oder aufgrund des Betriebs einer kerntechnischen Anlage eintreten könnten.
9K
BVertGE 49, 89, 137.
"'' So auch VG Düsseldort: UPR 1985, 71,72 (LS 13); i.E. ähnlich OVG Lüneburg, et 1982, 949, 956. 100
BVerwGE 72, 300, 316.
Siehe Albers, in: Festschrift tllr Simon, S. 519,536. 102 Schneider, in: Schneider/Steinberg, Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung, Bestandsschutz und staatlicher Aufsicht, S. 115, 143; ders., in: 9. AIRS 1991, S. 239, 250; ders., in: Steinberg (Hrsg.), Retorm des Atomrechts, S. 108, 114. 101
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bb) Kritik Die vorstehende Auffassung übersieht, daß das Atomgesetz sowohl Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (§§ 17 Abs. 5, 19 Abs. 3 S. I AtG) als auch zur Schadensvorsorge vorsieht, was nur sinnvoll ist, wenn der außerhalb der eigentlichen Gefahrenabwehr liegende Bereich der Risikovorsorge noch zur Schadensvorsorge gehört und sich dementsprechend auch qualitativ von der Gefahrenabwehr abgrenztl 03 • Überdies bleibt unberücksichtigt, daß sich die kategoriale Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr auf der einen und Risikovorsorge auf der anderen Seite im gesamten Umwelt- und technischen Sicherheitsrecht wiederfindet. Zwar erscheint die Ableitung eines einheitlichen Schadensvorsorgebegriffs aus dem Wyhi-Urteil zunächst insoweit nicht als unzulässige Schlußfolgerung, als das Urteil jedenfalls keine eindeutige Aussage dergestalt enthält, daß die Schadensvorsorge zwei Aspekte umfasse, nämlich Gefahrenabwehr und Risikovorsorge104. Jedoch hat das Bundesverwaltungsgericht zu der entscheidenden Frage, bis zu welchem Punkt der Ungewißheit bzw. bis zu welchem denkbaren Wahrscheinlichkeitsgrad Vorsorge zu treffen ist, nicht unmittelbar Stellung bezogen. Hieraus läßt sich nach zutreffender Auffassung mithin lediglich der Schluß ziehen, daß das Bundesverwaltungsgericht allein auf der Ebene der Kausalität durch die Einbeziehung des Gefahrenverdachts bzw. des Besorgnispotentials -, nicht aber bei der erforderlichen Eintrittswahrscheinlichkeit eine Erweiterung des herkömmlichen Gefahrenbegriffs vorgenommen hat. Die Auslegung des Schadensvorsorgebegriffs durch das Bundesverwaltungsgericht führt daher lediglich zu einer modifizierten begrifflichen Abgrenzung, nicht jedoch zu neuen Anforderungen an die Genehmigungsfähigkeit von Kernenergieanlagen gegenüber der bisherigen Auffassung 10;. Insoweit trifft auch die Annahme nicht zu, das Wyhi-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts enthalte im Verhältnis zur Kalkar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch weitergehende Andeutungen im Hinblick auf einen zweigliedrigen Ansatz der atomrechtlichen Schadensvorsorge. Besorgnispotentiale, also bloße Zweifel am Eintritt bestimmter Schadensereignisse, stehen vor der Nichtkenntnis etwaiger Kausalverläufe. Über die Grenzen menschlicher Erkenntnis hinausreichende Zweifel können daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr zu Maßnahmen im Rahmen der erforderlichen Schadensvorsorge verpflichten. Auch bleibt in der Sache unklar, mit welchen Mitteln ein erhebli-
101
Ebenso Steinkemper. 9. AIRS 1991 , S. 255, 256.
111;
In diesem Sinne auch Sellner, NVwZ 1986,616,617.
104Vgl. Rengeling, DVBI. 1988,257,259: Steinkemper, 9. AtRS
1991. S. 255. 256.
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119
ches Schadensausmaß erkannt und eingestuft werden soll, ohne lediglich im Bereich des Spekulativen zu verbleiben. Schließlich begegnet die uneingeschränkte Anwendung des einheitlichen Schadensvorsorgebegriffs erheblichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Nachrüstung von Altanlagen. Sie führt unweigerlich dazu, daß Bestandsschutzaspekte bei der Auslegung und Anwendung der Eingriffsermächtigungsnorm des § 17 Abs. I S. 3 AtG für nachträgliche "Auflagen" von vomherein nicht angemessen berücksichtigt werden.
e) Schadensvorsorge als Gefahrenabwehr und Risikovorsorge aa) Entwicklung bis zum Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Schon bevor das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1985 seine bedeutsamen Feststellungen zur Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG getroffen hatte, gab es Ansätze in Rechtsprechung und Literatur, die auf die Anerkennung einer tatbestandlichen, von der Gefahr im polizeirechtlichen Sinne verschiedenen Risikovorsorge und eine Beschränkung des behördlichen Versagungsermessens auf das Restrisiko hinweisen. Den Grundstein flir diese Interpretation der Genehmigungsvorschrift hat ohne jeden Zweifel das Bundesverfassungsgericht in dem schon mehrfach zitierten Kalkar-Beschluß 1116 gelegt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Präzisierung der Begriffe Gefahrenabwehr und Schadensvorsorge ausdrücklich abgelehnt107 und damit die Frage nach der dogmatischen Struktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, d.h., ob diese Bestimmung ein tatbestandliches Vorsorgegebot enthält, nicht beantwortet. Jedoch sah das Gericht hierin die "Grundsätze der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge" verankert, womit zunächst festgestellt war, daß nicht nur Gefahrenabwehr, sondern auch Risikovorsorge vom Gesetz verlangt wird. Bis zum Ende der 70er Jahre überwog in der Rechtsprechung überhaupt die Auffassung, daß schon nach der Genehmigungsvoraussetzung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG über die Pflicht zur Gefahrenabwehr hinaus Risikovorsorgemaßnahmen zu treffen seien, die unter den Vorbehalt der technischen Realisierbarkeit und der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Sicherheitsgewinn gestellt wurden10x. Zur Begründung wurde mittels einer in gewisser Weise an die Struktur des § 5 BlmSchG angenäherten Sichtweise auf den Stellenwert des Vorsorgebe106
BVerfGE 49, 89.
107 BVertGE 49, 89, 138, 140. Jox Siehe VG Freiburg, NJW 1977, 1645, 1646; OVG Lüneburg, DVBI. 1977, 340. 341, 343 f; DVBI. 1978, 67, 69; DVBI. 1979, 686; DVBI. 1979, 693, 694; BayVGH, DVBI. 1979. 673, 674 tl; VG Oldenburg, et 1979, 652, 654.
120
E. Voraussetzungen für die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
griffs im modernen Umweltrecht verwiesen 10". Auch Teile der Literatur sprachen sich bereits zu dieser Zeit für die Annahme eines tatbestandliehen Gebots einer von der Gefahr verschiedenen Risikovorsorge vor allem in den Bereichen des Gefahrenverdachts und der (sehr) geringen Eintrittswahrscheinlichkeit aus, ohne daß zwischen beiden Bereichen ein echter "qualitativer Sprung" bestehe 110 • Das Risikovorsorgegebot sei mithin auf die Fälle beschränkt, in denen - unter anderem wegen der Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens auf der einen und des außergewöhnlich großen Gefahrdungspotentials kerntechnischer Anlagen auf der anderen Seite - die Möglichkeit eines zu einem Schaden führenden Kausalzusammenhangs nicht ausgeschlossen werden könne. Es stehe unter dem Vorbehalt technischer Realisierbarkeit und der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Sicherheitsgewinn 111 • bb) Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Auch wenn selbst das Wyhl-Urteil 112 eine eindeutige Aussage dergestalt, daß die Schadensvorsorge zwei Ebenen, nämlich die Gefahrenabwehr und die Risikovorsorge, umfasse, ebenfalls noch nicht enthält, hat das Urteil nach der erwähnten Grundsteinlegung durch das Bundesverfassungsgericht der Anerkennung eines von der Gefahrenabwehr verschiedenen Vorsorgebereichs aberjedenfalls zum Durchbruch verholfen. Hiernach sei es mit Blick auf den Schutzzweck des § I Nr. 2 AtG nicht erlaubt, exakt bis an die Gefahrengrenze zu gehen, d.h., der Begriff "Vorsorge gegen Schäden" in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG sei entsprechend weit auszulegen. Auch solche Schadensmöglichkeiten seien in Betracht zu ziehen, die sich lediglich wegen des unzureichenden Wissensstandes über bestimmte Ursachenzusammenhänge nicht ausschließen ließen, und bei denen nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential bestehe. "Vorsorge" bedeutet nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts weiterhin, daß bei der Beurteilung von Schadenswahrscheinlichkeiten nicht allein auf das vorhandene ingenieurmäßige Erfahrungswissen zurückgegriffen werden dürfe, sondern Schutzmaß1"'' 11
Vgl. nur OVG Lüneburg. DVBI. 1977. 340. 341.
°Kuckuck, in: 6. AtRS 1979. S. 205. 215 f.
111 Insbesondere von Breuer, DVBI. 1978, 829. 836; dems .. WiVerw. 1981 : 219. 222 IL dems .. Der Staat 20 ( 1981 ), 393, 413 f. und Bender. NJW 1979. 1425. 1426 li: dems .. DÖV 1980, 633, 634 IT. wurde diese Unterscheidung entwickelt und beeintlußt. Teils terminologisch. teils auch sachlich ditlerenzierend, jedoch auf gleicher Linie liegend: Götz. in: 4 . AIRS 1975, S. 177. 183 fL Albers, Gerichtsentscheidungen zu Kemkraftwerken. S. 98 tl; Hansmann. DVBI. 1981. 898. 901 f. ; lpscn, AöR 107 (1982), 259, 264 tr; Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kemanlagen. S. 50 IL Lukes/Feldmann/Knüppel, in: Lukes (Hrsg.). Gefahren und Gefahrenbeurteilungen im Recht, Teil II, S. 71, 172 li; Marburger. in: Bitburger Gespräche. Jahrbuch 1981. S. 39. 41; ders .. in: 7. AtRS 1983. S. 45, 53; ders .. Atomrechtliche Schadcnsvorsorgc. S. 63 11'.; Holinann. Rechtsfragen der atomaren Entsorgung. S. 198, 336 ll 11 2
BVerwGE 72, 300.
111. (Nachträglich) erforderliche atomrechtIiche Schadensvorsorge
121
nahmen auch anhand bloß theoretischer Überlegungen und Berechnungen in Betracht gezogen werden müßten, um Risiken aufgrund noch bestehender Unsicherheiten oder Wissenslücken hinreichend zuverlässig auszuschließen 113 . Zur Minderung des davon zu trennenden Restrisikos sind demzufolge allenfalls im Rahmen des Versagungsermessens Maßnahmen denkbar. Im Ergebnis gelangt das Bundesverwaltungsgericht mithin zu einer eigenständigen, vom herkömmlichen sicherheitsrechtlichen Gefahrenbegriff abzugrenzenden Sicht nuklearspezifischer Sicherheitsanforderungen. cc) Entwicklung nach dem Wyhl-Urteil Nach dem Wyhl-Urteil im Jahre 1985 hat - soweit erkennbar - allein noch der BayVGH in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung 114 das tatbestandliehe Schadensvorsorgegebot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG mit Gefahrenabwehr gleichgesetzt, während die Aufgabe einer Risikovorsorge und Risikominimierung unterhalb der Gefahrenschwelle dem Bereich des behördlichen Versagungsermessens zugeordnet wurde. Dies entsprach zumindest zum damaligen Zeitpunkt auch noch der gängigen Staatspraxis, auf die die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ganz offensichtlich ohne Auswirkungen geblieben war 11 ;. Das Bundesverwaltungsgericht hingegen hat an seiner im Wyhl-Urteil niedergelegten Judikatur in der Folgezeit festgehalten 116• Die zuletzt zitierte Entscheidung mag dabei zwar zu Mißverständnissen Anlaß geben, indem im Zusammenhang mit der "erforderlichen Vorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG" lediglich noch von "bestmöglicher Risikovorsorge" 117 die Rede ist. Da das Gericht jedoch im vorangehenden Absatz das Wyhl-Urteil ausdrücklich in Bezug nimmt und das Erfordernis betont, im Sinne der Vorsorge auch potentielle Gefahren aufgrund von Wissenslücken, also einen "Gefahrenverdacht" oder ein "Besorgnispotential", auszuschließen, dürfte auch jene Entscheidung ganz auf der Linie der neueren Rechtsprechung liegen. Hinzu kommt, daß der Begriff "Risikovorsorge" eben ohne weiteres in einem weiteren Sinne als Oberbegriff der Gefahrenabwehr und der Risikovorsorge im engeren Sinne verstanden werden kann. Die obergerichtliche Rechtsprechung schließlich hat die aus der Wyhl-Entscheidung gezogenen Schlußfolgerungen klar und unmißverständlich mit Blick auf beide die Schadensvorsorge umfassende Teilaspekte herausgearbeitet. Zu-
111
BVerwGE 72, 300, 315.
BayVGH, BayVBI. 1988, 332. 335 f So der Fachausschuß Recht des Länderausschusses fllr Atomkernenergie im März 1987 in Berlin. 11 " Vgl. inshes. BVerwGE 78, 177. 180; 80,207.216 f.: NVwZ 1989, 1168; NVwZ 1989, 1169. 117 Hervorhebung vom Verf. 114 11 ;
122
E. Voraussetzungen tlir die Anordnung nachträglicher ..Autlagen"
nächst nimmt das OVG NW ausdrücklich eine Zweiteilung vor; das Vorsorgegebot im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG umfasse Gefahrenabwehr und Risikovorsorge11". Auch das OVG Lüneburg 11 ~ greift auf das Wyhl-Urteil zuri.lck, wenn es die erforderliche Vorsorge gegen Schäden als getroffen ansieht, wenn Gefahren und Risiken nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen seien. Zur weiteren Minimierung des sogenannten Restrisikos, also der Risiken jenseits der Schwelle praktischer Vernunft, könne die Genehmigungsbehörde bei der Erteilung von Zulassungen nach § 7 AtG wegen des ihr eingeräumten Versagungsermessens grundsätzlich zusätzliche Maßnahmen anordnen. Noch deutlicher differenziert der VGH Kassel 120, der ausdrücklich zwischen "Restrisikobereich, Bereich der Risiken mit (bisher) nicht erkannter Gefahrenqualität und Gefahrenbereich" unterscheidet und die zweite Ebene, die näher als "Risiko unterhalb der Gefahren-, aber oberhalb der Akzeptanzschwelle" definiert wird, dem "Besorgnispotential" im Sinne der Wyhl-Entscheidung zuordnet. Erwägungen der zuständigen Behörden in Richtung auf eine (weitere) Minimierung des Restrisikos gehörten bei der Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung in den Raum des der Exekutive vom Gesetzgeber eröffneten Ermessens. Schließlich sei die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg 121 erwähnt, der - ohne in diesem Zusammenhang das Wyhi-Urteil explizit zu nennen - § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG in dessen Sinne auslegt. Die Bestimmung ziele nicht nur auf einen zur Gefahrenabwehr erforderlichen Sicherheitsstandard ab, sondern es sollten auch Möglichkeiten der Risikominimierungjenseits des zur Gefahrenabwehr Erforderlichen ausgeschöpft werden. Neben der obergerichtliehen Rechtsprechung haben sich auch weite Teile der Literatur 122 fiir einen zweigeteilten Schadensvorsorge-Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ausgesprochen. Ungeachtet oder vielleicht auch gerade in Anbetracht der Entwicklung der Rechtsprechung ist gleichwohl die rechtsdogmatische Gesamtdiskussion Abschließendes noch nicht gesagt bzw. geschrieben worden und 11 " OVG NW, Beschluß vom 18.7.1988. 21 A 437/86, BA, S. 8; Beschluß vom 23.9.1988, 21 A 135/86, BA, S. 13. 119
NVwZ 1989,1180,1183.
NVwZ 1989, 1183, 1184 f. 1991 , 422,427. 122 Vgl. nur Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rdnm. 31 ff.; Ossenbühl, DVBI. 1990,600, 601 ; Papier, in: Lukes (Hrsg.), Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. II I, 166 ff.; dens., in: 9. AIRS 1991. S. 209, 21811; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, §29 Rdnrn. 31 f. ; Breuer, NVwZ 1990,211, 214; Sellner, NVwZ 1986, 616, 617; dens., in: Festschrift filr Sendler. S. 339, 341; Rengeling, DVBI. 1986. 265, 267; Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnrn. 540 tl, 567 tf.; Lawrence, Grundrechtsschutz, technischer Wandel und Generationenverantwortung, S. 68 ff; Luckow. Nukleare Brennstoffkreislaute im Spiegel des Atomrechts, S. 258 ti; Mayinger, Restrisiko bei Versuchsanlagen und Prototypen im Kernenergierecht, S. 4211; Reich, Gefahr - Risiko- Restrisiko, S. 152; Degenhart, et 1989, 750, 754 tT.; Steinkemper, in: 9. AIRS 1991 , S. 255, 256 f.; nicht eindeutig Lukes, in: 8. AIRS 1989, s. 63,66 f 12"
121 VBLBW
111. (Nachträglich) ertorderliche atomrechtliche Schadensvorsorge
123
besteht nach wie vor eine gewisse Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Schadensvorsorgebegriffs und seines sachlichen Gehalts. Das Thema der vorliegenden Arbeit macht es nicht erforderlich, die dogmatischen Problempunkte in der rechtswissenschaftliehen Auseinandersetzung bis ins Detail gegeneinander abzuwägen. Es soll vielmehr lediglich dargelegt werden, warum der zuletzt vorgestellten, vom Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts richtungweisend vorgezeichneten Theorie eines tatbestandliehen Vorsorgegebots im Grundsatz der Vorzug gebührt. dd) Bewertung der Vorsorgetheorie Bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG spricht eher für als gegen die Anerkennung eines eigenständigen, von der Gefahrenabwehr verschiedenen Vorsorgegebotes. Zwar läßt sich einwenden, daß § I Nr. 2 AtG, der in unmittelbarem Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG zu lesen ist, ausdrücklich den Schutz vor "Gefahren" erwähnt. Jedoch enthält § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, da ganz allgemein von "Schäden" die Rede ist, nicht von vornherein die für die Gefahr typischen Merkmale der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit und erwiesenen Möglichkeit eines Schadenseintritts 123 • Der Begriff der "Vorsorge" ist demnach weitergehend als der der "Abwehr". Er umfaßt auch den jenseits der Abwehr des Schadensereignisses liegenden Bereich geringer Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und nicht lediglich die unmittelbar vor dem Ereigniseintritt liegende Abwehr des Schadens. Dabei beginnt die Vorsorge jenseits des Punktes, an dem der Eintritt des Ereignisses von vornherein ausgeschlossen ist 124• Nach der grammatischen Auslegung sprechen mithin gute Gründe für die Auffassung, wonach "Schadensvorsorge" als Oberbegriff für die Kategorien Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zu verstehen istm. Die Reihenfolge der Aufzählung läßt auf eine abgestufte Intensität der Begriffe schließen, wobei der jeweilige Intensitätsgrad durch die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestimmt wird 12h. Im Rahmen der historischen Auslegung ist zunächst die in der atomrechtlichen Diskussion getroffene Feststellung bemerkenswert, daß es gelte, gerade die Allgemeinheit und nicht nur den einzelnen vor Schäden zu bewahren, was gegen die Annahme spricht, daß der Gesetzgeber sich dem klassischen Gefahrenbegriff verhaftet sah 127 • Ferner fallt auf, daß sowohl in der Begründung zum Regie123 Im Ergebnis ebenso Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kernanlagen, S. 50; Bender, NJW 1979, 1425, 1429; Lawrence, Grundrechtsschutz, technischer Wandel und Generationenverantwortung, S. 70.
124
So auch Luckow, Nukleare Brennstotlkreisläute im Spiegel des Atomrechts, S. 259.
12; 12''
Vgl. BVerfGE 49, 89, 138 t:, 143; 53, 30,58 f; temer Benda, et 1981 , 868. Siehe auch Luckow, Nukleare Brennstotlkreisläute im Spiegel des Atomrechts. S. 267.
127
Vgl. Anlage zu BT-Drs. 3/1412. S. 2.
124
E. Voraussetzungen tlir die Anordnung nachträglicher "Auflagen'·
rungsentwurf 2" als auch in den Stellungnahmen des Bundesrates 12'' bzw. der Bundesregierung"" im Bereich des § 7 AtG fast ausschließlich von Vorsorge die Rede ist. Das von den Vertretern der Drei-Stufen-Theorie vorgebrachte entstehungsgeschichtliche Argument, der Atomgesetzgeber habe den Genehmigungstatbestand des § 7 AtG dem § 16 GewO a.F. nachbilden wollen, der, was zutrifft, auf die reine Gefahrenabwehr beschränkt war, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Es verkennt, daß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG über den Inhalt von § 16 GewO a.F. hinausgehen und aufgrundder atomrechtlichen Besonderheiten in stärkerem Maße auch schadensvorbeugend wirken sollte 131 . Auch der Hinweis auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz und den angeblich dort erstmalig normierten Vorsorgegrundsatz kann jene aus den Gesetzesmaterialien gewonnene Erkenntnis nicht erschüttern. Das Gebot der Risikovorsorge wurde ausweislich der Gesetzesberatungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz132 als neue Zielsetzung speziell in bezug auf die Rechtslage nach § 16 GewO a.F. behandelt, nicht jedoch auch gegenüber anderen Bereichen des technischen Sicherheitsrechts. Die im Atomgesetz angelegte Unterscheidung zwischen Abwehr von Gefahren und Vorsorge gegen Risiken hat der Gesetzgeber lediglich im späteren Bundes-Immissionsschutzgesetz deutlicher ausgeformt Das ändert, wie geschrieben, nichts daran, daß der Vorsorgebegriff ausdrücklich und bewußt im Atomgesetz verankert ist' 33 • Zudem enthielt auch das ältere Atomrecht bereits eine deutlichere Ausprägung des Vorsorgeprinzips, wenn auch nicht in dem Genehmigungstatbestand des § 7 Abs. 2 AtG selbst134. So verlangte§ 2I der Ersten Strahlenschutzverordnung vom 24.6.1960 13\ die Strahlenbelastung "so gering wie möglich" zu halten. Da nicht angenommen werden kann, daß der Verordnungsgeber nur ein halbes Jahr nach Erlaß des Atomgesetzes über den Sicherheitsstandard des Atomgesetzes hinausgehen wollte, geschweige denn, dieses in Anbetracht der Ermächtigungsvorschrift des § 12 Abs. I Nr. I AtG auch durfte 13\ läßt sich die Annahme eines eigenständigen tatbestandliehen Risikovorsorgegebotes auch mit einer systematischen Betrachtung absichern. Die hiergegen immer noch erhobenen Bedenken, aus ein und derselben Vorschrift ließen sich keine unterschiedlichen Tatbestandsm BT-Drs. 3/759, S. 23 fl
BT-Drs. 3/759, S. 49 ff. BT-Drs. 3/759, S. 58 f[ 13 1 Vgl. BT-Drs. 3/759. S. 24. 132 Vgl. Bericht des lnnenausschusses, BT-Drs. 7/1513, S. 3. 133 Dies Obersehen Hanning!Schmieder, DB 1977, Beilage Nr. 14. I, 7; siehe auch Luckow. Nukleare Brennstoffkreisläufe im Spiegel des Atomrechts. S. 261. 134 Hieraufweist mit Recht Sender, NJW 1979. 1425, 1429 Fn. 28 hin. 135 BGBI. I S. 430. 136 Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kemanlagen. S. 52 Fn. 83. 129
130
lll. (Nachträglich) erforderliche atomrechtliche Schadensvorsorge
125
Voraussetzungen und erst recht keine verschiedenen Rechtsfolgen ableiten 13\ sind insoweit zu entkräften, als mit dem Atomrecht eine in hohem Maße ausflillungsfahige und -bedürftige Materie betroffen ist, die in der über drei Jahrzehnte währenden Rechtswirklichkeit den hier vertretenen Vorsorgebegriff angenommen hatm. Würde man hingegen die Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG auf die reine Gefahrenabwehr beschränken, ergäbe sich ein mittlerweile kaum mehr nachzuvollziehender Wertungswiderspruch zu anderen Bereichen des jüngeren Umweltrechts, hinter denen das Atomrecht in Anbetracht des im Vergleich zum übrigen Sicherheitsrecht weit größeren Schadenspotentials nicht zurückstehen darf 39• Schließlich wird nur eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gerecht. Der "vorsichtige Gesamtcharakter" 140 des Atomgesetzes gebietet es zum einen, auch solche Risiken in Betracht zu ziehen, deren Gefahrenqualität mangels hinreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht zweifelsfrei nachweisbar ist. Immerhin kann sich ein durch ein entsprechend viele Tatsachen untermauerter Gefahrenverdacht derart verdichten, daß er wertungsmäßig einer Gefahr kaum nachsteht 141 • Zum anderen kann auch in den Fällen eine Risikovorsorge durchaus noch möglich und sogar sinnvoll und geboten erscheinen, in denen trotz nur geringer Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts eine weitergehende Risikominimierung durch technisch realisierbare Maßnahmen verhältnismäßig ist. Damit erweist sich auch der Einwand als nicht stichhaltig, die heutigen extrem hohen Anforderungen an die Gefahrenabwehr ließen einer darüber hinausgehenden Risikovorsorge keinen Raum mehr 142 • Alles in allem wird gerade dem Schutzzweck des § I Nr. 2 AtG nur eine solche Auslegung der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gerecht, die auch die Risikovorsorge im Tatbestand als Genehmigungsvoraussetzung ansiedelt und nicht in das Ermessen der Genehmigungsbehörde stellt. Auch die Vertreter der Vorsorgetheorie gelangen mithin im Ergebnis zu drei Risikobereichen - Gefahrenabwehr, Risikovorsorge im engeren Sinne, Restrisiko - mit dem Unterschied, daß sie - entgegen der Auffassung der herkömmlichen Genehmigungspraxis, die den Schadensvorsorgebegriff mit Gefahrenabwehr gleichsetzt - die ersten beiden Bereiche der Voraussetzungsseite des § 7 Abs. 2 AtG zuweisen.
137 13 "
So Wagner, NJW 1980. 665, 668. Siehe Mayinger, S. 64 mit Fn. 290.
1311 Vgl. Breuer, DVBI. 1978, 829, 836; Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kemanlagen, S. 52 f. 141
Breuer, DVBI. 1978, 829,836. Siehe Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kemanlagen, S. 52.
142
In diesem Sinne allerdings Ossenbühl, NVwZ 1986, 161, 168.
