Musik-Stammbücher: Erinnerung, Unterhaltung und Kommunikation im Europa des 19. Jahrhunderts [1 ed.] 9783412518745, 9783412518721


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German Pages [361] Year 2020

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Musik-Stammbücher: Erinnerung, Unterhaltung und Kommunikation im Europa des 19. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783412518745, 9783412518721

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Henrike Rost

MUSIKSTAMMBÜCHER Erinnerung, Unterhaltung und Kommunikation im Europa des 19. Jahrhunderts

MUSIK – KULTUR – GENDER Herausgegeben von Dorle Dracklé Florian Heesch Dagmar von Hoff Nina Noeske Carolin Stahrenberg

Band 17

Kultur ist Kommunikation: Wörter, die gelesen werden, ein literarisches oder filmisches Werk, das interpretiert wird, hörbare und unhörbare Musik, sichtbare oder unsichtbare Bilder, Zeichensysteme, die man deuten kann. Die Reihe Musik – Kultur – Gender ist ein Forum für interdisziplinäre, kritische Wortmeldungen zu Themen aus den Kulturwissenschaften, wobei ein besonderes Augenmerk auf Musik, Literatur und Medien im kultu­rellen Kontext liegt. In jedem Band ist der Blick auf die kulturelle Konstruktion von Geschlecht eine Selbstverständlichkeit.

M U S I K - S TA M M B Ü C H E R Erinnerung, Unterhaltung und Kommunikation im ­Europa des 19. Jahrhunderts

von Henrike Rost

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Mariann Steegmann Foundation

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag GmbH & Cie. KG, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung en : Buchrücken des Albums von Ignaz Moscheles; © The British Library Board (Zweig MS 215, book spine). Detail aus dem Vorderdeckel des Stammbuchs von Emily Moscheles; © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S. 10, Vorderdeckel). Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51874-5

Inhalt

Vorwort und Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 In medias res »mit Pauken und Kanonen« – Hinführung . . . . . . . . . . . . . 12 1. Einleitendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.1 Was sind Musik-Stammbücher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.1.1 Zwischen persönlicher Erinnerung und repräsentativer Sammlung 21 1.1.2 Kulturelle Praxis und soziale Interaktion: Unterhaltung, Geselligkeit, Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.1.3 Materialität: Das Musik-Stammbuch als Objekt . . . . . . . . . . . . . . 27 1.1.4 Historische Perspektiven: Vielfalt, Tradition, Wandelbarkeit . . . . . 29 1.1.5 Album – Stammbuch – Musik-Stammbuch: Zu den Begriffen . . . 31 1.1.6 Zum Quellenbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1.1.7 Musik-Stammbücher als Quellen der Musikforschung . . . . . . . . . 35 1.2 Stammbuchforschung – Von den Wittenberger Reformatoren zur ­»Autographenwut« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.2.1 Stammbücher im Fokus der Musikwissenschaft – Zwei Ansätze . . 44 1.2.2 Personenzentrierte Zugänge: Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Heinrich Wilhelm Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1.2.3 Einzelstudien: Musik-Stammbücher in Europa . . . . . . . . . . . . . . . 52 1.2.4 Stammbuch oder Autographenalbum? Überlegungen zu den ­Sammlungen von Ferdinand Hiller (1825–84) und Julius Rietz (1829–77) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.2.5 Annäherungen in der Frauenforschung: Fanny Hensel und Henriette Voigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1.2.6 Forschungslücken, Forschungstücken. Das Beispiel des »Salonalbums« der Madame Beaumarié (1837–56) . . . . . . . . . . . . 60 2. 2.1

Europäische Stammbuch-Horizonte: ­Analyseperspektiven und Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Biographische Einschnitte: Reisen und Abschied . . . . . . . . . . . . . . 64

6

Inhalt

2.1.1 Musik-Stammbücher im Wandel (circa 1790 bis 1820): Beethoven, Spohr, die Weber-Brüder, Franz Xaver Mozart und Maria Szymanowska . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.1.2 Die zwei Biographien des ›Musiker-Stammbuchs‹ von Heinrich ­Panofka (1827–92) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.1.3 Erinnerung an eine Sängerin auf Reisen. Das Stammbuch von ­W ilhelmine Schröder-Devrient (1829–53) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.1.4 Mit Albumblättern auf Spurensuche. Ferdinand und Antolka Hiller in Italien (1838–42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.2 Dokumentation, Repräsentation, Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.2.1 Dokumentation für die Nachwelt. Das Schumann-Album . . . . . . . 97 2.2.2 Netzwerke in Paris und London (circa 1830 bis 1870): Die Alben von Alfred de Beauchesne, Dantan Jeune, Gustave Vogt und Vincent Novello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2.2.3 Eine supranationale Akteurin: Die Gräfin Obreskov und ›ihre‹ Künstler (1838–52) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2.2.4 Partizipieren und Repräsentieren. Aristokratische Stammbuchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2.3 Unterhaltung und Musikpraxis im Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2.3.1 Stammbuch und (Rätsel-)kanon. Prüfung, Herausforderung, Spiel 119 2.3.2 »Phénix« und »Cécile« – Zu den Stammbüchern von Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.3.3 Zwischen privatem und öffentlichem Musikleben: ›MusikerinnenStammbücher‹ und Eliza Wesleys ›Fan-Album‹ . . . . . . . . . . . . . . . 132 2.3.4 Klingende Innenräume. ›Salonalben‹ aus Paris, Rom und St. Petersburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3.1 Die Moscheles-Alben im Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.1.1 Stammbücher im Wandel der Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3.1.2 Gebrauch in Geselligkeit: Max und Clara Bruch, Walter Scott und ­Maria Malibran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.1.3 Die Mischalben im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3.2 Das Album von Ignaz Moscheles (1825–69) – »… one of the completest of its kind« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3.2.1 Kulturelle Identität und musikalische Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.2.2 Ein Geschenk von Charlotte Moscheles. Private Kontexte . . . . . . . 160 3.2.3 Mobilität und Reisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3.2.4 Das Musikrepertoire im Album und ein Resümee . . . . . . . . . . . . . 165

Inhalt

3.3

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Ein Familienalbum. Die Erinnerungssammlung von Charlotte Moscheles (1839–82) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3.3.1 Weber, Mendelssohn, Heine – Wert und Bewertung einer Sammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.3.2 Existierte ein weiteres Stammbuch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3.3.3 Genderspezifische Beobachtungen und daraus resultierende ­Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.4 Schwestern im Vergleich. Die Stammbücher von Emily und Serena ­Moscheles (1843–82 und 1844–95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.4.1 Die Stammbuchpraxis der nächsten Generation. Joseph Joachim und die Milanollo-Schwestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3.4.2 Emily Roche: Geselligkeiten in Cadogans Garden . . . . . . . . . . . . . 179 3.4.3 Serena Rosen: Aus dem Orient nach Detmold . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3.4.4 Autographe des Vaters: Schlummerlieder und Musik »für den ­Jerusalemer Geschmack« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.4.5 Fazit: Ein erweiterter Blick auf das musikkulturelle Handeln im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3.5 »Early recollections …« – Die verschollenen Alben von Felix und Clara Moscheles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.5.1 Rossinis Komposition für Lippen-Horn. Ein Spaß im Privaten . . . 193 3.5.2 Clara Moscheles’ Album in Antwerpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3.6 Kommunikation in Bildern. Felix Mendelssohn Bartholdy . . . . . . . 196 3.6.1 Erinnerungen an eine Freundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3.6.2 Zum Geburtstag: Sprechende Zeichnungen, gezeichnete Musik . . 203 3.6.3 Emily Moscheles’ Biographie im Bild und Rätselspaß für Serena . . 207 3.7 Scherz und Spiel um Heinrich Wilhelm Ernst und Stephen Heller 209 3.7.1 Eine Neudatierung, viel Gefühl und mehrere Fälschungen. Die Albumbeiträge von Heinrich Wilhelm Ernst . . . . . . . . . . . . . 209 3.7.2 Ein verwaistes Scherzo, Walzer und Kulinarisches. Die skurril-­ komischen Stammbucheinträge von Stephen Heller . . . . . . . . . . . 212 3.8 Bilder und Zeichnungen in den Moscheles-Stammbüchern . . . . . . 217 3.8.1 Musikausübung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit . . . . . . . . 220 3.8.2 Liszt-Karikaturen und Musiker-Porträts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3.8.3 Die Zeichnungen von Franz Graf von Pocci . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3.8.4 Allegorische Darstellungen von Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.8.5 Die »Instrumenten-Figur« von Moritz Gottlieb Saphir . . . . . . . . . 229 3.9 Unterhaltung und Konvention. Die Albumblätter von Ignaz Moscheles (1815–69) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3.9.1 Einträge für Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy und Kanon-­ Kompositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

8

Inhalt

3.9.2 »Paganinis Aufgabe« für Clara Wieck und eine musikalische ­Verbeugung vor Wilhelmine Schröder-Devrient . . . . . . . . . . . . . . 241 3.9.3 Impromptu, Capriccio, Scherzo: Albumblätter in London und Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3.9.4 Ruhigere Töne, Fragmente und ein Ferienspaß um Heinrich Wilhelm Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3.9.5 Momentaufnahmen im Stammbuch von Sophie Klingemann (1844–68) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3.9.6 Klaviervirtuose, Komponist und Professor. Albumblätter mit Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3.9.7 Lieder, eine Cello-Ballade mit politischem Statement und ­Erinnerungsblätter für die Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3.9.8 Überlegungen und ein Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.

Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Bild-Tafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

Vorwort und Danksagung

Von einem ›Stammbuchblatt‹, auf dem er für die befreundete Pianistin Delphine von Schauroth ein Gondellied niedergeschrieben hatte, berichtete Felix Mendelssohn Bartholdy seinen Schwestern im Oktober 1830. Es war diese kurze Briefstelle, die mich zu der Frage führte, ob es sich wohl bei solchen musikbezogenen Stammbüchern, die offenbar auch Kompositionen umfassten, um ein weiter verbreitetes Phänomen handelte und wie diese Alben und Albumblätter konkret gestaltet worden waren. Ich wandte mich daraufhin im Februar 2015 an die Berliner Staatsbibliothek mit einer Anfrage zu ihrem diesbezüglichen Bestand und erhielt eine kürzere Liste mit Musikhandschriften, die lediglich in einem intern verfügbaren Katalog recherchierbar waren. Darunter befand sich das Stammbuch der Emily Moscheles, Tochter des Klaviervirtuosen und Komponisten Ignaz Moscheles, das zwar nur relativ wenige, jedoch äußerst hochkarätige Eintragungen enthielt. Meine Begeisterung für die Quellen war entfacht. Hier begann meine Reise in die schillernde Welt der Musik-Stammbücher und nicht zuletzt in die Welt der Familie Moscheles. Die in dieser Arbeit entwickelten Einsichten in das von Musik maßgeblich geprägte Leben der Familie Moscheles sowie die Kontextualisierung ihrer Alben basieren zu einem wichtigen Teil auf dem im Laufe eines langen Lebens gesammelten Wissen von Henry J. Roche, Ururenkel von Charlotte und Ignaz Moscheles sowie Urenkel von Emily Roche (geb. Moscheles). Der Austausch mit ihm und seine Begeisterung für seine weitverzweigte Familie ebenso wie für die Musik haben diese Arbeit von Anfang an mitgetragen und bereichert. Für seine große Unterstützung danke ich Henry Roche von Herzen, ebenso gebührt mein Dank Dr. Agnes Stache-Weiske, Nina und Ricky Booth sowie Stephen Roche. Besonders freue ich mich darüber, dass aus dem geistigen Austausch mit den Nachfahren der Familie Moscheles auch eine klingende Erinnerung hervorgegangen ist. Mit freundlicher Unterstützung von Prof. Dr. Sabine Meine konnte ich im Sommer 2017 eine CD-Einspielung ausgewählter Albumblätter von Ignaz Moscheles unter Beteiligung von Studierenden der Hochschule für Musik Detmold realisieren. Henry Roche, vor seinem Ruhestand Pianist für das Ballett des Royal Opera House Covent Garden, übernahm den Klavierpart. Diese Studie wurde im Januar 2019 als Dissertation an der Hochschule für Musik und Tanz Köln angenommen. Meiner Erstgutachterin Prof. Dr. Sabine Meine möchte ich neben der umfänglichen fachlichen Betreuung und Förderung, die von einer dezidiert europäischen Sicht auf Musikwissenschaft getragen wird, für all das über Jahre in mich gesetzte Vertrauen von Herzen danken. Ihre

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Vorwort und Danksagung

Wertschätzung meiner Fähigkeiten und Potenziale haben diese Arbeit begleitet und motiviert. Meiner Zweitgutachterin Prof. Dr. Melanie Unseld danke ich für ihre große Aufgeschlossenheit gegenüber meinem Thema, das in mancherlei Hinsicht an ihre Forschungsperspektiven anknüpft und von diesen profitieren konnte. Meine Studie basiert auf einer mehrjährigen Quellenrecherche in Bibliotheken und Archiven weltweit. Vor Ort eingesehen habe ich Stammbücher in der British Library (London), in der Bodleian Library (Oxford), in der Bibliothèque nationale de France (Paris), im Archivio provinciale di Trento (Trient), in der Staatsbibliothek zu Berlin, im Historischen Archiv der Stadt Köln und im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Detmold). Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller von mir im Zuge meiner Recherchen angeschriebenen oder besuchten Einrichtungen. Namentlich danken möchte ich Marina Gordienko und Dr. Roland Schmidt-Hensel von der Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv der Berliner Staatsbibliothek, Hartmut Kehmeier vom Landesarchiv NRW sowie Amelie Roper von der British Library. Meine Reisen wurden durch Gerald D. Feldman-Reisebeihilfen der Max Weber Stiftung sowie durch Mittel aus der Forschungsreserve der Universität Paderborn gefördert. Das Deutsche Studienzentrum in Venedig ermöglichte mir als Stipendiatin Forschungsaufenthalte in Venedig. Für die Förderung der Drucklegung danke ich der Mariann Steegmann Foundation und dem Fachbereich 5 der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Prof.ssa Carlida Steffan habe ich zu danken für Inspiration und Rat. Für Unterstützung in Gestalt von Lektüren, Gesprächen und Anregungen geht mein Dank an Dr. Karin Martensen und Dr. Claudia Marra. Meiner Mutter Edda Rost und meinem Mann Ali Adra danke ich schließlich von Herzen für ihre Motivation, ihre Geduld und den unerschütterlichen Glauben in meine Fähigkeiten. This book, published in the 150th anniversary year of Ignaz Moscheles’ death, is dedicated to Henry J. Roche and his family. Berlin, den 15. März 2020

Vorbemerkungen

Die im Folgenden zitierten Texte von Stammbuchblättern habe ich weitestgehend buchstabengetreu übertragen und somit auch heute unübliche Schreibweisen beibehalten. Auffallen mag insbesondere das Fehlen einiger Kommata oder Akzente. Lediglich die durch den Überstrich ausgedrückte Verdopplung von Konsonanten habe ich aufgelöst und dem heutigen Schriftbild angepasst. Zeilen­umbrüche habe ich in der Regel gekennzeichnet, ausgenommen davon sind besonders lange Passagen. Alle Texte von Albumblättern sind in der Originalsprache wiedergegeben. Mit Ausnahme von englischsprachigen Texten habe ich Übersetzungen ins Deutsche erstellt, die in Fußnoten eingefügt sind. Laufzeiten von Stammbüchern (18xx–xx) und Lebensdaten von Personen (18xx– 18xx) unterscheide ich, indem ich Erstere in verkürzter Form angebe. Anstelle der historisch etablierten, aber regelwidrigen Pluralform ›Autographen‹ benutze ich die nach aktuellem Duden optionale Pluralform ›Autographe‹. Zur Entlastung der Fußnoten verwende ich für die Literaturangaben Sigel, die im Literaturverzeichnis vollständig hinterlegt sind.

In medias res »mit Pauken und Kanonen« – Hinführung

Im Frühjahr 1848 schrieb sich der Dirigent und Komponist Julius Rietz mit einem zweiseitigen Beitrag in das Stammbuch von Ignaz Moscheles ein.1 Rietz notierte einen längeren Ausschnitt aus einer seiner erfolgreichsten Kompositionen: Dithyrambe op. 20 für Männerchor und Orchester nach einem Gedicht von Friedrich Schiller. In der Moscheles zugedachten Widmung (siehe Abb. 1) bezog er sich auf den zuvor verwendeten Gesangstext:2 »Hat Hebe den Auftrag bei Ihnen ausgerichtet? Ich glaube! – / Zur freundlichen Erinnerung an Julius Rietz / Leipzig den 9ten Mai 1848.« Von einem freundschaftlich-kollegialen Verhältnis getragen, mag Rietz mit diesen Zeilen rückblickend auf ein Beisammensein mit Moscheles in feuchtfröhlicher Runde angespielt haben. Ebenso könnte Rietz hinsichtlich einer Schiller-Interpretation einen augenzwinkernden Verweis auf das Motiv künstlerischer Unsterblichkeit intendiert haben, die Hebe, griechische Göttin der Jugend und Mundschenkin der Götter, dem Dichter im Rausch zumindest für eine Weile über den in der Schale gereichten Nektar in Aussicht stellen konnte. Eindrucksvoll offenbart sich bereits an dieser Stelle ein dichtes Netz aus nur unvollständig zu entschlüsselnden Bezügen, die entsprechende historische Vorstellungen von Humor und künstlerischem Selbstverständnis ebenso wie kulturelle Codes und daran gebundenes kollektives Wissen nachvollziehen lassen, zugleich aber die Spielräume und Grenzen subjektiver Interpretation vor Augen halten. Mit Blick auf die linke untere Ecke des zweiten Stammbuchblattes scheinen die möglichen Erklärungsansätze schließlich zu stocken: Rietz notierte neben dem Widmungstext eine zweitaktige Schlusswendung, die sowohl in Metrum als auch Tonart vom Chorgesang abweicht. Die Akkorde einführend ist zu lesen: »Wenn die bewußte Versammlung nur nicht so auflöset: [Noten]«. Der mehrfach unterstrichene Schlussakkord in As-Dur mit Septime (hier: fis) im Bass steht zudem im dreifachen forte mit der Erläuterung »Timpani u. Tamtam d. h. Kanonen!« Was hat es mit diesem Musiknotat auf sich? Von welcher mutmaßlich im Kanonendonner endenden Versammlung ist die Rede? Antworten auf diese Fra1 GB-Lbl, Zweig MS 215, f.127v, f.128r (S. 176–177). 2 Der Musik ist folgender Auszug aus der dritten Strophe von Schillers Gedicht unterlegt: »Reich’ ihm die Schaale! Schenke dem Dichter, Hebe, nur ein, schenk’ ihm nur ein, / Netz’ ihm die Augen mit himmlischem Thaue, / daß er den Styx, den verhaßten nicht schaue, / einer der Unsern sich dünke zu sein.«

Hinführung

13

Abb. 1: Widmung des Stammbucheintrags von Julius Rietz für Ignaz Moscheles

gen finden sich in Julius Rietz’ Stammbuch mit Blick auf Ignaz Moscheles’ Eintrag vom 7. Mai 1848. Moscheles hatte darin seine Gedanken und wohl auch Sorgen um den Ausgang der Mitte Mai anstehenden Frankfurter Nationalversammlung humorvoll-musikalisch in Gestalt verschiedener Kadenzen zum Ausdruck gebracht (vgl. Kap. 3.9.7). Rietz wiederum hatte diese, durch die Stammbücher kommunizierend, mit seiner Schlusswendung ›beantwortet‹. Der exemplarische Austausch zwischen Ignaz Moscheles und Julius Rietz, dem im Folgenden viele weitere Beispiele aus der Stammbuchpraxis zur Seite gestellt werden, veranschaulicht den Korrespondenzcharakter von Stammbüchern ebenso wie die Einzigartigkeit der Quellen, die in ihrem Facettenreichtum und ihrer Spezifik die Musikkultur des 19. Jahrhunderts kennzeichnen.

1. Einleitendes Dans l’Europe du siècle dernier, quels jeunes gens, quelle dame de la société aristocratique ou bourgeoise, quel artiste n’avait pas son album personnel (Stammbuch) dans lequel intimes et/ou célébrités portaient des vers, de la musique, du dessin? Jean-Jacques Eigeldinger (1996)1

Das Sammeln von Erinnerungen in Gestalt von autographen Albumblättern war ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Umgangs im 19. Jahrhundert. In diesem Rahmen kam notierter Musik, neben Gedichten und Zeichnungen, die Rolle eines aussagekräftigen Kommunikations- und Unterhaltungsmediums zu. Sucht man gezielt nach entsprechenden Erwähnungen in der Erinnerungsliteratur, in Briefen oder Tagebuchaufzeichnungen, wird man schnell fündig und ist zugleich überrascht, wie wenig präsent die Stammbuchpraxis in der gegenwärtigen Musikforschung zum 19. Jahrhundert ist. Beispielsweise schrieb der heute vor allem als Klaviervirtuose erinnerte Ignaz Moscheles am 13. Dezember 1824 in sein Tagebuch: »Dem Felix [Mendelssohn] sein Stammbuch zurückgegeben, in welches ich gestern das Impromptu Op. 77 schrieb. Er spielte es vortrefflich vom Blatt.«2 In einem Brief Moscheles’ aus Leipzig an seine Frau Charlotte vom Oktober 1840 heißt es: »Natürlich habe ich Album-Blätter zu schreiben […]«.3 Diese Zeilen lassen zum einem die Allgegenwärtigkeit von Stammbüchern in diesen Jahrzehnten erahnen, zum anderen wird deutlich, dass ein professioneller Musiker und Interpret sich dem Schreiben von Albumblättern nur schwerlich entziehen konnte. Der offensichtlichen Bedeutsamkeit der Stammbuchpraxis im geselligen Umgang künstlerischer Eliten des 19. Jahrhunderts ungeachtet ist zur Funktion, zum Gebrauch und zu den vielfältigen Erkenntnispotenzialen von musikbezogenen Albumblättern bisher nur in Hinblick auf Einzelfälle und nicht aus umfassender Perspektive geforscht worden.4 Dies steht zweifellos in Zusammenhang mit den gängigen Vorurteilen der Musikforschung gegenüber dem Stammbuch als Medium, das zwar einzelne ernstzunehmende Fundstücke enthalten kann, insgesamt aber dem unterhaltenden, ästhetisch zweifelhaften Bereich zugeord1 2 3 4

Eigeldinger 1996, S. 347. Moscheles 1872, S. 96; vgl. Kap. 3.9.1. Moscheles 1873, S. 66. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand erfolgt in Kapitel 1.2.

Einleitendes

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net wird. Symptomatisch ist die Einschätzung Ralf Wehners, der sich im Rahmen seiner Forschungsarbeit zu Felix Mendelssohn Bartholdy auch mit dessen Albumblättern beschäftigt hat: In der Tat scheint die Musikforschung dieser jahrhundertealten Ausdrucksform gesellschaftlichen Umgangs eher mit Augenzwinkern denn mit wissenschaftlicher Akribie zu begegnen, und zugegebenermaßen gibt es andere Bereiche, die zunächst dringlicher zu erforschen sind.5

Vor diesem Hintergrund sind bezüglich des Erkenntnispotenzials sowie der konkreten Gebrauchskontexte von Stammbüchern viele Fragen offen. Welche soziokulturelle Funktion und Bedeutung hatten Albumblätter? Welche Intentio­ nen und Motivationen können einem Albumeintrag zugrunde liegen, welche (Musik-)Geschichte kann er erzählen? Und unter welchen Aspekten wird die – wie ausdrücklich zu betonen ist – europaweit verbreitete Stammbuchpraxis greifbar? Fragt man nach dem konkreten Ablauf der Sammeltätigkeit, nach der Verwendung und Gestaltung von Stammbüchern, wird deutlich, dass deren Gebrauch eng an ihre spezifische Materialität gebunden ist. So kann die detaillierte Untersuchung ihrer gegenständlichen Präsenz selbst häufig mehr Erkenntnis offenbaren, als zunächst zu vermuten wäre. Felix Mendelssohn Bartholdys rotes Stammbuch, ein schmuckloses, wohl eher günstiges Exemplar, das er als Zwölfjähriger geschenkt bekam, weist etwa starke Abnutzungsspuren auf, die auf einen häufigen, vielleicht manchmal achtlosen Gebrauch schließen lassen; ein zu Beginn platziertes Bildnis des kindlichen Mozarts spricht Bände bezüglich der musikalischen Ambitionen des jungen Musikers. Das Äußere anderer Stammbücher hingegen, wie etwa das Album von Ignaz Moscheles oder jenes der englischen Organistin Eliza Wesley, lässt einen sorgfältigen Umgang mit der offenbar als wertvoll erachteten Sammlung erahnen. Stammbücher und Albumblätter sind somit durch ein soziales Beziehungsgefüge, durch biographisches Wissen und Gegebenheiten des zeitgenössischen Musik- und Kulturlebens zu kontextualisieren. Eine solche Perspektive gestattet es, mithilfe von Stammbüchern auf innovative Weise Musikgeschichte zu erzählen – insbesondere im privaten bis halböffentlichen Raum. Die Bedeutung von musikbezogenen Stammbüchern als aussagekräftige Quellen, die Zugang gewähren können zu einem kulturellen Handeln, das sich durch eine immanente Flüchtigkeit auszeichnet, kann hierbei nicht genug herausgestellt werden. In der Literatur wurden solche Alben deshalb auch verschiedentlich als Momentauf5

Wehner 1997, S. 37f.; vgl. auch Kap. 1.2.2.

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nahmen, als »instantané social« oder »photographie musicale d’une époque«, bezeichnet.6 Hieran gebunden ist die eminente visuelle Aussagekraft der Quellen. Nicht nur die äußere Gestalt von Stammbüchern, die in der Regel in einer schönen und hochwertigen Aufmachung vorliegen, zeugt vom ideellen und realen Wert; auch das Innere, die beschrifteten Seiten eines Albums wurden und werden nicht nur gelesen, sondern ebenso betrachtet, sind auf den optischen, aber auch haptischen Reiz ausgelegt. So gibt es kaum ein Stammbuch, das ohne Illustratio­ nen, Bilder, Zierrahmen oder sonstige Beigaben, darunter Stoffbänder, getrocknete Blumen oder Haarlocken, auskommt. Bei Stammbüchern handelt es sich demnach um sehr individuelle Objekte, die Erinnerungen materialisieren und auch mit zeitlichem Abstand als ›Gedächtnis‹ buchstäblich greifbar machen. Konzept und Quellenkorpus Diese Studie versteht sich als die erste größer angelegte Untersuchung zu musikbezogenen Stammbüchern bzw. Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts. Sie zielt zum einen darauf, die Resultate meiner intensiven Auseinandersetzung mit den in vielerlei Hinsicht reizvollen, häufig gänzlich unbekannten oder nur zum Teil erforschten Quellen zu präsentieren, die den Blick auf die Musikkultur des 19. Jahrhunderts maßgeblich bereichern. Zum anderen gilt es, bisherige Erkenntnisse systematisch zusammenzutragen und in Bezug zu setzen, um die Forschungsgegenstände vor diesem Hintergrund zu interpretieren und zu reflektieren. Mein Forschungsinteresse an musikbezogenen Stammbüchern geht aus den Betrachtungsweisen einer Musikwissenschaft hervor, die Musik umfassender in ihren gesellschaftlichen Kontexten vor einem kulturgeschichtlichen Hintergrund mit gendersensibler Perspektive verstehen und erforschen möchte.7 Die Untersuchung von Musik-Stammbüchern bietet zudem verschiedene Anknüpfungspunkte an zwei aktuell besonders rege geführte kulturwissenschaftliche Diskurse: die Erinnerungs- und Gedächtnisforschung sowie die Erforschung Materieller Kultur. Beide Felder werden in dieser Studie in Hinblick auf die 6 7

Himelfarb 2001, S. 35; Guillard 1987, S. 71. Die kulturgeschichtliche Betrachtung von Musik, wie sie etwa sozial-, institutions- oder gattungshistorische Ansätze verfolgen, ist in der Musikwissenschaft seit vielen Jahrzehnten etabliert. Vor diesem Hintergrund lieferte die Einbeziehung bzw. Fokussierung der Kategorie Gender, von einem kulturwissenschaftlich sowie interdisziplinär ausgerichteten Verständnis des Faches getragen, wichtige Impulse für die deutschsprachige Musikwissenschaft. Vgl. u. a. Herr/Woitas 2006; KreutzigerHerr/Losleben 2009; Grotjahn/Vogt 2010; Kreutziger-Herr/Noeske u. a. 2010; Heesch/Losleben 2012; Unseld 2010; Unseld 2013.

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multiperspektivische Analyse der konkreten Quellen reflektiert. Vorrangiges Ziel der Quelleninterpretation ist es jedoch, die Stammbuchpraxis vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Geselligkeitskultur als facettenreiches musikkulturelles Handeln darzustellen.8 Die Fokussierung des kulturellen Handelns versteht sich dabei als »wissenschaftskritisches und kulturkritisches Konzept, das auf Enthierarchisierung und Dezentrierung zielt«.9 In diesem Zusammenhang werden Musik-Stammbücher, als Erinnerungsmedien, zudem in ihrer biographischen Relevanz sowie in ihrem Potenzial für die Genderforschung bestärkt. Nach einer Einführung in das Thema in Kapitel 1.1, das grundlegende Perspektiven und methodische Überlegungen zum Umgang mit Musik-Stammbüchern vorstellt, ist Kapitel 1.2 dem Forschungsstand gewidmet, der das Feld für die konkrete Quellendiskussion bereitet. Da ein möglichst umfassender Blick auf die musikbezogene Stammbuchpraxis bislang ein Desiderat darstellt, lege ich auf die ausführliche Diskussion und Auswertung des Forschungsstands besonderes Gewicht. Von einem weiten Stammbuch-Begriff ausgehend ist es mir ein Anliegen, das Musik-Stammbuch des 19. Jahrhunderts mit seinem besonderen Profil nachdrücklich in der Geschichte des Stammbuchs zu verorten und diese damit zu bereichern und zu vervollständigen. Meine Arbeit basiert zum einen auf der Erörterung von Fallbeispielen, die bisher nicht in der Musikforschung rezipiert wurden, zum anderen auf vorliegenden Studien zu einzelnen Musik-Stammbüchern, die in einen größeren ­Zusammenhang gestellt und in Hinblick auf zentrale Perspektiven gezielter interpretiert werden. Separierte Stammbuchblätter, die massenhaft im Autographenhandel kursieren, deren Zugehörigkeit zu einem aussagekräftigen Albumverbund jedoch nicht mehr nachvollzogen werden kann, werden in der Regel nicht berücksichtigt. Insgesamt habe ich ein Quellenkorpus von über 60 musikbezogenen Stammbüchern mit Einträgen aus dem Zeitraum von circa 1790 bis 1900 zusammengetragen und ausgewertet (vgl. Tab. 5). Auf dieser Grundlage möchte ich mich in exemplarischer Betrachtung der Vielfalt von Musik-Stammbüchern im 19.  Jahrhundert annähern, wobei ich eine mikrohistorische Perspektive einnehme. Sowohl die Quellenlage als auch die vorliegenden Studien zu einzelnen Alben zeigen, dass musikdominierte Stammbücher zwischen den 1820er und 8

Zur Stoßrichtung der wissenschaftlichen Kategorie des ›(musik-)kulturellen Handelns‹, das explizit das Handeln von Frauen, jenseits eines verengten Fokus auf Komponisten und ihre Werke, in den Blick rückt, vgl. Rode-Breymann 2007, S. 279–281; Rode-Breymann 2018; Lexikon MuGe 2010, S. 320f. 9 Rode-Breymann 2018, S. 23. Für ein ›Weiterdenken‹ der musikwissenschaftlichen Perspektive des musikkulturellen Handelns durch einen interdisziplinär-praxeologischen Ansatz vgl. Unseld/Bebermeier 2018, S. 16–19; Wappler 2018, S. 89–93.

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den 1840er Jahren im europäischen Raum eine wahre ›Hochkonjunktur‹ erlebten. Auf Grundlage der zusammengetragenen Alben soll mit dezidiertem Blick auf ihre materielle sowie visuelle Aussagekraft und unter Einbeziehung ergänzender Quellen, wie Briefen, Tagebüchern und Erinnerungsliteratur, ihrer kulturellen Einbettung sowie ihrer Verwendung und Gestaltung nachgegangen werden. Auf diese Weise kann eine Annäherung an das Gesamtphänomen erfolgen, das von der gewandelten Wahrnehmung und Positionierung des Künstlertums sowie der zentralen Rolle der Musikausübung in der bürgerlichen Gesellschaft getragen wird. Vor dem Hintergrund der politischen und sozialen Umbrüche des Jahrhunderts kann die zeitgenössische Sammelleidenschaft und Begeisterung für Autographe zudem als Ausdruck eines gesellschaftlichen Bewahrungswillens gelesen werden. In Kapitel 2 erörtere ich in einem umfassenderen Ansatz zentrale Analyseperspektiven zur Erschließung der europäischen Stammbuchpraxis. Kapitel 2.1 thematisiert zunächst die Aspekte des Reisens und des Abschieds, die als bedeutsame biographische Einschnitte ein zentrales Movens zur Erstellung von Stammbucheinträgen darstellen. Diesbezüglich werden musikbezogene Stammbücher aus den Jahrzehnten um 1800 diskutiert sowie die Alben von Wilhelmine Schröder-Devrient und von Ferdinand Hiller. Sammlungen, wie jene des englischen Musikverlegers Vincent Novello oder des Sekretärs des Pariser Konservatoriums Alfred de Beauchesne, scheinen vor allem auf Repräsentation und die Dokumentation von Netzwerken zu zielen, und stehen in Kapitel 2.2 im Fokus. In Hinblick auf die Aspekte des Partizipierens sowie des Repräsentierens wird die Stammbuchpraxis adeliger Akteurinnen, wie der Gräfin Natalia Obreskov, thematisiert, die sich durch ein Wechselspiel zwischen Bewunderungs- und Dankesgesten auszeichnet und zugleich Perspektiven auf die supranationale Elitenkultur eröffnet. Mit der Prägung von Stammbüchern durch die Musikpraxis im Privaten und den daran gebundenen Unterhaltungskulturen beschäftigt sich Kapitel 2.3. Neben Überlegungen zur Rolle von Kanons in der Stammbuchpraxis des 19. Jahrhunderts können in der Gegenüberstellung der Alben von Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy mit Blick auf ihre Entstehung und Motivationen neue Facetten herausgearbeitet werden. Bezugnehmend auf die Bezeichnung ›Musiker-Stammbücher‹ thematisiere ich weiterhin ›MusikerinnenStammbücher‹, darunter zwei Alben der Organistin Eliza Wesley, um abschließend einige aus dem europäischen Salonumfeld hervorgegangene Sammlungen in den Fokus zu rücken. In Kapitel 3 nehmen die vier überlieferten Moscheles-Alben mit insgesamt über 340 Einträgen (vgl. Tab. 1 bis 4, siehe Tafel 1) eine zentrale Stellung ein. Mit den Musik-Stammbüchern der Familie Moscheles, die in vielerlei Hinsicht als prototypische Musikerfamilie gelten kann, liegt ein für die Thematik einzig-

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artiger Quellenbestand vor, der die identitätsstiftende Bedeutung der privaten Unterhaltungskultur im bürgerlich geprägten Künstlerumfeld aufzeigt und zugleich genderspezifische Erkenntnisse begünstigt. So lassen die MoschelesStammbücher Ignaz Moscheles’ Wirken als einflussreicher und zutiefst in der europäischen Musikkultur verwurzelter Künstler in neuem Licht erscheinen, wobei die tragende Rolle seines Familienlebens sowie die Teilhabe seiner Ehefrau Charlotte Moscheles an der Gestaltung seines beruflichen Erfolgs deutlich hervortreten. Ignaz Moscheles, der in der Musikforschung eher eine Randfigur darstellt, wird so als vielfältige Musikerpersönlichkeit mit einem differenzierteren Profil greifbar. Vor dem Hintergrund des geselligen Umgangs der Familie zeigt sich Charlotte Moscheles’ Bedeutung als Netzwerkerin und Gesellschafterin. Entscheidend und bereichernd ist schließlich die gleichwertige Berücksichtigung aller engeren Familienmitglieder, deren Alben einen Zugang zum musikkulturellen Handeln im häuslich-privaten Umfeld – zu Hause in London, später in Leipzig oder auf Reisen – gewähren, in das die gesamte Familie eingebunden war. Zugleich sind die Parallelen, besonders aber die Unterschiede beispielsweise zwischen Ignaz’ und Charlottes Sammlungen, zwischen den Stammbüchern von Kindern und Eltern oder jene zwischen den Alben der Schwestern Emily und Serena aufschlussreich. Darüber hinaus werden die Inhalte der heute verschollenen Stammbücher von Felix und Clara Moscheles so weit wie möglich rekonstru­ iert. Die Auswertung der Moscheles-Alben umfasst auch die Diskussion der darin enthaltenen musikbezogenen Zeichnungen, die das Erkenntnispotenzial historischer Bildquellen für die Musikforschung untermauert (Kapitel 3.8). In einem weiteren Kapitel, für das ich über 80 von Ignaz Moscheles für diverse Adressaten und Adressatinnen erstellte Albumblätter aus weltweit verstreuten Stammbüchern zusammengetragen habe, wird schließlich ein personenzentrierter Ansatz eingebracht, der die Schreibaktivitäten und das Gestaltungsspektrum der Stammbuchblätter eines einflussreichen und europaweit vernetzten Pianisten und Komponisten des 19. Jahrhunderts – zwischen Unterhaltung und Konvention – beleuchtet (Kapitel 3.9). Im Zuge der Zusammenführung und der vergleichenden Gegenüberstellung möglichst perspektivenreicher Einzelbetrachtungen und Detailanalysen strebt diese Studie somit an, die Bedeutung und das Potenzial einer musikbezogenen Stammbuchforschung nachhaltig zu bestärken und insbesondere daran anknüpfende Musikforschungen anzuregen.

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1.1 Was sind Musik-Stammbücher? Die Musikbezogenheit eines Albums ist nicht allein an enthaltenen Notenschriften festzumachen. Im weitesten Sinne bezeichne ich solche Alben als Musik-Stammbücher, deren Halter:innen oder Einträger:innen Musiker- und Künstlerkreisen zuzurechnen sind. Musik-Stammbücher thematisieren Musik, wobei dies nicht zwangsläufig in Gestalt von Noten geschehen muss, sondern auch in Bildern, Zeichnungen, Gedichten oder sonstigen Texten zum Ausdruck kommen kann. Dabei kennzeichnet sich ein Albumeintrag in der Regel durch eine Widmung und den Namenszug des oder der Eintragenden, idealtypisch mit Datierung und Ortsangabe, die den eigentlichen Beitrag – in Gestalt eines Musiknotats, eines wortsprachlichen Textes oder einer Zeichnung – begleiten und in einem konkreten individuellen Bezugsrahmen verankern. Das Spektrum musikbezogener Stammbücher ist weit: von Alben, die ausschließlich Notenautographe enthalten, über Mischalben, die verschiedenartige Beiträge zusammenführen und sowohl Musiknotate als auch Verse und Zeichnungen vereinen, bis hin zu eher wortdominierten Stammbüchern, in denen die Musikbezogenheit vor allem anhand der Kontexte deutlich wird.10 Musik spielte in der Geschichte des Stammbuchs schon immer eine gewisse Rolle. Insbesondere in früheren Jahrhunderten handelte es sich bei den entsprechenden Musiknotaten vor allem um Kanons.11 Im 19. Jahrhundert nahm die Präsenz von Musik in Stammbüchern in Form von Noten und weiteren Äußerungen musikkulturellen Handelns jedoch bisher unbekannte Ausmaße an. So entstanden im europäischen Raum, etwa ab Mitte der 1810er Jahre, mit dezidierten Notenautographen-Alben Ausformungen des Stammbuchs, die fast ausschließlich auf Musik fokussiert waren. Der Gebrauch und die Gestaltung von Stammbüchern wurden im 19. Jahrhundert merklich vielfältiger. Das Sammeln von Autographen, das bis heute Faszination ausstrahlt, entwickelte sich zu einer weit verbreiteten Mode. Neben dem in unterschiedlichem Maße persönlich motivierten, im Album ausgeführten Eintrag entstanden vor diesem Hintergrund auch Albumblätter oder sogar ganze Alben als Präsent oder aus Gefälligkeit über vermittelnde Personen. Genauso wie ein Eintrag in gewisser Weise ein Geschenk darstellte, scheint es sich zudem beim zunächst leeren Stammbuch selbst um ein beliebtes Geschenk gehandelt zu haben.

10 Zu gängigen Begriffen und Bezeichnungen vgl. Kap. 1.1.5. 11 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden neben Kanons auch Lieder und Instrumentalstücke, darunter viele Tanzsätze, als Stammbucheinträge beliebt. Itoh 1991, S. 291–294.

Was sind Musik-Stammbücher?

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Hervorzuheben ist, dass Musik-Stammbücher im 19.  Jahrhundert in den meisten europäischen Ländern, weit über den deutschen Sprachraum hinaus, verbreitet waren. Entsprechenden Entwicklungen der Salonkultur folgend ist die musikbezogene Stammbuchpraxis demnach als nationenübergreifendes, supranationales Phänomen zu betrachten.12 Dies spiegelt sich auch in der Vielfalt der Sprachen wider, in denen Einträge verfasst sind – vor allem in Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch, aber etwa auch in Russisch, Polnisch oder Dänisch. Musik-Stammbücher wurden geführt in bürgerlichen sowie in adeligen Kreisen, von Musikern und Musikerinnen (Komponist:innen, Instrumentalist:innen, Sänger:innen) sowie Personen aus deren familiären oder gesellschaftlichen Umfeld, die sie begleiteten, bewunderten, förderten und meist auch selbst musizierten. Prinzipiell waren somit Musik-Stammbücher bei beiden Geschlechtern gleichermaßen beliebt. 1.1.1 Zwischen persönlicher Erinnerung und repräsentativer Sammlung Musik-Stammbücher stellen Sammlungen von und zur Erinnerung dar und gehören zu den Erinnerungskulturen.13 Sie hielten Bekanntschaften, freundschaftliche Beziehungen und gesellschaftliche Kontakte fest, die auf diese Weise für die Beteiligten selbst, aber auch für spätere Generationen dokumentiert wurden. Als Erinnerungsträger, die Musikkultur ›codieren‹ und erinnerbar machen,14 sind musikbezogene Stammbücher und Albumblätter »Medien des Erinnerns«, die als »Vermittlungssysteme zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen der individuellen und kollektiven Dimension von Gedächtnis und Erinnerung« fungieren und in diesem Zuge für die Identität einer Gesellschaft bedeutsam sind.15 12 Zum Musiksalon als europäischem, supranationalem Phänomen, insbesondere im späteren 19. Jahrhundert, vgl. Meine/Schwartz 2010. Der Salon wird charakterisiert in seiner Bedeutung als Ort des kulturellen Handelns (von Frauen, aber genauso von Männern), im Spannungsfeld zwischen privatem Raum und Öffentlichkeit, in der Mittlerfunktion zwischen Mäzenat:innen, Komponist:innen, Interpret:innen und öffentlichem Konzertleben. Zu aktuellen Tendenzen in der Salonforschung vgl. Bunzel/Loges 2019; Meine/Rost 2020. 13 Grundlegend hierzu Erll 2017 [1. Auflage: 2005]. Der Begriff »Erinnerungskulturen« wurde durch den gleichnamigen, DFG-geförderten Sonderforschungsbereich an der Justus-Liebig-Universität Gießen geprägt; von 1997 bis 2008 widmeten sich circa 100 Forscher:innen aus elf Disziplinen der Pluralität kultureller Erinnerung in ihren Inhalten und Formen von der Antike bis zur Gegenwart. Ebd., S. 31–34; vgl. auch Oesterle 2005, S. 27f. 14 Vgl. Unseld 2014, S. 56; vgl. auch Nieper/Schmitz 2016, darin zu den Potenzialen der Erinnerungsforschung für die Musikwissenschaft: Unseld 2016. 15 Gudehus/Eichenberg/Welzer 2010, S. 127. Zum Verhältnis von Medien und kollektivem Gedächtnis vgl. Erll/Nünning 2004.

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Folgt man Astrid Erlls einflussreicher Differenzierung der drei Dimensionen von Erinnerungskultur(en),16 sind Musik-Stammbücher in ihrer Gegenständlichkeit als ›kulturelle Objektivationen‹ des kollektiven Gedächtnisses der materialen Dimension zugehörig. Mit Blick auf ihren Gebrauch und die Verwender:innen sowie die rahmenden kulturellen Codes, Wertesysteme und Denkmuster erschließen sich zudem die soziale sowie die mentale Dimension von Erinnerungskultur. Vor diesem Hintergrund können Albumblätter, die neben gewidmeten und datierten Personeneinträgen auch mit Erinnerungsobjekten, wie Trockenblumen, Programmzetteln, Porträtbildern oder Veduten, gestaltet wurden, weiterhin als ›Andenken‹ oder ›Souvenirs‹ (im Englischen: keepsakes) betrachtet werden.17 Nicht zuletzt verweisen darauf die Widmungstexte von Stammbucheintragungen mit typischen Formulierungen wie »Zum freundlichen Andenken« oder »Souvenir d’amitié«. Andenken erinnern, häufig auch zugleich, an Orte, Personen oder Ereignisse. Grundsätzlich kann jedes Objekt als Souvenir, als »dinglicher Mittler der Erinnerung« fungieren; »als Gedächtnismedium […] muss das Souvenir [jedoch] fortwährend als solches bestätigt oder situativ erneuert werden«, so dass es »als performative und somit temporäre Objektbeziehung zu beschreiben« ist,18 die übertragen auf die Stammbuchpraxis das Verhältnis zwischen der jeweiligen Person und dem Album bzw. dem Eintrag kennzeichnet. Neben der erinnernden Funktion von Stammbüchern besteht ein korrespondierender Aspekt in ihrer repräsentativen Bedeutung. Musikbezogene Stammbücher sind stets auch Ausdruck der über die Gesamtheit der gesammelten Einträge zugeschriebenen Bedeutung eines Albumhalters bzw. einer Albumhalterin und dessen oder deren Vernetzung im Kulturleben. Ein Stammbuch konstituiert in dieser Hinsicht Identität. Die Identitätsbildung entspricht dabei einer wichtigen Funktion des Sammelns. So beschreibt Justin Stagl Sammlungen als »materialisierte Gedächtnisse«, die »wesensmäßig in die Biographien ihrer Besitzer und Benutzer eingeflochten [sind]«.19 Sowohl Stammbücher als Ganzes in Bezug auf ihre Eigner:innen, die die Eintragenden auswählen, als auch die Beiträge selbst können somit als Egodokumente aufgefasst werden, die Selbstwahrnehmungen, Wertvorstellungen und subjektive Sichtweisen auf das zeitgenössische Erleben vor dem Hintergrund der herrschenden Gesellschaftsstrukturen offenbaren.20 16 17 18 19 20

Erll 2017, S. 98–101. Hierzu Beyer/Gold u. a. 2006, darin insbesondere: Oesterle 2006; zum Stammbuch: Linhart 2006. Samida/Eggert/Hahn 2014, S. 197 [Art. »Erinnerungsdinge« von C. Holm]. Stagl 1998, S. 41. Der Begriff des Ego-Dokuments, als ein über das Selbstzeugnis hinausgehendes Konzept, bezieht sich hier auf die Definition von Winfried Schulze, der sich vor allem an mentalitätshistorischen Fragestellungen der Frühe-Neuzeit-Forschung orientiert. Vgl. Schulze 1996, S. 28.

Was sind Musik-Stammbücher?

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Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich Musik-Stammbücher im 19. Jahrhundert flexibel zwischen zwei Polen bewegen: der Dokumentation persönlicher Erinnerung und der repräsentativen Sammlung von Einträgen einflussreicher Namen. Demzufolge schwanken auch die Einträge selbst zwischen individuell-persönlicher und eher unpersönlicher Ausrichtung – je nach Bezug zur Eignerin oder zum Eigner des Albums und zum situativen Hintergrund. Dies koinzidiert mit den Gebrauchskontexten von Stammbüchern des 19. Jahrhunderts, in denen sowohl die persönlich-intime Orientierung als auch ein ausgeprägter Sammelimpuls, gerichtet auf eine Vielzahl möglichst einschlägiger Autographe, zu beobachten sind. Das Autographensammeln ist mit dem Stammbuchphänomen eng verknüpft, jedoch nicht per se gleichzusetzen. Grundlegend für das Autographensammeln ist das Konzept der Bewahrung der »Schriftzüge eines verehrungswürdigen Menschen als körperliche Erinnerung«.21 Die ›Verehrungswürdigkeit‹ einer Person ergibt sich aus ihrer gesellschaftlichen bzw. kulturellen Bedeutung. Da diese in der Regel an ein öffentliches Wirken gebunden ist, finden sich in Autographensammlungen in großer Mehrzahl Handschriften von Männern, wobei die Sammeltätigkeit selbst ebenfalls mit wenigen Ausnahmen als »männliche Angelegenheit« gilt.22 Prägnant zeigt sich hier, in welchem Maße Erinnerungswürdigkeit und in diesem Zuge die Ausprägung des kulturellen Kanons durch patriarchale Strukturen gesteuert werden. Während Autographensammlungen einem historisch vermeintlich universelleren Anspruch folgten, der gezielt auch Handschriften aus früheren Epochen einbezog,23 zugleich aber das kulturelle, gesellschaftliche und politische Wirken von Frauen aktiv ausschloss, waren Stammbücher dazu bestimmt, Handschriften von nicht zwangsläufig öffentlich wirkenden Bekannten und Freunden, je nach Umfeld beiderlei Geschlechts, auf Grundlage eines direkten Kontakts zusammenzutragen. Obgleich insbesondere die musikbezogene Stammbuchpraxis durch die vorherrschenden Geschlechterverhältnisse maßgeblich geprägt wurde, erscheint sie doch in Hinblick auf die Abbildung weiblichen Handelns insgesamt durchlässiger.

21 Mecklenburg 1963, S. 11; vgl. auch MGG2: Debryn 1994, Sp. 1093–1095 (»Zur Tradition des Autographensammelns«). 22 Mecklenburg 1963, S. 59. 23 Deutlich wird das Verhältnis der beiden Sammlungstypen in einem Brief von Johann Wolfgang von Goethe, einem der bekanntesten Autographensammler des 19. Jahrhunderts. 1806 schrieb er zur Entstehung seiner Sammlung: »Sein [des Sohnes August] Stammbuch nemlich, das … in diesen Jahren sehr reichlich … angefüllt worden ist, hat uns auf den Gedanken gebracht, Autographa zu sammeln, um uns auch Entfernte und Verstorbene zu vergegenwärtigen.« Zit. nach ebd., S. 36.

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Im Allgemeinen sind Autographensammlungen zudem im Vergleich zu Stammbüchern deutlich umfangreicher und heterogener: Sie umfassen Briefe, Werk- und Musikmanuskripte in vollständigen Fassungen oder Auszügen, aber auch ausgeschnittene Zeilen oder Unterschriften. Diese Handschriftentypen finden sich zum Teil auch in Stammbüchern, doch sieht deren Konzept im Wesentlichen eine persönliche Bezugnahme zwischen Schreiber:in und Sammler:in bzw. die Adressierung der Albumeigner:innen bei der Erstellung der Handschrift vor. Stammbücher, in denen, allgemein gesprochen, letztlich Autographe gesammelt wurden, stellen also einen besonderen Typus der Autographensammlung dar, der jedoch in seiner Eigenständigkeit unbedingt zu differenzieren ist. 1.1.2 Kulturelle Praxis und soziale Interaktion: Unterhaltung, Geselligkeit, Kommunikation Als Konvention im geselligen Umgang der gehobenen Gesellschaftsschichten waren Stammbücher im 19. Jahrhundert genauso beliebt, wie sie im Übermaß von mancher Seite als lästig empfunden wurden. Diesbezüglich viel zitiert ist der Beitrag von Heinrich Heine zum Album seiner Frau Mathilde, der vornehmlich ein weiblich konnotiertes Handeln zu ironisieren scheint: Hier, auf gewalkten Lumpen, soll ich, / Mit einer Spule von der Gans / Hinkritzeln dir halb ernst halb drollig / Versifizierten Firlefanz – / Ich, der gewohnt mich auszusprechen, / Auf deinem schönen Rosenmund, / Mit Küssen, die wie Flammen brechen / Hervor aus tiefstem Herzensgrund! / O Modewuth! Ist man ein Dichter, / Quält uns die eigne Frau zuletzt / Bis man, wie andre Sangeslichter, / Ihr einen Reim ins Album setzt. / Paris d[en] 8 April 1847. / Heinrich Heine.24

Die Stammbuchpraxis, die als Ausdruck einer »Sammel- und Andenkenleidenschaft […] zu jener Zeit ebenso gehörte wie die zierlichen Stilmöbel, der Männergesangverein und der Kapotthut«,25 begeisterte jedoch keineswegs nur Frauen. Das Führen von Alben bzw. das Eintragen in Stammbücher ist davon ausgehend als kulturelle Praxis sowie soziale Interaktion aufzufassen, insbesondere als eine Form der Kommunikation zwischen Einträger:in und Albumeigner:in vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Geselligkeits- und Unterhaltungskultur. 24 Zit. nach der Abbildung eines Autographs Heines mit den Versen »In Mathildes Stammbuch« in: Jung-Kaiser/Kruse 2006, S. 9. Heine veröffentlichte die Verse bereits 1851 im 2. Buch (Lamentationen) des Romanzero. Folgt man einer durch Alfred Meissner überlieferten Anekdote, existierten möglicherweise sogar zwei Stammbücher Mathilde Heines, beide mit demselben Eintrag ihres Ehemanns. Vgl. Salinger 1949. 25 Wehner 1997, S. 39.

Was sind Musik-Stammbücher?

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Albumeinträge erfolgten unmittelbar und spontan anlässlich eines gesellschaftlichen Beisammenseins, oder die Stammbücher wurden verliehen bzw. mit entsprechender Aufforderung an die gewünschte Person gesendet, so dass diese mit mehr Muße einen vielleicht aufwändigeren und durchdachteren Eintrag gestalten konnte. Es ist naheliegend, dass in diesem Zuge das Stammbuch von der sich eintragenden Person mehr oder weniger gründlich im Status quo rezipiert wurde. Der:die Albumhalter:in konnte schließlich die gesammelten Autographe in verschiedenen Konstellationen betrachten: etwa allein oder in familiärer Runde. Um den Wert der eigenen Sammlung zu demonstrieren, bot es sich zudem an, das Album bei Besuchen und im Rahmen von Gesellschaften herumzuzeigen, die sich in den hier fokussierten Kreisen durch die zentrale Rolle der Musik und das gemeinsame Musizieren kennzeichneten. Im Allgemeinen gehört das Stammbuch in ein Umfeld, in dem künstlerische und musikalische Identität fundiert und zugleich Neues erprobt sowie Trends gesetzt werden konnten. Dabei sind das Führen und Präsentieren von Alben sowie das Einschreiben zu den unterhaltenden Aktivitäten zu zählen.26 Für das Phänomen der Unterhaltung erarbeitete Harald Schroeter-Wittke drei zusammengehörige Dimensionen: den nutritiven, also nährenden, stützenden Aspekt, die kommunikative sowie die amüsierende Dimension. Unterhaltung, die in dieser Gestalt zu einer Bewegung des Subjekts führt, erweist sich als »(über-)lebensnotwendig« und demnach als anthropologisches Grundbedürfnis.27 Geselligkeit, die mit den Dimensionen von Unterhaltung eng korrespondiert, möchte ich daran anknüpfend beschreiben als den identitätsstiftenden gesellschaftlichen Umgang, den Austausch und das gemeinschaftliche Agieren einer Personengruppe überschaubarer Größe. Das gesellige Umfeld entspricht einer Salonkultur im weitesten Sinne, wobei der Salon einen »(meist) städt[ischen] Raum an der Schwelle von Privatheit und Öffentlichkeit« meint, in dem »verschiedene Formen gemischtgeschlechtlicher, oft auch ständeübergreifender Geselligkeit« praktiziert wurden.28 Geselligkeit in ihrer Unentbehrlichkeit im menschlichen Miteinander, »als Konzentration auf die Form des sozialen Beisammenseins«,29 ist in diesem Zuge als epochen- und kulturübergreifendes Konzept zu verstehen. Im 19. Jahrhundert kam der Pflege 26 Zu Unterhaltungskulturen und weiteren geselligen Praktiken im 19. Jahrhundert vgl. Ananieva/ Böck/Pompe 2011; vgl. auch Gradenwitz 1991. 27 Schroeter-Wittke 2000, S. 19, vgl. auch S. 56–58. 28 Weiterhin zeichnet sich der Salon durch einen performativen, häufig interkulturellen Charakter aus. EdN: Zimmermann 2010, S. 550, S. 554. Zum Salon-Begriff vgl. auch Wilhelmy 1989, S. 16–32. Für eine kritische Diskussion des Salon-Begriffs, insbesondere in Hinblick auf Geselligkeitsformen des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum, vgl. Gerber 2016, S. 17–24. 29 EdN: Albrecht 2006, hier: Sp. 675.