140
126
E. Voraussetzungen fllr die Anordnung nachträglicher .,Auflagen"
2. Schadensvorsorge und "Restrisiko" - Entwicklung der modifizierten Vorsorgetheorie
Ungeachtet der erheblichen Ausweitung des Schadensvorsorgebegriffs durch die tatbestandliehe Einbeziehung des Gefahrenverdachts und von bloßen Besorgnispotentialen gehen die Vertreter der Vorsorgetheorie ganz überwiegend davon aus, daß auch im Bereich des an sich vernachlässigbaren Restrisikos sicherheitsgerichtete Maßnahmen, die man tatbestandlieh als Risikovorsorgemaßnahmen wegen Unverhältnismäßigkeit nicht durchsetzen zu können glaubt, über das Institut des Versagungserrnessens möglich sind 143 . Jedoch erscheint es nicht nur sprachlich, sondern auch rechtlich geradezu unlogisch, das Restrisiko in einen "letztlich zu tragenden" und einen "doch nicht zu tragenden" Bereich aufzuteilen14\ obwohl das "Restrisiko" anerkanntermaßen jene Ungewißheiten beschreibt, die als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen sind 145 . Jede sicherheitsgerichtete Maßnahme, die dem "Restrisiko" zugeordnet wird, dient der Sache nach der Vorsorge gegen Risiken und ist qualitativ von den eigentlichen, tatbestandliehen Risikovorsorgemaßnahmen nicht zu unterscheiden. Erweist sich die Maßnahme nach rechtlicher Prüfung infolge Unverhältnismäßigkeit als hoheitlich-einseitig nicht durchsetzbar, läßt sich die Erzwingbarkeit auch nicht- quasi durch die Hintertür- über das Versagungserrnessen erreichen. Ob dieser Umstand rechtspolitisch bereits die Aufgabe dieses Rechtsinstituts gebietet und ein gesetzlich festgelegter Rechtsanspruch an dessen Stelle treten sollte 14\ braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht abschließend entschieden zu werden. Für eine den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrende Ausübung des Versagungserrnessens aus Sicherheitsgründen dürfte jedenfalls regelmäßig dann kein Raum mehr bleiben, wenn man in konsequenter Anwendung der Vorsorgetheorie die tatbestandliehen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG entsprechend weit über den Bereich der Gefahrenabwehr im engeren Sinne hinaus in den der Schadens- und Risikovorsorge hineinragen läßt. Damit erweist sich die Zweiteilung des "Restrisikos" in der von der herrschenden Meinung vorgenommenen Weise als der nicht recht überzeugende Versuch, die unverhältnismäßigen von den verhältnismäßigen Risikovorsorgemaßnahmen zu scheiden. Neben den beiden Kategorien der Gefahrenabwehr und der Risikovorsorge gibt es bei näherer Betrachtung aber keine eigenständige Kategorie des "Restrisikos", der noch mit sicherheitsgerichteten Maßnahmen zu begegnen wäre. Dies ist kein Plädoyer gegen das Institut des Restrisikos als solches und noch 143 Vgl. nur Degenhart, et 1989, 750, 756; Rengeling, Probabilistische Methoden bei der atomrechtlichen Schadensvorsorge. S. 90 f.; dens .. DVBI. 1988. 257. 260; aus der Rechtsprechung OVG Lüneburg, NVwZ 1989, 1180, 1183; VGH Kassel. NVwZ 1989. 1183, 1185; BVertGE 81, 310, 344. 144 Ebenso Greipl, DVBI. 1992. 598. 600. 145 Vgl. BVertGE 49, 89, 143. 146 In diesem Sinne Papier, in: Lukes (Hrsg.), Reformüberlegungen zum Atomrecht S. III , 130t:
111. (Nachträglich) erforderliche atomrechtliche Schadensvorsorge
127
weniger gegen die zuvor favorisierte Vorsorgetheorie, an der hier mit jener geringen Modifizierung ausdrücklich festgehalten werden soll 147• Allerdings wird auch für nachträglich anzuordnende sicherheitsgerichtete Maßnahmen die Entscheidung nicht entbehrlich, ob mit diesen Maßnahmen überhaupt Ereignissen begegnet werden soll, die als rechtlich relevant anzusehen sind. Damit vermag auch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der einzelnen in Betracht kommenden Maßnahmen die zwingend vorgelagerte Prüfung der Zuordnung des betreffenden Risikos zum -wie auch immer begrenzten - Vorsorgebereich nicht zu ersetzen. Die mit jener Beschränkung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit statt dessen vorgeschlagene begriffliche Einordnung sämtlicher sicherheitsgerichteter Maßnahmen in den Bereich der (tatbestandlichen) Schadensvorsorge des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG 14" ist daher abzulehnen und liefe im übrigen im Ergebnis auf die Anwendung der als zu weitreichend kritisierten Theorie einer einheitlichen Schadensvorsorge hinaus. Auf eine qualitative Unterscheidung zwischen Risikovorsorge und (hinzunehmendem) Restrisiko kann somit nicht verzichtet werden. Lediglich für eine "Restrisikominimierung" im Sinne einer eigenständigen Kategorie besteht kein sachliches Bedürfnis. Das hat zur Folge, daß sicherheitstechnische Fragen ausschließlich über die Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG und nicht mehr über das Versagungsermessen Berücksichtigung finden. Der Begriff des "Restrisikos" schließlich wird im folgenden nur noch auf denjenigen Bereich begrenzt, der von Dritten und der Allgemeinheit tatsächlich und rechtlich als "sozialadäquat" zu akzeptieren ist, weil er nur noch solche Risiken umfaßt, die aufgrund einer vorzunehmenden (rechtlichen) Bewertung unberücksichtigt bleiben und deshalb aus Gründen der Verhältnismäßigkeit durch behördlich angeordnete Maßnahmen nicht mehr reduziert werden können. 3. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit des hinzunehmenden Restrisikos
Gemeinsam ist allen der vorstehend dargestellten Theorien zur Konkretisierung der erforderlichen Vorsorge gegen Schäden im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, und dies gilt erst recht fllr die hier entwickelte und vertretene modifizierte Vorsorgetheorie, daß letztlich ein Bereich verbleibt und verbleiben muß, der von zusätzlichen Maßnahmen zur weiteren Reduzierung des Risikos ausgenommen ist. Auch wenn die dem Restrisikobereich zuzuordnenden Ereignisabläufe im Falle ihres Eintritts zu schwerwiegenden Folgen führen können, ist eine solche Grenzziehung auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gleichwohl nicht zu beanstanden. Denn die anderenfalls zu fordernde absolute
147
Im folgenden daher: modifizierte Vorsorgetheorie. diesem Sinne Greipl, DVBI. 1992, 598, 600 f
14"tn
128
E. Voraussetzungen fllr die Anordnung nachträglicher .,Auflagen"
Sicherheit, d.h. der vollständige Ausschluß aller Risiken, läßt sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten. Die Kompetenzvorschrift des Art. 74 Nr. II a GG zeigt, daß der Verfassungsgeber der friedlichen Nutzung der Kernenergie nicht ablehnend gegenüberstand, obgleich die Atomtechnik, wie jede andere komplexe Technik auch, keinen absoluten Schutz gegen Risiken bieten kann 14". Absolute Sicherheit würde den naturgesetzliehen Ausschluß eines Schadenseintritts voraussetzen. Vorgänge moderner Technologie müssen durch technische, organisatorisch-betriebliche und administrative Vorkehrungen sicherer gemacht werden, ohne daß ein bestimmtes Restrisiko vermeidbar wäre'"'. Wollte man auch diesen letzten Risikorest ausschließen, müßte man konsequenterweise einen Verzicht auf die betreffende Technik fordern 1; 1• In bezug auf die Atomtechnik wird dies auch von den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. I GG, nicht gefordert. Dabei ist anerkannt, daß sich der Gewährleistungsumfang des Art. 2 Abs. 2 S. I GG nicht in seiner abwehrrechtlichen Funktion erschöpft, sondern darüber hinaus die Pflicht des Staates begründet, Leben und körperliche Unversehrtheil seiner Bürger gegen Beeinträchtigungen durch Dritte zu schützen 1; 2• Wenn der Staat einen Privaten zu Grundrechtseingriffen ermächtigt, kann dies einer staatlichen Einschränkung der Grundrechte gleichkommen. Unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Schutzpflichten stellt jedenfalls die bloße Zulassung einer riskanten Technologie einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff dar 1;; . Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß flir den einzelnen Bürger die Wahrscheinlichkeit extrem gering ist, daß sich das Restrisiko gerade zu seinem Nachteil realisiert. Diese Überlegung kann allein für die Feststellung der subjektiven Betroffenheit im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Nachbarklage Bedeutung erlangen. Jedoch bewirkt jener als sozialadäquat hinzunehmende Risikorest keine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung des einzelnen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. I GG, sondern stellt eine zulässige sogenannte "immanente Schranke" dieses Grundrechts dar. Diese Beschränkungsmöglichkeit gilt nicht nur flir die vorbehaltlosen Grundrechte, sondern auch für diejeni149 Vgl. Marburger, WiVerw. 1981, 241 , 246; Götz, in: 4. AtRS 1976, S. 177, 184; Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kemanlagen, S. 38.
Siehe Papier, in: 8. AIRS 1989, S. 173, 183. Breuer, DVBI. 1978, 829, 834 m.w.Nachw.; Marburger, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1981, S. 39, 42; vgl. auch BVerfGE 49, 89, 143. 1; 0
1; 1
152
BVertGE 49, 89, 141; 53, 30. 58.
Murswiek. Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 89 ff., 129 f; Schwabe. Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213 f; Degenhart, DVBI. 1983. 926, 928 mit Fn. 24; Hotinann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung. S. 31 0; Lawrence, Grundrechtsschutz, technischer Wandel und Generationenverantwortung, S. 74 tl; a.A. Rauschning, VVDStRL 38 (1980), 167, 184; Kloepter, Zum Grundrecht auf Umweltschutz, S. 19, 29; vgl. auch Breuer, DVBI. 1986,849, 857 f; Roßnagel, Grundrechte und Kernkraftwerke, S. 52 f. 1; 3
111. (Nachträglich) erforderliche atomrechtliche Schadensvorsorge
129
gen, die - wie Art. 2 Abs. 2 S. I GG - mit einem speziellen Einschränkungsvorbehalt - hier: Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG - versehen sind. Denn die unter einem speziellen Einschränkungsvorbehalt stehenden Grundrechte können den schrankenlos gewährten Grundrechten insoweit gleichstehen, als die speziellen Vorbehalte neu hinzutretende öffentliche Interessen nicht berücksichtigen, die vielfach selbst wieder durch die Verfassung geschützt werden 154 . Als verfassungsrechtlich geschützter Wert zur Legitimation des Restrisikos im Atomrecht kommt - neben den möglicherweise betroffenen Grundrechten der Kernkraftwerksbelreiber aus Art. 14, 12 und 2 Abs. I GG - die zuvor bereits erwähnte Kompetenzvorschrift des Art. 74 Nr. I Ia GG in Betracht, die neben ihrem primär formellen Gehalt einer organisationsrechtlichen Zuständigkeitszuweisung auch die grundsätzliche Anerkennung und Billigung des darin behandelten Gegenstandes durch das Grundgesetz selbst, d.h. die materielle Berechtigung zur Ausübung der durch die Kompetenznorm geregelten Materie, enthält 155 • Berücksichtigt man vor diesem Hintergrund, daß aus dem Gedanken der Einheit der Verfassung sämtliche Bestandteile derselben einander so zugeordnet werden müssen, daß sie nach Möglichkeit zum schonendsten Ausgleich gebracht werden und jeder betroffene Verfassungswert zu optimaler Wirksamkeit gelangt (Prinzip der praktischen Konkordanz)'%, sind daher das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. I GG und die Kompetenzvorschrift des Art. 74 Nr. I Ia GG einander gegenüberzustellen. Als zumindest zulässig angesehen wird von der Verfassung nach dem zu Art. 74 Nr. II a GG Ausgefiihrten die Existenz von Kernkraftwerken überhaupt, woraus zugleich eine Aussage bezüglich des Restrisikos abzuleiten ist. Da die Durchsetzung dieses materiellen Gehalts der Kompetenznorm ohne die Akzeptanz eines begleitenden Restrisikos nicht realistisch ist, stellt die freiheitslimitierende Funktion des Art. 74 Nr. II a GG eine unauflösbare Bedingung der Wahrnehmung dieser zugewiesenen Staatsaufgabe dar157 • Die Existenz eines von allen Bürgern als sozialadäquat hinzunehmenden Restrisikos erweist sich folglich im Grundsatz als verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des Art. 2 Abs. 2 S. I GG.
154 Bleckmann, Staatsrecht II -Die Grundrechte, S. 352 f ; van Nieuwland, Darstellung und Kritik der Theorien der immanenten Grundrechtsschranken, S. 138; speziell zum Atomrecht Degenhart, Kemenergierecht, S. 149; ders., DVBI. 1983, 926,928. 155 BVerfGE 53, 30,56: siehe auch Bleckmann, DÖV 1983, 129, 132; Stettner. Grundfragen einer Kompetenzlehre, S 329 tl; Lerche, JZ 1972,468, 473; Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 74, Rdnr. 22; von Pestalozza, Der Staat II (1972). 161, 183.
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 72. Ähnlich Lawrence, Grundrechtsschutz, technischer Wandel und Generationenverantwortung, S. 129 tl, der allerdings bereits die grundrechtliche Eingrillsqualität des Restrisikos vemeint. was grundrechtsdogmatisch nur schwer zu begründen ist. 151'
157
9 Gemmeke
130
E. Voraussetzungen fllr die Anordnung nachträglicher "Auflagen"
Damit kann auch nicht behauptet werden, die Geltung der Grundrechte könne im ungünstigsten Fall durch eine Kompetenzvorschrift praktisch außer Kraft gesetzt werden"x. Das hat nichts mit der nachrangigen Frage zu tun, ob im konkreten Fall die Abwägung zwischen den beteiligten Interessen zur Anordnung zusätzlicher Maßnahmen zur Begrenzung des von der einzelnen Anlage ausgehenden Risikopotentials oder gegebenenfalls sogar zur Untersagung eines beantragten Vorhabens führen kann. Der grundsätzlich auch im Lichte des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG anzuerkennenden Verfassungsmäßigkeit des Restrisikos steht dies nicht entgegen. 4. Inhalt und Grenzen der Risikobereiche
Entscheidend für die Auswirkungen des Modells der modifizierten Vorsorgetheorie in der praktischen Anwendung ist letztlich die Abgrenzung der drei Risikobereiche (Gefahrenabwehr, Risikovorsorge und hinzunehmendes Restrisiko) untereinander. Dies wiederum setzt zunächst die Bestimmung von Inhalt und Grenzen der Bereiche voraus.
a) Begriffliches Bei dem von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG verwendeten Begriff des "Schadens" geht es, wie die Zweckbestimmung des § I Nr. 2 AtG verdeutlicht, um die objektive, durch äußere regelwidrige Einflüsse bedingte Minderung eines tatsächlich vorhandenen Bestandes an Rechtsgütern 159, und zwar den auf den "Gefahren" der Kernenergie oder ionisierender Strahlen beruhenden Verlust des Lebens sowie die nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigungen von Gesundheit und Sachgütern. Eine "Gefahr" wird - ausgehend vom Polizei- und Ordnungsrecht~R 1993. 321. 324: Osscnhlihl. in: r:estschrift tllr Redeker, S. 55, 69. Ob die beiden Urteile des Europäischen Gerichtshob vom 30.5.1991. EuZW 1991, 440 und 442 Anlaß bieten, prinzipiell vnn der nonnkonkrctisicrcndcn Verwaltungsvorschrift Abschied zu nehmen. kann gleichfalls dahinstehen (dallir: l...:och. DVBI. 1992. 124. 130 L Steiling. NVwZ 1992, 134, 135 ff.; Rupp. JZ 1991. 1034 f. : Bünker. DVBI. 1992. !104. RIO: dagegen: von Danwitz, VerwArch. 1993, 73.86 fL zweifelnd: Scndlcr. l!PR 1993.321. 329). Jedenfalls wäre. sotem man nicht insbesondere tlir die Festsetzung von Grenzwerten. sprich: Schadcnseintrittswahrscheinlichkeiten, ohnehin die Regelung in einer Rechtsvenmlnung llir erl(lrderl ich erachtet - da~ Atomgesetz hält die notwendigen Ennächtigungsgrundlagen hier1.11 bereit -eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert. Einen eigenen Weg geht der l'ro!Cssorcnentwurr des Allgemeinen Teils eines Umweltgesetzbuchs (vgl. Kloepfi:r. Rehbindcr. Schmidt-Allmann. unter Mit" irkung vnn Kunig. Umweltbundesamt, Berichte 7/90). der in ~ 155 z.B. vorsieht. dall ( irenzwerte 74 BVerwGE 72, 300, 318 (Hervorhebung vom Ver[). m BYerwGE 61,256,267.
173
>7" Kritisch in diesem Punkte auch Marburger. Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 109. m Seit BVerwGE 61,256,267 t:; vgl. etwaOVG Lüneburg, et 1982,592, 595; et 1983, 683; VG Oldenburg, et 1983.930. 932; VG Koblenz. et 1984,702: Sendler, UPR 1981, I, 7; Breuer, WiVerw. 1981. 219. 225; Hansmann, DYBI. 1981. 898, 902; Bochmann, atw 1983, 366, 369; Feldmann, et 1983, 385. 386; Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 108; Haedrich, Atomgesetz, § 7 Rdnr. 98: Sellner, NVwZ 1986, 616. 618; a.A. Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kemanlagen. S. 90 11'., der annimmt, die Norm diene in gleicher Weise dem lndividualschutz.
186
E. Voraussetzungen tllr die Anordnung nachträglicher .. Auflagen ..
vidualrechtsschutz zu erstreckenm. Daß sich der drittschützende Charakter des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG und damit letztlich auch des § 17 Abs. I S. 3 AtG nur auf einzelne Bestandteile der Norm beschränkt, ist unerheblich und auch in anderen Rechtsgebieten, etwa im Baurecht, anerkannt. Wo die Grenze des Drittschutzes in dem oben beschriebenen Sinne verläuft, ist erst im jeweiligen Einzelfall von den Gerichten zu klären, während die Genehmigungsbehörde selbstverständlich eine einheitliche Entscheidung- sei es zur Genehmigung, sei es im Rahmen einer nachträglichen Anordnung nach § 17 Abs. I S. 3 AtG - hinsichtlich der erforderlichen Schadensvorsorge treffen muß. Die Versuche der Rechtsprechung, jene Grenze zu definieren, sind wenig konsistent und konnten nicht die nötige Rechtssicherheit schaffenm. Es ist aber ein typisches atomrechtliches Problem, daß der Kreis der Widerspruchs- bzw. Klageberechtigten sich nur schwer abgrenzen läßt, da der von der Atomtechnik betroffene Personenkreis von Natur aus kaum überschaubar ist. Dabei ist es in erster Linie Aufgabe des materiellen Gesetzgebers, zu bestimmen, ob aus objektiv-rechtlichen Verpflichtungen eine subjektive Rechtsmacht Dritter folgen soll. Solange es an einer solchen Bestimmung mangelt, sind die Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere bei der Klagebefugnis vorprogrammiert und müssen in Kauf genommen werden. Inwieweit sich hier rechtspolitische Lösungen allein um der Schaffung größerer Rechtssicherheit willen anbieten, wird wiederum am Schluß der Arbeit zu diskutieren sein.
IV. Eigenart des Überwachungsermessens Den vorangehenden Darlegungen zur tatbestandliehen Ausgestaltung des § 17 Abs. I S. 3 AtG läßt sich entnehmen, daß die zuständigen Behörden auch bei der laufenden Überwachung in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke zur Schadensvorsorge nach den Grundsätzen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG verpflichtet sind. Auch in der Überwachungsphase müssen die Behörden grundsätzlich immer dann Maßnahmen ergreifen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die "erforderliche Schadensvorsorge" bei einer bestimmten Anlage nicht mehr gewährleistet ist. Nach Eintritt der Bestandskraft der Genehmigung trifft die Genehmigungsbehörden die gleiche Risikoermittlungs- und -bewertungsptlicht wie bereits zuvor im Genehmigungsverfahren. Selbst wenn somit nachträgliche Anordnungen im Grundsatz nur zulässig sind, soweit sie zur Erreichung der gebotenen Schadensvorsorge erforderlich sind, legt der eindeutige
17K So 379
auch bereits der Vorschlag von Breuer. DVBI. 1986. 849. 855 f
Ebenso Papier. in: 9. AIRS 1991, S. 283 (Diskussionsbeitrag).
IV. Eigenart des Überwachungsennessens
187
Wortlaut des § I7 Abs. I S. 3 AtG ("zulässig") den Schluß nahe, daß die Vorschrift einen Ermessensspielraum eröffnee~~~. '
Daraus läßt sich allerdings nicht folgern, daß sich dieses Ermessen ausschließlich auf ein reines Rechtsfolge-oder Auswahlermessen beschränkt, hingegen im Hinblick auf das "Ob" des Einschreitens ein Entschließungsermessen nicht bestehem. Soweit § I7 Abs. I S. 3 AtG der Genehmigungsbehörde ein Ermessen einräumt, handelt es sich um das allgemeine verwaltungsrechtliche Behördenermessen, hier in der Form des generellen Überwachungsermessens, explizit gebunden allerdings an die Zweckbestimmungen in § I Nm. 2 und 3 AtG. Dabei besteht im Hinblick auf das "Wie" des Tätigwerdens ein Auswahlermessen zwischen mehreren in Betracht kommenden Überwachungsmaßnahmen. Auf beiden Ermessensstufen kommen Gesichtspunkte des Bestandsschutzes zum Tragen, worauf nachfolgend ausfuhrlieh einzugehen ist. Erst unter Einbeziehung dieses Aspektes läßt sich endgültig bestimmen, ob und welche konkreten Maßnahmen im Einzelfall am besten geeignet sind, den Erfordernissen der nachträglich gebotenen Schadensvorsorge möglichst optimal Rechnung zu tragen. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß das behördliche Überwachungsermessen nicht mit dem der Genehmigungsbehörde aus Anlaß einer Genehmigungsentscheidung nach § 7 Abs. 2 AtG eingeräumten Versagungsermessen identisch ist. Dieses eröffnet der Behörde die nur sehr beschränkte Möglichkeit, die Genehmigung zu versagen, wenn dies besondere und unvorhergesehene, von den Genehmigungsvoraussetzungen - insbesondere des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG - nicht erfaßte Umstände einmal notwendig machenm. Für eine Ausübung des Versagungsermessens aus Sicherheitsgründen wird zudem, wie bereits betont, ohnehin kein Raum mehr bleiben. Aber auch diese Überlegungen spielen im Rahmen des hier maßgeblichen Überwachungsermessens keine Rolle.
'~11 1m Ergebnis ebenso, wenn auch ohne nähere Begründung, Kuckuck, in: 6. AtRS 1979, S. 205, 220, 231; Haedrich, Atomgesetz, ~ 17 Rdnr. 4; Rengeling, DVBI. 1988, 257, 261; Schmitt, in: 8. AIRS 1989, S. 81, 89; Schneider, in: Schneider/Steinberg, Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung, Bestandsschutz und staatlicher Autsicht, S. 115. 182: aus der Rechtsprechung OVG Lüneburg, UrR 1987, 153. 154; a.A. das OVG Lüneburgjedoch in der sogenannten ZentrierstifteEntscheidung, DVBI. 1989. 1106. 1110. die mit Ausnahme dieser einen Frage aber ganz llberwiegend Zustimmung verdient. m So aber Schneider, in: Schneider/Steinberg. Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung. Bestandsschutz und staatlicher Autsicht. S. 115. 144. m Siehe amtliche Begründung. BT-Drs. 3/759, S. 59; BVcrtGE 49. 89. 146 f
F. Tatsächlicher Bestandsschutz I. Ausgangspunkte 1. Abwägungsentscheidung
Die Zulässigkeit von nachträglichen Anordnungen wird maßgeblich bestimmt durch die Rechtsposition des Kemkraftwerksbetreibers, die sich allgemein mit dem Begriff Bestandsschutz umschreiben läßt. Auf den sich dahinter verbergenden Grundkonflikt zwischen den Entwicklungs- und Schutzinteressen der Allgemeinheit auf der einen und den Beharrungsinteressen des Unternehmers auf der anderen Seite wurde oben' im Rahmen der in das Thema der vorliegenden Arbeit einführenden Erläuterung der Grundbegriffe bereits aufmerksam gemacht. Jener Konflikt ist nun im Grundsatz in der Weise aufzulösen, daß die Gesichtspunkte, die ftlr das zu schützende Vertrauen des Betroffenen in den Bestand der einmal erteilten behördlichen Genehmigung sprechen, denjenigen Gesichtspunkten gegenüberzustellen sind, die flir das Interesse des Staates an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes sprechen. In den Fällen, in denen das Interesse der Allgemeinheit höher zu bewerten ist, aber dieses Abwägungsergebnis gleichwohl als unbefriedigend erscheint, kann zu prüfen sein, ob das zurücktretende Interesse des Setreibers zumindest wirtschaftlich durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung ausgeglichen werden muß. 2. Einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Bestandsschutz
Zwischen Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht besteht eine wechselseitige Abhängigkeit in der Weise, daß das einfache Gesetz den Vorrang der Verfassung zu beachten hat. Die Gesetze des Verwaltungsrechts sind stets im Lichte der grundlegenden Verfassungssätze auszulegen, wobei die einfach-gesetzlichen Regelungen in ihrer Auslegung mit der Verfassung nicht in Widerspruch geraten dürfen. Ungeachtet dieses Vorrangs der Verfassung hat die praktische Rechtsanwendung aber auf der Stufe des einfachen Gesetzes zu beginnen.
I
A. 111. I.
II . Einfachgesetzliche Auflösung der Kontliktsituation .. Bestandsschutz..
189
3. Bedeutung der§§ 17 und 18 AtG
Die inhaltliche Ausfonnung des Bestandsschutzes ist somit- selbstverständlich in den Grenzen der Verfassung- Aufgabe des einfachen Gesetzgebers bzw. bei wirksamer Ermächtigung auch des untergesetzlichen Normgebers. Die atomrechtliche Bestandsschutzregelung hat im geltenden Recht in den §§ 17 und 18 AtG ihre abschließende Normierung erfahren. Die bestandsschutzrechtliche Relevanz dieser Vorschriften folgt daraus, daß sie für ihren Regelungsbereich die im Nonnalfall mit dem Erlaß eines Verwaltungsakts eintretende Bindungswirkung im Verhältnis Behörde - Adressat durchbrechen, wobei auf allgemeine Rechtsinstitute oder Rechtsprinzipien bei der Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Bestandsschutzes nicht zurückgegriffen werden darf-. Der materielle Bestand einer atomrechtlichen Anlagengenehmigung wird entscheidend geprägt von dem Zusammenspiel der §§ I Nr. 2 und 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG einerseits und den §§ 17 und 18 AtG andererseits. Seit lokrafttreten des Atomgesetzes stehen Investitionen unter dem Vorbehalt nachträglicher verschärfender Anforderungen, die mittels nachträglicher Anordnungen gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG durchsetzbar sind. Seit der Zulassung der friedlichen Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt konnte kein Anlagenbetreiber darauf vertrauen, die ihm erteilte Gen~hmigung unverändert ausnutzen zu dürfen. In dieser, Umfang und Bindungswirkung der Genehmigungsentscheidung von vomherein bestimmenden bzw. beschränkenden Funktion lassen die§§ 17 und 18 AtG den Vertrauensschutz im Hinblick auf die Bindung der Behörde durch die Genehmigung gar nicht wirksam werden. Das Vorliegen einer Anlagengenehmigung verschafft mit anderen Worten nur eine relative Rechtsposition. Der konkrete Umfang dieser Rechtsposition ergibt sich aus der Eingriffsschwelle, die zur Beeinträchtigung des Genehmigungsbestandes voraussetzungsgemäß erfüllt sein muß.
II. Einfachgesetzliche Auflösung der Konfliktsituation "Bestandsschutz" I. Auflösung der Konfliktsituation auf der Tatbestandsseite des § 17 Abs. I S. 3 AtG oder beim Rechtsfolgeermessen?
Zur Auflösung der Konfliktsituation "Bestandsschutz" auf der einfach-gesetzlichen Ebene werden verschiedene Wege diskutiert, die den Aspekt des Bestandsschutzes an unterschiedlichen Stellen der Argumentation einbringen. Es
2 Vgl. zum abschließenden Charakter der atomgesetzlichen Überwachungsvorschriften oben D. I. I. sowie speziell des § 17 Abs. I S. 3 AtG auch die Ausfllhrungen zum Begriff der ..nachträglichen.. Auflage unterE. II. I. a).