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häuslicher Geselligkeit schließlich besonderes Gewicht zu: Sie »gehörte wesentlich zum Selbstverständnis des modernen Bürgertums« und »war ein Dreh- und Angelpunkt gesellschaftlicher Reputation wie auch privater Reproduktion der bürgerlichen Existenz«.30 Mit Blick auf die Musikkultur des 19. Jahrhunderts, in dem sich die Verflechtung von Kunst und Geselligkeit weiter ausprägte,31 betonte Beatrix Borchard die maßgebliche Rolle des gemeinsamen Musizierens im häuslichen Rahmen und den Zusammenhalt in Musikerkreisen: »Musik stiftete und erhielt Freundschaften, sie war ein Medium der Kommunikation und Lebenselixier.«32 Vor diesem Hintergrund kann an das von Mirjam Gerber herausgearbeitete Konzept der ›musikalischen Geselligkeit‹ angeknüpft werden. Eng an die Formierung der bürgerlichen Kultur gebunden, fungierte Musik hier, mit dem Ziel gesellschaftlicher Distinktion, in der Tradition der aristokratischen Musikpraxis »als Bildungs-, aber auch Repräsentationsmerkmal«.33 Gerber beschreibt musikalische Geselligkeiten »als Raum für Kontaktpflege und Werbung«, der »es dem neuen Künstlertypus [ermöglichte], sich sozial vernetzt, ›frei‹ seinen Ideen und Werken widmen zu können«.34 Tatsächlich erfolgte im Allgemeinen der Umgang mit Musik in Hinblick auf zwischenmenschliche Verhaltensregeln im privateren Rahmen auf unkompliziertere Weise – diese spielerische, entspannte Stimmung spiegeln auch manche Stammbucheinträge wider. Zudem wurden Musiknotate auf Stammbuchblättern durchaus in der Funktion von sonstigem Notenmaterial zum Musizieren verwendet. Mit Christopher Small könnte man also nicht nur das Musizieren aus einem Album, sondern auch das Führen und das Einschreiben in ein Musik-Stammbuch sowie schon dessen bloße Betrachtung zu den Aktivitäten zählen, die er als musicking bezeichnet. Gestaltete oder rezipierte man ein Stammbuchblatt vor dem Hintergrund eines von musikalischer Unterhaltung geprägten Beisammenseins oder eines anderen gesellschaftlichen Ereignisses, beispielsweise indem man sich in Wort-, Bild- oder Notensprache äußerte oder auch nur vom Erlebten oder Gehörten erfuhr, wurde man Teil eines musikkulturellen Handelns im umfassendsten Sinne.35

30 Mettele 1996, S. 168. Die große Bedeutung von Geselligkeit im 19. Jahrhundert illustrieren zudem historische Veröffentlichungen zum Thema, wie u. a. Gleichen-Russwurm 1910; Bunsen 1916. 31 EdN: Albrecht 2006, Sp. 677f. 32 Borchard 2005, S. 89. 33 Gerber 2016, S. 292. 34 Ebd. In der Folge der Verbürgerlichung der Musikkultur wurde der Künstler nicht mehr als ›Musikbediensteter‹ verstanden, vielmehr galten Komponisten fortan als »Schöpfer von Kunstwerken«. Lexikon MuGe 2010, S. 148. 35 »To music is to take part, in any capacity, in a musical performance, whether by performing, by lis-

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1.1.3 Materialität: Das Musik-Stammbuch als Objekt Bei Stammbüchern und Albumblättern handelt es sich um zumeist hochwertig ausgestattete, schön gestaltete Objekte bzw. ›Dinge‹, die zum (Vor-)Zeigen bestimmt waren – und zugleich eine für wissenschaftliche Fragestellungen nutzbare »Zeigequalität« aufweisen.36 Indem Dinge, nach Gudrun M. König, nicht nur Material und Form, sondern auch Gebrauchsspuren ›zeigen‹, ›erzählen‹ sie zugleich von Herstellung, Funktion und Benutzung.37 Bei der Auseinandersetzung mit musikbezogenen Stammbüchern ist es deshalb wesentlich deren materielle Beschaffenheit mit zu berücksichtigen. In den letzten Jahrzehnten erlebte die Materielle Kultur in den Geisteswissenschaften fachübergreifend eine merkliche Konjunktur,38 die als Material Turn wahrgenommen wurde. Häufig angewandtes methodisches Instrument bei der Erforschung von Materieller Kultur ist die ›Dinganalyse‹, bei der »[i]n der Regel […] in einem Dreischritt verfahren [wird], der die Materialität der Dinge, den Umgang mit Dingen sowie die Analyse der Dinge als Bedeutungsträger um­ fasst«.39 Dabei beeinflussen sich Gebrauch, in Abhängigkeit von den Verwender:innen, und Materialität wechselseitig. Dieser Ansatz ist auch für meine Herangehensweise an Musik-Stammbücher einflussreich. Im Wechselspiel mit der konkreten Analyse der materiellen Gestalt der Alben, die neben der Berücksichtigung von Qualitäten, Formen und Farben der Papiere und Bindungen, vor allem in Hinblick auf Nutzungsspuren sowie auf die Reihenfolge und die Positionierung von Eintragungen und Einklebungen informativ sein kann, gilt es, unter Einbeziehung weiterer Quellen, Gebrauch und Umgang mit dem betreffenden Musik-Stammbuch weitmöglichst zu rekonstruieren. Fragt man, dem erläuterten Dreischritt folgend, nach der kulturellen Bedeutung von Musik-Stammbüchern, zeigt sich der immer wieder betonte polyvalente bzw. polyseme Charakter der Dinge,40 konkret: die Mehrdeutigkeit der

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tening, by rehearsing or practicing, by providing material for performance (what is called composing), or dancing.« Small 1998, S. 9. König 2005, S. 9. Ebd., S. 18. Davon zeugen zahlreiche Publikationen, kürzlich beispielsweise Tietmeyer/Hirschberger u. a. 2010; Holm/Oesterle 2011; Samida/Eggert/Hahn 2014; Braun/Dieterich u. a. 2015; Hahn 2015; aus der Musikwissenschaft: Grotjahn u. a. 2018. Der Trend zur Fokussierung materieller Quellen und deren ›Mehrwert‹ – Samida meidet den Begriff Material Turn – wird durchaus auch kritisch diskutiert, etwa im Falle der Zeitgeschichtsforschung, die ähnlich wie die Musikwissenschaft auf viele weitere Quellen, z.B. schriftliche oder audiovisuelle, zurückgreifen kann. Vgl. Samida 2016. Ludwig 2011 [ohne Seitenzahlen]. Zur Ambivalenz der Dinge, denen eine teils widersprüchliche Bewertung und Bedeutung eigen ist, vgl. Hahn 2015, S. 36–41.

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fokussierten Alben, die je nach Kontext als Andenken, als Familienerbstück oder als Prestigeobjekt von einigen hoch geschätzt, von anderen als lästig empfunden wurden, um schließlich in dieser Studie als aussagekräftige musikbezogene Quellen in den wissenschaftlichen Fokus zu rücken. Deutlich wird die Kontextabhängigkeit von Bedeutungszuschreibungen, bei denen es sich letztlich immer um Interpretationen handelt.41 Insbesondere den historischen Wandel von Objekten, also Veränderungen in der zugeschriebenen Bedeutung sowie der konkreten materiellen Beschaffenheit, zeichnet die sogenannte ›Objektbiographie‹ nach.42 Diese ist bezogen auf Stammbücher in mehrerlei Hinsicht aufschlussreich, kennzeichnen sich Alben doch gerade durch ihren veränderlichen Charakter. Beginnend mit der Herstellung und dem Kauf des Buches bzw. des Albumpapiers unterliegt die Sammlung stetigen Wandlungen und Erweiterungen durch die Einträge, inklusive nachträglicher Ergänzungen, Neubindungen und -sortierungen. In der ›Biographie‹ eines Stammbuchs besonders schwerwiegend ist der fließende Bedeutungswandel von persönlichen Sammlungen konkreter Eigner:innen zu historischen Objekten. Abhängig vom Inhalt erfuhren manche Stammbücher in der postskripturalen Phase, in der Regel nach dem Tod der Eigner:innen, zudem eine besonders einschneidende Umbewertung: Sie wurden zur Ware eines Markts, der mit einschlägigen Autographen, oft im Rahmen von Versteigerungen, zu teils horrenden Preisen handelt. Bemerkenswert ist hier, dass die Etablierung eines regulären Autographenhandels als Nebenzweig des Buchhandels in Deutschland in den späten 1830er Jahren einsetzte, während in Paris und London die ersten Anfänge eines organisierten Auktionsmarkts bereits ein gutes Jahrzehnt früher zu datieren sind.43 Diese Entwicklung begleitet und spiegelt die zeitgenössische europaweite Begeisterung für das Sammeln von Handschriften, die auch in Musik-Stammbüchern und weiteren Alben dieser Zeit ihren Ausdruck findet. Solche Stammbücher, die in private oder öffentliche Archive, Museen oder Bibliotheken gelangten, unterlagen schließlich einer »Musealisierung«, die erhebliche Verschiebungen mit sich brachte: »Der mit dem Moment der Musealisierung einhergehende radikale Einschnitt in die Biographie entkleidet den Gegenstand aller vorherigen Kontexte«, zieht »einen neuen Aufenthaltsort, neue Objekteigenschaften (Wert, Gebrauch)« nach sich.44 Frühere Bezugsrahmen 41 Samida/Eggert/Hahn 2014, S. 34f. [Art. »Dinge als Zeichen« von T.L. Kienlin, A. Wiedura]. 42 Hierzu Hahn 2005, S. 40–45; vgl. auch Samida/Eggert/Hahn 2014, S. 234–237 [Art. »Objektbiographien« von N. Hennig]. 43 Mecklenburg 1963, S. 80, S. 83f. 44 Hahn 2005, S. 42. »Auch die (vorgesehene) Lebensdauer eines Objekts verändert sich grundlegend: Anstelle des Gebrauchs und der damit verbundenen Abnutzung tritt eine ›unbegrenzt‹ definierte Lebensdauer als Sammlungsstück.« Ebd.

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sind an diesem Punkt nur noch unter großem Aufwand zu rekonstruieren. Nicht nur in Hinblick auf die Erforschung musikbezogener Stammbücher ist diesbezüglich die grundlegende Bedeutung der Biographie der Verwender:innen für die Geschichte eines Objekts herauszustellen: Objektbiographien sollten also die mit dem Gegenstand befaßten Personen genauso wie die Geschichte des Gegenstands selbst berücksichtigen. Dinge und Menschen werden mit dem Durchleben ihrer jeweils eigenen Lebensgeschichten miteinander »zusammengebunden«, und die Dinge werden dadurch zu einem Teil der Biographie von Menschen, auch wenn ihre Geschichten sich mitunter nur in kurzen Zeitabschnitten berühren.45

Gerade in Bezug auf Stammbücher, die sich zugleich in ihrer Relevanz als historische und biographische Quellen offenbaren, bestätigt sich die Einschätzung des Ethnologen Hans Peter Hahn in exemplarischer Weise. Solche Überlegungen korrespondieren zudem mit dem Konzept des Life-Writing, das in einer erweiterten Auffassung von Biographik auch das ›Leben‹ von Objekten einbezieht.46 1.1.4 Historische Perspektiven: Vielfalt, Tradition, Wandelbarkeit In Hinblick auf eine umfassendere Objekt-Historie steht das Musik-Stammbuch des 19. Jahrhunderts in einer langen Tradition, die bis ins 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen ist (vgl. auch Kap. 1.2). Der Begriff ›Stammbuch‹ ist dabei durch eine Doppeldeutigkeit geprägt, die noch heute für Verwirrung sorgt. So unterscheidet das Deutsche Wörterbuch (DWB) zwei Bedeutungen: »Stammbuch« bezeichne zum einen »ursprünglich ein buch, in welches die angehörigen einer familie, eines geschlechts eingetragen werden«, zum anderen »dann verallgemeinert ein buch, in welches sich eines freunde und bekannte mit einem denkspruch eintragen, oft mit hinzufügung entsprechender zeichnungen, wie z. b. des wappens, der gesichtszüge u. s. w.«.47 Wohl an die dynastie- und familiengeschichtliche Konnotierung anknüpfend, entstand das Stammbuch (im Lateinischen: Al45 Ebd., S. 45. 46 »Life-writing involves, and goes beyond, biography. It encompasses everything from the complete life to the day-in-the-life, from the fictional to the factional. It embraces the lives of objects and institutions as well as the lives of individuals, families and groups. Life-writing includes autobiography, memoirs, letters, diaries, journals (written and documentary), anthropological data, oral testimony, and eye-witness accounts.« Siehe Website des 2010 gegründeten Oxford Centre for LifeWriting (OCLW) am Wolfson College der University of Oxford (Link siehe Literaturverzeichnis). Zum Forschungsfeld vgl. auch Jolly 2001 (darin u. a.: Art. »Memory« von M. Sheringham, S. 597f.). 47 Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (DWB, 1854–1961), Bd. 17, Sp. 646f. (Link siehe Literaturverzeichnis).

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bum Amicorum) in letzterer Bedeutung im akademischen Milieu und verbreitete sich schließlich in weiteren Gesellschaftsschichten. Vor diesem Hintergrund zeichnete es sich als Sammel- und Erinnerungsmedium immer schon durch seine Vielfalt aus. Nicht nur im Laufe der Jahrhunderte unterlag die Gestaltung von Stammbüchern und Stammbucheinträgen Veränderungen und Moden, auch existierten vielfältigste Ausformungen und Gestaltungskonzepte in bestimmten Zeitspannen nebeneinander.48 Während sich Stammbücher generell durch Vielfalt und Wandelbarkeit kennzeichnen, blieben zugleich bestimmte Praktiken über Jahrhunderte bestehen. Stammbücher konfrontieren jede eintragende Person mit einer nur ihr vorbehaltenen Disposition des Stammbuchs. Die Eintragenden können von den zuvor erfolgten Einträgen beeinflusst werden und Bezüge zum eigenen Beitrag herstellen. Konstant in Stammbüchern verschiedener Jahrhunderte zu beobachten sind weiterhin Mehrfacheinträge einer Person, also die Erneuerung einer Stammbucheintragung nach einem längeren Zeitraum: das sogenannte Renovatum bzw. die Renovatio.49 Ebenso ist die mit einem Kreuz vorgenommene Markierung verstorbener Einträger:innen durch den:die Albumhalter:in eine in allen Zeiten auftretende Erscheinung.50 Der ersten und der letzten Albumseite kam zudem eine herausgestellte Bedeutung zu; diese Seiten waren den Beiträgen besonderer Personen vorbehalten.51 Während die Alben in früheren Jahrhunderten in der Regel gebunden waren, liegen Stammbücher aus dem späten 18. und aus dem 19. Jahrhundert auch als Loseblattsammlungen vor, die in Kassetten oder Mappen aufbewahrt wurden.52 Neben dem Sammeln loser Blätter blieben das Führen von gebundenen Alben sowie das direkte Einschreiben allerdings im 19. Jahrhundert weiterhin üblich. Zugleich wurden lose Albumblätter häufig nachträglich in Stammbücher eingeklebt bzw. in einen Albumverbund überführt.

48 Einen gelungenen Eindruck von der Vielfalt des Phänomens vermittelte die Ausstellung »Galilei, Goethe und Co. – Freundschaftsbücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek« von 2012/13. Die Weimarer Bibliothek beherbergt mit circa 1.100 Exemplaren die weltweit größte Sammlung an Stammbüchern bzw. Freundschaftsbüchern aus vier Jahrhunderten (circa 1550 bis 1950). Die online zugänglichen Vitrinen veranschaulichen und erläutern verschiedene Aspekte des Themas; Noteneinträge werden beispielsweise in der Vitrine »Schriftsysteme« thematisiert (Links siehe Literaturverzeichnis). 49 Vgl. Keil 1893, S. 43. 50 Vgl. ebd. 51 Vgl. ebd., S. 39f. 52 Zur konkreten materiellen Gestalt von Stammbüchern als Loseblattsammlungen (ca. 1800–1850) vgl. Göhmann-Lehmann 1994, S. 20–23.

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Im Zuge der Verbreitung von losen Albumblättern kam Mitte des 19. Jahrhunderts die Bezeichnung ›Albumblatt‹ auch als Titel von kürzeren Klavierstücken in Mode. So wird etwa in der MGG2 bezüglich des Stichworts ›Albumblatt‹ auf den Artikel zum ›Charakterstück‹ verwiesen, wobei ›Albumblatt‹ als eine Kompositionsbezeichnung für ein Charakterstück angeführt wird.53 Von der großen Beliebtheit der musikbezogenen Stammbuchpraxis profitierend und daran angelehnt, veröffentlichte nicht nur Robert Schumann zahlreiche Kompositionen unter diesem Titel (vgl. Kap. 1.2.2). Im Zuge einer schleichenden Bedeutungsverschiebung fungierte die Bezeichnung ›Albumblatt‹, die ursprünglich auf einen persönlich-exklusiven Bezug verwiesen hatte, schließlich im öffentlichen Raum, wobei sie gleichzeitig weiterhin einen vermeintlich intimen Charakter des entsprechenden Stückes suggerierte. 1.1.5 Album – Stammbuch – Musik-Stammbuch: Zu den Begriffen Im Allgemeinen wird in der Forschungsliteratur bezogen auf ein Stammbuch der Begriff ›Album‹ synonym verwendet. Doch umfasst die Idee des Albums zweifellos ein weitaus breiteres und vielfältigeres Bedeutungsspektrum,54 so dass es sich nicht bei jedem Album um ein Stammbuch handelt, jedes Stammbuch hingegen die Charakteristika eines Albums aufweist. Werner Wilhelm Schnabel definiert »das Album (als übergeordnete Sammelform) zunächst einmal als ein buchförmiges oder an der Buchform orientiertes Medium, das der Aufnahme bestimmter, oft gemischtmedialer Sammelobjekte dient«.55 Diesem Konzept verpflichtet zielt das Stammbuch schließlich noch spezifischer auf das Sammeln von Handschriften befreundeter oder bekannter Personen. Recherchiert man zur Bedeutung und Verwendung der Begriffe ›Stammbuch‹ und ›Album‹ im 19. Jahrhundert in zeitgenössischen Quellen, zeigt sich ebenfalls ein synonymer Gebrauch.56 Exemplarisch sei ein kurzer Briefwechsel herangezogen: Nachdem Ferdinand Hiller, anlässlich seiner Abreise aus Rom im Juni 1842 (vgl. Kap. 2.1.4), den als Diplomaten dort ansässigen August Kestner um einen Stammbucheintrag zum Abschied gebeten hatte, sandte ihm Kestner folgende Botschaft: »Wollten Sie etwa dem Überbringer Dieses Ihr Stammbuch anvertrauen, so wird auch dieses Geschäft [auch] heute gethan.« In der Rückant53 54 55 56

MGG2: Appel 1995. Zum Album in seinen diversen Ausprägungen und Gestaltungsformen vgl. Kramer/Pelz 2013. Schnabel 2013, S. 215. Während dem Stammbuch und einigen davon abgeleiteten Begriffen im Deutschen Wörterbuch (DWB, 1854–1961) mehrere Einträge gewidmet sind, findet sich darin interessanterweise kein Lemma zum ›Album‹.

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wort, in der Hiller zugleich eine Einladung zu einem Besuch bei Kestner annahm, findet dann der synonyme Begriff Verwendung: »Beifolgend mein Album.«57 Das Wortfeld zur Bezeichnung von musikbezogenen Stammbüchern des 19. Jahrhunderts umfasst weitere Varianten, die aus der Terminologie der vorliegenden Literatur hervorgehen. So wird der Begriff ›musikalisches Album‹ zur Bezeichnung von gebundenen Stammbüchern ebenso wie von Loseblattsammlungen verwendet, die auch als ›musikalische Albumblätter‹ tituliert werden; weiterhin taucht die Bezeichnung ›Noten-Album‹ in Hinblick auf Fanny Mendelssohn Bartholdys Stammbuch auf (vgl. Kap. 2.3.2).58 Bezogen auf ein konkretes Umfeld bzw. den Ort des geselligen Miteinanders findet der Begriff ›Salonalbum‹ Verwendung sowie dessen französisches Pendant album de salon.59 Für mit Notenpapier ausgestattete Alben, die gänzlich auf das Sammeln von Notenautographen ausgerichtet sind, empfiehlt Eva-Brit Fanger die Begriffe ›Notenstammbuch‹, ›Musikerstammbuch‹ oder ›Musikerautographen-Stammbuch‹.60 Eine eigene Bezeichnung für solche Alben, die in den 1820er und 1830er Jahren in den europäischen Musikmetropolen verstärkt aufkamen, rechtfertigt sich, da mit ihnen eine besondere Ausformung des Stammbuchs vorliegt, die dennoch dem ursprünglichen Konzept, dem Sammeln von Handschriften bekannter oder befreundeter Personen, weiterhin verpflichtet blieb. Die Bezeichnung ›Stammbuch‹ ist deshalb plausibel, wenngleich diese Alben europaweit kursierten und in der Regel sprachenübergreifend unter dem Schlagwort ›Album‹ bekannt waren. Beschäftigt man sich mit dem Phänomen des Stammbuchs im europäischen Kontext des 19. Jahrhunderts, kreist das semantische Feld fast ausschließlich um den Begriff ›Album‹, während das deutsche Wort ›Stammbuch‹ kaum gebraucht wird. In der Familie Moscheles etwa wurden Stammbücher in der Regel einfach als ›Alben‹ bezeichnet.61 Dies erscheint verständlich vor dem sprachlichen Hin57 Sietz 1958, S. 48. 58 Vgl. Klein 1993. 59 Jene Salonalben des 19. Jahrhunderts sind jedoch unbedingt zu unterscheiden von den Salonalben des 16. und 17.  Jahrhunderts (u. a. der Duchesse de Retz, der Madame des Roches, der Julie d’Angennes, Tochter der Marquise de Rambouillet), bei denen es sich um teils mit Bildern gestaltete Sammlungen von Gedichten mehrerer Verfasser:innen handelt, zumeist zur Huldigung der Salondame, die als »kollektive Gedächtniswerke« der Salongesellschaft konzipiert sind. Vgl. Zimmermann/Bung 2013; vgl. auch EdN: Zimmermann 2010, Sp. 554f. 60 Panofka 2007 (2), S. 11. 61 In der Moscheles-Biographie, die zahlreiche Briefe und Tagebuchaufzeichnungen berücksichtigt, taucht der Begriff ›Stammbuch‹ nur ein einziges Mal in Zusammenhang mit dem in Berlin erfolgten Eintrag für Felix Mendelssohn auf. Vgl. Moscheles 1872, S. 96.

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tergrund der Familie und der Übereinstimmung der Vokabel in deutscher, englischer und französischer Sprache. Das Stammbuch fungiert tatsächlich in den meisten europäischen Sprachen entweder nur schlicht als ›Album‹ oder als ›Autographen-Album‹ – im Französischen als album d’autographes, im Englischen als autograph album oder autograph book, im Italienischen als album di autografi, wobei auch der Begriff album privato auftaucht.62 Explizit für Notensammlungen finden zudem die Bezeichnungen album musical oder album de musique (frz.), musical album (engl.) und album musicale (ital.) Verwendung – dem deutschen Pendant ›musikalisches Album‹ entsprechend. Trotz der begrifflichen Nähe zur ›Autographensammlung‹, die eine Bezugnahme zwischen Sammler:in und Ersteller:in der Handschrift nicht zur Bedingung hatte (vgl. Kap. 1.1.1), bietet es sich an, in Hinblick auf die europaweite Verbreitung mit der Bezeichnung ›Notenautographen-Album‹ zu hantieren, wobei dies letztlich persönlichen Vorlieben überlassen bleibt. Die von Fanger etablierte Eingrenzung auf ›Musiker‹ – nicht nur auf die Eintragenden, sondern zugleich auf die Eigner:innen bezogen – erscheint hingegen ungünstig, sammelten doch nicht nur professionelle Musiker Notenautographe bzw. trugen sich in Alben ein, so dass der Begriff des ›Notenstammbuchs‹ oder eben des ›MusikStammbuchs‹ treffender ist.63 Dabei muss ein ›Musik-Stammbuch‹ nicht zwangsläufig auf das Sammeln von Notenautographen begrenzt sein, so dass sich der Begriff insofern eignet, da er auch jene zahlreichen Alben berücksichtigt, die – wie beispielsweise die Moscheles-Alben (vgl. Kap. 3) – Musiknotate, Textbeiträge und Zeichnungen in einer Sammlung zusammenführen. Diese Stammbücher bezeichne ich auch als ›Mischalben‹. Angesichts der großen Begriffsvielfalt, die dennoch in der Bezeichnung des konkreten Gegenstandes mangelhaft bleibt und weiterer Erläuterung bedarf, dürfte deutlich geworden sein, dass das Streben nach begrifflicher Präzision nur in Maßen zielführend ist. Unter Zugrundelegung eines weiten StammbuchBegriffs verwende ich die Bezeichnung ›Musik-Stammbuch‹ als übergeordnete Kategorie jedoch bewusst, um das Medium mit seinem im 19.  Jahrhundert ­ausprägten spezifischen Profil unmissverständlich in der Geschichte des Stammbuchs und damit in der Stammbuchforschung zu verorten. Ein Musik-Stammbuch kann folglich sowohl als Notenautographen-Album als auch als Misch­ album, weiterhin in gebundener Buchform sowie in loser Blattfolge gestaltet sein. 62 Vgl. Steffan 2007, S. 95. 63 Der Begriff ›Musik-Stammbücher‹ findet beispielsweise im Katalog der Musikautographen-Sammlung Louis Koch Verwendung zur Bezeichnung der Notenautographen-Alben von Franz Sales Kandler, Aloys Fuchs, Marie von Sayn-Wittgenstein und Gustav de Reiset. Koch-Katalog 1953, S. 327.

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1.1.6 Zum Quellenbestand Die tatsächliche Zahl der im 19. Jahrhundert geführten Alben muss immens gewesen sein, waren solche Sammelbücher doch ein spezifisches Element der Erinnerungs- und Unterhaltungskultur der bürgerlichen sowie aristokratischen Schichten Europas. In der Regel wurden Stammbücher zunächst in der Familie weitergegeben. Schwand mit der Zeit die persönliche Bedeutung des Albums, rückte dessen eventueller finanzieller Wert in den Fokus. Verfügte das Stammbuch über als wertvoll erachtete Einträge und Albumseiten, wurde es im Ganzen verkauft oder die entsprechenden Seiten wurden umstandslos entnommen, zu Geld gemacht, einzeln verwahrt oder verschenkt. Nur wenige Musik-Stammbücher sind deshalb in der Gestalt erhalten, die sie zum Zeitpunkt ihres chronologisch letzten Eintrags hatten. Angesichts des zirkulierenden und stets veränderlichen Charakters eines Albums ist dies für die Forschung zwar bedauerlich, jedoch auch dem Medium immanent. Trotz der vermutlich großen Menge an verlorenen Stammbüchern, die nur erahnt werden kann bei der Suche nach konkreten Alben, die in der Erinnerungsliteratur oder in Briefen erwähnt werden, aber unauffindbar bleiben, ist doch die Anzahl der in Bibliotheken, Archiven und in Privatbesitz überlieferten Stammbücher erheblich. Die Datenbank RAA (Repertorium Alborum Amicorum), ein internationales Verzeichnis von Stammbüchern und Stammbuchfragmenten, erfasst über 25.000 Alben in öffentlichem und privatem Besitz sowie im Auktions- und Antiquariatshandel.64 Dabei handelt es sich um Stammbücher aus allen Jahrhunderten; die Zahl der erfassten Alben aus dem 19. Jahrhundert liegt bei circa 9.500 und macht somit deutlich mehr als ein Drittel des Datenbestandes aus.65 Eine Suche nach Stammbüchern des 19. Jahrhunderts mit Musikbezug in der Datenbank ist nur bedingt möglich und ihr Anteil schwer abzuschätzen, jedoch eher im zweistelligen Bereich anzusiedeln.66 Darüber hinaus ist die 64 RAA – Repertorium Alborum Amicorum (Link siehe Literaturverzeichnis). 65 Die Angaben, die der grundsätzlichen Orientierung dienen sollen, resultieren aus einer Recherche von Ende Juli 2019. Da die Datenbank ständig erweitert und ergänzt wird, sind die darüber ermittelten Zahlen veränderlich. 66 Bei der »Suche nach Stammbüchern« mit dem Kürzel *musik* beläuft sich die Zahl der über das RAA zu ermittelnden Alben aus dem 19. Jahrhundert auf 40 (Zugriff: 31.7.2019); 12 davon gehören zum Korpus dieser Studie (vgl. Tab. 5). Die Datenbank ist jedoch nicht auf eine solche Suche ausgelegt, so dass einige dort erfasste musikbezogene Alben aufgrund fehlender Stichworte nicht über das Kürzel zu finden sind, wie beispielsweise die Alben von Felix und Cécile Mendelssohn Bartholdy (vgl. Kap. 2.3.2). In der »Suche nach Stammbucheinträgen« kann zudem in der Kategorie »Beigaben« nach dem Stichwort »Noten« recherchiert werden. Ich danke Prof. Dr. Werner Wilhelm Schnabel für die freundliche Auskunft.

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tatsächlich aussagekräftige Listung der Einträge, mit Personen-, Orts- und Datumsangaben, nur bei einzelnen musikbezogenen Stammbücher gegeben.67 Das Repertorium Alborum Amicorum zielt jedoch bewusst nicht auf eine eingehende inhaltliche Erschließung oder genaue Charakterisierung der erfassten Alben.68 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Musik-Stammbücher des 19. Jahrhunderts nur zu einem Teil systematisch erfasst oder detailliert erschlossen sind. Zu diesem Umstand trägt sicherlich bei, dass sich Alben und Stammbuchblätter mit Musikbezug nicht selten in Privatbesitz befinden und nur wenige private Eigentümer:innen ein Interesse daran haben, ihre Schätze mit einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu teilen. Davon abgesehen wurden aber auch bekannte Musik-Stammbücher in Archiven oder Bibliotheken nur in wenigen Fällen umfassend ausgewertet oder als musikwissenschaftliche Quelle in den Forschungsdiskurs einbezogen. Angesichts des reichen Quellenbestandes ergeben sich letztlich zwei Stoßrichtungen bei der Erforschung von Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts. Erstrebenswert ist zweifellos eine möglichst breite Quellenbasis, die die Erstellung eines stetig zu erweiternden Verzeichnisses erfordert (vgl. Tab. 5) – ein Ziel, das in dieser Studie nicht im Vordergrund steht. Einen größeren Erkenntnisgewinn verspricht hingegen, gerade auch in Hinblick auf den aktuellen Forschungsstand, die Fokussierung von zu vernetzenden Fallbeispielen, die eine gründliche Kontextualisierung erlaubt. Einzelne Musik-Stammbücher werden dazu im Detail ausgewertet und diskutiert, ohne das Gesamtphänomen aus den Augen zu verlieren. Zu berücksichtigen ist bei beiden Herangehensweisen, dass Ergebnisse und Rückschlüsse letztlich immer nur auf dem überlieferten und zugänglichen Material basieren, das zwar als repräsentativ angenommen wird, aber doch nur einen durch die Quellenlage bedingten Blickwinkel gewähren kann. 1.1.7 Musik-Stammbücher als Quellen der Musikforschung Neben dem generellen kulturgeschichtlichen Erkenntnispotenzial können bei der Erforschung von Stammbüchern zwei große musikwissenschaftliche Interessenfelder festgemacht werden, die zum einen auf den biographischen, zum anderen auf den philologischen Quellenwert von Albumblättern zurückgehen. Als 67 In Anlehnung an die Ausgabe von Eva-Brit Fanger (vgl. Panofka 2007) ist etwa eine Detailauflistung der Inskriptionen im Album des Geigers und Komponisten Heinrich Panofka (vgl. Kap. 2.1.2) verfügbar (in der RAA-Eintragsdatenbank abrufbar unter der Sigle: 1827_panofka). 68 Aus der gesamten Datenbank sind circa 3.700 Alben im Detail in Einzelinskriptionen erschlossen (Zugriff: 31.7.2019).

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biographische Quellen liefern Stammbücher grundlegende oder ergänzende Informationen über Netzwerke, Begegnungen, Aufenthaltsorte und Reiserouten. Neben Erkenntnissen zu geselligen Aktivitäten, zeitgenössischem Humor, zur Ästhetik, zu Selbstwahrnehmung und Verhaltensregeln sind Musik-Stammbücher schließlich für eine gendersensible Forschung von Interesse, indem sie in den mangels Quellen schwer zu erschließenden Bereich des musikkulturellen Handelns im häuslichen Umfeld, insbesondere von Frauen und Kindern, Einblick gewähren können. Zudem bietet es sich an, Fragen an das Medium selbst bezüglich seiner geschlechtsspezifischen Verwendung zu stellen. Fokussiert man den musikphilologischen Quellenwert von Stammbüchern und untersucht in erster Linie darin enthaltene Notenautographe, steht das Streben nach neuen Erkenntnissen im Bereich der Quellenforschung und Edition im Vordergrund (vgl. Kap. 1.2.2). Dies geschah jedoch bislang nur zögerlich, da Kompositionen in Stammbüchern im Allgemeinen als Gelegenheitswerke ohne größeren künstlerischen Wert gelten. In der Tat ist zu beobachten, dass gerade Personen des öffentlichen Musiklebens, an die fortwährend Bitten um Stammbucheinträge und Albumblätter herangetragen wurden, dazu neigten, klischeehaft dieselben wenigen Takte bzw. weithin bekannte Kompositionen zu notieren. Ein Beispiel dafür ist Gioachino Rossini, der sich einen Spaß daraus machte, in Alben, in verschiedenen Varianten und in längeren wie kürzeren Versionen, immer wieder die Arietta Mi lagnerò tacendo zu präsentieren.69 Eine dieser Fassungen, niedergeschrieben auf einem mit Goldrahmen verzierten Notenblatt inklusive entsprechender Widmung, ist auch im Album von Ignaz Moscheles enthalten (vgl. Kap. 3.2). Je nach Situation und Beziehung der beteiligten Personen entstanden aber eben auch Kompositionen, die an keiner weiteren Stelle als in dem betreffenden Stammbuch auftauchen und somit Unikate von hohem musikphilologischen Wert darstellen. Ähnlich attraktiv sind abweichende, insbesondere frühe Fassungen von Kompositionen, die bezüglich der Genese und der Datierung von Werken aufschlussreich sein können. Manche Werke überraschen darüber hinaus durch ihren anhand eines Musik-Stammbuchs sich offenbarenden privaten Entstehungskontext in geselligem Rahmen, der in der musikalischen Öffentlichkeit jedwede Bedeutung verloren zu haben scheint.

69 Vgl. Steffan 2007, S. 105f. Eine 2005 von Paolo Fabbri zusammengetragene vorläufige Liste umfasst mehr als 45 Albumblätter von Rossini mit Vertonungen des Textes von Pietro Metastasio. Rossini schrieb für Alben aber auch diverse Instrumentalstücke, überwiegend für Klavier. Vgl. MGG2: ­Fabbri 2005, Sp. 479–481, Sp. 486. Für das Stammbuch von Felix Moscheles komponierte Rossini etwa ein Thema für Horn und Klavier (vgl. Kap. 3.5.1).

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Für die musikphilologische Perspektive erscheinen die in dieser Studie verfolg­ten Fragestellungen zunächst weniger relevant. Fokussiert man jedoch nicht vorrangig die ästhetische Qualität der Musiknotate in Stammbüchern sowie deren Bewertung, sondern beschäftigt sich mit den Kontexten der Einträge unter Zuhilfenahme weiterer Quellen, erscheinen Musik-Stammbücher in ihrer musikhistorischen Aussagekraft in neuem Licht. In welchem Verhältnis standen Einträger:in und Albumeigner:in und unter welchen Umständen entstand der Beitrag? Welche Intentionen und zeitlichen sowie materiellen Einschränkungen haben eine Komposition bedingt? Gibt es Bezugnahmen zu anderen Albumbeiträgen? An dieser Stelle zeigt sich, dass eine vor allem musikphilologisch ausgerichtete Perspektive, die lediglich einzelne als relevant erachtete Kompositionen fokussiert, dem Phänomen des musikbezogenen Stammbuchs nicht ausreichend gerecht werden kann. Musik-Stammbücher sollten in ihrer ganzen Komplexität, die musikalische, sprachliche und visuelle Elemente vereint, betrachtet werden. Unter Berücksichtigung materieller Aspekte, die das Stammbuch als vielgestaltiges und facettenreiches Objekt bedingen, ist es vor allem die Erschließung des historischen Gebrauchs sowie der daran gebundenen kulturellen Bedeutung und Funktion von Musik-Stammbüchern, die einen geeigneten Zugang zu einer Verortung des Phänomens im musikkulturellen Handeln des 19. Jahrhunderts bietet. 1.2 Stammbuchforschung – Von den Wittenberger Reformatoren zur ­»Autographenwut« Stammbücher stellen in ihrer vielfältigen Gestalt und mit ihren individuellen Einträgen, die Aufschluss über bestimmte Personenkreise und deren Miteinander geben, ein Faszinosum dar, das bereits früh ein beachtliches Forschungsinteresse hervorgerufen hat. Besonders in den letzten 125 Jahren entstand eine immense Zahl an Publikationen und Studien, die von Werner Wilhelm Schnabel umfassend zusammengetragen wurden.70 Als Konsequenz der Musealisierung von Stammbüchern handelt es sich bei einem nicht unwesentlichen Teil der Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte um Kataloge im Rahmen von Ausstellungen oder vergleichbare Publikationen, die regionale Bibliotheks- oder Muse-

70 Für eine Listung der äußerst umfangreichen Sekundärliteratur zum Thema, inklusive diverser Handschriftenkataloge sowie Stammbuchverzeichnisse von Bibliotheken und Archiven, siehe Schnabel 2003, S. 638–705. Zu Forschungsgeschichte und -tendenzen vgl. ebd., S. 5–18.

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umsbestände fokussieren.71 Seit den 1960er Jahren hatte sich das Stammbuch zu einem beliebten Thema der Volkskunde in beiden Teilen Deutschlands entwickelt,72 wobei auch gesondertes Interesse an Stammbüchern von Frauen aufkam.73 Musik oder musikbezogene Einträge spielten dabei kaum eine Rolle.74 Stammbücher als »kulturgeschichtliche Quellen der Neuzeit«, um deren Erfassung und Erschließung es sich möglichst planvoll zu bemühen gilt, rückten dann Ende der 1970er Jahre in den Fokus einer international vernetzten und interdisziplinär aufgestellten Germanistik mit kulturwissenschaftlicher Ausrichtung.75 Eine größer angelegte Monographie zum Thema, die weit rezipiert wurde und mit grundsätzlichen Thesen und Einordnungen Maßstäbe in der Stammbuchforschung setzte, entstand jedoch bereits im Jahr 1893 und stammt von den Brüdern Robert und Richard Keil.76 Auf Grundlage von über 600 Stammbüchern, größtenteils aus der Sammlung der Weimarer Bibliothek, zielt das Buch als Beitrag zu einer »wissenschaftlichen Kultur-Geschichte« mit einem ausgewiesenen deutsch-nationalen Fokus auf die »Darstellung der deutschen Stammbuchs-Sitte überhaupt und ihrer bedeutsamen Überlieferungen aus dem sechzehnten bis neunzehnten Jahrhundert«.77 Flankiert von grundlegenden Betrachtungen zur Geschichte und Gestaltung von Stammbüchern publizierte und erläuterte Robert Keil über 1.800 Stammbucheinträge, überwiegend aus dem studentischen, aber auch aus dem nicht-akademischen Milieu. Infolge der zunehmenden Verbreitung in niederen sozialen Schichten und des Aufkommens von Loseblattsammlungen sei die Stammbuchsitte, Keil zufolge, um das Jahr 1840 zu ihrem Ende gekommen.78 71 Exemplarisch für katalogähnliche Publikationen mit zahlreichen Abbildungen: Kurras 1987; Taegert 1995; Loesch 2003. Als Ausstellungskataloge aus den letzten 15 Jahren sind zu nennen: Beyer/Gold u. a. 2006 (darin: Linhart 2006); Domka/Raffel u. a. 2009; Raffel 2012; Witzmann 2015. 72 Vgl. Fiedler 1960; Angermann 1971; Göhmann-Lehmann 1994. Das Fach der Volkskunde wird heute als Europäische Ethnologie, Kulturanthropologie, Empirische oder Vergleichende Kulturwissenschaft bezeichnet. 73 Henning 1988; Göhmann-Lehmann 1994. 74 Gertrud Angermann thematisiert einige musikbezogene Texteintragungen, darunter vor allem Liedertexte. Angermann 1971, S. 118–125. 75 Fechner 1981, hier: S. 7. Eine musikwissenschaftliche Beteiligung an dem Band und dem Arbeitsgespräch im Vorfeld blieb trotz Interesses der Initiatoren aus. Ebd., S. 9. Eine Fortsetzung fand die Wolfenbütteler Veranstaltung mit anderer Schwerpunktsetzung durch: Klose 1989. 76 Keil 1893. 77 Ebd., S. VI. Keil merkt an, dass auch Studenten aus anderen europäischen Ländern der Stammbuchsitte nachgingen, obgleich sie unter Deutschen am verbreitetsten gewesen sei. Ebd., S. 12. 78 Ebd., S. 330; »[…] je mehr die Sitte sich nach unten verbreitete, desto mehr zogen die höhern Stände ihre Hand davon ab, und als endlich das Stammbuch in dem Tornister des Handwerksburschen, der Lade der Dienstmagd, der Tasche des Schulknaben üblich und heimisch geworden war,

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Diesbezüglich etablierte die Keil’sche Monographie einen ausgesprochen elitären Blick, der das Narrativ der Dekadenz der Stammbuchpraxis zu Beginn des 19. Jahrhunderts festschrieb. Bemerkenswert ist, dass diese Ansicht bereits in den 1830er Jahren nachweisbar ist. Explizit die Teilhabe von Frauen als Degenerationsmerkmal herausstellend, wird im Damen Conversations Lexikon von 1837 zudem die zu bespöttelnde Entwicklung, berühmte Persönlichkeiten um Stammbucheinträge zu bitten, angesprochen: Von den Fürsten und Rittern ging diese, in ihrem Ursprunge so ehrwürdige Sitte auf die Fürstinnen, Ritterfrauen und Ritterfräulein, später auf die Gelehrten, von diesen auf die Studenten und endlich in alle Klassen, zu den Schulknaben wie Mägden, über; eine wahre Wuth, sein S.[Stammbuch] zu füllen mit großen Namen, ergriff die Menschen, und viele Phlegmatiker wurden bloß aus diesem Grunde die leidenschaftlichsten Touristen und bestürmten mit ihrem Erinnerungsvademecum die Cabinete und Ateliers aller Celebritäten.79

Die in diesem kurzen Text eindrücklich nachzuvollziehende Abwertung der Stammbuchpraxis des 19. Jahrhunderts wurde durch die Brüder Keil nachhaltig untermauert und klingt, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, bis heute in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Stammbüchern nach. Aktuell können die Arbeiten des Germanisten Werner Wilhelm Schnabel, der mit der 1998 ins Leben gerufenen Online-Datenbank RAA (Repertorium Alborum Amicorum) den Weg in die digitale Fundierung der Stammbuchforschung gewiesen hat,80 als führend angesehen werden. Umfassend widmete sich Schnabel dem als multidisziplinär verorteten Thema in seiner Monographie zur Konstitution und Geschichte einer textsortenbezogenen Sammelform aus dem Jahr 2003.81 Darin analysiert er das Stammbuch, dessen Verwendung, Funktion, Form und Rezeption von seiner Frühgeschichte bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts, entwickelt Systematisierungsstrukturen und zeigt Forschungsperspektiven auf. Schnabel folgt einer milieubezogenen Typologie und behandelt nach einer Darstellung der Anfänge in Wittenberg die Stammbuchsitte in Adelskreisen, im Bildungsmilieu, aber etwa auch im bürgerlichen Umfeld und im Künstlermilieu. Mit einem bezogen auf die Stammbuchforschung dezidiert literaturwissenschaftlichen Ansatz beschreibt er den Stammbucheintrag in einem Schema aus Textteil, Paratextteil (Adressierung, Identifikation des Schreibers, konnte die von Fürsten und Rittern erfundene, von Gelehrten vervollkommnete Sitte selbst in der alten Gestalt und Bedeutung als erloschen betrachtet werden.« Ebd., S. 46. 79 Damen Conversations Lexikon 1837, S. 391 (= Lemma »Stammbücher«). 80 Zu Rechercheoptionen in der Datenbank in Hinblick auf musikbezogene Stammbücher des 19. Jahrhunderts vgl. Kap. 1.1.6. 81 Schnabel 2003.

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Lokalisierung und Datierung) und Beigaben, zu denen u. a. Bilder und Noteneinträge gehören können. Notenbeigaben, überwiegend Kanons oder Fugen, sind ab dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in Stammbüchern nachweisbar; ihr Anteil fällt allerdings bezogen auf die Gesamtheit der Albumeinträge bis circa 1750, somit über den in Schnabels Studie fokussierten Zeitraum hinaus, äußerst gering aus.82 Nach Schnabel sind die Ursprünge des Stammbuchs im Umfeld der Wittenberger Reformatoren in den 1530er Jahren zu verorten. Bereits im Laufe der 1550er Jahre wurde die Stammbuchsitte von einer akademischen Trägerschaft übernommen, durch die sie infolge der studentischen Mobilität in andere europäische Länder gelangte. Der deutsche Begriff ›Stammbuch‹ ist ab den frühen 1570er Jahren als Bezeichnung für die Sammelform nachweisbar, während der Begriff ›Album Amicorum‹ erst in den späten 1580er Jahren aufkam. Obgleich sich auch im Adelsmilieu, das mit der verwandten Praxis der Gästebücher bereits vertraut war,83 das Führen von Stammbüchern bis in die 1620er Jahre einiger Beliebtheit erfreute, blieb das ›Album amicorum‹ doch unabhängig von der sozialen Herkunft bis weit ins 18. Jahrhundert in erster Linie an das akademische Milieu gebunden. Die über lange Zeit etablierte Annahme, dass das Stammbuchphänomen aus adeligen Geschlechter-, Wappen- oder Turnierbüchern hervorgegangen sei, ist nicht zu halten.84 Im ausgehenden 18. Jahrhundert verbreitete sich die Stammbuchsitte schließlich zunehmend im kleinbürgerlichen Milieu, während sie im ersten Drittel des 19.  Jahrhunderts in studentischen Kreisen gänzlich aus der Mode kam.85 Schnabel spricht bezüglich der Einträge in Stammbüchern des 19. Jahrhunderts, die nun zunehmend als »Poesiealben« bezeichnet würden, von einem Wandel hin zu einer »gewisse[n] Epigonalität im literarischen und künstlerischen Geschmack«.86 Der Übergang vom Stammbuch für Erwachsene zum Poesiealbum für Kinder wird dabei im Allgemeinen um das Jahr 1850 angesetzt.87 82 Ebd., S. 489–491, vgl. auch S. 113f. 83 Zu Gästebüchern des Adels, in denen mit Vorliebe Liederhandschriften gesammelt wurden, vgl. ebd., S. 228–232. 84 Vgl. ebd., S. 220–224. 85 Für einen kurzen Abriss zur Geschichte des Stammbuchs vgl. Schnabel 2013; vgl. auch EdN: Heß 2010. 86 Schnabel 2013, S. 234. 87 Hierzu Fiedler 1960; Angermann 1971; Graak 1982; Rossin 1985. Die umfassendste Studie zum Thema, die etwa 125 Alben (ca. 1710–1965) größtenteils aus dem Raum Minden/Ravensburg zugrunde legt, lieferte Gertrud Angermann. Daran anknüpfend beschäftigte sich Jürgen Rossin mit dem Thema anhand eines Textkorpus von 60 Poesiealben aus den 1970er Jahren im nördlichen Ruhrgebiet. Die Studie von Alfred Fiedler, aus der deutlich ideologiegefärbten Perspektive seiner

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Von den akademischen Eliten »nur noch als banale Autographensammlungen bildungsfernerer Schichten wahrgenommen«, habe sich diese Entwicklung »bis ins späte 20. Jahrhundert mit einem weiteren ›Absinken‹ der Trägerschaft bis hin ins Grundschulalter fortgesetzt«.88 Wie ist nun mit diesem ›Abgesang‹ auf das Stammbuch, dessen sozialer »Niedergang« im 19. Jahrhundert in der Forschungsliteratur immer wieder beschworen wurde,89 umzugehen? Festzuhalten ist zunächst, dass die Annahme, die im universitären Milieu schwindende Stammbuchsitte habe durch die gesellschaftliche Verbreitung im Laufe des 19. Jahrhunderts Qualitätsverlust und Stereotypisierung erfahren, von einem normativen Kulturbegriff getragen wird, der Alltags- und Populärkulturen bewusst abwertet und ausgrenzt. Genderspezifische Brisanz erfährt die Sichtweise zudem durch die für das 19. Jahrhundert verschiedentlich postulierte »Übernahme der Stammbuchsitte durch Frauen«.90 Während eine angemessene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Stammbuchpraxis des 19.  Jahrhunderts in ihrer gesamten Breite hier nur als Forschungsdesiderat benannt werden kann,91 gestattet es diese Studie doch, den generalisierenden Charakter der etablierten Perspektive auf ein Phänomen zu entlarven, das sich gesellschaftsübergreifend derart großer Beliebtheit und Verbreitung erfreute. So erschließt sich mit dem Fokus auf Stammbüchern aus Musikerkreisen ein deutlich differenzierteres Bild. Auch Schnabel, der sich vor allem auf frühere Jahrhunderte bezieht, betont die Vielfalt der Variationsformen von Stammbüchern und thematisiert das Künstler- und Musikermilieu. Ebenso wie in Literatenkreisen fungierte »[d]as Album als Sammelmedium für Notate wertgeschätzter Vorbilder, die Inskription als Beleg eigener künstlerischer Fähigkeiten, als situations- und adressatenbezogener Text, der zugleich der Bestätigung von Zugehörigkeit dient«.92 Er konstatiert, dass Künstler:innen und Musiker:innen das Strukturschema des Stammbuchs für ihre Zwecke adaptierten, indem Bilder und Noten, die ursprünglich lediglich als Beigaben dienten, nun den Textteil als Haupteintrag ersetzen konnten und damit an zentrale Stelle rückten. Bezogen auf das 19. Jahrhundert hält

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Gegenwart in der Deutschen Demokratischen Republik, und das westdeutsche Pendant von Karl Graak sind eher populärwissenschaftlich angelegt. Schnabel 2013, S. 234. In seiner Monographie regt Schnabel allerdings eine wertneutralere Betrachtung der im späten 18. Jahrhundert einsetzenden Diskreditierung der Stammbuchsitte an, die als soziales Phänomen in Hinblick auf ihre Funktionen verstanden werden sollte. Schnabel 2003, S. 584–587. Hier: Graak 1982, S. 57. Vgl. Linhart 2006, S. 221–224 (»Stammbuchsitte und Feminisierung«), hier: S. 223. Für erste Ansätze zur Entwicklung von Fragestellungen vgl. ebd. Schnabel 2013, S. 232.

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Schnabel fest, dass sich »die gebundene Albumform zugunsten von Loseblattsammlungen auflöste und die ›Autographenwut‹ von Sammlern lebhafte Nachfrage nach handschriftlichen Notaten gleich welcher Art entstehen ließ«, wobei sich »die Konvention des (meist größerformatigen) ›musikalischen Albumblattes‹« herausbildete.93 Das von den Keil’schen Thesen geprägte Diktum der »Autographenwut«, nach der die Stammbuchsitte im 19. Jahrhundert als abgesunkenes Kulturgut ihren persönlich-intimen Charakter eingebüßt und sich zu einem kontextfreien Sammeln von losen Autographen entwickelt habe, etablierte sich auch in der Musikwissenschaft.94 In diesem Zusammenhang kursieren in der Literatur ­neben »Autographenwut« weitere abwertende Begriffe wie »Autographenjägerei« oder gar »inflationäre[n] Stammbuchunsitte«.95 Dass sich das Sammeln von Autographen sowie das Führen von Stammbüchern im 19. Jahrhundert größter Beliebtheit erfreute und sich in erheblichem Maße verbreitete, steht außer Frage. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt in Beziehung zu setzen zum vorherrschenden gesellschaftspolitischen Klima. Kennzeichnend für die deutsche Kultur zwischen 1815 und 1848, die Zeit des Biedermeier, die zugleich durch die revolutionären Bestrebungen des Vormärzes kontrastiert wurde, ist der Rückzug ins Private mit einem Hang zur Idealisierung.96 Dies ging einher mit einer Betonung familiärer und zwischenmenschlicher Gefühlswelten, Tugenden und Werte und der daran geknüpften Geselligkeitsformen. Das Stammbuch entwickelte sich in diesem Zuge zu einem wichtigen Element des biedermeierlichen Familien- und Freundschaftskults,97 der das Andenken in Gestalt von teils kuriosen Souvenirs zelebrierte. So hatte sich im 19. Jahrhundert eine regelrechte ›Souvenirindustrie‹ in Folge des grundlegenden Wandels der Gefühlskultur in der Zeit der Empfindsamkeit ab Mitte des 18. Jahrhunderts herausgebildet.98 Vor dem Hintergrund der nach den Napoleonischen Kriegen durch den Wiener Kongress 1814/15 eingeleiteten Zeit der Restauration sind in den meisten europäischen Ländern ähnliche gesellschaftspolitische Tendenzen zu beobach93 Ebd. 94 Vgl. Itoh 1991, S. 311–313 (vgl. Kap. 1.2.1). 95 Sietz 1962, S. 231; Hoppe 2015, S. 34f.; Wehner 1997, S. 60. 96 Hierzu Ottomeyer 1987. 97 Für eine umfassende Darstellung der biedermeierlichen Stammbuchgestaltung, die zahllose zeitgenössische Ratgeber und Vorlagen (z.B. zu geeigneten Stammbuchversen, Illustrationen etc.) hervorbrachte, vgl. Krafft 1987; siehe auch die Katalogabbildungen in: Ottomeyer 1987, S. 433ff. (»Freundschafts- und Familienkult«). 98 Ananieva/Holm 2006; Samida/Eggert/Hahn 2014, S.  198f. [Art. »Erinnerungsdinge« von C. Holm].

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ten. Dass der für die Epoche charakteristische unberechenbare Wechsel von revo­lutionären und restaurativen Etappen sowie das Unbehagen angesichts drohender politischer Umbrüche das Leben der Menschen im gesamten euro­­ päischen Raum nachhaltig prägten, liegt auf der Hand. Angesichts dieses gesellschaftlichen Klimas, das auch Musik-Stammbücher der 1820er bis 1840er Jahre kontextualisiert, erscheint die Fokussierung auf das persönliche Erleben im Moment, das man in Erinnerungsdingen zu bannen suchte, zugleich die Besinnung auf das engste Umfeld, auf Geselligkeit und Kultur im häuslichen, privaten Rahmen nur folgerichtig. Unterhaltung, als zutiefst menschliches Bedürfnis nach Ablenkung, Stärkung und Kommunikation, gewann in dieser Zeit zusätzliche Bedeutung mit Blick auf den möglichen Verlust des gewohnten Gesellschaftsgefüges und der damit verbundenen Traditionen und Erinnerungen. Diese These stützend führt auch Constance Himelfarb, in Hinblick auf die Situation in Frankreich, das Phänomen des Notenautographen-Sammelns in Alben – zwischen »conservation artistique« und »creation musicale« – auf die von politischen Umbrüchen und der damit einhergehenden Vernichtung von Erinnerung (»perte de mémoire«) geprägte gesellschaftspolitische Stimmung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zurück.99 Gerade auch vor diesem Hintergrund ist dem Pauschalurteil schwindender persönlicher Bezüge in Stammbüchern des 19. Jahrhunderts mit Vorsicht zu begegnen. Wie in den vorangegangenen Jahrhunderten sind im Besonderen für die in dieser Studie verhandelten musikbezogenen Stammbücher folgende Funktionen festzumachen, die den von Schnabel im Generellen zusammengetragenen Charakteristika der Stammbuchpraxis entsprechen: das Festhalten von Erinnerungen und Eindrücken an wechselnden Orten, die neue Bekanntschaften mit sich brachten, die Sichtbarmachung von Vernetzung, eine gebührende Selbstdarstellung, die auf eine Steuerung von Erinnerung zielte, und ein zum Teil spielerischer Charakter der Einträge mit Verweisstrategien, die häufig nur Eingeweihte nachvollziehen konnten.100 Die für das 19. Jahrhundert als kennzeichnend geltenden epigonalen Tendenzen oder gar Bildungsferne können eindeutig widerlegt werden – im Gegenteil handelt es sich bei jenen Alben, die insbesondere ab den 1820er Jahren in Musikerkreisen geführt wurden, um eine vielschichtige sowie explizit elitäre Erinnerungskultur.

99 Himelfarb 2001, S. 43. 100 Vgl. Schnabel 2013.

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1.2.1 Stammbücher im Fokus der Musikwissenschaft – Zwei Ansätze Während sich die interdisziplinäre Stammbuchforschung zu einem gewichtigen Forschungsbereich entwickelt und eine erhebliche Zahl an Publikationen hervorgebracht hat, spielen Stammbücher und Albumblätter bis in die jüngste Zeit in der Musikwissenschaft eine untergeordnete Rolle. Bevor ich in den folgenden Kapiteln zentrale Herangehensweisen bei der Erforschung musikbezogener Stammbücher darstelle und analysiere, möchte ich zunächst das Feld abstecken anhand von zwei sowohl bezüglich ihres Umfangs, der behandelten Zeitspanne als auch des geographischen Raums weit auseinanderliegenden Beiträgen. Den Ergebnissen der amerikanischen Dissertation von Tatsuhiko Itoh zu Musik und Musikbezügen in deutschen Stammbüchern im Zeitraum von 1750 bis 1815 stelle ich die lediglich in einem kurzen Buchkapitel dargelegte Perspektive der italienischen Musikwissenschaftlerin Carlida Steffan auf die Albumkultur zwischen 1800 und 1850 gegenüber.101 Auf diese Weise werden sehr unterschiedliche, auch durch länderspezifische Wissenschaftskulturen geprägte Sichtweisen aufgezeigt, die sich jedoch zugleich ergänzen und den Blick auf das Forschungsfeld schärfen. Tatsuhiko Itoh kommt der Verdienst zu, sich als erster Musikwissenschaftler mit einer umfassenden Studie des Themas der musikbezogenen Stammbücher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angenommen zu haben. Nach einer Untersuchung von circa 900 Alben legte er seiner als Universitätsdruck erschienenen Dissertation von 1991 schließlich eine überschaubare Anzahl ausgewählter Beispiele zugrunde.102 Wiederholt verweist er in seinem Buch auf die große Bedeutung des Freundschaftskults für die Stammbuchsitte im Untersuchungszeitraum, wobei das eingeschriebene Musikstück einem Symbol der Freundschaft (»token of friendship«) gleichkam.103 Anhand ausgewählter Einträge von Beethoven, Haydn und Mozart trägt er folgende Beobachtungen zusammen: (1) canonic or fugal compositions predominate in musical entries; (2) the inscriber expresses his artistic ideals; (3) citations are used as sources for entries; (4) some entries relate to each other within a Stammbuch; (5) the same composition is used for more than one occasion; (6) some entries are prepared in advance; (7) the choice of languages has a certain significance; (8) Stammbücher are sometimes exchanged for mutual inscription; (9) entries provide information about dedicatee’s life; (10) the owner may revisit a recently deceased contributor’s entry.104 101 Itoh 1991; Steffan 2007, S. 95–106. 102 Im Anhang seiner Studie dokumentiert Itoh 50 Albumblätter im Faksimile mit entsprechenden Transkriptionen. Itoh 1991, S. 314–450. 103 Ebd., S. 290, S. 300. 104 Ebd., S. 34f.