190
F. Tatsachlicher Bestandsschutz
wird die Auffassung vertreten, der Bestandsschutzgesichtspunkt sei in der Lage, die behördlichen Überwachungsbefugnisse des Atomgesetzes bereits auf der Tatbestandsebene zu begrenzen3• Hiernach reichen in der Überwachungsphase die Eingriffsmöglichkeiten der Genehmigungsbehörden aus Gründen des Bestandsschutzes weniger weit als in der Genehmigungsphase und enden praktisch dort, wo der Bestandsschutz der in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke beginnt. Der Bestandsschutz erlaube keine Identifizierung der Formulierung des § 17 Abs. I S. 3 AtG "zur Erreichung der in § I Nm. 2 und 3 bezeichneten Zwecke" mit der Formel "nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden" gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Nachträgliche Anordnungen kämen somit nur in Betracht, soweit dadurch ein Zustand der Gefahr im eigentlichen Sinne beseitigt werde. Ein Eingreifen allein in der Absicht, ein Mehr an Sicherheit zu erreichen, genüge hierzu nicht. Für den Bereich der über die Gefahrenabwehr hinausgehenden Risikovorsorge seien nachträgliche Anordnungen nur zur Erhaltung oder Wiederherstellung des mit der ursprünglichen Genehmigung festgelegten Vorsorgemaßstabs zulässig. Für die Vertreter der Drei-Stufen-Theorie und der ihnen in der Vergangenheit gefolgten Genehmigungspraxis ist diese tatbestandliehe Begrenzung wiederum insoweit folgerichtig, als sie im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG nur die erforderliche Gefahrenabwehr als Genehmigungsvoraussetzung ansehen, die Risikovorsorge dagegen in den Bereich der Ermessensausübung verweisen. Diese (tatbestandliche) Beschränkung auf Gefahrenabwehrmaßnahmen kann dagegen unter Zugrundelegung der Vorsorgetheorie nicht mehr aufrecht erhalten werden. Der Schutzzweck des§ I Nm. 2 und 3 AtG ist mit anderen Worten nicht nur eine Umschreibung des nach dem Atomgesetz zwingend gebotenen, sondern vielmehr des nach dem Atomgesetz überhaupt zulässigen Schutzes4 • Nach anderer Ansicht kommt der Bestandsschutz erst auf der Ermessensstufe zur Geltung5 • Demzufolge ist das Entschließungsermessen des § 17 Abs. I S. 3 AtG nicht eröffnet, sobald Gründe des Bestandsschutzes einer Ausübung des Ermessens wirksam entgegenstehen und Eingriffe in den genehmigten Bestand der kerntechnischen Anlage verbieten.
3 In diesem Sinne Backhenns, in: 6. AtRS 1979, S. 173, 178; Richter. Nachrüstung von Kemkraftwerken, S. 66 fi. insbesondere 73 f und 77 f: Rengeling. DVBI. 1988. 257. 260 f. unter Bezugnahme auf Richter, a.a.O., wenn auch im Ergebnis den Behörden wesentlich weitere nachträgliche EingritlSbetugnisse zugestehend. 4 Die gegenteilige Auffassung von Richter. Nachrüstung von Kemkraftwerken, S. 65. 73 und Backhenns. in: 6. AtRS 1979. S. 173. 178. muß spätestens seit dem Wyhi-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als Uberholt gelten, vgl. BVerwGE 72. 300, 3 15 f.
5 OVG Lüneburg, NVwZ 1989. 1180, 1183; Schmitt. in: 8. AtRS 1989. S. 81, 88; Papier. in: Lukes (Hrsg.), Reformüberlegungen zum Atomrecht, S. II I. 188; lemer Wagner. OÖV 1987. 524. 527 f., hier tlir den fakultativen Widerrufnach § 17 Abs. 3 AtG.
II. Einfachgesetzliche Auflösung der Kontliktsituation .. Bestandsschutz..
191
Auch diese Meinung wird der Funktion und Bedeutung des § 17 Abs. S. 3 AtG nicht gerecht. Die Entscheidung des Gesetzgebers in Gestalt des § 17 Abs. I S. 3 AtG stellt vielmehr selbst eine Konkretisierung des Bestandsschutzes dar. Diese Feststellung deckt sich mit der eingangs" aufgestellten Prämisse, daß die Erteilung einer Anlagengenehmigung nach § 7 Abs. I AtG dem Setreiber nur eine relative Rechtsposition verschafft. Der konkrete Inhalt der auch ftir nachträgliche Anordnungen maßgebenden "erforderlichen Schadensvorsorge" ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Anforderungen der Schutzzweckbestimmungen des § I Nrn. 2 und 3 AtG an § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG einerseits und an § 17 AtG andererseits7 • Bei Vorliegen der tatbestandliehen Voraussetzungen, hier des § 17 Abs. I S. 3 AtG, darf bzw. - bei Ermessensreduktion auf "Null" - muß der tatsächliche Bestandsschutz durchbrachen werden. Allein die atomgesetzlichen Vorgaben entscheiden, ob eine kerntechnische Anlage in ihrem Bestand (und in ihrem Betrieb) geschützt ist. Daß der Bestandsschutz keine "feste Größe"x bildet, die die Kernkraftwerke mit einem unüberwindbaren Schutzwall versieht, belegt recht anschaulich auch die Möglichkeit des obligatorischen Widerrufs einer Genehmigung nach § 17 Abs. 5 AtG. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verpflichtet das Atomgesetz die Überwachungsbehörden unter Hintanstellung jeglicher Bestandsschutzgesichtspunkte zwingend zum Einschreiten. Das bedeutet, daß die Möglichkeiten nachträglicher Anordnungen zwar den Umfang und die Reichweite des tatsächlichen Bestandsschutzes beeinflussen können, daß aber umgekehrt der "Bestandsschutz" nicht von vomherein ftir eine restriktive Auslegung und Anwendung des § 17 Abs. I S. 3 AtG herangezogen werden kann . Weil es keinen "tatsächlichen Bestandsschutz" an sich gibt, können den nachträglichen Anordnungen, jedenfalls soweit sie gesetzlich zulässig sind, auch keine Erwägungen des Bestandsschutzes entgegengehalten werden". Folglich ist der "Bestandsschutz" als solcher weder geeignet, die vom Atomgesetz zugelassenen behördlichen Überwachungsbefugnisse bereits auf der Tatbestandsebene zu begrenzen, noch in der Lage, von vornherein das "Ob" von Eingriffen in den genehmigten Bestand der kerntechnischen Anlage auszuschließen. "Siehe F. I. 3. 7 Vgl. auch Kuckuck, in: 6. AtRS 1979, S. 205. 211; Degenhart. Kemenergierecht, S. 187; Haedrich, Atomgesetz, 9 18 Rdnr. 5. K Insoweit noch übereinstimmend Schneider. in: 9. AtRS 1991, S. 239. 253. " Siehe auch Schoch. DVBI. 1990, 549 f; i.E. ebenso Steinberg/Hartung, DVBI. 1989. 1110, 1112; Schneider. in: Schneider/Steinberg, Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung, Bestandsschutz und staatlicher Autsicht. S. 115. 126, 158; und Renneberg. in: Steinberg (Hrsg.), Retorm des Atomrechts. S. 119. 133 L die jedoch mit dieser Überlegung zu einem generellen Ausschluß nahezu jeglicher Bestandsschutzerwägungen gelangen, was bei zutretlender Auslegung des 9 17 Abs. I S. 3 AtG nicht mehr vertretbar ist; a.A. aber OVG Lüneburg, NVwZ 1989. 1180. 1183, das den Bestandsschutz als Ennessensbegrenzung versteht.
F. Tatsächlicher Bestandsschutz
192
Vielmehr darf der Bestandsschutzaspekt auch beim Erlaß nachträglicher Anordnungen frühestens auf der Abwägungsstufe im Rahmen der Anwendung bzw. Ausübung des Rechtsfolgeermessens zum Tragen kommen. Er ist also als Abwägungsgesichtspunkt in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von nachträglichen überwachungsbehördlichen Maßnahmen mit einzubeziehen. Erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung, in der das "Ob" und das "Wie" der Behördenentscheidung bei der vorzunehmenden Zweck-Mittel-Relation einer Rechtsprüfung unterzogen werden, kann im Einzelfall der Bestandsschutz zu einer Reduzierung des Ennessens fUhren mit der Folge, daß die konkrete Nachrüstungsmaßnahme anders als im oben erwähnten, umgekehrten Fall einer zwingenden Durchbrechung des Bestandsschutzes - als unverhältnismäßig auszuscheiden hat. 2. Verhältnismäßigkeit und Bestandsschutz
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Genehmigungsbehörde mit nachträglichen "Auflagen" grundsätzlich dieselben Ziele verfolgen darf wie mit ursprünglichen "Auflagen" nach § I 7 Abs. I S. 2 AtG. Schon der systematische Zusammenhang der Sätze 2 und 3 in § I 7 Abs. I AtG legt den Schluß nahe, daß der Anwendungsbereich tUr nachträgliche "Auflagen" nach dem Willen des Atomgesetzgebers nicht hinter dem des § 17 Abs. I S. 2 AtG zurückbleiben soll. Einzig der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, in dessen Rahmen bei der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen der Vorbehalt des Bestandsschutzes Berücksichtigung finden kann und muß, verhindert eine Mutation des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens zum "perpetuum mobile" und vermeidet damit eine Nachrüstungspflicht der Betreiber "ad infinitum" 10 • Dies folgt entgegen anderslautender Stimmen in der Literatur11 allerdings nicht etwa daraus, daß der Gesetzgeber in § I 7 AtG zur Verwirklichung des Schutzzwecks keine rechtsnormative Bindung an den Stand von Wissenschaft und Technik statuiert hätte. Vielmehr kann - wie noch zu zeigen sein wird 11 -auch ein neuer Stand von Wissenschaft und Technik ohne weiteres eine Anpassung- wenn auch nicht notwendig eine volle Unterwerfung- der alten Regelungen des Genehmigungsbescheides an neue sicherheitstechnische Erkenntnisse veranlassen. Weil aber eine nachträgliche Anordnung auf eine bereits errichtete und/oder betriebene Anlage trifft, kann die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des § I 7 Abs. I S. 3 AtG zu einer anderen Beurteilung der Zulässigkeil von durchzufuhrenden Sicherheitsmaßnahmen fuhren als in dem (wesentlich) früher liegenden Zeitpunkt der Genehmigungsertei-
10
Die Begriffe verwendet Schoch. DVBI. 1990,549.550.
11 Vgl. Kuhnt. in: I. AIRS 1973, S. 157. 159: Feldmann. et 1984. 288, 292: Schoch. OVBI. 1990,
549, 550: OssenbUhl. Bestandsschutz und Nachrüstung von Kernkraftwerken. S. 48 [
11 Siehe unten G. II. I.
II. Einfachgesetzliche Auflösung der Kontliktsituation .,Bestandsschutz'"
193
Jung. Allerdings bliebe auf der Abwägungsstufe der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes in unzulässiger Weise vernachlässigt. wenn entsprechende Nachrüstungsmaßnahmen stets dann zwingend geboten wären, solange sie nicht völlig außer Verhältnis zu den mit der Altanlage verbundenen (erhöhten) Risiken stünden13. Alles in allem ist es eine weitere Konsequenz der hier vertretenen modifizierten Vorsorgetheorie, daß die parallel strukturierten Vorschriften der §§ 7 Abs. 2 Nr. 3 und 17 Abs. I S. 3 AtG ein weiteres Stück inhaltlich einander angeglichen werden: Seide decken nunmehr die Risikobereiche der Gefahrenabwehr und der - umfassend verstandenen - Risikovorsorge ab und unterscheiden sich "nur" noch durch die Schranke der Verhältnismäßigkeit Daraus folgt, daß die Überwachungsbehörden auch während der Betriebsphase im Grundsatz die Genehmigungsfähigkeit der Anlage zum Maßstab einer jeden sicherheitstechnischen Prüfung zu nehmen haben, um dann unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu entscheiden, ob Nachrüstungsforderungen geboten sind oder nicht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setzt den in Betracht kommenden Nachrüstungsmaßnahmen im Rahmen des § 17 Abs. I S. 3 AtG bei der Ermessensausübung auf der Abwägungsstufe aus Gründen des Bestandsschutzes engere Grenzen, als sie flir entsprechende sicherheitsgerichtete Maßnahmen im Zusammenhang mit einer ursprünglichen Genehmigungsentscheidung zu beachten sind oder waren. 3. Bestandsschutz und Risikobereiche
Nachträgliche "Auflagen" sind gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG zulässig, soweit es zur Erreichung der in § I Nm. 2 und 3 AtG bezeichneten Zwecke erforderlich ist. Aus der Anhindung an den Schutzzweck des § I Nr. 2 AtG, der wiederum durch die zentrale Genehmigungsvoraussetzung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG konkretisiert wird, läßt sich - wie schon an anderer Stelle 14 ausgeführt - folgern, daß § 17 Abs. I S. 3 AtG eine parallele Normstruktur zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG hat';. 13 So aber Schneider. in: 9. AtRS 1991. S. 239. 250; im Ergebnis ebenfalls eine sehr extensive Interpretation der Eingritlsnonn des § 17 Abs. I S. 3 AtG vomehmend Kuckuck. in: 6. AtRS 1979. S. 205. 220: Steinberg/Hartung. DVBI. 1989. III 0. 1112; dagegen in dem hier vertretenen Sinne Papier. in: Retonniiberlegungen zum Atomrecht S. II I. 185 11".: Steinkemper. in: 9. AtRS 1991. S. 255. 259: wohl auch Rengeling. DVBI. 1988.257. 261 . 14 Siehe oben E. II. 2 c).
Vgl. OVG Llincburg. NVwZ 1989. 1180. 1183: sowie aus dem Schrifttum. neben den oben unterE. II. 2. c) genannten. Papier. in: Lukes (Hrsg.). Retonniiberlegungen zum Atomrecht S. 111. 186 f.: Schmitt. in: 8. AtRS 1989. S. 81. 88: Rengeling. DVBI. 1988. 257. 260: Schneider. in: Schneider/Steinberg. Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung. Bestandsschutz und staatlicher Auts icht, S. 115. 181: Steinberg/Hartung. DVBI. 1989. 1110. 1111: Steinkemper. in: 9. AtRS 1991. S. 255.259. 1;
13 Gemmeke
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F. Tatsächlicher Bestandsschutz
Dementsprechend ist auch im Rahmen des § 17 Abs. I S. 3 AtG zwischen den Teilbereichen der "Gefahrenabwehr", der "Risikovorsorge" und dem des "hinzunehmenden Restrisikos" zu differenzieren.
a) Zulässigkeil nachträglicher Anordnungen im" Restrisikobereich "? Gegen die hiernach zu befürwortende Parallelität der Normstruktur der beiden Tatbestände des § 7 Abs. 2 Nr. 3 und des § 17 Abs. I S. 3 AtG wird eingewandt, diese tatbestandliehe Übereinstimmung hinterlasse die ungeklärte Frage, welchem Zweck dann das Versagungsermessen des § 7 Abs. 2 AtG noch dienen könne 16 • Bei strikter Anwendung der modifizierten Vorsorgetheorie jedoch stellt sich diese Frage erst gar nicht. Die Anwendung der modifizierten Vorsorgetheorie macht jegliche "Restrisiko"minimierung nach Ermessen entbehrlich. Der Bereich des Restrisikos ist nämlich auf dasjenige beschränkt, was aus Gründen der Verhältnismäßigkeit staatlicherseits - auch nachträglich - nicht mehr reduzierbar und damit von der Allgemeinheit und von Dritten tatsächlich hinzunehmen ist. Die zur Erreichung des Schutzzwecks "erforderlichen" Maßnahmen gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG sind - vorbehaltlich der auf der Abwägungsstufe zu berücksichtigenden Bestandsschutzgesichtspunkte - mit der erforderlichen Schadensvorsorge in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG und daher auch mit dem identisch, was gesetzlich zulässig ist, um jenen Schutzzweck zu verwirklichen. Damit finden sicherheitstechnische Fragen auch im Rahmen des § 17 Abs. I S. 3 AtG zwangsläufig keine Berücksichtigung über das auch von dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen, sondern ausschließlich über die tatbestandliehen Voraussetzungen. Diese definieren - wie dargelegt - den Bereich, in dem der Bestandsschutz den Erlaß nachträglicher Anordnungen nicht von vomherein ausschließt, so daß der gesamte Bereich diesseits der Grenze des hinzunehmenden Restrisikos im Grundsatz auch der nachträglichen Schadensvorsorge offensteht Einen Bereich des "doch nicht zu tragenden Restrisikos" kann es nach richtiger Ansicht nicht (mehr) geben, so daß in diesem Bereich nicht nur ursprüngliche, mit der Genehmigung verbundene, sondern auch nachträgliche Maßnahmen schon von vomherein auszuscheiden haben. Zum gleichen Ergebnis in dieser Frage, d.h. zur Unzulässigkeit nachträglicher Anordnungen im "Restrisikobereich", kommen zudem die Anhänger der mehrheitlich vertretenen " reinen" Vorsorgetheorie, die Maßnahmen zur Minderung eines weit verstandenen "Restrisikos" nur im Rahmen einer Anlagengenehmigung und nur über das Versagungsermessen des§ 7 Abs. 2 AtG erlauben wollen. Oie Unzulässigkeit nachträglicher Anordnungen in dem so interpretierten "Restrisikobereich" wird dabei unabhängig davon angenommen, ob die normstruk-
1"
Vgl. Leiner, NVwZ 1991. 844, 846.
II. Einfachgesetzliche Auflösung der Konfliktsituation .. Bestandsschutz..
195
turelle Parallelität des § 17 Abs. I S. 3 zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG auf die Tatbestandsseite beider Nonnen beschränkt und dementsprechend die Ausgestaltung auch des § 17 Abs. I S. 3 AtG als Ermessensvorschrift verneint wird oder nicht. Im ersten Fall steht allein die Entscheidung über die atomrechtliche Genehmigung, hingegen nicht auch die Anordnung nachträglicher "Auflagen" im Ermessen der Behörde, so daß sich nachträgliche Maßnahmen zur "Restrisiko"minimierung bereits von der so verstandenen Normstruktur des § 17 Abs. I S. 3 AtG her verbieten. ln dem anderen Fall, also wenn man- mit guten Gründen und wie hier - einen behördlichen Ermessensspielraum auch im Rahmen des § 17 Abs. I S. 3 AtG akzeptiert, läßt sich die Ausgrenzung des "Restrisikobereichs" allerdings allein mit Bestandsschutzerwägungen begründen 17 • Nachträgliche Anordnungen im "Restrisikobereich" sind nach dieser Auffassung unzulässig, da hier das Ermessen des § 17 Abs. I S. 3 AtG erst gar nicht eröffnet ist, weil Gründe des Bestandsschutzes einer fehlerfreien Ausübung des Ermessens entgegenstehen~~. Zum anderen steht zu bedenken, daß die Methoden zur Bestimmung der definitiven Beteiligungsverhältnisse in der Wirtschaftswissenschaft bis in die jüngste Zeit hinein ungesichert sind 132 • Darüber hinaus wären die Überwachungsbehörden gehalten, jede Veränderung der Kapitalverhältnisse zu registrieren, um festzustellen, ob sich die Beteiligung der öffentlichen Hand entscheidend geändert hat 133 • Die hierzu notwendigen exakten Zuordnungen erfordern nicht nur außerordentlich aufWendige mathematische Operationen, sondern vor allem die Bestimmung eines wie auch immer festgesetzten Beteiligungsschlüssels, d.h. eines genauen Grenzwertes der
127 Maser. Die Geltung der Grundrechte tlirjuristische Personen und teilrechtstahige Verbände. S. 158 tt: 12x Vgl. auch § 53 Abs. I HGrG - besonderes Prütimgsrecht gegenüber privatrechtliehen Unternehmen: kritisch zur Heranziehung speziell dieses Quotentatbestandes für die genauere Fixierung der generellen Grundrechtsberechtigung nach Art. 19 Abs. 3 GG als materielles Problem: SchmidtAßmann. BB 1990, Beilage 34 zu Heft 27. I. 10 f 129 Jarass, WirtschaftsveJWaltungsrecht und Wirtschaftsverfassungsrecht § 16 Rdnr. I. 130 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz. S. 98 Fn. 44: Bethge. Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, S. 66 Fn. 142: vgl. auch Bachot: in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner. Die Grundrechte, Bd. 11111, S. 155, 180 Fn. 102: Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der ötlentlichen Unternehmen, S. 92 f mit Fn. 223: für den Bereich der Kernenergienutzung wohl auch Degenhart. Kemenergierecht. S. 184 tr. 131 Zutretlend Schmidt-Aßmann. BB 1990. Beilage 34 zu Heft 27, I. 10. 132 Vgl. Schmidt-Aßmann, BB 1990. Beilage 34 zu Heft 27. I. 3. 133
Siehe auch Hartung. DÖV 1992.393.397.
111. Verfassungsrechtliche Absicherung im Lichte des Art. 14 GG
229
Kapitalanteile der öffentlichen Hand. Mangels vorhandener nachprüfbarer Kriterien muß aber jeder Grenzwert als willkürlich erscheinen, so daß sich eine differenzierende Beurteilung der Grundrechtsfiihigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen und damit auch der Kernkraftwerksbelreiber als wenig zweckmäßig, wenn nicht gar als unmöglich erweist 134• Etwas anderes darf dann konsequenterweise auch nicht in den Fällen eindeutiger (?) Beherrschung durch die öffentliche Hand und entsprechenden Bagatellbeteiligungen privaten Kapitals in Erweiterung der Ausnahmerechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den I 00 % vom Staat beherrschten Privatunternehmen - gelten m. Das Problem der Grundrechtsberechtigung läßt sich nach alledem nur einheitlich lösen.
(5) Gesellschaftsrechtliche Einflußnahmemöglichkeiten der öffentlichen Hand Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Kammer-Beschluß vom 16. 5. 1989 davon aus, daß auch bei einer Beteiligung der öffentlichen Hand von unter 100 % die Möglichkeit des Staates besteht, auf die Geschäftsführung entscheidenden Einfluß zu nehmen. Gewiß mag es zutreffen, daß die Kapitalmehrheit dem Mehrheitseigner entscheidende Einflußnahmemöglichkeiten in tatsächlicher Hinsicht verschaffi und die juristische Person des öffentlichen Rechts entsprechend der Höhe ihres Anteilseigentums in den Organen der Gesellschaft oft tatsächlich das "Sagen" hat. Rechtlich gesehen müssen diese Einflußnahmemöglichkeiten aber die Grenzen des Gesellschaftsrechts beachten. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften des Gesellschaftsrechts weisen in diesem Punkte jedoch auffällige Unterschiedlichkeilen auf, je nach dem, ob eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder aber eine Aktiengesellschaft betroffen ist 11''. (a) Die Rechtslage bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung
§ 37 GmbHG bestimmt, daß die Gesellschafter, im Falle der gemischt-wirtschaftlichen Setreibergesellschaften also auch die jeweilige(n) öffentlich-rechtliche(n) Körperschaft(en), grundsätzlich in allen Fragen beschließen und darüber hinaus dem Geschäftsführer bindende Weisungen erteilen können 137 • Allerdings muß sich dieses Weisungsrecht auf grundsätzliche Fragen beschränken, wenn ein
134 Ablehnend auch von Mutius. in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz. Art. 19 Abs. 3. Rdnr. 147; Klein. Die Teilnahme des Staatesam wirtschaftlichen Wettbewerb. S. 235; Piittner. Die ötlentlichen Unternehmen. S. 120 f.; Schmidt-Aßmann. BB 1990. Beilage 34 zul-leti 27. I. 10; Kühne. JZ 1990,335. 336; Hartung, Die Atomaufsicht S. 57 f
So aber Schmidt-Aßmann, BB 1990. Beilage 34 zu Heti 27. I. I 0. Siehe hierzu vertiefend Zimmcnnann. JuS 1991 . 294.297 ll m Vgl. auch Rcinhard. DÖV 1990. 500. 502: ferner Schob:. GmhHG. § 37 Rdnr. 29: Zöllner. in: Baumbach/Hueck, GmhHG. § 52 Rdnr. 4. 1"
136
230
F. Tatsächlicher Bestandsschutz
nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder dem Mitbestimmungsgesetz obligatorischer Aufsichtsrat besteht, da die über den Aufsichtsrat vermittelte Mitbestimmung ansonsten leerlaufen würde 1 ~' . Dennoch sind die Befugnisse des Geschäftsführers im Innenverhältnis jederzeit beschränkbar, § 37 Abs. 2 GmbHG, womit dem Geschäftsführer das Recht zur eigenverantwortlichen Leitung der Geschäfte ausdrücklich versagt ist. Verstärkt werden die Einflußmöglichkeiten seitens der Gesellschafter auf die Geschäftsführung noch durch die umfassenden allgemeinen Rechte und besonderen Aufgaben der§§ 45, 46 GmbHG. (b) Die Rechtslage bei Aktiengesellschaften Bei denjenigen Energieversorgungsunternehmen, die in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betrieben werden, stellt sich in dem hier interessierenden Zusammenhang vorrangig die Frage, wie "entscheidend""'' die Einflußnahme der Gesellschafter auf die Willensbildung des Vorstands ist. Dabei ist festzustellen, daß - im Unterschied zur Position der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - dem Vorstand einer Aktiengesellschaft kraft der ihm vom Aktiengesetz in § 76 Abs. I zwingend eingeräumten starken Stellung bei der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft ein stärkeres "Eigenleben" gewährt ist'~". Hiernach hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Dies gilt bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages (vgl. § 17 Abs. I AktG) auch im Abhängigkeitsverhältnis. Denn auch der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft ist keinesfalls verpflichtet, sein Verhalten an Veranlassungen des herrschenden Unternehmens auszurichten 1 ~ 1 • Hinzu kommt, daß der Vorstand den Weisungen des Mehrheitsaktionärs, und sei dies auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, grundsätzlich nicht unterworfen ist. Gegenteiliges könnte nicht einmal im Satzungswege festgelegt werden 1• 2• Darüber hinaus sind auch die von der öffentlichen Hand entsandten Mitglieder des Aufsichtsrates weder an Weisungen und Aufträge der Hauptversammlung noch einzelner Aktionäre gebunden. Denn die Aufsichtsratsmitglieder haben ausschließlich die Interessen der Gesellschaft und des Unternehmens zu wahren, vgl. § 93 Abs. I i.V. mit§ 116 AktG, die im Einzelfall ohne weiteres von denen der Anteilseigner und
"' Püttm:r. NVwZ 1988. 121. 125. "'' BVerfG, Beschluß der 3. Kammer des I. Senats vom 16.5.1 989. NJW 1990. 1783. 1• 0 Vgl. Emmerich. Das Wirtschaftsrecht der ötlentlichen Untcmehmcn. S. 198 tl: Büchner. Die rechtliche Gestaltung kommunaler öllcntlichcr Untemchmen. S. 194 IL I-fenn. Handbuch des Aktienrechts, S. 178 tL Reinhard. DÖV 1990. 500. 502.
1• 1 H.M., vgl. nur Koppensteincr. in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz. § 311 Rdnr. 90 m.w.Nachw. 1• 2 Zöllner. in: Kölner Kommentar zum Aktiengcsctz. Vorbemerkung vor § 394 Rdnr. I 0: siehe auch Pieroth. NWVBI. 1992, 85. 87.
111. Verfassungsrechtliche Absicherung im Lichte des Art. 14 GG
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der Entsendungsberechtigten abweichen können. Selbst die von der öffentlichrechtlichen Körperschaft entsandten Mitglieder des Aufsichtsrates sind ungeachtet ihrer dienstrechtlichen Weisungsgebundenheit im Zweifelsfall gehalten, die Interessen der Gesellschaft vor die Interessen der entsendungsberechtigten Körperschaft zu stellen 141 • Schließlich ist gerade für den Sonderfall der gemischtwirtschaftlichen Unternehmensform auf die speziellen Einwirkungsmöglichkeiten der privaten Kapitalgeber hinzuweisen, die ebenfalls einem unbeschränkten Bestimmungsrecht der öffentlichen Anteilseigner wirksam entgegenstehen. Dies gilt vor allem flir die - nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 144 auch verfassungsrechtlich bzw. grundrechtlich, zum Beispiel durch Art. 14 GG - geschützte Garantie des Minderheitenschutzes zugunsten der privaten Anteilseigner im Aktienrecht 14;. (c) Zwischenergebnis Unter den beschriebenen gesellschaftsrechtlichen Vorzeichen stößt der mehr pauschalierende Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf die entscheidenden Einflußnahmemöglichkeiten der öffentlichen Hand als Mehrheitseigner - im Aktienrecht mehr noch als im GmbH-Recht - auf gewisse Zweifel. Sicherlich ist- so bei Aktiengesellschaften- die Hauptversammlung nicht gehindert, einzelne oder auch alle Vorstands- und/oder Aufsichtsratsmitglieder abzulösen. Gleichwohl darf nicht verkannt werden. daß bei den selbständigen privatrechtlich organisierten Rechtssubjekten unter Umständen auch eine gewisse "Staatsdistanziertheit" angenommen werden muß 14''. Jedoch ist dies eher ein tatsächliches denn ein rechtliches Problem und hängt die Frage des "entscheidenden Einflusses" des Mehrheitseigners ganz von der "Standfestigkeit" des Vorstands ab 147• Jedenfalls erscheint - nicht zuletzt aufgrund der flir das Aktienrecht konstatierten gesellschaftsrechtlichen Ausgangspunkte - der vom Bundesverfassungsgericht wie selbstverständlich ausgemachte beherrschende Einfluß der öffentlich-rechtlichen Körperschaften in den gemischt-wirtschaftlichen Energieversorgungsunternehmen nicht ohne weiteres und in jedem Einzelfall begründbar.
143 So der BGH in ständiger Rechtsprechung. vgl. nur BGI-IZ 36. 296. 307: Ierner Zimmennann, JuS 1991 , 294.298. 144
Siehe BVertGE 14. 263.276 11'.
Die Frage soll im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter vertieft werden: näher hierzu Koppensteiner, NJW 1990.3105. 3110 f m.w.Nachw. 14 ;
Zu diesem bereits thihzeitig erkannten Spezilikum. gerade unter dem Blickwinkel der Grundßettennann. NJW 1969. 1321 IL Stern. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 11111, § 71 pa~sim : Zinunenmmn. JuS 1991.294. 299. 14"
rechtssu~jektivität, 147
Die Fonnulierung findet sich bei Koppenstciner. NJW 1990. 1305. 1309.
232
F. Tatsächlicher Bestandsschutz
(d) "lnteressenidentität" anstaU "Einflußnahmemöglichkeit" als Maßstab des Art. 19 Abs. 3 GG Die gesamte Diskussion um die Intensität des möglichen Einflusses der öffentlichen Hand auf die Geschäftsführung des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens verkennt, daß der eigentliche Maßstab der Anerkennung bzw. Ablehnung der Grundrechtsfähigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen nicht die Einflußnahmemöglichkeiten, sondern vielmehr allein das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein von "lnteressenidentität" ist'~". Lediglich bei einer Gesellschaft des Privatrechts, deren Anteile sich zu 100% in öffentlicher Hand befinden, kann insofern die Ausnahme von der zugunsten juristischer Personen des Privatrechts regelmäßig eingreifenden Gewährleistung des Art. 19 Abs. 3 GG überhaupt zum Tragen kommen, weil diese Gesellschaft keine Interessen "repräsentieren" kann, die sich von denen des Kapitaleigners unterscheiden. Demgegenüber kann bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, an denen auch Private beteiligt sind, der Gesellschaftszweck nicht mehr mit dem Aufgabenerfüllungsinteresse des öffentlich-rechtlich verfaßten Mehrheitseigentümers gleichgesetzt werden'~".
(6) Schutzbedürftigkeit der am Unternehmen beteiligten privaten Anteilseigner Die Verneinung der Grundrechtssubjektivität der gemischt-wirtschaftlichen Setreibergesellschaften läßt zudem die Rechte der privaten Anteilseigner völlig unberücksichtigt. Dies gilt selbst dann, wenn auch nur ein einziger Privatmann überdies sehr geringe Anteile am Unternehmen besitzt'"'. Gerade das Aktieneigentum kann als gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum dem staatlichen Handeln im Außenverhältnis. das nicht aus der Gesellschafterstellung heraus, sondern hoheitsrechtlich erfolgt, rechtlich nur mittelbar und daher mit verminderter Schutzintensität entgegengehalten werden 151 • Diese grundrechtliche Schlechterstellung der privaten Aktionäre in gemischt-wirtschaftlichen Unter-
14 "
Ebenso Koppensteiner. NJW 1990. 3105. 3109.
14''
Siehe auch Püttner. Die ötli:ntlichen IJntemehmcn. S. 235 f
150 So auch Bleckmann. Staatsrecht II -Die Grundrechte. S. 100: .larass. Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsvcrfassungsrecht. § 16 Rdnr. 18: Stem. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 111/1. S. 1170: von Mutius. Jura 1983. 30. 41: Ehlcrs. Verwaltung in Privatrechtstonn. S. 85: Kühne. JZ 1990. 335. 336: Sclunidt-Aßmann. ßß 1990. Beilage Nr. 34 zu lieft 27. I. 13: ders .. in: Festschrift llir Niederländer. S. 383.395 tL Pieroth. NWVBI. 1992. 1!5. 1!7.
1; 1 Vgl. tur den verfassungsrechtlichen Schutz im lnncnverhältnis. d.h. des Schutzes der Vermögensinteressen von Minderheitsaktionären gegenüber der Mehrheit auch Koppensteiner. NJW 1990. 3105,3113 [.der in erster Linie hieraus die (irundrechtstlihigkcit von (iescllschatkn. an denen Private beteiligt sind. herleitet. Die Eri\rterung dieser Prohlematik würde _jedoch den vnrgegehencn Rahmen sprengen, siehe auch den Hinweis ollenunter F. 111. 2. c) cc) (5) (b) a.l'.
111. Verfassungsrechtliche Absicherung im Lichte des Art. 14 GG
233
nehmen ließe sich nur unter der Voraussetzung abwenden, daß bei Grundrechtsverletzungen gegenüber dem Unternehmen die Aktionäre selbst die Verletzung eigener Grundrechte geltend machen könnten, ein Umweg, der in der Mehrzahl der Beeinträchtigungen nicht gangbar sein dürfte 152 • Einzig über die Bejahung der kollektiven Durchsetzung von Grundrechten gegenüber dem Staat, also des Grundrechtsschutzes des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens, ist ein wirksamer Individualrechtsschutz erzielbar. Dies entspricht letztlich auch dem Grundgedanken des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen auf die Freiheitsbetätigung der hinter diesen stehenden privaten natürlichen Personen zurückgeführt wird.
(7) Grundrechtsfähigkeit und wirtschaftsverwaltungsrechtliche Sonderbindungen Die Grundrechtsfähigkeit der Harnburgischen Elektricitäts-Werke AG wurde vom Bundesverfassungsgericht darüber hinaus mit dem Argument verneint, das Unternehmen unterliege aufgrunddes Energiewirtschaftsgesetzes und der hierauf beruhenden Verordnung über Allgemeine Bedingungen ftir die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden insbesondere im Hinblick auf Versorgungspflicht und Versorgungsbedingungen so starken Bindungen, daß in dem hier interessierenden Zusammenhang von einer privatrechtliehen Selbständigkeit nahezu nichts übrig bleibe 1'J. Inwieweit dieser Gesichtspunkt Widerspruch bereits insoweit hervorruft, als einfaches Gesetzesrecht zwar grundrechtliche Gewährleistungen beschränken könne, hingegen keinen Rückschluß auf das Nichtbestehen der Grundrechtssubjektivität gestatte, weil dies nur anhand der Verfassungsnorm des Art. 19 Abs. 3 GG selbst bzw. mittels der Verfassungsinterpretation erfolgen könne, mag dahingestellt bleiben 154 • Jedenfalls kann den in Bezug genommenen Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes und der Versorgungsbedingungen nicht entnommen werden, daß die mit bestimmten Versorgungs- und Tarifpflichten belasteten Unternehmen in ihrem Grundrechtsstatus wie die öffentliche Hand zu behandeln wären. Vielmehr knüpfen jene Bindungen ganz allgemein an die Versorgungstätigkeit an, nicht aber an eine besondere öffentlich-rechtliche Position der Versorgungsuntemehmen. Insoweit unterscheiden sich gemischt-wirtschaftliche Unternehmen in nichts von rein privatrechtliehen Energiewirtschafts-
152 Vgl. von Mutius, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 Abs. 3. Rdnr. 9; Kühne, JZ 1990.335.336. 15)
BVertG, NJW 1990. 1783.
So aber Zimmennann, JuS 1991.294, 299. der diesen Grundsatzjedoch z.B. tlir die Errichtung der rechtstl!higcn juristischen Person. z.ß . einer ötkntlich-rcchtlichen Stittung, sogleich wieder einschränkt. 154
234
F. Tatsächlicher Bestandsschutz
unternehmen, für die die Grundrechtsfähigkeit jedoch ohne weiteres bejaht wird' 55 . Dies muß erst recht für diejenigen die Kernkraftwerksbetreiber treffenden rechtlichen Bindungen gelten, die sich aufgrund des Atomgesetzes und der auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen ergeben. Regelungen dieser Art, die regelmäßig das Ergebnis der Anerkennung und Abwägung der gegensätzlichen Interessenlagen und damit stets zugleich Interessenausgleichsregelungen sind, finden sich auf anderen Gebieten des Wirtschaftsverwaltungs- und des Umweltrechts in gleicher Weise. Hier wird aber ebensowenig behauptet, daß aufgrund entsprechender gesetzlicher Bindungen von einer privatrechtliehen Selbständigkeit der Unternehmen nahezu nichts übrig bleibe und diesen daher der Grundrechtsschutz von vornherein zu versagen sei. (8) Grundrechtsfähigkeit und ~[(entliehe Aufgaben
Zu untersuchen bleibt, ob schließlich mit dem ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht in seinem Kammer-Beschluß vom 16.5.1989' 5' angeführten Kriterium der ,,öffentlichen Aufgaben" ein Abgrenzungsmerkmal zur Verfügung steht, welches als Maßstab für die Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG geeignet ist. Unter "öffentlichen Aufgaben" sind die Tätigkeitsbereiche zu verstehen, die den öffentlichen Interessen entsprechen 157 . Dies ist für den hier maßgeblichen Bereich der Stromerzeugung durch Kernenergie anzunehmen. Dabei kann die "Öffentlichkeit" dieser Aufgabe noch nicht durch die Entwicklungen der 80er Jahre, nämlich dem Auseinanderbrechen des energiepolitischen Konsenses, dem "Ausstieg" auf Landesebene oder der Standortsuche im Ausland verneint werden15". Denn, wie oben"'' in anderem Zusammenhang ausgeführt, dokumentieren sowohl die Verfassungsrechtslage als auch die Gesetzeslage nach dem Atomgesetz eine prinzipiell positive Grundentscheidung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie als gleichberechtigt neben anderen Fonneo der Energiegewinnung. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß die Aufgabe "Stromerzeugung durch Kernenergie" eine öffentliche Aufgabe ist, die den Reaktorbetreibern, wenn auch nicht ausdrücklich gesetzlich, so aber doch jedenfalls stillschweigend zugewiesen ist. 155 Vgl. dazu Ehlers. Verwaltung in Privatrechtslonn. S. 130 IL Biichner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler ötlentlicher Unternehmen. S. 133 !L Koppensteiner. NJW 1990. 3105, 3109: Schmidt-Aßmann. BB 1990. Beilage Nr. 34 zu Heft 27. I, 14: Zimmennann. JuS 1991, 294. 299. NJW 1990. 1783. Vgl. BVer!GE 15. 235. 241: 53, 366, 40 I: ferner lsensec. in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.). Handbuch des Staatsrechts. Bd. 111. §57 Rdnr. 136 m.w.Nachw. 15" So aber Hartung, Die Atomautsicht. S. 63 tr 156 157
15 ''
Siehe E. II. 3.
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Jedoch erweist sich das Kriterium der öffentlichen Aufgabe als solches und für sich genommen als untauglich zur Bestimmung der Grundrechtsfähigkeit im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG. Dies folgt zum einen daraus, daß der Begriff "öffentliche Aufgabe" - ähnlich wie der Begriff "Daseinsvorsorge" - aufgrund seiner beschreibend-analytischen, nicht aber dogmatischen Natur viel zu unscharf ist, um statusunterscheidende Kraft entfalten zu können 1"". Zah !reiche öffentliche Aufgaben werden überwiegend oder zumindest auch von privaten Wirtschaftssubjekten wahrgenommen. Nicht zuletzt entspricht es dem in der Verfassung begründeten Verhältnis von Staat und Gesellschaft, daß öffentliche Aufgaben nicht pauschal dem Staat zur alleinigen Wahrnehmung überantwortet sind 161 • Soweit die Stromerzeugung durch Kernenergie besondere Sicherheiten erfordert, sind gerade die Überwachungsvorschriften des Atomgesetzes ein geeignetes Mittel, um den erforderlichen Interessenausgleich zwischen Betreibern auf der einen und schützenswerten Drittbetroffenen auf der anderen Seite herzustellen. Zudem ist ein alleiniges Abstellen auf das Kriterium der Zuweisung einer öffentlichen Aufgabe auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur ausnahmsweisen Nicht-Grundrechtsfähigkeitjuristischer Personen des Privatrechts nicht ausreichend. Dieser Ausnahmetatbestand soll vielmehr nur dann zum Tragen kommen, wenn die privatrechtlich organisierte Personenvereinigung als Teil einer gesetzlich geregelten Organisation erst durch staatlichen Akt Rechtsfähigkeit erlangt hat 11' 2 • Jedenfalls an dieser weiteren Voraussetzung fehlt es aber bei den durchweg als Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Aktiengesellschaft organisierten Kemkraftwerksbetreibergesellschaften. Auch das Merkmal der Zuweisung einer öffentlichen Aufgabe ist folglich - für sich genommen - als Maßstab zur Beurteilung der Grundrechtsfähigkeit der Setreiber von Kernkraftwerken unbrauchbar.
1"" Vgl. insbesondere tlir den Begriff der Da~einsvorsorge Löwer. Energieversorgung zwischen Staat. Gemeinde und Wirtschaft. S. 134 tr. m.zahlr.w.Nachw.: Ierner Büdenbender, Energierecht, Rdnr. 971; Evers. Das Recht der Energieversorgung. S. 69; Schmidt-Aßmann. BB 1990. Beilage 34 zu Heft 27. I. 14: Koppensteiner. NJW 1990. 1305. 1308. 11>1 Vgl. zum Verhältnis ötlentlicher Aufgaben und Staatsautgaben auch lsensee. in: lsensee/Kirchhof (Hrsg.). Handbuch des Staatsrechts, Bd. 111. § 57 Rdnr. 136; speziell zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge Riither. in: lsensee/Kirchhof (Hrsg. ). Handbuch des Staatsrechts. Bd. 111. § 80 Rdnr. 28. 162 Siehe BVertGE 68. 193. 213 sowie die grundlegenden Austlihrungcn hierzu oben unter F. 111. 2. c) bb) (2) und (3); vgl. auch Scholz. in: Festschrift tlir Lorenz. S. 213.231. sowie .Jarass. in: Jarass/Pieroth. Grundgesetz. Art. 19 Rdnr. 13a. die erst bei Vorliegen einer echten Beleihung die Gnmdrechtstahigkcit der juristischen Person des Privatrechts. die öllentliche Aufgaben erfüllt, entfallen lassen wollen.
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F. Tatsächliclu:r Bestandsschutz
(9) Grundrechtsfähigkeit und staatlich-private Einheit im Atomrecht Zur Versagung des Grundrechtsschutzes der Reaktorbelreiber käme hiernach allenfalls noch eine aus der engen Verflechtung von Staat und Betreibern im Bereich der Kernenergie resultierende besondere Interessenlage der Setreiber in Betracht. So wird die Auffassung vertreten, das das Recht der Kernenergienutzung bestimmende Ordnungsmodell sei nicht das der staatlicherseits vorgefundenen, autonomen Unternehmerwirtschaft, die staatlicherseits lediglich gefahrenabwehrend zu überwachen wäre. Die relevante Normsituation sei vielmehr gekennzeichnet durch die maßgeblich auch staatlicherseits veranlaßte und verantwortete Entwicklung der Atomkraft, bei der staatliche und privatwirtschaftlich organisierte Bereiche in wechselseitiger Abhängigkeit miteinander kooperierten. Damit fehle es an der grundrechtstypischen Interessenpolarität zwischen privatnütziger Wirtschaftstätigkeit und staatlicher Wahrung öffentlicher lnteressen 11'>. Diese Überlegungen rufen in mehrerlei Hinsicht Widerspruch hervor. Zunächst ist die beschriebene Konstellation nicht allein auf das atomrechtliche Überwachungsverfahren beschränkt. Vielmehr findet sich eine enge Kooperation zwischen Setreiber und Behörde mehr oder weniger stark ausgeprägt auch in anderen Fällen einer notwendigen engen Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und privaten Unternehmen, von der Errichtung einer einfachen baulichen Anlage bis hin zum Betrieb einer konventionellen Großanlage. Jedesmal sind aber auch hier divergierende Interessen auszugleichen und Rechtspositionen abzugrenzen, die des grundrechtliehen Schutzes bedürfen und diesen auch in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus wird auch das Interesse Dritter an einem effektiven Rechtsschutz bei Anerkennung eines Grundrechtsschutzes der Setreiber in keiner Weise vernachlässigt''"'.
(1 0) Grundrechtsfähigkeit und grundrechtstypische G~fährdungslage Noch entscheidender ist folgendes: Sämtliche Kernkraftwerksbetreibergesellschaften, auch diejenigen, hinter denen neben juristischen Personen des Privatrechts auch öffentlich-rechtliche Körperschaften stehen, befinden sich in einer grundrechtstypischen Geflihrdungslage, d.h. in einer den natürlichen Personen, die gegen den freiheitsgefährdenden Staat den Schutz der Grundrechte genießen, vergleichbaren Lage 1r,; . Denn sie alle unterliegen -jedenfalls im hier interessie163 Siehe Degenhart, Kemenergierecht, S. 182 !L dens .. DVBI. 1983. 926. 928; Winter, NJW 1979. 393. 399.
Hieraufhat bereits Knüppel. DÖV 1981. 19. 20. mit Recht hingewiesen. Vgl. hierzu von Mutius. in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz. Art. 19 Abs. 3. Rdnr. 114; Krebs, in: von Münch/Kunig (Hrsg.). Grundgesetz-Kommentar. Art. 19 Rdnr. 39; Pieroth/Schlink, Grundrechte- Staatsrecht II. Rdnr. 183. 164
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renden Bereich der (atomrechtlichen) Überwachung - als Adressaten einer sie belastenden nachträglichen behördlichen Anordnung in gleicher Weise der Entscheidungs- und Rechtsprechungsgewalt staatlicher Organe 1hl' und sind deshalb insoweit auch gleich bedürftig, in den Schutz der Grundrechte zu kommen. Sollte etwa ein Reaktorbetreiber zu unverhältnismäßigen Nachrüstungsmaßnahmen an seiner Anlage gezwungen werden, ohne daß die Behörde bereit wäre, hierfür eine angemessene Entschädigung zu leisten, läßt sich ein dem Grundgesetz entsprechender Schutz privater Anteilseigner nur dann sicherstellen, wenn den Setreibergesellschaften eine Kontrollmöglichkeit auf der Grundlage von Art. 14 GG eingeräumt ist. Denn auch die öffentlich beherrschten Unternehmen genießen gegenüber den überwiegend oder gar rein unter Beteiligung privater Gesellschafter geführten Betrieben keinerlei "Vorrechte", wie sie mit der Stellung juristischer Personen des öffentlichen Rechts verbunden sind (sogenannte "Fiskusprivilegien")"'7. Vor allem hinsichtlich der Frage des Verantwortlichen differenziert § 17 Abs. I S. 3 AtG wie auch die übrigen Überwachungsvorschriften nach dem Atomgesetz nicht zwischen öffentlich und privat beherrschten Überwachungsptlichtigen 16". dd) Ergebnis Mit Ausnahme derjenigen Betreibergesellschaften, an denen der Anteil der öffentlichen Hand I 00 % beträgt. müssen auch Kernkraftwerksbelreiber den grundrechtliehen Schutz in Anspruch nehmen können. Dabei kommt es, sofern jedenfalls eine Privatperson Anteile - und seien es auch nur geringe - an dem Unternehmen besitzt, weder auf die Beteiligungsverhältnisse, noch auf die atomgesetzlichen Bindungen, noch auf die Wahrnehmung einer gesetzlich zugewiesenen öffentlichen Aufgabe "Stromerzeugung durch Atomkraft" und auch nicht auf die gegebenenfalls bestehende staatlich-private Einheit im Bereich der Kernenergie an. Nur so wird dem Art. 19 Abs. 3 GG hinreichend Rechnung getragen, dessen vorrangiges Anliegen es ist, die in einer Personenvereinigung repräsentierten Freiheiten natürlicher Personen durch Grundrechtssubjektivität der juristischen Person zu schützen. Schon allein aufgrund ihrer privaten Rechtsform als Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Aktiengesellschaft sind die überwiegend gemischt-wirtschaftlichen - Kernkraftwerksunternehmen danach grundrechtsfahig. Lediglich dann kann die Privatrechtsform nicht entscheidend
von Mutius. in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz. An. 19 Abs. 3. Rdnr. 118. BVertGE 61. 82. 106: siehe auch Hartung. Döv 1992.393. 400 mit Fn. 97: ferner Stern. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 111/1. S. 1170. der darauf hinweist. daß die gemischt-wirtschaftlichen Untemehmen durchweg marktwirtschaftlich tätig sind: ähnlich Richter. Nachrüstung von Kemkraftwerken. S. 62 f 1"" Ebenso Richter, Nachrüstung von Kcmkrallwerken. S. 63: Hartung. Die Atomaufsicht S. 66. 1"''
167
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F. Tatsächlicher Bestandsschutz
sein, wenn eine juristische Person des Privatrechts sich zu I 00 % in der Hand einer juristischen Person des öffentlichen Rechts befindet. Diese Ausnahme bestätigt die zuvor getroffene Regelaussage, die zudem im Interesse der Rechtsklarheit, der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ein leicht identifizierbares Unterscheidungskriterium zur Frage der Grundrechtsfähigkeit nach Art. 19 Abs. 3 GG bereithält 1"''. Demgegenüber sind die Nachteile und Gefahren eines Abstellens auf die Beteiligungsverhältnisse offenkundig. Der Staat könnte, sobald er mit grundrechtliehen Gewährleistungen der Energieversorgungsunternehmen in Konflikt zu geraten droht, sich an diesen Unternehmen nachträglich - überhaupt oder in größerem Umfang als bisher - beteiligen und diesen damit die Möglichkeit abschneiden, gegen beabsichtigte staatliche Maßnahmen. etwa nachträgliche Anordnungen, verfassungsgerichtlich vorzugehen 11". Die Anerkennung der generellen Grundrechtsfähigkeit schließt es aus, daß der eingreifende Staat sich bei allem seinem Handeln in einem grundrechtsfreien Raum wähnen und überdies ohne verfassungsgerichtliche Kontrolle agieren darf. Schließlich verlangt es der Schutz der am Wirtschaftsleben teilnehmenden öffentlichen Hand nicht, den privaten Partnern besondere Beschränkungen aufzuerlegen, etwa in der Weise, daß den gemeinsam unterhaltenen Unternehmen ein Rechtsstatus vorenthalten wird, der mit der Privatrechtsfonn im Wirtschaftsverkehr herkömmlich verbunden ist 171 • Denn die öffentliche Hand hat es grundsätzlich in der Hand, ob sie in ein Beteiligungsverhältnis mit privaten Kapitaleignern eintreten will. Möchte sie daraus gegebenenfalls resultierende Bindungen vermeiden, so muß die Verwaltung in letzter Konsequenz von einer privatrechtsfönnigen Kooperation Abstand nehmen. Sind die Grundrechte im Bereich der Atomüberwachung folglich "ihrem Wesen nach" anwendbar, so trifft dies auch für die im vorliegenden Zusammenhang unter Bestandsschutzgesichtspunkten maßgeblichen Grundrechte der Art. 14 Abs. I und 12 Abs. I GG zu. Dies wäre nur dann zu verneinen, wenn die beiden Grundrechte an natürliche Qualitäten des Menschen anknüpften. was jedoch für die sogenannten Wirtschaftsgrundrechte ausgeschlossen werden kann 172 .
169 Siehe auch Klein. Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb. S. 234 Fn. 30: Püttner, Die öflentlichen Untemchmen. S. 120: Schmidt-Aßmann. in: Festschrift tlir Niederländer. S. 383, 394; dens .. BB 1990, Beilage 34 zu Heft 27. I. 10.
171
Instruktiv Zimmermann. JuS 1991.294.300. Siehe hierzu Schmidt-Aßmann. BB 1990. Beilage 34 zu Heft 27. I. II.
172
Vgl. BVertGE 4, 7, 17; 21,261,266.
170
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3. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff im Hinblick auf nachträgliche Anordnungen
a) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aa) Eigentumsschutz des Unternehmens Gleichgültig, ob man dem seinerzeit vom Bundesgerichtshoffavorisierten bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriffn folgt oder ob der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff des Bundesverfassungsgerichts 17~ den Vorzug verdient, besteht insoweit Übereinstimmung, als Art. 14 GG nach heutigem Verständnis alle Rechtspositionen schützt, die in irgendeiner Form vermögensrechtliche Relevanz entfalten 175 • Da dies jedenfalls uneingeschränkt für diejenigen vermögenswerten Rechte gilt, die privatrechtlicher Natur sind, unterliegt es keinem Zweifel, daß die einzelnen Anlagenbestandteile sowie die dem Kemkraftwerksbetreiber zustehenden einzelnen Rechte, die in dem Unternehmen zusammengefaßt sind, eigentumsrechtlich geschützt sind. Fraglich ist, ob daneben auch das Unternehmen in seiner Gesamtheit als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, d.h. als über das einzelne Sacheigentum und die sonstigen Rechte desBetreibers hinausgehendes Gesamtgefüge, von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erfaßt wird. Das Recht am Unternehmen ist von der zivilrechtliehen Rechtsprechung zur Ausfüllung des deliktischen Schutzes entwickelt worden für gesetzlich nicht erfaßte, aber als regelungsbedürftig angesehene Beeinträchtigungen der Wirtschaftstätigkeitm.. Insbesondere die daraus resultierende tatbestandliehe Unschärfe und generalklauselartige Weite jener ausfüllungsbedürftigen Rechtsposition, deren Inhalt nur durch eine wertende Betrachtungsweise im Einzelfall zu ermitteln ist, was teilweise zu Widersprüchlichkeiten in der Judikatur gefUhrt hat, hat dem Institut schon frühzeitig Kritik eingebracht und nicht nur seine Eigenschaft als sonstiges Recht im Sinne des § 823 BGB, sondern auch als Eigentumsgrundrecht im Sinne von Art. 14 GG in Frage gestellt 177 • Dessen ungeachtet ist m Vgl. hierzu BGHZ 6. 270.276 tL 60. 126. 130 L 60. 145. 147. BVertGE 36.281, 290; 42.263. 292 f.; 58.300,335 f 175 Vgl. nur Papier. in: Maunz!Dürig. Grundgesetz. Art. 14 Rdnm. 56 n: m.w.Nachw. 176 Vgl. etwa BGHZ 23. 157. 163:45.83. 87; 55.261. 263; 67. 190, 192; 81. 21.33: 92.34.37. 177 Vgl. aus der Literatur zum ötlentlichen Recht Badura. AöR (98) 1973. 153. 163: Pertenhammer, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gewerbeschädigenden Äußerung aus kritischer Sicht. S. 81. 85: Aicher. Grundtragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eigentumsbeeinträchtigungen. S. 340: Mcyer-Abich. Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie. S. 82; Sendler, UPR 1983, 33, 36: Dolde. NVwZ 1986. 873. 874 Fn. 15: Rittstieg, in: Altemativkommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnm. 99 f : Kutschera. Bestandsschutz im ötlentlichen Recht. S. 41 tr: Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.). Gnmdgesetz-Konunentar. Bd. I. Art. 14 Rdnr. 18. 174
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F. Tatsächlicher Bestandsschutz
mit dem Bundesgerichtshof, dem Bundesverwaltungsgericht17" und Teilen der Literatur 17'' der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als eigentumsrechtlich geschützte Position anzuerkennen. Geschützt sind hiernach nicht nur der eigentliche Bestand des Betriebes, die Betriebsgrundstücke und -räume, die Einrichtungsgegenstände, Warenvorräte und Außenstände, sondern auch die geschäftlichen Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm, also "alles das, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Betriebes ausmacht"'"". Gewerbebetrieb meint mit anderen Worten die Gesamtheit der sachlichen, persönlichen und sonstigen Mittel in allen ihren Erscheinungsformen und Ausstrahlungen, die in der Hand des Unternehmers zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefaßt sind. Auch ein Kernkraftwerksbetrieb stellt im Grundsatz eine dem Sacheigentum vergleichbare Sach- und Rechtsgesamtheit dar, die dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. I S. I GG unterfällt Das Bundesverfassungsgericht, das ursprünglich den Eigentumsschutz des Unternehmens ausdrücklich anerkannt hat'"', äußert sich in neuerer Zeit kritisch, ob der Gewerbebetrieb als solcher die konstituierenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aufweise'" 2 • Eigentumsrechtlich gesehen sei das Unternehmen die tatsächliche, nicht aber die rechtliche Zusammenfassung der zu seinem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte, die an sich schon vor verfassungswidrigen Eingriffen geschützt seien. Bloße Chancen und tatsächliche Gegebenheiten würden nach allgemeiner Auffassung dem geschützten Bestand nicht zugerechnet. Die Zweifel des Gerichts beziehen sich mithin nicht auf die Eigentumsfähigkeit einzelner zum Unternehmen gehörender vermögenswerter Rechte und Güter, sondern auf bloße Chancen und tatsächliche Gegebenheiten, die zusammen mit den sonstigen Vermögensrechten zu einem einheitlichen Recht zusammengefaßt werden'"). Art. 14 GG gewährt Bestands- und keinen Erwerbsschutz. Sieht man mit der hier vertretenen Position über die vom Bundesverfassungsgericht
BVerwGE 62.224.226: BVerwG. NJW 1982.63 t: Papier. in: Maunz/Dürig. Grundgesetz, Art. 14 Rdnm. 95 IL Kimminich. in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 75: Wendt. Eigentum und Gesetzgebung. S. 48 tL Butze, in: 6. AIRS 1979. S. 197. 199: Friaut: WiVerw. 1986. 87.99: Sellncr. in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwallungsgerichts. S. 603. 614: Nüßgens/Boujong, Eigentum. Sozialbindung, Enteignung, Rdnm. 76 IL Ossenhlihl. Staatshaftungsrecht S. 136 IL Ehlers. VVDStRL 51 (1992), 211,215: Bo~jong. in: Festschrift tlirNirk. S. 61.62: EngeL AöR 118 (1993). 169 tl'. 17"
179
'"" BGHZ 23. 157. 163. 1" 1 Vgl.