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Itoh umreißt hier zentrale Aspekte bezüglich der Gestaltung und des Gebrauchs von Stammbüchern mit Musikeinträgen im späten 18. Jahrhundert. Im Hauptteil seiner Studie behandelt er schließlich die drei in Stammbucheinträgen vorherrschenden Musikgenres in der fokussierten Zeitspanne: Kanons, Lieder und Instrumentalstücke, darunter Tänze. Als Beispiele zieht er neben Kompositionen weniger bekannter Protagonisten u. a. Einträge von Johann Adam Hiller, Karl Benda, Joseph Leopold Eybler und Johann Friedrich Reichardt heran. Seine Studie begrenzt Itoh zeitlich um das Jahr 1815, in dem er einen Wendepunkt festmacht: »a watershed in the history of the musical entry in Stammbücher«.105 In dieser Zeit fanden zum einen lose Albumblätter zunehmend Verbreitung, zum anderen seien erstmals Alben entstanden, in denen exklusiv Notenautographe gesammelt wurden.106 Sich an den Stammbuchforschern der ersten Stunde, den Brüdern Keil (vgl. Kap. 1.2), orientierend,107 mutmaßt Itoh bezüglich des Gebrauchs von losen Albumblättern über einen »significant change in the sense of intimacy on which traditional practice of Stammbuch was based«.108 Der persönliche Bezug zwischen Einträger:in und Albumhalter:in sei zunehmend in den Hintergrund getreten: »The Stammbuch entry now began to depart from its traditional intimate environment and to take on a more public character in accordance with its new quality and function.«109 Itohs Thesen stützen sich hierbei auf Grundannahmen der Stammbuchforschung und folgen der generalisierenden Bewertung von Alben des 19. Jahrhunderts. In Hinblick auf die zehn von Itoh zusammengetragenen Stichpunkte ist jedoch festzustellen, dass die meisten der genannten Aspekte auch für die musikbezogene Stammbuchpraxis des 19. Jahrhunderts kennzeichnend bleiben, so dass von einer weitaus größeren Kontinuität im Gebrauch von Musik-Stammbüchern ausgegangen werden muss. 105 Ebd., S. iv. 106 Nach der Fertigstellung meiner Dissertation erschien ein längerer Aufsatz über »Albumblätter für Klavier« des 19. Jahrhunderts, der im Zuge einiger grundsätzlicher Einordnungen, an Itohs Thesen anknüpfend, die (auch begriffliche) Loskopplung von der Stammbuchpraxis (durch den Begriff ›Musikalben‹) vorschlägt; bei diesem Ansatz, mit seiner musikalischen Werkzentriertheit, werden meines Erachtens wesentliche Perspektiven ausgeblendet. Vgl. Huck 2018. 107 Itoh 1991, S. 118f., 124f. 108 Ebd., S. 119. Allerdings zeigt der Blick zurück ins 17. Jahrhundert, anhand von Werner Breigs Studie zu den elf überlieferten Stammbucheinträgen von Heinrich Schütz zwischen 1616 und 1659, die Angreifbarkeit der These. So ist zu beobachten, dass Schütz als berühmter Musiker am Sächsischen Hof wohl sogar in der Überzahl Einträge für ihm nur flüchtig oder sogar unbekannte Personen verfasste, die sich den prominenten Musikernamen als Autograph in ihrem Stammbuch sichern wollten. Vgl. Breig 2007, S. 99. 109 Itoh 1991, S. 313.

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Während Itoh das Stammbuch zwischen 1750 und 1815 in enge Verbindung mit der deutschen Kultur, Sprache und Gefühlswelt setzt und ausdrücklich als deutsches Phänomen auffasst,110 trifft diese Sichtweise auf das Musik-Stammbuch des 19. Jahrhunderts nicht mehr zu. Die Albumpraxis entwickelte sich zu einem europäischen, supranationalen Phänomen. Nicht nur diesbezüglich aufschlussreich, jedoch in der deutschen Musikforschung nicht rezipiert, sind die auf vielen Beispielen basierenden Ausführungen von Carlida Steffan. Sie beschäftigte sich im Rahmen ihrer Studie von 2007 zu vokaler, an den Salon gebundener Musikkultur und des dort praktizierten Repertoires im Zeitraum von 1800 bis 1850 unter der Überschrift »Album & Album« mit dem Thema.111 Bereits im Titel des kurzen, aber inhaltsreichen Kapitels wird somit auf die Vielfalt des Phänomens verwiesen: Album ist nicht gleich Album – zugleich kommt dessen zeitgenössischer Stellenwert, geprägt durch Begeisterung, aber auch durch Überdruss, zum Ausdruck. Obwohl Steffan den deutschen Begriff »Stammbücher« aufgreift, die sie im Italienischen als »album privati« bezeichnet, findet die traditionsreiche Geschichte des Stammbuchs, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, keine Erwähnung. Stattdessen verortet sie die Mode des Autographensammelns in Gestalt der Stammbücher als Phänomen des 19. Jahrhunderts, als mit Begeisterung betriebener Zeitvertreib zur Unterhaltung der gehobenen Klassen.112 Beispielhaft zeigt dies ein auf einen Albumbeitrag zielendes Bittschreiben der neapolitanischen Aristokratin Clotilde Capece Minutolo, die selbst als Komponistin dilettierte. Sie wandte sich wie folgt an den Komponisten Ferdinando Paër in Paris: Inbrünstig ersehne ich die Huld, wenigstens einen Takt zu besitzen, geschrieben von der Hand desjenigen, der so viele künstlerische und gefühlvolle Meisterwerke geschaffen hat. Denn ich habe mich daran gemacht, eine Autographensammlung zusammenzustellen mit Stücken, die Europa gestaltet haben […]. (Ü.d.V.)113

Der Brief vom Februar 1832 verdeutlicht zudem, inwiefern eine italienische Musikliebhaberin dieser Zeit das europäische Musikleben als supranationales Phä110 »The phenomenon of the Stammbuch was closely connected with German culture, language and sentiment.« Ebd., S. vii, vgl. auch S. 117. 111 Steffan 2007, S. 95–106. 112 Ebd., S. 95. Sprechend ist auch der Titel eines von Steffan zitierten Beitrags im mailändischen Journal Glissons n’appuyons pas vom 16. Februar 1839: »La moda degli autografi in Italia«. 113 »La grazia che ardentemente desidero, è di possedere una battuta almeno scritta dalla mano di colui che ha creato tanti capolavori dell’arte e del sentimento. Essendomi accinta a formare una raccolta di autografi di pezzi che hanno illustrato l’Europa […]«. I-FOc, Fondo Piancastelli. Zit. nach Steffan 2007, S. 95.

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nomen begriff und dementsprechend auch in ihrem Album abzubilden suchte. Bemerkenswert ist dabei, dass Capece Minutolo die ihr zugedachte Arietta von Paër, anderen Quellen zufolge, auch tatsächlich sang,114 also neben dem Aspekt der Erlangung eines handschriftlichen Notentextes auch die Aufführung der Musik selbst eine Rolle spielte.115 In anderen Fällen stand hingegen ganz und gar der Besitz eines wie auch immer gearteten Autographs im Vordergrund: »il mero culto di possesso«.116 Insgesamt liefert Steffan viele Beispiele aus dem aristokratischen Umfeld.117 Bei den Protagonist:innen aus dem bürgerlichen Umfeld, die sie anführt, handelt es sich um Personen, die mit dem Musikleben professionell verbunden waren oder zum jeweiligen familiären Umfeld ­gehörten.118 Zentral erscheint Steffans Sicht auf das Musik-Stammbuch als ergiebige Quelle zur Erschließung der in einem Salon zusammenlaufenden Netzwerke und der dortigen Musikpraxis.119 Als Beispiel hierfür zieht sie das in Zusammenhang mit dem römischen Salon von Jacopo und Teresa Ferretti entstandene Album heran (vgl. Kap. 2.3.4).120 Ein anderes Album, das Gioachino Rossini im März 1835 Louise Carlier, Tochter eines einflussreichen Impresarios, zueignete, wurde im Vorfeld mit diversen Notenautographen bestückt und ihr dann geschenkt.121 Die Sammlung, die heute verschollen ist, lieferte eine Momentaufnahme des Kreises der Mitte der 1830er Jahre in Paris aktiven Komponisten, da das Album als Geschenk in relativ kurzer Zeit zusammengestellt und dann nur wenige Jahre von der Albumeignerin selbst weitergeführt wurde. Kurz thematisiert wird weiterhin das zwei Bände umfassende Album des neapolitanischen Bibliothekars und Musikforschers Francesco Florimo (1800– 1888), der sich als einflussreicher Netzwerker dem Sammeln von Künstler- und Musiker-Handschriften verschrieben hatte.122 Sein Album enthält diverse Ka114 Ebd. 115 Vgl. auch die von Johann Simon Mayr für Clementina Spaur komponierten Albumstücke, die ebenfalls von der ambitionierten Dilettantin, Tochter des österreichischen Gouverneurs des Veneto, musiziert wurden. Ebd., S. 100. 116 Ebd., S. 96. 117 U.a. Clotilde Capece Minutolo, Lodovico Belgioioso, Anatolij Demidoff, Camilla Litta, Clementina Spaur. 118 Beispielsweise Louise Carlier, Jacopo und Teresa Ferretti, Francesco Florimo, Jean-Pierre Dantan. 119 Das Album entspricht dabei einer Art Anwesenheitsregister (»una sorta di ›registro di presenza‹ del salotto, ove tutti gli ospiti di prestigio sono invitati a lasciare una testimonianza della loro arte«) des Salons als gesellschaftlichem Treffpunkt (»punto d’incontro tra protagonisti del bel mondo, musicisti, letterati ed artisti«). Steffan 2007, S. 96. 120 Ebd., S. 100f. 121 Ebd., S. 97. Die Kompositionen aus dem Album de musique offert par Rossini à Louise Carlier Mars 1835 wurden 1957 auf Schallplatte eingespielt; die Aufnahme ist vergriffen. 122 Ebd., S. 102f.

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nons, die als traditionelle Stammbuchgattung die Brücke zu Stammbüchern früherer Jahrhunderte schlagen (vgl. Kap. 2.3.1). Während Musik-Stammbücher aus dem deutschen Sprachraum von Steffan nicht berücksichtigt werden, führt sie noch mehrere Beispiele aus der Albensammlung der Pariser Bibliothèque nationale an, darunter das Album des Bildhauers Jean-Pierre Dantan (vgl. Kap. 2.2.2).123 Durch seine künstlerische Arbeit in entsprechende Netzwerke eingebunden, hatte Dantan in Paris – ähnlich wie Florimo in Neapel – optimale Voraussetzungen, um einschlägige Autographe zu sammeln. Indem Steffan den Blick auf den italienischen Raum ebenso wie in die Pariser Metropole richtet, wird die europäische Dimension des Phänomens erahnbar. Ihre Herangehensweise sticht insofern heraus, als die musikwissenschaftliche Erforschung von Stammbüchern im 19. Jahrhundert in der Regel im Zuge der Analyse einzelner Alben erfolgte. Diesem Vorgehen gegenüber stehen personenzentrierte Zugänge, die die Stammbuchpraxis ausgewählter Protagonisten und Protagonistinnen fokussieren. 1.2.2 Personenzentrierte Zugänge: Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Heinrich Wilhelm Ernst Ralf  Wehner legte 1997 einen für die Beschäftigung mit Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts richtungsweisenden Beitrag zu den Stammbucheintragungen bzw. Albumblättern Felix Mendelssohn Bartholdys vor.124 Nach einleitenden Überlegungen zur Stammbuchpraxis erläutert er Mendelssohns positives Verhältnis zum Albumblatt, wobei er am Rande auf dessen eigenes Stammbuch und die Alben aus seinem näheren Umfeld zu sprechen kommt (vgl. Kap. 2.3.2). Am Beispiel verschiedener Albumblätter Mendelssohns – u. a. zwei Kanons und das Gondellied op. 62 Nr. 5 – geht es Wehner darum, das philologische Potenzial einer Beschäftigung mit Stammbuchblättern, aber auch sich daraus ergebende Problematiken aufzuzeigen. »[Z]u den vielleicht persönlichsten Ausdrucksformen schriftlicher Kommunikation« zählend,125 gehörte das Erstellen von Stammbuchblättern »noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenso wie das Schreiben langer Briefe zu einer Konvention, der man sich nicht verschloß, sondern als Selbstverständlichkeit ansah«.126 Vor diesem Hintergrund manifestiert sich als vorrangiges Ziel 123 Ebd., S. 104f. 124 Wehner 1997. 125 Ebd., S. 37. 126 Ebd., S. 40.

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Wehners, der 2009 das Mendelssohn-Werkverzeichnis (MWV ) vorlegte,127 Mendelssohns ›musikalische Albumblätter‹ als Quellen zu kategorisieren und zu verorten. Dazu unterscheidet er vier Kategorien: Albumblätter mit einzelnen Takten oder Motiven (keine Werke), Fragmente, Vorstufen oder Varianten von Werken und abgeschlossene Werke, die an keiner weiteren Stelle auftauchen.128 Auf dieser Grundlage plädiert er für die Edition der als relevant eingestuften Fälle, die die Werkgenese betreffende Vorstufen oder Abweichungen und eben singulär als Albumblatt vorliegende Werke umfassen.129 Wehners Ansatz, der auf eine Selektion von erinnerungswürdigen und aus seiner Sicht für die Musikforschung bedeutsamen Quellen zielt, basiert auf einem dezidiert musikphilologischen Erkenntnisinteresse. Ein umfassender Blick auf die Stammbuchpraxis als musikkulturelles Handeln, das auch Wiederholungen, Fragmentarisches und Banales miteinschließt, wird in diesem Zuge verstellt. Einen weiteren den heutigen Kanon bestimmenden Protagonisten der Romantik fokussieren Schumanns Albumblätter, ein von Ute Jung-Kaiser und Matthias Kruse herausgegebener Band von 2006.130 Einleitend werden einige allgemeine Ausführungen zum Thema »Album und Albumblatt« präsentiert.131 Anders jedoch als Einführung und Buchtitel erwarten lassen, versammelt der Band in erster Linie Studien zu Robert Schumanns veröffentlichten Kompositionen, die von der Idee des Albumblatts inspiriert sind: das Album für die Jugend (op. 68), das Liederalbum für die Jugend (op. 79), Bunte Blätter (op. 99) und Albumblätter (op. 124). Fast beiläufig zeigt sich dabei die große Bedeutung der Stammbuchpraxis für das kompositorische Schaffen Schumanns. Besonders in dem Beitrag von Joachim Draheim über Schumanns op. 99 und op. 124 wird nachvollziehbar, inwieweit die Bezeichnung ›Albumblatt‹ für ein 127 MWV: Wehner 2009 (zu Albumblättern vgl. u. a. S. 424–426, S. 515–518). Vgl. auch die Listung einiger Albumblätter und Einträge unter ›Varia‹ in MGG2: Wehner 2004, S. 1609f. 128 Wehner 1997, S. 45. Eine mögliche Gesamtausgabe von Mendelssohns Albumblättern bezeichnet Wehner mit überraschender Heftigkeit als »ökonomisch unvertretbar und wissenschaftlich unberechtigt, in vielen Fällen gar absolut unsinnig«. Ebd., S. 61. 129 Ein Beispiel für die Umsetzung von Wehners Ansatz ist die Edition des Eintrags von Felix Mendelssohn in das Stammbuch von Julius Rietz (vgl. Kap. 1.2.4). Es handelt sich um ein Originalstück für Cello und Klavier (Albumblatt Assai tranquillo), das im Jahr 2002 erstmals in der Henle-Urtextausgabe publiziert wurde. Vgl. Mendelssohn-Variationen 2002. 130 Jung-Kaiser/Kruse 2006. Der Band gewinnt insgesamt durch den umfangreichen Abbildungsteil im Anhang, der ein breites Spektrum an Albumblättern der Schumanns und ihres beruflichen und privaten Umfelds visuell zugänglich macht. Ebd., S. 145ff. [Anhang unpaginiert]. Vorausgestellt ist eine von Joachim Draheim erstellte Liste von Stammbuchblättern mit Musiknotaten aus der Feder Robert Schumanns. Zum Thema vgl. auch Jung-Kaiser 2013. 131 Jung-Kaiser/Kruse 2006, S. 1–14. Die Einführung fußt überwiegend auf Graak 1982 und Henning 1988 (vgl. Kap. 1.2).

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kürzeres Charakterstück – zumeist für Klavier – »damals ›in der Luft lag‹« und eine ganze Reihe von Komponisten, wie Niels Wilhelm Gade (Drei Albumblätter, 1852), Stephen Heller (6 Feuillets d’Album op. 83, 1854), später auch Theodor Kirchner, Edvard Grieg, Woldemar Bargiel, Robert Franz oder Max Reger, das Genre bedienten.132 Dass die Verbindung zum namengebenden realen Stammbuchblatt nicht nur im übertragenen Sinn bestand, verdeutlichen die angeführten Beispiele von Richard Wagner, denen »›echte‹ Albumblätter, z.B. CDur (für Pauline Metternich, 1861/1897), As-Dur (für Gräfin Pourtalès, 1861/1897) und Es-Dur (für Betty Schott, 1875/76)« zugrunde lagen.133 Auch mehrere Stücke aus den Bunten Blättern (veröffentlicht 1851) wurden von Schumann Ende der 1830er Jahre zunächst als Stammbuchblätter verwendet.134 Das Albumblatt V (op. 99 Nr. 8 Es-Dur) entstand im August 1838 explizit für Pauline Viardots Stammbuch, das verschollen ist. Schumann kopierte das Stück jedoch, so dass ein Vergleich mit der Druckfassung möglich wird: Während »das Autograph mit seinem Schluß auf dem Dominantseptakkord den nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Charakter eines ›echten‹ Albumblatts hat«, wird es »im Druck, den Konventionen entsprechend, zu einem Abschluß auf der Tonika geführt«.135 So seien denn auch Albumblätter statt für das Konzert eher für den bürgerlichen Salon gedacht als »intime Dialoge zwischen Komponist und Spieler, nicht zwischen Komponist und Publikum«.136 Eine bemerkenswerte Ausnahme, in Hinblick auf den fließenden Austausch zwischen öffentlicher und privater Sphäre, bildet das Schlummerlied op.  124 Nr. 16 aus den Albumblättern (veröffentlicht 1853). In seiner autographen Fassung, als Wiegenlied für Marie und Clara zu Weihnachten 1841, ist es Teil des Schumann-Albums (vgl. Kap. 2.2.1) und damit einem intim-familiären Kontext zugehörig – gerade dieses Stück jedoch spielte Clara Schumann häufig in ihren Konzerten.137 Darüber hinaus verwendete sie das Schlummerlied auch als Musikzitat für eigene Albumblätter.138 Wie allgegenwärtig und manchmal lästig die Bitten um Stammbucheintragungen waren, kann dem Band von Jung-Kaiser und Kruse schließlich im Rückgriff auf eine im Anhang publizierte Äußerung Clara Schumanns entnommen werden: »[…] Denke Dir noch, wie oft ich ganz 132 Draheim 2006, S. 126. 133 Ebd. 134 Ebd., S. 127, S. 131f. 135 Ebd., S. 133. 136 Ebd., S. 126f. 137 Ebd., S. 127, S. 142. 138 Ein Beispiel findet sich im Anhang des Buches: Das Albumblatt Clara Schumanns für die Familie Maczewsky, das während einer Konzertreise nach Russland in Mitau (Baltikum) entstand, datiert vom 13. Februar 1864. Jung-Kaiser/Kruse 2006, Anhang (Abb. 37).

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fremden Menschen in’s Album schreiben muß, wie oft es den Leuten höchst unbescheiden ist, wie sie mich damit quälen, mir Zeit rauben, aber trotzdem brächte ich es nie übers Herz, abzuschlagen.«139 Zudem hatte Robert Schumann in seinem ›Taschennotizbuch‹ offenbar zwei Incipits aus seiner C-Dur-Sinfonie notiert, um für Anfragen bezüglich eines Andenkens gewappnet zu sein.140 Mit den Albumblättern eines der bedeutendsten Geigenvirtuosen seiner Zeit beschäftigte sich Christine Hoppe im Rahmen ihrer Dissertation von 2014 zur Virtuosität am Beispiel von Heinrich Wilhelm Ernst, wobei sie auf den unterschätzten Quellenwert ›musikalischer‹ Einträge in Stammbüchern des 19. Jahrhunderts aufmerksam machte. Da von Ernst kein Nachlass, nur wenige Briefe und kaum Autographe überliefert sind, fokussierte sie dessen erhaltene Stammbuchblätter und widmete dem Thema ein exkursorisches Kapitel ihres Buches.141 Anhand des Beispiels Ernst wird deutlich, dass Albumblätter gerade bei der Arbeit zu unbekannteren Komponisten, insbesondere zu Virtuosen, eine zentrale Quelle darstellen können, die darüber hinaus neues Licht auf deren Bedeutung im zeitgenössischen Musik- und Kulturleben werfen und die Musikgeschichtsschreibung auf diese Weise zum Teil korrigieren und bereichern können.142 Obwohl Hoppe auch die »Alben im Ganzen« zu berücksichtigen sucht,143 gilt ihr vorrangiges Interesse den Albumblättern Ernsts als Quelle zur Erschließung seines kompositorischen Schaffens. Dabei orientiert sie sich maßgeblich an Wehners Studie und übernimmt insbesondere dessen Kategorisierung von Albumblättern.144 Hoppe veranschaulicht, wie individuell verschieden Ernsts Albumeinträge ausfielen, »von reiner Pflichtausübung […] bis hin zum Eintrag als persönliches Anliegen«.145 Das breite Spektrum der Motivationen bei der Erstellung von Stammbuchblättern deckt sich mit den im Falle von Mendelssohn gemachten Beobachtungen Wehners und kann wohl unter Vorbehalt, bezüglich vergleichbarer Protagonisten mit einem ähnlichen Verhältnis zu Stammbüchern, darunter auch Ignaz Moscheles (vgl. Kap. 3.9), als repräsentativ angesehen werden.146 Hoppe gelingt es am Beispiel Ernsts das Vorurteil zu entkräften, dass es sich bei in Alben niedergeschriebenen Kompositionen in der Regel um Gelegenheitswerke hande139 Brief Clara Schumanns an ihre Tochter Eugenie zu Weihnachten 1866, zit. nach ebd., S. 145. 140 Ebd., S. 147. 141 Hoppe 2014, darin: S. 87–121. Anlässlich des Kongresses der Gesellschaft für Musikforschung von 2013 fasste Hoppe dieses Kapitel in etwas gekürzter Form für einen Aufsatz zusammen. Vgl. Hoppe 2015. 142 Ebd., S. 32. 143 Hoppe 2014, S. 93ff. 144 Ebd., S. 102f.; vgl. Wehner 1997, S. 45. 145 Hoppe 2014, S. 102. 146 Vgl. Wehner 1997, S. 44.

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le.147 Anhand verschiedener Stammbuchblätter zieht sie Rückschlüsse auf Ernsts Kompositionsweise und kann überzeugende Neubewertungen zur Werkgenese einiger Kompositionen und seines Gattungsspektrums vornehmen. 1.2.3 Einzelstudien: Musik-Stammbücher in Europa Neben den eben thematisierten personenzentrierten Studien entstanden im Laufe der letzten Jahrzehnte verschiedene Einzelstudien zu musikbezogenen Stammbüchern des 19. Jahrhunderts, die darauf zielten, das entsprechend unbekannte, gerade wiederentdeckte oder von einer Institution neu angekaufte Album einer interessierten Öffentlichkeit vorzustellen und die darin enthaltenen Einträge, insbesondere solche bekannter Akteure des Musik- und Kulturlebens, zu präsentieren und publik zu machen.148 In diesem Rahmen wurden auch einige Faksimile-Ausgaben von Musik-Stammbüchern initiiert.149 Um die Relevanz des jeweiligen Albums für die Musikforschung herauszustellen und damit Aufmerksamkeit zu erlangen, wurden in mehreren Studien, oft ausdrücklich im Titel, einzelne Albumseiten von bekannten, im Forschungskanon fest verankerten Protagonisten, wie Liszt, Chopin, Mendelssohn Bartholdy oder Weber, fokussiert.150 Die vorliegenden musikwissenschaftlichen Einzelstudien, vor allem in deutscher, englischer, französischer oder italienischer Sprache verfasst,151 bilden ein breites Spektrum an Musik-Stammbüchern ab, das weit über den deutschsprachigen Raum hinausreicht und eine europäische Perspektive auf das Phänomen eröffnet. Bei den Studien, die ich an geeigneter Stelle umfassender berücksichtigen werde, handelt es sich in der Regel um Aufsätze, zum Teil um Einführungen und Kommentare mit anschließendem Verzeichnis der Einträge. Das jeweilige Musik-Stammbuch bzw. ausgewählte Albumblätter werden, unter Einbeziehung 147 Hoppe 2014, S. 120f. 148 Beispielsweise Campell 1947; Sietz 1953; Boden 1960; Friedland 1974; Guillard 1987; Angermüller 1989; Dawison 1991; Schneider/Wolff 1992; Weston 1994; Eigeldinger 1996; Bini 1999; Eckhardt 2000; Himelfarb 2001; Breig 2002; Beaumarié 2009; Steffan 2014. 149 Beispielsweise Avé-Lallemant 1981; Beethoven/Koch 1970/95; Panofka 2007. Im italienischen Trento wurde kürzlich ein aufwändig gestaltetes Faksimile des Albums von Raimondina ThurnHofer e Valsassina herausgegeben. Vgl. Thurn 2016. Für eine Edition eines Musik-Stammbuchs vgl. Szymanowska 1999. 150 Vgl. Tagliavini 1984; Eigeldinger 2010; Rost 2015; Rost 2017. Für eine Studie zu einem einzelnen, nicht in einem Albumverbund überlieferten Stammbuchblatt von Giuseppe Verdi vgl. Gerhard 2016. 151 Weiterhin liegen auch polnisch- und dänischsprachige Publikationen vor. Vgl. Szymanowska 1953; Andersen 1980.

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der vorhandenen Informationen zu den Eignern bzw. Eignerinnen und den Eintragenden, biographisch und/oder zeitgeschichtlich kontextualisiert, die Musikquellen philologisch verortet und bewertet. So ergibt sich ein entweder an der Reihenfolge der Einträge oder der Chronologie der Datumsangaben orientierter Streifzug durch das Album. Den meisten deutschsprachigen Studien zu musikbezogenen Alben des 19. Jahrhunderts sind einleitende Betrachtungen zur Stammbuchpraxis vorausgestellt. Die europäische Dimension des Themas klingt, falls überhaupt, nur am Rande an und offenbart sich manchmal beiläufig in Gestalt der in den MusikStammbüchern angegebenen Eintragungsorte. Fremdsprachige Studien bleiben in der deutschen Forschung fast durchgängig unberücksichtigt. Zahlreiche relevante und aufschlussreiche Studien wurden jedoch gerade von internationaler Seite unternommen.152 Dies liegt zum einen in den weitgestreuten Standorten der Quellen begründet, zum anderen darin, dass Musik-Stammbücher im 19. Jahrhundert ein supranationales Phänomen darstellten. Insgesamt verweist nicht zuletzt auch die Häufung der Einzelstudien auf die in den späten 1820er Jahren einsetzende massenhafte europaweite Verbreitung und Beliebtheit von Musik-Stammbüchern, deren Laufzeiten teilweise bis ins späte 19. Jahrhundert reichen. Zweifellos wandelten sich die Gestaltung von Stammbucheinträgen und der Umgang mit Alben im Laufe des 19. Jahrhunderts in manchen Aspekten, zugleich sind viele Kontinuitäten zu beobachten, die bei einer vorschnellen Bewertung, insbesondere bezüglich des Grades der persönlichen Involviertheit und der Bedeutung des Gegenstands, in den Hintergrund treten. 1.2.4 Stammbuch oder Autographenalbum? Überlegungen zu den ­Sammlungen von Ferdinand Hiller (1825–84) und Julius Rietz (1829–77) Zu den frühesten Studien zu musikbezogenen Alben, die immer noch rezipiert werden, gehören zwei Aufsätze des Bibliothekars und Musikwissenschaftlers Reinhold Sietz. Die bei Sietz anklingende Differenzierung der Begriffe ›Stammbuch‹ und ›Autographenalbum‹, die er mit einem deutlich wertenden Charakter belegt und in diesem Zuge an einschlägige Sichtweisen aus der Stammbuchforschung anknüpft, scheint bis heute Spuren in der Musikforschung hinterlassen zu haben, die ich angesichts ihrer Nachhaltigkeit an dieser Stelle diskutieren und hinterfragen möchte. 152 Beispielsweise Friedland 1974; Tagliavini 1984; Guillard 1987; Weston 1994; Eigeldinger 1996; Bini 1999; Himelfarb 2001; Steffan 2014.

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Sietz beschäftigte sich zunächst 1953 mit dem »Autographen-Album Ferdinand v. Hillers«,153 um dann 1962 in einem Aufsatz das »Stammbuch von Julius Rietz« vorzustellen.154 Beide Studien zielen vor allem darauf, die jeweiligen Einträge möglichst detailliert aufzulisten, wobei einige ausgewählte Albumbeiträge, mit kurzen Erläuterungen versehen, zitiert werden. Bereits in der direkten Gegenüberstellung der Titel der Aufsätze fällt die dezidierte Unterscheidung in der Bezeichnung auf. Während das Stammbuch, wie Sietz ausführt, »[e]inst, besonders im 18. Jahrhundert, eine Erinnerung an erlebte Geselligkeit, geprägt von persönlichem Geschmack und der individuellen Entwicklung des Besitzers« darstellte, wandelte es sich um 1850 »in vielen Fällen zur Autographensammlung und gleitet leicht ins leer Repräsentative ab«.155 Dies sei konkret an die Verbreitung loser Albumblätter gebunden, durch die das Stammbuch seinen persönlich-intimen Charakter eingebüßt habe. Festzustellen ist zunächst, dass beide Begriffe – ›Stammbuch‹ und ›Autographenalbum‹ – von Sietz zur Benennung des gleichen Objekts, nämlich Hillers Sammlung,156 verwendet werden, jedoch sehr unterschiedliche Bewertungen nach sich ziehen. Während Julius Rietz als »erfolgreicher Sammler von musikalischen Handschriften […] in seinem Album keinerlei Eitelkeit befriedigte, […] nicht wahllose Fülle, sondern Auswahl des ihm Sympathischen und Erhaltenswerten anstrebte, die jede Autographenjägerei […] ausschloß«,157 entspräche Hillers Album seiner Person, die sich durch einen »Hang zur Selbstdarstellung« und »starke[n], wiewohl ehrlich vorgetragene[n] Eitelkeit« gekennzeichnet habe.158 Obgleich Hillers Stammbuch, in das er auch an ihn adressierte Briefe und Billets aufnahm, die Sammlung von Rietz bezüglich des Umfangs deutlich übertrifft und ihm deshalb ein größerer Sammeleifer unterstellt werden kann, bleibt der mit der Bezeichnung anklingende Vorwurf einer Tendenz zur Bezugslosigkeit des ›Autographenalbums‹ und des daran abzulesenden selbstgefälligen Charakters Hillers, von dem sich Rietz mit seinem Stammbuch absetze, haltlos.159 Tatsächlich wird in den meisten an Hiller gerichteten Beiträgen eine aus geselligem und musikalischem Miteinander hervorgegangene persönliche Ebene deutlich. Denn ebenso wie Rietz »legte [Hiller] Wert auf direkten, wenn auch nicht immer persönlichen Konnex, er kaufte und tauschte nicht.«160 153 Sietz 1953. 154 Sietz 1962. 155 Ebd., S. 219. 156 Vgl. ebd.; vgl. Sietz 1953, S. 259. 157 Sietz 1962, S. 231. 158 Sietz 1953, S. 261. 159 Vgl. Sietz 1962, S. 219. 160 Sietz 1953, S. 261.

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In beiden Fällen handelt es sich bei den Stammbucheignern um professionelle Musiker, die ihr künstlerisches Umfeld und ihre gesellschaftlichen Kontakte in ihren Alben dokumentierten. Julius Rietz (1812–1877) und Ferdinand Hiller (1811–1885) wirkten beide als Dirigenten und Komponisten.161 Auch die Laufzeiten beider Alben sind in etwa deckungsgleich: Sie wurden in den 1820er Jahren begonnen und bis zum jeweiligen Lebensende des Eigners geführt. Rietz’ Stammbuch mit einer Laufzeit von 1829 bis 1877 umfasst insgesamt 129 Einträge, darunter Zeichnungen, Gedichte und sonstige Texteintragungen.162 Bei 62 der Beiträge handelt es sich um Notenautographe in Gestalt von Ausschnitten aus Opern, Sinfonien, Sonaten, Streichquartetten und Etüden, weiterhin um Vokalisen, Lieder, Vokalsätze, Kanons. Neben Gesang, Klavier und Violine taucht häufig das Violoncello in den Besetzungen auf, womit die Eintragenden auf Rietz als ausgebildeten Cellisten Bezug nahmen. Felix Mendelssohn Bartholdy komponierte für Sietz etwa ein solches Albumblatt für Violoncello und Klavier,163 und auch Ignaz Moscheles schrieb ein Stück für diese Besetzung in das Stammbuch (vgl. Kap. 3.9.7). Auch Hillers Album mit einer Laufzeit von 1825 bis 1885 umfasst neben Gedichten, Zeichnungen und Briefen ein ähnliches Spektrum an Musiknotaten. Mit insgesamt über 350 Beiträgen erreicht es jedoch, im Vergleich zu Rietz’ Stammbuch, einen nahezu doppelt so großen Umfang. Darüber hinaus ergeben sich Unterschiede in Hinblick auf den geographischen Radius der Alben. Rietz wirkte ausschließlich im deutschen Raum (Berlin, Düsseldorf, Leipzig, Dresden) und sammelte mit wenigen Ausnahmen (Wien, Prag, Karlsbad) nur dort Autographe.164 Bei den internationalen Kontakten in Rietz’ Album handelt es sich gänzlich um in Deutschland entstandene Einträge von europaweit agierenden Akteur:innen, wie beispielsweise Ole Bull, Niels Wilhelm Gade, Stephen Heller, Jenny Lind, Franz Liszt oder Gioachino Rossini.165 Hiller hingegen reiste viel und lebte mehrere Jahre in Paris, später in Italien. Die dort gewonnenen Kontakte spiegeln sich auch in seinem Album wider (vgl. Kap. 2.1.4). Da Hillers 161 Von Mendelssohn nach Düsseldorf geholt, wirkte Julius Rietz dort von 1834 bis 1847, ab 1835 als städtischer Kapellmeister. 1847 trat Ferdinand Hiller Rietz’ Nachfolge als städtischer Musikdirektor in Düsseldorf an; 1850 übernahm Robert Schumann diese Stellung. 162 Sietz gibt die Zahl von 104 Eintragungen an, zu denen zehn anonyme Zeichnungen, ein anonymes Gedicht und ein Sammelautogramm mit 14 Namen hinzukommen. Vgl. Sietz 1962, S. 220. 163 Das Albumblatt Assai tranquillo für Cello und Klavier wurde 2002 erstmals publiziert. Vgl. Mendelssohn-Variationen 2002. 164 Vgl. auch Sietz’ delikate Äußerung, Rietz, der »nie im nichtdeutschsprachigen Ausland weilte«, habe »als betonter Deutscher dem ›welschen Lumpenkram‹ kritisch gegenüber[ge]stand[en]«. Sietz 1962, S. 231. 165 Vgl. die Übersicht ebd., S. 231–234.

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Stammbuch auf zunächst losen und dann in den Albumverbund eingefügten Einzelblättern basiert, die sich bezüglich Format und Papiersorte teils erheblich voneinander unterscheiden, mag sein Album auf den ersten Blick im Vergleich zu Rietz’ Sammlung einen disparateren Eindruck erwecken. Doch weisen die Alben insgesamt in ihrer Motivation und der Gestaltung der stammbuchtypischen Beiträge mehr Übereinstimmungen als Abweichungen auf, so dass die Unterscheidung in Stammbuch und Autographenalbum hinfällig wird. Die Gegenüberstellung der beiden Musik-Stammbücher und ihre jeweilige Einordnung durch Sietz verdeutlichen, inwieweit die bei genauerer Betrachtung im Wesentlichen als synonym aufzufassenden Begriffe ›Stammbuch‹ und ›Autographenalbum‹ (vgl. Kap. 1.1.5) als Bewertungskategorien fungieren, die direkt an das in der Stammbuchforschung etablierte Dekadenz-Narrativ anschließen (vgl. Kap. 1.2). Die begrifflichen Konzepte differenziert Sietz bezüglich der Aspekte Selbstdarstellung, Grad der persönlichen Prägung und Umfang der Sammlung. Dabei werden Autographenalbum und Autographensammlung als weitgehend identische Konzepte verstanden, von denen sich das Stammbuch mit persönlich-individueller Prägung positiv abhebe. Während allerdings für eine Autographensammlung weder der direkte Kontakt noch eine Bezugnahme zwischen Schreiber:in und Sammler:in wesentlich ist, trifft gerade auf die beiden von Sietz beschriebenen Musik-Stammbücher dieses entscheidende Kriterium zu. 1.2.5 Annäherungen in der Frauenforschung: Fanny Hensel und Henriette Voigt Angesichts der genderspezifischen Quellenlage in der musikwissenschaftlichen Frauenforschung, die zwangsläufig den traditionellen Quellenkanon hinterfragen und erweitern muss, liegt die Einbindung und Auswertung von Stammbüchern und Stammbucheinträgen nahe. Tatsächlich beziehen aber nur wenige Studien die Quellen in ihr Korpus mit ein.166 Da die Auseinandersetzung mit Stammbüchern bisher vor allem in Hinblick auf bestimmte Fragestellungen und Aspekte erfolgte, konnte das vielseitige Erkenntnispotenzial der Quellen nur zu einem Teil herausgearbeitet werden. In der Fanny-Hensel-Forschung rückten Stammbücher in den Fokus, da die Komponistin, die nicht auf die regulären Publikationswege zurückgreifen konnte, ihre Kompositionen zum Teil in Stammbüchern notierte und auf diese Weise in einem größeren Umfeld verbreitete. Beatrix Borchard wies bereits 1999 166 Beispielsweise Bartsch 2007; Gerber 2016; Bischler 2017 (vgl. Kap. 2.1.1).

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darauf hin, dass Stammbucheinträge als eine »Form der Veröffentlichung« anzusehen seien.167 Im selben Tagungsband bemerkte Cornelia Bartsch, wie die in musikalisch-künstlerischer Gemeinschaft aufwachsenden Geschwister Mendelssohn Bartholdy in spielerischer Weise über Kompositionen in ihren Alben miteinander kommunizierten (vgl. Kap. 2.3.2).168 Stammbücher wurden hier zu einer Kommunikationsplattform, die wohlgemerkt nicht nur Einträger:innen und Albumeigner:innen einbezog. Auch Personen, die das Stammbuch lediglich durchsahen oder es gezeigt bekamen, rezipierten die Kompositionen, Gedichte oder Zeichnungen, die in Stammbüchern somit nicht nur einem privaten Kreis, sondern einer ›selektierten‹ Öffentlichkeit zugängig gemacht wurden. In ihrer Dissertation, die den Korrespondenzcharakter in Fanny Hensels Musik herausstellt, kann Bartsch schließlich zeigen, dass sich Hensels Kompositionen zu ihren Lebzeiten über Stammbuchblätter bis ins europäische Ausland verbreiteten und dadurch eine gewisse Öffentlichkeit erlangten.169 Dabei verweist sie zu Recht auf die aus heutiger Perspektive schwierige ›Lesbarkeit‹ der Textsorte Stammbuch angesichts des im Allgemeinen sehr disparaten Inhalts.170 Als Beispiel für »zirkulierende Korrespondenzen« in Stammbüchern bezieht sich Bartsch auf einen Liedeintrag Fanny Mendelssohns, vom 8. August 1824, in das heute in Stockholm befindliche Stammbuch ihrer Cousine Josephine Benedicks, genannt ›Peppi‹.171 Auch Fannys jüngerer Bruder steuerte ein Prestissimo für Klavier bei »für seine Cousine componiert von Felix Mendelssohn Bartholdy / Berlin 23 August 1824«.172 Offenbar gab es Gelegenheit, das Buch in Ruhe durchzusehen. Denn Fanny Mendelssohn las darin ein Gedicht von Sophie Dellevie,173 das ihr so gut gefiel, dass sie es vertonte – interessanterweise knapp eine Woche vor dem Eintrag für Benedicks. In ihrem Kompositionsalbum trägt das auf den 2.  August 1824 datierte Lied deshalb die Anmerkung: »Sophie Dellevie in Peppis Stammbuch«.174 Die Stammbuch-Verse werden so in neuer Funktion auf einer weiteren Ebene verbreitet, wobei der Bezug zum ursprüngli167 Borchard 1999, S. 42. 168 Bartsch 1999, S. 55. 169 Bartsch 2007, S. 17. 170 Ebd., S. 45–47. 171 Ebd., S. 250–254, hier: S. 254. Der Stammbucheintrag des Liedes Frühlingsnähe mit Ersteinspielung ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). Die Widmung lautet »Das Frühlingslied ist zum Herbstliede geworden, aber die Empfindung ist dieselbe geblieben, in allem Wechsel der Jahreszeiten. Erhalte auch Du mir Deine Liebe treu! Berlin, den 8ten August 1824. Fern wie nah Deine Fanny MB.« 172 Das Albumblatt ist abgebildet in: Enquist 2008, S. 25. 173 Erwähnt sei an dieser Stelle, dass es sich bei Sophie Dellevie um eine Tante mütterlicherseits von Charlotte Moscheles handelt. 174 Das Liedautograph aus dem Kompositionsalbum mit dem Incipit Eilig ziehn in weiter Ferne (D-B1,

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chen Kontext durch die Notiz gewahrt bleibt, die zugleich eine Vernetzung leistet. Der Netzwerkcharakter von Stammbüchern, bezogen auf bestimmte Personenkreise, offenbart sich auch in der 2016 erschienenen Dissertation Mirjam Gerbers zu Leipzigs bürgerlichem Musikleben im 19. Jahrhundert.175 Im Fokus stehen die Pianistin Henriette Voigt und die Sängerin Livia Frege, die beide als musikalische Gesellschafterinnen aktiv waren, Berücksichtigung finden aber auch viele weitere Leipziger Akteurinnen und Akteure. Gerber meidet den Salon-Begriff als »retrospektiv etablierte Bezeichnung« und spricht stattdessen von »musikalische[n] Gesellschaften oder Geselligkeiten« (vgl. Kap. 1.1.2).176 Vor diesem musikaffinen Hintergrund entstandene Stammbücher und Albumblätter kommen in der Studie verschiedentlich zur Sprache. Henriette Voigt schrieb etwa am 31. Dezember 1836 in ihrem Tagebuch über eine musikalische Gesellschaft: »Reissiger sang Lieder u. componierte mir einen Canon – Bennett eine Barcarole in mein Stammbuch. Später mit Reissiger Whist gespielt bis nach 11 Uhr. Dann amüsante Zettel geschrieben.«177 Als weitere Stammbuchblätter, die für Voigt im Rahmen von »Stehgreifkompositionen und Gesellschaftsspielen« in den 1830er Jahren geschrieben wurden,178 nennt Gerber »Eine kleine Fuge auf begehren« und ein »Gondolierlied« von Felix Mendelssohn Bartholdy, außerdem ein Stück von Carl Loewe, das dieser auf einen Text von Voigt komponierte.179 Besonders originell fällt ein Beitrag von Robert Schumann aus, der bereits in der Erinnerungsliteratur von Julius Gensel beschrieben wurde: Schumann zeichnete für die Pianistin ein Crescendo-Zeichen als Symbol für das »Wachstum der Freundschaft«, datiert in Leipzig auf den 22. Oktober 1836.180 Während dieser Stammbucheintrag aus einer intimen Kommunikation hervorgeht und in diesem Kontext verhaftet bleibt, zeigt Mendelssohns »Gondolierlied« beispielhaft den dynamischen Charakter von Albumblättern zwischen privater und öffentlicher Sphäre. 1835, im selben Jahr, in dem Mendelssohn das Stück für Henriette Voigts Album »Zur freundlichen ErinneMA Ms. 34, S. 80), datiert vom 2. August 1824, ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 175 Gerber 2016. 176 Ebd., S. 18, S. 24. 177 Zit. nach ebd., S.  74 [Tagebucheintrag Henriette Voigts vom 31. Dezember 1836, D-LEsm, MT/2001/37]. 178 Ebd. 179 Ebd., S.  75, S.  63, S.  313f. [D-LEsm, MT/2011/8: 18.9.1833; MT/2011/121: 15.3.1835; MT/2011/541: 28.7.1835]. 180 Gensel 1909, S. 397; vgl. auch Gerber 2016, S. 66 [D-LEsm, MT/2011/124]. Das Blatt ist abgedruckt in: ebd., S. 300.

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rung« niederschrieb, ging es bereits als Venetianisches Gondellied op. 30 Nr. 6 in den Druck (vgl. Kap. 2.3.2).181 Von Henriette Voigt sind insgesamt zwei Stammbücher überliefert.182 Das erste Album, eine Loseblattsammlung in einem grün-orangen Kästchen mit der Inschrift »Freunden geweihet«, umfasst 34 Eintragungen aus den Jahren 1831 bis 1834.183 Im Anschluss, in den Jahren bis 1839, sammelte Voigt weitere 32 Albumblätter – wiederum lose verwahrt in einem größeren braunen Ledereinband, dessen goldgeprägte Aufschrift »Zum 24. Novbr. 1834. Henriette Voigt« darauf zurückzuführen ist, dass die Pianistin das Stammbuch als Geschenk von ihrem Mann zum 26. Geburtstag erhielt.184 In Gerbers Quellenanhang sind neben den Voigt-Alben noch drei weitere Stammbücher – jene von Elisabeth Dreyschock, Marie Pohlenz und Lidy Steche – gelistet.185 Auch Livia Frege besaß ein heute verlorenes Notenautographen-Album, von dem sie in einem Brief an Louis Spohr bezeichnenderweise als ihrem »kleine[n] Heiligthum« sprach.186 Während Gerber die Stammbuchblätter für Henriette Voigt zu einem Teil als Quellen in ihre Studie einbezieht, beschränkt sie sich bei den letzten drei genannten Alben darauf, auf ihre Aussagekraft als Abbild des »musikalische[n] Netzwerk[s] des Besitzers« zu verweisen.187 Ohne den Quellenwert von Stammbüchern bezüglich des Umfelds der Albumeigner:innen schmälern zu wollen, zeigt sich gerade anhand der wenigen in der Studie beiläufig eingeflochtenen Beispiele aus den Voigt-Alben, dass Albumblätter ein deutlich über den Beleg von Kontakten hinaus reichendes Erkenntnispotenzial bieten. Sie waren im 19. Jahrhundert ein fester Bestandteil des geselligen Miteinanders, das neben dem Musizieren auch das Gedichteschreiben, das gemeinsame Lesen, Zeichnen und diverse Spiele, wie beispielsweise Whist, umfassen konnte. Stammbuchblätter können auf diese Weise einen aussagekräftigen Einblick in ein konkretes Salonumfeld gewähren. Bezüglich der Erforschung des musikkulturellen Handelns von Frauen, aber auch generell in Hinblick auf Kontexte, die zwischen Privatheit und Öffentlichkeit oszillieren, erscheinen Stammbücher als nahezu unerschöpfliche Quellensorte, die manch181 MWV: Wehner 2009, S. 328 (U 110). 182 Beide Alben sind online einsehbar (Links siehe Literaturverzeichnis). 183 Für eine Listung der Albumbeiträge vgl. Gerber 2016, S. 313f. 184 Vgl. Gensel 1909, S. 397. Für eine Listung der Albumbeiträge vgl. Gerber 2016, S. 314f. 185 Alle drei Stammbücher befinden sich, ebenso wie die Voigt-Alben, im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Vgl. ebd., S. 366, S. 375, S. 377. Von 1992 bis 2010 verfasste Doris Mundus knapp 40 Kurzporträts zu Stammbuchblättern aus diesen und anderen Alben im Gewandhaus-Magazin unter der Rubrik »In Noten notiert«. Vgl. ebd., S. 164f. (Fußnoten 11–13), vgl. auch S. 38 (Fußnote 7). 186 Zit. nach ebd., S. 95. 187 Ebd., S. 164.

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mal rätselhaft bleibt und mühsam zu entschlüsseln ist, zweifellos aber einer umfassenderen Berücksichtigung bedarf. 1.2.6 Forschungslücken, Forschungstücken. Das Beispiel des »Salon­ albums« der Madame Beaumarié (1837–56) Das Kapitel zum Forschungsstand beschließen möchte ich mit der Darstellung des in mehrerlei Hinsicht exemplarischen Forschungsprozesses um das 2007 durch das Heinrich-Heine-Institut angekaufte Album der Madame Beaumarié. Es gilt zu erläutern, welche Strategien sich für eine musikbezogene Stammbuchforschung anbieten, die sich mit verschiedenen Tücken und Erkenntnislücken zu arrangieren hat. So wurde das Album der Madame C. Beaumarié von vergleichsweise vielen Autor:innen rezipiert und diskutiert. Dies hat zum einen mit dem darin enthaltenen Autograph von Heinrich Heine zu tun, wodurch das Album in den Fokus der Heine-Forschung rückte,188 zum anderen damit, dass in einer relativ kurzen Zeitspanne nach dem Erwerb mehrere Annahmen bezüglich des Albums korrigiert und vor allem die Identität der zunächst unbekannten Eignerin geklärt werden konnten. In dem anlässlich des Ankaufs erschienenen »Patrimonia«-Begleitband von 2009, der neben zahlreichen Abbildungen auch ein detailliertes Verzeichnis aller Eintragungen beinhaltet, brachten bereits drei Autoren ihre jeweilige fachspezifische Perspektive und Kompetenz bei der Erschließung des Stammbuchs ein.189 Joseph A. Kruse, damaliger Direktor des Heinrich-Heine-Instituts, lieferte einführende Betrachtungen und fokussierte insbesondere den kulturhistorischen Wert des Albums der zum damaligen Zeitpunkt noch unbekannten Eignerin mit Blick auf die literarischen Einträge, vor allem von Heinrich Heine und George Sand.190 Während Christoph Danelzig-Brüggemann sich mit den mehrheitlich von französischen Künstlern stammenden Zeichnungen im Album auseinandersetzte,191 untersuchte Volker Kalisch die enthaltenen Musikbeiträge, u. a. von Ernst, Liszt, Moscheles, Chopin, Mendelssohn und Franck.192 Deutlich wird an dieser Stelle, dass das Stammbuch als Mischalbum mehrere künstleri188 Dementsprechend erschienen auch die drei weiterführenden Beiträge zum Beaumarié-Album im Heine-Jahrbuch. Vgl. Kalisch 2009; Gerhardt 2010; Maillard 2012. 189 Beaumarié 2009. »Patrimonia« ist eine Schriftenreihe der Kulturstiftung der Länder. 190 Joseph A. Kruse, »Absicht und Zufall. Das Beaumarié-Album als Dokument europäischer Kultur (1837–1856)«, in: Beaumarié 2009, S. 6–13. 191 Christoph Danelzig-Brüggemann, »Die Zeichnungen im Album der Madame Beaumarié«, in: Beau­marié 2009, S. 14–19. 192 Volker Kalisch, »›Bey dem Genusse von frucht-versüsstem Eise …‹. Anmerkungen zum musikali-

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sche Gattungen vereint, worauf auch die aquarellierte Titelvignette mit der Aufschrift: »Album à Mme C. Beaumarié / 1837 / Literature / Dessin / Musique« verweist.193 Festgestellt werden konnte, dass die Sammlung von 87 Beiträgen, die 40 Zeichnungen und 29 Noteneinträge umfasst,194 offenbar in der postskripturalen Phase in einem dunkelroten Lederalbum zusammengeführt worden war. Dabei wurden die Blätter, ohne Berücksichtigung einer möglichen chronologischen Reihenfolge anhand der Datierungen von 1837 bis 1856, grob nach Gattungen (Literatur – Kunst – Musik) geordnet; die auf den Albumblättern befindlichen Ortsangaben – Paris, Amsterdam, Berlin, Brüssel, Kopenhagen, London, Nizza, Rom – decken den gesamten europäischen Raum ab.195 Aufgrund verschiedener Indizien, wie der nachträglichen Bindung der Seiten und der vielen Bezüge zu Heinrich Wilhelm Ernst wurde schnell vermutet, dass die Sammlung tatsächlich auf den Violinvirtuosen zurückgehen könnte, der Madame Beaumarié das Album zu einem späteren Zeitpunkt zum Geschenk gemacht hatte.196 Kalisch bezeichnete Ernst sogar als »Schlüssel zur Beurteilung des vorliegenden Salonalbums«.197 Tatsächlich weisen Ernsts Reiserouten auffallende Übereinstimmungen mit den Ortsangaben im Album auf, zudem ist er in witzigen Anspielungen anderer Widmungen präsent und steuerte selbst drei Kompositionen bei.198 2012 konnte das Geheimnis um die Identität von Madame Beaumarié endlich gelüftet werden: Francis Maillard, einer ihrer Nachfahren, war auf Presseberichte über den Ankauf des Albums aufmerksam geworden und stellte schnell schen Teil des Albums von Madame C. Beaumarié«, in: Beaumarié 2009, S. 20–27. In ausführlicher Fassung erschien Kalischs Beitrag im Heine-Jahrbuch: Kalisch 2009. 193 Beaumarié 2009, S. 29; Abbildung auf S. 6. 194 Im Verzeichnis sind 86 Beiträge gelistet (ebd., S. 29–37); die Eintragung von Heinrich Wilhelm Ernst auf dem hinteren Schmutzblatt ist hier nicht erfasst. Vgl. ebd., S. 8; Kalisch 2009, S. 237f. 195 Beaumarié 2009, S. 7. 196 Vgl. ebd., S. 8; Gerhardt 2010, S. 182f. Ein weiteres Indiz könnte die Adressierung »à Madame C. Beaumarié« auf der Titelvignette sein. Maillard 2012, S. 87f.; vgl. auch Hoppe 2014, S. 96–98. 197 Kalisch 2009, S. 237; vgl. Beaumarié 2009, S. 20. 198 Während im Patrimonia-Band Ernst nur zwei Kompositionen im Album zugeordnet werden, konnte Christine Hoppe ihm zusätzlich eine dritte, den Valse non dansante, eindeutig zuschreiben. Hoppe 2014, S. 117f.; S. 502f.; vgl. Beaumarié 2009, S. 35. Francis Maillard mutmaßte bereits 2012, die Komposition stamme ebenfalls von Ernst. Vgl. Maillard 2012, S. 92. Zwei Jahre zuvor hatte Regine Gerhardt eine weitere Lücke geschlossen und eine als Skizze von unbekannter Hand gelistete Zeichnung einer kartenspielenden Männergruppe, darunter Heinrich Wilhelm Ernst, dem dänischen Maler Anton Melbye zugeschrieben. Die direkt im Anschluss folgende Zeichnung vom selben Maler fungiert im Verzeichnis fälschlicherweise unter dem Namen »Anton Melley«. Gerhardt 2010, S. 182f.; vgl. Beaumarié 2009, S. 34.

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die Verbindung zu einem im Familienbesitz überlieferten Reisejournal der »Cousine Beaumarié« her: Victoire Clara Chevallier (1811–1880), seit 1828 verheiratet mit Alcide-Georges Beaumarié.199 Das kinderlose Paar hatte seinen Lebensmittelpunkt in Orléans, reiste aber offenbar gerne und häufig. Maillard identifizierte nun den Mediziner Félix Féréol als zentralen Akteur in Hinblick auf das Beziehungsgeflecht um Madame Beaumarié. In Féréols kulturell interessiertem sowie musikaffinem Umfeld seien Salonaktivitäten zu vermuten, in die auch Madame Beaumarié eingebunden war, so dass ihr Album vor diesem Hintergrund als »Salon-Album« zu verstehen sei.200 Von Félix und seinem Vater Auguste Féréol, Gründer des Institut Musical d’Orléans, ausgehend gelingt es Maillard, viele Albumbeiträge zu kontextualisieren und die Beziehungen der Eintragenden zur Albumeignerin zu erhellen, wobei mehrere Angaben im Verzeichnis des Patrimonia-Bands korrigiert oder ergänzt werden können.201 Bemerkenswert ist, dass gerade die bisher nicht thematisierten Einträge von weniger in der Öffentlichkeit stehenden Personen den Blick auf das Album entscheidend verändern. So offenbaren sich verschiedene persönliche Bezüge der Clara Chevallier-Beaumarié zu ihren Albumblättern, die es durchaus plausibel erscheinen lassen, dass die Sammlung doch in erster Linie von ihr selbst initiiert wurde: Der Eintrag von Severino de Cristofari, dem Italienischlehrer der Madame Beaumarié, adressiert etwa die Eheleute »Chiara« und »Alcide« persönlich, während eine Albumseite mit montierten Pflanzenteilen auch ein an Vergils Grab gepflücktes Blatt umfasst, das Beaumarié von einer ihrer Italienreisen mitgebracht hatte.202 Darüber hinaus scheint die Sammlung durch einige geschenkte Albumblätter ergänzt worden zu sein – unter anderem von Ernst, den Beaumarié möglicherweise auf einer Reise durch Nordeuropa begleitet hatte.203 Maillard kann somit plausibel machen, dass weniger Heinrich Wilhelm Ernst als »Clara und Alcide Beaumarié zusammen mit Félix Féréol die Schlüssel zum Verständnis des ›Beaumarié-Albums‹« darstellen.204 Bemerkt sei an dieser Stelle noch, dass es sich bei dem mysteriösen »Eintragsfragment« von Ernst auf dem hinteren Schmutzblatt (»x-x x-x à celui qui x-x d’écrire ces lignes d’avoir plus d’amitié pour vous que celui qui écrit celles-ci. 199 Maillard 2012, S. 86f. 200 Ebd., S. 89. Auch Kalisch bezeichnete das Beaumarié-Album als »Salonalbum«, ohne jedoch ein konkretes Salonumfeld zu benennen. Kalisch 2009, 234f. 201 Maillard 2012, S. 92–94. 202 Ebd., S. 87, S. 94. 203 Ebd., S. 95. 204 Ebd., S. 96.

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Ernst«)205 meines Erachtens um die französische Fassung eines verbreiteten Verses für die letzte Albumseite handeln dürfte, in der Art: ›Wer mehr dich liebt als ich, der schreibt sich hinter mich …‹.206 Derartige Einträge, ausgeführt von, wie im vorliegenden Fall, der Besitzerin des Albums besonders nahestehenden Personen, sind bereits in ganz frühen Stammbüchern zu beobachten (vgl. Kap. 1.1.4). Hier zeigt sich, wie aufschlussreich es sein kann, Musik-Stammbücher des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Jahrhunderte zurückreichenden Geschichte der Stammbuchpraxis zu betrachten. Bezüglich des Albumblatts von Ignaz Moscheles, dessen kuriosen Widmungstext Volker Kalisch als Titel für seine Beiträge zum Beaumarié-Album verwendete (»Bey dem Genusse von frucht-versüsstem Eise …«), kann ich zudem eine weitere Erkenntnislücke schließen. Denn über die Worte des Eintrags hinaus liefert auch das Musiknotat selbst, das wahrscheinlich aufgrund seines fragmentarischen Charakters vernachlässigt und deshalb nicht identifiziert wurde, einen Verweis auf Heinrich Wilhelm Ernst: Wie bislang unbemerkt blieb, zitiert der Klavierpart das Lied (Nr. 4) aus den von Ernst und Stephen Heller gemeinsam komponierten Pensées Fugitives (vgl. Kap. 3.9.4). Der Fall des Albums der Madame Beaumarié ist beispielhaft, zeigt er doch die für ein angemessenes Verständnis und eine fundierte Bewertung grundlegende Bedeutung einer detailreichen biographischen und kulturhistorischen Kontextualisierung von Stammbüchern und ihren Einträgen, die über die im Kanon und in der Forschung präsenten Künstler:innen hinaus auch die heute vergessenen Akteur:innen und deren Perspektive berücksichtigen sollte. So bietet das Stammbuch einer kulturbegeisterten Anwaltsgattin aus Orléans Zugang zu einer musik- und kunstaffinen geselligen Kultur im privaten bis halböffentlichen Raum, die es in ihrem weit gespannten Netzwerkcharakter weiter zu erforschen gilt. Wie anhand des Beaumarié-Albums gezeigt werden konnte, verläuft die Erkenntnisfindung bezüglich dieses und anderer Musik-Stammbücher in der Regel in einem längeren Prozess, bei dem sich das Wissen über den Forschungsgegenstand kontinuierlich erweitern kann und zum Teil auch Sichtweisen anzupassen oder zu korrigieren sind.