BVertGE I. 264.277 f: 13.225. 229: 22.380.386: 45. 142. 173.
BVertGE 51, 193, 221 f: vgl. auch BVeriGE 58. 300. 353: 66. 116. 145; 68. 193. 222 t:: 77, 84, 118; 81. 208. 228: BVertG . NJW 1992, 36. 3 7. '"' Zutretlend Kutschera. Bestandsschutz im ötlentlichen Recht. S. 37: vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum. Sozialbindung, Enteignung. Rdnm. 79 tl'. '"2
111. Verfassungsrechtliche Absicherung im Lichte des Art. 14 GG
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bislang offengelassene Ausgangsfrage hinweg, ob jene gedankliche Zusammenfassung der unterschiedlichsten Rechtsverhältnisse zu einer Einheit überhaupt einen genuinen Inhalt haben kann, dem auch Rechtsqualität zukommt, schützt Art 14 GG den Gewerbebetrieb also in seiner jeweiligen. von den normativen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen und den Marktverhältnissen geprägten Situationsgebundenheit, während diese Umstände selbst und die aus ihnen resultierenden Hoffnungen und Chancen dagegen nicht mehr als zum Unternehmen gehörig angesehen werden können. Der Unternehmer darf mit anderen Worten rechtlich nicht darauf vertrauen. daß diese "äußeren" Bedingungen und situationsbedingten Erwerbschancen und -vorteile auf Dauer erhalten bleibenlx4. bb) Nachträgliche Anordnungen und Schutzbereich des Rechts am Unternehmen Nachträgliche Anordnungen gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG berühren das betreffende Unternehmen unmittelbar, indem sie den Setreiber zur Vornahme genau bezeichneter Gefahrenabwehr- oder Risikovorsorgemaßnahmen verpflichten oder diesem gegebenenfalls auch konkrete Zielvorgaben setzen. Hierdurch wird die ursprüngliche Genehmigung modifiziert und beschränkt. Entsprechende Nachrüstungen erfordern neben betrieblichen Veränderungen einen oftmals erheblichen finanziellen Aufwand. Nicht zuletzt durch diese auch wirtschaftlichen Auswirkungen ist das Unternehmen in seiner rechtlich geschützten Substanz betroffen, wie es sich als eine von dem Setreiber auf der Basis der (unanfechtbaren) Genehmigung geschaffene Organisation persönlicher und sachlicher Mittel darstellt, als eine bestimmte, dem Sacheigentum vergleichbare Sach- und Rechtsgesamtheit und damit als Vermögenswertes Recht des Privatrechts 1x;_ Damit ist in den Fällen nachträglicher Anordnungen der Schutzbereich des Art. 14 Abs. I GG im Grundsatz auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen. Jedoch reicht der eigentumsrechtliche Schutz des Unternehmens nicht weiter als der Schutz seiner wirtschaftlichen und technischen Grundlagen IX'' . Inhalt und 1x4 So auch Papier. in: Maunz/Diirig. Grundgesetz. Art. 14 Rdnr. I 00: Kimminich. in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz. Art. 14 Rdnr. 84: Niißgcns/Boujong. Eigentum. Sozialbindung. Enteignung. Rdnm. 79 IL Badura. Staatsrecht. S. 165 f.: OssenbiihL Staatshaftungsrecht S. 137 t:: dagegen aber Bryde. in: von Miinch/Kunig (Hrsg.). Grundgcsetz-Konum:ntar. Bd. I. Art. 14 Rdnr. 21 .
1x; Vgl. auch für n Vgl. BVertGE 58. 300. 353: BGHZ 84. 223. 227.
16 Gemmel
In der Praxis bestehen Unsicherheiten. ob unterhalb einer gewissen Schwelle Notfallschutzmaßnahmen keine wesentlichen Änderungen darstellen und insofern nur aufsichtlicher Zustimmung bedürfen. So hat das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfi·agen Ergänzungsmaßnahmen zur Nachrüstung des Kernkraftwerks lsar-2 aufsichtsrechtlich behandelt und das Erfordernis einer Änderungsgenehmigung ausdrücklich unter anderem mit der Begründung verneint, die Nachrüstung habe einen relativ geringen Umfang und werde an einem für den bestimmungsgemäßen Betrieb und die Beherrschung von Auslegungsstörfallen nicht benötigten System vorgenommen 1". Daß sich nach der hier 17 zu § 19 Ahs. 3 AtG vettretenen Auffassung Aufsichtsmaßnahmen und Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes gegenseitig ausschließen, macht eine Zuordnung der anschließenden Zulassung des technischen Einbaus und der Verwendung der zusätzlichen Einrichtungen zum Bereich der staatlichen Aufsicht nicht von vornherein unmöglich. Denn beide Entscheidungen, Anordnung der Maßnahmen auf der einen und Durchtlihrung der Nachrüstung auf der
1~
Siehe im einzelnen F. II. 3. c) m1) (I) und (2).
16
Vgl. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums llir l.andcscntwicklung und Umweltfragen
an den BMU vom 23.8.1990. 9212-921-44171 : ollenlassend Rcngding. DVBI. 1988. 257. 261 . 17
Vgl. oben D. II. 3. c).
111. Wesentliche Änderungenund Nachriistungsmal~nahmen
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anderen Seite, müssen strikt auseinandergehalten werden. So läßt sich die aufsichtsrechtliche Zustimmung etwa auf* 19 Abs. I S. 2 a.E. AtG stützen, wonach die Aufsichtsbehörden auch über die Einhaltung nachträglicher ..Auflagen" zu wachen haben. Jedoch kann dies hinsichtlich der Umsetzung des Anordnungsinhalts mit Blick auf den für Anlagenänderungen vorrangig zu beachtenden § 7 Abs. I AtG nur insoweit gelten. als die Gestaltung bloß unwesentlicher Abweichungen vom Genehmigungsbescheid in Rede steht. Weil für diese nach der Wertung des Gesetzes nicht der Zuständigkeitsbereich der Genehmigungs- bzw. Überwachungsbehörde betroffen ist. ist auch die Kompetenz der Aufsichtsbehörde gegeben, deren Zustimmung vor der tatsächlichen Ausführung der angeordneten unwesentlichen Änderung in einem sokhen Fall einzuholen ist. Ob eine bloße aufsichtsbehördliche Zustimmung ausreicht. hängt mithin von den Auswirkungen der einzelnen Notfallschutzmaßnahme sowie der konkreten Anlage ab.
hJ Wesentliche Anderung:) Ausgehend von der soeben getroffenen Definition des Begriffs der .,Wesentlichkeit" in § 7 Abs. I AtG ist die Verwirklichung einer Maßnahme des anlageninternen Notfallschutzes dann genehmigungsptlichtig. wenn sie wegen der Sicherheitsrelevanz Anlaß zur erneuten Überprüfung gibt. Auch zusätzlich anzubringende Notfallschutzeinrichtungen sind somit unter der Voraussetzung, daß sie sicherheitsrelevant sind, nach dem Willen des Gesetzgebers dem vorgeschriebenen Prüfungsverfahren zu unterziehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es für die Frage der Sicherheitsrelevanz unerheblich ist, ob die Änderung ausschließlich sicherheitserhöhend oder sicherheitsmindernd wirkt, dürften Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes in der Mehrzahl der Fälle wesentliche Änderungen auslösen" Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt für die oben 1'1 beispielhaft angeführten Ergänzungsmaßnahmen. Wie schon weitgehend die rechtliche Einordnung der Notfallschutzmaßnahmen in die in Betracht kommenden Risikobereiche der (nachträglich) erforderlichen Schadensvorsorge, so ist ebenfalls die Entscheidung iiber die Wesentlichkeil der Auswirkungen der Maßnahmen auch eine wissenschatilich-technische Frage. die zwar immer zugleich von einer Wertung abhängt. die auf normativer Grundlage erfolgen muß, abschließend aber nur mit Hilfe des technischen Sachverstandes geklärt werden kann.
IK Vgl. auch BayVGH. Urteil vom 27.11 .1990. 22 i\ !N.4000l!. l JA. S. 2. 9: Rengeling. DVBI. 1988.257. 261; Lukes. in: 8. AtRS 19!19. S. 6J. 76. 19
G. II. 2. a) bb).
320
.1. Zuslltzlichcs l'rlimlcrnis ~incr Änderungsgenehmigung
Dieses Ergebnis ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung zu revidieren. Jedenfalls wenn die Notfallschutzmaßnahmen zu einer weiteren Reduzierung der mit dem Betrieb des Kernkraftwerks verbundenen Risiken tlihren sollen. gebieten es weder die Schutzzwecke des § 1 AtG noch das Erfordernis der Sicherung effektiven Rechtsschutzes Dritter. eine erneute Bekanntmachung und Auslegung vorzuschreiben, wenn und soweit durch die Realisierung der angeordneten sicherheitstechnischen Verbesserungen nachteilige Auswirkungen für Dritte nicht zu besorgen sind. Dies entspricht auch der gegenwärtigen Rechtslage. wie sie sich aus § 4 Abs. 2 S. 1 und 2 AtVN ergibt.
K. Reformüberlegungen zu den §§ 17 Abs. 1 S. 3 und 18 Abs. 3 AtG I. Erfahrungen mit dem bisherigen Recht Die die vorliegende Arbeit abschließenden Reformüberlegungen sind - das sei vorweg betont - weder durch Schadensfalle noch durch gleichgelagerte Ereignisse veranlaßt Sofern in der Vergangenheit besondere Vorkommnisse in hiesigen Anlagen bestimmte Nachrüstungsmaßnahmen notwendig machten, hat sich das überwachungsrechtliche Instrumentarium der atomrechtlichen Genehmigungsbehörden, vornehmlich im § 17 Abs. I S. 3 AtG, im großen und ganzen als ausreichend erwiesen, die erforderlichen Maßnahmen durchzusetzen. Selbst die Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes sind zum Teil bereits realisiert worden, ohne daß daftir die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen hätten verändert oder ergänzt bzw. neue gesetzliche Grundlagen erst hätten geschaffen werden müssen. Jedoch sind - das haben die vorstehenden Untersuchungen belegt - Auslegung und Anwendung der §§ 17 und 18 AtG mit einer Reihe von Unsicherheiten behaftet. Die Vorschriften haben zahlreiche Fragen offengelassen oder zumindest nicht mit der hinreichenden Eindeutigkeit beantwortet, so daß die an sich wünschenswerte Rechtssicherheit nicht in dem gebotenen Ausmaß gewährleistet ist. Darüber kann auch die umfangreiche Rechtsprechung zum Atomrecht nicht hinwegtäuschen, die in den letzten Jahren ganz maßgeblich zur Rechtsfortbildung beigetragen hat. Gerade hinsichtlich Zulässigkeit und Reichweite nachträglicher Anordnungen ist eine gesetzgeberische Klarstellung geboten.
II. Nachträgliche "Anordnungen" statt "Auflagen" Dies beginnt bereits bei der Terminologie, indem der de lege lata verwendete enge Begriff der "Auflage" in § 17 Abs. I S. 3 AtG durch den der "Anordnung" ersetzt werden sollte. Die Einordnung von nachträglichen Maßnahmen als Auflagen im engeren Sinne und damit als Nebenbestimmungen gemäß § 36 VwVfG erweist sich nämlich flir den Fall als problematisch, in dem es sich um eine nachträgliche Inhaltsbestimmung oder eine nachträgliche inhaltliche Beschränkung der Genehmigung handelt. Die Grenze zwischen "Auflagen", "lnhaltsbestimmungen" und "lnhaltsbeschränkungen" ist in der Praxis fließend. so daß es 21 Gemmcke
322
K. Reformüberlegungen zu den §§ 17 Abs. I S. 3 und 18 Abs. 3 AtG
sich bei den als "nachträgliche Auflagen" verfUgten Maßnahmen rechtstechnisch in Wirklichkeit häufig gar nicht um "Auflagen" im eigentlichen Sinne handelt. Auch in § 17 BlmSchG findet sich der Begriff der "nachträglichen Anordnungen".
111. Angleichung des§ 17 Abs. 1 S. 3 an§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG Ausgangspunkt einer Konkretisierung der Zulässigkeilsvoraussetzungen nachträglicher Anordnungen ist der Umstand, daß diese den Genehmigungsvoraussetzungen entsprechen müssen und daher einander anzugleichen sind. Von den normativen Grundlagen der Genehmigungserteilung bedarf in erster Linie der Begriff der "erforderlichen Schadensvorsorge" in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG der Spezifizierung. Dieser Begriff gewährleistet zwar eine Offenheit des Atomgesetzes flir künftige technische Entwicklungen, so daß es nicht angezeigt erscheint, konkrete konstruktive Detailanforderungen auf der Gesetzesebene festzuschreiben. Jedoch sollte klargestellt werden, was Schadensvorsorge im Sinne des Gesetzes überhaupt bedeutet, nämlich den Ausschluß von Gefahren und die Vorsorge gegen Risiken, mit der auch solche Schadensmöglichkeiten einbezogen sind, hinsichtlich derer nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential besteht. Ähnlich zweifelsfrei muß sich aus dem Gesetz ergeben, daß auch nachträgliche Anordnungen sowohl aus Gründen der Gefahrenabwehr als auch der Risikovorsorge ergehen können. Zugleich gilt es zu verdeutlichen, daß nachträgliche Anordnungen zum Zwekke der Gefahrenabwehr absolut und kategorisch geboten sind, während sie zum Zwecke der Risikovorsorge nach Ermessen und nur unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit zulässig sind, was nach geltendem Recht durch das Wort "erforderlich" in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG nur unvollkommen, nämlich beschränkt auf das Gebot des mildesten Mittels, ausgedrückt ist. Bezogen auf den angestrebten sicherheitstechnischen Gewinn muß die behördlich verlangte Nachrüstungsmaßnahme im Risikovorsorgebereich geeignet, d.h. zwecktauglich, erforderlich, also das zur Erreichung des Zwecks mildeste Mittel, und insgesamt angemessen, mithin bei einer Gesamtabwägung zurnutbar sein. Wie in § 17 Abs. 2 BlmSchG sollte auch im Atomgesetz ausdrücklich bestimmt sein, daß bei nachträglichen Anordnungen zur Risikovorsorge im Rahmen der durch die Schranke der Verhältnismäßigkeit gebotenen behördlichen Abwägung Bestandsschutzgesichtspunkte, wie insbesondere Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage, angemessen zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus könnte eine Regelung flir die Fälle, daß eine nachträgliche Risikovorsorgeanordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden darf, den Genehmigungswiderruf vorsehen, der als gebundene Ermessensentscheidung auszugestalten wäre, d.h. als "Soll-Vorschrift", wonach die Behörde hier im Regelfall zum Widerruf verptlichtet ist und lediglich in Ausnahmefällen, in atypischen Situationen, davon
IV. Normative Konkretisierung der Schadensvorsorge
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absehen darf. Für die Abwehr echter Gefahren ist, soweit mittels einer zwingend zu erlassenden Anordnung nicht in angemesener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann, ohnehin der obligatorische Widerruf der Genehmigung nach § 17 Abs. 5 AtG vorgeschrieben. Ziel der Angleichung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 2 Nr. 3 und 17 Abs. I S. 3 AtG ist es letztlich, auch künftig unter möglicherweise veränderten politischen Rahmenbedingungen einen gerechten Ausgleich zwischen der notwendigen Anpassung an neue technische Entwicklungen und den berechtigten Bestandsinteressen der Setreiber zu gewährleisten.
IV. Normative Konkretisierung der Schadensvorsorge I. Festlegung von Risikogrenzwerten
a) A usgangs/age Die Konkretisierung der erforderlichen Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG erfolgt wegen des grundgesetzlich gebotenen dynamischen Grundrechtsschutzes und der damit verbundenen Entwicklungsoffenheit des Atomrechts unterhalb der Ebene des förmlichen Gesetzes, gegenwärtig vornehmlich in der Strahlenschutzverordnung. Diese markiert mit den Dosisgrenzwerten zwar bereits wichtige Anhaltspunkte flir die Entscheidung, bis zu welcher Grenze Schadensvorsorge geboten ist. Jedoch bleibt nach wie vor offen, welche Risiken trotz aller Schutzmaßnahmen verbleiben dürfen und als vertretbar gering auch nach rechtlichen Wertmaßstäben in Kauf genommen werden können. Zudem fehlen weitgehend konkrete normative Vorgaben, in welchem Risikobereich flir welche zu berücksichtigenden Ereignisse mit welchen sicherheitstechnischen Maßnahmen die Einhaltung der Dosisgrenzwerte gewährleistet werden soll. Dabei stellt sich die dringende Forderung, die exekutivische Sicherheitsphilosophie aufSundesebene zentral festzulegen, damit das Restrisiko bundesweit einheitlich bewertet wird. Die normative Regelungsdichte in bezug auf die erforderliche Schadensvorsorge würde erhöht und damit größere Rechtssicherheit erzielt, wenn in einer "Anlagensicherheits-Verordnung" die gesetzlich normierten übergreifenden Grundsätze aufgegliedert und flir einzelne Anlagentypen und Sicherheitseinrichtungen spezifiziert werden. Demgegenüber spiegelt sich die exekutivische Sicherheitsphilosophie derzeit im wesentlichen in den Sicherheitskriterien und Störfall-Leitlinien des BMU wider. Jedoch läßt auch der verordnungsrechtliche Regelungsmodus ohne weiteres Festlegungen zu, die den Auflösungsgrad der genannten Richtlinien erreichen. 21°
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K. Reformüberlegungen zu den §§ 17 Abs. I S. 3 und 18 Abs. 3 AtG
b) Bedeutung der Rechtsverordnung als Regelungsinstrument zur normativen Bewertung und Fixierung technischer Risiken Von den überkommenen Regelungsinstrumenten scheint die Rechtsverordnung jene zu sein, die ftir eine normative Bewertung und Fixierung von technischen Risiken prädestiniert ist. Sie soll ihrer Funktion nach das förmliche Gesetz von technischen Details entlasten. Im Vergleich zum Gesetzgebungsverfahren ist das Verfahren der Verordnungsgebung - entgegen vielfach geäußerter Behauptungen1- weit weniger kompliziert und schwerfällig. Die Rechtsverordnung kann in relativ kurzer Zeitspanne ergehen und ist frei von jenen Eigenschaften, die das förmliche Gesetz als Regelungsinstrument im Bereich des Atomrechts weithin untauglich machen2 • Dennoch kommt der Rechtsverordnung die gleiche allgemeinverbindliche Wirkung zu und sind Verwaltung und Gerichte an sie in gleichem Maße gebunden wie an förmliche Gesetze. Die Regelung technischer Fragen in einer Rechtsverordnung hat den Vorteil, daß wichtige Entscheidungen in das verfassungsrechtlich vorgegebene legitime Regelungssystem einbezogen sind. Dabei bleibt der Exekutive ftir die Normsetzung auch der notwendige Sachverstand über die den zuständigen Ministerien bislang zugeordneten Sachverständigengremien wie Reaktor-Sicherheitskommission und Strahlenschutzkommission erhalten. Die Rechtsverordnung eignet sich nicht nur zur Regelung von Störfalltypen, vielmehr läßt sich in ihr auch eine Aussage über die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Risiken treffen. ln der Tat ist es in erster Linie eine in die Kompetenz des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers fallende Rechtsetzungsaufgabe, die von den Naturwissenschaftlern und Technikern ermittelten Eintrittswahrscheinlichkeiten zu bewerten und das zulässige, hinzunehmende Restrisiko zu definieren 3 • Dies gilt jedenfalls insoweit, als die mit dem Betrieb der Kernkraftwerke verbundenen Risiken nicht allein anlagenbezogen, also individuell beurteilt werden können, sondern sich verallgemeinem lassen. Bei einer Beurteilung bestimmter Eintrittswahrscheinlichkeiten als relevant oder irrelevant durch den Verordnungsgeber stünde schließlich auch die politische Verantwortung fest. Denn gerade angesichtsder "Willkürlichkeit" einer festgesetzten Grenze ist die Aussage über die Akzeptanz eines Risikos eine an Nutzenerwägungen orientierte, zwar gewiß rechtlich determinierte, aber eben auch politische Entscheidung.
1 Vgl.
etwa Kuhnt, et 1972, 220, 223; Lukes, NJW 1978, 241. 243.
Wie hier Ossenbühl, in: Hosemann (Hrsg.). Risiko - Schnittstelle zwischen Recht und Technik, S. 155. 173. ' Vgl. auch Bender, DÖV 1980,633. 638: Sendler, UPR 1981 , I, 12: allgemein !ur eine rechtliche Regulierung der Sicherheitsphilosophie auch Roßnagel, UPR 1993. 129. 135: Preuß, in: Steinberg (Hrsg.), Retonn des Atomrechts, S. II, 17 f 2
IV. Normative Konkretisierung der Schadensvorsorge
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Durch die Bestimmung von Risikogrenzwerten und die Festlegung des Verfahrens zu ihrer Ermittlung könnte ein für Behörden und Gerichte nachpliitbares Maß der Technikbewertung geschaffen werden4 • Um die Entwicklungsoffenheit des Atomrechts und die Dynamik des Grundrechtsschutzes zu garantieren, müßte der Verordnungsgeber in bestimmten Zeitabständen überprüfen, ob ein verändertes Sicherheitsbewußtsein eine Berichtigung der festgeschriebenen Sicherheitsziele oder neue Erkenntnisse eine Verbesserung der Methoden zur Risikoabschätzung erforderlich machen. Damit sind auch die seinerzeitigen Vorbehalte des Bundesverfassungsgerichts5 und von Teilen der Literatur6 entkräftet, die die Zweckmäßigkeit oder gar die Möglichkeit einer solchen quantitativen Bestimmung der jeweiligen Grenze zum Restrisiko in Zweifel ziehen. Angesichts des zwischenzeitlich erreichten Standes in der Risikoforschung erscheint bei Vorliegen des für die Probabilistik notwendigen Datenmaterials die Schaffung festliegender Toleranzwerte vielfach jeder anderen Art von Risikobewertung vorzugswürdig. Allerdings ist eine Standardisierung probabilistischer Verfahren Voraussetzung für ihre Anwendung im regulativen Bereich und ist die gleichzeitige Vomahme deterministischer Bewertungen dadurch keineswegs entbehrlich7 •
c) Möglicher Inhalt einer Anlagensicherheits-Verordnung In einer zu erlassenden Anlagensicherheits-Verordnung könnten die bei der Auslegung eines Kernkraftwerks zu berücksichtigenden Störfälle enumerativ aufgeführt und diesen Ereignissen jeweils, sofern die Ergebnisse probabilistischer Sicherheitsanalysen von hinreichender Aussagesicherheit sind, aus diesen Berechnungen abgeleitete Risikogrenzwerte normativ zugeordnet werden. In Ergänzung zu den Dosisgrenzwerten der Strahlenschutzverordnung, die in erster Linie das Schadensausmaß betreffen, bezögen sich derartige Risikogrenzwerte primär auf die Eintrittswahrscheinlichkeit der in Betracht gezogenen Schadensoder Störfallereignisse. Eine solche Grenzwertfestlegung sollte also nicht nur in sehr allgemeiner Form bezogen auf den Kernschmelzunfall, sondern möglichst differenziert für die wichtigsten Komponenten eines Kernkraftwerks und ihrer jeweiligen Versagenswahrscheinlichkeiten vorgenommen werden. Die Einbezie4 Vgl. auch Marburger, Die Regeln der Technik im Recht. S. 121, 126, 142. 172; Lukes/Feldmann/ Knüppel, in: Lukes (Hrsg.). Gefahren und Gefahrenbeurteilungen im Recht. Teil II, S. 71,204 ti; Ossenbühl, DÖV 1982. 833. 838; Schattke, in: Roßnagel {Hrsg.). Recht und Technik im Spannungsti:ld der Kemenergiekontroverse, S. I 00, 114 f
; BVerKiE 49, 89, 137. 139. '' Lawrence, Grundrechtsschutz. technischer Wandel und Generationenverantwortung. S. 151 tl'.; Steinberg, in: Schncider/Stcinberg, Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung. ßcstandsschutz und staatlicher Auts icht, S. 9, 56; Mayinger. Restrisiko bei Versuchsanlagen und Prototypen im Kemenergierecht. S. 21 f 7
Siehe auch Birkhoter. in: 9. AtRS 1991 . S. 353.357.