205 Kalisch 2009, S. 237f. 206 Vgl. u. a. Graak 1982, S. 67.

2. Europäische Stammbuch-Horizonte: ­Analyseperspektiven und Kontexte

Die musikbezogene Stammbuchpraxis in Europa weist eine beeindruckende Vielfalt auf. Diese kommt nicht nur in der Diversität des Erscheinungsbildes und der materiellen Beschaffenheit von Musik-Stammbüchern zum Ausdruck. Insbesondere zeigt sie sich im konkreten Gebrauch, also in der spezifischen Umsetzung der Albumpraxis und somit in den zugrunde liegenden Motivationen und Kontexten, die sowohl durch individuelle Gelegenheiten und Zugänge zu Personenkreisen sowie Räumen als auch durch übergeordnete soziale Ordnungssysteme und etablierte gesellschaftliche Zusammenhänge geprägt sind. Im Folgenden möchte ich anhand von drei großen Themenbereichen zentrale Analyseperspektiven in Hinblick auf die Charakteristik von Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts herausarbeiten. Im ersten Kapitel steht zunächst das biographische Erkenntnispotenzial der Quellen im Fokus, das spezifische Prägung durch die Faktoren des Reisens und des Abschieds erfährt. Im Anschluss diskutiere ich die Bedeutung von Musik-Stammbüchern in ihrer dokumentierenden sowie repräsentierenden Funktion, wobei auch der häufig attestierte Netzwerkcharakter der Quellen zum Tragen kommt. Das dritte Kapitel thematisiert schließlich die Einbindung von Stammbüchern und Albumblättern in die Musikpraxis im Privaten, im Zuge derer der Unterhaltungsaspekt besonders hervortritt. Generell sind alle drei Themenkomplexe eng verknüpft, so dass die verschiedenen Aspekte in fast allen untersuchten Alben eine gewisse Rolle spielen. Auch in der Beschäftigung mit den Moscheles-Alben (vgl. Kap. 3) erweisen sich die im Folgenden erarbeiteten Perspektiven als zentral. Ungeachtet dieser Kategorisierungsansätze ist allerdings festzuhalten, dass sich jedes Musik-Stammbuch durch einen ganz eigenen individuellen Charakter kennzeichnet, der sich jeweils im Wechselspiel von Materialität und Gebrauch in Abhängigkeit von den konkreten persönlichen und gesellschaftlichen Hintergründen manifestiert. 2.1 Biographische Einschnitte: Reisen und Abschied Das Abschiednehmen ist ein mit der Stammbuchpraxis aufs Engste verknüpftes Motiv, das auch die Erstellung vieler Stammbucheinträge des 19. Jahrhunderts kontextualisiert. Dabei sind Abschiede in der Regel mit dem Beginn oder Verlauf von Reisen verbunden. So erweiterte der dänische Dichter Hans Christian

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Andersen (1805–1875), der seit seinem 20.  Lebensjahr bis ins hohe Alter Stammbuchblätter und Autographe zusammentrug, seine Sammlung insbesondere im Rahmen seiner vielen Reisen, die ihn bis in den Orient führten.1 In Andersens Tagebüchern finden sich zahlreiche Bemerkungen zu Albumeinträgen und Stammbüchern, die auf die Allgegenwärtigkeit des Phänomens im geselligen Umgang der Eliten in den meisten europäischen Ländern verweisen.2 Auch das Album des Dirigenten und Komponisten Alois Taux (1817–1861) entstand zum größten Teil während einer längeren Reise durch Deutschland und Österreich, die anhand der Einträge, die ausschließlich von Männern stammen, nachvollzogen werden kann.3 Die lose gesammelten Stammbuchblätter datieren, mit wenigen Ausnahmen, fast alle im Jahr 1845. Neben vielen Notenautographen von heute weniger bekannten Protagonisten enthält das Album u. a. Beiträge von Mendelssohn, Schumann, Lortzing, Berlioz und Wagner. Das Wirken dieser Komponisten wird durch den Albumverbund in Relation gesetzt zu einem vielfältigeren zeitgenössischen Musikleben, das weit mehr Akteure umfasste, als die Musikgeschichtsschreibung in der Regel zu suggerieren scheint, allerdings im vorliegenden Fall explizit Frauen ausschloss. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Gestaltung selbst, aber auch die Kontexte von Stammbucheinträgen merklich vielfältiger geworden. Insbesondere kamen in den 1810er Jahren Alben auf, die ausschließlich auf das Sammeln von Notenautographen zielten. Dieser Zeit des Übergangs gehe ich im ersten Unterkapitel nach, um Tendenzen des Wandels von Stammbucheintragungen in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende aufzuzeigen. Der Konnex Abschied und Reisen motivierte dabei die Zusammenstellung von Beethovens sogenanntem Stammbuch anlässlich seines Weggangs aus Bonn im Jahr 1792 ebenso wie die Alben von Carl Maria, Edmund und Fridolin von Weber, deren Reisebewegungen darin nachzuverfolgen sind. In diesem Zuge wird auch das ›Album Musical‹ der polnischen Pianistin Maria Szymanowska als ein frühes Beispiel für ein Notenautographen-Album mit Beiträgen aus den 1810er Jahren thematisiert. 1

Vgl. Andersen 1980. Die hochwertig gestaltete Ausgabe in dänischer Sprache liefert Faksimiles von insgesamt vier Alben Andersens; in Begleitbänden werden die Autographe transkribiert und kurz kommentiert. Die Alben beinhalten überwiegend Texte, Briefe und Bilder, hinzu kommen mehrere frühe lose Stammbuchblätter. Das großformatige, mit bunt koloriertem Papier ausgestattete Sammelalbum (»store Album«) enthält diverse Notenautographe aus den 1830er und 1840er Jahren, u. a. von Mendelssohn, Liszt, Thalberg, Kalkbrenner, Henselt, Clara und Robert Schumann. 2 Vgl. Andersen 2000, beispielsweise S. 50, S. 149, S. 200f., S. 205–208, S. 251. 3 Für eine Inhaltsbeschreibung und Listung der Einträge (1837–53) vgl. Angermüller 1989. Das Konvolut, das als geordnete Loseblattsammlung vorliegt und 86 teils leere Blätter umfasst, befindet sich bis heute im Besitz der Salzburger Liedertafel, die Taux, zugleich Direktor des Dommusikvereins und Mozarteums, 1847 als Männergesangsverein gegründet hatte.

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Das nächste Kapitel schlägt die Brücke zu einem weiteren Stammbuch, in dem ausschließlich Notenautographe gesammelt wurden. Die Laufzeit dieses ›Musiker-Stammbuchs‹ erstreckt sich von den späten 1820er bis in die 1890er Jahre. Das Album zeichnet sich dadurch aus, dass seine Objektbiographie durch zwei sammelnde Eigner – Heinrich Panofka und Alfred C. Clark – geprägt wurde, die es in verschiedenen Zeiten durch die Verknüpfung mit ihrer eigenen Biographie individuell fortentwickelten. Bemerkenswert ist der daraus hervorgehende erweiterte geographische Raum, in dem das Stammbuch kursierte und der sich in späteren Jahren bis in die USA sowie nach Skandinavien und Italien öffnete. Im Anschluss beschäftige ich mich mit dem 1829 initiierten Stammbuch der Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient, das von mir erstmalig umfassend als Quelle ausgewertet, kontextualisiert und interpretiert wird. Notenautographe, Texteinträge und Zeichnungen wurden in dieser Sammlung zusammengeführt, so dass ein Mischalbum vorliegt, das neben dem reinen Notenautographen-Album eine weit verbreitete Ausformung des Musik-Stammbuchs im 19. Jahrhundert darstellt. Schröder-Devrients Album, dessen Entstehen mit den Erfolgen der Sängerin während ihrer ersten Konzertreisen ins Ausland korrespondiert, verstehe ich hier als Erinnerungsobjekt, das die frühe Karriere und die daran gebundenen persönlichen Kontakte der Künstlerin retrospektiv konservierte. Abschließend fokussiere ich die knapp 20 im italienischen Raum entstandenen Stammbuchblätter aus dem Hiller-Album, die ich in einer Übersicht zusammengestellt und ausgewertet habe, um exemplarisch anhand der Quellensorte Stammbuchblatt dem Umfeld von Ferdinand Hiller und seiner Frau, der Sängerin Antolka Hiller, während ihrer Zeit in Mailand, Rom und Venedig nachzugehen. Wie in den vorangegangenen Kapiteln tritt dabei das Motiv des Abschiednehmens hervor, ebenso wie die Bedeutung von Albumblättern als Reiseerinnerungen, die zugleich Stationen, Reiserouten und Kontakte der jeweiligen Albumeigner:innen dokumentieren. 2.1.1 Musik-Stammbücher im Wandel (circa 1790 bis 1820): Beethoven, Spohr, die Weber-Brüder, Franz Xaver Mozart und Maria Szymanowska In Musik-Stammbüchern des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts kam dem Autograph Ludwig van Beethovens, das entsprechend käuflich erworben wurde oder als exklusives Geschenk in den Besitz des Albumeigners bzw. der Album­ eignerin gelangte, die Funktion eines begehrten identitätsstiftenden kulturellen Markers sowie eines Qualitätsmerkmals der entsprechenden Sammlung zu. Beispielhaft sei hier verwiesen auf die Alben von Heinrich Panofka (vgl. Kap. 2.1.2),

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Dantan Jeune und Vincent Novello (vgl. Kap. 2.2.2) sowie Natalia Obreskov (vgl. Kap. 2.2.3). Dabei hatte auch Beethoven selbst zu Lebzeiten ein Stammbuch besessen, das er allerdings nie in dieser Funktion verwendete und offenbar in erster Linie als Souvenir betrachtete. Im Zuge der früh einsetzenden Heroisierung des Komponisten wurde die Sammlung bereits um 1870 in der Musikforschung als Quelle zu seinem Bonner Umfeld gewürdigt und im Detail beschrieben.4 Anlässlich seines 200. Geburtstages erschien schließlich eine Faksimile-Ausgabe, der das mit 41 Eintragungen deutlich umfangreichere Stammbuch von Beethovens Jugendfreundin Babette Koch (1771–1807) beigefügt wurde.5 Beide Alben enthalten neben einigen Zeichnungen und eingeklebten Bildern ausschließlich Texteinträge, die in Babette Kochs Album (Laufzeit: 1790–1802) fast durchgängig von Porträt-Silhouetten der Eintragenden begleitet werden,6 und sind auch bezüglich des handlichen Queroktav-Formats, das auf Reisen unkompliziert mitzuführen war, sichtlich der Stammbuchmode gegen Ende des 18. Jahrhunderts verpflichtet.7 Beethoven hatte das Stammbuch als Abschiedsgeschenk erhalten, als er im Herbst 1792 seine Heimatstadt Bonn verließ, um nach Wien zu ziehen. Alle 14 Textbeiträge des Albums, das wohl zunächst als Sammlung von losen Blättern vorlag und von der Wiener Nationalbibliothek nach dem Ankauf gebunden wurde,8 datieren vom Jahr 1792 in Bonn und scheinen innerhalb eines kurzen Zeitraums vor der Überreichung für ihn gesammelt worden zu sein. Beethoven selbst verwahrte das Album zwar als Erinnerung, führte es aber als Eigner nicht aktiv weiter. Als Einträger partizipierte er jedoch an der Stammbuchpraxis und erstellte verschiedene Stammbuchblätter, bei denen es sich zu einem Teil um Musiknotate handelt. Tatsuhiko Itoh listet sieben Kanons (1813–25), zwei Instrumentalstücke (1821/22) und ein Lied mit Klaviervariationen (1799) für das Stammbuch der 4

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1871 wurde in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung von dem Stammbuch berichtet, das im selben Jahr von der K. K. Hofbibliothek in Wien erworben wurde und sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek befindet. Vgl. Beethoven/Koch 1970/95, S. XIIIf. Ab der zweiten Auflage von 1901 ist dem Album in der Beethoven-Biographie von Alexander Thayer im Anhang ein Kapitel gewidmet, in dem die 14 Einträge gelistet und im Wortlaut wiedergegeben sind. Thayer/Deiters 1901, S. 467–474. Auch Ludwig Schiedermair lieferte eine vollständige Transkription der Stammbuchtexte. Schiedermair 1925, S. 228–234. Beethoven/Koch 1970/95. Zur Silhouetten-Mode (ca. 1760–1840) vgl. Göhmann-Lehmann 1994, S. 25f. Beide Alben sind online einsehbar (Links siehe Literaturverzeichnis). Beethoven/Koch 1970/95, S. XIV. Beethovens Album umfasst nur 18 Blätter; unter den Beiträgen sind eine Silhouette und einige Zeichnungen. Ebd., S. XI.

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Brunsvik-Schwestern – eine Komposition, um deren Veröffentlichung sich Beethoven später bemühte.9 In zwei der Kanons vertonte Beethoven den Schiller-Text Kurz ist der Schmerz, ewig ist die Freude.10 Die erste Version (WoO 163) entstand 1813 für Johann Friedrich Naue,11 die zweite Vertonung (WoO 166) schrieb Beethoven für das Album von Louis Spohr.12 Bezüglich des Wandels in der Gestaltung von Stammbüchern ist interessant, dass Itoh Spohrs 1815 begonnenes Stammbuch, das als verschollen gilt, als ein frühes Beispiel für ein ausschließlich auf das Sammeln von Notenautographen zielendes Album benennt, das einen Umbruch markiere: »a new stage of Stammbuch history«.13 In Spohrs Selbstbiographie (1860) heißt es dazu: »Als ich den ersten Gedanken zu meiner großen Reise durch Europa faßte, kam mir auch der, ein Album anzulegen, auf dessen Blätter ich Compositionen aller der Künstler, deren Bekanntschaft ich machen würde, einsammeln wollte.«14 Eine ähnliche Motivation lag auch dem im Jahr 1817 eingerichteten Stammbuch des Militärbeamten und Musikschriftstellers Franz Sales Kandler (1792– 1831) zugrunde. Die Initiierung der Sammlung korrespondiert mit dem Abschied Kandlers von seinen Wiener Freunden und Bekannten, darunter Antonio Salieri und Ludwig van Beethoven,15 anlässlich seiner Abreise nach Venedig. Das Album mit einer Laufzeit bis 1829, das Carl Czerny in seinem Eintrag als »das musikalische Denkbuch des Hrn v: Kandler« bezeichnete, umfasst 55 Noteneinträge von ausschließlich männlichen Musikern, darunter Berufsmusiker ebenso wie Dilettanten.16 Der Band enthält u. a. eine Fassung von Franz Schu9

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Itoh 1991, S. 300–305, vgl. auch S. 1–7. Die von Itoh zusammengetragenen Albumbeiträge werden hier angeführt, um beispielhaft einen Einblick in Beethovens Stammbuchpraxis zu gewähren. Die tatsächliche Anzahl der Beethoven’schen Musiknotate für Stammbücher dürfte deutlich höher ausfallen. Hierzu sowie zu weiteren Stammbucheintragungen Beethovens vgl. Staehelin 1984. Beethoven schrieb den Kanon in ein Taschenbuch, das er Naue zum Geschenk machte, »mit der Bemerkung, daß ich auf meinen Reisen nach Italien die berühmtesten Musiker möchte hierin schrei­ben laßen« (zit. nach ebd., S. 324). Naue setzte die Empfehlung nicht um, so dass Beethovens Eintrag der einzige blieb. Eine Abbildung des Stammbuchblatts mit dem Kanon (datiert: »Wien am 3ten März 1815«) ist – ebenso wie der Eintrag von Ignaz Moscheles (vgl. Kap. 3.9) – im Anhang von Spohrs Autobiographie überliefert. Spohr 1860, nach S. 350; vgl. Itoh 1991, S. 147–155. Ebd., S. 124. Spohr 1860, S. 213. Das ursprünglich in Kandlers Album enthaltene Beethoven-Autograph vom 3. Mai 1817 (Gesang der Mönche WoO 104) wurde von dem bekannten Musikaliensammler Aloys Fuchs, in dessen Besitz das Stammbuch nach Kandlers Tod gelangte, entnommen und Fuchs’ eigenem Album (Laufzeit: 1830–51) mit insgesamt 115 Beiträgen einverleibt. Vgl. Koch-Katalog 1953, S. 328, S. 330–337. Kandlers Album, das ich kurz vor der Auktion im Original einsehen konnte, wurde im März 2015 in Berlin versteigert. Stargardt 2015, S. 266–270 (Nr. 501); im Stargardt-Katalog enthalten sind

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berts Lied Die Forelle; Kandler selbst trug im Juli 1817 ein Lied mit dem Titel »Abschied von meinen geliebten Freunden Wiens« ein.17 Den Stammbüchern von Spohr und Kandler möchte ich ein weiteres frühes Notenautographen-Album, dessen erste Einträge im Jahr 1810 datieren, zur Seite stellen. Es handelt sich um das ›Album Musical‹ der in Warschau geborenen Pianistin und Komponistin Maria Szymanowska (1789–1831),18 die als erste europaweit konzertierende Berufspianistin gilt, die nicht aus einer Musikerfamilie stammte.19 Auch als Autographensammlerin, die diverse Alben führte, war sie eine Vorreiterin. Ihr Musik-Stammbuch, das in gebundener Form vorliegt, umfasst 130 Beiträge, die größtenteils während Szymanowskas Konzerttourneen entstanden. Nach der Trennung von ihrem Ehemann 1819 verfolgte Szymanowska systematisch eine Karriere als Virtuosin, wobei ihre Mobilität in den Jahren 1822 bis 1826 den Höhepunkt erreichte: Sie unternahm eine längere Tournee durch Russland und Osteuropa und bereiste schließlich Deutschland, Frankreich, England, Italien, Holland und Belgien.20 Überall hielt sie ihre Kontakte und Bekanntschaften in Gestalt von Albumblättern fest, die zugleich ihre Erfolge als Pianistin widerspiegeln. Im März 1828 ließ sich Szymanowska mit ihren Kindern dauerhaft in St. Petersburg nieder. Bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 1831 unterrichtete sie und führte einen Salon, der ihr wiederum Gelegenheit bot, ihr ›Album Musical‹ stetig zu erweitern.21 Mit ihrem Notenautographen-Album hinterließ sie schließlich nicht nur ein Zeugnis ihres Lebenswegs und ihrer persönlichen Kontakte. Die darin enthaltenen Kompositionen – »les genres et styles qui constituaient les éléments indissociables de la culture musicale de salon«22 –

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Abbildungen der Einträge von Franz Schubert, Carl Czerny sowie eine Moscheles zugeschriebene Albumseite mit einer Kanon-Abschrift, bei der es sich jedoch nicht um ein Autograph Ignaz Moscheles’ handelt. Zum Inhalt des Stammbuchs vgl. auch Koch-Katalog 1953, S. 327–330. Zit. nach ebd., S. 327. 1999 legte Renata Suchowiejko eine kritische Edition des ›Album Musical‹ vor, der eine Einführung in polnischer und französischer Sprache vorausgestellt ist, die die Sammlung biographisch einbettet und wissenschaftlich erläutert. Vgl. Szymanowska 1999. Bereits 1953 erschien eine polnische Publikation, die neben biographischem Material und Kompositionen Szymanowskas eine Listung ausgewählter Stammbucheinträge umfasst, die durch 50 faksimilierte Albumseiten mit Notenautographen, u. a. von Cherubini, Rossini, Meyerbeer, Mendelssohn, Chopin, Robert und Clara Schumann, Liszt, Paganini, aber auch von Bach, Haydn, Händel, Mozart, Beethoven und Weber, ergänzt wird. Vgl. Szymanowska 1953. MUGI: Gwizdalanka 2013. Für eine rezente Kurzdarstellung der Vita Szymanowskas vgl. Bischler 2017, S. 609–611. Vgl. Szymanowska 1999, S. 43f. Ebd., S. 52.

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repräsentieren darüber hinaus das zeitgenössische Salonrepertoire und den daran gebundenen Musikgeschmack. Doris Bischler wies darauf hin, dass die bislang anhand von Stammbuchbeiträ­ gen angenommenen Reisen der Pianistin nach Paris (1810), Danzig und Dresden (1817) sowie Wien (1818) nicht durch weitere Quellen belegbar seien,23 so dass diese Reisen möglicherweise nie stattfanden und das Stammbuch von Szymanowska für die entsprechenden Einträge verschickt worden sei.24 Die wiederholte Versendung des Albums macht Bischler zum einen an widersprüchlichen Datierungen fest,25 zum anderen verweist eine abschätzige Bemerkung aus dem Reisetagebuch von Franz Xaver Mozart auf die Praxis der Verschickung: Sie [Szymanowska] ist nach mir aus Warschau gekommen, das Stammbuch mußte aber in alle Hauptstädte reisen, und alle grossen Künstler mußten bon gré malgré ihren Tribut, der unbekannten, steuern. Einige thaten es auch wirklich d’assez mauvaise grace. Beethoven schrieb zum Beispiel: Auf Aufforderung mit grossen grossen Buchstaben, und seine Composition trägt auch den Stempel des Unmuths. Saliere [Salieri] und einige andere machtens feiner, und überschrieben, par obeissance. Demohngeachtet muß das arme Büchlein nächstens wieder nach Paris, und London reisen!!! Vanitas.26

Nimmt man Franz Xaver Mozarts boshaft-spöttischen Kommentar vom Juni 1819, der die Musikerin unverhohlen herabwürdigt, wörtlich, wäre tatsächlich davon auszugehen, dass Szymanowska bis zum Beginn ihrer großen Konzerttourneen in den 1820er Jahren, abgesehen von den in Warschau entstandenen Einträgen, für ihr Notenautographen-Album Beiträge in Städten sammelte, die sie nie bereist hatte. Schon in den 1810er Jahren mag sie auf diese Weise begonnen haben, ihren Anspruch auf Teilhabe an der professionellen Musikwelt anzubahnen. Obgleich das Verfahren, Alben – vor allem innerorts – für aufwändigere und durchdachtere Einträge zu verschicken, in der Stammbuchpraxis des 19. Jahrhunderts verschiedentlich nachweisbar ist (vgl. Kap. 2.2.4 und 2.3.3), sollten dennoch die Beiträge in Szymanowskas Album als Belege für Aufenthalte in den 23 Insgesamt sind drei Albumbeiträge im Jahr 1810 datiert (in Paris, Monfort und Warschau). 1811 sammelte Szymanowska zwei Einträge in Warschau, erst im Jahr 1816 erfolgten weitere Einträge (ebenfalls in Warschau). Nach den Einträgen von 1817 (in Danzig und Dresden) und 1818 (in Wien) datieren die Einträge von 1819 wiederum in Warschau. 24 Bischler 2017, S. 25f., S. 31f. Obwohl Doris Bischler die Verlässlichkeit der Einträge in Szymanowskas Album als biographische Quellen in diesem Zuge anzweifelt, zitiert sie paradoxerweise die Beiträge in der Studie doch zahlreich in der Dimension eines biographischen Beiwerks, das kaum kommentiert oder interpretiert wird. 25 Ebd., S. 45f., S. 89, S. 168. 26 Mozart/Angermüller 1994, S. 59 (Eintrag vom 27. Juni 1819 in Danzig).

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oben genannten Städten nicht vorschnell verworfen werden. Gerade bezüglich des vermutlich allerersten Eintrags im Album von Luigi Cherubini – »[…] en signe de reconnaissa[nce,] / d’estime, de respect, et de dévouement. / Paris l’année 1810«27 – ist schwer vorstellbar, jedoch mangels weiterer Quellen nicht auszuschließen, dass die einflussreiche Musikerpersönlichkeit ein ihm aus Polen zugesandtes, zu diesem Zeitpunkt noch leeres Buch bestückte, ohne die Eignerin zuvor am Klavier gehört zu haben.28 Gleiches gilt für die mindestens vier in Wien zu datierenden Beiträge von bekannten Musikern wie Antonio Salieri (13.6.1818), Joseph Mayseder (25.6.1818), Ignaz Moscheles (17.8.1818; vgl. Kap. 3.9) und Peter Haensel (18.8.1818),29 die einen direkten Kontakt, zumindest über eine Szymanowska empfehlende Mittlerperson, nahelegen. Die in Szymanowskas Album enthaltenen Kompositionen umfassen vor allem Klavier- und Vokalstücke und entsprechen somit dem stammbuchtypischen Repertoire des 19. Jahrhunderts.30 Festgehalten werden kann, dass die Musikerin überwiegend Handschriften von Personen sammelte, die sie persönlich kennengelernt hatte, so dass die große Mehrzahl der Albumbeiträge aus einer direkten Begegnung heraus erstand. Zusätzlich enthält das Stammbuch einige angekaufte oder geschenkte Autographe von Komponisten des 18. Jahrhunderts (u. a. von Mozart, Haydn, Bach);31 vier Autographe, u. a. von Chopin und Liszt, wurden der Sammlung nach Szymanowskas Tod hinzugefügt.32 Obgleich sich Szymanowskas Sammeltätigkeit unübersehbar in den 1820er Jahren konzentrierte, verweist das Album doch darauf, dass das Sammeln von Notenautographen zur Erinnerung in Musikerkreisen bereits in den 1810er Jahren praktiziert wurde.

27 Szymanowska 1999, S. 208–220, hier: S. 220. »[…] als Zeichen von Anerkennung, / Wertschätzung, Respekt und Ergebenheit. / Paris, im Jahr 1810«. (Ü.d.V.) Das acht Seiten umfassende Autograph der »Fantesie« [sic] ist abgebildet in: Szymanowska 1953, S. 55–62. 28 Der Widmungstext des zweiten 1810 in der Nähe von Paris datierten Eintrags macht jedoch deutlich, dass Jan Ladislav Dussek die Albumeignerin zum Zeitpunkt der Niederschrift nicht persönlich kannte: »J L Dussek / à Monfort près de / Versailles le 15 Octobre 1810. / A Madame Szymanowska née Wolowska en signe du désir que j’ai de / connaître son aimable personne, et d’admirer ses Talents« (»[…] als Zeichen meines Wunsches, ihre freundliche Person kennenzulernen und ihre Talente zu bewundern«). Szymanowska 1999, S. 223. 29 Ebd., S. 224, S. 252, S. 253, S. 267–271. Das Datum des in Wien entstandenen Beitrags von Mauro Giuliani dürfte auf den 17. August 1818 zu korrigieren sein. Ebd., S. 197f.; vgl. Bischler 2017, S. 168. Auch das Beethoven-Autograph im Album, von dem unklar ist, ob es für Szymanowska persönlich erstellt wurde oder auf anderem Wege in ihren Besitz gelangte, ist im Jahr 1818 zu datieren. Szymanowska 1999, S. 46f., S. 310f.; vgl. Beethoven-Werkverzeichnis 2014, Bd. 2, S. 147. 30 Vgl. Szymanowska 1999, S. 47–51. 31 Ebd., S. 46. 32 Ebd., S. 31. Die spätesten Beiträge datieren im Jahr 1841.

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Die sich ab circa 1820 manifestierende wachsende Popularität von Noteneinträgen untermauert schließlich auch die Gegenüberstellung der beiden überlieferten Stammbücher von Franz Xaver Mozart (1791–1844).33 Das Jugendstammbuch Mozarts (Laufzeit: 1801–12), das er mit nur neun Jahren zu führen begann, enthält lediglich ein undatiertes Musiknotat, bei dem es sich um einen von seinem Lehrer Johann Georg Albrechtsberger geschriebenen Kanon handelt. Ein späteres Stammbuch des Mozart-Sohnes (Laufzeit: 1819–42), das als Loseblattsammlung vorliegt, bleibt zwar insgesamt wortdominiert,34 umfasst aber immerhin knapp 25 Notenautographe, die fast gänzlich um 1819/20 datieren. Als weitere Beispiele für Stammbücher aus Musikerkreisen, die in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende geführt wurden, möchte ich die Alben der Weber-Brüder heranziehen.35 Carl Maria von Weber (1786–1826) führte sein Stammbuch von 1799 bis 1812; sein Album kann durch die Stammbücher seiner älteren Halbbrüder Fridolin von Weber (1761–1833) und Edmund von Weber (1766–1830) in einen breiteren Zusammenhang gestellt werden, so dass generelle Tendenzen in der Gestaltung deutlich werden. Fridolin führte sein Album etwa zeitgleich mit Carl Maria von Weber von 1799 bis 1817, während Edmund sein Stammbuch mit 29 Jahren Laufzeit, von 1786 bis 1815, am längsten unterhielt. Als Quellen wurden die Alben, die nur vereinzelt Musiknotate enthalten, in der Weber-Forschung schon früh ernst genommen, wobei die Stammbuchpraxis vor allem in ihrer biographischen Relevanz erkannt wurde, um unbekannte Aufenthaltsorte, Reiserouten und Kontakte der Weber-Brüder nachzuvollziehen.36 In Hinblick auf eine Auswertung der Alben vor dem Hintergrund des Wandels in der Gestaltung der Beiträge ist festzustellen, dass sich die Stammbücher der Weber-Brüder, die in den Jahren um die Jahrhundertwende begonnen wurden, neben Freundschaftsversprechen vor allem durch Lebensmaximen, Tugend­ ermahnungen und fromme Geleitsprüche zum Abschied kennzeichnen und insgesamt den Stammbuchstereotypen des 18.  Jahrhunderts verpflichtet sind. 33 Beide Alben sind online einsehbar (Links siehe Literaturverzeichnis). 34 Die Stammbuchblätter der in der Library of Congress in Washington D.C. verwahrten Sammlung werden von Rudolph Angermüller als biographische Quellen, um »bessere und lebensvollere Bezüge zu einzelnen Personen« zu erstellen, zahlreich in Fußnoten zitiert. Vgl. Mozart/Angermüller 1994, hier: S. 28. 35 Die Stammbücher von Carl Maria und Fridolin von Weber befinden sich in der Berliner Staatsbibliothek; das Album von Edmund von Weber wurde von einem privaten Musikkonservatorium in Japan angekauft. 36 Veit 1988, S. 69. Umfassend ausgewertet wurde insbesondere das Stammbuch von Edmund von Weber, zum Teil auch unter Einbeziehung der Stammbücher von Carl Maria und Fridolin von Weber. Vgl. Higuchi/Ziegler 2008.

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Texteinträge, flankiert von Porträt-Silhouetten und Zeichnungen, dominieren die Alben. In Carl Maria von Webers Stammbuch, das charakteristischerweise als »Denkmal meiner Freunde und Freundin[n]en« bezeichnet ist,37 sind unter insgesamt 66 Einträgen immerhin 12 Musiknotate zu verzeichnen, u. a. von Giacomo Meyerbeer (1810), Julius Miller (1807), Heinrich Carl Ebell (1806), Friedrich Wilhelm Berner (1807) und Gottfried Weber (1810). Carl Maria von Weber selbst verewigte sich, abgesehen von mehreren Kanons, vor allem mit Texteinträgen in Stammbüchern, wobei eine Vorliebe für den Leitspruch »Beharrlichkeit führt zum Ziel!« auszumachen ist.38 Die überlieferten Notenautographe Webers in Stammbüchern häufen sich schließlich insbesondere in seinen späten Lebensjahren. Bekannt sind diverse Musiknotate zwischen November 1823 und Frühjahr 1826; vereinzelt gibt es auch frühere Beiträge (von 1802, 1816, 1819, 1820). Besonders oft verwendete Weber als Stammbucheinträge die Kanons JV 35 und JV 90.39 Die dargestellte Tendenz in Hinblick auf Webers Gestaltung von Albumbeiträgen scheint somit die allgemeine Entwicklung widerzuspiegeln, im Zuge derer das Eintragen und Sammeln von Notenautographen in Stammbüchern, in musikaffinen Kreisen, ab den 1820er Jahren zunehmend Verbreitung fand. 2.1.2 Die zwei Biographien des ›Musiker-Stammbuchs‹ von Heinrich ­Panofka (1827–92) Die Entwicklung, in Stammbüchern auch Musiknotate zu sammeln, spitzte sich in den 1820er Jahren so weit zu, dass diverse Alben entstanden, die ausschließlich auf das Sammeln von Notenautographen ausgerichtet waren. Ein typisches Beispiel für ein solches Album, das im Titel der Faksimile-Ausgabe als »musikalisches Stammbuch« bezeichnet wird,40 stellt das Album des Geigers, Musikschriftstellers und späteren Gesangspädagogen Heinrich Panofka (1807–1887) dar, das sich heute in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen befindet. In Hinblick auf die Profession des Albumeigners und der Einträger:innen wurde 37 Siehe das mit einem Blumenkranz verzierte Titelblatt des Stammbuchs (D-B, Mus. ms. theor. C. M. von Weber WFN 5). 38 Dies zeigt sich auf Grundlage der in der Carl-Maria-von Weber-Gesamtausgabe knapp 50 zugänglichen Stammbucheinträge Webers (Stichwortsuche: »Albumblatt« bzw. »Stammbuchblatt Carl Maria von Weber«, Zugriff: 15.8.2017). 39 Ich danke Frank Ziegler, der derzeit einen Artikel über die Stammbucheinträge Webers vorbereitet, für die freundliche Auskunft. 40 Panofka 2007. Die Faksimile-Ausgabe erschien 2007 in zwei Bänden, begleitet von einem detailreichen Katalog und Kommentarteil, herausgegeben von Eva-Brit Fanger.

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Panofkas Album auch als »Musikerstammbuch« bezeichnet.41 Das Album besteht gänzlich aus Notenpapier und umfasst 84 Beiträge,42 denen 35 PorträtAbbildungen beigefügt wurden.43 Überwiegend handelt es sich bei den Musikstücken um kürzere Fragmente (Incipits bzw. Themen), außerdem sind mehrere Kanons und einige Stücke für Violine, Klavier oder Streichquartett enthalten. Die Objektbiographie des Stammbuchs zeichnet sich durch den ungewöhnlichen Umstand aus, dass das Album zwei aktive Eigner hatte, die es jeweils auf ihre eigene Weise prägten. Heinrich Panofka führte sein ›Musiker-Stammbuch‹ ab 1827 über einen Zeitraum von 16 Jahren. Nachdem das Album längere Zeit geruht hatte, schenkte Panofka es 1866 seinem amerikanischen Gesangsschüler Alfred Corning Clark (1844–1896) anlässlich dessen Abschieds aus Paris. Clark sammelte darin bis in die 1890er Jahre hinein weitere Einträge. Diesbezüglich kommt Eva-Brit Fanger in der Einführung der Faksimile-Ausgabe, die sich maßgeblich auf die Brüder Keil und Tatsuhiko Itoh stützt (vgl. Kap. 1.2.1), zu dem Schluss, dass der von Panofka initiierte Albumteil (1827–43) »in der alten Tradition der amikalen Zueignung [entstand], als die persönliche Eintragung im Stammbuch als Freundschaftsbeweis diente«, während die auf Clark zurückgehenden Albumbeiträge (1866–92) »den Charakter einer Autographensammlung« trügen.44 Inwiefern bei dieser Sichtweise gängige Vorurteile, die auf der stark wertenden Gegenüberstellung von Stammbuch und Autographensammlung fußen (vgl. Kap. 1.2.4), vorschnell Anwendung finden, möchte ich im Folgenden kurz diskutieren. Anhand der Stammbucheinträge sind zunächst die Reisen sowie die zentralen Stationen in Panofkas Leben als professioneller Geiger – Wien, München, Breslau, Berlin, Paris, London – und die daran geknüpften Kontakte nachzuverfolgen, wobei die beachtliche Mobilität sowie die internationale Vernetzung der Musikerkreise in jener Epoche deutlich werden. Als einschlägig bekannte Namen im Album, unter denen der Frauenanteil erwartungsgemäß gering ausfällt,45 41 Ebd. (2), S.  11. Als weitere Beispiele für »Musikerstammbücher« oder »MusikerautographenStammbücher« nennt Fanger die Alben von Anton Teichmann (Laufzeit: 1836–1913), von Gustav[e] Vogt (1831–56), von Niels Wilhelm Gade (1843), von Franz Sales Kandler (1817–20) und von Aloys Fuchs (1830–51). Ebd. (2), S. 20. 42 Zur Materialität und Objektbiographie (»Kodikologische Beschreibung und Provenienz«) vgl. ebd. (2), S. 14–16; für ein Verzeichnis der Eintragungen vgl. ebd. (2), S. 97–99. 43 Die Beigabe eines Porträts zum entsprechenden Autograph, die im Panofka-Album vermehrt zu beobachten ist, etablierte sich bei Autographensammlern Mitte des 19. Jahrhunderts als »beinahe obligatorische[r] […] Brauch«. Mecklenburg 1963, S. 14. 44 Panofka 2007 (2), S. 19. 45 Von den insgesamt 84 Beiträgen stammen neun von Frauen, darunter beispielsweise die Harfenistin Aline Bertrand und die Pianistin Delphine von Schauroth.

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sind zu nennen: Hummel, der mit seinem Eintrag vom 24. März 1827 das Album eröffnete, weiterhin Schubert, Schumann, Liszt, Paganini, Moscheles, Ries, Mayseder, Ernst, Berlioz usw. Darüber hinaus enthält das Album eingeklebte Autographe von Beethoven, Mozart und Weber, die Panofka von dritter Hand als Geschenk erhielt und zur Gestaltung der eröffnenden (Beethoven) und der schließenden Albumseite (Mozart) verwendete. Panofka folgte mit dieser aussagekräftigen Platzierung einem gängigen Konzept, das in vielen Stammbüchern zu beobachten ist. Dennoch ist die sich hier offenbarende Idealisierung Beethovens und Mozarts bemerkenswert, die in den 1830er Jahren offenbar bereits fest etabliert war. Im Laufe des ›zweiten Lebens‹ des Stammbuchs, ab 1866, führte Alfred Corning Clark die Sammlung von Einträgen aus Musikerkreisen weiter. Die Autographe entstanden überwiegend in New York und während verschiedener Europareisen, u. a. in Paris, Mailand, Stockholm, Oslo und Kopenhagen, wobei der zuvor von Panofkas Biographie bestimmte geographische Radius des Albums erheblich erweitert wurde. Unter anderem erbat sich Clark Einträge von Rubinstein, Sarasate, Gade, Viardot-Garcia und Brahms. Dabei ist davon auszugehen, dass der auf Panofka zurückgehende Albumpart, dessen Entstehung, inklusive der darin verewigten Kontakte, teils mehr als 30 Jahre zurücklag, für Clark vor allem als Sammlung wertvoller Autographe fungierte, deren Bedeutung für ihn an den bekannten Namen festzumachen war. Dennoch führte er das Album weiter, sammelte also nicht etwa separat zusätzliche Autographe und konservierte den Zustand des Objektes zum Zeitpunkt der Schenkung, sondern veränderte das Album, gab ihm seine eigene persönliche Prägung. Im Vergleich der beiden ›Lebensphasen‹ des Albums ist der große Unterschied im Status der beiden Eigner wesentlich: Während Panofka, selbst ein bekannter Musiker an den Bitten um Stammbucheinträge herangetragen wurden, die Autographe seiner ihm teils freundschaftlich verbundenen, teils aber auch nur flüchtig bekannten Musikerkolleg:innen sammelte, trat Clark als reicher Erbe und Musikmäzen in einer völlig anderen Rolle an die Musiker:innen und Sänger:innen heran. Dies erklärt die von Fanger konstatierten weniger ausgeprägten persönlichen Bezüge in manchen durch Clark veranlassten Einträgen.46 Darüber hinaus ist jedoch zu bedenken, dass die Freundschaftsbekundungen, die in den an Panofka adressierten Widmungstexten zum Ausdruck kommen, teils auch einem sprachlichen Topos geschuldet sind, der den Zusammenhalt in Musikerkreisen im Stammbuchkontext untermauern sollte und als Beleg für reale freundschaftliche Beziehungen wenig belastbar ist. 46 Vgl. ebd. (2), S. 50.

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In Hinblick auf Clarks Gestaltung des Albums fällt schließlich auf, dass sich gerade dessen erste Bitte um einen Stammbucheintrag an eine Person richtet, mit der ihn in den kommenden Jahren eine intime Paarbeziehung verbinden sollte. Es handelt sich um den norwegischen Tenor Lorentz Severin Skougaard (1837–1885), der ebenso wie Clark in Paris bei Panofka Gesangsunterricht erhalten hatte. Skougaard trug sich am 6. Juni 1866 in New York in das Stammbuch ein, wohin er den 21-jährigen Clark, mit dem er bis zu seinem Lebensende mehr oder weniger offen zusammenlebte, nur kurze Zeit nach beider Kennenlernen begleitet hatte.47 In Zusammenhang mit den Gesangsaktivitäten von Clark und Skougaard steht vermutlich eine Romanze für Tenor, die schon anhand ihres Umfangs von vier Seiten auf eine Bestimmung zum Musizieren schließen lässt. Luca Fumagalli schrieb das Stück 1881 in Coopertown, dem Familienanwesen der Clarks, in das Stammbuch. Auch hinter dem Eintrag des pianistischen Wunderkindes Joseph Hofmann, dessen Lebensweg Clark durch sein Eingreifen und seine finanzielle Unterstützung nachhaltig veränderte, steht ein enger persönlicher Bezug.48 Obgleich Clark, im Übrigen genauso wie Panofka, zweifellos ein explizites Interesse am Sammeln der großen Namen des Musiklebens hatte, verweisen die eben erläuterten Einträge auf einen mehrdimensionalen Zugang Clarks zu seinem Album, das er auf diese Weise als persönlichen Wertgegenstand individualisierte. Das Diktum der den stammbuchtypischen Bedeutungszusammenhängen enthobenen ›Autographensammlung‹, die für Clark vermeintlich frei von persönlichen Bezügen und Erinnerungen gewesen sei, stellt sich als unzutreffend heraus. 2.1.3 Erinnerung an eine Sängerin auf Reisen. Das Stammbuch von ­Wilhelmine Schröder-Devrient (1829–53) Am 9. Januar 1859, etwa ein Jahr vor ihrem frühen Tod mit 55 Jahren, schrieb Wilhelmine Schröder-Devrient an die Sängerin und Schriftstellerin Elise von Polko:49 Vor allem, theuerste Frau, meinen Herzensdank für das treue Gedächtniß, welches Sie mir bewahrt! Sie glauben nicht, wie wohl es mir thut, wenn ich einmal von einer Men47 Der spätere Familienvater Alfred Corning Clark, der mit 38 Jahren ein immenses Vermögen erben sollte, führte mit Lorentz Severin Skougaard sehr wahrscheinlich eine versteckte homosexuelle Beziehung. Vgl. Weber 2007, S. 43–57. 48 Vgl. Panofka 2007 (2), S. 52. Hierzu auch Weber 2007, S. 68–70. 49 Zu Elise Polko vgl. MUGI: Herbst 2017.

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schenseele höre, daß meine Klänge in ihr festgehalten haben; oft will es mich bedünken, als hätte ich ganz umsonst gelebt. Wie traurig ist des Mimen Los! Wir sollen, wir können ja hauptsächlich nur auf die Masse wirken, vermögen aber keine tiefern Spuren einzudrücken, als leichter Sand sie aufnimmt, – ein leichter Windhauch träufelt darüber hin, und alles ist verweht und – vergessen. – – Mein Herzblut habe ich hingesungen – und nun?! –50

Diese traurigen und resignierten Worte der zu diesem Zeitpunkt bereits schwerkranken Sängerin und Darstellerin, die als Tochter eines Schauspielerpaares seit ihrer frühesten Kindheit auf der Bühne gestanden hatte, offenbaren eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema Erinnerung und Gedächtnis. Ihre geplanten Memoiren stellte sie nie fertig.51 Überliefert ist hingegen ein anderes Erinnerungsdokument, das überwiegend in den 1830er Jahren datiert und somit eine wichtige Phase in Schröder-Devrients erfolgreicher Karriere begleitete: ein dunkelbraunes Album im Hochformat in einem dekorativen, mit Prägungen und Goldverzierungen versehenen Ledereinband.52 Unter Einbeziehung der bekannten biographischen Eckpunkte ist festzustellen, dass die Einrichtung des Stammbuchs genau in die Zeit fällt, in der die Sängerin ihre ersten internationalen Konzertreisen, zunächst nach Paris und später nach London, unternahm. Die Verknüpfung von Objekt und menschlicher Biographie zeigt sich im Folgenden besonders prägnant. Zu Wilhelmine Schröder-Devrient (1804–1860), die vor allem wegen ihrer überzeugenden darstellerischen Fähigkeiten als Sängerin erinnert wird, wurde bisher wenig geforscht.53 Tatsächlich absolvierte sie zunächst eine Schauspielund Tanzausbildung und wechselte mit diesen Grundlagen ins Gesangsfach, in dem sie schnell Fuß fasste und auf höchstem Niveau reüssierte. Carl Maria von Weber, Ludwig van Beethoven und Felix Mendelssohn Bartholdy schätzten sie hoch; Robert Schumann widmete ihr den Liederzyklus Dichterliebe op. 48. Zu ihren wichtigsten Rollen zählen die Agathe aus Webers Freischütz, die Euryanthe in der gleichnamigen Weber-Oper sowie die Leonore in Beethovens Fidelio; auch in der Hosenrolle des Romeo in Bellinis I Capuleti e i Montecchi, die sie ob der darstellerischen Herausforderung besonders schätzte, feierte sie Erfolge.54 In den 1840er Jahren etablierte sie sich als Wagner-Interpretin und verkörperte in Dresden die Hauptrollen in den Uraufführungen von Rienzi (20. Oktober 1842), 50 51 52 53

Brief zit. nach Wolzogen 1863, S. 348. Ebd., S. 346f. D-WRgs, GSA 25/W 366 (im Folgenden = WSD). Das Album misst 28,4 cm × 24 cm × 3,4 cm. Zur Orientierung vgl. MUGI: Appold 2008. Die immer noch umfassendste Biographie zu Schröder-Devrient stammt von Alfred von Wolzogen (1863). Eine aktuelle wissenschaftliche Monographie steht bis heute aus. 54 Vgl. Wolzogen 1863, S. 227–232.

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Der fliegende Holländer (2. Januar 1843), und Tannhäuser (19. Oktober 1845). Bekanntermaßen zählte Richard Wagner, den sie maßgeblich inspirierte, zu ihren größten Bewunderern.55 Das Stammbuch von Wilhelmine Schröder-Devrient enthält jedoch weder ein Autograph von Wagner noch scheint es überhaupt in den 1840er Jahren häufig zur Hand genommen worden zu sein. Nur zwei Albumblätter datieren in diesen Jahren; beide Texte wurden nachträglich eingefügt und nicht direkt in das Album eingetragen. Insgesamt umfasst das Stammbuch auch nur die im Vergleich zu anderen Alben relativ geringe Anzahl von 25 Beiträgen, was darauf verweist, dass die Sängerin eher sporadisch und nicht mit anhaltender Begeisterung sammelte. Mit dem Band liegt ein Mischalbum vor, das neben Texteintragungen, Erinnerungsblättern und einem eingeklebten Brief Notenautographe und Zeichnungen enthält. Von den 25 Beiträgen wurden nur zehn direkt auf den Albumseiten ausgeführt, so dass der Aspekt der Verwahrung und Zusammenführung von persönlichen Erinnerungsdingen in einem angemessenen und dekorativen Rahmen bei der Benutzung des Musik-Stammbuchs im Vordergrund gestanden haben dürfte. Das älteste im Album enthaltene Objekt ist ein Brief des Dramatikers August von Kotzebue vom 21. April 1813 – dem Inhalt nach zu schließen an die Mutter Schröder-Devrients, die Schauspielerin Sophie Schröder (1781–1868), gerichtet.56 Die späteste Datierung, vom 22. April 1853, weist eine in Paris entstandene Bleistiftzeichnung von Ernst Benedikt Kietz auf.57 Im Jahr 1813, in dem der Brief von Kotzebue geschrieben wurde, bestand das Album zweifellos noch nicht, so dass davon auszugehen ist, dass der Brief später darin aufgenommen wurde. Auf den Kotzebue-Brief folgen chronologisch eine Dichtung aus bisher nicht identifizierter Hand vom August 1829,58 ein Stammbuchblatt von Goethe aus Weimar vom 24. April 1830 und ein Blatt von Wilhelm Smets, datiert auf den 6. September 1830 in Hersel bei Bonn. Wie der Brief wurden auch beide Stammbuchblätter eingeklebt, so dass unklar bleibt, ob das Album bei deren

55 »[…] alle meine Kenntniß von der Natur des mimischen Wesens verdanke ich dieser großen Frau«. Wagner 1872, S. 72–85, hier: S. 75. Vgl. auch MUGI: Appold 2008. 56 »Madam! / Mit vielem Vergnügen habe ich durch den Herrn Collegien-Rath / von Riesemann vernommen, daß Sie die Gefälligkeit haben / wollen, die Rolle der Professorin im verbannten Amor zu über- / nehmen. Ich sage Ihnen dafür meinen verbindlichen Dank, / verspreche zugleich daß Sie diese Rolle für immer behalten werden, / und verbleibe mit ausgezeichneter Hochachtung / Ihr gehorsamer Diener Kotzebue. / d.[en] 21sten April. 13.« WSD f.11r. 57 Die rätselhafte Zeichnung eröffnet den Blick aus einem mit Schienen ausgestatteten Tunnel in eine Landschaft und ist übertitelt mit: »Durch Nacht zu Licht«. WSD f.91r. 58 Die längere Dichtung ist wie folgt überschrieben: »An meine theuerste Freundin, Wilhelmine Schröder Devrient, nach Empfang Ihres Briefes vom 10. August 1829.« WSD f.14r.

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Entstehen bereits bestand. Der erste tatsächlich im Stammbuch ausgeführte Eintrag von der Sängerin Giuditta Pasta stammt aus dem Jahr 1831. Die auf die Jahre 1831/32 zurückgehenden Einträge korrespondieren mit der größten Sammelaktivität in der Chronologie des Albums und begleiteten zugleich die ersten internationalen Konzertreisen Schröder-Devrients. Die Anschaffung des Albums scheint demnach in direktem Bezug zu den anstehenden Reisen und der Aussicht auf neue, illustre Bekanntschaften gestanden zu haben. Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Prägung der Erinnerungskultur lag es nahe, diese in Gestalt von Autographen in einem Album festzuhalten. Dabei ist denkbar, dass Schröder-Devrient das Album selbst kaufte, wahrscheinlicher ist es jedoch, dass jemand aus ihrem Umfeld ihr das Stammbuch schenkte bzw. auf die Reise mitgab. Möglich ist auch, dass das Stammbuchblatt von Goethe Auslöser für die Einrichtung des Albums war. Um ihre Karriere voranzutreiben, reiste Wilhelmine Schröder-Devrient im Frühjahr 1830 erstmals nach Paris. Im Vorfeld besuchte sie zunächst Weimar, wo sie sich in mehreren Rollen am Theater präsentierte. Während des Aufenthalts bemühte sie sich erfolgreich um die Bekanntschaft Johann Wolfgang von Goethes, für den sie im privaten Kreis gesungen haben soll.59 In der Biographie von Wolzogen findet auch das bereits angesprochene Goethe’sche Stammbuchblatt mit der kolorierten Zeichnung eines auffliegenden Adlers mit goldener Lyra Erwähnung (siehe Tafel 2).60 Den besonderen Wert des Blattes für die Adressatin verdeutlicht dessen Positionierung an erster Stelle im Album, zusätzlich unterstrichen wird die Bedeutung durch die Einfassung in den auf der Albumseite vorgedruckten goldenen Zierrahmen. Zitiert wird die letzte Strophe (Vers 22– 25) aus Goethes Bildgedicht Adler, mit einer Leier nach oben strebend:61 Guter Adler! nicht in’s Weite, / Mit der Leyer nicht nach oben! Unsre Saengerin begleite, / Dass wir Euch zusammen loben. Weimar / 24. Apr. 1830 / Goethe62

Anfang Mai 1830 traf Wilhelmine Schröder-Devrient schließlich in Paris ein, wo sie in den folgenden Wochen mit der deutschen Operngesellschaft von Joseph August Röckel in verschiedenen Rollen auf der Bühne stand. Besondere 59 Wolzogen 1863, S. 146. 60 Ebd. Wolzogen gibt das Datum des Eintrags falsch wieder: »Weimar, den 22. April 1830«. Weiterhin weichen die Verse in der Interpunktion und Schreibweise leicht vom tatsächlichen Text auf dem Stammbuchblatt ab. 61 Goethes Werke 1891, S. 132f. Der zweite Vers der letzten Strophe lautet hier abweichend: »Mit der Leier fort nach oben«. Ebd., S. 133. Für eine Interpretation des vollständigen Bildgedichts vgl. Ettlin 2010, S. 130–134. 62 WSD f.4r.

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Erfolge verbuchte sie als Agathe und Leonore.63 Nach dem Paris-Aufenthalt kehrte sie zunächst nach Deutschland zurück und nahm sich eine längere Auszeit bis Anfang November. Im September besuchte sie ihren Halbbruder Wilhelm Smets (1796–1848) in Hersel bei Bonn,64 der für sie ein schmuckloses Stammbuchblatt mit folgendem Text gestaltete: Wenn den Adler, schützend auf der Reise, / Göthe heißet mit Dir ziehn, / Steht es mir an, daß den Herrn ich preise, / Der Dir himmlischen Gesang verliehn, / Der Dich Schwester-Sängerin begleite, / Huldvoll lenkend Deines Lebens Stern, / Zögst du dann auch in die fernste Weite, / Stets vereint sind wir im Geist des Herrn. / Hersel, d. 6 Sept. 1830 / Von deinem Bruder Dr. Wilhelm Smets.65

Wilhelm Smets, der in Hersel als Pfarrer wirkte, stellt in seinen Versen einen unmissverständlichen Bezug zum Albumblatt von Goethe her. Entweder zeigte ihm seine Schwester also einfach das lose Stammbuchblatt Goethes oder sie hatte es bereits in das Stammbuch eingeklebt, das sie Smets vorlegte. Bezüglich der Motivation und des Entstehungskontextes des Albums ist zu beobachten, dass sowohl Goethe als auch Smets in ihren Versen die Reisetätigkeit der Sängerin thematisieren und ihr aus jeweils individueller Perspektive ein gutes Geleit wünschen. Auch für das Jahr 1831 hatte Wilhelmine Schröder-Devrient längere Auslandsaufenthalte geplant. Bevor sie erneut nach Paris reiste, gastierte sie von Januar bis März in Berlin,66 wo der Kritiker Ludwig Rellstab sie mit einem Huldigungsgedicht für ihr Stammbuch bedachte.67 In Paris präsentierte sich Schröder-Devrient ab Mai 1831 wiederum mit der deutschen Operngesellschaft.68 Im Juli verpflichtete sie sich dann beim Théâtre Italien für die Wintersaison 1831/32. Obwohl die Saison bereits am 1. September begonnen hatte, erhielt die deutsche Sopranistin erst am 1. November die Gelegenheit zu einem ersten Auftritt als Donna Anna. Am Théâtre Italien, in der Salle Favart, traf Wilhelmine Schröder-Devrient auf die großen italienischen Sänger:innen der Zeit, mit denen sie in direkte Konkurrenz treten musste, darunter Giuditta Pasta, Maria Malibran, Eugenia Tadolini, Giovanni Battista Rubini, Luigi La­ blache.69 Aus dem Kontakt zu den italienischen Kolleg:innen ging der nur mit der Jahresangabe 1831 versehene Albumeintrag der legendären Giuditta Pasta 63 64 65 66 67 68 69

Wolzogen 1863, S. 147–158. Ebd., S. 160. WSD f.5v. Wolzogen 1863, S. 162f. WSD f.12r. Es handelt sich um ein eingeklebtes Albumblatt. Wolzogen 1863, S. 180f. Ebd., S. 185.

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hervor, deren Karriere zu Beginn der 1830er Jahre bereits ihrem Ende entgegenlief.70 I voti della vostra Giuditta vi precederanno [mai?] sempre / nella brillante carriera in cui vi sono compagne la natura e l’arte / Giuditta Pasta / 183171

Auch der Eintrag ohne Datums- und Ortsangabe des Tenors Giovanni Battista Rubini, mit dem Wilhelmine Schröder-Devrient während ihres Engagements beim Théâtre Italien wiederholt gemeinsam auf der Bühne stand,72 dürfte in Paris entstanden sein: Figlia d’Euterpe, Ella t’aprì le porte / del tempio sacro all’armonia del canto / pari al tuo [mirto?] fia propizia sorte / chè dall’itala scena or porti il vanto. / Ma nel partir ti da un addio Rubini / che ti augura ogni bene e assai quattrini / Gio. Batta Rubini73

Beide Einträge bringen ein kollegiales Verhältnis zu der etwas jüngeren deutschen Sängerin zum Ausdruck und bezeugen Sympathie, die im Falle von Rubinis Text insbesondere durch den Stilbruch im Wunsch für ein gutes finanzielles Auskommen der Sopranistin durchscheint. Schon mit dem Ende der Wintersaison nahm Schröder-Devrient allerdings, im Frühjahr 1832 als Imogene in Bellinis Il Pirata,74 ihren Abschied vom Théâtre Italien. Eine Rolle spielten dabei sicher ihr nur mittelmäßiger Erfolg mit dem Repertoire und die wenigen von der Kompanie gebotenen Auftrittsgelegenheiten, die durch die starke Konkurrenzsituation bedingt waren. Von Paris reiste sie weiter nach London, zu ihrem ersten englischen Gastspiel. In London wurde Schröder-Devrient von Thomas Monck-Mason für seine Operngesellschaft unter Vertrag genommen.75 Dort präsentierte sie sich über70 1835 zog sich die Pasta weitgehend von der Opernbühne zurück; dies war zum einen stimmlichen Problemen, zum anderen dem Ende der italienischen Opera seria der Frühromantik um Bellini, Rossini und Donizetti geschuldet. MUGI: Charton 2014. 71 WSD f.5r. »Die Wünsche Eurer Giuditta werden immer der glänzenden Karriere vorausgehen, in der Natur und Kunst einander begleiten.« (Ü.d.V.) 72 Bei ihrem ersten Auftritt am 1. November sang Rubini den Don Ottavio; am 14. November, in Rossinis Othello, sang er den Rodrigo, Malibran verkörperte Othello, während Schröder-Devrient die Rolle der Desdemona übernommen hatte. Wolzogen 1863, S. 185f. Auch an einem Konzert am 25. Dezember im Théâtre Italien wirkten, neben Bériot, Herz, Malibran, Lablache u. a., SchröderDevrient und Rubini mit. Ebd., S. 198. 73 WSD f.9r. »Tochter der Euterpe, sie öffnet dir die Pforten / des heiligen Tempels zur Harmonie des Gesangs / gleich deinem […?] sei ein günstiges Schicksal / dem die italienische Bühne nun Ruhm beschert. / Im Scheiden schickt dir Rubini einen Abschiedsgruß / der dir alles Gute und genug Moneten wünscht«. (Ü.d.V.) 74 Wolzogen 1863, S. 195f. 75 Monck-Mason leitete die deutsch-französisch-italienische Operngesellschaft, wobei die drei Truppen abwechselnd im King’s Theatre spielten. Ebd., S. 201.

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wiegend als Fidelio und bestritt sowohl ihr Debüt, am 18. Mai, als auch ihre letzte Vorstellung, am 20. Juli, in dieser Rolle.76 Während des Londoner Gastspiels wurde das Album durch insgesamt fünf Beiträge erweitert. Die drei Einträge vom Juli 1832 stehen in engem Bezug zum nahenden Abschied der Sängerin. Am Tag ihrer letzten Aufführung in der Rolle des Fidelio, am 20. Juli 1832, entstand der Eintrag von Fran[t]z und Fanny Stockhausen:77 Wie gern wünsche ich hier ausdrücken zu / können, große Sängerinn! wie deine geistes/ volle Stimme meine Seele bezaubert, wenn / dein großer Genius durch Mozarts, Beethoven’s / und Webers Leyer erweckt ist, aber ich / darf es nicht erwagen. / Ich würde mich hoch beglückt fühlen, wenn / auch dieses einfache Hirten-Lied, von deinen / zauberhaften Tönen nicht verschmähet würde, / und [du] dich dadurch zuweilen erinnern würdest / an deine Freunde / Frantz Stockhausen / und / Fanny Stockhausen / London den 20ten Juillet 1832.78

Margarete »Fanny« Stockhausen,79 die von George Smart maßgeblich gefördert und als Oratoriensängerin aufgebaut wurde, war 1827 erstmals in London aufgetreten und feierte dort bis ins Jahr 1840 große Erfolge – zunächst, wie zuvor in Paris, mit dem elsässischen und Schweizer Volksliedgut.80 Das im Eintragstext erwähnte »Hirten-Lied«, das nicht im Stammbuch erhalten ist, wird zu diesem Repertoire gehört haben. Auf den 21. Juli 1832, einen Tag nach den Erinnerungszeilen der Stockhausens, datiert ist der Eintrag einer Schreiberin, deren Identität ich anhand der charakteristischen Unterschrift, im Rahmen eines Handschriftenvergleichs, ermitteln konnte.81 Es handelt sich um die populäre französische Schauspielerin Anne-Françoise-Hippolyte Boutet (1779–1847), die als Mademoiselle Mars 76 Ebd., S. 201f. Insgesamt fanden elf Fidelio-Aufführungen statt; außerdem präsentierte sich die Sängerin in London als Lady Macbeth (Chelard) und als Donna Anna (Mozart). Ebd., S. 205–207. Nach ihrem letzten Auftritt am 20. Juli kehrte Schröder-Devrient nach Deutschland zurück; in Dresden trat sie erstmals wieder am 11. September 1832 als Fidelio auf. Ebd., S. 211. 77 Margarete Stockhausen (geb. Schmuck, 1803–1877), genannt »Fanny«, und Franz Stockhausen (1789–1868) hatten sechs gemeinsame Kinder, darunter der Bariton Julius Stockhausen (1826– 1906), der vor allem als Lied- und Oratoriensänger Bekanntheit erlangte. Vgl. Kutsch/Riemens 2003, S. 4546. 78 WSD f.7v. 79 Eine Konzertankündigung vom 15. Dezember 1827 bezeugt die Verwendung des Namens »Fanny«: »M. et madame Stockhausen, de retour à Paris, depuis quelques jours, donneront […] un grand concert vocal et instrumental. Madame Fanny Stockhausen chantera dans l’idiôme du pays de nouveaux airs suisses.« Journal des Dames 1827, S. 544. 80 Vgl. Moscheles 1872, S. 176f. 81 Im von unbekannter Hand erstellten Inhaltsverzeichnis des Albums wird die Einträgerin als »Mary« gelistet.

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über Jahrzehnte an der Pariser Comédie-Française wirkte.82 Ins Album schrieb sie: Je desire que ce petit griffonnage me rappèle quelques / fois au souvenir de Madame Devrient, donc j’aime le / talent, la personne, et que je suis charmée d’avoir connue. / Mars / London, ce 21 juillet 1832.83

Wilhelmine Schröder-Devrient wird Mademoiselle Mars, die wohl ebenfalls in London gastierte, im aristokratischen Salonumfeld begegnet sein. Als in London gastierende und gefeierte Sängerin kam sie nicht umhin, bei entsprechenden Gesellschaften zu verkehren. In der Wolzogen-Biographie ist dazu zu lesen: Indessen genügte schon die allgemeine Begeisterung, welche ihr Fidelio hervorgerufen, vollkommen, um sie in der Riesenstadt »in die Mode zu bringen«. Alle Welt drängte sich, sie zu hören und zu sehen; in allen Salons wurde sie bewundert; eine Einladung zu einer musikalischen Soirée ohne sie war in den fashionablen Kreisen kaum mehr denkbar […].84

In diesem Rahmen muss Schröder-Devrient auch auf Dorothea Herzogin von Dino, geb. Prinzessin zu Kurland, getroffen sein, die zu Beginn der 1830er Jahre in London als Beraterin des französischen Botschafters Talleyrand erheblichen politischen Einfluss erlangt hatte.85 Die Herzogin hinterließ folgende Widmung im Stammbuch: Der schönen Künstlerin, den lieblichen Vaterländischen / Tönen, herzlichst gewidmet. / Dorothea H. von Dino, / geb. [Pr.?] zu Curland / London – 4ten Juny 1832.86

Die offensichtlich schnell ausgeführten Zeilen sind zum einen inhaltlich interessant, verweisen sie doch auf die sich andeutende musikalische Bezugswelt der supranational wirkenden Aristokratin, die an Schröder-Devrients weitgehend deutsches Repertoire anknüpft. Zum anderen sind in der Handschrift Ausstreichungen der Abkürzung »H.« für Herzogin und des Kürzels für Prinzessin aus82 Vgl. Jal: Dictionnaire 1867, S. 841. 83 WSD f.8r. »Ich wünsche, dass diese kleine Kritzelei Madame Devrient, deren Talent und Person ich mag und die ich entzückt bin kennengelernt zu haben, gelegentlich an mich erinnert.« (Ü.d.V.) 84 Wolzogen 1863, S. 207f. 85 Dorothea Herzogin von Sagan (1793–1862), als Prinzessin Dorothea von Kurland (heute Lettland) in Berlin geboren, trug seit 1817 den Titel der Herzogin von Dino. Sie hatte 1809 einen Neffen des französischen Außenministers Charles-Maurice de Talleyrand geheiratet, bei dem sie nach dem Scheitern ihrer Ehe ab 1816 lebte. Sie begleitete Talleyrand nach London, als dieser dort von 1830 bis 1834 als französischer Botschafter wirkte, und war dessen Assistentin und Beraterin. Vgl. Erbe 2009, S. 76–90. 86 WSD f.6r.

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zumachen. Auf wen die mutmaßlichen Tilgungen der Adelstitel zurückgehen und mit welcher Intention sie ausgeführt wurden, bleibt unklar.87 Mit dem Eintrag, der zwei Tage nach den Zeilen der Herzogin von Dino zustande kam, geht ein erneuter Wechsel des Umfelds und der persönlichen Nähe einher. Am 6. Juni 1832 schrieb sich mit der deutschen Schauspielerin Amalie Haizinger eine befreundete Künstlerkollegin, die sich ebenso wie Schröder-Devrient lediglich vorübergehend in London aufhielt, in das Album ein: Dass in vollem Tugendglanze / Dein Talent die Welt entzückt, / Dafür mit dem Lorbeer=Kranze / hat sie Deine Stirn geschmückt / Doch um größern Reitz zu kennen / Muss man Freundin sich Dir nennen. / Amalie Haizinger Neumann. / London den 6t Junj 1832.88

Neben den beiden Künstlerinnen gehörten zu dem deutschsprachigen Kreis, der sich in London in diesen Monaten zusammengefunden hatte, Amalies Mann, der Tenor Anton Haizinger, sowie der Bariton Franz Xaver Hauser, deren Umgang nahelag, stand Schröder-Devrient doch mit letzteren beiden gemeinsam im Fidelio auf der Bühne. Die Runde traf sich wiederholt im Haus von Ignaz und Charlotte Moscheles am Chester Place (vgl. Kap. 3.6.2). Musik und dem gemeinsamen Musizieren und Singen kam dabei eine zentrale Rolle zu. Den Unterschied zwischen dieser freiwilligen Geselligkeitsform in der Freizeit und der Salongeselligkeit der höheren Gesellschaftsschichten, in denen die geladenen, in der Regel bezahlten Musiker:innen als Statussymbol der Gastgeber:innen fungierten, veranschaulicht folgender in der Moscheles-Biographie von 1872/73 überlieferter Ausspruch der Schröder-Devrient: »Ach, Kinder, für Euch singe ich ja gerne, aber denkt Euch eine steife englische Soirée, wo ich stockstill stehen muss und die Ladies mich darauf ansehen, wie ich mich benehme; das quetscht mir die Kehle zu, die Conductors accompagniren auch nicht immer, wie ich will; genug, ich fühle mich nicht frei, wie bei Euch.«89

Wenngleich das Zitat von Charlotte Moscheles sicher idealisiert aus der Erinnerung niedergeschrieben und nicht zuletzt herangezogen wurde, um die ungezwungene und freundschaftlich-lockere Atmosphäre am Chester Place zu illustrieren, gestattet es doch einen Eindruck von der geselligen Freizeitgestaltung der Runde. In diesem Kontext ist auch das fünfte in London entstandene Stammbuchblatt vom 27. Juli 1832 zu verorten (siehe Tafel 3), für das Ignaz 87 Naheliegend erscheint, dass die Eingriffe in den Text in Zusammenhang mit Schröder-Devrients politischer Gesinnung stehen. 88 WSD f.7r. 89 Moscheles 1872, S. 243.

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Moscheles ein Klavier-Impromptu komponierte (vgl. Kap. 3.9.2).90 Auf Schröder-­Devrients Erfolge und ihre wichtigsten Opernrollen anspielend verwendete er dafür Musikzitate aus Werken von Weber, Beethoven und Haydn. Auch im Eintrag von Franz und Fanny Stockhausen wird in Bezug auf die Sängerin mit der Trias Mozart-Beethoven-Weber eine Konstellation angesprochen, die veranschaulicht, in welchem Maße in den frühen 1830er Jahren der bis heute bestehende Kanon bereits in der zeitgenössischen Musikkultur verankert war. Das Musik-Stammbuch von Wilhelmine Schröder-Devrient dokumentiert in einzigartiger Weise eine wichtige Phase in der Karriere und Biographie der Sängerin, die ihr Album anlässlich ihrer ersten Auslandsgastspiele in Paris und London zu führen begann. Das Stammbuch begleitete sie auf ihren Reisen, so dass sie darin Erinnerungen an Kolleg:innen, Freund:innen und Verehrer:innen festhalten konnte. Nur wenige Albumblätter entstanden in späteren Jahren, überwiegend handelt es sich um auf separaten Blättern ausgeführte Huldigungsgedichte und Gedenkverse, u. a. von Christoph August Tiedge, Theodor Hell, Heinrich Peucer und Ida Gräfin Hahn-Hahn.91 Im August 1838 scheint das Album noch einmal für direkte Eintragungen verwendet worden zu sein: In Dresden entstand eine mit den Initialen »G. W.« signierte Landschafts­z eich­ nung,92 außerdem eine kurze Romance in Des-Dur für Violine und Klavier, die Charles de Bériot der Sängerin widmete.93 Generell bringen fast alle Beiträge Verehrung und Respekt für das Künstlertum der Wilhelmine Schröder-Devrient zum Ausdruck – sowohl von Seiten ihrer Musiker- und Künstlerkolleg:innen als auch von Seiten ihrer Bewunderer und Bewunderinnen. So beleuchtet das Stammbuch ihren Lebensweg aus einer weiteren Perspektive, wobei es zugleich als ›Verdinglichung‹ ihres Erfolgs als Sängerin aufgefasst werden kann. Anhand des Albums mag sich Schröder-De­ vrient in späteren, weniger glücklichen Jahren an ihre Wirkungsmacht als Sängerin und an die damit verbundene Aufmerksamkeit erinnert haben. Aus heutiger Sicht stellt das Musik-Stammbuch, als biographische Form, wie gezeigt werden konnte, ein aussagekräftiges Element des Life-Writing dar.

90 WSD f.10r. 91 Einen sehr vertraulichen Ton schlägt, wie häufig zu beobachten ist, der undatierte Eintrag auf der letzten Albumseite an: »Habe ich Sie zuweilen während Ihres Hinsagens / ohne meinen Wunsch beleidigt, so verzeihen Sie / mir und glauben dass es ohne mein Wissen geschah, / könnte ich mein Leben für Ihr Glück hingeben, es / geschähe mit Freuden und Wonnen, und sollten / Sie einst in irgend einer Lage Ihres Lebens / eines zuverlässigen Freundes bedürfen, der / stets Ihr Eigenthum ist, so vergessen / Sie nicht Ihren bis in den Tod treu ergebenen / J. E.« WSD f.117r. 92 WSD f.90r. 93 WSD f.44r.

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2.1.4 Mit Albumblättern auf Spurensuche. Ferdinand und Antolka Hiller in Italien (1838–42) Auch in Hinblick auf die Biographie und die Kontakte Ferdinand Hillers (1811– 1885) und jene seiner Frau, der Sängerin Antolka geb. Hogè (1820–1896), stellen Stammbuchblätter eine aufschlussreiche Quelle dar. Die darüber hinaus reichende Aussagekraft der zur Erinnerung notierten Musik, die im besten Fall Rückschlüsse auf die Adressatin ebenso wie auf mögliche Motivationen und Inspirationen des Schreibers zulassen, zeigte Anselm Gerhard eindrücklich anhand eines einzeln überlieferten Albumblatts mit einer barkarolenartigen Komposition auf, die Giuseppe Verdi am 23. Mai 1877 für »Madame Hiller« in Köln niedergeschrieben hatte.94 Daran anknüpfend möchte ich im Folgenden auf Grundlage von 19 im italienischen Raum entstandenen Beiträgen aus dem Hiller-Album, die hier erstmals gezielt ausgewertet werden, den Kontakten Ferdinand und Antolka Hillers in Italien im Zeitraum zwischen 1838 und 1842 nachgehen. Auf diese Weise kann der kulturelle Horizont des Paars aus innovativer Perspektive nachgezeichnet und zugleich die vorliegende Forschung zu Hillers Zeit in Italien bereichert werden.95 Dabei stellen die in Italien entstandenen Albumblätter nur einen kleinen Teil des mit mehr als 350 Beiträgen ausgesprochen umfangreichen Hiller-Albums dar, dessen großes Erkenntnispotenzial für weitere Forschungen zu nutzen wäre.96 Bisher nicht registriert wurde insbesondere, dass manche darin enthaltene Beiträge ausschließlich Antolka Hiller adressieren, so dass das Album zumindest zu einem Teil auch als gemeinsames Erinnerungswerk der Eheleute Hiller zu betrachten ist. So widmete etwa Ignaz Moscheles sowohl Ferdinand (1830) als auch Antolka Hiller (1845) jeweils ein Stammbuchblatt (vgl. Kap. 3.9.1 und 3.9.4). Die heute im Kölner Stadtarchiv verwahrte Sammlung von 386 Einzelblättern wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt in einem großformatigen, dunkelbraunen 94 Gerhard 2016. Anselm Gerhard trug bei dieser Gelegenheit auch die bisher umfassendsten Informationen zur Biographie Antolka Hillers zusammen. Ebd., S. 71–77. Zu weiteren Albumblättern aus Verdis Feder vgl. Gerhard/Schweikert 2013, S. 580–585. 95 Das Album wurde bisher in der Hiller-Forschung kaum einbezogen. In der aktuellen Monographie zu Ferdinand Hiller, die die vielfältigen Ergebnisse eines 2011 veranstalteten Symposiums zusammenträgt, wird das Album in einigen wenigen Beiträgen am Rande thematisiert; bezüglich der Jahre in Italien (1837–1842) spielen nur die wichtigsten Stationen des Komponisten, Mailand und Rom, eine Rolle. Vgl. Ackermann/Jacobshagen u. a. 2014. 96 D-KNa, Bestand 1051, A 1 (im Folgenden = FH). Die Angabe von mehr als 350 Beiträgen, darunter auch anonyme und bisher nicht identifizierte Handschriften, folgt meiner Zählung. Für eine alphabetische Listung der Einträger:innen, die 315 Namen umfasst, vgl. Sietz 1953, S. 279–283. Zu Sietz’ Perspektive vgl. Kap. 1.2.4.

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Lederband mit der goldgeprägten Aufschrift ›Album‹ zusammengeführt. In Hinblick auf die in Format und Papiersorte sehr verschiedenartigen Blätter ist davon auszugehen, dass Ferdinand Hiller sein Stammbuch als zusammengehörige Loseblattsammlung verstand, deren Ordnung in einem Albumverbund er vermutlich in erster Linie selbst verantwortete. Gut vorstellbar ist auch, dass ein oder gar mehrere gebundene Stammbücher für direkte Einträge existiert hatten, die aufgrund des wachsenden Umfangs der Sammlung aufgelöst und in einen neuen Sammlungszusammenhang übertragen wurden. Denn anhand der Beiträge wird immer wieder deutlich, dass Hiller das Album den Eintragenden vorlegte oder mitgab. Dies belegen, neben dem bereits zitierten Briefwechsel mit August Kestner (vgl. Kap. 1.1.5), die zahlreichen Demutsbekundungen in den Widmungstexten angesichts der ›großen Namen‹ im Album ebenso wie etwa der Eintrag von Elise Polko, die Hillers Sammlung in einem Huldigungsgedicht direkt thematisiert: In das große Hiller-Album. / Sylvesternacht des Schmerzenjahres / 1882–83. / Dein Buch ist einem Festsaal gleich / Drinn’ sich zusammenfanden / Gestalten, wechselvoll u. reich / Aus aller Herren Landen. / Und wundersüß Erinnerungsduft / Entströmet seinen Seiten / Dein Harfenklang durchrauscht die Luft, / Ein Gruß aus alten Zeiten. / Der ersten Jugend Märchenglück / Es steigt empor so leise / Zieht unaufhaltsam dich zurück / In seinen Zauberkreise. / Wo überall in Flur u. Hain / Die Lerchen jubelnd sangen / Und à la Heine, groß u. klein / Viel tausend Knospen sprangen. / In diesem Buche blüht es fort / Dein Glauben, Hoffen, Lieben – / Du liest darin das Trosteswort: / Die Treue ist geblieben. Eine Getreue grüßt ihren lieben Meister. / Elise Polko / Deutz a/ Rhein97

Weniger poetisch fiel hingegen der Beitrag Hector Berlioz’ aus, der in einem kurzen Billet über Hillers Sammeleifer spottete: Paris 27 Sept: 1852 / Comment! Vous aussi? … / Je croyais qu’étant exposé vous même / aux tentatives des collecteurs d’albominations / vous sentiriez combien il est de votre devoir / d’en garantir vos amis! Je me suis / trompé. Votre procédé est albominable! / Mettez cette vérité sur votre album / et méditez là quelquefois. […] Mille amitiés. / Hector Berlioz98 97 FH f.128. Polkos Formulierung »Sylvesternacht des Schmerzenjahres« bezieht sich auf den im Sommer 1882 erlittenen Verlust ihres Sohnes. Vgl. Polkos Brief vom 9. November 1882: »[…] Wir haben ja vor fünf Monaten unser einziges Kind, unsern heiß geliebten, erwachsenen Sohn Walter verloren!«. Zit. nach der Abbildung des bei Kotte Autographs online zum Verkauf gebotenen Briefes (Zugriff: 11.10.2019, Link siehe Literaturverzeichnis). 98 FH f.306. »Wie! Sie auch? … / Ich glaubte, da Sie selbst den Anfragen der Sammler von AlbumAbscheulichkeiten [›albomination‹ = Wortspiel mit ›abomination‹ und ›album‹] ausgesetzt sind, würden Sie fühlen, wie sehr es Ihre Pflicht sei, Ihre Freunde damit zu verschonen! Ich habe mich geirrt. Ihr Vorgehen ist albuminös! [›albominable‹ = Wortspiel mit ›abominable‹ und ›album‹] Fügen Sie diese Wahrheit in Ihr Album ein und denken sie darüber manchmal nach. […] Sehr freundschaftlich / Hector Berlioz«. (Ü.d.V.) Der Text ist vollständig abgedruckt in: Sietz 1953, S. 272f.

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Solcher Kritik völlig ungeachtet sammelte Ferdinand Hiller über einen Zeitraum von sechs Jahrzehnten Stammbuchblätter, wobei ihm kaum eine Handschrift der vielen bekannten Personen, auf die er im Laufe seines Lebens traf, entging. Die frühesten Beiträge entstanden im Jahr 1825 und adressieren einen Dreizehnjährigen; die spätesten Blätter datieren vom Dezember 1884, wenige Monate vor Hillers Tod. 146 Albumblätter umfassen Kompositionen bzw. Notenbeigaben. Hiller wandte sich mit seinen Bitten um Stammbuchbeiträge jedoch keineswegs nur an Musiker:innen, Sänger:innen und Komponist:innen.99 Mit seinem Album schuf er ein eindrucksvolles Panorama all jener Persönlichkeiten, die das öffentliche Kulturleben im Europa des 19. Jahrhunderts maßgeblich bestimmten und prägten. Die im italienischen Raum gesammelten Beiträge im Stammbuch datieren zwischen 1838 und 1842 und korrespondieren mit Ferdinand Hillers Zeit in Italien. Mit Unterbrechungen lebte er von 1837 bis 1842, zunächst in Mailand und Como, später gemeinsam mit seiner Frau Antolka in Rom. Die im italienischen Raum entstandenen Beiträge im Hiller-Album Silvio Pellico

[o.O.]

15.9.1838

Billet

Gustav Kühne

Comer See

25.9.1840

Texteintrag

Eduard Gans Otto Nicolai

François Fétis

Henri Lehmann

Deutscher Singverein [?]

Mary Somerville Guido Görres Carl Helsted

August Kestner

Friedrich Overbeck Antonio Fanna

Giovanni B. Perucchini Giuseppe Baini Andrea Maffei

Francesco Pollini

Saverio Mercadante

Mailand Mailand Neapel Rom Rom Rom Rom Rom Rom Rom Rom

Venedig Venedig [Rom]

[Mailand ?] [Mailand ?] [o.O.]

20.10.1838 22.3.1841 1.11.1841

27.12.1841 14.1.1842 13.3.1842 17.3.1842 29.4.1842 3.5.1842

26.5.1842 31.5.1842 30.6.1842 3.7.1842 [o.D.] [o.D.] [o.D.] [o.D.]

Gedicht

Texteintrag

Klavierstück Texteintrag

Unterschriften

Texteintrag (für Antolka) Texteintrag Gedicht

Lied (für Antolka) Texteintrag Texteintrag

Gesangsstück Gesangsstück Kanon

Gedicht

Gesangsstück Gesangsstück

99 Darunter sind Mendelssohn, Chopin, Liszt, Schumann, Brahms, Rossini, Cherubini, Spontini, Paganini sowie Viardot-Garcia, Rubini, Lind und Schröder-Devrient.

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Abgesehen von einem eine Verabredung anbahnenden Briefchen des Schrifstellers Silvio Pellico ohne Ortsangabe,100 das möglicherweise auch in Turin entstanden sein könnte, geht auf Hillers Mailänder Umfeld das Erinnerungsblatt des Juristen Eduard Gans zurück, der in einem witzig-unbeholfenen Gedicht – »[m]it gewöhnlicher Stammbuchconvenienz, aber mit außergewöhnlicher Freundschaft« – abschließend Hillers neue Oper Romilda thematisiert und ihr eine erfolgreiche Zukunft wünscht.101 Auf Vermittlung Rossinis war die Oper am 8. Januar 1839 an der Mailänder Scala uraufgeführt worden, scheiterte jedoch.102 Hiller gelang es dennoch sich soweit in Mailand zu etablieren, dass Ricordi 1840 in der Strenna Musicale – einer jährlich erscheinenden Zusammenstellung von erfolgsversprechenden Salonstücken – neben Stücken von Liszt und Donizetti ein Klavier-Impromptu von Hiller in cis-Moll (Madame I. Capelli née Defilippi gewidmet) veröffentlichte.103 Auf die Schwierigkeiten, sich als Musiker zu behaupten, spielen dann auch die Zeilen Otto Nicolais in Hillers Album an: Den Beifall der Menge zu erhalten, ist schön; – ihn zu wünschen ist / verzeihlich; – ihn zu verachten ist thöricht; – ihn zu bedürfen, ja davon / abzuhängen, ist traurig: – und das ist leider unser Loos, lieber Hiller!104

Für das Jahr 1841 kann anhand eines Presseberichts nachvollzogen werden, dass Hillers musikalisches Wirken in Mailand auch regelmäßig freitags veranstaltete Musikabende umfasste.105 Aus diesem Salonumfeld, im weitesten Sinne, dürften zwei weder mit Orts- noch Datumsangabe versehene Albumblätter hervorgegangen sein: zum einen ein längeres Gedicht von Andrea Maffei, zum anderen ein Ausschnitt aus einem Gesangsstück mit Klavierbegleitung des Komponisten Francesco Pollini mit Widmung an Hiller.106 Mutmaßlich in Mailand lernte 100 FH f.187. 101 FH f.188. Das Gedicht ist vollständig wiedergegeben in: Sietz 1953, S. 265. 102 In einer Theaterchronik des Jahres 1839 ist unter »Carnevale e Quaresima« zu lesen: »Romilda. D. s. [Dramma serio]. Musica espressamente scritta dal maestro Ferdinando Hiller; esito infelice.« Scala 1862, S. 94. Für eine ausführliche Diskussion zu den Gründen des Misserfolgs der Oper vgl. Toscani 2014. 103 Strenna 1840, S. 23–31. Die Strenna musicale des Jahres 1840 umfasst sechs Stücke: Donizetti: La Gondola, Canzone, Gabussi: La Pietà, Duetto per soprano e contralto, Hiller: Impromptu pour le PianoForte, Liszt: Reminiscences de Lucia di Lammermoor pour le Piano-Forte, Mazzucato: Je t’aime, Romance, Vaccaj: Il dolore, Canto. 104 FH f.195. Vgl. auch Sietz 1953, S. 272. 105 »Questo egregio compositore pianista [Hiller], trovasi già da qualche mese in Milano, ed in ogni venerdì si compiace combinare delle serate musicali interessantissime sotto ogni rapporto.« (Rubrik: »Miscellanea di notizie«). Glissons 1841, S. 41. 106 FH f.194, f.191.

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Hiller schließlich die in Warschau geborene Sängerin Antolka (auch: Antonietta) Hogè kennen, die er im Juni 1841 in Livorno heiratete.107 Der Eintrag des Schriftstellers Gustav Kühne, der wahrscheinlich in Hillers Domizil am Comer See entstand, scheint sich auf die anstehende Eheschließung zu beziehen: »Lieben ist halbes Glück; geliebt sein ist volle Seligkeit«. – Diese / meine eignen Worte wurden mir deutlich, als Sie gestern am Flügel / saßen. […] Ein Genius der Kunst ist zu Ihnen herabgestiegen […] und nun kommt / auch noch die Liebe und breitet ihre Flügel um Sie her. […]108

Den Winter 1841/42 verbrachte das frisch getraute Paar in Rom.109 Intensiv verkehrten die Hillers dort insbesondere mit den ausländischen, vor allem deutsch- und französischsprachigen Gesellschaftskreisen. Selbst führten sie in Rom ein offenes Haus, in dem sie regelmäßig Musikaufführungen veranstalteten.110 Ferdinand Hiller leitete darüber hinaus einen aus deutschen Künstlern bestehenden Männergesangsverein, der anhand eines Sammelautographs mit zwölf Unterschriften im Album vertreten ist.111 Zeilen zur Erinnerung an die Begegnung in Rom lieferten weiterhin der Maler Henri Lehmann sowie Friedrich Overbeck, der zu den bekanntesten Vertretern der romantisch-religiös geprägten Kunstrichtung der Nazarener zählt.112 Die schottische Naturwissenschaftlerin Mary Somerville thematisierte insbesondere die musikalische Ausrichtung des Albums, das zu diesem Zeitpunkt bereits hochkarätige, unter anderem in der Pariser Musikwelt gesammelte Notenautographe, beispielsweise von Cherubini, Spontini und Paganini, enthielt: »I have much pleasure in adding my mite / to the testimonies of distinguished musical talent / which this book contains«.113 Verse steuerten der Hannoveraner Diplomat und Sammler August Kestner sowie der Schriftsteller Guido Görres bei, dessen Gedicht »Licht und Harmonie« von der Italienerfahrung inspiriert ist.114 Der römische Komponist und Leiter der päpstlichen Kapelle Giuseppe Baini widmete Hiller, der von ihm Unterweisung im Palestrina-Stil erhalten hatte,115 107 Zu den Umständen der Eheschließung vgl. Gerhard 2016, S. 71–75. 108 FH f.244. 109 Vgl. Sietz 1958, S. 48. Zum ›musikalischen‹ Reiseziel Rom im langen 19. Jahrhundert vgl. Meine/ Grotjahn 2011. 110 Die Hillers wohnten in der Via Frattina 122, nahe der Spanischen Treppe. Noack 1927, S. 263. 111 FH f.209. Darunter sind u. a. der deutsche Maler Carl Werner (Weimar) und der dänische Künstler Christian Friderik Holbeck (Kopenhagen). 112 FH f.202, f.207. 113 FH f.205. 114 FH f.199, f.198. 115 Zum Kontakt zu Giuseppe Baini und zu Hillers Auseinandersetzung mit der römischen Vokalpo-

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einen einstimmig notierten Kanon auf einem dekorativ umrandeten, kolorierten Albumblatt (siehe Tafel 4).116 Ebenfalls ohne Datums- oder Ortsangabe notierte Saverio Mercadante die Preghiera aus seiner Oper Elena da ­Feltre.117 Auffällig sind schließlich zwei Beiträge, die sich explizit an Antolka Hiller richten und offenbar von ihr initiiert wurden. Der dänische Komponist Carl Helsted eignete der Sängerin, im Mai passend zur Saison, ein Lied (»Frühlingsglaube von Uhland« / »à Mdme Hiller«) zu,118 das er in vollständiger Fassung mit zweiter Strophe notierte, so dass ein Musizieren durch die Adressatin sicher intendiert war. Ein weiterer bisher nicht identifizierter Einträger schrieb folgenden längeren Text: Madame / Vous me demandez d’écrire deux / lignes dans votre album pour faire / suite aux noms illustres que y sont / déjà inscrits. / Je vous avoue, sans fausse modestie, / que je me reconnais trop indigne de cette / faveur pour oser obeir à votre flatteuse / demande, bien au contraire je vous / prierai de m’éviter un voisinage qui / me ferait paraître d’autant plus / petit. / Plein d’admiration pour / votre beau talent j’ai l’honneur / de vous réiterer mes très sincères compliments / Votre très humble Serviteur […]119

Neben der Beispielhaftigkeit der Formulierung hinsichtlich der sich in MusikStammbüchern des 19. Jahrhunderts immer wieder zeigenden Demutsbezeugungen der Eintragenden ist an dem Text interessant, dass darin von dem Album Antolka Hillers die Rede ist und von ihrer aktiven Rolle bei der Gestaltung des Albums ausgegangen wird. Sie führte somit das Hiller-Album entweder nach der Heirat mit ihrem Ehemann gemeinsam oder es gab zu diesem Zeitpunkt ein separates Stammbuch in ihrem Besitz, das heute nicht mehr existiert. So könnten die an Antolka adressierten Albumblätter im Hiller-Album darauf hindeuten, dass ihr Album aufgelöst wurde und vollständig oder in Teilen in die heute vorliegende Sammlung überging. Eine solche Konstellation kennzeichnet beispielsweise das Schumann-Album (vgl. Kap. 2.2.1). Zugleich sind für Antolka lyphonie, die am Beispiel eines auf Grundlage von Bainis Korrekturen überarbeiteten Ave Maria Hillers diskutiert wird, vgl. Ackermann 2014; vgl. auch Hiller 1868, S. 101–115. 116 FH f.197. 117 FH f.213–215. »L’autore / […] attestato di stima e d’amicizia / per il […] Hiller«. 118 FH f.221–222. 119 FH f.201. »Madame / Sie bitten mich zwei Zeilen in Ihr Album zu schreiben im Anschluss an die illustren Namen, die dort bereits eingeschrieben sind. / Ich gestehe Ihnen, ohne falsche Bescheidenheit, dass ich mich für zu unwürdig für diese Gunst halte, um zu wagen Ihrer schmeichelhaften Bitte Folge zu leisten, ganz im Gegenteil werde ich Sie bitten, mir eine Nachbarschaft zu ersparen, die mich umso geringer erscheinen lässt. / Voller Bewunderung für Ihr schönes Talent habe ich die Ehre, Ihnen meine sehr aufrichtigen Komplimente zu wiederholen / Ihr sehr demütiger Diener […]« (Ü.d.V.)

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Hillers Stammbuch geschriebene Blätter nachweisbar, die nicht im großen Hiller-Album auftauchen. Ferdinand Hiller berichtet etwa von einem heute verschollenen Albumblatt Felix Mendelssohn Bartholdys vom September 1842.120 Weiterhin ist ein Brief von Jacques Offenbach vom 16. Juni 1848 überliefert, der die Zusendung einer Komposition für Antolka Hillers Album begleitete.121 Wie der obigen Listung zu entnehmen ist, geht der Großteil der im italienischen Raum entstandenen Albumbeiträge auf den Rom-Aufenthalt 1841/42 zurück. Darüber hinaus fallen, neben einem in Neapel datierten Erinnerungsblatt mit einer Bagatelle für Klavier von François-Joseph Fétis,122 zwei in Venedig erstellte Stammbuchblätter ins Auge. Sie dokumentieren die bisher nie thematisierten Kontakte Hillers zur venezianischen Musikszene, in Gestalt von Giovanni Battista Perucchini (1784–1870) und Antonio Fanna (1793–1845). Der Jurist und Musikenthusiast Giovanni Battista Perucchini war eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des venezianischen Kulturlebens in den 1820er bis 1840er Jahren.123 Als zentrale Figur in einem musikalischen Netzwerk, das auf Empfehlungen und den richtigen Bekanntschaften beruhte, stand Perucchini in freundschaftlichem Kontakt mit zahlreichen Musikgrößen seiner Zeit, darunter Bellini, Rossini, Meyerbeer und Liszt, und war zugleich eine zentrale Anlaufstelle für reisende Musiker:innen in Venedig. Als Dilettant komponierte er mit großem Erfolg der leichteren Unterhaltung zugedachte Romanzen, Arietten und Kanzonetten – bevorzugt auf Dichtungen im venezianischen Dialekt.124 Eher ungewöhnlich fällt vor diesem Hintergrund Perucchinis Beitrag für das Hiller-Album vom 3. Juli 1842 aus.125 Dem Stück für Gesang und Piano120 »Ein paar Tage vor seiner Abreise [aus Frankfurt am Main] schrieb er in das Album meiner Frau eine Composition des Volksliedes: ›Es weiß und räth es doch Keiner, wie mir so wohl ist, so wohl,‹ und malte eine Miniaturkarte von Deutschland darunter, um ihr ihr neues Vaterland recht einzuprägen. Daneben aber humoristischer Weise ein Paar gelbe Glacé-Handschuhe, als Zeichen seines Bestrebens, der höchsten Eleganz Genüge zu thun.« Hiller 1874, S. 160; vgl. auch MWV: Wehner 2009, S. 171 (K112). 121 »Madame / Voici la petite mélodie que je vous ai promise pour votre album, trop heureux si vous voulez bien me donner une petite place parmi tant de belles choses et tant de beaux noms!« Zit. nach Koch-Katalog 1953, S. 273. 122 FH f.204, f.206. 123 Zum Profil Perucchinis, auf Grundlage seines umfangreichen Briefwechsels, vgl. De Luca/Seminara/Steffan 2018, darin insbesondere: Steffan 2018. 124 Perucchinis Musik entsprach in idealer Weise dem Geschmack und den Bedürfnissen der gehobenen Salonkultur des frühen 19. Jahrhunderts, so dass sich seine venezianischen Arietten, unter Anwendung geschickter Vermarktungsstrategien, weit über den italienischen Raum hinaus bis in die Salons von Paris und St. Petersburg verbreiteten. Vgl. Steffan 2007, S. 49f., S. 71–74. 125 FH f.217–218. Es handelt sich um zwei Blätter bzw. vier Seiten eines jeweils mit zehn Notenliniensystemen versehenen Notenpapiers.

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forte, das von einem Rezitativ eingeleitet wird, an das sich ein Andantino im 4/4-Takt anschließt, liegen Verse aus Pietro Metastasios L’Olimpiade (Akt III, Szene 2) zugrunde und damit ein Text des Dichters, der die Opera seria des 18. Jahrhunderts maßgeblich geprägt hatte.126 Perucchini könnte somit gegenüber dem deutschen Musiker intendiert haben, seinen kompositorischen Anspruch herauszustellen. Der Pianist und Komponist Antonio Fanna machte sich auf Bitten Hillers nur wenige Tage vor seinem Freund Perucchini,127 am 30. Juni 1842, an die Erstellung eines Stammbuchblatts (siehe Tafel 5). Während die Komposition Perucchinis lediglich dessen Namenszug trägt, personalisierte Fanna sein Albumblatt mit der Widmung »Al Sigr. Hiller«. Auf einer mit Notenlinien versehenen Seite notierte Fanna den Beginn eines Larghettos in H-Dur (4/4) für Gesang und Klavier.128 In Ferdinand Hillers Nachlass existiert außerdem noch ein weiteres Albumblatt von Fanna, das Hiller vielleicht aus Gründen der Dopplung nicht in sein Album aufnahm. Die Komposition, ein Andante für Klavier in ADur, ist datiert »a Venezia, Agosto 1840«.129 Das Blatt verweist somit auf eine bereits länger bestehende Bekanntschaft zwischen Hiller und Fanna, die auch beim Zustandekommen von Ferdinand Hillers Eintrag in das Album der Contessa Raimondina Thurn-Hofer e Valsassina (verheiratet mit Matteo Thun) vom Juli 1840, eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte (vgl. Kap. 2.2.4). Denn Antonio Carlini vermutet, dass der Kontakt zwischen Hiller und den Thuns entweder über den Bibliothekar Tommaso Gar oder über Antonio Fanna zustande kam.130 Ferdinand Hiller besuchte Venedig jedoch nachweislich bereits vor 1840. In Künstlerleben berichtet er, dass er gemeinsam mit dem Sänger Adolphe Nourrit in Venedig »trotz Schnee und Regen, eine herrliche Woche zusammen 126 Aristea (a Megacle): »Ah! basta, / Non fa d’uopo di tanto. / Un sol de’ guardi tuoi / Mi costringe a voler ciò che tu vuoi. / Caro, son tua così, / Che, per virtù d’amor, / I moti del tuo cor / Risento anch’io. / Mi dolgo al tuo dolor, / Gioisco al tuo gioir, / Ed ogni tuo desir / Diventa il mio.« (L’Olimpiade, III, 2), Metastasio 1953, S. 620. 127 Zu Antonio Fanna vgl. Negri 1845. Anlässlich des Todes von Fanna fand der Komponist Giovanni Pacini einfühlsame Worte, die das enge freundschaftliche Verhältnis zwischen Perucchini und Fanna belegen: »La perdita di un amico, qual era il carissimo Fanna, deve certo lasciare una profonda piaga nel core di un uomo sensibile quale voi siete.« (Brief vom 15. April 1845 von Pacini an Perucchini), I-Vc, Bernardi, LXXXVI; vgl. Soccorriamo 1894, S. 102. 128 FH f.219. Der bisher nicht identifizierte Gesangstext lautet: »L’aure di vita allor fu dolce respirar / Quando la speme la speme ancor ancor m’era alimento«. 129 D-KNa, Bestand 1051, A 98. 130 Carlini 2016, S. 47. Tommaso Gar trug sich am 16. April 1845 in Dresden in das Hiller-Album ein. FH f.274.

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verlebte[n]«.131 Der Tenor hatte sich in Italien eine zweite Gesangskarriere aufzubauen erhofft, beging aber schließlich im März 1839 in Neapel Selbstmord. Der Aufenthalt in Venedig ist anhand der von Hiller erwähnten Uraufführung von Donizettis Marie von Rudenz im Teatro La Fenice auf Ende Januar bzw. Anfang Februar 1838 zu datieren. In der Bibliothek des Museo Correr in Venedig gibt ein von Alessandro Micheroux verfasstes Empfehlungsschreiben vom 20. Januar 1838, das Adolphe Nourrit – in Begleitung von Hiller – Zutritt zu den einflussreichen Kreisen der Lagunenstadt ermöglichen sollte, weiteren Aufschluss. Der Brief richtet sich nicht zufällig an den Netzwerker Giovanni Battista Perucchini und erwähnt auch Antonio Fanna: […] Er [Adolphe Nourrit] wird sich in Venedig nur einige Tage aufhalten können … somit wird er nur sehr wenige der zahllosen Großartigkeiten unseres teuren und einzigartigen Venedigs sehen können! Sorgen Sie also dafür, mein lieber Freund, dass er die kurze Zeit seines Aufenthalts bestmöglich nutzen kann. – Niemand kennt all das Schöne, das es in Venedig gibt, besser als Sie und kann ihn besser anleiten, wie man es zu entdecken und zu sehen hat. Stellen Sie meinen Freund dem hervorragenden Fana [sic] vor – dem ehrwürdigen Perrotti [sic]; Ihrer teuren und guten Freundin, der Baronin Wetzlar, falls sie vor Ort ist. (Ü.d.V.)132

Es ist also davon auszugehen, dass Hiller in Begleitung von Nourrit sowohl Perucchini als auch Fanna bereits im Januar 1838 in Venedig kennengelernt hatte. Ihre Stammbuchblätter sammelte er jedoch erst gut vier Jahre später im Sommer 1842 – im Zuge der Abreise der Hillers aus Italien. Die Eheleute verließen Rom am 5. Juni 1842 und reisten – wie die Albumblätter von Perucchini und Fanna dokumentieren – über Venedig zurück nach Deutschland. Zusätzlich belegt wird dies durch eine Notiz in der venezianischen Tageszeitung Gazzetta Privilegiata di Venezia vom 4. Juli 1842. Dort heißt es in der Rubrik »Arrivi e partenze«, die die Venedig-Aufenthalte von illustren Reisenden verzeichnete, dass »Hiller, comp. [compositore] di musica« nach Verona abgefahren sei.133 Im Sommer

131 Hiller 1880, S. 182. Adolphe Nourrit ist mit einem offensichtlich anlässlich des Abschieds Hillers aus Paris entstandenen Texteintrag ohne Datierung im Hiller-Album vertreten. FH f.178. 132 »[…] Egli [Adolphe Nourrit] non potrà trattenersi a Venezia se non pochi giorni … dunque non potrà vedere che pochissime delle infinite meraviglie della nostra cara, ed unica Venezia! Fate dunque, mio c. a. [caro amico], che Egli possa mettere al maggior profitto il breve tempo del suo soggiorno. – Nessuno meglio di voi che conosce tutto il Bello che vi è a Venezia, saprà dargli una norma del modo di vederla. Presentate il mio amico al bravo Fana [sic] – al Rispettabile Perrotti [sic]; alla sua cara, e buona amica la Bssa [baronessa] Wetzlar, se si trova costì.« I-Vc, Bernardi, LXII; vgl. Soccorriamo 1894, S. 74f. 133 Gazzetta di Venezia 1842.

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1842 kehrten die Eheleute Hiller endgültig nach Deutschland zurück und ließen sich in Frankfurt am Main nieder.134 Über das Wirken und die Kontakte Ferdinand und Antolka Hillers während ihrer Jahre in Italien gilt es weiter zu forschen. Über diesen Zeitraum hinaus könnten Erkenntnisse über das gesellschaftliche Agieren von Antolka Hiller aufschlussreich sein, die als Sängerin mit der professionellen Musikwelt vertraut war und einschlägige Kontakte, insbesondere zu italienischen Akteuren und Akteurinnen, in die Ehe mitbrachte. Das berufliche und persönliche Umfeld des Ehepaars in Italien konnte mithilfe der im Hiller-Album enthaltenen Stammbuchblätter, die zwar in der Überzahl Ferdinand Hiller, teils aber auch explizit Antolka Hiller adressieren, aus einer weiteren Perspektive erschlossen werden. Insbesondere die zwei in Venedig datierten Albumblätter von Giovanni Battista Perucchini und Antonio Fanna illustrieren bisher unbekannte Kontakte Hillers zur venezianischen Musikszene zu Beginn der 1840er Jahre, wobei sie eng mit dem Abschied der Hillers aus Italien in Verbindung stehen und zugleich die Funktion einer Reiseerinnerung bzw. eines musikalischen Souvenirs erfüllen.135 2.2 Dokumentation, Repräsentation, Netzwerke Häufig werden Stammbücher recht unmittelbar mit Netzwerken assoziiert. Tatsächlich reflektieren Stammbücher Ausschnitte aus Netzwerken, so dass im besten Fall Umfeld und Bekanntschaften eines Albumeigners oder einer Albumeignerin, im Allgemeinen jedoch aus eingeschränkter Perspektive, nachgezeichnet werden können. Zu bedenken ist dabei, dass Stammbücher zwar Kontakte im Verlauf einer längeren Zeitspanne dokumentieren, zugleich aber als Medium nicht darauf zielen, entsprechende Netzwerke systematisch abzubilden, so dass chronologische Lücken und die teils schwer nachvollziehbare Auswahl der Eintragenden, die der jeweiligen Ausprägung der Sammelaktivität sowie schlicht dem Zufall geschuldet sind, die Regel darstellen. Methodische Ansätze der Historischen Netzwerkforschung, die in einem ersten Impuls naheliegend erscheinen, eignen sich bei genauerer Betrachtung in Hinblick auf die Erforschung von Musik-Stammbüchern deshalb weniger,136 insbesondere vor dem Hintergrund der sowieso bekannten Relevanz von persönlichen Empfehlungen und freundschaftlichen Kontakten im 134 Sietz zufolge trafen die Hillers am 10. Juli 1842 in Frankfurt ein. Sietz 1958, S. 50. 135 Zur Vertonung von Reiseerinnerungen durch Ferdinand Hiller und andere vgl. Rost 2015a. 136 Für eine Abwägung bezüglich der sinnvollen Verwendung der Netzwerkanalyse für historische Fragestellungen vgl. Odenweller 2014. Zu den Charakteristika und Untersuchungsinteressen bei der Verwendung von Netzwerkansätzen in der Geschichtswissenschaft vgl. auch Reitmayer/Marx 2007.

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Musikleben des 19. Jahrhunderts. Diesbezüglich wäre es allerdings zu begrüßen, wenn Musik-Stammbücher hinsichtlich konkreter Fragestellungen zur Interaktion in historischen Netzwerken neben weiteren Quellen in zukünftige Forschungen zum 19. Jahrhundert zunehmend eingebunden würden. Im Folgenden möchte ich solche Alben diskutieren, die darauf zu zielen scheinen, entsprechende Personenkreise möglichst umfassend zu dokumentieren. Eng verknüpft ist damit der Anspruch der Eigner:innen, die eigene Stellung im zeitgenössischen kulturellen Leben hervorzuheben. Zugleich schrieben sich die Eintragenden nicht nur in ein Album, sondern gewissermaßen in die Erinnerung und das jeweilige Netzwerk ein, dessen einflussreichste Akteure und Akteurinnen es abzubilden galt. Zunächst thematisiere ich das Album von Clara und Robert Schumann, dessen Motivation, das Umfeld des Paares für die Nachwelt zu dokumentieren, insbesondere ein Deckblatt widerspiegelt, das der bereits bestehenden umfänglichen Sammlung im Jahr 1845 von den Eignern hinzugefügt wurde. Kennzeichnend ist die diffuse und schwer nachvollziehbare Objektbiographie des Albums, das sowohl Blätter aus einem frühen Stammbuch von Clara Wieck als auch eher stammbuchuntypische Inhalte aus dem Besitz von Robert Schumann zusammenführt. Im Anschluss diskutiere ich vier Musik-Stammbücher, die mit entsprechenden Netzwerken in Paris und London korrespondieren und teils einen geradezu enzyklopädischen Anspruch erkennen lassen. Besonders das Album von Alfred de Beauchesne mit seinem aufwändig gestalteten Inhaltsverzeichnis, das zusätzlich biographische Informationen zu den Eintragenden bereitstellt, verweist in diese Richtung. Das Stammbuch des Bildhauers Dantan Jeune fällt weniger umfassend aus, lässt aber dennoch einen über mehrere Jahrzehnte verfolgten planvollen Ansatz erkennen, den es etwa von der Sammlung des Oboisten Gustave Vogt unterscheidet. Von den Pariser Alben setzt sich schließlich das MusikStammbuch des Londoner Musikverlegers Vincent Novello vor allem in der konkreten Gestaltung und in der Konzeption der Sammlung ab. Der aristokratischen Stammbuchpraxis widmen sich die beiden letzten Unterkapitel. Während die Gräfin Natalia Obreskov, deren Album sich durch Mehrfacheinträge ausgewählter männlicher Künstler auszeichnet, als mobile und supranational agierende Förderin und Bewunderin erscheint, ist das musikkulturelle Handeln weiterer Aristokratinnen – wie der Marchesa Trivulzio Carandini, der Baronne d’Est und der Contessa Raimondina Thurn – im Kontext der Sammlung von Albumblättern insbesondere durch die eigene Musikpraxis sowie durch die Partizipation am öffentlichen Musikleben über den geselligen Austausch mit professionellen Musiker:innen und damit verbundenen repräsentativen Aspekten geprägt.

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2.2.1 Dokumentation für die Nachwelt. Das Schumann-Album Eines der bekanntesten Alben, das in Anbetracht der musikwissenschaftlichen Kanonisierung seines Eigners und seiner Eignerin bereits früh in der Forschung wahrgenommen wurde, stellten Clara und Robert Schumann zusammen. Das Album liegt als Loseblattsammlung vor und umfasst Albumblätter mit Notenautographen sowie mit wortsprachlichen Beiträgen, zahlreiche Briefe, sonstige Schriftstücke, Zeichnungen, Stiche und weitere Erinnerungsobjekte, wie Haarlocken, getrocknete Blumen und Blätter. Dazu gehörte ursprünglich sogar ein heute verschollener Lorbeerkranz, den Robert Schumann zur Zweitaufführung seines Oratoriums Das Paradies und die Peri erhalten hatte.137 Wenngleich das Schumann-Album somit ausgesprochen heterogene Inhalte zusammenführt, verstehe ich es doch in der Konsequenz als Musik-Stammbuch,138 da es vorrangig dem Sammeln von Handschriften zur Erinnerung aus einem persönlichen Kontakt heraus verpflichtet blieb. Verwahrt wurde die Sammlung in einer mit schwarzem Samt bespannten und mit den Vornamen der Schumanns in goldenen Lettern versehenen Kassette (26 cm × 37 cm × 9 cm), die nicht mehr erhalten ist. Das Album befindet sich heute in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden und besteht, basierend auf einer Zählung aus dem Jahr 1988, aus 418 Objekten.139 Die in der Kassette enthaltenen Papiere waren ursprünglich auf 110 braune Kartonblätter aufgeklebt.140 Zuvorderst verdeutlicht das ›Deckblatt‹, auf das Haarlocken der Schumanns aufgeklebt sind, den persönlichen Bezug der Eigner zu ihrer Sammlung, die sie offensichtlich zugleich als Zeugnis für spätere Generationen verstanden: »Unseren Kindern zu treuer Aufbewahrung / Dresden den 13ten Juni 1845 / Robert Schumann / Clara Schumann«.141 Das Album, das noch bis in die 1880er Jahre hinein Ergänzungen erfuhr, wurde 1935 von Schumanns Enkel Ferdinand an die Dresdner Landesbibliothek verkauft. Im Zweiten Weltkrieg erlitt es erhebliche Schäden; einige Papiere gingen verloren.142 Eine Bestandsaufnahme der beschädigten Sammlung erfolgte 137 Boden 1960, S. 9. 138 Für die Auffassung der Sammlung als »Stammbuch« vgl. auch Jung-Kaiser 2013, S. 306f. 139 Vgl. den Eintrag in der Kalliope-Datenbank. Anlässlich des 200. Geburtstages von Clara Schumann 2019 wurde das Schumann-Album (D-Dl, Mus.Schu.1–338) von der SLUB Dresden vollständig digitalisiert online zugänglich gemacht (Links siehe Literaturverzeichnis). 140 Obwohl die Kartonblätter jeweils mehrere Einzelteile zusammenführten, bleibt unklar, wie der Inhalt der Kassette im 19. Jahrhundert strukturiert war und ob tatsächlich alle der über 400 Objekte darin aufbewahrt wurden. 141 Das Deckblatt ist abgedruckt in: Boden 1960, S. 16a. 142 Für einleitende Betrachtungen zur Geschichte und zur Zusammensetzung des Albums vgl. Boden

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Mitte der 1950er Jahre durch Charlotte Boden, die auf Grundlage der von Ferdinand Schumann erstellten Liste ein aktualisiertes »Verzeichnis der Briefe, Notenmanuskripte und sonstigen Dokumente im Schumann-Album« vorlegte.143 Während der überwiegende Teil der Albuminhalte in den 1830er und 1840er Jahren datiert, stammen die frühesten Erinnerungsblätter im Schumann-Album aus dem Jahr 1829. Denn Clara Wieck hatte bereits vor ihrer Eheschließung Albumblätter gesammelt und ein Stammbuch geführt, das der damals Zehnjährigen von ihrem Vater zum Weihnachtsfest im Jahr 1829 geschenkt worden war. Bei dem Stammbuch handelt es sich um eine heute noch bestehende, in einem Schuber verwahrte Loseblattsammlung.144 Dieser konnten umstandslos Blätter entnommen werden, so dass davon auszugehen ist, dass einige ausgewählte Erinnerungsblätter aus dem Stammbuch in das Schumann-Album übertragen wurden. Die Datierung spricht dafür, dass dies, neben dem in Format und Papier nahezu übereinstimmenden Erinnerungsblatt Goethes vom 9. Oktober 1831, das heute im Schumann-Album befindliche Stammbuchblatt von Friedrich Wieck betrifft: Dringe tief, oder rühre es nicht an. / Die Bedeutung dieser Worte ahnest / du jetzt nur. – Bald wirst du es wissen? / Paganini begann den Reigen; ich folge / nach. Ahnest du vielleicht, meine geliebte / Klara, hier den Willen deines guten Genius? / Leipzig d. 24ten December 1829 / Friedrich Wieck.145

Das Stammbuchblatt Nicolò Paganinis (»Lipsia, li 16 ott:[obr]e 1829«), auf das Wieck hier rekurrierte, wurde im Zuge der Übertragung in das Schumann-Album zusammen mit einem Porträt auf ein größerformatiges Kartonblatt aufgeklebt.146 Im neuen Sammlungszusammenhang kommentierte Clara Schumann unter dem Stammbuchblatt auf dem Kartonpapier, auf das Kindheitserlebnis zurückblickend: »›Das ist eine Stelle, die mir Niemand nachspielen kann‹, sagte Paganini, als er mir dies Albumblatt spielte.«147 Anzunehmen ist zudem, dass Clara Wieck, neben einem zweiten Albumblatt Paganinis (ebenfalls vom 16. Oktober 1829), auch die heute im Schumann-Album enthaltenen Blätter 1960, S. 8–10; Boetticher 1981, S. 9–16; Hartmann/Rosenthal 2010, S. VII-XIV. 143 Boden 1960, S. 10–23. 144 D-Zsch, Archiv-Nr. 5980-A3. Abbildungen vom Einband sowie von einem der Albumblätter sind abgedruckt in: Jung-Kaiser/Kruse 2006, Anhang (Abb. 6–7). Das Stammbuch enthält aktuell insgesamt 20 Eintragungen aus den Jahren 1830 bis 1834 von weniger bekannten Personen aus dem unmittelbaren Umfeld von Clara Wieck. 145 D-Dl, Mus.Schu.323. Wiecks Albumblatt ebenso wie Goethes Blatt (D-Dl, Mus.Schu.94) sind abgedruckt in: Loesch 2003, S. 101f. 146 D-Dl, Mus.Schu.224. 147 Ebd.

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von Moritz Hauptmann (14. Dezember 1831) und Ignaz Moscheles (22. Oktober 1832) als Teil ihres Stammbuchs verstanden hatte,148 wenngleich sie sie wahrscheinlich aufgrund des größeren Papierformats nicht in der StammbuchKassette verwahrt haben dürfte. Mit der Heirat im September 1840 führten Robert und Clara Schumann ihre Dokumente zusammen und sammelten in der Folge gemeinsam Autographe und andere Objekte zur Erinnerung.149 Bemerkenswert ist, dass die Eheleute das gemeinsame Album offenbar unterteilten in einen repräsentativen, zum Vorzeigen bestimmten und einen weniger umfangreichen ›intim-privaten‹ Teil: Dieser »war der Familie und engsten Freundschaft geweiht. Er konnte mit breiten dunkelroten Atlasbändern zusammengebunden und damit fremden Blicken entzogen werden«.150 Die Sammlung zeigt somit exemplarisch das weite Spektrum von in vielfältiger Gestalt vorliegenden Albuminhalten, die sich flexibel zwischen persönlich-intimer und repräsentativer Ausrichtung bewegen. Nachdem Wolfgang Boetticher bereits 1981 die im Album enthaltenen Briefe und Gedichte in einer Auswahl herausgegeben hatte,151 legten Andrea Hartmann und Carmen Rosenthal 2010 für RISM einen thematischen Katalog der ›musikalischen Blätter‹ aus dem Schumann-Album vor, der 67 Einträge umfasst.152 Insgesamt sind 59 Albumblätter mit Musiknotaten überliefert, wobei das Spektrum von wenigen Takten, über längere Ausschnitte bis zu vollständigen Kompositionen reicht.153 Das Album enthält zudem Musikhandschriften von länger verstor148 D-Dl, Mus.Schu.223 (Paganini); Mus.Schu.108 (Hauptmann); Mus.Schu.203 (Moscheles). Vgl. Kap. 3.9.2. 149 Clara Schumann sammelte in mannigfacher Weise und erstellte etwa auch sehr persönlich motivierte ›Blumenbücher‹, wobei den jeweiligen Blumen eine konkrete symbolische Bedeutung zukam. Ihr 1829 begonnenes Stammbuch war ebenfalls durch ›Blumenmotti‹ geschmückt. Vgl. Klassen 2009, S. 51f. Das sogenannte »Berliner Blumentagebuch« (1857–59), das Clara Schumann für Johannes Brahms zusammenstellte, befindet sich in der Berliner Staatsbibliothek (D-B, Mus. ms. autogr. theor. Schumann, C. 1). 150 Boden 1960, S. 8. 151 Boetticher 1981; vgl. auch Boetticher 1973. Wolfgang Boetticher, der ab 1955 eine musikwissenschaftliche Professur in Göttingen bekleidete und im Fach uneingeschränkt seine Karriere vorantreiben konnte, verfügt über eine einschlägige nationalsozialistische Vergangenheit. Seine Schumann-Forschungen gelten als philologisch unzuverlässig und zum Teil ideologiebelastet. Vgl. Nauhaus 2006, S. 4f. 152 Hartmann/Rosenthal 2010. In dem einleitenden Text »Das Schumann-Album: Ein Beitrag zur Erinnerungskultur im Zeitalter der Romantik« (ebd., S. VII-XIV) geht Andrea Hartmann auf einige ausgewählte ›musikalische Blätter‹ genauer ein. 153 Ebd., S. IX. Ich danke Andrea Hartmann für ihre freundliche Auskunft, durch die die im Text angegebene Zahl von 57 Albumblättern auf 59 korrigiert werden kann. Die Anzahl von 67 Katalogeinträgen ergibt sich dadurch, dass auf vier Albumblättern jeweils zwei Kompositionen notiert sind, die wiederum drei Katalogeinträge (Haupteintrag und zwei Einzeleinträge) nach sich ziehen.