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hung solcher Risikogrenzwerte auf der verordnungsrechtlichen Ebene würde die Rechtsverordnung als Instrument zur Schaffung größerer Rechtssicherheit und bundeseinheitlichen Gesetzesvollzugs deutlich aufwerten. Die Aufzählung von Störfallen wäre nach dem jeweiligen Erkenntnisstand in Wissenschaft und Technik zu ergänzen, auch die Grenzwerte müßten in regelmäßigen Zeitabständen überprüft und erforderlichenfalls den wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen angepaßt werden, was- wie bereits erwähnt- im Verordnungswege leichter möglich ist als im förmlichen Gesetzgebungsverfahren. Eine Anlagensicherheits-Verordnung könnte damit im wesentlichen folgende Regelungen enhaltenx: -Zu realisierende Schutzziele und grundsätzliche Sicherheitspostulate. -Grenzwerte flir Emissionen und Immissionen flir verschiedene Anlagenzustände, deren Einhaltung mindestens gewährleistet sein muß; damit könnte die Festlegung dessen erfolgen, was als "Gefahrenabwehr" im Sinne des gesetzlichen Begriffs der Schadensvorsorge zu verstehen ist. - Kasuistische Festlegung in jedem Falle zu betrachtender Auslegungsstörfalle, was ebenfalls der Konkretisierung der Gefahrenabwehr dient. - Risikogrenzwerte in bezug auf Eintrittswahrscheinlichkeiten in Verbindung mit den erforderlichen Verfahren zur Risikoermittlung. -Vorgaben flir die von der Genehmigungsbehörde im Bereich der Risikovorsorge zu treffenden Abwägung, zum Beispiel je nach Anlagentyp zu berücksichtigende Besonderheiten bzw. ihre Gewichtung. - Festlegung bestimmter technischer Schutzkonzeptionen wie etwa Redundanz, Diversität und andere mehr. - Festlegung konstruktiver Detailanforderungen, soweit dies auf generell-abstrakter Ebene und im Hinblick auf den raschen Fortschritt der Technik möglich ist. -Dynamische normkonkretisierende Verweisung auf das Regelwerk, auf das die Genehmigungs- bzw. Überwachungsbehörde zur Bestimmung des Standes von Wissenschaft und Technik zurückgreifen kann; dazu gehört auch die grundsätzliche Regelung des Verfahrens, in dem die jeweiligen Regeln zustande kommen sollen, sowie der Zusammensetzung der regelaufstellenden Gremien und der periodischen Revision der Regeln.
x Siehe die Merkpostenliste des BMU zur Novcllicrung des Atomgesetzes vom 26.7.1991. RS I I -11 322/3.
IV. Normative Konkretisierung der Schadensvorsorge
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d) .. Unfälle" als Aus/egungsstörfäl/e? Gerade mit Blick auf die im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehenden Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes drängt sich die Frage auf, ob nicht Unfalle mit Kernschmelzen in die Auslegung einbezogen werden könnten. Jedoch lassen sich für derartige Ereignisse nur schwer repräsentative und abdeckende Szenarien auswählen, die mit der zur Auslegung erforderlichen Genauigkeit berechnet werden können~. Damit kommt in diesem Bereich auch weniger eine automatische Aktivierung von Schutzmaßnahmen in Frage, als vielmehr der Mensch die wesentlich handelnde und entscheidende Instanz bleibt. Zwar kann auch menschliches Fehlverhalten in der Vorunfall- und Nachunfallphase in den Ereignisablauf- und Fehlerbaumanalysen explizit berücksichtigt werden. Die Wahrscheinlichkeitsbewertung bereitet jedoch Schwierigkeiten, so daß man sich hier mit Abschätzungen behelfen muß. So ist die Wahrscheinlichkeit von fehlerhaften Eingriffen des Bedienungspersonals umso höher anzusetzen, je weniger Zeit für den Eingriff zur Verfügung steht und je schwieriger die zu erfüllende Aufgabe ist 111 • Die Lösung dieser Problematik ist ein weiteres Ziel der Reaktorsicherheitsforschung. Von ihr wird es abhängen, inwieweit auch Unfallabläufe in der Zukunft kalkulierbar und quantifizierbar sein werden und demnach auf die Ebene der Auslegungsstörfälle gehoben werden können. 2. Festlegung konkreter Sanierungskonzepte
Für die eigentliche Nachrüstung von Kernkraftwerken wäre zudem erwägenswert, auch die nachträglich erforderliche Schadensvorsorge auf der Verordnungsebene zu konkretisieren und dabei mit Rücksicht auf die Altanlagen ÜbergangsregeJungen vorzusehen. ln einer speziellen "Nachrüstungs-Verordnung" könnte -je nach Anlagentyp - ein umfassendes und auf einheitliche und gleichmäßige Durchführung angelegtes Sanierungskonzept verbindlich vorgegeben werden. In materieller Hinsicht werden die Anforderungen an ein entsprechendes Schadensvorsorge-Sanierungskonzept im wesentlichen durch Kriterien der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen sein 11 • Wenn und soweit die durchzusetzenden Anforderungen in einer Rechtsverordnung konkretisiert sind, ist von den Überwachungsbehörden bei der Anordnung gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG im Einzelfall regelmäßig nur eine eingeschränkte Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Denn es ist davon auszugehen, daß der Verordnungsgeber die Verhältnismäßig-
''Siehe Birkhoti:r. in: Festschrift Hir Lukes. S. 23. 37. 10 Vgl. Birkhofer, in: Lukes (Hrsg.), Gefahren und Gefahrenbeurteilungen im Recht, Teil I, S. 65, 7 I; Mathiak. Die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitsrechnung flir die Gefahrenbeurteilung im technischen Sicherheitsrecht, S. 24 t:; Werner, atw 1991, 125. 127.
11
Vgl. flir das Immissionsschutzrecht auch Feldbaus, WiVerw. 1986, 67, 78.
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keitsprüfung selbst abschließend vorgenommen hat, es sei denn, er hat den Behörden noch zusätzlich einen Ermessensspielraum eingeräumt. Vorstellbar ist, daß in der Verordnung konkrete Maßnahmen gefordert werden, auch können lediglich konkrete Zielanforderungen aufgestellt sein. Läßt die Rechtsverordnung Ausnahmen oder Alternativen zu, dürfte nur unter den dafür geltenden Voraussetzungen von den generellen Anforderungen abgewichen werden. Dort nicht vorgesehene Ausnahmen könnten dagegen in keinem Fall mit einer Anwendung des Verhältnismäßigkeilsgrundsatzes gerechtfertigt werden 12 3. Schaffung der erforderlichen Verordnungsermächtigungen
Die hier vorgeschlagenen verordnungsrechtlichen Regelungen erfordern nur geringen gesetzgeberischen Novellierungsaufwand. Möglicherweise werden derartige Rechtsverordnungen schon durch den geltenden § 12 Abs. I Nrn. I und 2 AtG gedeckt; auf jeden Fall sollten aber zur sicheren Wahrung der verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen gemäß Art. 80 Abs. I S. 2 GG spezifische gesetzliche Verordnungsermächtigungen des zuvor geschilderten Inhalts in das Atomgesetz aufgenommen werden. Derartige Verordnungen könnten, müßten aber von Verfassungs wegen nicht von der Zustimmung des Bundesrates abhängig gemacht werden I).
V. Gesetzgeberische Entscheidung über das Bestehen Rechte Dritter Die Existenz subjektiver Rechte Dritter im Risikovorsorgebereich ist nicht eindeutig. Versuche der Rechtsprechung, diese Grenze des Drittschutzes zu definieren, sind wenig konsistent und haben nicht die erforderliche Rechtssicherheit geschaffen. Es ist daher in erster Linie Aufgabe des Gesetz- und Verordnungsgebers, zu bestimmen, ob aus der objektiv-rechtlichen Ermächtigung bzw. Verpflichtung der öffentlichen Gewalt in § 17 Abs. I S. 3 i.V. mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG eine subjektive Rechtsmacht Dritter folgen soll. Die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG setzt voraus, daß von der Gesetzgebung eingeräumte subjektive Rechte des Bürgers durch die öffentliche Gewalt verletzt werden. Diese Verfassungsbestimmung begründet weder subjektive Rechte noch verlangt sie die gesetzgeberische Einräumung. Damit ist auch flir die sogenannten "mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnisse" der Gesetzgeber des materiel-
12 So bereits tllr die vergleichbare Interessenlage im Immissionsschutzrecht der Ländemusschuß tlir Immissionsschutz. Entwurf von Verwaltungsvorschriften zur Durchllihrung des * 17 Abs. 2 des Bundes-lmmissionsschutzgesetzes, abgedruckt bei Hansmann. in: von Landmann/Rohnu:r, lJmwdtrecht, Bd. I, § 17 BlmSchG, Nm. 2.1 .1 und 2.1.2. 13
Vgl. zur gegenwärtigen Rechtslage* 54 Abs. 2 S. I At(i.
VI. Abschaffung der Entschädigungspflicht nach§ 18 Abs. 3 AtG
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len Verwaltungsrechts aufgefordert, über das Bestehen, den Inhalt und die Grenzen subjektiver Rechte Dritter eindeutige Aussagen zu treffen. Auf dieser Basis könnte etwa der Gesetzgeber des Atomgesetzes ausdrücklich bestimmen, daß die über die Gefahrenabwehrpflichten hinausreichenden Strahlenminimierungs- bzw. -reduzierungsgebote für den bestimmungsgemäßen Betrieb bzw. in bezug auf Störfälle ausschließlich im Allgemeininteresse bestehen und damit keinen subjektiv-rechtlichen Drittschutz vermitteln. Daneben sollte das Gesetz klarstellen, daß demgegenüber ein möglicherweise betroffener Dritter sich durch Rechtsbehelfe auf die Gesichtspunkte der gebotenen Gefahrenabwehr berufen kann. Für das umstrittene Gebot der Risikovorsorge bieten sich zur Konkretisierung des noch Drittschutz vermittelnden Bereichs im wesentlichen zwei denkbare Normierungsmodelle an. Beide räumen letztlich dem Verordnungsgeber die Möglichkeit ein, über jenes Mindestmaß des zur Gefahrenabwehr Notwendigen hinausgehend Klagemöglichkeiten zu eröffnen. Auszugehen ist davon, daß die Risikovorsorge im Grundsatz dem Kollektivschutz und darüber hinaus auch dem Individualschutz dient. Letzteres könnte entweder der Fall sein, wenn und soweit Rechtsverordnungen nach § 12 Abs. I Nrn. I und 2 AtG dies ausdrücklich oder sinngemäß vorsehen 14 oder aber Grenzwerte vorhanden sind 15 • Auch hinsichtlich der zweiten Variante ist das rechtlich Erforderliche hinreichend konkretisiert, so daß die Einräumung subjektiver Rechte Dritter im Hinblick auf§ 17 Abs. I S. 3 AtG keine untragbaren und für den Kernkraftwerksbelreiber unzumutbaren Beeinträchtigungen von Rechtssicherheitsbelangen erwarten läßt.
VI. Abschaffung der Entschädigungspflicht nach§ 18 Abs. 3 AtG 1. Rechtspolitische Überlegungen
a) Argumente für eine Beibehaltung der Entschädigungspflicht Grundsätzlich obliegt dem Gesetzgeber- selbstverständlich in den Grenzen der Verfassung - die Entscheidung, in welchem Umfang er wirtschaftlichen Be14 So der BMU in Art. I Nr. 7 d) eines internen Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung atomrechtlicher Rechtsvorschriften vom 1.9.1992, RS I I - 11322 - 3/2; ablehnend Wieland. in: Steinberg (1-lrsg.), Relomt des Atomrechts, S. 34, 39.
15 Vgl . .larass/Kiocpler/Kunig/Papicr/Peine/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Salzwedel, Umweltgesetzbuch -Besonderer Teil. Umweltbundesamt. Berichte 4/94, Fünftes Kapitel, § 380 Abs. 3 S. 4 und 5.
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K. Reformüberlegungen zu den
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Standsschutz gewähren will. Er ist also prinzipiell berechtigt, die Frage der Entschädigung für nachträgliche Anordnungen bei kerntechnischen Anlagen anders auszugestalten als etwa bei Anlagen im Sinne des Bundes-lmmissionsschutzgesetzes. Hieraus folgt, daß die gesetzlich normierte besondere Förderung der Nutzung der Kernenergie in § I Nr. I AtG, die allgemein als Hauptargument für den gegenüber vergleichbaren Rechtsmaterien relativ ausgeprägten wirtschaftlichen Bestandsschutz kerntechnischer Anlagen angeführt wird, einen unterschiedlich weitgehenden Schutz der Anlagen nach § 7 AtG und solcher gemäß § 4 BlmSchG rechtfertigen kann. Ferner ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, daß unter dem geltenden Recht keine technisch sinnvolle Nachrüstung unterblieben ist, und daß alle vorgenommenen Nachrüstungen die Staatskasse nicht mit Entschädigungsansprüchen belastet haben. Denn die bestehende Regelung des § 18 Abs. 3 AtG hat in der Vergangenheit weder die Behörden veranlaßt, von Nachrüstungsforderungen Abstand zu nehmen, noch die Setreiber motiviert, sich Nachrüstungsmaßnahmen von der öffentlichen Hand bezahlen zu lassen. Vor diesem Hintergrund wird geltend gemacht, die - eingeschränkte - Entschädigungspflicht in § 18 AtG sei der wesentliche Eckpfeiler des Investitionsschutzes im Atomrecht Obwohl er nie im Sinne einer Anspruchsnorm angewendet wurde, habe er sich durch seine bloße Existenz im Laufe der Jahre zur Basis einer Sicherheitspartnerschaft zwischen Behörden und Betreibern herausgebildet 16 • Schließlich wird bezweifelt, daß die Abschaffung der Entschädigungspflicht bei nachträglichen Anordnungen den Überwachungsbehörden größere Handlungsspielräume eröffnet. Während bei wirtschaftlich unvertretbaren und unverhältnismäßigen Anordnungen das geltende Recht eine Entschädigung des Setreibers vorsehe, so daß wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Frage der Zulässigkeit von Nachrüstungsforderungen in den Hintergrund treten konnten, würde bei einer Streichung des § 18 Abs. 3 AtG die Wirtschaftlichkeit letztlich der Sicherheit vorgehen. Mit der Abschaffung der Entschädigungspflicht werde der Anwendungsbereich des § 17 Abs. I S. 3 AtG verengt, was dazu führe, daß der Staat durch die Reduzierung seiner Handlungsmöglichkeiten bei der Geltendmachung von Gemeinschaftsinteressen gegenüber den Betreibern immobilisiert werde. Folglich sei einer ersatzlosen Abschaffung der Entschädigungspflicht eine bloß restriktive Interpretation des geltenden § 18 Abs. 3 AtG vorzuziehen, wodurch ganz ähnliche Ergebnisse erzielt werden könnten. So sollte man die Entschädigung im Risikovorsorgebereich bestehen lassen, damit auch - am Sicherheitsgewinn gemessen - unwirtschaftliche Anordnungen ergehen dürften 17 •
16
Vgl. Kuhnt, et 1991,406, 408.
Siehe Schneider. in: 9. AtRS 1991. S. 239. 253 1' : Lange. ZRP 1992. 306. 308: ditlcrenziercnd Roller, Genehmigungsauthebung und Entschädigung im Atomrecht. II II. 3. b). der bei nach17
*
VI. Abschaffung der Entschädigungsptl icht nach § 18 Abs. 3 AtG
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b) Gründefür die Abschaffung der Entschädigungspflicht aa) Entbehrlichkeit des Förderungszwecks in § I Nr. I AtG Im Vergleich zu anderen Bereichen des technischen Sicherheitsrechts werden die Setreiber kerntechnischer Anlagen durch die Vorschrift des§ 18 Abs. 3 AtG bislang privilegiert. Zumindest im Bereich der Gefahrenabwehr, wo das Gesetz eine Entschädigungspflicht für nachträgliche Anordnungen - unter der Voraussetzung, daß sie wirtschaftlich dem Widerruf der Genehmigung gleichzustellen sind - noch für die Fälle einer Umgebungsänderung vorsieht, ist die Entschädigungsregelung fraglich geworden. Zu rechtfertigen ist dies nur mit dem Förderungszweck des § I Nr. I AtG. Das Atomgesetz ist mithin nach Maßgabe seiner normativen Zweckbestimmungen nicht nur Umweltschutz-, sondern zugleich Wirtschafts- und Wissenschaftsförderungsgesetz. Eine derartige Kombination erscheint jedoch unsachgemäß. Angesichts des in der. Kernenergienutzung zwischenzeitlich erreichten sicherheitstechnischen und wirtschaftlichen Standes ist eine besondere Verankerung des Förderungsprinzips entbehrlich geworden. Da die Kernenergie maßgeblichen Anteil an der Stromversorgung in der Bundesrepublik hat, scheint eine Sonderbehandlung der Kernkraftwerksbetreiber heute nicht mehr gerechtfertigt. Moderne Regelungen über die sichere Anwendung von Technologien sollten von Regelungen staatlicher Förderung freigehalten werden, über die wiederum - wenn dies politisch gewollt ist - in anderen Zusammenhängen, etwa denen der Haushaltsgesetzgebung, entschieden werden kann 1". In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob - will man die Energieversorgung überhaupt fördern - nicht andere Energieträger, wie beispielsweise die Kohle, in gleichem Maße förderungswürdig sind wie die Kernenergie auch. Im übrigen wäre für eine Förderung der Energieversorgungsaufgabe im allgemeinen richtiger Regelungsstandort das Energiewirtschaftsgesetz und nicht das Atomgesetz. Als politische Wertaussage in Gestalt einer positiven Grundsatzentscheidung zur Zulässigkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist § I Nr. I AtG entbehrlich1''. Hierzu reicht bereits die Kompetenzvorschrift des Art. 74 Nr. I Ia GG, die eine positive Einstellung des Verfassungsgebers gegenüber der Atomtechnik trägliehen Eingrillen aus Gründen der Risikovorsorge -ähnlich den Entschädigungsausschlußgründen des § 18 Abs. 2 AtG geltender Fassung - nach Verantwortungsbereichen unterscheiden und demgemäß etwa die Fallgruppen der Änderung der Anlagenumgebung sowie der Änderung der Sicherheitsphilosophie. weil in die Verantwortungssphäre des Staates fallend , als entschädigungsptlichtig belassen will. Im Ergebnis ebenso Hohldelder, et 1991,401,402: Papier, DVBI. 1992, 1133, 1135. A.A. Wagner, NVwZ 1993,513, 514; Ossenbühl, Bestandsschutz und Nachrüstung von Kemkraftwerken, S. 104 f. 1"
1''
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K. Reformüberlegungen zu den §§ 17 Abs. I S. 3 und 18 Abs. 3 AtG
zum Ausdruck bringt. Da zudem nach der verfassungsrechtlichen Werteordnung der Schutzzweck des Atomgesetzes, § I Nr. 2 AtG, Vorrang vor dem Förderungszweck hae", hat mit dieser sich durchsetzenden Erkenntnis das Atomgesetz den Schritt von einem Forschungsförderungsgesetz zu einem Umweltschutzgesetz vollzogen. Sollte sich der Reformgesetzgeber mit guten Gründen für den Wegfall des § I Nr. I AtG entscheiden, ist die Streichung der Entschädigung flir nachträgliche Anordnungen gemäß § 18 Abs. 3 AtG nur eine logische Folgewirkung. bb) Annäherung an das Immissionsschutzrecht Übergeordnetes Ziel einer möglichen Novellierung des Atomgesetzes muß es sein, das Gesetz als modernes Sicherheitsgesetz fortzuentwickeln und es - auch vor dem Hintergrund der für die Zukunft geplanten Schaffung eines Umweltgesetzbuchs - weitergehend als bisher anderen Umwelt- und Sicherheitsgesetzen anzupassen . Demgemäß würde mit einem Verzicht auf die Entschädigungspflicht ein Beitrag gewissermaßen zur "Normalisierung" der Kernenergienutzung geleistet. Der neueren Entwicklung der Umweltgesetzgebung hin zur entschädigungslosen Einschränkung des Bestandsschutzes flir nachträgliche Anordnungen bis zur Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen widerspricht wertungsmäßig die darüber hinausgehende Entschädigungsregelung im Atomrecht Eine Abschaffung der Entschädigungspflicht nach § 18 Abs. 3 AtG entspräche vor allem der Rechtslage im lmmissionsschutzrecht, das in § 17 Abs. 2 S. 2, 2. HS i.V. mit § 21 Abs. 4 BlmSchG eine Entschädigung nur flir den Fall eines Widerrufs der Genehmigung vorsieht. Ein Bestandsschutz für nachträgliche Anordnungen wird nach dem Willen des immissionsschutzrechtlichen Gesetzgebers nur noch durch die ausdrückliche Anbindung der gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß nachträglicher Anordnungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewährt, vgl. § 17 Abs. 2 S. I BlmSchG. Eine Anlehnung an diese Vorschriften wäre im Interesse einer anzustrebenden Einheitlichkeit von Atom- und Immissionsschutzrecht erwägenswert. Rechtspolitisch bedeutete die Einschränkung des wirtschaftlichen Bestandsschutzes auch eine stärkere Betonung des Vorrangs des verwaltungsgerichtlichen Primär- vor dem Sekundärrechtsschutz, d.h. der Setreiber wäre noch mehr gehalten, sich schon gegen unverhältnismäßige nachträgliche Anordnungen zur Wehr zu setzen, anstatt auf die Geltendmachung einer Entschädigung angewiesen zu sein. Im übrigen sind - bei Lichte besehen - unverhältnismäßige und daher rechtswidrige nachträgliche Anordnungen im Risikovorsorgebereich vom
20 Seit BVerwG. DVBI. 1972, 678,680 ganz h.M.; vgl. nur BVertGE 53. 30, 58 sowie Haedrich. Atomgesetz, § I Rdnr. 8 m.zahlr.w.Nachw.
VI. Abschatlung der Entschädigungsptl icht nach
~
18 Abs. 3 AtG
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Schutzzweck des Atomgesetzes gar nicht gedeckt und stellen somit einen Systembruch dar. Da von der Entschädigungsnorm des § 18 Abs. 3 AtG seit Inkrafttreten des Atomgesetzes auch noch nie Gebrauch gemacht wurde, also die Kosten für Nachrüstungen kerntechnischer Anlagen in der Vergangenheit von den Betreibern getragen wurden, wäre eine praktische Auswirkung der Streichung, sprich: eine zusätzliche preiswirksame Kostenbelastung weder auf öffentliche Kassen noch zum Nachteil der Setreiber feststell bar. Schließlich steht bei einer Abschaffung der Entschädigungspflicht ftir nachträgliche Anordnungen nicht zu befllrchten, daß dann die Sicherheit der Wirtschaftlichkeit geopfert würde. Dafür sorgte zum einen schon die mit dem gleichzeitigen Wegfall des Förderungszwecks an die erste Stelle des Gesetzes aufrükkende Schutzzweckbestimmung des § I Nr. 2 AtG geltender Fassung. Des weiteren bleibt der Behörde bei wirtschaftlich unzumutbaren Anordnungen zur Gefahrenabwehr, wenn diese sich im Einzelfall einmal als nicht realisierbar erweisen sollten, oder bei unverhältnismäßigen und damit unzulässigen Risikovorsorgeanordnungen stets das Instrumentarium des Genehmigungswiderrufs nach § 17 Abs. 5 bzw. § 17 Abs. 3 AtG, das den Sicherheitsinteressen Drittbetroffener und der Allgemeinheit in jedem Fall ausreichend Rechnung tragen kann. Alles in allem sind in Anbetracht der hier vertretenen eingeschränkten Auslegung des § 18 Abs. 3 AtG die Auswirkungen einer Streichung dieser Bestimmung rechtspolitisch eher als gering zu veranschlagen. 2. (Verfassungs)rechtliche Bewertung einer Streichung des§ 18 Abs. 3 AtG
a) Auswirkungen auf§ /7 A bs. I S. 3 A tG Vor allem für solche nachträglichen Anordnungen, die wegen einer Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie oder zur Durchsetzung bestimmter Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes ergehen und den Risikovorsorgebereich betreffen, ist eine Entschädigung einfach-gesetzlich dann vorgeschrieben, wenn sie wirtschaftlich dem Widerruf der Genehmigung gleichkommen, § 18 Abs. 3 AtG . Allerdings würde die zur Durchsetzung dieses Ausgleichsanspruchs erforderliche gesetzliche Grundlage mit der hier empfohlenen Streichung des § 18 Abs. 3 AtG entfallen. Dieser Befund hat aber keinerlei verfassungsrechtliche Auswirkungen auf die Eingriffsermächtigungsnorm des § 17 Abs. I S. 3 AtG . Denn weder bei den soeben beispielhaft angeftihrten Fällen unverhältnismäßiger Anordnungen zur Risikovorsorge noch und erst recht nicht bei in entsprechender Hinsicht (bloß) unwirtschaftlichen Anordnungen im Bereich der Gefahrenabwehr verlangt Art. 14 Abs. I S. 2, Abs. 2 GG zwingend die Gewährung einer Entschädigung. Da § 17 Abs. I S. 3 AtG keine ausgleichsp.flichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstellt, handelt es sich
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bei § 18 Abs. 3 AtG um einen Ausgleichsanspruch, der vom Gesetzgeber gewährt wird, ohne daß dies verfassungsrechtlich gefordert wäre. Die Folgen eines Wegfalls der Entschädigungsregelung fur nachträgliche Anordnungen sind somit nach der hier vorgenommenen Auslegung der §§ 17 Abs. I S. 3, 18 Abs. 3 AtG offenkundig: Die eigentumsbeschränkende Regelung des § 17 Abs. I S. 3 AtG ist auch beim Fehlen gesetzlicher Ausgleichsansprüche gleichwohl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Entschädigungsnorm des § 18 Abs. 3 AtG in ihrer Ausgestaltung als reiner Zweckmäßigkeitsausgleich begründet demzufolge auch keinen verfassungsrechtlichen Anspruch der Setreiber auf Fortbestand. Insoweit ist die Gestaltungsfreiheit des inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgebers zu betonen, in dessen gesetzgeberischem Ermessen es liegt zu entscheiden, ob er die von ihm verfolgten Ziele flir so bedeutsam erachtet, daß er zugunsten ihrer Verwirklichung die Gewährung von Ausgleichsansprüchen hinzunehmen bereit ist. Hier geht es dem Gesetzgeber um die Erweiterung der behördlichen Eingriffsmöglichkeiten, weil die Behörden nur unter der Voraussetzung des Bestehenseiner entsprechenden gesetzlichen Ausgleichsregelung auch unverhältnismäßige und somit an sich nicht mehr zulässige Nachrüstungsmaßnahmen anordnen dürfen. Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, daß - wie erwähnt - auch der Schutzzweck des § I Nr. 2 AtG die Durchsetzung unverhältnismäßiger nachträglicher Anordnungen gar nicht verlangt. Darüber hinaus bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Schutzpflichten keine Vorbehalte gegenüber einer Abschaffung des § 18 Abs. 3 AtG. Die Eingriffsschwelle für nachträgliche Anordnungen wird rein tatsächlich zwar heraufgesetzt, weil ohne die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit eines Zweckmäßigkeitsausgleichs Nachrüstungsmaßnahmen zur Risikovorsorge in jedem Fall dann unzulässig sind, wenn sie sich in bezug auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage als unverhältnismäßig erweisen. In Anbetracht der Widerrufsmöglichkeit des § 17 Abs. 3 AtG kann jedoch von einer Preisgabe an Sicherheitsinteressen zugunsten der Wirtschaftlichkeit keine Rede sein. Im übrigen ist bereits bei voller Ausschöpfung des Eingriffsrahmens des § 17 Abs. I S. 3 AtG das Bestmögliche an Vorkehrungen im Sinne der erforderlichen Schadensvorsorge realisierbar. Ein Mehr an Sicherheit ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Damit ist es dem Gesetzgeber unbenommen, die Entschädigungsregelung auf das zwingend Erforderliche zu reduzieren. Dazu gehört die Entschädigung für unverhältnismäßige nachträgliche Anordnungen jedenfalls nicht.
b) Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Da die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des § 17 Abs. I S. 3 AtG schon als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung anzusehen ist, d.h.