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benen Komponisten, beispielsweise von Leopold Mozart, Joseph Haydn oder Antonio Salieri, die zum Teil aus der Autographensammlung von Aloys Fuchs in den Besitz der Schumanns gelangten.154 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass alle Albumblätter mit Musikeintragungen, die stammbuchtypische Widmungen aufweisen, an Clara Wieck, verh. Schumann, adressiert sind; der größte Teil dieser 40 Blätter entstand vor ihrer Hochzeit im Rahmen ihrer Konzert- und Reisetätigkeiten als Pianistin.155 Robert Schumann fügte der Sammlung vor allem solche Schriftstücke bei, die sich den gestalterischen Vorgaben eines Albumblatts weitgehend entziehen. Darunter sind viele Briefe und Dokumente, die im Zusammenhang mit der Redaktion der Neuen Zeitschrift für Musik stehen.156 Sicher auch deshalb kommt Andrea Hartmann zu dem Schluss, […] dass mit dem Schumann-Album durch die Auswahl der Blätter und den Umgang mit ihnen kein Stammbuch im Sinne eines privaten Freundschaftsbuchs vorliegt, sondern ein Sammelband von allgemeinem Interesse. Clara und Robert Schumann ging es nicht um die schriftliche Versicherung von Freundschaften, sondern sie wollten für ihre Kinder ein Bild ihres Lebens, ihrer Beziehungen zu Familie, Freunden, Kollegen und Vorbildern festhalten.157

Auch Charlotte Boden spricht davon, dass sich das Schumann-Album im Laufe seiner Zusammenstellung vom »Familien-Gedenkbuch der beiden Schumanns« zunehmend zu einem »Musiker-Album« wandelte.158 Trotz dieser Verschiebung und der Erweiterung des Albumkonzepts hin zu einer umfassenderen Sammlung, die sich einerseits zum Teil von der typischen Gestaltung eines Stammbuchs deutlich abhebt, andererseits ebenso durch die von Clara Wieck vor ihrer Ehe gesammelten Stammbuchblätter, teils aus ihrem Jugend-Stammbuch, konstituiert wird, stellt das Schumann-Album eine für die Stammbuchpraxis typische Dokumentation der persönlichen Kontakte und der kulturellen Ausrichtung eines professionellen Musikerpaars im 19. Jahrhundert dar.

154 Ebd., S. XIf. Zu Aloys Fuchs und seiner Sammlung vgl. Mecklenburg 1963, S. 49–52. 155 Hartmann/Rosenthal 2010, S. VIII. Den Katalogangaben zufolge entstanden 31 (nicht 37) der 40 Albumblätter vor der Hochzeit von Robert und Clara Schumann am 12. September 1840. 156 Ebd., S. VIIIf. Bei den Blättern mit Musiknotaten, die Robert Schumann zur Sammlung beisteuerte, handelt es sich teils um Werkausschnitte, teils um vollständige Kompositionen. Vgl. auch ebd., S. XII. 157 Ebd., S. XIII. 158 Boden 1960, S. 10.

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2.2.2 Netzwerke in Paris und London (circa 1830 bis 1870): Die Alben von Alfred de Beauchesne, Dantan Jeune, Gustave Vogt und Vincent Novello Das gezielte Sammeln von Notenautographen, als Spielart der Stammbuchpraxis, war spätestens seit den 1830er Jahren in Paris eine weit verbreitete Mode. Die Konzeption dieser Musik-Stammbücher fokussierte explizit Einträge berühmter und bekannter Namen des öffentlichen Musiklebens, so dass in der Regel Notenhandschriften von männlichen Musikern und Komponisten gesammelt wurden, zu denen Einträge von erfolgreichen Sängerinnen und gelegentlich Instrumentalistinnen hinzukamen. So entstanden teils sehr umfangreiche Notenautographen-Alben, die jedoch direkt von der jeweiligen Sammelaktivität sowie nicht zuletzt vom Grad der Nähe zu den zeitgenössischen Berühmtheiten abhingen. Beispiele für besonders prächtige und mit viel Engagement gestaltete Alben sind die Sammlungen des Sekretärs Alfred de Beauchesne und des Bildhauers Jean-Pierre Dantan, in denen ein geradezu enzyklopädischer Anspruch deutlich wird, während das Album des Oboisten Gustave Vogt in einem viel kürzeren Zeitraum weniger systematisch zusammengestellt wurde. Diesen Pariser Alben soll das Album des Londoner Musikverlegers Vincent Novello gegenübergestellt werden, um Unterschiede in der Gestaltung und Motivation herauszuarbeiten und zu diskutieren. Alfred de Beauchesne (1804–1876) wirkte von 1827 bis zu seiner Pensionierung 1871 als Sekretär am Pariser Konservatorium. Aus dieser in erster Linie administrativen Funktion heraus sammelte er über Jahrzehnte, bis wenige Jahre vor seinem Lebensende, handschriftliche Musikeinträge der in Paris gastierenden sowie dauerhaft wirkenden Komponist:innen, Instrumentalist:innen und Sänger:innen seiner Zeit. Beauchesnes Album gehört, ebenso wie die Sammlung von Jean-Pierre Dantan ( Jeune), zu einem größeren Bestand von Autographenalben, der aus dem Besitz des Conservatoire in die Musikabteilung der Bibliothèque nationale de France überging. Das imposant wirkende Beauchesne-Album ist in schwarzblaues Leder gebunden und wurde mit eher nüchternen Goldprägungen und den Initialen des Eigners »A. B.« individualisiert.159 Der Buchrücken trägt die Aufschrift »Album musical«, die auf die ausschließlich auf das Sammeln von Notenhandschriften zielende Bestimmung des Albums verweist, das dementsprechend vollständig mit vorbedrucktem Notenpapier ausgestattet ist. Beauchesnes Sammlung zeichnet sich dadurch aus, dass alle Einträge, die offenbar gänzlich in Paris entstanden, direkt im Album ausgeführt wurden. Somit lag der repräsentative Band je159 F-Pn, W-24. Das Album hat ein Querformat und misst 25,9 cm × 35 cm × 4,5 cm.

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dem bzw. jeder Eintragenden unmittelbar vor. Fast alle Einträge beinhalten außerdem Widmungen an Beauchesne, so dass der persönliche Kontakt zum Albumeigner zusätzlich unterstrichen wird. Beauchesnes Sammlung umfasst knapp 190 teils mehrseitige Notenautographe, bei denen es sich überwiegend um Gesangs- und Klavierstücke handelt.160 Zum Album gehört ein minutiös geführtes neunseitiges Inhaltsverzeichnis, das den persönlichen Stellenwert ebenso wie die aufgewendete Zeit und Mühe verdeutlicht: »Table Alphabétique & Biographique des Compositeurs, Instrumentistes & Chanteurs qui ont écrit sur cet Album, ouvert par Cherubini, le 30 juin 1835«.161 Neben biographischen Notizen, wie Vor- und Nachname, Geburts-, gegebenenfalls Sterbedatum und -ort, liefert Beauchesne konzise musikhistorische Angaben – etwa zum beruflichen Wirken der Einträger:innen, zu zentralen Werken bzw. zu Rollen und zum Repertoire. Bemerkenswert ist weiterhin, dass Beauchesne unveröffentlichte Musikeinträge markierte, um die Einzigartigkeit der in seinem Besitz befindlichen Autographe herauszustellen. Davon ausgehend, dass das Album noch weitere bisher nicht als Originalkompositionen erkannte Stücke enthalten könnte, listete und beschrieb Georges Guillard 33 unveröffentlichte Kompositionen aus dem Album.162 Dieser Liste möchte ich das Impromptu (Allegro feroce) von Ignaz Moscheles hinzufügen (vgl. Kap. 3.9.3). Den Noteneinträgen vorausgestellt ist ein farbenfroh koloriertes Aquarell von Nicolas Gosse, Beauchesne gewidmet und auf den 15. Dezember 1856 datiert.163 Eine Engelsschar musiziert auf verschiedenen Instrumenten und illustriert die Bestimmung des Bandes, die auf einem Banner im Vordergrund explizit wird: »Album musical«. Über dem Engelsorchester spannen vier weitere Putten ein zweites Banner mit der Aufschrift »Conservatoire de Musique«, links und rechts flankiert von den Namen »Auber« und »Halévy«. Über dem Banner, von Sternen umkränzt, steht jedoch der Name »Chérubini« im Fokus, der mit seinem eröffnenden Eintrag sowohl den Ausgangspunkt als auch den ideellen Fixpunkt des Albums darstellt. Luigi Cherubini war Beauchesnes direkter Vorgesetzter und Direktor des Konservatoriums von 1822 bis 1842; sein Nachfolger wurde 160 Dem Album wurden zu einem späteren Zeitpunkt ein Brief, ein Zeitungsbeitrag über Beauchesnes Sammlung vom März 1877 und einige Notenabschriften beigefügt. 161 Im Inhaltsverzeichnis des Albums ist für den Stand vom 1. Januar 1875 die Zahl von 185 Namen festgehalten. Auber, Cherubini und Laure Damoreau-Cinti sind jeweils mit zwei Einträgen im Album vertreten; der Eintrag von George Alexander Osborne wurde in der Zählung vergessen und mit Bleistift nachgetragen. Hieraus ergibt sich eine Gesamtzahl von 189 Albumeinträgen. 162 Guillard 1987, S. 72–79. Guillard machte mit einem Präludium für Orgel von Charles-Valentin Alkan ein unveröffentlichtes Stück aus, das im Album nicht wie die 32 von Beauchesne markierten Originalstücke als solches ausgewiesen ist. 163 F-Pn, W-24,2.

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Daniel-­François-Esprit Auber von 1842 bis 1871, während Jacques Fromental Halévy, wie Auber Schüler und Schützling Cherubinis, wohl als einflussreicher Professor des Konservatoriums Eingang in die von Gosse zitierte Trias fand. Nicht zu übersehen ist, dass das Album die großen Namen des gesamteuropäischen Musiklebens (Verdi, Liszt, Berlioz, Chopin, Rossini, Donizetti, Meyerbeer, Moscheles, Wagner etc.) versammelt. Ein von Henri Berton komponierter Kanon nimmt im unterlegten Text darauf scherzhaft Bezug: »Dans cet album ci, moi composer aussi? Aprés Cherubini! et Monsieur Rossini! mais c’est pour un ami […]«.164 Auch Ferdinand Hiller stellte bei seinem Eintrag einen internen Bezug her: Am 18. Februar 1851 trug er sich in Beauchesnes Büro im Konservatorium (»dans son cabinet au conservatoire«) auf derselben Seite wie sein zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbener Freund und Kollege Frédéric Chopin ein.165 Kurios erscheint weiterhin, dass sich die Einträge von Richard Wagner und Giuseppe Verdi, die bekanntlich gerne als Antipoden stilisiert werden, einander gegenüber auf einer Doppelseite befinden. Verdi notierte zunächst am 3. Dezember 1847 auf der rechten Seite (recto) einen Auszug aus Ernani (»Solingo errante e misero«), während Wagner knapp 14 Jahre später, am 11. April 1861, einen Marsch auf der linken Seite (verso) einschrieb.166 Ob es sich dabei um einen Zufall handelt, Wagners Wahl oder sogar eine Anregung von Beauchesne bleibt ungewiss. Einmal abgesehen von den großen Namen der internationalen Musikszene, die das Pariser Kulturleben in seiner Bandbreite auszeichneten, konstatierte Guillard, dass insbesondere die von ihm in seiner Studie gelisteten Komponisten, die Originalkompositionen zum Album beisteuerten, der sogenannten »École française« um Auber und Halévy zuzurechnen sind. Das Album bildet somit nicht nur das zeitgenössische Pariser Musikleben ab, sondern ist darüber hinaus durch die nationale Musikausrichtung und das daran gekoppelte Bildungswesen geprägt.167 Im Vergleich zu Beauchesnes Album umfasst die Sammlung des Bildhauers und Karikaturisten Jean-Pierre Dantan (1800–1869) mit 99 Autographen, darunter 85 Musiknotate,168 eine geringere Anzahl an Beiträgen, fällt aber insgesamt nicht weniger beeindruckend aus. Auch bei diesem Musik-Stammbuch – einem groß dimensionierten, rotbraunen Lederband mit Goldverzierungen – handelt 164 F-Pn, W-24,6. »In diesem Album soll ich komponieren? Nach Cherubini? Und Herrn Rossini? Aber es ist für einen Freund […]«. (Ü.d.V.) 165 F-Pn, W-24,88, W-24,89. Zu ähnlichen Bezugnahmen im Obreskov-Album vgl. Kap. 2.2.3. 166 F-Pn, W-24,169, W-24,170. 167 Guillard 1987, S. 75. 168 Die Zählung folgt dem Katalog der Bibliothèque nationale de France, in dem die Albuminhalte einzeln erfasst sind (Link siehe Literaturverzeichnis).

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es sich um ein Notenautographen-Album mit vorliniertem Notenpapier: »Album d’autographes de musique / collectionné de 1835 à 1869 / par Dantan Jeune statuaire et légué par lui à la Bibliothèque Impériale«.169 Den vorliegenden Datierungen folgend sammelte der Bildhauer ebenfalls ausschließlich in Paris Musikhandschriften; erwartungsgemäß finden sich deshalb viele der einschlägigen Namen aus dem Beauchesne-Album – u. a. Cherubini, Auber, Halévy, Meyerbeer, Liszt, Chopin, Berlioz, Donizetti und Rossini – auch in Dantan Jeunes Sammlung wieder. Rossini eröffnete das Album mit seinem üblichen Eintrag von Mi lagnerò tacendo (vgl. Kap. 1.1.7), datiert auf den 17. Juni 1835 in Paris.170 Auf den anschließenden Seiten folgen Einträge von Cherubini, Mercadante, Carafa und Auber.171 Ebenso enthalten sind Einträge bekannter Opernsänger:innen. So notierte beispielsweise der Tenor Giovanni Battista Rubini einige Takte der Arie »Ell’è tremante, ell’è spirante« aus Bellinis I Puritani,172 während die Sopranistin Giulia Grisi dazu passend die Melodie von »Son vergin vezzosa« lieferte.173 Dieselben Musikzitate, im Falle Rubinis interessanterweise in leicht abweichender Fassung notiert, finden sich auch im Beauchesne-Album, in dem Grisi und Rubini sich gemeinsam auf einer Seite, am 3. Februar 1838, einschrieben.174 Während Ignaz Moscheles für Beauchesne eine umfangreichere Komposition notierte,175 umfasst der Eintrag für Dantan Jeune nur wenige Takte, die allerdings durch den beigefügten Text, der das Entstehen des Eintrags im Atelier des Künstlers verortet, eine individuellere Prägung erhalten (vgl. Kap. 3.9.3).176 Überwiegend wurden die Musikeinträge, häufig mit Widmungsworten an Dantan, direkt auf den Seiten des Albums ausgeführt. Darüber hinaus beinhaltet der Band aber auch mehrere eingeklebte Notenhandschriften, u. a. Autographe von Bellini und Beethoven,177 und diverse Briefe, darunter Schreiben, u. a. von Vincenzo Bellini und François-Adrien Boieldieu, mit Aufträgen an den Bildhauer.178 169 F-Pn, Res Vm7-537 (im Folgenden = DJ). Die äußeren Maße des Dantan-Albums, in dem knapp die Hälfte der Seiten unbeschrieben ist, fallen im direkten Vergleich zum Beauchesne-Album um einiges größer aus: 29,3 cm × 42,5 cm × 2,8 cm. 170 DJ, S. 1. Eine alternative Lesart des Datums könnte auch »Jan« für Januar lauten. 171 DJ, S. 2–5. 172 DJ, S. 23. 173 DJ, S. 16 (datiert auf den 23. Februar 1839). 174 F-Pn, W-24,62, W-24,63. 175 F-Pn, W-24,96. 176 DJ, S. 35. 177 DJ, zwischen S. 16/17, S. 49. 178 DJ, S. 17, S. 51. Thematisiert wird die Versendung und Weiterleitung von Büsten bzw. Skulpturvorlagen, die die Musiker darstellen.

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In einem dieser Billets schrieb die Sängerin Maria Malibran, Humor zeigend, mit Blick auf Dantans karikierende Büsten: M. F. Malibran / a prié Monsieur / Dantan de vouloir / bien lui faire la / charge en plâtre / et de la publier afin / que la masse vulgaire / pût rire à ses dépens.179

Manchen Noteneinträgen fügte Dantan außerdem entsprechende Begleitbriefe anlässlich der Rücksendung des Albums bei, so dass nachzuvollziehen ist, dass der Bildhauer das Buch an die Eintragenden gelegentlich für einige Tage verlieh.180 In einem vor diesem Hintergrund zu verstehenden Schreiben, vom 5. Mai 1839, das der Albumeigner hinter dem Noteneintrag Gaspare Spontinis – einer Romanze mit dem Titel »Sapho« – vom selben Tag einklebte,181 schlägt der Komponist eine Verabredung mit der Sängerin Rosine Stoltz vor, die Spontinis Komposition zum Klingen bringen sollte: Monsieur / En traçant ces quatre pauvres notes sur votre superbe et riche / Album, j’ai pensé à la belle voix pathétique et touchante de / Made. Stoltz qui pourrait les faire valoir, si vous obteniez / d’elle de vous les faire entendre dans une visite que nous / pourrions lui faire. […]182

In bemerkenswerter Weise zeigt sich hier, wie das Album in den geselligen Umgang eingebunden war. Deutlich wird dabei, dass die Musik in Stammbüchern nicht per se nur zum Lesen bestimmt war, sondern über den bloßen Besitz des Autographs hinaus auch erklingen konnte oder sollte. Die Relevanz der realen Musikpraxis in der Gestaltung von Musik-Stammbüchern scheint auch im Album des Pariser Oboisten Gustave Vogt (1781– 1870) durch. Der Band enthält insgesamt 63 Einträge, die in der großen Mehrzahl in den 1840er Jahren datieren.183 Der chronologisch späteste Eintrag des Komponisten Victor Massé entstand 1856. Das rotbraune Album, mit dem 179 DJ, S. 17. »M[aria] F[elicia] Malibran hat Monsieur Dantan gebeten, ihr eine Serie in Gips zu erstellen und diese öffentlich zu machen, damit die vulgäre Masse sich auf ihre Kosten amüsieren kann.« (Ü.d.V.) 180 Ein Beispiel dafür ist u. a. ein die Versendung des Albums begleitendes Schreiben Meyerbeers. DJ, zwischen S. 6/7. 181 DJ, S. 27–28. 182 DJ, S. 28. »Monsieur / Als ich diese ärmlichen vier Noten in Ihr wunderbares, reiches Album schrieb, dachte ich an die schöne pathetische und berührende Stimme von Mademoiselle Stoltz, die ihnen [den Noten] zu Wert verhelfen könnte, falls Sie sie [Stoltz] dazu bewegen könnten, dass sie sie Ihnen zu Gehör brächte bei einem Besuch, den wir ihr machen könnten.« (Ü.d.V.) 183 Kurz nach dem Ankauf des Vogt-Albums durch die Pierpont Morgan Library, New York, legte Bea Friedland einen umfassenden Artikel mit angehängter Listung der Einträge sowie Abbildungen der im Album enthaltenen Blätter von Gioachino Rossini, Franz Liszt, Anton Schindler und Louise Farrenc vor. Vgl. Friedland 1974.

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goldgeprägten Namenszug »G. Vogt«, besteht vollständig aus Notenpapier und enthält, neben einigen wenigen eingeklebten Blättern, viele unbeschriebene Seiten.184 Die Einträge sind fast alle direkt auf den Albumseiten eingeschrieben, wobei es möglich erscheint, dass Vogt den Eintragenden zunächst lose Notenblätter vorlegte und diese erst später in ein Album eingebunden wurden.185 Gustave Vogt wirkte von 1816 bis 1853 als Professor für Oboe am Pariser Konservatorium, kannte also sicher den dort ab 1827 beschäftigten Alfred de Beauchesne gut. Ihm schrieb er im Dezember 1838 eine »Prière pour trois hautbois« (ein »Gebet für drei Oboen«) ins Album.186 Auffällig ist, dass Vogt sich relativ spät dem Sammeln von Notenautographen zuwandte. Zwei Drittel der Einträge in seinem Album entstanden zwischen 1842 und 1844, als Vogt bereits über 60 Jahre alt war, so dass das Album vermutlich auch als ein durch sein fortschreitendes Alter motiviertes, selbst initiiertes Monument seiner Position im Pariser Musikleben zu betrachten ist. Dafür sprechen insbesondere die 16 enthaltenen Kompositionen für Oboe oder Englischhorn (u. a. von Hector Berlioz, Michele Carafa, Joseph Joachim, Ambroise Thomas, Pauline Viardot), die Vogts Instrument in Szene setzen und damit die Wertschätzung der Kollegen und Kolleginnen für den erfolgreichen Instrumentalisten zum Ausdruck bringen.187 Den drei eben diskutierten Pariser Alben, die große Schnittmengen aufweisen, möchte ich abschließend das Musik-Stammbuch des Londoner Musikverlegers Vincent Novello mit einer Laufzeit von 1829 bis 1848 gegenüberstellen.188 Vincent Novello (1781–1861), Gründungsmitglied der London Philharmonic Society, wirkte als Komponist vor allem geistlicher Musik, als Organist, Dirigent und als Lehrer. Bekannt ist er jedoch in erster Linie als Verleger, wobei er durch seine Editionen u. a. den in England völlig unbekannten Messen von Mozart und Haydn zur Würdigung verhalf. Vincent Novellos mit Goldprägungen verziertes schwarzes Lederalbum, das sich ab 1989 im Privatbesitz des Dirigenten Charles Mackerras befunden hatte,189 184 Im ersten Drittel des hochformatigen Albums liegt durchgängig 16-zeiliges Notenpapier vor, gefolgt von 18-zeiligen, schließlich 12-zeiligen Notenseiten. Das Album ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 185 Vgl. Friedland 1974, S. 263. 186 F-Pn, W-24,75. 187 Das Album enthält außerdem 18 Kompositionen für Klavier, drei für Cello, vier für Geige und 22 für vokale und sonstige Besetzungen, darunter mehrere Kanons, u. a. von Cherubini und Rossini. Friedland 1974, S. 271f. 188 Für eine detaillierte Inhaltsbeschreibung sowie Kontextualisierung der Einträge des Novello-Albums vgl. Weston 1994. 189 Vgl. British Library Music blog (»Music Collections acquires Vincent Novello album«), 16 December 2016, posted by Amelie Roper (Link siehe Literaturverzeichnis). Zur Objektbiographie nach Novellos Tod 1848 bis 1994 vgl. Weston 1994, S. 366.

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ging Ende 2016 in den Besitz der British Library über.190 Ähnlich wie das Album von Ignaz Moscheles (vgl. Kap. 3.2) besteht es zu einem Teil aus Blankopapier, die letzten zwei Fünftel des Albumpapiers sind mit gedruckten Notenlinien ausgestattet. Dementsprechend enthält das Buch, bei dem es sich um ein Mischalbum handelt, nicht nur Notenautographe, sondern auch Texteinträge von prominenten Personen aus der Welt der Literatur, der Bildenden Kunst und des Theaters, außerdem eine von Maria Malibran erstellte Karikatur, die sie selbst als Gans zeigt. Vincent Novello erhielt das Album vermutlich Anfang 1829 als Geschenk von dem Yorker Musikhändler John Robinson. Im Sommer begleitete es ihn auf einer Reise auf Mozarts Spuren, im Rahmen derer Vincent und Mary Novello, auch zur Vorbereitung einer nicht realisierten Biographie, Angehörige und Freunde Mozarts in Salzburg und Wien aufsuchten. Diese Treffen und die Reise fanden selbstverständlich ihren Niederschlag im Album,191 das sich in den kommenden Jahren weiter füllte – zum einem durch Novellos Kontakte über die Philharmonic Society und als Musikverleger, zum anderen durch das Umfeld seiner Kinder, die als Sängerinnen (Clara, Sabilla und Cecilia Novello), als Autorin (Mary Cowden Clarke, geb. Novello) und als Maler (Edward Petre ­Novello) weiter gespannte Bekanntenkreise erschlossen.192 Auf Mary Cowden Clarke gehen einschlägige Kontakte zur Londoner Theater- und Literaturszene zurück, u. a. zu Charles Dickens, während Clara Novello, die im Rahmen ihrer Gesangskarriere von 1839 bis 1851 in Italien lebte, wahrscheinlich die direkt im Album ausgeführten Einträge von Rossini, Donizetti (1842), und Perucchini (Venedig, 10. September 1841) sammelte.193 Während die Noteneinträge des hinteren Albumteils insofern stammbuchtypisch ausfallen, dass das jeweilige Musikstück mit Angabe von Ort und Datum, teils mit persönlicher Adressierung an Novello, in der Regel eine Seite füllt, ist die Gestaltung der Seiten im vorderen Teil des Albums eher ungewöhnlich: ­Jeweils mehrere Unterschriften, zu einem großen Teil auf ausgeschnittenen Papierstreifen, sind auf jeweils einer Seite zusammengeführt und thematisch geordnet, wie entsprechende Überschriften deutlich machen: »Theatrical Per­­­for­ 190 Dank der freundlichen Vermittlung von Amelie Roper konnte ich im Sommer 2016 das Album, dessen Besitzverhältnisse zu diesem Zeitpunkt juristisch noch nicht eindeutig waren, in der British Library einsehen. Seit Dezember 2016 ist es unter folgender Signatur verfügbar: GB-Lbl, MS Mus. 1816. 191 Novello sammelte Handschriften von Wolfgang Amadeus Mozart, von dessen Witwe und dessen Sohn, außerdem verschiedene Notenautographe und diverse vor allem in Wien entstandene Unterschriften. Hierzu ausführlich in Westons Kommentarteil vgl. Weston 1994, S. 373f. 192 Ebd., S. 366. 193 Ebd., S. 377–379.

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mers«, »Poets & Literary Persons«, »Artists« oder »Vocalists«.194 Im Vordergrund steht hier also vor allem das Autograph selbst, das auf den reinen Namenszug beschränkt dem Albumeigner ausreichte, um bestimmte Künstlerkreise aus seinem näheren oder weiteren Umfeld zu dokumentieren. Autographe, die Novello als Geschenk für seine Sammlung von dritter Seite erhielt, beispielsweise Handschriften von Beethoven, Haydn oder Mozart, stehen neben Autographen von ihm freundschaftlich verbundenen oder gut bekannten Personen. Neben Felix Mendelssohn Bartholdy (vertreten mit zwei Unterschriften und einer Komposition), der Clara Novellos Stimme sehr schätzte, sie mehrfach engagierte und der wiederholt Gast bei musikalischen Geselligkeiten im Hause Novello war, ist hier vor allem der italienische Kontrabassist Domenico Dragonetti zu nennen, der mit drei Unterschriften und zwei autographen Kompositionen im Album vertreten ist; darüber hinaus stammen zwei von Paganini und Rossini an Dragonetti adressierte Briefe im Album aus seinem Nachlass.195 Vincent Novellos Album, dessen Zusammenstellung seine gesamte Familie einbezog und beteiligte, vereint verschiedene Herangehensweisen an das Sammeln von Autographen. So steht das auf Quantität zielende Sammeln von Unterschriften in der Art von Autogrammen, das den Sortierungen folgend darauf zielte, bestimmte künstlerische Gruppen und Netzwerke zu dokumentieren, neben dem aufwändigeren Sammeln von Notenautographen, das stammbuchtypisch eines direkten persönlichen Kontakts bedurfte. Interessanterweise bezeichnete Vincent Novello selbst sein Vorhaben im Eigentumsvermerk auf der ersten Albumseite als »Collection of Musical Autographs«. Trotz der eigenwilligen gestalterischen Umsetzung und individuellen Prägung des Albums entspricht seine Motivation somit in den Grundzügen jener der Eigner der Pariser Alben, wobei sich zugleich die Vielfalt der europäischen Stammbuchpraxis im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts andeutet. 2.2.3 Eine supranationale Akteurin: Die Gräfin Obreskov und ›ihre‹ Künstler (1838–52) Mit dem Musik-Stammbuch der Gräfin Obreskov möchte ich im Folgenden ein Notenautographen-Album diskutieren, das mit den musikalischen Netzwerken gleich mehrerer Metropolen eng verknüpft ist. Das Album steht dabei im Kontrast zu lokalen Sammlungen, wie jener der Prinzessin Marie von Sayn-Witt194 Vgl. Inventory, ebd., S. 366–373. Zu weiteren von Weston ausgemachten Gruppen (Geiger:innen, Sänger:innen etc.) vgl. ebd., S. 376f. 195 Ebd., S. 375–377.

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genstein, die die Musikhandschriften für ihr Album fast ausschließlich in Weimar sowie in einem relativ kleinen Zeitfenster, zwischen 1855 und 1859, erbat.196 Natalia Obreskov (1795–1862) entstammte der einflussreichen und für ihre Kunst- und Musikpatronage bekannten St. Petersburger Familie Sheremetev (auch: Cheriemietieff ).197 Ende der 1830er Jahre richtete sie sich mit ihrem Mann in Paris einen Wohnsitz ein, wobei sie sich regelmäßig, wie auch anhand der Einträge in ihrem Stammbuch nachzuvollziehen ist, in weiteren europäischen Großstädten aufhielt, u. a. in London und St. Petersburg. Als Musikliebhaberin umgab sie sich mit den musikalischen Berühmtheiten ihrer Zeit. Sie begleitete Chopin über mehrere Jahre und förderte ihn umfassend, etwa durch den Kauf eines Pleyel-Pianos; ihre älteste Tochter sowie ihre Verwandte Elizaveta Sheremeteva nahmen bei ihm Unterricht.198 Ihren Bezug zu Chopin sowie viele weitere Begegnungen mit Musikern und Musikerinnen, darunter Clara Wieck, Henriette Sontag oder Nicolò Paganini, suchte sie durch das Sammeln von Notenautographen zu dokumentieren. Das prunkvoll mit Miniatur-Musikinstrumenten dekorierte Album der Gräfin Obreskov (siehe Tafel 6) enthält insgesamt 65 Einträge,199 die eine starke Sammelaktivität zwischen März und Juli 1838 in Paris und später in London nachvollziehen lassen. Bei den Eintragenden handelt es sich um die berühmtesten Komponist:innen, Musiker:innen und Sänger:innen dieser Zeit.200 Das Album enthält aber auch Autographe der Schriftsteller Victor Hugo, Alexandre Dumas und des Dandys Alfred d’Orsay, weiterhin die obligatorische, da repräsentative Beethoven-Handschrift.201 Die besondere Nähe der Aristokratin zu Frédéric Chopin findet in gleich mehreren Autographen ihren Niederschlag. Dabei kommt dem Obreskov-Album, das für die Edition relevante Fassungen enthält, in der Chopin-Forschung ein beträchtlicher philologischer Quellenwert zu. Das Album umfasst zwei 1838 datierte Einträge von Chopin selbst (ein In196 Zum Album, das der zehnjährigen Prinzessin, mit vier Klavierstücken versehen, im August 1847 von Franz Liszt geschenkt worden war, vgl. Eckhardt 2000. Für eine Übersicht zu den enthaltenen Autographen, u. a. von Berlioz, Liszt, Wagner, Joachim, Viardot-Garcia, vgl. Koch-Katalog 1953, S. 337–343. Das Album ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 197 Hierzu Seaman 1966. 198 Vgl. Eigeldinger 2010, S. 189f. 199 D-Dl, Mus. 1-B-524 (im Folgenden = NO). Das Album (Laufzeit: 1838–52), dessen Noteneinträge bei RISM im Detail erfasst sind, befindet sich in der SLUB Dresden und ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 200 Auch Jean-Jacques Eigeldinger, der auf der Suche nach unerschlossenen Quellen für die ChopinForschung auf das Obreskov-Album aufmerksam wurde, liefert eine Auflistung des Albuminhalts. Vgl. Eigeldinger 2010, S. 191f. 201 Es handelt sich um eine Skizze aus Fidelio (vgl. RISM-Eintrag), die fälschlicherweise der Kantate Der heilige Augenblick zugeordnet wurde. NO, S. 5f. (Nr. 3).

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cipit der Mazurka op. 17 Nr. 4 und die vollständige Mazurka op. 33 Nr. 2), außerdem eine von Thomas Tellefsen erstellte Abschrift eines unveröffentlichten Trauermarschs (Marche funèbre) von Chopin, den Tellefsen nach dem Tod seines Lehrers wiederholt in Stammbücher eintrug.202 Hinzu kommt ein eingeklebter Brief George Sands ohne Datum oder Ortsangabe, der an Chopins Schwester Ludwika Jędrzejewicz adressiert ist und von dieser vermutlich an die Handschriften sammelnde Natalia Obreskov verschenkt wurde.203 Besonderes Gewicht verlieh Obreskov ihrem Album, in dem sie von bestimmten Protagonisten mehrfach Einträge erbat, um damit sicher auch ihren persönlichen Bezug zu diesen Musikern zu unterstreichen. Zweimalige Einträge lieferten, abgesehen von Chopin, Sigismund Thalberg, Ignaz Moscheles (vgl. Kap. 3.9.3) sowie der Tenor Gilbert Duprez. Sogar dreimal trugen sich Henri Herz (März/Juli 1838/1852) und Theodor Döhler (1838/1841/1845) in das Buch ein. Die Einträge von Döhler scheinen nicht zuletzt durch die jeweiligen Orte motiviert worden zu sein, denn Obreskov und Döhler trafen im Zeitraum von acht Jahren in London, Paris sowie in St. Petersburg wiederholt aufeinander. Beispielhaft zeigt sich an dieser Stelle die Mobilität der zeitgenössischen aristokratischen Eliten, die gewissermaßen, wenn nicht zur ständigen, doch zur wiederkehrenden Gesellschaft der ebenfalls reisenden Virtuosen wurden und wie diese supranational agierten und sich vernetzten. Während der erste Eintrag Döhlers vom 2. Juli 1838 in London ohne Widmung noch äußerst unpersönlich und kurz ausfällt,204 zeugt die Zeile »Paris, nach dem Abschiedsdiner, 29. April 1841« – in deutscher Sprache – unter dem achttaktigen Andante des zweiten Eintrags immerhin von einem gemeinsamen Essen.205 Beim letzten Eintrag füllte Döhler schließlich mit einer umfänglichen Komposition zwei ganze Albumseiten und lieferte einen individuellen Begleittext in französischer Sprache: »Pour la troisième – et j’espère pas la dernière fois / St. Petersbourg, 13 Juin, 1845. / Votre toujours devoué Th. Döhler / Vous rappelerez vous de votre discours le 15 Juin à 8 heures de soir?«206 Auf welchen Gesprächsinhalt Döhler hier anspielte, bleibt unbekannt. Dass der Klaviervirtuose 202 »Tellefsen, institué en quelque sorte héritier de Chopin dans les milieux respectifs […], se sera fait une petite spécialité de copier cette Marche, encore inédite, dans les albums des admiratrices de son maître.« Insgesamt sind nunmehr fünf Abschriften des Marsches bekannt; eine weitere dieser Handschriften, die von Auguste Franchomme stammt, wurde von Eigeldinger im Album von Camille Dubois (geb. O’Meara) in Privatbesitz ausfindig gemacht. Eigeldinger 2010, S. 198. 203 Vgl. ebd., S. 196–198. 204 Es handelt sich um einige Takte aus dem ersten Nocturne der Deux Nocturnes op. 25 von 1838. Vgl. Bertini/Döhler 1993, S. 212. 205 NO, S. 19 (Nr. 23); S. 46 (Nr. 45). 206 NO, S. 50f. (Nr. 49). »Zum dritten – und ich hoffe nicht zum letzten Mal / St. Petersburg, 13. Juni

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auf seiner Russlandreise 1845 Elise bzw. Elizaveta Sheremeteva (1818–1890), die Verwandte Obreskovs und Schülerin Chopins, kennenlernte, die er später heiraten sollte, könnte in Zusammenhang mit dem Albumbeitrag stehen. Auch an anderer Stelle wird in Obreskovs Album ein spielerischer Umgang bei der Gestaltung der Beiträge von Seiten der Musiker deutlich. Eigeldinger verweist darauf, dass Chopin auf Thalbergs Eintrag, der mit »Paris, mars 1838. Jeudi. minuit« unterschrieben ist, auf der Verso-Seite desselben Blattes ›antwortete‹, indem er sein Incipit der Mazurka (op. 17 Nr. 4) mit »Paris ce 21 Mars 1838. midi« – nicht Mitternacht, sondern mittags – signierte.207 Auf Chopins Eintrag bezog sich wiederum Herz direkt darunter: Er notierte zunächst ein viertaktiges Musiknotat, bei dem es sich um Chopins Mazurka-Incipit im Krebs handelt, das zu seinem Albumbeitrag mit dem Titel Souvenir de Norma à l’Opéra Italien überleitet.208 Eigeldinger sieht hier eine Anspielung auf die Widmungsträgerin des op. 17, die Sängerin Lina Freppa, in deren Pariser Salon Chopin, Hiller und Bellini, der Komponist der Norma, häufig im kleinen Kreis zusammenkamen.209 Da die Seite nicht ausreichte und die nächste Seite bereits oben durch einige Takte von Giovanni Battista Rubini besetzt war,210 schrieb Herz die zweite Hälfte seines Stücks umstandslos unter Rubinis Eintrag, so dass eine eher spontane Ausführung in geselliger Runde zu vermuten ist. Der Tenor zitierte übrigens, wie in den Alben von Beauchesne und Dantan (vgl. Kap. 2.2.2), Takte aus Bellinis I Puritani (»Ell’è tremante …«), wobei die Fassung für Obreskov vom 29. März 1838 mit Ausnahme eines Taktes der Version für Beauchesne entspricht, die nur wenige Wochen zuvor, am 3. Februar, entstanden war. Insbesondere in Hinblick auf die wiederholten Einträge von Frédéric Chopin, Sigismund Thalberg, Henri Herz oder Theodor Döhler in verschiedenen europäischen Musikstädten dokumentiert das Album von Natalia Obreskov die erstaunliche Mobilität einer musikbegeisterten russischen Aristokratin. Ihr musikkulturelles Handeln, das nicht zuletzt in ihrer Stammbuchpraxis zum Ausdruck kommt, trägt dabei sichtlich supranationalen Charakter und ist geprägt von der 1845. / Ihr immer ergebener Th[eodor] Döhler / Werden Sie sich an Ihre Worte am 15. Juni, acht Uhr abends, erinnern?« (Ü.d.V.) 207 NO, S. 7 (Nr. 4), S. 8 (Nr. 5). Vgl. Eigeldinger 2010, S. 192–194. 208 NO, S. 8f. (Nr. 7). 209 »Unvergeßlich sind mir die Abende, die ich im kleinsten Kreise mit ihm [Bellini] und Chopin bei Frau Freppa zubrachte. Madame Freppa, eine feingebildete, äußerst musicalische Frau, aus Neapel gebürtig, aber französischer Abkunft, hatte sich, um peinlichen Familienverhältnissen zu entgehen, in Paris niedergelassen, wo sie in der vornehmsten Gesellschaft Gesangunterricht ertheilte. […] Da wurde nun Musik geplaudert und gesungen und gespielt und dann wieder geplaudert und gespielt und gesungen.« Hiller 1880, S. 146f.; vgl. auch Eigeldinger 1996, S. 352. 210 NO, S. 9 (Nr. 6).

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Bewunderung erlesener Künstler:innen verschiedenster Herkunft. Das Beispiel der Gräfin Obreskov verweist schließlich generell auf ein entsprechendes Selbstverständnis elitärer Gesellschaftsschichten, die ihren Lebensstil durch häufige Ortswechsel kennzeichneten. 2.2.4 Partizipieren und Repräsentieren. Aristokratische Stammbuchpraxis Die große Beliebtheit der Stammbuchpraxis in den 1830er und 1840er Jahren erstreckte sich auch auf aristokratische Kreise. Neben dem Album der Gräfin Obreskov (1838–52) bezeugen dies beispielhaft drei teils erst in den letzten Jahren (wieder-)entdeckte Sammlungen: Das Mischalbum der Baronne d’Est (1835–41) korrespondiert mit konkreten geselligen Zusammenkünften in Paris, während die von der Marchesa Carandini Trivulzio in Modena gesammelten Albumblätter (ca. 1835–64) insbesondere als Dankesgesten an die adelige Förderin aufgefasst werden können. Eine unmittelbare Anbindung an die Musikpraxis der Eignerin lässt schließlich das Notenautographen-Album der Contessa Thurn-Hofer e Valsassina (1836–43) erkennen, das zunächst vor allem in Venedig, später in Trento zusammengestellt wurde. Das in hellrotes Chagrinleder gebundene Album der 1811 in London geborenen Frances Sarah Kibble – ab 1833 Baronne d’Est – befindet sich seit 1960 im Privatbesitz der Familie Arthur Rubinstein. Die Sammlung, die Jean-Jacques Eigeldinger vor allem in Hinblick auf die sich darin andeutenden Verbindungen zwischen Chopin, Bellini und Hiller analysierte und auswertete,211 umfasst elf Notenautographe, sieben Aquarelle mit Landschafts- und Genreszenen und eine Bleistiftzeichnung.212 Während drei Notenautographe – von Cherubini, Rossini und Moscheles (vgl. Kap. 3.9.3) – eingeklebt und somit wahrscheinlich erst nach Einrichtung des Albums hinzugefügt wurden, sind die restlichen Einträge direkt auf dem Albumpapier ausgeführt. Diese stammen zum einen von Protagonisten des Pariser Théâtre Italien, wie Giovanni Battista Rubini (undatiert), Luigi La­ blache, Antonio Tamburini und Giovanni Tadolini (alle von 1841), zum anderen präsentiert sich im Album das von Eigeldinger fokussierte Trio Ferdinand Hiller, Vincenzo Bellini und Frédéric Chopin.

211 Eigeldinger 1996. Abbildungen aller enthaltenen Notenautographe sind im Anhang des Aufsatzes abgedruckt. 212 Ebd., S. 348. Das Album besteht überwiegend aus Zeichenpapier und nur zu einem knappen Viertel aus Notenpapier, so dass eine nachträgliche Bindung und Zusammenführung von zwei Alben in ein »double album« erfolgt sein könnte.

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Hiller, der von 1828 bis 1836 in Paris gelebt hatte, schrieb sich anlässlich seines nahenden Abschieds am 26. April 1836 in das Buch ein, das von Seiten Chopins das einzige überlieferte Autograph des Impromptu op. posth. 66 enthält, datiert auf einen Freitag im Jahr 1835.213 Für den Kontext der Einträge aufschlussreich sind nun einige an Hiller adressierte Briefe der Baronin d’Est, die sehr wahrscheinlich sowohl bei Chopin als auch bei Moscheles Klavierstunden genommen hatte. Die Briefe, die regelmäßige Soiréen in der Rue St. Florentin – in Hillers Domizil sowie im Haus des Schwiegervaters der Baronin – erwähnen, lassen auf einen regen Austausch zwischen Madame d’Est und Hiller sowie dessen Umfeld schließen.214 Die Baronin partizipierte auf diese Weise am Künstlerleben, unterstrich darüber hinaus aber auch ihre gesellschaftliche Position und Bedeutung, die sie mit exklusiven Notenautographen, u. a. von Chopin, Hiller und Moscheles, in ihrem Album dokumentierte. In ähnlicher Weise an die gesellschaftlichen Aktivitäten einer Aristokratin geknüpft, präsentiert sich das Album der Marchesa Vittoria Carandini Trivulzio (1808–1880), die in Modena einen einflussreichen Salon unterhielt.215 Die etwa 20 der Marchesa gewidmeten Notenautographe, die im Zeitraum zwischen circa 1835 bis 1864 entstanden,216 liegen als in Papierseiten eingelegte Einzelblätter in diversen Formaten vor. Es ist unklar, ob diese jemals in gebundener Form oder in einer entsprechenden Kassette zusammengefasst verwahrt wurden, wobei auch über den ursprünglichen oder intendierten Umfang des Albums nur gemutmaßt werden kann.217 Das Beispiel des Carandini-Albums zeigt zum einen die enge Bindung der musikbezogenen Stammbuchpraxis an die Salonkultur, zum anderen verdeutlicht es eine besondere Funktion von zugeeigneten Autographen: Diese können als Kompensationsgaben von (in der Regel männlichen) Musikern für eine Vermittlung und Förderung durch die in Modena am Hof und institutionell einflussreiche Vittoria Carandini aufgefasst werden und entsprechen »Geschenken im Austausch für Unterstützung und gesellschaftliche Kontakte« (»cadeaux of-

213 Es handelt sich möglicherweise um ein eigens für die Baronin oder sogar in ihrem Auftrag komponiertes und deshalb unediertes Stück. Ebd., S. 351. Chopin widmete der Baronin d’Est darüber hinaus die Grande Polonaise brillante précédée d’un Andante spianato op. 22. Vgl. ebd., S. 349, S. 353. 214 Ebd., S. 349f. 215 Hierzu Steffan 2014. 216 Die Albumblätter stammen u. a. von Rossini, Pacini, Verdi, Fumagalli und von heute unbekannteren italienischen Komponisten und Musikern wie Petrella, Gandini, Caldi, Cornali, Majocchi, Massa, Golinelli, Sala, Perrelli, Andreoli. 217 Darüber hinaus sind die Notenautographe heute auf zwei verschiedene Archive verteilt. Steffan 2014, S. 110f.

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ferti in cambio di aiuti e contatti sociali«).218 Ein erhaltener Brief des Komponisten Alberto Mazzucato, der die Sendung seines für die Marchesa erstellten Albumblattes begleitete, ist besonders aufschlussreich in Hinblick auf konkrete Praktiken. Mazzucato geht hier interessanterweise von der Bestimmung des Autographs für ein offenbar existierendes Sammelbuch aus, dessen Maße ihm bekannt waren: Edelste Signora! […] Ich erröte, da ich es bis heute aufgeschoben habe, Ihnen für die vielen Aufmerksamkeiten zu danken, die Sie so freundlich waren mir zu gewähren. Mein Schweigen ist nicht einem Mangel an Dankbarkeit geschuldet, sondern einer Kette von Verpflichtungen, die mir nicht eine ruhige Minute ließen. Ich weiß nicht, ob Ihr Album, wie man sagt, ›aufrecht‹ [im Hochformat] oder ›breit‹ ist [im Querformat]. Ich sage dies deshalb, da wäre es hochformatig, das Papier, auf das ich die wenigen Noten geschrieben habe, die ich Ihnen zuschicken möchte, nicht passen würde. In diesem Fall sollten Sie mir unbedingt Bescheid geben; dann würde ich noch einmal diese oder andere Noten auf ein besser geeignetes Papier schreiben. Die Maße des Albums besitze ich noch. Tatsächlich geht das Papier, das ich Ihnen sende, über diese Maße hinaus, aber Sie können die Ränder abschneiden. (Ü.d.V.)219

Ebenfalls anhand von Briefen kann in einem anderen Zusammenhang die Praxis nachvollzogen werden, bei der Alben oder Blätter, die später zusammengebunden wurden, auch von mehreren Musikern untereinander verschickt wurden, bis die Sammlung der zumeist adeligen Dame, für die man in Aktion trat, überreicht werden konnte. So schrieb Vincenzo Bellini im Januar 1832 an Johann Simon Mayr: »[…] Frau Gräfin di Noia gab mir den Auftrag, Sie zu bitten irgendeine musikalische Phrase auf das Papier zu schreiben, das diesem Brief beiliegt. Ich hoffe, Sie werden einer so netten Dame entgegenkommen.«220 Zuvor, im September 1831, hatte Saverio Mercadante bereits Francesco Florimo berichtet: »[…] Das Album der kleinen Gräfin [di Noia] füllt sich zusehends, und so bald 218 Ebd., S. 105. 219 »Nobilissima Signora! […] Io arrossisco di aver procrastinato sino ad oggi a ringraziarla delle molte cure ch’Ella si compiacque darsi a mio riguardo. Non attribuisco però il mio silenzio a difetto di riconoscenza, bensì ad una catena di occupazioni che non mi accordano un minuto di requie. Non so se la forma del Suo Album sia, come dicono, in piedi oppure distesa. Dico ciò, perché se fosse in piedi, la carta su cui scrissi le poche note che ardisco inviarle non saprebbe convenire. In tal caso, Ella non dovrebbe darsi altra briga che di farmene avvertito; ché io scriverei di nuovo quelle od altre note in carta meglio adatta. La misura dell’Album, la possiedo ancora. Veramente la carta che Le invio oltrepassa detta misura, ma Ella potrà sminuirne i margini.« I-MOs, Archivio privato Carandini, Parte II, Lettere, Filza 36 [13], n. 14. Zit. nach Steffan 2014, S. 109f. 220 (Ü.d.V.) »La signora Duchessa di Noia mi dà la commissione di pregarla di scrivere qualsiasi frase musicale sul foglio di carta che le rimetto unito alla presente. Spero che ella accontenterà una sì gentile dama.« Zit. nach Steffan 2007, S. 99.

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wie möglich werde ich es an Bellini schicken und ihn drängen, es durch seinen Eintrag zu bereichern, zudem durch jene von Basili und May[e]r.«221 Zu vermuten ist hinter diesem Agieren keine gänzlich uneigennützige Motivation angesichts bereits erhaltener oder zu erwartender Gegenleistungen, die auch die Zusammenstellung des Albums von Vittoria Carandini Trivulzio kennzeichnen. Obgleich die für ihre Sammlung erstellten Albumblätter wohl in erster Linie als repräsentative Dankesgaben an die adelige Förderin aufzufassen sind, kommt doch einem Albumblatt eine klare Sonderstellung zu. Dieses Autograph stammt von einer zum einen weiblichen, zum anderen ebenfalls adeligen Schreiberin, die das Albumblatt als Zeichen der Freundschaft erstellte. Maria Zeneida (1818–1900), Gattin des österreichischen Ministers Graf Eduard Lebzeltern, musste Modena 1857 verlassen, um ihren Mann bei einer diplomatischen Mission nach Portugal zu begleiten. Zum Abschied schenkte sie Vittoria Carandini ein Solfeggio für Gesang und Klavier.222 Zeneida Lebzeltern hatte mit ihren Kompositionen offenbar einigen Erfolg, so dass diese auch in anderen Alben erscheinen. Eine von ihr komponierte Arie, mit dem Incipit »Dimmi che cosa mai fara il mio core«, findet sich etwa in einem Gesangsalbum von Paolina Capece Minutolo (1803–1877), Marchesa della Sonora del Balzo.223 Es handelt sich bei diesem Album jedoch nicht um ein MusikStammbuch, sondern um eine Sammlung, die größtenteils Abschriften von Stücken für Gesang und Klavierbegleitung u. a. von Bellini, Donizetti, Rossini, Gordigiani, aber auch Kompositionen von Paolinas Schwester Clotilde Capece Minutolo und dem Musiklehrer der Schwestern, Giuseppe Balducci, umfasst und offenbar zum privaten Musizieren verwendet wurde.224 Auf eine Verwendung im Kontext der privaten Musikpraxis verweisen schließlich auch die Beiträge im Musik-Stammbuch der Raimondina ThurnHofer e Valsassina (verh. Thun). Das gut erhaltene Notenautographen-Album (siehe Tafel 7), das 21 Einträge umfasst,225 war 2010 im Zuge der Erschließung 221 (Ü.d.V.) »L’Album della Duchessina [di Noia] si sta arricchendo, e quanto prima lo spedirò a Bellini, imponendogli con gravità di farlo aumentare con i suoi scritti, e quelli di Basili e Mayer.« Zit. nach ebd. 222 Steffan 2014, S. 114f. 223 Zum musikalischen Wirken der Schwestern Paolina, Adelaide und Clotilde Capece Minutolo vgl. Conti 2003, S. 110–179. Letztere schenkte das umfangreiche Notenarchiv der Familie 1882 dem Konservatorium von Neapel, vertreten durch seinen Bibliothekar Francesco Florimo. Vgl. ebd., S. 201–234. Ungewöhnlich erscheint, dass sich Clotilde Capece Minutolo insbesondere dem Komponieren geistlicher Werke widmete. Hierzu Conti 2005. 224 Das Album befindet sich in der Bibliothek des Konservatoriums von Neapel: I-Nc, Rari 6.5.38. 225 Dem Album war außerdem als loses Blatt ein autographer Klavierwalzer in C-Dur von Vincenzo Bellini – Raimondina Thurn im März 1833 gewidmet – beigelegt. Getrennt vom Album wurde dem doppelten Notenblatt die Signatur XXI 128 zugewiesen. Hierzu Steffan 2016.

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der Musikaliensammlung des Castel Thun in einem bis dato unbeachteten Schrank im großen Saal des Schlosses aufgefunden worden.226 In einem kulturellen Umfeld, das der exzellenten künstlerischen Ausbildung von Frauen hohen Wert beimaß, war die Contessa Raimondina Thurn (1819– 1841) als Tochter eines hochrangigen österreichischen Regierungsvertreters in privilegierten Kreisen in Venedig aufgewachsen.227 Dort entstanden ab 1836 die ersten Einträge für das Album der talentierten Pianistin und Sängerin. Neben Gaetano Donizetti, der das Album eröffnete, steuerten Giovanni Agostino Perotti und Antonio Fanna, die zu den Musiklehrern Raimondinas in Venedig gehörten, eigens für das Album geschriebene Kompositionen bei.228 Auf einer Reise nach Wien im Sommer 1837 sammelte die junge Frau schließlich weitere Einträge von Carl Maria von Bocklet, Luigi Gordigiani und den adeligen Dilettanten Charles und Joseph Poniatowski. Auffällig ist, dass es sich bei fast allen Notenschriften im Album um Kompositionen für Gesangsstimme und Klavier handelt. Obwohl nicht alle Stücke in kompletten Fassungen vorliegen, scheinen die Notenautographe somit durchaus zum Musizieren bestimmt gewesen zu sein. Auf dem Albumblatt von Joseph Poniatowksi etwa ist eine Bleistifteintragung zur vertiefenden Oktavierung der Gesangsstimme zu sehen, die darauf verweist, dass die Noten tatsächlich zum Singen verwendet wurden.229 Das Album von Raimondina Thurn enthält in der Mehrzahl Einträge von Männern, umfasst aber, ebenso wie die Sammlung von Vittoria Carandini Trivulzio, auch einen Beitrag einer adeligen Komponistin. Die Erzherzogin von Österreich-Este, Maria Teresa (1817–1886), schrieb sich im Sommer 1838, bei Gelegenheit eines Besuchs Raimondinas im Castello del Catajo (bei Battaglia Terme), mit einer Romanze in das Album ein. Dabei war die Freundschaft der beiden Frauen maßgeblich durch das gemeinsame Musizieren und den Austausch über Musik geprägt.230 Bemerkenswert ist zudem der Beitrag der österreichischen Altistin Carolina Ungher, einer professionellen Sängerin. Sie kopierte aus ihrem eigenen Stammbuch Rossinis ›Albumhit‹ Mi lagnerò tacendo (vgl. Kap. 1.1.7). Dazu schrieb sie: »Canzoncina composta dal Cav. Rossini per l’album di Carolina Ungher e da questa copiata per la gentilissima Contessa Raimondina 226 2016 erschien eine hochwertige Faksimile-Ausgabe des Albums mit umfangreichem Kommentarteil. Vgl. Thurn 2016. Das Album wird heute im Archivio provinciale di Trento (Trient) im Fondo Thun unter der Signatur XXI 232 (im Folgenden = RT) verwahrt. 227 Zur Biographie von Raimondina Thurn-Hofer e Valsassina (verh. Thun) vgl. Steffan 2016; Rollandini 2016; Rollandini 2011. 228 Steffan 2016, S. 29f. 229 Vgl. ebd., S. 30. 230 Rollandini 2016, S. 13–17.

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Thurn«.231 Eine ganz ähnliche Kopierpraxis ist auch im Album der russischen Gräfin Rostopčina zu beobachten (vgl. Kap. 2.3.4), die sich einen autographen Eintrag von Sigismund Thalberg für ihre Sammlung abschreiben ließ: »Une pensée de Thalberg, écrite par lui-même dans l’album de Mme Smirnoff«.232 Beide Beispiele verdeutlichen, inwieweit Alben im Rahmen des geselligen Austauschs kursierten und besondere Einträge herumgezeigt wurden. Nach ihrer Hochzeit mit Matteo Thun im Jahr 1839 lebte Raimondina auf Castel Thun in Trento, wo sie mit nur 21 Jahren bei der Geburt ihres ersten Kindes verstarb. Wenngleich der größte Teil des Albums in der Zeit vor ihrer Eheschließung entstand, ergänzte doch auch die verheiratete Contessa Thun ihre Sammlung um einige weitere Musikstücke. Überraschenderweise geht der letzte, zu ihren Lebzeiten entstandene Eintrag auf einen deutschen Komponisten zurück: Ferdinand Hiller.233 Seine Komposition, datiert in Trento vom 11. Juli 1840, entstand im Rahmen eines Besuchs auf Castel Thun, wohin Hiller vermutlich von Como bzw. Mailand aus gereist war (vgl. Kap. 2.1.4). Nicht zufällig basiert seine Romanze mit dem Titel »La suora« auf einem Text von Andrea Maffei.234 Denn Raimondina Thurn hegte für den Mailänder Dichter, der auch eigens für sie Texte zur Vertonung schrieb, eine besondere Vorliebe.235 Der Hiller-Eintrag ebenso wie die weiteren Beiträge im Album von Raimondina Thurn lassen die selbstverständliche Kommunikation sowie den intensiven kulturellen Austausch zwischen professionellen Musiker:innen und kultur­ affinen aristokratischen Kreisen nachvollziehen. Diesen kam als Förderinnen und Förderern, Bewunderinnen und Bewunderern, die zugleich häufig ebenfalls auf höchstem Niveau musizierten, komponierten, dichteten oder zeichneten, eine entscheidende Rolle im Kulturleben des 19. Jahrhunderts zu. Durch ihre engen Kontakte zu Musiker:innen partizipierten die höheren Gesellschaftsschichten an der professionellen Musikwelt, wobei ihrem kulturellen Engagement zugleich ein zutiefst repräsentativer Charakter innewohnte.

231 RT, f.16v–17r. »Vom Kavalier Rossini für das Album von Carolina Ungher komponiertes Liedchen, und von dieser für die freundliche Gräfin Raimondina Thurn kopiert«. (Ü.d.V.) 232 Tagliavini 1984, S. 303. »Ein [musikalischer] Gedanke von Thalberg, von ihm selbst ins Album der Madame Smirnoff geschrieben«. (Ü.d.V.) 233 Die chronologisch letzte Datierung im Album ist einem Klavierstück von Léon Honnoré vom 28. Juni 1843 beigefügt. Das Stück entstand als einziger Albumbeitrag nach dem Tod Raimondinas und ist der zweiten Frau Matteo Thuns, Carolina Arsio, gewidmet. Mit Ausnahme dieses Eintrags führte sie das Album, möglicherweise aus Pietät der Verstorbenen gegenüber, selbst nicht weiter. Vgl. Carlini 2016, S. 48. 234 RT, f.23v–24v. Vgl. Carlini 2016, S. 47. 235 Rollandini 2011, S. 84.