VIII. Ausblick
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nachträgliche Anordnungen zur Risikovorsorge ohnehin nur unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit zulässig sind, darf eine Nachrüstungsmaßnahme schon gar nicht angeordnet werden, wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung erstrebten Zweck steht. Die Entschädigungsfrage kann sich dann richtiger Ansicht nach gar nicht mehr stellen. Die Überwachungsbehörde ist gegebenenfalls auf den im allgemeinen entschädigungspflichtigen Widerruf nach den §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. I AtG angewiesen. VII. Verhältnis von nachträglichen Anordnungen zu Änderungsgenehmigungen Schließlich sollte in Anlehnung an § 17 Abs. 4 BlmSchG der Reformgesetzgeber das Verhältnis von nachträglichen Anordnungen zu Änderungsgenehmigungen klarstellen. ln der Praxis werden nachträgliche Anordnungen regelmäßig ein bestimmtes sicherheitstechnisches Ziel vorgeben, nicht aber im einzelnen die Mittel, mit denen das Ziel zu erreichen ist. Bestimmt die nachträgliche Anordnung ausnahmsweise doch, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so sollte daneben ein Änderungsgenehmigungsverfahren selbst dann entbehrlich sein, wenn die nachträgliche Anordnung zu einer wesentlichen Änderung der ursprünglichen Genehmigung führt. Die Entbehrlichkeit eines Änderungsgenehmigungsverfahrens kann aber nur unter der zusätzlichen Voraussetzung gelten, daß im Fall eines Änderungsgenehmigungsverfahrens eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich wäre, d.h. von einer Beteiligung Dritter aufgrund der gemäß § 7 Abs. 4 S. 3 AtG erlassenen Atomrechtlichen Verfahrensverordnung abgesehen werden könnte. Kann von der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht abgesehen werden, muß sich aus dem Gesetz ergeben, daß eine Änderungsgenehmigung unter keinen Umständen entbehrlich ist. VIII. Ausblick Da das Atomgesetz geltender Fassung seine frühere Vorreiterrolle als fortschrittliches Schutz- und Sicherheitsgesetz angesichts der Entwicklungen in anderen Bereichen des Umweltrechts eingebüßt hat, muß es - auch und vor allem mit Blick auf die Regelungen über nachträgliche Anordnungen - das Ziel eines Reformvorhabens sein, die Vorschriften des Atomrechts an die Entwicklung der modernen Schutzgesetze im technischen Sicherheitsrecht anzupassen. Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, daß - wie gerade die Diskussion um die Entschädigungspflichtigkeit nachträglicher Anordnungen belegt - die einzelnen Regelungen in erheblichem Maße von politischen Willensentscheidungen, Wertungen und Abwägungen geprägt sind. Hier wird es in den zentralen Punkten nicht allein um klare Begriffsfindungen, Systematik und "saubere" dogmatische Strukturie-
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K. Reformüberlegungen zu den §§ 17 Abs. I S. 3 und 18 Abs. 3 AtG
rung gehen, sondern um politische Entscheide elementarer bzw. essentieller Art, die voraussetzungsgemäß höchst umstritten und möglicherweise nur über Kompromißlösungen verwässert und verflacht durchsetzbar sein werden. Bei der anstehenden Reform des Atomgesetzes werden - so steht zu beflirchten - die politisch durchsetzbaren oder "machbaren", nicht aber die aus systematisch-dogmatischen Gründen und gemessen an den eigentlichen Intentionen erforderlichen oder optimalen Regelungen im Vordergrund stehen. Gleichwohl sollte die Bundesregierung ihren Weg zur Novellierung unbeirrt fortsetzen. Denn die mit einem derartigen Vorhaben verbundene Möglichkeit, in der Energiepolitik im allgemeinen und hinsichtlich der friedlichen Nutzung der Kernenergie im besonderen wieder zu einem stärkeren Grundkonsens zu kommen, darfnicht unterschätzt werden. Dieser aber ist letztlich Voraussetzung flir den weiteren sicheren und zuverlässigen Betrieb der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland.
L. Zusammenfassung der Ergebnisse I. Ausgangspunkte
I. Für Kernkraftwerke ist ein dreistufiges Sicherheitskonzept entwickelt worden, um im Sinne einer gestaffelten Prävention Entstehung und Ausbreitung von Störungen schon im Ansatz zu verhindern. Mit den Maßnahmen des sogenannten anlageninternen Notfallschutzes wird diesem Sicherheitskonzept eine vierte Sicherheitsebene gleichsam als auffangendes und umspannendes Sicherheitsnetz hinzugefügt. Sie sollen die Beherrschbarkeit auslegungsüberschreitender Störfalle steigern. 2. Der Begriff Nachrüstung im engeren Sinne bezeichnet die Anpassung einer genehmigten Anlage an neue sicherheitstechnische Erkenntnisse. Neben einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse können sowohl eine Änderung der Rechtslage als auch eine geänderte Beurteilung der Rechtslage einen Nachrüstungsbedarf auslösen. 3. Erst das atomrechtliche Instrumentarium des§ 17 AtG eröffnet der Behörde die notwendigen Handlungsbefugnisse, um den durch die Genehmigung rechtlich einstweilen verbindlich festgeschriebenen Sicherheitsstandard dem materiell-rechtlich rezipierten wissenschaftlich-technischen Fortschritt anpassen zu können. Dieser (passive) Bestandsschutz fuhrt letztlich zur Auflösung der Konfliktsituation zwischen Setreiber und Behörde und beantwortet die Frage, inwieweit sich die bestehende Rechtsposition des Genehmigungsinhabers gegen die nachträglichen behördlichen Sanktionen durchsetzen kann.
II. "Freiwillige Nachrüstung" I. In der atomrechtlichen Praxis werden Nachrüstungsmaßnahmen häufig mehr oder weniger freiwillig realisiett. Solche informalen Sanierungsabsprachen beruhen auf dem Prinzip des Austausches von Leistung und Gegenleistung. 2. Informale Absprachen sind auch im Atomrecht grundsätzlich zulässig. Ausgeschlossen sind sie lediglich in den Fällen, in denen die Behörde zum formalen Eingreifen verpflichtet ist, in erster Linie also, wenn es um die Abwehr echter Gefahren geht. 22 Gemmelee
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L. Zusammenfassung der Ergebnisse
3. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird dem Erfordernis der Drittbeteiligung nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn die Dritten in abgestuftem Maße entsprechend ihrer rechtlichen Betroffenheit (vgl. § 13 Abs. 2 VwVfG) auch über den Inhalt der Absprache rechtzeitig informiert werden. Allerdings ist unter dem Blickwinkel gerichtlicher Kontrolle erleichternd zu berücksichtigen, daß der rechtlich betroffene Dritte jederzeit auf den Erlaß nachträglicher Anordnungen klagen kann. 4. In materieller Hinsicht ist die Behörde an die Grenzen der mit der Absprache ersetzten Verfugung nach § 17 Abs. I S. 3 AtG gebunden. Daneben finden die Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag, insbesondere des §56 VwVfG entsprechende Anwendung. Zusätzliche, über den Rahmen des § 17 Abs. I S. 3 AtG hinausgehende Anforderungen ergeben sich hieraus jedoch nicht. 5. Auch die in der Praxis besonders häufigen Fälle einer freiwilligen Übererfüllung der gesetzlichen Anforderungen durch die Setreiber sind (verfassungs)rechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden, da der damit einhergehende Verzicht auf grundrechtlich geschützte Positionen auf einzelne Handlungsweisen beschränkt bleibt und nicht generell erfolgt. Lediglich in den Fällen einer unzulässigen Beeinflussung des Setreibers seitens der Behörde oder wenn der Betroffene die Tragweite seines Verzichts infolge deutlich ungleicher Verhandlungsstärke nur unzureichend abschätzen kann, mag etwas anderes gelten, weil hier die Freiwilligkeit der Verfugung über eigene Rechtsgüter in Frage gestellt ist. 6. Trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit vermögen informale Absprachen infolge rein faktischer Zwänge das Verhalten der Beteiligten nahezu ebenso wirksam zu steuern wie (zweiseitige) rechtsverbindliche Entscheidungen. 7. Die Nichteinhaltung einer rechtmäßigen Sanierungsabsprache begründet gleichwohl weder Erfüllungsansprüche noch Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Lediglich Ansprüche aus "culpa in procedendo", die allerdings nur auf den Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet sind, sowie- für den Setreiber - aus Amtspflichtverletzung sind denkbar. Eine rechtswidrige Absprache kann jedoch, wie jedes rechtswidrige hoheitliche Handeln, öffentlichrechtliche Schadensersatz-, Entschädigungs- und Erstattungsansprüche auslösen.
111. Eingriffsbefugnisse in der Überwachungsphase I. Die §§ 17 ff. AtG regeln abschließend die im Rahmen der staatlichen Überwachung möglichen behördlichen Instrumente und Kontrollbefugnisse. Auf allgemeine Vorschriften und Grundsätze darfnicht zurückgegriffen werden.
IV. (Nachträglich) erforderliche Schadensvorsorge
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2. Die Anordnungsrechte der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde sind, im Unterschied zu den Maßnahmen der Genehmigungsbehörde, nicht Bestandteil der atomrechtlichen Bestandsschutzregelung. 3. Nachträgliche Anordnungen gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG können, da sie in den ursprünglichen Genehmigungsbestand eingreifen, nur von der Genehmigungsbehörde erlassen werden. 4. Die Aufsichtsbehörden sind nach § 19 AtG demgegenüber nur zur Überwachung der Einhaltung des Genehmigungsbescheids befugt, was die Zulassung bloß unwesentlicher Änderungen von Anlagen oder ihres Betriebs einschließt. Sie bereiten die späteren Entscheidungen der Genehmigungsbehörden teilweise vor und vollziehen diese. Während genehmigungsbehördliche Akte in der Regel dauerhaft wirken, sind Maßnahmen der Aufsichtsbehörden üblicherweise nur so lange wirksam, bis sie sich durch ein Eingreifen der Genehmigungsbehörden erledigt haben. 5. Aufsichtsmaßnahmen gemäߧ 19 Abs. 3 S. I AtG setzen voraus, daß sich die Gefahrensituation geändert hat. Dies gilt sowohl für Maßnahmen aufgrund der 2. als auch für solche aufgrundder I. Alternative dieser Vorschrift. 6. Auch aufsichtsbehördliche Anordnungen nach § 19 Abs. 3 AtG bieten hiernach keine rechtliche Grundlage fur die Durchsetzung von Nachrüstungsforderungen. Anordnungen der Aufsichtsbehörden sind an den Regelungsumfang der ursprünglichen Genehmigung gebunden und können allenfalls sicherheitsneutrale Änderungen der Anlage bewirken.
IV. (Nachträglich) erforderliche Schadensvorsorge I. Als Ermächtigungsgrundlage ftir den Erlaß nachträglicher "Auflagen" kommt neben der Spezialvorschrift des § 17 Abs. I S. 3 AtG auch ein der Genehmigung beigefügter Auflagenvorbehalt in Betracht. 2. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 17 Abs. I S. 3 AtG ist an den Eintritt der Bestandskraft der atomrechtlichen Genehmigung geknüpft. 3. Der Begriff nachträgliche "Auflagen" in § 17 Abs. I S. 3 AtG ist im Sinne von nachträglichen "Anordnungen" auszulegen, d.h. nachträglichen lnhaltsbestimmungen, Inhaltsbeschränkungen und Auflagen. Eines Rückgriffs auf die Figur der sogenannten modifizierenden Auflage bedarf es bei nachträglich die Genehmigung modifizierenden Beschränkungen nicht. 4. Durch inhaltliche Beschränkungen dürfen die grundlegenden Auslegungsmerkmale der Anlage nicht unterlaufen werden. Darüber hinaus ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
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L. Zusammenfassung der Ergebnisse
5. Im Anordnungsbescheid ist ausdrücklich zwischen Inhaltsbestimmung und lnhaltsbeschränkung, nicht hingegen zwischen Inhaltsbeschränkung und Auflage zu differenzieren. Bei Nachrüstungsanordnungen handelt es sich aber weitgehend um lnhaltsbeschränkungen, da der Regelungsgehalt der ursprünglichen Genehmigungsentscheidung beeinträchtigt wird. 6. Zwischen § 17 Abs. I S. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG besteht ein enger systematischer Zusammenhang. Demzufolge setzen nachträgliche Anordnungen voraus, daß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge nicht mehr gewährleistet ist. 7. Der Tatbestand des§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ist richtiger Ansicht nach im Sinne der modifizierten Vorsorgetheorie auszulegen. Hiernach ist zwischen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zu differenzieren. Damit sind auch solche Schadensmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, die sich lediglich wegen des unzureichenden Wissensstandes über bestimmte Ursachenzusammenhänge nicht ausschließen lassen, und bei denen nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential besteht. Daneben gibt es jedoch keine eigenständige Kategorie der "Restrisikominimierung". Jede sicherheitsgerichtete Maßnahme, die dem - wie auch immer verstandenen - "Restrisiko" zugeordnet wird, dient der Sache nach der Vorsorge gegen Risiken und ist qualitativ von den eigentlichen, tatbestandliehen Risikovorsorgemaßnahmen nicht zu unterscheiden. Dies macht eine Abgrenzung der Risikovorsorge vom tatsächlich und rechtlich hinzunehmenden Restrisiko allerdings nicht entbehrlich. Denn es ist stets vorrangig zu entscheiden, ob mit entsprechenden Maßnahmen überhaupt Ereignissen begegnet werden soll, die (noch) als rechtlich relevant zu bewerten sind. 8. Daß auch nach der modifizierten Vorsorgetheorie letztlich ein Bereich verbleibt, der von zusätzlichen Maßnahmen zur weiteren Reduzierung des Risikos ausgenommen ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Als verfassungsrechtlich geschützter Wert zur Legitimation des Restrisikos kommt neben den betroffenen Grundrechten der Kemkraftwerksbetreiber die Kompetenzvorschrift des Art. 74 Nr. II a GG als zulässige verfassungsimmanente Schranke des Art. 2 Abs. 2 S. I GG in Betracht. 9. Entscheidend fl.ir die Auswirkungen des Modells der modifizierten Vorsorgetheorie in der praktischen Anwendung ist letztlich die Abgrenzung der drei Risikobereiche (Gefahrenabwehr, Risikovorsorge und hinzunehmendes Restrisiko) untereinander. Die dazu erforderliche Bestimmung von Inhalt und Grenzen der Risikobereiche hat sich am Begriff des "Risikos" zu orientieren, der den Oberbegriff für die beiden Bereiche "Gefahr" und "Risiko im engeren Sinne" bildet. Der Begriff des Risikos im weiteren Sinne wird konkretisiert mittels der beiden Komponenten "Schadensausmaß" und "Schadenseintrittswahrscheinlichkeit" .
IV. (Nachträglich) ertorderliche Schadensvorsorge
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I 0. Eine Präzisierung der Risikokomponente "Schaden" wird von der Strahlenschutzverordnung vorgenommen, die mit den Dosisgrenzwerten der §§ 45 und 28 Abs. 3 StrlSchV und dem Strahlenminimierungsgebot in § 28 Abs. I Nr. 2 StriSchV zwei Grundaussagen zur Strahlensicherheit trifft, die beide die verschiedenen Betriebszustände "bestimmungsgemäßer Betrieb", "Störfall" und "Unfall" berücksichtigen. Jedoch lassen sich hieraus konkrete technische Auslegungsanforderungen nicht herleiten, so daß die Frage, welche Ereignisabläufe bei der Auslegung zu berücksichtigen, d.h. welche Risiken beachtlich sind, insoweit unbeantwortet bleibt. II. Um Ereignisabläufe im vorhinein einzustufen, muß ihre zu erwartende Eintrittshäufigkeit als Maßstab genommen werden. Die auf der Grundlage der Strahlenschutzverordnung ergangenen Sicherheitskriterien und Störfall-Leitlinien schreiben die Auslegung der Kernkraftwerke gegen bestimmte Störfälle fest. a) Diesen liegt zwar -jedenfalls implizit - auch die Berücksichtigung von Eintrittswahrscheinlichkeiten zugrunde. Jedoch ist gerade den Störfall-Leitlinien nicht zu entnehmen, innerhalb welcher Eintrittswahrscheinlichkeiten sich ein Auslegungsstörfall zu bewegen hat. Hinzu kommt, daß nicht gewährleistet ist, daß die Richtlinien sämtliche sicherheitsrelevante Ereignisse abdecken. Damit ist die Festlegung desjenigen Risikobereichs, in dem noch Vorsorgemaßnahmen geboten sind, durch die Richtlinien nicht abschließend konkretisiert und die Vermutungsklausel des§ 28 Abs. 3 S. 4 StriSchV in Frage gestellt. Das Problem der Ermittlung und der Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Auslegungs- und noch sicherheitsrelevanten Nicht-Auslegungsstörfällen bleibt für die Behörden bestehen. b) In rechtlicher Hinsicht fehlt es den Sicherheitskriterien und Störfall-Leitlinienzudem am Regelungscharakter, so daß ihnen weder rechtliche Außenverbindlichkeit zukommt noch die Genehmigungsbehörden verwaltungsintern an siegebunden sind. Eine etwaige Rechtsverbindlichkeit für Behörden und Gerichte läßt sich ebenfalls nicht dadurch konstruieren, daß man ihnen eine "normkonkretisierende Funktion" zuerkennt. Selbst wenn man diese unterstellt, könnte der Exekutive auch mit Blick auf die genannten Richtlinien keine Beurteilungsprärogative verbunden mit einer Zurücknahme der verwaltungsgerichtlichen Kontrollkompetenz im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG zuerkannt werden. Das schließt es allerdings nicht aus, daß die Richtlinien als ein Abwägungsgesichtspunkt in die Beweiswürdigung eingebracht werden und damit wenigstens faktische Bedeutung erlangen, da die Behörden ihnen im Regelfall entsprechen werden. c) Erst recht erfordert die nachträgliche Schadensvorsorge bei Entscheidungen nach § 17 Abs. I S. 3 AtG notwendig die Berücksichtigung von Eintrittswahrscheinlichkeiten. Da nachträgliche Anordnungen in die erteilte Genehmigung eingreifen, die bereits auf einer abgeschlossenen Risikoennittlung und -be-
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L. Zusammenfassung der Ergebnisse
wertung durch die Exekutive beruht, ist eine entsprechende Neubewertung der Risikolage durch die Behörde erforderlich. d) Auch die Verwaltungsgerichte müssen diese Neubewertung umfassend nachvollziehen und überprüfen. Schon die parallele Normstruktur der §§ 17 Abs. I S. 3 und 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gebietet es, auch im Hinblick auf Regelungen der Überwachungsbehörden einen Beurteilungsspielraum nicht zuzuerkennen. Dies gilt überdies sowohl für exekutive Regelwerke als auch für behördliche Einzelfallentscheidungen . Die in der Rechtsprechung demgegenüber auszumachende Tendenz hin zu einer Letztentscheidungskompetenz der Exekutive auch für die atomrechtliche Überwachung widerspricht der Wertung des Art. 19 Abs. 4 GG. 12. Erst durch die Festlegung der Grenze zwischen dem Bereich der Risikovorsorge und dem des Restrisikos wird der Umfang auch der nachträglich erforderlichen Schadensvorsorge abschließend bestimmt. Dabei unterscheiden sich die beiden Bereiche hauptsächlich in dem Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses. Gerade bei der Entscheidung, ob Nachrüstungsmaßnahmen geboten sind, reduziert sich das rechtstheoretische Konzept der Ermittlung des Restrisikos zwangsläufig auf die Eintrittswahrscheinlichkeit 13. Die in Betracht kommenden Kriterien zur Abgrenzung der beiden maßgeblichen Risikobereiche, also vornehmlich der "Standard praktischer Vernunft", die "Je-desto-Formel" oder der "Vergleich mit naturgegebenen Risiken", bedürfen, um überhaupt handhabbar zu sein, der Umsetzung in quantitative Angaben. Dabei erscheint es immerhin vernünftig, Ereignisse mit einer Eintrittshäufigkeit unterhalb von I o·7 pro Reaktorjahr in den probabilistischen Risikoanalysen außer Betracht zu lassen. Aber auch diese Risikoanalysen können nicht die im Anschluß an die Ermittlung erforderliche Bewertung eines Risikos als hinnehmbar oder nicht hinnehmbar ersetzen; sie ist den Rechtsanwendern vorbehalten. Damit kommt es darauf an, daß mit der Festlegung von Grenzwerten ein auch für Behörden und Gerichte nachprüfbares und verbindliches Maß der Risikobewertung geschaffen wird. Hierzu ist der Gesetz- oder Verordnungsgeber berufen. 14. Die Abgrenzung der Risikobereiche hat praktische Auswirkungen vor allem im Hinblick auf den Rechtsschutz Drittbetroffener. Das verbleibende, theoretisch nicht ganz auszuschließende "Restrisiko" ist nicht nur von der Allgemeinheit. sondern auch vom einzelnen als sozialadäquat hinzunehmen. Mehr als den praktischen Ausschluß eines sich als Grundrechtsverletzung darstellenden eigenen Schadens kann der Dritte nicht verlangen. Demgegenüber hat der Drittbetroffene einen Rechtsanspruch darauf, daß das zur eigentlichen Gefahrenabwehr Notwendige getroffen wird. Für den Risikovorsorgebereich ist schließlich davon auszugehen, daß er in einen noch den Drittschutz und einen nur den Kollektivschutz betreffenden Teil unterfällt Es erscheint durchaus sinnvoll, den lndividualrechtsschutz auf die gesamte Grauzone zwischen Gefahrenabwehr und
V. Tatsächlicher Bestandsschutz
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Risikovorsorge zu erstrecken. Wo die genaue Grenze in diesem Sinne verläuft, ist erst im jeweiligen Einzelfall von den Gerichten zu klären. Dabei ist es in erster Linie Aufgabe des materiellen Gesetzgebers, zu bestimmen, ob aus objektivrechtlichen Verpflichtungen eine subjektive Rechtsmacht Dritter folgen soll. 15. Der Erlaß nachträglicher Anordnungen steht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. I S. 3 AtG ("zulässig") im pflichtgemäßen Ermessen der Überwachungsbehörden. Hier handelt es sich um das allgemeine verwaltungsrechtliche Behördenermessen, das nicht mit dem Versagungsermessen des § 7 Abs. 2 AtG identisch ist.
V. Tatsächlicher Bestandsschutz I. Das Vorliegen einer atomrechtlichen Genehmigung verschafft dem Setreiber nur eine relative Rechtsposition. Der konkrete Umfang dieser Rechtsposition ergibt sich aus der Eingriffsschwelle, die zur Beeinträchtigung des Genehmigungsbestandes voraussetzungsgemäß erfüllt sein muß. 2. Der Bestandsschutzaspekt ist als Abwägungsgesichtspunkt bei der Ermessensausübung in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von nachträglichen Anordnungen miteinzubeziehen. lnfolge der normstrukturellen Parallelität von § 7 Abs. 2 Nr. 3 und § 17 Abs. I S. 3 AtG haben die Überwachungsbehörden auch während der Betriebsphase im Grundsatz die Genehmigungsfahigkeit der Anlage zum Maßstab zu nehmen. Lediglich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setzt den möglichen Nachrüstungsmaßnahmen engere Grenzen, als sie für entsprechende Maßnahmen im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens zu beachten sind oder waren. 3. Nach der hier vertretenen modifizierten Vorsorgetheorie sind nachträgliche Anordnungen zur Minimierung des hinzunehmenden Restrisikos von vomherein ausgeschlossen. Der Restrisikobereich ist nämlich auf dasjenige beschränkt, was aus Gründen der Verhältnismäßigkeit staatlicherseits auch nachträglich nicht mehr reduzierbar ist. 4. In den Fällen echter Gefahrenabwehr ist das behördliche Entschließungsermessen auf die einzig rechtmäßige Entscheidung, nachträgliche Maßnahmen anzuordnen, reduziert. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit i.e.S. kann hiernach keine Berücksichtigung finden, wohl aber die Gesichtspunkte der Geeignetheit und der Erforderlichkeit, so daß vom Setreiber nicht etwas tatsächlich oder rechtlich Unmögliches verlangt werden kann. Die Behörde ist dann auf den obligatorischen Widerruf nach § 17 Abs. 5 AtG zu verweisen. 5. Auch im Bereich der von der eigentlichen Gefahrenabwehr verschiedenen Risikovorsorge können Nachrüstungsmaßnahmen über § 17 Abs. I S. 3 AtG
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L. Zusammenfassung der Ergebnisse
durchgesetzt werden. Im Gegensatz zur Gefahrenabwehr ist die Vorsorgepflicht jedoch nicht kategorisch geboten, sondern wird von den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeitund Ausgewogenheit begrenzt. a) Zunächst müssen als äußerste Grenze des Risikovorsorgegebots - dies folgt aus dem Grundsatz der Geeignetheil des gewählten Mittels- die technischen Sicherheitspflichten dort enden, wo ein - letztlich nicht gebotener- höherer Sicherheitsstandardmit den verfligbaren technischen Mitteln nicht verwirklicht werden kann. Alles andere käme einem absoluten Verbot der Technik gleich. b) Den eigentlichen Schwerpunkt der Verhältnismäßigkeilsprüfung bildet die zu treffende strikte, einzelfallbezogene Abwägung zwischen den mit der Maßnahme verbundenen Nachteilen ft.ir den Setreiber und den mit dem angestrebten Erfolg verbundenen Vorteilen ftir Dritte und die Allgemeinheit. Dabei stellt der mit der nachträglichen Anordnung verbundene Aufwand eine zulässige Schranke der Risikovorsorge dar. Denn jeder praktisch erreichte Sicherheitsstandard ließe sich durch zusätzliche Vorsorgemaßnahmen (theoretisch) noch verbessern. Unter Aufwand ist der gesamte Kostenaufwand zu verstehen, der dem Setreiber durch die Verwirklichung der nachträglichen Anordnung entsteht. Bei der Ermittlung des Kostenaufwandes ist die Ertrags- und Vermögenssituation des Setreibers zugrundezulegen. c) Im Rahmen der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotenen behördlichen Abwägung sind auch die im eigentlichen Sinne zum Bestandsschutz rechnenden Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen in erster Linie die technischen Besonderheiten der jeweiligen Anlage. Der so ermittelte Aufwand ist wiederum in bezugauf den Wert der Gesamtanlage und deren Restnutzungsdauer zu bewerten. d) Die Unverhältnismäßigkeil einer Maßnahme zur Risikovorsorge kommt einmal in Betracht, wenn die Maßnahme sich im Hinblick auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage flir den Setreiber unzweifelhaft als nicht mehr zurnutbar erweist und damit infolge des erforderlichen investiven und betrieblichen Aufwands wirtschaftlich einem Widerruf der Genehmigung gleichkommt. ln diesem Fall besteht flir die Behörde aber die Möglichkeit, durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung gemäß § 18 Abs. 3 AtG die an sich unverhältnismäßige nachträgliche Anordnung dennoch zu erlassen. Zum anderen kann eine Risikovorsorgemaßnahme auch dann unverhältnismäßig sein, wenn sie die Anlagensicherheit eindeutig nur geringfügig erhöhen könnte und die daflir erforderlichen Investitions- und Betriebskosten außer Verhältnis zum erreichbaren Sicherheitsgewinn stünden. Hier hat jedoch ein Rückgritlauf den wirtschaftlichen Bestandsschutz des § 18 Abs. 3 AtG von vornherein auszuscheiden. da in bezug auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage der investive Aufwand die Zumutbarkeitsschwelle gerade nicht überschreitet.