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2.3 Unterhaltung und Musikpraxis im Privaten Musik-Stammbücher des 19. Jahrhunderts schlagen eine Brücke zwischen privat-persönlichen Kontexten und öffentlichem Musikleben. Sie markieren Zwischenräume, für die Cornelia Bartsch, in Hinblick auf Fanny Hensels Wirken und Schaffen, den von Jürgen Habermas geprägten Begriff der »privaten Öffentlichkeit« verwendet hat.236 Im Folgenden möchte ich anhand verschiedener Beispiele solchen Spuren in Stammbüchern nachgehen, die mit der Musikpraxis im Privaten,237 die immer auch im Austausch mit der öffentlichen Sphäre zu denken ist, zusammenhängen.238 Im Fokus stehen somit der häusliche, nicht öffentliche Innenraum und die daran geknüpfte Musikausübung, die mit grundlegenden menschlichen Bedürfnissen korrespondiert. Private Musikpraxis, die Mußezeit gestaltet, zielt dabei nicht zuletzt auf Unterhaltung – im Alleinsein sowie in der Kommunikation und im Austausch mit Anderen. Zunächst gilt es, die Rolle des Kanons in Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts zu beleuchten. Nicht nur die Mendelssohn-Geschwister unterhielten und forderten sich mit dem Enträtseln von Kanons heraus. Viele weitere Musiker, wie Moritz Hauptmann, Sigismund Neukomm, der weniger bekannte August Julius Ferdinand Böhme, ebenso wie italienische und französische Kollegen, darunter Luigi Cherubini, Nicola Antonio Zingarelli, Vincenzo Bellini, Charles Gounod oder Henri Berton, schrieben sich mit Kanons in Alben ein. Kennzeichnend sind die teilweise unterlegten humorvollen Texte, die in unterhaltender Absicht den ernsten Anspruch der Kompositionsaufgabe unterlaufen und eine persönliche Ebene anklingen lassen. Das zweite Unterkapitel fokussiert die von Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy geführten Stammbücher mit dem Ziel, Parallelen und Unterschiede in deren spezifischen Gebrauchskontexten herauszuarbeiten. Der Geiger Ale­ xandre Boucher adressierte die Geschwister im Zuge seiner Albumbeiträge, auf ihre musikalischen Talente anspielend, als »Phénix« und »Cécile«. Als Schenker von Felix’ Album motivierte er indirekt auch Fanny Mendelssohn, die ihrem Bruder nicht nachstehen wollte, zur Einrichtung ihres Stammbuchs. Mit ›Musikerinnen-Stammbüchern‹ aus Deutschland, der Schweiz und aus England, die schon qua Geschlecht ihrer Eignerinnen eine enge Verknüpfung 236 Bartsch 2007, S. 93; vgl. auch Borchard 2005, S. 27. 237 Der Begriff des ›Privaten‹ ist seit dem 16. Jahrhundert belegbar und zielt auf den nicht öffentlichen Innenraum: »adj. und adv., amtlos, besonder, geheim, unöffentlich, persönlich, häuslich […]; im 16. jahrh. entlehnt aus lat. privatus (vom staat abgesondert, ohne amt für sich lebend; eine einzelne person betreffend)«. DWB, Bd. 13, Sp. 2138 (Link siehe Literaturverzeichnis). 238 Zu den Kategorien Privatheit/Öffentlichkeit in ihrer konstituierenden Bedeutung für geschlechtsspezifisches musikbezogenes Handeln vgl. auch Lexikon MuGe 2010, S. 440f.

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mit der Musikpraxis im Privaten nahelegen, beschäftige ich mich im Anschluss. Anhand der Alben der Londoner Organistin Eliza Wesley sowie der Stammbücher von Luise Avé-Lallemant, Constanze Jacobi und Fanny Hünerwadel zeigt sich das für das Wirken und die Biographien von Musikerinnen des 19. Jahrhunderts so charakteristische Wechselspiel zwischen öffentlichen und privaten Konstellationen. Abschließend wird der Blick geweitet unter Einbeziehung von Beispielen aus drei bedeutenden Musikmetropolen: Paris, Rom und St. Petersburg. Aus dem Umfeld des einflussreichen Salons ihres Vaters ging das von Juliette Zimmerman zusammengestellte Mischalbum hervor, das Einträge von Musiker:innen und diverse Zeichnungen vereint. Das Album von Teresa und Jacopo Ferretti korrespondiert mit den Musikaktivitäten des Paares in ihrem Privathaus in Rom, während Evdokija Rostopčina an verschiedenen Orten ihre Sammlung musikbezogener Erinnerungen zusammenstellte. Beide Alben enthalten neben stammbuchtypischen eigenhändigen Einträgen auch viele Notenabschriften, so dass sie nur bedingt als Musik-Stammbücher aufzufassen sind. Sie werden bewusst einbezogen, um die verschiedenen Spielarten in der Gestaltung von Alben des 19. Jahrhunderts aufzuzeigen. Insgesamt zielen die zusammengetragenen Beispiele darauf, das breite Spektrum der Motivationen und Anlässe, die die Albumpraxis rahmen, zu verdeutlichen. Hierbei offenbart sich die diesbezüglich grundlegende Bedeutung des mit dem öffentlichen Musikleben korrespondierenden privaten Raums und der daran gebundenen Geselligkeits- und Unterhaltungskulturen. 2.3.1 Stammbuch und (Rätsel-)kanon. Prüfung, Herausforderung, Spiel Der Kanon, der als traditionellste musikalische Form die Noteneinträge in Stammbüchern früherer Jahrhunderte dominierte, ist auch in Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts weiterhin präsent. Er fungierte als Ausdruck und als Prüfung des kontrapunktischen Geschicks der eintragenden sowie der rezipierenden Person, der beim sogenannten ›Rätselkanon‹ die Aufgabe zukam, den Kanon zu ›lösen‹, ihm also eine oder mehrere harmonisch passende, an geeigneter Stelle einsetzende Stimmen, etwa im Krebs oder in der Umkehrung, hinzuzufügen.239 Im Austausch zwischen den Mendelssohn-Geschwistern beispielsweise waren Kanons ein beliebter Zeitvertreib, bei dem letztlich das bei Carl Friedrich 239 Der Rätselaspekt bzw. konkret die Praxis, durch eine Devise Hinweise zur Lösung zu offenbaren, ist in der Geschichte des Kanons seit dem 15.  Jahrhundert nachzuweisen. MGG2: Cahn 1996, Sp. 1678.

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Zelter erlernte kontrapunktische Können auf die Probe gestellt wurde. Der Kanon begleitete die Kommunikation der Geschwister auch im Erwachsenenalter, so dass der Bruder einem Brief seiner Frau Cécile vom Juli 1837 folgendes Postskriptum beifügte: Kennst Du denn meinen 3stimmigen Stammbuchscanon schon, liebe Fanny! Ich habe mir Platz ausgebeten um ihn Dir aufzugeben. [Musiknotat: »Canone a 3«] Es ist noch Platz. Kennst du den 2stimmigen?: [Musiknotat: »Can. a 2«] Wenn du ihn nicht kennst, so rathe mal. Er ist schwer. Bewundre auch die sehr niederträchtige Melodie, welche dieser letzte enthält. Das ist wahre Gelehrsamkeit.240

Auch für Stammbucheinträge griff Felix Mendelssohn Bartholdy immer wieder auf Kanons zurück, die den Komponisten in der Regel über einen längeren Zeitraum begleiteten, deshalb teils in verschiedenen Varianten vorliegen und, wie entsprechende Skizzen offenbaren, sorgfältig erdacht und erprobt wurden.241 Während seines London-Aufenthalts 1837 etwa trug Mendelssohn in das Musik-Stammbuch der zu diesem Zeitpunkt 18-jährigen Eliza Wesley (vgl. Kap. 2.3.3), Tochter des Komponisten Samuel Wesley, einen zweistimmigen Rätselkanon ein, den er mit »Quartett?« überschrieb und damit einen Hinweis auf eine mögliche Lösung lieferte. Wie Günter Hartmann zeigen konnte, stellt ein entsprechender Quartettsatz nicht die einzige Lösung des Kanonrätsels dar.242 Hartmann präsentiert eine sechsstimmige Auflösung, die in Sopran- und Bassstimme die Initialtöne des Chorals O Haupt voll Blut und Wunden zitiert.243 Diese Option könnte das Fragezeichen in Mendelssohns Hinweis erklären und erscheint als Ergebnis der Rätselaufgabe auch bezüglich des musikalischen Hintergrunds der Beteiligten, konkret in ihrer Hinwendung zu den Werken Johann Sebastian Bachs, überzeugend. Dennoch bleibt offen, welche Lösung Mendelssohn tatsächlich im Sinn hatte und ob seine Adressaten, Eliza und wohl auch Samuel Wesley, diese je entschlüsselten. In jedem Fall kann durch Mendelssohns Albumblatt ein erstes Zusammentreffen zwischen ihm und den Wesleys für den 7. September 1837 angenommen werden. Der Kontakt entwickelte sich sogar weiter zu einem Austausch in Gestalt einer auf den 9. September datierten Fugenkomposition in h-Moll von Samuel Wesley, »Fugue composed expressly for Dr. Mendelssohn«, die das Sopran-Thema des Mendelssohn’schen Rätselkanons aufgreift.244 Insgesamt zeigt 240 MSB Bd. 5, S. 314 (Nr. 1676, Brief aus Bingen am Rhein vom 24. Juli 1837). Zu den Kanons vgl. MWV: Wehner 2009, S. 398f. (Y8 und Y12). 241 Wehner 1997, S. 47–50. 242 Hierzu Hartmann 1989 (mit Faksimile). 243 Ebd., S. 11f. 244 Ebd., S. 13.

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der Albumeintrag für Eliza Wesley exemplarisch die Dichte der Bezugsebenen von Stammbucheinträgen, zugleich aber auch die Problematik der Rekonstruierbarkeit der damit verbundenen Intentionen. Kanons in Stammbüchern scheinen sich im 19. Jahrhundert zunehmend zu einer Nische für Spezialist:innen entwickelt zu haben. Dies verdeutlicht das Beispiel eines Kanons im Stammbuch von August Julius Ferdinand Böhme (1815– 1883), der von Böhmes Musiktheorie-Lehrer Moritz Hauptmann stammt.245 Die daran gebundene Anekdote,246 die Hauptmanns musikalische Meisterschaft illustriert, ist überliefert, da Böhme sie auf Bitten von Hauptmanns Frau niederschrieb.247 Böhme, der als Musiker vor allem in den Niederlanden wirkte, trat im September 1851 eine längere Deutschlandreise an, bei der er in Düsseldorf auch Robert Schumann besuchte, den er kurz zuvor als Juror bei einem Gesangswettbewerb in Antwerpen kennengelernt hatte. Bei seiner Reise hatte Böhme sein Album selbstverständlich im Gepäck. Beim Durchsehen der Seiten soll Schumann der zweistimmige Kanon Hauptmanns aufgefallen sein. Sowohl Schumann als auch Böhme versuchten schließlich nach Vorgabe Hauptmanns den Kanon als vierstimmigen Satz zu lösen, was beiden ad hoc misslang. Suzette Hauptmann adressierend fasste Böhme im Anschluss an die Anekdote den Stellenwert der Kanon-Komposition wie folgt: Was nun Canons selbst anbetrifft, so sind sie wohl mit die schwierigsten Compositionen, die ebenso viel Studium als Nachdenken erfordern, und Ihr Herr Gemahl ist auch in dieser Compositions-Gattung ein unübertrefflicher Meister, der Ihnen die damit verbundenen Schwierigkeiten leichter mittheilen kann, als ichs hier erklären. Die alten Meister hielten den Canon für einen Prüfstein, um die Geisteshöhe von Collegen daran zu messen.248

Wohl auch im Zusammenhang mit dem »Prüfstein«-Gedanken, der es gestattete, eine komponierende Elite zu definieren, blieb Böhme zeitlebens von Kanons fasziniert; besonders in seinen letzten Lebensjahren war er als Autor mit Beiträgen zu Rätselkanons im Musikalischen Wochenblatt aktiv. Er äußerte sich 245 Hierzu Taut 1938. In den 1830er Jahren umfasste das Stammbuch, eine Loseblattsammlung in einem samtbezogenen Kästchen, 105 Eintragungen, die zwischen 1848 und 1880 zum größten Teil in Deutschland und den Niederlanden entstanden waren, außerdem elf Aquarelle und Zeichnungen. Ebd., S. 128. Das »Album Amicorum« (siehe das kolorierte Titelblatt) befindet sich heute in der SLUB Dresden und ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). Der Kanon von Moritz Hauptmann ist nicht mehr darin enthalten. 246 Zur Anekdote als biographischem Konzept, das insbesondere das Musikschrifttum im 18. Jahrhundert bestimmte, vgl. Unseld 2014, S. 117–119. 247 Taut 1938, S. 129–132. Hauptmanns Kanon ist mit zwei verschiedenen Lösungsvorschlägen abgedruckt. 248 Zit nach ebd., S. 132.

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zur Lösung mehrerer Kanons und stellte auch selbst Kanon-Aufgaben. 1872 und 1881 wurde von der Zeitschrift jeweils ein Kanon von Brahms zur Lösung für die Leser:innen ausgeschrieben. Wie auch bei Böhmes Kanon-Aufgaben blieben die Zuschriften aus – einzig Böhme konnte die Auflösungen der Brahms-Kanons liefern.249 Dass es für professionelle Komponisten gegebenenfalls eine heikle Angelegenheit darstellen konnte, sich mit einem Kanon in einem Album zu präsentieren, zeigen die Umstände bei der Entstehung des in der Sammlung von Francesco Florimo enthaltenen Kanons von Vincenzo Bellini.250 Florimo war ein enger Freund und Bewunderer Bellinis. Den Kanon, den er im August 1835 per Post aus Paris erhielt, hatte Bellini ursprünglich für das Album von Luigi Cherubini vorgesehen,251 der für seine komplexen und strengen Kanon-Kompositionen bekannt war. Im Bewusstsein des gesteigerten Anspruchs des Albumeigners hatte Bellini zunächst die Fachmeinung seines Mailänder Kollegen Francesco Pollini eingeholt. Dieser äußerte sein kritisches Urteil ziemlich offen: Betrachtet man [Ihr Stück] als Kanon im strengen Sinn, scheinen mir, wie Sie sicher selbst wissen, einige von unseren alten Meistern aufgestellte und vorgeschriebene Regeln, die für die Natur eines wahren Kanons grundlegend und charakteristisch sind, nicht genau beachtet zu sein. Der großartige Cherubini befolgte jene Theorien und Gesetze in seinen unnachahmlichen Kompositionen stets mit Strenge. Um also jede Kritik zu vermeiden, und gerechtes und verdientes Lob zu sammeln, würde ich sagen, präsentieren Sie diesem bedeutenden Mann Ihre Komposition, so wie sie ist, aber vermeiden Sie die Bezeichnung Canone, Duetto, Duettino oder was es Ähnliches gibt, und sprechen Sie einfach von Andante mosso. (Ü.d.V.)252 249 Ebd., S. 133–135. 250 Das erste Album von Francesco Florimo ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). Mit 88 Jahren hatte der Bibliothekar seine zwei Alben umfassende Sammlung dem Conservatorio di musica San Pietro a Majella in Neapel vermacht und sich bei dieser Gelegenheit auf der ersten Albumseite zu seinen Intentionen geäußert: »Fino al giorno di oggi 28 Febraio [sic] 1887, sono vissuto 88 anni, dei / quali perlomeno 70 fra musica e musicisti. E ho cercato di profit- / tarne domandando a tutti gl’illustri uomini in cui m’ / imbattevo, musicisti, pittori, letterati ecc. ecc. la loro firma / o un loro autografo, come per testimonianza delle mie / stazioni della mia lunga vita. Cozì son nati questi due / album, preziosi per me, ma credo anche per gli altri. […]« (I-Nc, Rari 4.3.7, f.1r) / »Bis heute, den 28. Februar 1887, habe ich 88 Jahre gelebt, davon mindestens 70 mit Musik und unter Musikern. Und ich habe versucht, daraus einen Nutzen zu ziehen, indem ich all die illustren Männer, auf die ich traf, Musiker, Maler, Literaten usw. usw., um ihre Unterschrift oder ihr Autograph bat, als Zeugnis der Stationen meines langen Lebens. So entstanden diese beiden Alben, wertvoll für mich, aber ich denke auch für andere.« (Ü.d.V.) 251 »[…] un canone che ho fatto per l’album di Cherubini«. Zit. nach Steffan 2007, S. 103. 252 »Considerato come Canone nel suo giusto senso, sembrami non esattamente osservati, come benissimo lo saprete, alcuni precetti stabiliti e prescritti dagli antichi nostri Maestri come essenziali e

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Beim Komponieren von Kanons herrschten offenbar klare Hierarchien, die auch in Florimos Album deutlich werden. Es wird von einem Kanon Nicola Antonio Zingarellis, Florimos Lehrer und Direktor des Konservatoriums in Neapel, eröffnet und schließt mit einem Kanon Luigi Cherubinis. Trotz des gegebenenfalls hohen Anspruchs an Kanon-Kompositionen wurden viele Kanons in Stammbüchern auch mit einem gewissen Augenzwinkern geschrieben und rezipiert – vor allem auf textlicher Ebene. Zingarelli legte seinem Kanon, mit der Widmung »pel suo amico il Sigr Florimo«, etwa folgende italienische Übersetzung Shakespeare’scher Verse zugrunde:253 »Giacché un’ostrica è il mondo aprirla è d’uopo / e la mia spada ne otterrà lo scopo.«254 Darauf ›antwortete‹ Donizetti auf der sich anschließenden Albumseite mit einigen Takten über den Text: »Ed io che non ho tal curiosità / Lascio l’ostrica e il mondo come stà.«255 Ähnlich amüsant und zunächst nur für Eingeweihte nachvollziehbar präsentiert sich auch ein Rätselkanon von Sigismund Neukomm für das Stammbuch Luigi Cherubinis,256 den der Schreiber selbst überlieferte und erläuterte: »NB. J’ai composé ce canon pour l’Album de mon ami Cherubini, et j’ai choisi ces paroles qui font allusion à l’ingratitude de nos contemporains, qui ne savent pas apprécier assez le mérite de ce grand compositeur.«257 Die aus seiner Sicht mangelnde Wertschätzung Cherubinis thematisierte Neukomm, indem er dem Kanon ein Zitat aus dem Lukas-Evangelium unterlegte: »Pater, dimitte illis, non enim sciunt quid faciunt.«258 – »Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Insgesamt ist festzuhalten, dass Stammbücher des 19. Jahrhunderts ein weites Spektrum verschieden gearteter Kanons enthalten können. Kanons erscheinen caratteristici della natura di un vero Canone. L’immenso Cherubini nelle sue originali ed inimitabili composizioni fu sempre un severo osservatore di tali teorie e leggi, quindi per non incorrere a qualche critica, anzi per essere certo di raccogliere giuste e dovute lodi, io direi, presentate a quest’uomo insigne la vostra composizione, tale e quale si trova, omettete la denominazione di Canone, Duetto, Duettino, o qualunque altra si fosse, e dite soltanto Andante mosso.« (I-CATm), zit. nach ebd., S. 104. 253 Die Worte stammen aus William Shakespeares The Merry Wives of Windsor (Akt II, Szene 2): »Why then, the world’s mine oyster. Which I with sword will open.« Vgl. Shakespeare 1990, S. 124. 254 I-Nc, Rari 4.3.7, f.5r/v, vgl. auch f.8r–9r. »Da eine Auster die Welt ist, sollte man sie öffnen / und mein Degen wird dies vollbringen.« (Ü.d.V.) 255 I-Nc, Rari 4.3.7, f.6r. »Und ich, da ich nicht so neugierig bin / lasse die Auster und die Welt wie sie sind.« (Ü.d.V.) 256 Cherubini hatte zuvor bereits einen Kanon (datiert: Paris, 19. August 1811) in Neukomms Stammbuch geschrieben, so dass der Albumbeitrag Neukomms als Erwiderung zu verstehen ist. Vgl. Beduschi 2007. 257 Zit. nach ebd., S. 450 (inkl. Abbildung von Neukomms Notiz). »Nota Bene. Ich habe diesen Kanon für das Album meines Freundes Cherubini komponiert, und ich habe die Worte gewählt in Anspielung auf den Undank unserer Zeitgenossen, die die Verdienste dieses großen Komponisten nicht zu schätzen wissen.« (Ü.d.V.) 258 Vgl. auch ebd., S. 448.

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als Rätselaufgaben in Fassungen mit einer oder zwei Stimmen, die von der adressierten Person zu ergänzen waren, aber auch in ausgeschriebener Form. Im kompositorischen Anspruch können sie stark variieren. In der Regel bergen Kanons Anspielungen und Verweise auf musikalischer und wortsprachlicher Ebene, die aus heutiger Sicht schwer zu entschlüsseln sind. Auffällig sind die verschiedentlich zu findenden humoristischen bis albernen Texte zu Kanons, die an den konkreten zwischenmenschlichen Kontakt gebunden waren. Exemplarisch stehen hierfür, neben den eben thematisierten Beispielen, Henri Bertons Kanon für das Beauchesne-Album (vgl. Kap. 2.2.2), Neukomms Kanons in den Alben von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie von Ignaz und Serena Moscheles (vgl. Kap. 2.3.2, 3.2.2 und 3.4.3) oder Gounods Zirkelkanon für Emily Roche (vgl. Kap. 3.4.2).259 Der humorvolle und spielerische Ansatz, der die Texte motiviert, konterkariert dabei den Anspruch und die Ernsthaftigkeit der kontrapunktischen Leistung bei der Komposition von Kanons. 2.3.2 »Phénix« und »Cécile« – Zu den Stammbüchern von Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy Angesichts der großen Verbreitung des Sammelns von Erinnerungsblättern in seiner Zeit und in seinem gesellschaftlichen Umfeld war Felix Mendelssohn Bartholdy der Stammbuchpraxis insgesamt sehr zugewandt. Im Laufe seines Lebens erstellte er als professioneller Musiker sowie als Freund und Bekannter eine erhebliche Anzahl von Albumblättern. Insbesondere im engeren persönlichen Umfeld gestaltete er seine Stammbuchbeiträge, ebenso wie seine Briefe, mit großem Einfallsreichtum, Witz und Kreativität (vgl. auch Kap. 3.6).260 Auf die Bedeutung, die Mendelssohn der Stammbuchpraxis zumaß, verweist nicht zuletzt die Tatsache, dass er wiederholt Alben verschenkte. Für seine Verlobte und spätere Frau Cécile Jeanrenaud erstellte er zu Weihnachten 1836 und 1844 hochkarätige Sammlungen (vgl. auch Kap. 3.9.1).261 Als Taufpate schenkte er außerdem sowohl Ignaz Moscheles’ Sohn Felix (geb. 1833; vgl. Kap. 3.5) als auch Henriette

259 Vgl. auch Kap. 3.9.1 zu Kanon-Kompositionen aus Ignaz Moscheles’ Feder. 260 Vgl. Grumbacher/Rosenthal 1982; Hartmann 1989; Rost 2015. 261 GB-Ob, MS. M.D.M. c.21 (Laufzeit: 1836–48); GB-Ob, MS. M.D.M. b.2. Die Alben umfassen Zeichnungen, Briefe, Gedichte und Notenhandschriften, darunter Autographe von Mozart, Haydn, Beethoven, Weber, Goethe, Schiller und Lessing, ebenso wie Albumblätter zeitgenössischer Künstler:innen und Musiker:innen sowie Beiträge von Familienmitgliedern und von Mendelssohn selbst. Zum Inhalt vgl. Crum 1983, S. 78–90; vgl. auch Wehner 1997, S. 41–43. Zu den enthaltenen Kompositionen von Fanny Hensel vgl. Bartsch 2007, S. 199.

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Voigts Tochter Ottilie (geb. 1835) ein Album zur Geburt.262 Auch führte er selbst ein Stammbuch und sammelte Notenautographe, die er in geselliger Runde herumzeigte. So berichtet Henriette Voigt in einem auf den 12.  Juni 1835 datierten Tagebucheintrag von einem Treffen bei Gelegenheit des Niederrheinischen Musikfestes in Köln:263 Um 10 Uhr mussten wir zu ihm [Felix Mendelssohn] kommen, wo wir tüchtig musicierten […] er zeigte uns sein interessantes Stammbuch, bat mich auch mich einzuschreiben, merkwürdige Briefe von Mozart, Manuscripte des B-dur Trio u. der A-Dur Symphonie von Beethoven u.s.w.264

Felix Mendelssohn hatte sein Stammbuch im Alter von zwölf Jahren zu führen begonnen.265 Das verhältnismäßig schmucklose Buch im roten Einband erhielt er im Herbst 1821 als Geschenk von dem Geiger Alexandre-Jean Boucher, der es mit einer mehrseitigen Komposition für Streichquartett einweihte:266 »Souvenir de Boucher à son jeune ami Félix (ou plutot Phénix, agé de 12 ans) / digne rejeton des Mendelssohns!«267 Auch Bouchers Frau, die Harfenistin Céleste Boucher, schrieb eine Erinnerungszeile unter die Komposition, in der sie zugleich die Familie des jungen Musikers (»digne de sa Respectable Famille«) adressierte.268 Das Album besteht überwiegend aus Notenpapier, enthält aber auch Blankoseiten und ist somit als Mischalbum angelegt, in dem sowohl Musik als auch Zeichnungen und Textbeiträge zusammenfinden. Die Noteneinträge dominieren mit knapp zwei Dritteln den Albuminhalt. Mendelssohn sammelte in seinem Stammbuch insgesamt 77 Einträge im Zeitraum von 1821 bis 1845.269 Der chronologisch letzte Eintrag der Cellistin Lise B. Cristiani ist auf den 14. Oktober 1845 in Leipzig datiert.270 Ihr Eintrag korrespondiert dabei mit einem Al262 Gensel 1909, S. 399. 263 Das 17. Niederrheinische Musikfest fand am 7. und 8. Juni 1835 im Kölner Gürzenich unter Mendelssohns musikalischer Leitung statt, der u. a. Händels Oratorium Salomon auf Grundlage von Originalpartituren zur Aufführung brachte. Hierzu Niemöller 1965. 264 Zit. nach Gerber 2016, S. 215 [D-LEsm, MT/2011/42]. Henriette Voigt setzte Mendelssohns Bitte offenbar nicht um; in Mendelssohns Stammbuch ist kein Eintrag von ihr enthalten. 265 GB-Ob, MS. M.D.M. d.8 (im Folgenden = FMB). Das Buch im Querformat misst 20,2 cm × 26,5 cm × 2 cm. 266 FMB f.5r–14r. 267 FMB f.5v. »Erinnerung von Boucher für seinen jungen Freund Felix (oder eher Phoenix, 12 Jahre alt) / würdiger Spross der Mendelssohns!« (Ü.d.V.) 268 FMB f.14r. 269 Für eine Listung der Beiträge vgl. Crum 1983, S. 73–78. 270 FMB f.56r. Die Lesart der Jahreszahl als 1847 (Crum 1983, S. 76) ist anhand der vorliegenden biographischen Daten auf 1845 zu korrigieren; denn die Cellistin Lise Cristiani trat im Oktober

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bumblatt für Klavier (Andante Pastorale), das Mendelssohn ihr einen Tag zuvor, am 13. Oktober 1845, zugeeignet hatte.271 Mendelssohns Sammeltätigkeit erstreckt sich somit über eine Zeitspanne von 24 Jahren, ist aber mit teilweise nur wenigen Einträgen pro Jahr insgesamt nicht übermäßig ausgeprägt. Zunächst sammelte der junge Musiker vor allem in Berlin Albumbeiträge. Aus dem geselligen Umfeld seines Elternhauses gingen, neben dem Kontakt zu den Bouchers, Beiträge der Brüder Giacomo Meyerbeer und Michael Beer, ein Frühlingslied des Geigers Eduard Ritz ebenso wie das Allegro di bravura von Ignaz Moscheles hervor (vgl. Kap. 3.9.1). Der von Goethes Gedicht Sendschreiben inspirierte Texteintrag von Mendelssohns Lehrer Carl Friedrich Zelter datiert in Weimar während des gemeinsamen Aufenthalts anlässlich des Besuchs bei Goethe vom November 1821.272 Vermutlich entstand in dieser Zeit auch ein nur mit Jahreszahl versehener Scherenschnitt Adele Schopenhauers, einer engen Freundin von Goethes Schwiegertochter Ottilie, der eine Himmelsleiter mit herabschwebenden Tönen zeigt.273 Sie schenkte Mendelssohn außerdem zwei weitere Scherenschnitte, begleitet von einem dekorativen Blatt mit kommentierenden Versen von Goethes Hand vom 20. Januar 1822.274 Ein weiteres Autograph des Dichters – mit einem Auszug aus Faust – konnte Mendelssohn seinem Album im Mai 1830 hinzufügen.275 Neben Goethe und Zelter, deren Autographe der Albumeigner wohl nicht zufällig direkt nebeneinander platzierte, ist auch Mendelssohns wichtigste Bezugsperson und musikalische Partnerin der frühen Jahre im Stammbuch mit gleich zwei Liedern präsent. Fanny Mendelssohn Bartholdys erster Albumeintrag datiert vom März 1822 und schließt sich in der chronologischen Reihenfolge der Stamm1845 bei den Leipziger Gewandhauskonzerten auf und begab sich im Frühjahr 1847 auf eine mehrjährige Konzerttournee durch Russland. Vgl. Drinker: Hoffmann 2010. Zu den Konzerten der Cellistin, die als erste Musikerin im 19. Jahrhundert gilt, die mit ihrem als ›unweiblich‹ erachteten Instrument öffentlich auftrat, vgl. auch Hoffmann 1991, S. 196–207, S. 405–413. 271 MWV: Wehner 2009, S. 357 (U 193). Mendelssohn widmete Cristiani außerdem eine Romance sans paroles für Violoncello und Klavier, die wahrscheinlich ebenfalls im Jahr 1845 entstand. Ebd., S. 266 (Q 34). 272 FMB f.14v. »Und wer nicht richtet sondern fleißig ist / wie du es bis heute gewesen bist, / der hat sich selbst ein Eigenthum: / das ist das alte Evangelium. / Zum Gedächtnisse der Liebe / Zelter. / Weimar, den 3 November / 1821.« Vgl. Goethes Werke 1827, S. 192f. 273 FMB f.31, f.29r (Begleittext): »Jacob sah im Traum eine Himmelsleiter, und von ihr stiegen die Engel herab zur / Erde, die Leiter steht noch immer auf der Erde, und die hinauf und herab / schwebenden Engelein, sind die Noten, die den Himmel der Töne bringen«. 274 FMB f.37–40; vgl. Wehner 1997, S. 41. Die drei Blätter, die ein viel kleineres Format als das Stammbuch aufweisen, sind am Bund eingeklebt. 275 FMB f.16–17; vgl. Crum 1983, S. 73. Das Autograph, das heute von der Bodleian Library separat verwahrt wird, war in graublaues Papier eingeschlagen; dieses ist aufgeklebt auf f.15r.

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buchbeiträge unmittelbar an Zelters Eintrag und die Entstehung des Scherenschnitts mit den Goethe-Versen an, wobei der Vorbild- und Leitcharakter der drei Personen für den jungen Mendelssohn deutlich wird. Viel spricht dafür, dass das Lied mit dem Titel Fischers Klage von 1822 ebenso wie das Lied Der Maiabend,276 das die zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratete Fanny Hensel am 12. Mai 1830, einen Tag vor der Abreise ihres Bruders nach Italien, einschrieb,277 eine zutiefst persönliche Bedeutungsebene anklingen lassen und »im Kontext der Trennung von ihrem musikalischen Alter Ego« zu verstehen sind.278 Sein Stammbuch begleitete den jungen Mendelssohn schließlich auf seinen ersten größeren Reisen, die er ohne seine Schwester unternahm. 1825 und 1826 sammelte er Einträge in Paris, unter anderem von Jacques Fromental Halévy, Henri Herz und Sigismund Neukomm, der für Mendelssohn einen Rätselkanon zu sieben Stimmen (»Canon aenigmat[icus] 7 vocibus«) notierte, datiert in »Parisiis 12ma Maii 1825«.279 Sigismund Neukomm behielt die Komposition im Repertoire seiner Stammbucheinträge, so dass er das Stück vier Jahre später, am 17.  Juni 1829, erneut für Ignaz Moscheles in London aufschrieb (vgl. Kap. 3.2.2). Dem Kanon ist folgender mehrdeutiger Text in Latein unterlegt: »Gutta cavat lapidem non vi sed saepe cadendo« (»Der Tropfen höhlt den Stein nicht durch Kraft, sondern durch stetes Fallen«). Während der Eintrag für Ignaz Moscheles mit sieben verschiedenen Schlüsseln auf die zu findenden Stimmen verweist, gab Neukomm Mendelssohn lediglich mit einem quergeschriebenen »Altius!« einen Hinweis auf einen Lösungsansatz. Die mit Abstand meisten Albumbeiträge sind in den Jahren 1829 und 1830 datiert, so dass Mendelssohn in dieser Zeit offenbar die größte Sammelaktivität entwickelte.280 Während seiner ersten Englandreise 1829, die zwölf Beiträge hervorbrachte, fokussierte Mendelssohn insbesondere die einflussreichen Namen des Londoner Musiklebens, darunter George Smart, Charles Neate, Johann Baptist Cramer und William Horsley, mit dessen gesamter Familie Mendelssohn freundschaftlich verbunden war.281 Mendelssohn selbst dokumentierte seine Erinnerung an den ersten London-Aufenthalt mit einer eigenhändigen 276 FMB f.47v–48r, f.73v. 277 Zu der Komposition gehört ein von Wilhelm Hensel gestaltetes Aquarell, das zwei Liebende unter Bäumen zeigt und direkt gegenüber der Notenseite eingefügt wurde: FMB f.75 (eingeklebt auf f.74r). 278 Bartsch 2007, S. 211–221, hier: S. 212. 279 FMB f.77v. 280 Im Jahr 1829 entstanden insgesamt 13 Beiträge, 14 Albumbeiträge datieren vom Jahr 1830. 281 Horsley komponierte eigens für Mendelssohn einen Kanon Pater meus est, datiert in Gravel Pits Kensington, 23. November 1829 (FMB f.65v–66r). Zur Freundschaft zwischen den Horsleys und Mendelssohn vgl. Jones 2006, S. 7–18.

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Bleistiftzeichnung in seinem Album, auf der er den Blick auf die Stadt mit der Themse im Vordergrund festhielt.282 Skurril und zugleich typisch für spontan niedergeschriebene Stammbuch-Kompositionen, die mit einem Augenzwinkern vor allem den Albumeigner und weniger eine sonstige potenzielle Leserschaft des Stammbuchs ansprechen, präsentiert sich das »Impromptu sur le départ de M. F. Mendelssohn« des schottischen Musikers Finlay Dun, datiert in »Edinbourg 1. Aout 1829«, über den Text: »O do not leave no / my dear Mendelssohn / Farewell / my dear Mendelssohn«.283 Während im Zuge der Italienreise keine Einträge entstanden, was in Zusammenhang mit Mendelssohns bekannten Vorbehalten gegenüber der italienischen Musikkultur stehen dürfte, dokumentierte der Musiker auf der Hinreise im Sommer 1830, beim Aufenthalt in München, sehr wohl seine einschlägigen Kontakte: In das Album trugen sich Hofmusik-Intendant Johann Nepomuk Poissl sowie Hofkapellmeister Joseph Hartmann Stuntz mit seinem neunjährigen Sohn Hector ein; Graf von Pocci schenkte Mendelssohn die karikierende Zeichnung einer Briefübergabe (vgl. Kap. 3.8.3).284 Die Pianistin Delphine von Schauroth schrieb ein »Lied für Pianoforte« in E-Dur ins Album, datiert in München auf den 21.  Juli 1830.285 Darauf bezugnehmend revanchierte sich Mendelssohn einige Monate später: […] auch habe ich aus Venedig an Frau v. Schauroth geschrieben, wie ich versprochen hatte, und ein Stammbuchblatt das mir Delphine mitgegeben hatte, ihr geschickt mit einem Lied ohne Worte darauf; es geht aus gmoll und heißt: »auf einer Gondel«.286

Mendelssohn spricht hier von einer Komposition, die er am 16. Oktober 1830, sechs Tage nach seiner Ankunft in Venedig, komponiert hatte und die später als erstes seiner Venetianischen Gondellieder aus den Liedern ohne Worte veröffentlicht werden sollte (Venetianisches Gondellied g-Moll, op. 19b Nr. 6, Erstdruck: 1832, Erstes Heft).287 Wie auch im Falle der Gondellieder op.  30 Nr.  6 (vgl. Kap. 282 FMB f.27v; vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 265 (EZ 20). 283 FMB f.63v–64r. Vgl. auch das Männertrio von David Schlesinger mit dem holperigen Gesangstext: »Da quäl’ ich mich schon recht lange, aber weiter komm ich nicht, kann gar nicht fort, doch jezt [sic] will ich noch ein Mal das Ding versuchen und da hoff ’ ich denn diesen Canon noch zu Ende zu bringen für Sie mein Freund, Herr Mendelssohn.« FMB f.49. 284 FMB f.69 (aufgeklebt auf f.68v). 285 FMB f.66v–67r. 286 MSB Bd. 2, S. 116 (Nr. 360, Brief vom 23./24.10.1830, Mendelssohn in Florenz an die Schwestern in Berlin). Delphine von Schauroth hat diese Notensendung nie erhalten; sie wurde wahrscheinlich vom österreichischen Zoll konfisziert, der in Notenschriften verschlüsselte Botschaften vermutete. Ebd., S. 181 (Nr. 385, Brief vom 28. Dezember 1830 an die Familie in Berlin). 287 MWV: Wehner 2009, S. 316f. (U 78).

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1.2.5) und op. 62 Nr. 5,288 die ebenfalls im Kontext der Stammbuchpraxis entstanden und in ersten oder frühen Fassungen in Alben geschrieben wurden, zeigt sich hier die Wandlung von Musik, die für den privaten Rahmen komponiert wurde, zu später edierten Erfolgsstücken für die Öffentlichkeit. Auffällig erscheint, dass die Einträge in Mendelssohns Stammbuch nach 1830 gänzlich in Deutschland zu verorten sind: in Berlin, Düsseldorf und vor allem in Leipzig.289 Dort entstanden etwa Albumblätter von Henriette Grabau, Ferdinand David und Clara Novello. Mendelssohn sammelte demzufolge nach 1829/30 keine Beiträge mehr im Ausland, nahm das Album also vermutlich nicht mehr auf größere Reisen mit. Wenngleich er das Interesse an seinem Stammbuch nie gänzlich verlor, korrespondiert es somit insbesondere mit der Zeit seiner Etablierung als professioneller Musiker. Zugleich bewahrt das Album zutiefst persönliche Erinnerungen und private Bezüge, auf die nicht zuletzt die enthaltenen Lieder Fanny Mendelssohns von 1822 und 1830 verweisen. Ebenso wie Fanny Mendelssohn zwei Beiträge zum Album ihres Bruders beisteuerte, ist auch Felix Mendelssohn mit zwei Kompositionen im Stammbuch seiner Schwester vertreten.290 Am 13. September 1821 eröffnete er das Album mit einer Sonatina; zu Fannys 23. Geburtstag, am 14. November 1828, schrieb er ein Klavierlied ein.291 Nicht zufällig hatte Fanny Mendelssohn im selben Jahr wie ihr jüngerer Bruder, kurze Zeit vor ihrem 16. Geburtstag, begonnen ein Stammbuch zu führen. Während Felix sein Stammbuch jedoch bis ins Jahr 1845 weiter ergänzte, schloss Fanny Mendelssohn ihre Sammlung 1829 – im Jahr ihrer Eheschließung – offenbar bewusst ab.292 Der chronologisch letzte Eintrag von Nicolò Paganini datiert vom Mai 1829 in Berlin. Im Sommer fügte die Eignerin dem Album noch ein im April 1829 niedergeschriebenes Lied-Autograph von Carl Klingemann hinzu, das der Freund der Familie, der im Liedtext die 288 Wehner 1997, S. 53–60. Zu Mendelssohns Gondelliedern vgl. auch Jost 1988, S. 154–164, S. 32f. 289 Aus dem Kontakt zu Malern der Düsseldorfer Schule (Schirmer, Sohn, Hildebrandt, Bendemann, Hübner) gingen verschiedene Albumbeiträge hervor. Hierzu Klein 2006. 290 Bereits Ende der 1940er Jahre wurden Abbildungen aus dem Stammbuch – jeweils die ersten Seiten der beiden Einträge Felix Mendelssohns sowie die Beiträge von Moscheles, Paganini und ein autographes Eintrittsbillet zu den Euryanthe-Proben Carl Maria von Webers – publiziert. Vgl. Campell 1947. 291 Bezogen auf dieses Lied für Klavier wurde von Fanny Mendelssohn 1828 in einem Brief an Carl Klingemann erstmals nachweislich die Bezeichnung ›Lied ohne Worte‹ verwendet. Vgl. Jost 1988, S. 28f.; Bartsch 2007, S. 46. 292 Wahrscheinlich als Hinwendung zu den Interessen ihres Mannes begann Fanny Hensel nach ihrer Heirat ein großformatiges Album für Aquarelle und Zeichnungen zu führen. Klein 1993, S. 157. Kurz vor ihrer Verlobung bekam sie außerdem von Wilhelm Hensel zum Weihnachtsfest 1828 ein herzförmiges Album geschenkt, in dem sie in den kommenden Jahren, bis August 1833, musikalische Skizzen notierte und zu dem ihr Mann Zeichnungen beisteuerte. Vgl. Benjamin 1990.

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anstehende Hochzeit thematisierte, ihr aus London zugesendet hatte.293 Die Stammbuchpraxis generell blieb für Fanny Mendelssohn jedoch auch nach der Schließung ihres eigenen Albums von großer Bedeutung, stellten Stammbücher, jenseits von Druckauflagen, doch einen exklusiven Raum zur Verbreitung ihrer Kompositionen dar (vgl. Kap. 1.2.5). Fanny Mendelssohns Stammbuch, ein in braunes Leder gebundenes Album im kleineren Querformat (12 cm × 19,5 cm), ist zum größten Teil mit Notenpapier ausgestattet.294 Zu zählen sind insgesamt 35 Beiträge: 14 Musikstücke, elf Texteinträge, sechs Bilder, zwei Scherenschnitte und zwei Drucke; hinzu kommen einige lose Beilagen.295 Wie nicht anders zu erwarten, finden sich mehrere Namen von Personen aus dem Umfeld der Familie sowohl in Felix’ als auch in Fanny Mendelssohns Album, darunter die Geiger Eduard Ritz und Leopold Lindenau sowie Friedrich Kalkbrenner.296 Folglich reflektiert insbesondere Fanny Mendelssohns Sammlung »ausschnitthaft den geselligen Kreis der Familie Abraham und Lea Mendelssohn Bartholdys«, wobei »anzunehmen ist, daß die meisten Huldigungen an Fanny im Elternhaus in dem Büchlein notiert worden sind« und somit die Eintragenden zugleich als Gäste des Hauses Mendelssohn in Berlin dokumentiert wurden.297 Fanny Mendelssohns Album war ein Geschenk von Henriette von PereiraArnstein, der Cousine ihrer Mutter in Wien, wie ein Dankesbrief vom 19. Oktober 1821 belegt.298 Aus den Zeilen geht hervor, dass Pereira-Arnstein das Al293 Klein 1993, S. 155–157. Das Lied von Carl Klingemann erschien unter dem Titel Brautlied in der Sammlung Sechs Lieder 1860 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel, Frau Henriette Benecke, geb. Souchay, gewidmet. Vgl. Back 2014, S. 599. 294 D-B, MA Ms. 142, 1 (im Folgenden = FaMB). Zuvor in Familienbesitz wurde das Stammbuch 1991 von der Berliner Staatsbibliothek angekauft. Im August 2018 hatte ich Gelegenheit, das Album, dessen Seiten aus dem Einband herausgelöst nunmehr lose vorliegen, im Original einzusehen. 295 Ich folge hier der Zählung von Hans-Günter Klein auf Grundlage einer für das Mendelssohn-Archiv erstellten detaillierten Liste des Inhalts, die mir freundlicherweise von Roland Schmidt-Hensel zur Verfügung gestellt wurde. Zum Album, inklusive Abbildungen von sieben Blättern, vgl. auch Klein 1993. 296 Auch Scherenschnitte Adele Schopenhauers sind in beiden Stammbüchern enthalten. 297 Klein 1993, S. 142f. 298 »Gestern, liebe Cousine, erhielten wir Ihre schönen angenehmen Gaben. Wahrlich lange hat mich kein Geschenk so gefreut, als dieses allerliebste Buch. Ich habe die Bestimmung, welche Sie ihm gaben, in etwas verändert, indem ich mir von musikalischen Freunden kleine Kompositionen will hineinschreiben lassen, in eben demselben Sinne können die weissen Blätter zu Zeichnungen angewendet werden. Felix, mein bester Freund, soll den Anfang machen, u. hat schon eine hübsche Piece komponirt, welche er hineinschreiben will. Er hat vor kurzem ein ähnliches, wiewohl minder hübsches Buch zum Geschenk erhalten, und als Titelkupfer ein kleines Porträt Mozarts als Kind hinzugefügt, vor das Meinige hefte ich einen kleinen Kopf der heiligen Cäcilie nach Rafael, den ich außerordentlich liebe u. ihm schon längst gern einen würdigen Platz angewiesen hätte.« Zit. nach

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bum ursprünglich für einen anderen Zweck vorgesehen hatte und die Entscheidung, es als Musik-Stammbuch zum Sammeln von Notenautographen und Zeichnungen zu verwenden, auf Fanny zurückging. Damit in direktem Zusammenhang steht der Umstand, dass ihr Bruder kurze Zeit zuvor sein Stammbuch von Alexandre Boucher geschenkt bekommen hatte und Fanny ihm diesbezüglich gleichkommen wollte. Darauf verweist nicht zuletzt die Bemerkung Fannys, die angelehnt an Felix, der seinem ›minder hübschen‹ Album ein Mozart-Bildnis vorausstellte, als ›Titelkupfer‹ die Raffael-Darstellung der Heiligen Cäcilie wählte (vgl. auch Kap. 3.8.4). Zudem sammelte auch Fanny Mendelssohn Erinnerungsblätter von Ale­ xandre und Céleste Boucher – in Ermangelung eines Albums allerdings zunächst in loser Form.299 Die Autographe der Bouchers, ebenso wie weitere lose Blätter von Friedrich Schlegel, Carl Friedrich Zelter, Pierre Rode und Louis Drouet, klebte sie später in ihr Stammbuch ein.300 Auffällig ist, wie Alexandre Boucher in dem an Fanny Mendelssohn adressierten umfänglichen Text zwar ihr musikalisches Talent lobt, dieses jedoch ihrer familiären Rolle und Verantwortung gegenüber ihrem Bruder, den Geschwistern und den Eltern unterordnet. In der Überschrift referierte er dabei unmissverständlich auf seine Widmungszeilen im Stammbuch ihres Bruders (»à son jeune ami Félix ou plutot Phénix«): A Mademoiselle Fanny ou plutot Cécile Mendelssohn! Mademoiselle, Cécile en France est la Patronne de la Musique, à ce titre je préfère ce nom; / il vous convient mieux à tous egards, vous qui possédez un talent musical distingué, et que j’ai tant de / plaisir à accompagner; vous qui etes la digne sœur de mon Phénix! vous qui avez contribué à ses [?] / talents déjà si étonnants. En tout! Vous qui etes la meilleure des / sœurs! […] Ces vertus là [la conduite modeste et humble envers la famille] sont encore bien audessus de tous / les talents, que vous embellissez de tant de qualités! […] Alex. Boucher (Artiste-Cosmopolite)301 der Abschrift des Briefes in den Beilagen des Albums (D-B, MA Ms. 142, 2, 1); vgl. Klein 1993, S. 141. 299 Beide Blätter sind auf den 7. Oktober 1821 datiert, so dass die Schenkung des Albums an Felix mit den Einträgen der Bouchers, die nicht datiert sind, kurz zuvor erfolgt sein dürfte. 300 Klein 1993, S. 142. 301 FaMB, S. 55. »An Fräulein Fanny oder eher Cécile Mendelssohn! / Mademoiselle, Cécile ist in Frankreich die Schirmherrin der Musik, deshalb bevorzuge ich diesen Namen; er passt in jeder Hinsicht besser zu Ihnen, die Sie ein ausgezeichnetes musikalisches Talent besitzen, und die ich mit so großem Vergnügen begleite; Sie, die Sie die würdige Schwester meines Phoenix’ sind! Sie, die zu seinen schon so erstaunlichen Talenten beigetragen haben. Alles in allem! Sie, die Sie die beste Schwester sind! […] Diese Tugenden [das sittsame und bescheidene Betragen gegenüber den Geschwistern und den Eltern] stehen noch über allen Talenten, die Sie mit so viel Vorzügen verschönern! […] Alex. Boucher (Künstler-Kosmopolit)«. (Ü.d.V.)

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Auch Céleste Boucher thematisierte das Felix geschenkte Stammbuch auf ihrem Albumblatt. Offenbar im Bewusstsein einer gewissen Enttäuschung Fannys fand sie tröstende Worte: Vous me demandez aimable Fanny de vous Laisser / un Souvenir! Jugeant de votre Cœur par le mien, / je suis bien persuadée que nous n’avons besoin, / ni l’une ni l’autre, d’Album pour conserver dans / notre mémoire ces Sentiments d’amitié réciproque / qui font le Charme de la vie … Soyez assurée de / mon Tendre Interèt pour tout ce qui vous concerne / et des Vœux que je fais pour votre Bonheur. / Toute à vous pour la vie / Celeste fme [sic] Boucher302

Neben dem Brief an Henriette von Pereira-Arnstein sind es besonders die Einträge von Céleste und Alexandre Boucher, die verdeutlichen, inwieweit die Initiierung von Fanny Mendelssohns Album als direkte Folge der Einrichtung des Stammbuchs ihres Bruders zu verstehen ist. Die Alben erscheinen hier als Ausdruck des korrespondierenden und zugleich wetteifernden Verhältnisses der Geschwister in ihrer Kindheit und Jugend, bei dem sich die ältere Schwester durch ihr Geschlecht immer wieder mit anderen Bedingungen und Grenzen als ihr Bruder konfrontiert sah.303 2.3.3 Zwischen privatem und öffentlichem Musikleben: ›MusikerinnenStammbücher‹ und Eliza Wesleys ›Fan-Album‹ Nicht nur Musiker, wie Heinrich Panofka oder Ferdinand Hiller, dokumentierten ihre beruflichen Kontakte durch das Sammeln von Autographen, auch Musikerinnen führten Stammbücher vor dem Hintergrund ihres professionellen Wirkens, zumeist als Pianistinnen, Sängerinnen oder Pädagoginnen. Ebenso wie ihre männlichen Kollegen sammelten jedoch auch Musikerinnen, aus einem Interesse an den einflussreichsten Namen des öffentlichen Musik- und Kulturlebens heraus, überwiegend Albumblätter von Männern. Kennzeichnend für das Wirken und die Biographien von Musikerinnen des 19. Jahrhunderts ist schließlich, als Folge der festgeschriebenen Dichotomie der Geschlechterrollen, ein Changieren und Lavieren zwischen öffentlichen und privaten Räumen und 302 FaMB, S. 54. »Sie bitten mich, liebe Fanny, Ihnen ein Andenken zu hinterlassen! Auf das Urteil meines Herzens über das Ihrige vertrauend, bin ich wirklich überzeugt, dass wir beide, weder die eine noch die andere, eines Albums bedürfen, um in unserer Erinnerung die Gefühle gegenseitiger Freundschaft zu bewahren, die den Zauber des Lebens ausmachen … Seien sie meines zärtlichen Interesses für alles, was Sie betrifft, versichert und meiner Wünsche zu Ihrem Glück. / Lebenslang ganz die Ihrige / Celeste [Frau von?] Boucher«. (Ü.d.V.) 303 Hierzu Bartsch 2007.

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Kontexten. Diesem musikkulturellen Handeln im Wechselspiel von Innen und Außen möchte ich im Folgenden nachgehen. Die Pianistin Luise Avé-Lallemant (1824–1919) ist heute nahezu unbekannt. Ihre Existenz und ihr Wirken als Musikerin wären ohne ihr Stammbuch wohl gänzlich vergessen.304 Zwischen 1843 und 1863 stellte sie in Leipzig eine Sammlung von losen Albumblättern zusammen, die 20 autographe Musikstücke auf überwiegend einheitlichem Notenpapier umfasst. Darunter sind Handschriften von Clara und Robert Schumann (beide vom Dezember 1843, erstere mit aufgeklebter Haarlocke), Felix Mendelssohn Bartholdy, Niels Wilhelm Gade, Moritz Hauptmann und Ignaz Moscheles (vgl. Kap. 3.9.6).305 Die Kompositionen umfassen die stammbuchtypische Mischung von teils vollständig, teils in Ausschnitten notierten Klavierstücken, Liedern, Kanons und Incipits größerer Orchesterwerke. Zu der Sammlung gehört außerdem ein von Felix Mendelssohn im Juli 1841 ausgestelltes Zeugnis über Avé-Lallemants pianistisches Talent und ihre Befähigung als Klavierlehrerin, das einer Legitimation ihrer Teilhabe an der professionellen Musikwelt gleichkommt. Anhand der Albumblätter von Ferdinand David, Charlotte Ann Birch und Ferdinand Hiller, die im Rahmen einer musikalischen Soirée bei den Schumanns am 30. Dezember 1843 entstanden,306 ist weiterhin nachzuvollziehen, dass Avé-Lallemant an musikalischen Gesellschaften in den entsprechenden Kreisen der Leipziger Musikelite beteiligt war. Avé-Lallemants Kontakte in Leipzig weisen dabei eine erhebliche Schnittmenge mit jenen der gleichaltrigen Constanze Jacobi, verh. Dawison (1824– 1896), auf. Als Gesangsstudentin des Leipziger Konservatoriums gehörten Mendelssohn und Schumann zu Jacobis Lehrern.307 Vor diesem Hintergrund entstand ein von Mendelssohn gestaltetes Albumblatt, vom 21. November 1843, das an einen Auftritt der Musikerin im kleinen Saal des Leipziger Gewandhauses erinnert.308 Ab 1845 wirkte Constanze Jacobi als Sängerin und Pianistin in Dresden und war im näheren Umfeld von Clara und Robert Schumann, die bereits seit Dezember 1844 in Dresden lebten, an verschiedenen öffentlichen und privaten Aufführungen der Schumanns beteiligt. Jacobis musikalische Aus304 Luise Avé-Lallemant, die unverheiratet blieb, hatte ihr Album der Stadtbibliothek Leipzig testamentarisch vermacht; Ende der 1950er Jahre ging es in den Bestand der Universitätsbibliothek Leipzig über. Vgl. Fuchs-Katalog 2009, S. 71. 305 Anlässlich der Eröffnung des neuen Leipziger Gewandhauses erschien eine Faksimile-Ausgabe des Stammbuchs inklusive Kommentarteil mit detaillierter Beschreibung der Autographe. Avé-Lallemant 1981, hier: S. 15–26. 306 Ebd., S. 8f. 307 »Constanze Jacobi aus Altenburg« wurde 1843, im Gründungsjahr des Instituts, in das Konservatorium aufgenommen. Conservatorium 1868, S. 34. 308 Für eine Abbildung vgl. Dawison 1991 [unpaginiert].

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richtung prägte jedoch nur zu einem Teil ihr Stammbuch.309 Mit 26 Zeichnungen, Aquarellen und Radierungen überwiegen die bildnerischen Darstellungen in der Sammlung, deren Titelblatt mit der Aufschrift »Blätter zur Erinnerung« von dem einflussreichen Maler Eduard Bendemann gestaltet wurde. Das Mischalbum enthält lediglich neun Notenautographe. Neben Einträgen mit kürzeren Musiknotaten bzw. Incipits, u. a. von Clara Schumann, Heinrich Wilhelm Ernst, Niels Wilhelm Gade und Pauline Viardot-Garcia, sind darunter zwei vollständige Musikstücke:310 Schumanns Klavierstück Rebus, datiert auf den 8. Januar 1849, und ein undatiertes Mendelssohn-Autograph des Duetts op. 63 Nr. 1, das sicher auch von der Sängerin musiziert wurde. Wenngleich dem Album nach Jacobis Heirat mit dem Schauspieler Bogumil Dawison um 1860 weitere Blätter hinzugefügt wurden, entstanden die meisten Beiträge in den Jahren um 1850.311 Das Stammbuch reflektiert somit vor allem Constanze Jacobis Umfeld als professionelle Musikerin, das sich durch die in Dresden und zuvor in Leipzig geknüpften Kontakte zu Musikerkreisen, insbesondere aber auch zu bildenden Künstlern im Radius der Schumanns, wie Eduard Bendemann, Julius Hübner oder Carl Gustav Carus, konstituierte.312 Beruflicher, geselliger und freundschaftlicher Umgang sind dabei eng miteinander verflochten und gehen Hand in Hand. Einen ähnlichen Eindruck in Hinblick auf die Verflechtung privater und öffentlicher Kontexte hinterlässt das Album der Schweizer Sängerin, Pianistin und Komponistin Fanny Hünerwadel (1826–1854), das jedoch gänzlich auf Musik fokussiert ist.313 Die Sammlung, die 16 Notenautographe umfasst, wurde überwiegend in Zürich zusammengetragen, bleibt also, ebenso wie die Alben von Avé-Lallemant und Jacobi, in ihrem geographischen Radius begrenzt. Bei dem Album, das sich in Privatbesitz befindet, handelt es sich um eine in einer Kas309 1991 wurde das Album, das 46 zumeist nachträglich eingeklebte Blätter umfasst, vom HeinrichHeine-Institut in Düsseldorf erworben; zuvor hatte es sich in der Sächsischen Landesbibliothek befunden, die es 1990 an die Erben zurückgegeben hatte. Anlässlich des Ankaufs erschien ein vom Heinrich-Heine-Institut herausgegebener Band mit kurzen Begleittexten zum Album, jedoch ohne detaillierte Listung des Inhalts. Vgl. Dawison 1991; vgl. auch den Eintrag in der Kalliope-Datenbank (Link siehe Literaturverzeichnis). 310 Zu den Musikbeiträgen im Album vgl. den Beitrag von Bernhard R. Appel in: Dawison 1991 [unpag.]. 311 Das chronologisch späteste Albumblatt von Carl Reinecke, datiert auf den 15. Oktober 1898, wurde der Sammlung posthum hinzugefügt. 312 Zu Schumanns Künstlerkontakten, die auf den »im 19. Jahrhundert typischen Formen der Gruppen- und Netzwerkbildungen unter den Komponisten, bildenden Künstlern und Schriftstellern« basieren, vgl. Baumgärtel 2006, S. 82–85, hier: S. 82. 313 Für eine umfassende Analyse von Hünerwadels Album, inklusive eines thematischen Verzeichnisses der Einträge, vgl. Breig 2002.