V. Tatsächlicher Bestandsschutz
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e) Bei Unverhältnismäßigkeit einer beabsichtigten Maßnahme zur Risikovorsorge ist zu prüfen, mit welchen verhältnismäßigen Mitteln der angestrebte Zweck am ehesten gleichwertig erreicht werden kann. Häufig kommt zur Abwendung der Unverhältnismäßigkeil auch die Einräumung einer angemessenen Frist in Betracht. Schließlich kann nach der geltenden Rechtslage noch der wirtschaftliche Bestandsschutz des § 18 Abs. 3 AtG in den Fällen zum Tragen kommen, in denen sich die nachträgliche Risikovorsorgeanordnung für den Setreiber wirtschaftlich wie ein Genehmigungswiderruf auswirkt. Läßt sich auch unter Gewährung einer angemessenen Entschädigung eine Anordnung ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht treffen, so hat die Behörde unter den Voraussetzungen des§ 17 Abs. 3 AtG nach pflichtgemäßem Ermessen über die Möglichkeit des nach dieser Vorschrift im Grundsatz ebenfalls entschädigungspflichtigen Genehmigungswiderrufs zu befinden. f) Der Grundsatz der Ausgewogenheit gebietet, daß der mit einer Nachrüstungsmaßnahme in einem Teilbereich zu erzielende Sicherheitsgewinn nicht zu einem Sicherheitsverlust im Hinblick auf die Gesamtsicherheit der Anlage führt. Dabei vermag gerade bei Altanlagen einzig eine auf den Gesamtzustand des Kernkraftwerks bezogene Risikoanalyse und -bewertung ein hinreichend realistisches Bild von dem jeweiligen konkreten Anlagenrisiko als solchem zu liefern.
g) Für die Beurteilung von Verhältnismäßigkeit und Ausgewogenheit einer Nachrüstungsmaßnahme ist zwar die Gesamtsicherheit der Anlage unter Einbeziehung sämtlicher Einzelrisiken, jedoch bezogen auf das einzelne Kernkraftwerk entscheidend. Abwägungen, die in globaler Sicht die mit dem Betrieb sämtlicher Kernkraftwerke in der Bundesrepublik verbundenen Risiken berücksichtigen wollen, müssen von vornherein aus dem Bewertungsansatz ausscheiden. 6. Bestandsschutz bedeutet im Kern nichts anderes als konkretisierter Vertrauensschutz im vermögensrechtlichen Bereich. Dabei hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für den Bereich der vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. I GG eine eigene Ausprägung erfahren. Soweit der Gesetzgeber seinen Regelungs- und Ausgestaltungsauftrag aus Art. 14 GG verfehlt hat und hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben zurückgeblieben ist, bleibt ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 Abs. I GG nicht nur möglich, sondern auch geboten. Daneben besteht auf der Ebene der Rechtsanwendung vielfach bereits die Möglichkeit, im Einzelfall noch eine Modifizierung der konkreten Eingriffsgrundlage im Sinne verfassungskonformer Auslegung unter Einbeziehung der aus Art. 14 Abs. I GG ableitbaren Bestandsschutzpositionen vorzunehmen. 7. Mit Ausnahme derjenigen Betreibergesellschafien, an denen der Anteil der öffentlichen Hand 100% beträgt, ist Art. 14 Abs. I GG seinem Wesen nach auch
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L. Zusammenfassung der Ergebnisse
auf Kernkraftwerksbetreiber anwendbar. Dabei kommt es, sofern jedenfalls eine Privatperson Anteile- und seien es auch nur geringe- an dem Unternehmen besitzt, weder auf die Beteiligungsverhältnisse, noch auf die atomgesetzlichen Bindungen, noch auf die Wahrnehmung einer gesetzlich zugewiesenen öffentlichen Aufgabe "Stromerzeugung durch Kernkraft" und auch nicht auf die gegebenenfalls bestehende staatlich-private Einheit im Bereich der Kernenergie an. Nur so wird dem Art. 19 Abs. 3 GG hinreichend Rechnung getragen, dessen vorrangiges Anliegen es ist, die in einer Personenvereinigung repräsentierten Freiheiten natürlicher Personen durch Grundrechtssubjektivität der juristischen Person zu schützen. 8. Nachrüstungsmaßnahmen erfordern neben betrieblichen Veränderungen einen oftmals erheblichen finanziellen Aufwand, wodurch in das Unternehmen in seiner rechtlich geschützten Substanz und damit auch in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. I GG unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen wird. 9. Bei § 17 Abs. I S. 3 AtG handelt es sich weder um den Tatbestand einer Legalenteignung, noch um die Ermächtigung zu einer Administrativenteignung, sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. I S. 2, Abs. 2 GG. Eine nachträgliche Anordnung bezweckt nicht, aus der atomrechtlichen Genehmigung folgende Abwehrrechte zu überwinden, die der Verwirklichung hoheitlicher Aufgaben entgegenstünden. Die Gründe für eine behördlich angeordnete Nachrüstung sind vielmehr darin zu sehen, daß die Genehmigungsvoraussetzungen wegen späterer Änderungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht weggefallen sind bzw. die Rechtslage anders beurteilt wird und deshalb der weitere Betrieb der Anlage im Hinblick auf die mit ihm verbundenen Risiken nicht mehr verantwortbar erscheint. 10. An dieser Einschätzung vermag auch die Existenz der Entschädigungsregelung des § 18 Abs. 3 AtG nichts zu ändern. Nach der neueren Eigentumsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterscheiden sich grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmungen und zwingend entschädigungspflichtige Enteignungen nur mehr formal-begrifflich, nicht hingegen danach, ob eine Entschädigungspflicht besteht oder nicht. II. Die verfassungsrechtlichen Regelungsschranken des Art. 14 Abs. I S. 2 GG hat der inhalts- und schrankenbestimmende Gesetzgeber im Hinblick auf § 17 Abs. I S. 3 AtG schon deshalb eingehalten, weil er den Erlaß nachträglicher Anordnungen in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Behörden gestellt und die Exekutive damit an die strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung gebunden hat. 12. Die Entschädigungsregelung des § 18 Abs. 3 AtG ist lediglich Ausfluß des vom Gesetzgeber bewußt stärker ausgeprägten wirtschaftlichen Bestandsschutzes
V. Tatsächlicher Bestandsschutz
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im Atomrecht und erweist sich damit als reiner Zweckmäßigkeitsausgleich. Die Regelung ist hingegen verfassungsrechtlich nicht geboten, da § 17 Abs. I S. 3 AtG infolge des zwingend zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beim Erlaß nachträglicher Anordnungen - rein verfassungsrechtlich betrachtet in keinem Fall zu Nutzungsbeschränkungen ermächtigt, die nicht mehr von der Eingriffsnorm gedeckt wären. Dieser kommt folglich auch nicht der Charakter einer ausgleichspjlichtigen Inhaltsbestimmung des Betreibereigenturns zu. 13. Bei der Bestimmung des Inhalts der Sozialbindung des Eigentums im Atomrecht ist zu berücksichtigen, daß die Anlagengenehmigung Rechtserwerb "in der Zeit" ist und auf rechtlichen Rahmenbedingungen basiert, mit deren unveränderter Geltung niemand rechnen kann. a) Soweit § 17 Abs. I S. 3 AtG zu Maßnahmen der eigentlichen Gefahrenabwehr ermächtigt, liegen diese Eingriffe in den Bestand konkreter Vermögenspositionen in jedem Fall im Bereich der zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. f S. 2, Abs. 2 GG. Da Anordnungen dieser Art flir den Setreiber nicht unverhältnismäßig i.e.S. sein können, sind auch Fragen des wirtschaftlichen Bestandsschutzes, vorbehaltlich einer für den Setreiber günstigeren (einfach-gesetzlichen) Regelung in § 18 Abs. 2 AtG, von vomherein ausgeblendet. b) Demgegenüber vermag das Risikovorsorgegebot so weitgehende Eingriffe, die sich flir den Setreiber in bezug auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage als wirtschaftlich unvertretbar erweisen. auch unter eigentumsgrundrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu legitimieren. Sie sind deshalb wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungswidrig und daher unzulässig. Nur wenn jene Unverhältnismäßigkeit ausnahmsweise durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung nach § 18 Abs. 3 AtG "aufgefangen" wird, kann eine wirtschaftlich nicht mehr zurnutbare nachträgliche Anordnung zur "bloßen" Risikovorsorge vor der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes Bestand haben. 14. Mit den§§ 17 Abs. I S. 3 und 18 Abs. 3 AtG hat der Gesetzgeber nicht nur die Eingriffsvoraussetzungen flir den Erlaß nachträglicher Anordnungen, sondern daneben auch den Umfang des Bestandsschutzes in generell-abstrakter und deshalb typisierender Weise abschließend umrissen, mit der zwingenden Konsequenz, daß ein darüber hinausgehender Abwehranspruch des Setreibers gegen rechtswidrige Anordnungen allein und unmittelbar aus Art. 14 Abs. I S. I GG ausscheiden muß und auch ausscheiden kann. Der Setreiber kann nämlich ohne Rechtsverlust auf den ihm zukommenden einfach-gesetzlichen tatsächlichen und wirtschaftlichen Bestandsschutz verwiesen werden. Indem jedoch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebietet, die Konfliktsituation "eigentumsrechtlicher Bestandsschutz" auch im einfachen Recht zu be-
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L. Zusammentassung der Ergebnisse
rücksichtigen, behält auf diese Weise das Eigentumsgrundrecht jedenfalls als kollidierendes Verfassungsgut im Rahmen der im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung notwendig seine Berechtigung. VI. Die wichtigsten Fälle einer technischen Nachrüstung I. Wird infolge der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, sprich: der Umgebung des Kernkraftwerks, vornehmlich durch die Ansiedlung einer Industrieanlage, aus dem ursprünglich gesetzmäßigen ein gesetzwidriger Reaktorbetrieb, so ist flir die nachträglich eingetretene Erhöhung des nuklearen Risikopotentials jedenfalls auch die vorhandene kerntechnische Anlage verantwortlich. Das bedeutet, daß die atomrechtliche Überwachungsbehörde auf eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mit nachträglichen Anordnungen gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG reagieren kann. Dabei sind entsprechende Nachrüstungsmaßnahmen im Grundsatz im gesamten Bereich der nachträglich erforderlichen Schadensvorsorge zulässig. Der Umstand, daß das Kernkraftwerk zuerst da war und deshalb prinzipiell einen planungsrechtlichen Vorteil genießt, spielt lediglich bei der Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine Rolle, jedenfalls wenn die Umgebungsänderung nicht dazu geführt hat, daß der Betrieb des Kernkraftwerks im eigentlichen Sinne "gefährlich" geworden ist. Bei im Hinblick auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage unverhältnismäßigen Maßnahmen im reinen Risikovorsorgebereich kann insoweit auch der wirtschaftliche Bestandsschutz zum Tragen kommen. Allerdings ist in den Fällen, in denen eine als planrechtswidrig einzustufende Umgebungsänderung noch nicht vollzogen worden ist, der Vorrang des Primärrechtsschutzes zu beachten. 2. Stellt sich erst im Zuge der weiteren Entwicklung - aus welchen Gründen auch immer - die Unvereinbarkeit des Kernkraftwerks mit der nachgerückten Industrieanlage heraus, bestehen keine Besonderheiten zu den sonstigen Fällen einer technischen Nachrüstung, im wesentlichen also den Änderungen des Standes von Wissenschaft und Technik und einer Änderung der behördlichen Sicherheitsph ilosoph ie. 3. Der Setreiber genießt im Grundsatz keinen Schutz vor Nachteilen, die ihm durch eine mit der Voranschreitung des Standes von Wissenschaft und Technik einhergehende Änderung der rechtlichen Beurteilungsgrundlagen entstehen. Der Setreiber kann nämlich im allgemeinen nicht darauf vertrauen, seine Genehmigung für alle Zeit unverändert im Rahmen der bisherigen Bedingungen und ohne Rücksicht auf die allgemeine und technische Entwicklung ausnutzen zu können. Damit steht bis zur Grenze der Verhältnismäßigkeit der gesamte Bereich der nachträglich erforderlichen Schadensvorsorge einer durch eine Änderung des Standes von Wissenschaft und Technik veranlaßten Anordnung gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG offen. Jenseits der Schranke der Verhältnismäßigkeit kann mit
VI. Die wichtigsten Fälle einer technischen Nachrüstung
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Blick auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage erneut der wirtschaftliche Bestandsschutz in Rechnung zu stellen sein. 4. Die Zulässigkeil der Anordnung von nachträglichen Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes hängt von der rechtlichen Einordnung der Maßnahmen entweder als noch dem Risikovorsorgebereich oder aber als bereits dem Restrisikobereich zugehörig ab. Eine Zuordnung der Maßnahmen zum Risikovorsorgebereich kann nicht schon deshalb ausscheiden, weil sie gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse gerichtet sind. Nur wenn die Bewertung des errechneten Wahrscheinlichkeitsgrades der Eintrittswahrscheinlichkeit des mit Notfallschutzmaßnahmen zu begegnenden auslegungsüberschreitenden Ereignisses ergibt, daß das Ereignis unbeachtlich und damit hinnehmbar ist, steht fest, daß Notfallschutzmaßnahmen in die Prüfung nicht mehr einbezogen werden müssen. Im anderen Fall dürfen auch Notfallschutzmaßnahmen nur aus Gründen der (Un-)Verhältnismäßigkeit vernachlässigt werden bzw. können bei Gewährung einer angemessenen Entschädigung nach § 18 Abs. 3 AtG ausnahmsweise auch dann rechtlich zulässig sein, (auch) wenn sie - bezogen auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage- wirtschaftlich nicht mehr vertretbar sind. 5. Soweit der Grund flir ein nachträgliches behördliches Einschreiten gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG sich aus einem bloßen Wandel der Behördenauffassung über den Umfang des hinzunehmenden Restrisikos bei unverändertem naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisstand und unveränderter Vorsorgesituation ergibt, sind in Anbetracht der konstruktiven Schwierigkeiten und der damit verbundenen Kosten flir entsprechende Nachrüstungen bei Altanlagen kaum noch Ansätze flir wirtschaftlich vernünftige Lösungen denkbar. Gleichwohl ist die zuständige Überwachungsbehörde im Grundsatz nicht daran gehindert, bei der Auslegung und Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Eingriffsermächtigungsnorm eine von der früheren Handhabung abweichende Auffassung zugrundezulegen, also etwa auch die Grenze zwischen Schadensvorsorge und Restrisikobereich abweichend und neu zu bestimmen. Folgen die Verwaltungsgerichte beispielsweise der neuen Auffassung der Exekutive zur Grenzziehung zwischen Schadensvorsorge-und Restrisikobereich nicht, werden die nachträglichen Anordnungen im Falle einer Anfechtung seitens des Setreibers als rechtswidrig aufzuheben sein. Die Fälle einer Änderung der behördlichen Sicherheitsphilosophie sind daher im Grundsatz so zu behandeln wie die einer Änderung des Standes von Wissenschaft und Technik. 6. Die Möglichkeit eines potentiell betroffenen Dritten auf ein behördliches Einschreiten gemäß § 17 Abs. I S. 3 AtG hängt von der Reichweite der drittschützenden Funktion ab, wie sie den einzelnen Risikobereichen in unterschiedlichem Umfang zukommt. Entscheidend ist also, ob mit der begehrten Nachrüstungsmaßnahme einem Ereignis begegnet werden soll, das unter Berücksichtigung seiner Eintrittswahrscheinlichkeit noch dem Bereich unterfällt, in dem auch
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L. Zusammenfassung der Ergebnisse
unter dem Aspekt des Individualrechtsschutzes noch Schadensvorsorge geboten ist. a) Zur Beseitigung eines Gefahrenzustandes wird in der Regel ein Nachbaranspruch auf ein Einschreiten der zuständigen Behörde bestehen, der über den Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hinaus eine konkrete Maßnahme zum Gegenstand haben kann, die letztlich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchsetzbar ist. b) In dem noch den Drittschutz betreffenden Teil des Risikovorsorgegebots besteht demgegenüber mit Blick auf das der Behörde eingeräumte Eingriffs-, sprich: Entschließungs- und Auswahlennessen, im Regelfall kein Rechtsanspruch des betroffenen Dritten auf Erlaß der konkret beantragten behördlichen Anordnung. Jedoch kann § 17 Abs. I S. 3 AtG in diesen Fällen zumindest einen Anspruch auffehlerfreie Ausübung des Ermessens durch die Behörde vermitteln. c) Hinsichtlich der Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes ist eine differenzierende Beurteilung des Drittschutzes geboten. Soweit sie im konkreten Fall noch dem Risikovorsorgebereich zugerechnet und damit von der Behörde grundsätzlich angeordnet werden können, kommt es entscheidend darauf an, ob sie zugleich dem drittschützenden Teil des Vorsorgebereichs unterfallen. Diese Möglichkeit kann nicht von vornherein als ausgeschlossen betrachtet werden. Jedoch wird- wie auch sonst im von der eigentlichen Gefahrenabwehr verschiedenen Bereich - allein ein Anspruch gegenüber der Behörde auf fehlerfreie Ermessensausübung durchsetzbar sein.
VII. Wirtschaftlicher Bestandsschutz I. Für nachträgliche Anordnungen sind in der Praxis, soweit ersichtlich, ungeachtet der Regelung des § 18 Abs. 3 AtG Entschädigungen bislang nicht festgesetzt worden. 2. Maßnahmen nach § 17 Abs. I S. 3 AtG erfordern lediglich dann die Gewährung einer angemessenen Entschädigung, wenn sie - im Hinblick auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage - wirtschaftlich nicht vertretbar, also unverhältnismäßig sind und deshalb bei ihrer Umsetzung der Weiterbetrieb der Anlage allein schon aus wirtschaftlichen Gründen in Frage gestellt wäre. Denn allein dieser Fall ist überhaupt mit dem Anwendungsbereich des § 18 Abs. I AtG, dem Genehmigungswiderruf, zu vergleichen. Erweisen sich nachträgliche Anordnungen aus anderen Gründen als unverhältnismäßig, so sind und bleiben sie in jedem Fall rechtswidrig. Ein solcher Fall. in dem der Anwendungsbereich des § 18 Abs. 3 AtG von vomherein gar nicht eröffnet ist, kann insbesondere auch dann gegeben sein, wenn sich mit der angeordneten Maßnahme zweifelsfrei nur ein unbedeutender Sicherheitsgewinn erzielen läßt und die hierfür erforderli-
VII. Wirtschatllicher Bestandsschutz
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chen Investitions- und Betriebskosten außer Verhältnis zu dem erreichbaren Zuwachs an Sicherheit stehen. Der betroffene Setreiber ist hier auf den Primärrechtsschutz verwiesen. 3. Von den Ausschlußtatbeständen des § 18 Abs. 2 AtG ist im vorliegenden Zusammenhang einzig der der Nr. 3 von Interesse. Hiernach ist ein Entschädigungsanspruch ausgeschlossen, wenn eine Nachrüstungsmaßnahme wegen einer nachträglich eingetretenen, in der genehmigten Anlage begründeten erheblichen Gefahrdung der Beschäftigten, Dritter oder der Allgemeinheit angeordnet werden muß. a) Wie in § 17 Abs. 5 AtG ist der Begriff der "erheblichen Gefährdung" im Sinne einer "einfachen" atomrechtlichen Gefahr zu lesen. Eine von einem Atomkraftwerk ausgehende Gefahr ist stets erheblich, so daß in diesen Fällen im Grundsatz, d.h. vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Nr. 3 AtG, ein Entschädigungsanspruch ausgeschlossen ist. b) "Nachträglich eingetreten" ist die Gefahr nicht nur, wenn sie erst nach Genehmigungserteilung objektiv entstanden ist, sondern auch, wenn sie im Genehmigungszeitpunkt bereits bestanden hat, jedoch erst später aufgrund eines Voranschreitens des Erkenntnisstandes als solche erkannt worden ist. c) Indem die Gefahr schließlich "in der genehmigten Anlage begründet" sein muß, erfahrt der Ausschlußtatbestand eine räumliche und nicht bloß kausale Eingrenzung. 4. Die durch § 18 Abs. 2 Nr. 3 AtG gezogene Grenzlinie zwischen Entschädigungsausschluß und Entschädigungspflicht läßt sich flir die wichtigsten Fälle einer technischen Nachrüstung hiernach wie folgt umschreiben: a) Im Risikovorsorgebereich sind wirtschaftlich dem Genehmigungswiderruf gleichkommende nachträgliche Anordnungen nach der Wertung des § 18 Abs. 3 AtG stets zu entschädigen, und zwar gleichgültig, wodurch sie veranlaßt sind. Hierzu rechnen auch die ohne Gewährung einer angemessenen Entschädigung rechtswidrigen, weil nicht mehr von § 17 Abs. I S. 3 AtG gedeckten, in bezug auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage flir den Setreiber unzumutbaren Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes sowie diejenigen in diesem Sinne unverhältnismäßigen Maßnahmen, die allein aufgrund eines Wandels der behördlichen Sicherheitsphilosophie nunmehr geboten erscheinen. b) Hingegen sind im Gefahrenabwehrbereich auch unzumutbare nachträgliche Anordnungen, die wirtschaftlich dem Widerruf der Genehmigung gleichkommen, grundsätzlich entschädigungslos zulässig. Dies gilt vornehmlich flir Maßnahmen, mit denen die Anlage einem neuen Stand von Wissenschaft und Technik angepaßt werden soll. Lediglich wenn die- mit Blick auf den Wert und die Restnutzungsdauer der Anlage wirtschaftlich unvertretbare - nachträgliche An-
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L. Zusammenfassung der Ergehnisse
ordnungwegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, in erster Linie der Umgebung des Kernkraftwerks, ergeht, um hierdurch einer neu entstandenen Gefahrenquelle zu begegnen, soll diese nach der Wertung des Gesetzes entschädigungsrechtlich in den Verantwortungsbereich der Behörde fallen, da sie nicht "in der Anlage begründet" ist. 5. Auch wenn der einfach-gesetzlich konkretisierte wirtschaftliche Bestandsschutz ftir den Setreiber günstiger ist als der verfassungsrechtlich gewährleistete, kommt ersterem wegen der erheblichen Beschränkung, die dieser in § 18 Abs. 3 AtG erfahren hat, nicht nur praktisch, sondern auch rechtlich eine nur untergeordnete Bedeutung zu.
VIII. Zusätzliche Änderungsgenehmigung I. Eine Änderungsgenehmigung gemäß § 7 Abs. I AtG ist erforderlich, wenn die Änderung mehr als nur offensichtlich unerhebliche Auswirkungen auf das Sicherheitsniveau der Anlage haben kann. 2. Die nachträgliche Anordnung kann die Änderungsgenehmigung in Anlehnung an die Regelung in § 17 Abs. 4 BlmSchG ersetzen, wenn die nachträgliche Anordnung die wesentlichen Änderungen abschließend bestimmt, so daß dem Setreiber kein Entscheidungsspielraum verbleibt. Allerdings werden der Behörde zumeist in tatsächlicher Hinsicht Grenzen gesetzt sein, weil häufig nur der Betreiber selbst überblicken kann, wie eine geeignete Maßnahme im Detail auszusehen hat. 3. Verlangt die Vomahme der wesentlichen Änderung der Anlage eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung, so hat ein Genehmigungsverfahren auch dann stattzufinden, wenn die wesentliche Änderung sowie die Art und Weise ihrer Durchftihrung zuvor in einer nachträglichen Anordnung angeordnet worden sind. 4. Nach dem Sinn und Zweck der Verfahrensbeteiligung Dritter darf die Behörde nur dann befugt sein, von einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung abzusehen, wenn die wesentliche Änderung mit Gewißheit keine Nachteile flir die atomrechtlichen Schutzgüter zur Folge haben kann. Die Regelung im § 4 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AtVN kann daher in der Sache nicht aufrechterhalten werden. 5. Nachrüstungsmaßnahmen an kerntechnischen Anlagen dürften in der Mehrzahl der Fälle zugleich wesentliche Änderungen der Anlage beinhalten und daher eine Genehmigung erforderlich machen. Dabei ist die Frage, ob und inwieweit der (Rest-)Bestand der Anlage bei derErteilungvon Änderungsgenehmigungen mit einbezogen werden muß, jeweils schon beim Erlaß der nachträglichen Anordnung selbst zu berücksichtigen.
IX. Reformüberlegungen
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6. Nachträglich angeordnete Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes, die keine wesentlichen Änderungen der Anlage zur Folge haben, bedürfen lediglich der aufsichtsbehördlichen Zustimmung nach § 19 Abs. I S. 2 AtG. Wenn sie hingegen wegen der Sicherheitsrelevanz Anlaß zur erneuten Überprüfung der Anlage geben, sind auch zusätzlich anzubringende Notfallschutzeinrichtungen genehmigungspflichtig. Die Frage wird abschließend nur mit Hilfe des technischen Sachverstandes zu klären sein.
IX. Reformüberlegungen I. Die §§ 17 und 18 AtG haben, wie die vorliegende Arbeit belegen konnte, zahlreiche Fragen offengelassen oder zumindest nicht mit der hinreichenden Eindeutigkeit beantwortet, so daß die an sich wünschenswerte Rechtssicherheit nicht in dem gebotenen Ausmaß gewährleistet ist. 2. Der de lege lata verwendete enge Begriff der "Auflage" in § 17 Abs. I S. 3 AtG sollte durch den der "Anordnung" ersetzt werden. 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen für nachträgliche Anordnungen und die Genehmigungsvoraussetzungen sind einander anzugleichen. Von den normativen Grundlagen der Genehmigungserteilung bedarf in erster Linie der Begriff der "erforderlichen Schadensvorsorge" in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG der Konkretisierung. 4. Zugleich gilt es zu verdeutlichen, daß nachträgliche Anordnungen zum Zwecke der Gefahrenabwehr absolut und kategorisch geboten sind, während sie zum Zwecke der Risikovorsorge nach Ermessen und nur unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit zulässig sind. 5. In einer zu erlassenden Anlagensicherheits-Verordnung könnten die bei der Auslegung eines Kernkraftwerks zu berücksichtigenden Störfälle enumerativ aufgeführt und diesen Ereignissen jeweils, sofern die Ergebnisse probabilistischer Sicherheitsanalysen von hinreichender Aussagesicherheit und standardisierbar sind, aus diesen Berechnungen abgeleitete Risikogrenzwerte normativ zugeordnet werden. 6. In einer speziellen "Nachrüstungs-Verordnung" könnte -je nach Anlagentyp - ein umfassendes und auf einheitliche und gleichmäßige Durchführung angelegtes Sanierungskonzept verbindlich vorgegeben werden. Die materiellen Anforderungen werden dabei im wesentlichen durch Kriterien der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen sein. Vorstellbar ist, daß in der Verordnung konkrete Maßnahmen gefordert werden, auch können lediglich konkrete Zielanforderungen aufgestellt sein. 23 Gemmelee
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L. Zusammenfassung der Ergebnisse
7. Gesetz- und Verordnungsgeber sind aufgefordert, über das Bestehen, den Inhalt und die Grenzen subjektiver Rechte Dritter eindeutige Aussagen zu treffen. 8. Für nachträgliche Anordnungen wird die Streichung der Entschädigungspflicht, wie sie derzeit in § 18 Abs. 3 AtG vorgesehen ist, vorgeschlagen. Entschädigungsansprüche sind in der Praxis nie geltend gemacht worden. Ein Wegfall der Entschädigungsregelung wäre bei gleichzeitiger Abschaffung des Förderungszwecks in § I Nr. I AtG folgerichtig. Er führte zudem zu einer Annäherung an das lmmissionsschutzrecht, wo nachträgliche Anordnungen ebenfalls entschädigungslos zulässig sind. Rechtspolitisch bedeutete die Einschränkung des wirtschaftlichen Bestandsschutzes auch eine stärkere Betonung des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes. Das Verfassungsrecht steht einer Aufhebung des § 18 Abs. 3 AtG nicht entgegen, da § 17 Abs. I S. 3 AtG keine ausgleichspf/ichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstellt. Von einer Preisgabe an Sicherheitsinteressen zugunsten der Wirtschaftlichkeit kann schon in Anbetracht der Widerrufsmöglichkeit des § 17 Abs. 3 AtG keine Rede sein. Nicht zuletzt unterliegen nachträgliche Anordnungen zur Risikovorsorge ohnehin der Schranke der Verhältnismäßigkeit 9. Schließlich sollte in Anlehnung an § 17 Abs. 4 BlmSchG der Reformgesetzgeber das Verhältnis von nachträglichen Anordnungen zu Änderungsgenehmigungen klarstellen. Die Entbehrlichkeit eines Änderungsgenehmigungsverfahrens kann aber nur unter der zusätzlichen Voraussetzung gelten, daß im Falle eines Änderungsgenehmigungsverfahrens eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich ist, d.h. von einer Beteiligung Dritter abgesehen werden kann.
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