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sette verwahrte Loseblattsammlung, die in ihrem Albumcharakter durch die einheitlichen mit einem Zierrahmen versehenen und mit Notenlinien bedruckten Albumblätter, die von der Sammlerin bereitgestellt wurden, bestärkt wird. Fanny Hünerwadel führte ihr Musik-Stammbuch nur über zwei Jahre (1852–53); 1854 verstarb sie während einer Bildungsreise in Italien. 1851 war sie nach Paris und London gereist und könnte dort angeregt worden sein, selbst mit dem Sammeln von Notenautographen in ihrem Schweizer Umfeld zu beginnen.314 Unter den Eintragenden finden sich Hünerwadel persönlich nahestehende Personen, wie etwa ihr musikalischer Mentor in Zürich Alexander Müller oder ihr Schwager und Orgellehrer Gottlieb Rabe, außerdem verschiedene (männliche) Musikerkollegen, denen sie im Rahmen von gemeinsamen Konzerten begegnete. In den einschlägigen Züricher Gesellschaftskreisen sammelte sie aber auch Autographe von auswärtigen, in der Stadt konzertierenden Musiker:innen, wie Heinrich Wilhelm Ernst, Henri Vieuxtemps und Teresa Milanollo.315 In der Musikforschung rezipiert wurde das Album allerdings vor allem, bereits in den 1930er Jahren, wegen des Eintrags von Richard Wagner, mit dem Hünerwadel in Zürich bekannt geworden war. Wagner wiederum stellte wohl den Kontakt zu Franz Liszt her, der sich mit einer fragmentarischen Komposition verewigte.316 Insgesamt dominieren Lieder und Vokalstücke, gefolgt von Klavierstücken, das Album. Das Repertoire deckt sich somit weitgehend mit Hünerwadels Interessen als Sängerin und Pianistin. Auffällig ist zudem, dass viele der Autographe mehrere Seiten umfassen und damit zumeist vollständige Kompositionen vorliegen, die musiziert werden konnten. Besonders eindrücklich zeigt dies der im Zuge einer Konzertreise Hünerwadels nach Donaueschingen entstandene zwölfseitige Lied-Beitrag des Cellisten Carl Leopold Böhm, zu dem eine separate Violoncello-Stimme gehört.317 Die Albumblätter von Fanny Hünerwadel korrespondieren demnach mit ihrem musikalischen Wirken, das von öffentlichen Konzerten ebenso wie von der Musikpraxis im Privaten geprägt war. Den Blick auf das Londoner Musikleben lenkt schließlich das Notenautographen-Album von Eliza Wesley (1819–1895). Die Musikerin blieb unverheiratet 314 Zu möglichen Hintergründen der Einrichtung des Albums vgl. ebd., S. 407, S. 415. 315 Während Vieuxtemps und Milanollo als Violinvirtuos:innen erwartungsgemäß Geigenkompositionen lieferten, notierte Ernst ein Klavierstück für Fanny Hünerwadel. Bei diesem Moderato in Des-Dur handelt es sich nicht um eine Ad-Hoc-Komposition, wie Breig annahm, sondern um den zweiten Teil eines in den 1860er Jahren veröffentlichten Walzers, den Ernst wiederholt als Stammbucheintrag für klavierspielende Adressatinnen verwendete, u. a. in den Alben von Doris Genast (1844), Clara Beaumarié (o.D.) und Caroline Molique (o.D.). Hoppe 2014, S. 500–503; vgl. Breig 2002, S. 414. 316 Hierzu Breig 2003. 317 Breig 2002, S. 415.

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und verdiente ihren Lebensunterhalt über einen Zeitraum von knapp fünf Jahrzehnten als Organistin und Klavierlehrerin in London.318 Als Tochter des Komponisten und Organisten Samuel Wesley, um dessen Andenken sie sich auch als Musikschriftstellerin bemühte, kam sie bereits als Heranwachsende, insbesondere in privaten Kontexten, in Kontakt mit den einflussreichen Persönlichkeiten des Musiklebens. In diesem Umfeld lernte sie auch viele der in London gastierenden Musiker:innen kennen, darunter Felix Mendelssohn Bartholdy, der für sie im September 1837 den bereits thematisierten Rätselkanon schrieb (vgl. Kap. 2.3.1). Mit dem Musik-Stammbuch von Eliza Wesley liegt ein elegantes Album im Hochformat vor.319 Der Band ist in dunkelbraunes Leder gebunden, mit ornamentalen Prägungen sowie dezenter Goldrahmung versehen, wobei eine zentral platzierte Leier auf die Bestimmung des Albums verweist. Eliza Wesley begann 1836, mit 17 Jahren, mit dem Sammeln von Notenautographen, die spätesten Einträge stammen aus ihrem letzten Lebensjahr 1895. Ihre große Sammelleidenschaft sowie ihre Bewunderung für die einflussreichen Persönlichkeiten des zeitgenössischen Musiklebens und der Musikgeschichte fanden darüber hinaus ihren Niederschlag in einem gigantesken Sammelbuch: In diesem ›Fan-Album‹ des 19. Jahrhunderts, das in der Höhe mehr als einen halben Meter misst, erstellte sie jeweils Themenseiten zu Komponisten, Musiker:innen und Sänger:innen, die sie mit zahlreichen Abbildungen, Porträts, Fotos, Konzertprogrammen, Zeitungsausschnitten, Nachrufen sowie Briefen und Billets gestaltete.320 Die Sammlung, der eine eigene Untersuchung zu widmen wäre, interessiert hier, da die Einträger:innen des Notenautographen-Albums zum Teil mit den Protagonisten und Protagonistinnen des Sammelbuchs übereinstimmen. Insbesondere finden sich darin mehrere Begleitbriefe zu den Stammbucheinträgen, die nachvollziehen lassen, dass Eliza Wesley ihr Album für die Eintragungen versendete bzw. über einige Tage verlieh. In jüngeren Jahren unterstützten sie auch Vater und Bruder beim Einholen von Autographen, so dass der Organist William Crotch (1775–1847) im September 1836 an Samuel Wesley schrieb: My Dear Sir / I have kept your son / so long while I transcribed / a little composition for your / daughter’s album that I can / only wish it were better. / I am obliged to you, for your / kind enquiries – I am, as I / trust you are, quite recovered. / Ever your’s very truly / W[illia]m Crotch321 318 Zur Biographie Eliza Wesleys vgl. Drinker: Fornoff 2010. 319 GB-Lbl, Add MS 35026 (im Folgenden = EW). Das Album misst ca. 28 cm × 23 cm × 3 cm. Bei den Seitenangaben beziehe ich mich auf die im Katalog der British Library verwendete Zählung. 320 GB-Lbl, Add MS 35027. Das Sammelbuch misst ca. 55 cm × 40 cm × 8 cm. 321 GB-Lbl, Add MS 35027, f.9r.

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Crotch schrieb sich an fünfter Stelle mit einer Fuge über ein Thema aus dem Album Johann Baptist Cramers ein und stellte damit einen Bezug zu einem heute unbekannten Musik-Stammbuch her.322 Insgesamt umfasst Eliza Wesleys Notenautographen-Album 79 Musikeinträge, die gänzlich direkt auf den Seiten ausgeführt wurden. Den Notenhandschriften vorangestellt sind, neben einem sorgfältig geführten Inhaltsverzeichnis,323 einige rosarot eingefärbte Blankoseiten (»For Autographs«), auf denen Eliza Wesley diverse Unterschriften und kürzere Beiträge zusammentrug. Das Notenautograph des Vaters (From Dryden’s Ode on St. Cecilia’s Day) vom 1. Juli 1836 eröffnet schließlich das Album.324 Die letzte Albumseite reservierte Eliza für ihren Bruder Samuel Sebastian Wesley, dem die Organistin, ebenso wie ihrem Vater, ihre musikalische Ausbildung verdankte.325 Die weiteren Noteneinträge stammen zu einem großen Teil von britischen Musikern – u. a. Robert Lindley, Vincent Novello, Thomas Attwood, Michael William Balfe, Charles Neate, Thomas Adams – oder in London ansässigen Musikern, wie Julius Benedict, Johann Baptist Cramer oder Ignaz Moscheles (vgl. Kap. 3.9.3). Zu den in London gastierenden Musikern, die einen Beitrag zum Album leisteten, gehören u. a. Johann Strauß, Henri Herz, Joseph Joachim, Giacomo Meyerbeer, Giuseppe Verdi (mit einem Auszug aus La Traviata), außerdem Sängerinnen wie Giuditta Pasta, Giulia Grisi oder Jenny Lind. Der Organist Thomas Adams (1785–1858), den Eliza Wesley offenbar seit frühester Jugend kannte, erstellte im Abstand von 16 Jahren zwei Albumeinträge. Im Oktober 1836 schrieb er zunächst ein Moderato in As-Dur ein,326 bei dem es sich um eine Komposition für Orgel handeln dürfte. Weiterhin notierte er vier Takte eines »Fugue-subject; treated extemporaneously at an organ-performance, Mar, 4th 1852«.327 Zu diesem Musiknotat ist im ›Fan-Album‹ ein begleitender Brief vom 6. März 1852 überliefert: Dear Eliza / I shall always / feel great pleasure / in complying with / any request of / your’s – I only / regret that the / present one is / not connected with / a matter of more / importance – It / is not very often / that I remember / what is struck off / on the spur of the / moment; however / I do happen to / recollect one of the / subjects – viz: [eingefügt: Notenzeile wie im Album] Should you desire / these notes to be inserted / in your book in the / genuine Adamic / scrawl, be so good / as to let me have / this epistle along / with 322 EW f.12. »Fugue – The Subject from a few notes written in an album by JB Cramer«. 323 EW f.2r–3r. 324 EW f.9. 325 EW f.73v. 326 EW f.17r. 327 EW f.47v.

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it, as they / may very possibly / take their departure / in a short time / from the »Know- / ledge-box« of / your faithful / and too highly / complimented friend / Tho[ma]s. Adams.328

Adams, dessen vertrauter Umgang mit Eliza Wesley in seinem Schreiben deutlich wird, erscheint hier zugleich als Musikerkollege, der auf Bitten der viel jüngeren Eliza, die 1852 bereits als Organistin an St. Margaret Pattens arbeitete, ein Orgelmotiv notierte, über das er in einem Konzert frei improvisiert hatte. Brief sowie Noteneintrag geben Einblick in die Kommunikation über Musik. Das Erlebnis einer öffentlichen Aufführung wird hier anhand einer ›musikalischen Gedächtnisstütze‹ erinnert und in Grundzügen mental abrufbar. Mit Blick auf das Notenautographen-Album sowie auf das großformatige ›Fan-Album‹ erscheint die professionelle Organistin Eliza Wesley zugleich als Bewunderin und Vermittlerin einer Musikkultur, die sie in ihren Sammlungen zu dokumentieren suchte. Im Vergleich zu den Alben Panofkas oder Hillers ist die lokale Gebundenheit der vier besprochenen Musikerinnen-Stammbücher – an die Städte Leipzig, Dresden, Zürich und London – auffällig. Dies könnte auf eine Tendenz zur geschlechtsspezifischen Begrenzung der beruflichen Mobilität von Musikerinnen verweisen, die jedoch besonders erfolgreiche und international agierende Sängerinnen wie Wilhelmine Schröder-Devrient oder Virtuosinnen wie Maria Szymanowska nicht betraf. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das musikkulturelle Handeln von Frauen wie Luise Avé-Lallemant, Constanze Jacobi, Fanny Hünerwadel oder Eliza Wesley nicht zuletzt auch durch ihre Stammbuchpraxis für die Musikgeschichtsschreibung greifbar wird. 2.3.4 Klingende Innenräume. ›Salonalben‹ aus Paris, Rom und St. Petersburg Musik-Stammbücher materialisieren das gesellige Miteinander. So geht die Einrichtung und Zusammenstellung eines Albums in der Regel recht unmittelbar aus einem bestimmten gesellschaftlichen Umfeld hervor, in manchen Fällen ist schließlich die lokale Bindung an einen konkreten Kreis offenkundig. So reflektiert das Album von Teresa und Jacopo Ferretti deren häusliche Musikpraxis in Rom, während die Sammlung von Evdokija Rostopčina durch Begegnungen und musikalisches Erleben in St. Petersburg geprägt ist. Das Album von Juliette Zimmerman wiederum ist an die Aktivitäten im Pariser Salon ihres Vaters gebunden. Die insbesondere in französischen Salons gelebte Unterhaltungskultur 328 GB-Lbl, Add MS 35027, f.8r.

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führt eine Beschreibung im zeitgenössischen Damen Conversations Lexikon, aus deutscher Perspektive, bildhaft vor Augen: Jede Familie [in Paris] nämlich, deren Vermögen es nur einigermaßen erlaubt, die Gelehrten, die Künstler, beliebte Sterne vom Theater, selbstständige Frauen etc. öffnen entweder fortwährend, oder an bestimmten Tagen ihr Besuchzimmer, Salon, den Freunden, Bekannten und von diesen Einzuführenden. Besonders eingeladen ist Niemand. Die Frau vom Hause, oder irgend eine verwandte Dame führt bei diesen improvisirten, im Laufe der Stunden oft wechselnden Zirkeln den Vorsitz. Ein Piano, Harfe, Guitarre, Bilder­werke, neue Bücher, Zeichenmaterial finden sich im S[alon]. […] Willkommen ist der Mime von Ruf im Salon der Pairesse und Herzogin, willkommen der Schriftsteller, der Virtuos, der Maler. Letzterer wird gern in Anspruch genommen, das Album von Madame mit einem jener hübschen Aquarellbildchen zu bereichern, die jetzt in Paris so sehr en vogue sind, die Andern müssen ihren Eintrittspreis mit süßen Tönen und angenehmer Conversation zahlen.329

Während der Lexikonbeitrag im weiteren Verlauf vor allem aristokratische Gastgeberinnen in den Blick nimmt, wird zu Beginn auch die von Künstler:innen betriebene Salonkultur angesprochen. Aufschlussreich ist die Beschreibung der geselligen Aktivitäten im Salon, die musikalische, bildkünstlerische sowie literarische Ausdrucksformen kombinieren. Dieses Konzept, mit einer Betonung der Musikausrichtung, kennzeichnete auch den Salon von Pierre-Joseph-Guillaume Zimmerman (1785–1853), den er in den 1830er Jahren in seinem Haus am Square d’Orléans unterhielt.330 Zimmerman wirkte als Komponist, vor allem aber als einflussreicher Klavierprofessor über 30 Jahre am Pariser Konservatorium, wo u. a. Ambroise Thomas, Georges Bizet, Charles-Valentin Alkan und César Franck zu seinen Schülern gehörten; Charles Gounod wurde schließlich sein Schwiegersohn. Sowohl Zimmerman selbst als auch die Presse betonten, dass in seinem Salon die musikalische Elite Europas verkehrte.331 Dabei gehörte er zu einer »colonie intellectuelle« oder »aristocratie artistique«,332 die sich zu 329 Damen Conversations Lexikon 1837, S. 41 (= Lemma »Salons«). 330 Zum Salon Zimmerman vor dem Hintergrund der Pariser Salonkultur, insbesondere in der Zeit der Juli-Monarchie (1830–1848), vgl. Himelfarb 2001. 331 In Privatbesitz erhalten ist folgende Notiz Zimmermans (in der dritten Person): »La maison de M. Zimmerman a été toujours le rendez-vous de tous les musiciens d’élite, les étrangers venaient prendre dans son salon leur lettre de naturalisation, c’est chez lui qu’à côté de nos illustres compatriotes nous avons tous entendu pour la première fois Thalberg, Chopin, Doehler, Field, […] Pauline Garcia …«. Zit. nach ebd., S. 38. Die Gazette musicale de Paris schrieb 1834: »Cet habile artiste […] réunit chaque semaine l’élite des artistes de Paris pour faire de la bonne musique […]«. Zit. nach ebd., S. 40. In der Revue et Gazette hieß es 1839: »C’est presque toujours chez lui qu’on a la primeur des jeunes célébrités de l’Europe, et les vieux artistes ne tiennent pas moins à l’honneur de s’y faire entendre.« Zit. nach ebd., S. 44. 332 Ebd., S. 35, S. 44.

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Beginn der 1830er Jahre in der Gegend um den Square d’Orléans (rue Saint Lazare), im Nordwesten von Paris, zum sogenannten ›Nouvelle Athènes‹ zusammengefunden hatte. Dieses besondere Umfeld, in dem Zimmermans Kinder aufwuchsen und das sie prägte, bildete den Rahmen für die Entstehung des Salonalbums von Juliette Zimmerman. Juliette Zimmerman (1820–1855), selbst Pianistin und Bildhauerin, heiratete 1842 den Maler Édouard Dubufe. Ihr Album hatte sie bereits vor ihrer Ehe zu führen begonnen. Als Mischalbum umfasst das braun eingebundene Buch, das mit dem Vornamen der Eignerin bedruckt ist, zum einen blanke Seiten, zum anderen Notenpapier.333 Auf fünf Seiten wurden Zeichnungen ausgeführt, die überwiegend von Dubufe stammen dürften. Darunter sind auch Rebusse, die auf spielerische Salonaktivitäten verweisen. Weiterhin enthält das Album vier Text­ einträge und neun Musiknotate, die gänzlich zwischen November 1839 und Juli 1840 datieren. Darunter sind Einträge von Berlioz, Thalberg, Alkan, Moscheles (vgl. Kap. 3.9.3) und von ihrem Vater. Als einzige Frau schrieb sich im November 1839, mit einer Klavier-Tarantella, die sie später zu einem Gesangsstück weiterentwickelte und publizierte, die zu diesem Zeitpunkt 18-jährige Pauline Garcia ein.334 Während Juliette Zimmermans Interesse an ihrem Album offenbar nach nur wenigen Monaten verebbte, ist nachzuvollziehen, dass noch weitere Mitglieder der Familie Zimmerman der Stammbuchpraxis nachgingen. So findet ein Album von »Madame Zimmerman« in Notizen Zimmermans Erwähnung,335 ebenso wie ein Album von Pierre-Joseph-Guillaume Zimmerman selbst, in das Vincenzo Bellini, kurz vor seinem Tod im September, am 18. August 1835 einen Kanon eingetragen haben soll.336 Beide Alben sind nicht überliefert; ihre Existenz verdeutlicht jedoch die Verbreitung und Allgegenwärtigkeit von Albumaktivitäten im Pariser Salonumfeld. Die Musikpraxis in einem römischen Haushalt rückt durch ein Album der Familie des Librettisten Jacopo Ferretti (1784–1852) in den Fokus.337 Die Sammlung von Notenhandschriften befindet sich im Besitz der Nachkommen, ebenso wie ein kleineres Album mit Zeichnungen und Gedichten. Die damit vorgenommene Separierung der Musik – überwiegend für die Besetzung mit Sopranstimme und Klavier – scheint vor allem praktische Gründe gehabt zu haben, da insbesondere die Ehefrau Ferrettis, die Sängerin Teresa geb. Terziani 333 Für eine detaillierte Inhaltsbeschreibung des Albums vgl. ebd., S. 50–52. 334 Ebd., S. 55f. 335 »Ce point d’orgue [de Boieldieu] est aujourd’hui l’un des ornements de l’album de Mme Zimmerman.« Zit. nach ebd., S. 38. 336 Vgl. ebd., S. 41 (darüber berichtete die Gazette musicale de Paris vom 4. Oktober 1835). 337 Hierzu Bini 1999.

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(1794–1848), das Album zum Musizieren verwendet zu haben scheint. Bei dem Album handelt es sich also weniger um eine Sammlung von Notenautographen, bei der der Wert der Handschrift im Vordergrund stand, als um eine von den Eignern geschätzte Zusammenstellung von teilweise Teresa Ferretti zugeeigneten Musikhandschriften, die wiederum zum Teil auf Texten von Jacopo Ferretti basieren. Zu datieren ist das Album auf die 1820er bis 1830er Jahre; als einzige und früheste Datumsangabe, in einer Widmung von Gaetano Donizetti, erscheint das Jahr 1827. Das Album umfasst insgesamt 43 Kompositionen, davon liegen zehn als ›eigenhändige‹ Autographe vor,338 die restlichen Fassungen wurden von Kopisten erstellt. Darüber hinaus wurde dem Buch auch eine in Madrid gedruckte Arietten-Sammlung hinzugefügt. Generell stammen die Kompositionen im Album zu einem großen Teil von heute weniger bekannten (männlichen) Protagonisten und eröffnen eine realistische Perspektive auf das im Hause Ferretti gepflegte Repertoire.339 Dabei scheinen mehrere Beiträge spontan aus der konkreten Salongesellschaft hervorgegangen zu sein – als Ergebnis einer musikalischen Soirée (»prodotto di una soirée musicale«), die eben auch einen kreativen Arbeitsund Versuchsraum darstellen konnte, so dass einige Kompositionen wie salontypisches ›Baustellen-Material‹ wirken (»tipico materiale da salotto-cantiere«).340 Der konkrete Bezug zu den Salon- und Gesangsaktivitäten der Ferrettis wird besonders anhand der vier im Album enthaltenen Autographe von Gaetano Donizetti deutlich.341 Dieser war mit Jacopo Ferretti über Jahre persönlich befreundet und zählte zu den häufigen Gästen des Hauses. Eine seiner Kompositionen, eine Scena e Aria für Sopran und Klavier, die im Übrigen das Album eröffnet, trägt eine persönliche Widmung an die Eheleute: »Ecco serviti i coniugi / Teta, e Giacomo Ferretti, / da / Gaetano Donizetti / 1827«.342 Einer zweiten Arie, der Dame des Hauses gewidmet, stellte Donizetti ein fünftaktiges Rezitativ voraus, dem folgender skurriler Text unterlegt ist: »Cavatina Ipotetica / da porsi forse in musica / da Gaetano Donizetti / per Teresa Ferretti. Amen«.343 An diesen humo338 Vier der Autographe stammen von Gaetano Donizetti, drei von Giuseppe Balducci, eines von Carlo Valentini; bei zwei der anonymen Handschriften handelt es sich nicht gesichert um Autographe. 339 Dieses beinhaltete u. a. Musik von Bonifazio Asioli, Corigliano di Rignano, Giovanni Battista Perucchini, Placido Mandanici, Vittorio Trento, Luigi Gambale, Luigi Bandelloni, Filippo Bornia, Gaspare Selvaggi. 340 Steffan 2007, S. 101. 341 Drei dieser Kompositionen wurden erstmals von Annalisa Bini veröffentlicht. Bini 1999, S. 98–125. 342 Ebd., S. 93, vgl. auch S. 90. »[Diese Arie] diene den Eheleuten Teta und Giacomo Ferretti, von Gaetano Donizetti 1827«. (Ü.d.V.) 343 Ebd., S. 94, vgl. auch S. 116. »Hypothetische Arie, vielleicht in Musik zu setzen, von Gaetano Donizetti für Teresa Ferretti. Amen«. (Ü.d.V.)

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rigen Zeilen, die in ihrer Art für Donizettis persönlicher motivierte Albumeinträge typisch sind (vgl. auch Kap. 2.3.1), zeigt sich ein im Privaten praktizierter spielerischer Umgang mit Musik, der auch mittels Alben kommuniziert wurde. Die Brücke zwischen Italien und Russland, besonders mit Blick auf die private bis halböffentliche Musikpraxis in St. Petersburg, schlägt schließlich das Album der Literatin Evdokija Rostopčina.344 Das Sammelbuch umfasst neben wenigen autographen Einträgen in erster Linie Notenhandschriften von Kopisten, die jedoch häufig mit eigenhändigen Notizen der Albumeignerin versehen sind. Demzufolge handelt es sich nicht um ein Notenautographen-Album bzw. Musik-Stammbuch im eigentlichen Sinne, das auf die Sammlung möglichst vieler Handschriften verschiedener Personen zielte, dennoch aber um ein verwandtes Dokument, das in direkter Verbindung zu den Salonaktivitäten und der Biographie der Eignerin steht. Gräfin Evdokija Rostopčina (1811–1858), die zum Kreis um Lermontow und Puschkin gehörte, frequentierte und unterhielt selbst einschlägige Salons in Moskau und St. Petersburg. In diesem Umfeld sammelte sie bei verschiedenen Gelegenheiten jene Musik, die ihr besonders gefiel oder die sie nachhaltig beeindruckt hatte.345 Das Album, das von den Erben Rostopčinas neu gebunden wurde, enthält zahlreiche Gesangsstücke und Klavierkompositionen von russischen Musikdilettanten aus der Aristokratie, aber auch von europaweit bekannten professionellen Musiker:innen, wie Liszt, Glinka, Donizetti, Malibran oder Viardot-Garcia, deren Abschriften auf insgesamt mindestens neun verschiedene Kopisten zurückgehen.346 In Hinblick auf die Abschriften zweier Romanzen von Liszt und Glinka bezeugen die beigefügten Notizen der Albumeignerin, dass diese die Aufführung durch die Komponisten selbst – u. a. bei einem »Abend musikalischer Orgien des Prinzen Odoevskij« – in St. Petersburg miterlebt hatte.347 Die wenigen eigenhändigen Komponistenhandschriften in der Sammlung stammen aus dem aristokratischen Umfeld der Rostopčina, beispielsweise von Michail Wielhorski und Vladimir Odoevskij, die beide als einflussreiche kulturelle Netzwerker 344 Zum Album, das Luigi Ferdinando Tagliavini Anfang der 1980er Jahre in einer antiquarischen Buchhandlung in Bologna entdeckt hatte, sowie für eine Listung der 55 enthaltenen Beiträge, die zwischen 1832 und 1850 entstanden, vgl. Tagliavini 1984. 345 »[…] le più significative composizioni ascoltate nelle serate musicali o nelle feste di danza da lei organizzate o frequentate«. Ebd., S. 284. 346 Ebd., S. 299f. 347 Zu Glinkas Romanze notierte sie: »Je l’ai entendu chanter par Glinka lui-même, accompagné par Liszt, un soir d’orgie musicale chez le Prince Odoewsky. Romance favorite de Frantz Liszt […]«; zu Liszts Lied: »Romance composée et chantée par Frantz Liszt. Avril 1842«. Ebd., S. 304, vgl. auch S. 292–297.

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agierten.348 Insbesondere bei Michail Wielhorski, der mit seinem Bruder Matvej seit den 1820er Jahren einen der angesehensten Salons in St. Petersburg unterhielt, handelt es sich um einen für das russische Musikleben zentralen Akteur, der maßgeblich daran beteiligt war, europäische Musik in Russland zu verbreiten.349 In diesem Sinne agierte die Gräfin Rostopčina auch im Zuge einer Italienreise von 1845,350 während derer sie verschiedene in Neapel verbreitete Gesangsstücke für ihr Album aufschreiben ließ und somit für die Zeit nach ihrer Rückkehr nach Russland verfügbar machte. Zwei neapolitanische Lieder aus ihrem Album, die von Francesco Florimo – selbst ein passionierter Autographensammler (vgl. Kap. 2.3.1) – arrangiert worden waren, hörte sie in der Darbietung durch die junge Sängerin Laurette Acton (1829–1915).351 Als verheiratete Laura Minghetti wurde diese ab den 1870er Jahren über drei Jahrzehnte eine der berühmtesten Salonnièren Roms.352 Insgesamt scheint es, als habe Evdokija Rostopčina mit ihrem Album und der darin zusammengetragenen Notensammlung, die eine europäisch geprägte Salonkultur repräsentiert, ihr persönliches Erleben und den ›Klang‹ bestimmter Geselligkeiten und Erfahrungen festhalten wollen. Durch ihre gesellschaftliche Stellung und ihren direkten Kontakt zu Musikern und Musikerinnen wäre es für sie ein Leichtes gewesen, Notenautographe im Sinne der Stammbuchpraxis zu sammeln, doch galt ihr Interesse offenbar in erster Linie der Verschriftlichung und somit der Dokumentation von Musikpraxis im Salonumfeld. Obwohl sie selbst die Noten wahrscheinlich nicht musizierte, hat die Musik in ihrer Sammlung doch das Potenzial, die daran geknüpften Erlebnisse zu einem späteren Zeitpunkt wach zu rufen und schließlich in Tönen, auf auditiver Ebene, erinnerbar zu machen. Funktional entspricht sie diesbezüglich manchen Noteneinträgen in Musik-Stammbüchern.

348 Vgl. ebd., S. 285f. 349 Als wichtige Kontaktperson für gastierende Musiker war Wielhorski sogar von staatlicher Seite befugt zu entscheiden, wer in der Stadt konzertieren durfte. Seaman 1966, S. 254–257; vgl. auch Bushkovitch 2012, S. 174. 350 Tagliavini 1984, S. 287f. 351 »Lo patto nnanze. Canzone Napolitana, arrangée par Florimo. Chantée par Mlle la Chân: Laurette Acton«; »L’Abito di Festa. Canzonetta Napolitana, arrangée par Florimo, chantée par Mlle Laurette Acton à Castellamare«. Ebd., S. 306f. 352 Vgl. Antolini 2011.

3. Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Ignaz Moscheles (1794–1870) gehört zu jenen Akteuren des Musiklebens im 19. Jahrhundert, deren reale zeitgenössische Bedeutung und Bekanntheit, die sich in Moscheles’ Fall nicht zuletzt in den zahlreichen überlieferten Albumblättern aus seiner Feder und in seinem Musik-Stammbuch widerspiegeln, nicht mit ihrer Präsenz in der Musikgeschichtsschreibung zu korrespondieren scheinen.1 Während seine Kompositionen als traditionalistisch sowie wenig einflussreich gelten und heute kaum noch aufgeführt werden, wird der in Prag in einer jüdischen Familie geborene Musiker vor allem als Klaviervirtuose erinnert.2 Im Anschluss an die Vervollkommnung seiner Ausbildung in Wien unternahm Ignaz Moscheles umfangreiche Konzertreisen, wobei er ein weit gespanntes Netzwerk mit Kontakten in ganz Europa aufzubauen begann. Nach der Heirat mit der aus Hamburg stammenden Charlotte Embden (1805–1889), die zusätzlich ein einflussreiches familiales Netzwerk in die Beziehung einbrachte, ließ sich das Paar 1825 in London nieder.3 Im Februar 1832 nahmen die Moscheles’ den christlichen Glauben an und ließen sich ebenso wie ihre Kinder Emily (geb. 1827), Serena (geb. 1830), Felix (geb. 1833) und Clara (geb. 1836) taufen.4 Die Familie führte in London ein offenes Haus, das insbesondere für zugereiste Musiker:innen zu einer wichtigen Anlaufstelle wurde. Für das Domizil der Moscheles’, am Chester Place 3, ist über Jahre ein reges und vielseitiges Musizieren, das verschiedenartige Aufführungen im intimen Kreis ebenso wie in größerer Gesellschaft umfasste, nachweisbar. Charlotte Moscheles kam in diesem kommunikativen Umfeld als Gastgeberin und Netzwerkerin eine zentrale Rolle zu. Begleitet wurde das gesellschaftliche Leben der Familie schließlich durch deren Stammbuchpraxis, die sich in Hinblick auf die vier überlieferten Moscheles-Alben auf den Zeitraum von 1825 bis 1895 erstreckt. 1

2 3 4

Neben einigen Dissertationen, die nicht als Verlagsdrucke erschienen sind (u. a. Heussner 1963; Cho 2004), beläuft sich die Anzahl der verfügbaren Monographien zu Ignaz Moscheles auf zwei: Smidak 1988; Kroll 2014. In den gängigen Lexika ist der Musiker lediglich mit kürzeren Einträgen vertreten: MGG2: Hust 2004; New Grove: Roche 2001. Darüber hinaus wurde Ignaz Moscheles am Rande in der Mendelssohn-Forschung berücksichtigt. Vgl. Schmidt-Beste 2006. Dem Prager Geburtsregister zufolge wurde Ignaz Moscheles am 23. Mai 1794 geboren; er verstarb am 10. März 1870 in Leipzig. Selbst gab er den 30. Mai als seinen Geburtstag an. Vgl. Moscheles 1872, S. 5. Charlotte Moscheles wurde am 30. November 1805, als Tochter des jüdischen Kaufmanns Adolph Embden und dessen Frau Serena (geb. Dellevie), in Hamburg geboren; sie verstarb am 13. Dezember 1889 in Detmold. Zum Verhältnis der Familie zu ihrer jüdischen Herkunft vgl. Kroll 2014, S. 314–335, hier: S. 320.

Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

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Während Charlotte Moscheles’ Wirken weitgehend auf den privat-häuslichen Rahmen beschränkt blieb, wurde Ignaz Moscheles’ Berufsleben vor allem von seiner öffentlichen Konzerttätigkeit geprägt. In London lehrte er einige Jahre an der Royal Academy of Music, bestritt sein Einkommen jedoch maßgeblich durch private Klavierstunden.5 Als Dirigent und Co-Direktor war er in die Philharmonic Society eingebunden, wobei er sich insbesondere für die Aufführungen der Werke Beethovens einsetzte. Ebenfalls verpflichtet fühlte er sich der Musik Bachs und Händels.6 Auf Anregung des befreundeten Felix Mendelssohn Bartholdy siedelte die Familie 1846 nach Leipzig über. Dort wirkte Ignaz Moscheles bis zu seinem Lebensende als Klavierprofessor am Leipziger Konservatorium. Eine wichtige Basis zur Rekonstruktion des Lebens und Wirkens von Ignaz Moscheles und seiner Familie stellt die 1872/73 von Charlotte Moscheles auf Grundlage von Briefen und Tagebüchern herausgegebene zweibändige Biographie Aus Moscheles’ Leben dar.7 An Bedeutung gewinnt diese angesichts der Tatsache, dass die Original-Tagebücher von Ignaz Moscheles verschollen sind, während die erhaltenen Briefe der Familie Moscheles in Archiven und Bibliotheken verstreut sind und bislang nicht systematisch erfasst wurden. Im Abgleich mit Informationen aus anderen Quellen zeigen die Übertragungen von Charlotte Moscheles gelegentlich leichte Ungereimtheiten und lassen zum Teil Anpassungen und (Re-)Konstruktionen der Herausgeberin erkennen. Dennoch ist gerade in Hinblick auf private Kontexte und die Identität der Moscheles’ ihre involvierte Perspektive, aus der sie letztlich die Familiengeschichte in ihrem Sinne erzählte und in der Musikgeschichtsschreibung verankerte, besonders aufschlussreich. Die Biographie findet Ergänzung in den Publikationen ihres Sohnes, des Malers Felix Moscheles (1833–1917).8 In den genannten Quellen wird der rege Austausch im Hause Moscheles immer wieder deutlich. Noch plastischer kann nun dieses gesellige Leben, an dem alle Familienmitglieder beteiligt waren, ebenso wie die Kontakte zu den einschlägig bekannten Namen des europäischen Musik- und Kulturlebens – darunter Maria Malibran, Frédéric Chopin, Gioachino Rossini und viele andere – anhand der überlieferten Musik-Stammbücher der Familie Moscheles nachvollzogen werden, deren vielseitiges Erkenntnispotenzial ich im Folgenden aufzeigen möchte. Neben teils sehr unmittelbaren Einblicken in das konkrete 5 6 7 8

Zu Moscheles’ umfangreicher Lehrtätigkeit, die auch Unterricht in Musiktheorie umfasste, vgl. ebd., S. 166–194. Vgl. ebd., S. 263–300. Moscheles 1872/73. Mendelssohn-Briefe 1888 bzw. Mendelssohn-Letters 1888; Moscheles 1899.

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Miteinander sowie generell in die private Unterhaltungskultur, für die ebenso wie für die Stammbuchinhalte die Verquickung von Musik, Sprach- und Zeichenkunst charakteristisch ist, sind auch verschiedene musikphilologische Erkenntnisse zu verzeichnen. So kann ich beispielsweise die Entstehung einer Komposition von Heinrich Wilhelm Ernst deutlich früher datieren als bisher angenommen (vgl. Kap. 3.7.1) sowie Auskunft über den aktuellen Standort der durch die Moscheles-Biographie bekannten Autographe von Gioachino Rossini (vgl. Kap. 3.5.1) und Heinrich Heine geben.9 Weiterhin habe ich einen Brief von Carl Maria von Weber (vgl. Kap. 3.3.1) und eine Zeichnung von Felix Mendelssohn Bartholdy ausfindig gemacht (vgl. Kap. 3.6.3), die beide in der Forschung gänzlich unbekannt waren.10 Davon abgesehen bietet die Auswertung der Moscheles-Alben zahlreiche Anknüpfungspunkte im Bereich der Gender- und Familienforschung. Während das musikkulturelle Handeln von Charlotte Moscheles und ihren Töchtern Emily ­Roche (1827–1889) und Serena Rosen (1830–1902) durch ihre Musik-Stammbücher in großen Teilen überhaupt erst sichtbar gemacht werden kann, gewinnt auch das Bild von Ignaz Moscheles durch private, familiäre und gesellige Kontexte viele neue Impulse. Dabei zeigen sich fast nebenbei ästhetische Vorlieben, Hinweise auf bevorzugtes Repertoire und grundlegende musikalische Orientierungen. Insbesondere die Untersuchung der Albumblätter (vgl. Kap. 3.9), die Moscheles selbst im Laufe seines Lebens für Bekannte, Freund:innen, Kolleg:innen, Schüler:innen und Verwandte erstellte, lässt neben Einsichten in die zeitgenössische Unterhaltungskultur Rückschlüsse auf sein Selbstverständnis als Pianist und versierter sowie durchaus kreativer und humorvoller Komponist zu. 3.1 Die Moscheles-Alben im Verbund Mit den vier erhaltenen Alben der Familie Moscheles liegt eine in dieser Gestalt einzigartige Überlieferungslage vor. Die Alben bilden einen Verbund von Musik-Stammbüchern, so dass Gegenüberstellungen im Familienkontext und Vergleiche bezüglich des Gebrauchs von Musik-Stammbüchern vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und familiären Geschlechterverhältnisse möglich werden. Ignaz Moscheles’ Stammbuch (vgl. Kap. 3.2), dessen Einträge im Allge9 Das in Ignaz Moscheles’ Album enthaltene Billet von Heinrich Heine (vgl. Kap. 3.3.1) ist in der Briefdatenbank des Heinrich-Heine-Portals in modernisierter Schreibweise erfasst (HSA: HeineSäkularausgabe Bd. 20, S. 294 - Brief Nr. 226; vgl. auch Moscheles 1872, S. 182), wobei der Standort der Handschrift als ›unbekannt‹ angegeben ist (Link siehe Literaturverzeichnis). 10 Hierzu Rost 2015; Rost 2017.

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meinen dezidiert erfolgreichen und öffentlich wirkenden Personen vorbehalten waren, unterscheidet sich beispielsweise maßgeblich von Charlotte Moscheles’ Album (vgl. Kap. 3.3), in dem auch die Kinder der Familie ihre Spuren hinterlassen durften. Nachzuvollziehen ist, dass die Stammbuchpraxis sowie das im Hause Moscheles vorgelebte Konzept von Geselligkeit an die nächste Generation weitergegeben wurden. Insbesondere Emily und Serena, die genauso wie Felix und Clara Moscheles eine profunde musikalische und künstlerische Ausbildung erhalten hatten, wirkten nach der Gründung ihrer eigenen Familien, dem Vorbild ihrer Mutter folgend, als Gastgeberinnen von Gesellschaften, wobei der Stammbuchpraxis eine wichtige Rolle in der zeitgenössischen Kommunikation und zugleich in der Dokumentation dieses kulturellen Handelns zukommt (vgl. Kap. 3.4). 3.1.1 Stammbücher im Wandel der Zeiten Neben den Alben von Ignaz und Charlotte Moscheles sind die Stammbücher der beiden ältesten Töchter Emily (verh. Roche) und Serena (verh. Rosen) erhalten. Ebenso wie das Album der jüngsten Tochter Clara (verh. Gerhard) ist auch das Stammbuch des einzigen Sohnes Felix verschollen (vgl. Kap. 3.5). Den letzten Hinweis auf das Album liefert ein Auktionsjahrbuch von 1960. Das Stammbuch »des Malers F. Moscheles, 77 Eintragungen auf 70 Bll. 1836–1903. quer8°« wurde am 11. November 1960 durch J. A. Stargardt in Marburg versteigert; des Weiteren wurden dort bereits am 17.  Mai »Blätter aus dem Album von Charlotte Moscheles geb. Embden. 39 Eintragungen auf 33 Bll. 1841–1881. meist 4°« verkauft.11 Diese Blätter entstammen sehr wahrscheinlich einem zweiten, heute verschollenen Stammbuch (vgl. Kap. 3.3.2). Durch seine Recherchen und profunden Kenntnisse der Familiengeschichte konnte Henry J. Roche, Ururenkel von Ignaz Moscheles und Urenkel von Emily Roche, bereits wichtige Informationen zu den Einträgen und zur Geschichte der Moscheles-Alben zusammentragen, an die diese Arbeit dankenswerterweise anknüpfen kann.12 Auf dieser Grundlage und durch ergänzende Nachforschungen lassen sich in groben Zügen die jeweiligen Objektbiographien der MusikStammbücher rekonstruieren. In Hinblick auf deren Wandel während der skripturalen Phasen – von der Einrichtung bis zum Ende ihrer Laufzeit – sei auf die Kapitel zu den konkreten Alben verwiesen. Wichtige Hilfsmittel, um ausge11 Auktionen-Jahrbuch 1960, S. 403, S. XI, S. XIII; vgl. auch Stargardt (548) 1960, S. 123 (Lot 512). 12 Von Henry und Jerome Roche stammt auch der Beitrag über Ignaz Moscheles im New Grove Dictionary. Vgl. New Grove: Roche 2001.

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schnittene und heute verschollene Seiten bzw. Stammbuchblätter zu identifizieren, stellen schließlich die den Alben von Ignaz und Charlotte beigefügten Inhaltsverzeichnisse dar, während den Stammbüchern der Moscheles-Schwestern solche historischen Indizes fehlen. Generell lassen die ›Lebensläufe‹ der MusikStammbücher nachvollziehen, wie sich die Alben nach dem Ende ihrer jeweiligen Laufzeiten von persönlichen Erinnerungsdingen für den privaten Gebrauch zu Wertgegenständen von öffentlichem Interesse wandelten. Alle Alben wurden zunächst an Angehörige vererbt und zu einem späteren Zeitpunkt komplett oder blätterweise zum Verkauf angeboten. Das Album von Ignaz Moscheles wurde vermutlich von Felix Moscheles oder seiner 1927 verstorbenen Frau Grete veräußert. Es gelangte offenbar auf direktem Wege in professionelle Sammlerkreise und wurde 1959 im Rahmen einer Sotheby’s-Auktion von Eva und Kenneth Alberman, den Erben und Verwaltern des Stefan-ZweigNachlasses,13 erworben.14 Nach einigen Jahren als Depositum wurde das Album 2010 von der British Library angekauft und gehört heute zur Stefan Zweig Collection der Bibliothek.15 Die Alben von Charlotte und Serena Moscheles hatte Jeanne Rosen, die Witwe eines Enkels von Serena Rosen (geb. Moscheles), der British Library im September 2000 ebenfalls zunächst als Leihgabe zur Verfügung gestellt. 2011 entschied sich ihre Tochter, die Alben bei Sotheby’s zu versteigern. Obwohl die Auktion der kompletten Alben zurückgezogen wurde, kam es dennoch zum Verkauf von neun besonders wertvollen Autographen, die aus den Stammbüchern herausgelöst bzw. -geschnitten wurden: Aus Charlottes Album wurden sechs Autographe von Felix Mendelssohn Bartholdy und jeweils eines von Heinrich Heine und Giacomo Meyerbeer versteigert, aus Serenas Album wurde ein Autograph von Johann Strauß (Vater) verkauft.16 Die entsprechenden Seiten, die bei der Auktion jeweils fünfstellige Summen erzielten, wurden in den Alben durch Faksimiles ersetzt. Charlotte Moscheles’ Album befindet sich derzeit im Privatbesitz der Urenkelin von Serena Moscheles in Großbritannien, die mir freundlicherweise Einsicht gewährte und die wissenschaftliche Auswertung gestatte13 Eva Alberman ist die Nichte von Stefan Zweigs zweiter Ehefrau Lotte. 14 Bei der Auktion vom 8. Dezember 1959 wurden, neben dem Album von Ignaz Moscheles, auch das 1836 initiierte Stammbuch von Felix Moscheles sowie ein weiteres Album aus seinem Besitz versteigert (vgl. Kap. 3.5). Vgl. Sotheby’s 1959, S. 64–67. 15 GB-Lbl, Zweig MS 215 (im Folgenden = IM). Im Katalog der Stefan Zweig Collection ist das Album, aufgrund der nachträglichen Zuordnung zur Sammlung, nicht verzeichnet, findet aber unter der alten Signatur GB-Lbl, Loan 95.2, ebenso wie Charlotte Moscheles’ Album (GB-Lbl, Loan 102.2), in Zusammenhang mit einem Weber-Autograph Erwähnung. Vgl. British Library 1999, S. 151. 16 Vgl. Sotheby’s 2011, S. 128–131 (Lots 304–309), S. 26 (Lot 43), S. 133 (Lot 312), S. 145 (Lot 341).

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te.17 Serena Moscheles’ Stammbuch wurde dem Detmolder Stadtarchiv am 9. Mai 2012 von der Familie Rosen geschenkt.18 Das Album von Emily Moscheles liegt in der Staatsbibliothek zu Berlin.19 Die konkrete Provenienz dieses Stammbuchs, das vermutlich aus einem Nachlass stammt, ist unbekannt; weder Zugangs- noch Akzessionsnummer sind vorhanden.20 Erst 2015 erfuhren die Nachkommen der Familie, die ich im Rahmen meiner Recherchen kontaktiert hatte, von der Existenz des Albums der ältesten Moscheles-Tochter.21 In Hinblick auf die Stammbücher von Charlotte und Serena Moscheles ist der, im Vergleich zum Album des Vaters, deutlich später einsetzende Prozess der Musealisierung auffällig, der sicher nicht zuletzt genderspezifischen Perspektiven geschuldet ist (vgl. Kap. 3.3.1). Beide Alben wurden erst im Jahr 2000, mit der vorläufigen Übergabe an die British Library, zu Archivalien. Wenngleich monetäre sowie wissenschaftliche Interessen im weiteren Verlauf Einfluss genommen haben, wobei insbesondere die Einfügung der Faksimiles einen erheblichen Eingriff in die materielle Gesamtheit der Stammbücher von Mutter und Tochter darstellt, ist es bemerkenswert, dass sich Charlotte Moscheles’ Album weiterhin in Familienbesitz befindet und somit bis heute der persönlich-familiale Bezug und die Verortung im Privaten eine maßgebliche Rolle spielen. 3.1.2 Gebrauch in Geselligkeit: Max und Clara Bruch, Walter Scott und ­Maria Malibran Mit über 150 Beiträgen handelt es sich bei dem Album von Ignaz Moscheles, in dem er über einen Zeitraum von knapp 45 Jahren die einflussreichsten Namen des europäischen Musik- und Kulturlebens versammelte, um das umfangreichste der Familie. Dies überrascht nicht angesichts der Tatsache, dass der pater familias als berühmter Virtuose und Komponist eine Person des öffentlichen Lebens darstellte und demzufolge nicht nur mit anderen Musikern und Musikerinnen, sondern auch mit weiteren bekannten Persönlichkeiten aus der Welt der Literatur, Kunst und Politik in direkten Kontakt kam. Ignaz Moscheles’ gesellschaftlicher Status erstreckte sich dabei in abgeschwächter Form auf seine engsten Familienmitglieder, so dass die Stammbuchpraxis seiner Ehefrau und seiner Kinder 17 18 19 20

Keine Signatur vorhanden (im Folgenden = CM). D-DTsta, D72 Rosen Klingemann Nr. 114 (im Folgenden = SM). D-B, Mus. Ms. Autogr. S 10 (im Folgenden = EM). Ich danke Marina Gordienko (Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz) für die freundliche Auskunft. 21 Vgl. Rost 2015.

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maßgeblich davon beeinflusst wurde – auch wenn diese überwiegend auf das Sammeln von Einträgen beschränkt blieb. Obwohl der Name Ignaz Moscheles in Stammbüchern europaweit hoch gehandelt wurde und das Schreiben von Albumblättern in seinem Beruf eine manchmal lästige Verpflichtung darstellte, war es ihm ein Anliegen, möglichst viele Personen seines beruflichen Umfelds, das teils auch seinen privaten Umgang prägte, in seinem eigenen Album zu versammeln. Zwei Aspekte werden hier deutlich: Zum einen ging es Moscheles offenbar darum, persönliche Erinnerungen festzuhalten und in seinem Album festzuschreiben, zum anderen spielte eine Rolle, dass das Stammbuch, das man üblicherweise bei Gästen und Freunden herumzeigte, auch seine eigene Bedeutung und Vernetzung in der Musik- und Kunstwelt dokumentierte. Darauf verweist ein Brief des 20-jährigen Max Bruch an seinen Lehrer Ferdinand Hiller aus dem Jahr 1858 – zu diesem Zeitpunkt war Moscheles 63 Jahre alt: Unter den Künstlern bezeigt mir besonders der würdige Veteran Moscheles viel Wohlwollen. […] Nicht minder interessant wie sein Spiel sind seine Erzählungen aus früherer Zeit, seine Tage- und Stammbücher, sodaß jedes Zusammensein mit ihm von außerordentlichstem Nutzen und großer Annehmlichkeit ist.22

Bezeichnend ist, dass Moscheles Max Bruch erst sieben Jahre später, nachdem er sich als Komponist etabliert hatte, um einen Stammbuchbeitrag bat. Am 20. Februar 1865 trug sich Max Bruch mit 15 Takten von Ingeborgs Klag aus seiner Frithjof-Sage op. 23 in das Album ein.23 Der Kontakt zur Familie Moscheles blieb schließlich darüber hinaus bestehen. Im Album von Serena Rosen (geb. Moscheles), die mit ihrer Familie ab 1875 in Detmold lebte, findet sich ein dort verfasster Noteneintrag von Max Bruch vom 14. Juni 1882 (sieben Takte aus dem Oratorium Die Glocke op. 45) sowie eine am 2. Juli 1885, im Rahmen des Bonner Musikfestes, geschriebene Notenzeile (drei Takte Rezitativ aus dem Oratorium Achilleus op. 50).24 Die Einträge nehmen eine Doppelseite im Album ein (siehe Tafel 8), wobei sich auf der linken Seite, die wohl zunächst frei bleiben sollte, der spätere Eintrag von 1885 befindet. Auf dieser Seite wurden zudem zwei Ergänzungen nachgetragen. Dabei handelt es sich um ein in Stammbüchern häufig anzutreffendes Phänomen: In späteren Jahren bekamen Personen, die sich bereits mit einem Beitrag verewigt hatten, das Album erneut in die

22 Brief von Max Bruch an Ferdinand Hiller, datiert in Leipzig, den 20. Februar 1858. Sietz 1958, S. 129. 23 IM f.123v (S. 170). 24 SM, S. 42v, S. 43r.

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Hände und kommentierten ihren Eintrag.25 Im vorliegenden Fall ergänzte Max Bruch die mit Tinte geschriebene Notenzeile von 1885, der der Text »Unmuth im Herzen grollend« unterlegt ist. Er notierte darunter mit Bleistift: »(aber nicht gegen Rosen’s! 4. Aug. 88.)« Ein Jahr später nahm sich seine Ehefrau dann des unteren Teils der Seite an: Freude im Herzen, über die im / Hause Rosen mir gewordene beglückende Aufnahme / bitte ich um ein Plätzchen neben meiner / besseren Hälfte! Clara Bruch, geb. Tuczek / Detmold, Juli 188926

Hier zeigt sich zum einen der zirkulierende, mobile Charakter des Stammbuchs, das sich stetig durch die Eintragenden veränderte und an den Moment angepasst wurde. Zum anderen lassen sich Rückschlüsse auf den Gebrauch von Stammbüchern ziehen: das gemeinsame Lesen, Herumzeigen und Weiterschreiben als Bestandteil von Geselligkeit, in der sich der:die Einzelne individuell präsentieren und gleichzeitig gesellschaftlich einbetten konnte. Nicht zuletzt diente das Stammbuch dem Zeitvertreib und der Unterhaltung. So schrieb Moscheles in einem Brief von 1835 an seine Frau: »Heute, als ich die Mutter besuchte, unterhielt ich sie mit meinem Album.«27 1860 heißt es im Rahmen eines Diners bei Rossini in Passy: »Als ich ihm nach Tische mein Album zeigte, begeisterte er [Rossini] sich für jeden darin verzeichneten Namen.«28 Die von Charlotte Moscheles auf Grundlage von Briefen und den Tagebüchern ihres Mannes herausgegebene Publikation (1872/73) liefert viele weitere Hinweise zum Gebrauch und zum Umgang mit Stammbüchern in der Familie.29 So wird in der Moscheles-Biographie etwa eine Konzertreise im Jahr 1828 nach Edinburgh beschrieben, bei der Ignaz und Charlotte Moscheles die Bekanntschaft von Walter Scott machten.30 Als Antwort auf das obligatorische Empfehlungsschreiben erfolgte eine Einladung zum Frühstück ins Haus des bekannten schottischen Dichters. Moscheles leistete dazu einen musikalischen Beitrag, indem er zur Freude des Gastgebers auf Abruf am Klavier über schottische Volksweisen improvisierte. Scott besuchte daraufhin eine Konzert-Matinée Moscheles’ – die Basis für einen freundschaftlich-geselligen Kontakt war gelegt. Angesichts des nahenden Abschieds aus Edinburgh wurde dem Dichter folgerichtig das Album des Musikers mit der Bitte um einen Eintrag übersandt. 25 26 27 28 29

In der Stammbuchforschung wird dieses Phänomen als Renovatio bezeichnet (vgl. Kap. 1.1.4). SM, S. 42v. Moscheles 1872, S. 304. Moscheles 1873, S. 307. In der aktuellen Monographie zu Ignaz Moscheles finden die Alben von Ignaz und Charlotte Moscheles lediglich kurz Erwähnung. Kroll 2014, S. 57f., S. 152f. 30 Moscheles 1872, S. 186–190.

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Scott schaute das Stammbuch durch und stieß auf den Eintrag von Franz Grillparzer vom 24. Oktober 1826 in Gestalt eines deutschsprachigen Gedichts,31 das er schließlich für seinen Stammbucheintrag ins Englische übersetzte.32 Es ist offensichtlich, in welchem Maße solche Bezüge zwischen den Beiträgen nicht nur charakteristisch, sondern grundlegend für die Idee des Stammbuchs sind. Bemerkenswert ist weiterhin der Widmungstext, mit dem Scott seine Übersetzung überschrieb: »I am afraid the verses of M.[ister] Grillparzer and Mad[am]e Moschelles [sic] valuable album are only / disgraced by the following rude at­ tempt at translation«.33 Scott ging also offenbar davon aus, dass Charlotte Moscheles die Albumeignerin sei, so dass zu vermuten ist, dass sie selbst, anstelle ihres Mannes, mit der Bitte um einen Beitrag an den Dichter herangetreten war. Charlotte Moscheles sammelte neben diesem Stammbucheintrag noch zwei weitere Autographe Walter Scotts. In der Biographie berichtet sie von einer englischen Übersetzung von Bürgers Gedicht »Der Dichter liebt den guten Wein«, die Scott ihr während des Aufenthalts in Edinburgh zusandte.34 Sie entschied sich später, das Gedicht und den beigefügten Brief als Erinnerung in ihrem eigenen Album zu verwahren (vgl. Kap. 3.3).35 Dies belegt das Inhaltsverzeichnis ihrer Sammlung, durch das die Existenz der Autographe Scotts, die heute verschollen sind, nachweisbar bleibt. Im Vergleich dieser nachträglich eingeklebten Albumbeiträge mit Scotts Stammbucheintrag für Ignaz Moscheles von 1828, der das Grillparzer-Gedicht aufgreift, ergibt sich ein entscheidender Unterschied: Charlotte Moscheles führte ihr Album erst ab circa 1839, so dass durch Scott hergestellte Bezüge zu anderen Beiträgen des Albums, das 1828 noch nicht bestand, ausgeschlossen sind. Für das Jahr 1836 beschreibt Charlotte Moscheles die gemeinsam mit der Sängerin Maria Malibran in London verbrachten Gesellschaften, die exemplarisch die Vielfalt und das breite Spektrum der Geselligkeitsformen im 19. Jahrhundert deutlich werden lassen. Es wurde bei diesen Treffen musiziert, komponiert, gesungen, gezeichnet, gemalt und allerlei Scherz getrieben – in kleiner Runde unter Einbeziehung der Moscheles-Kinder, aber auch in großer Gesellschaft. Berichtet wird von einer Soirée im Hause Moscheles mit 80 Gästen, aber auch von einem eher intimen Sonntagstreffen im Juni mit Sigismund Thalberg, 31 IM f.19r (S. 15). Das Gedicht (»Tonkunst, dich preis’ ich vor allen …«) wurde unter dem Titel »An die Tonkunst« sowie unter dem Titel »In Moscheles’ Stammbuch« verschiedentlich veröffentlicht. Grillparzer 1872, S. 114f.; Grillparzer 2015, S. 45. 32 IM f.19v (S. 16). 33 Charlotte Moscheles, die den Widmungstext ebenso wie beide Gedichte in der Biographie zitiert, veränderte den Wortlaut in: »Mr. Moscheles’ valuable Album«. Moscheles 1872, S. 190. 34 Ebd., S. 188f. 35 Für den Brieftext vgl. ebd., S. 189.

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Julius Benedict und Carl Klingemann.36 In diesem Rahmen trug sich am 24. Juni Thalberg mit einem Fragment für Klavier in das Stammbuch des Gastgebers ein, während sich gleich auf der nächsten Seite, am 25. Juni, Charles de Bériot, Maria Malibrans Ehemann, mit einer etüdenhaften Melodie für Geige präsentierte.37 Angesichts der nahenden Abreise der Sängerin aus London war das Album ein wichtiger Bestandteil des Abschieds am 16. Juli 1836: »Dann schrieb sie eine reizende französische Romanze in mein [Ignaz’] Album, sang uns auch diese und schenkte meiner Frau eine ebenfalls von ihr componirte und aquarellirte Landschaft.«38 Der Verbleib des Charlotte Moscheles zugeeigneten Aquarells der Malibran ist ungesichert. In ihrem Album befindet sich nur ein kurzer autographer Brief der Sängerin (siehe Tafel 9), der den freundschaftlichen Umgang mit der Albumeignerin dokumentiert: Chère Dame / Je vous remercie / de votre aimable billet / et malheureusement je / ne puis y répondre car / mon mari doit aller chez / Mr. Burns causer d’affaires / et ce n’est que d’après le / résultat de cette conférence / que nous saurons si nous / restons à Londres jusqu’à / Samedi – Dans ce cas nous / serons enchantés de passer / notre soirée avec / le plus aimable / couple du monde. / Je vous embrasse / en toute hâte / Maria De Beriot.39

Mit dem undatierten Brief scheint die Antwort auf eine Einladung von Seiten der Moscheles’ vorzuliegen, die Maria Malibran aufgrund von geschäftlichen Verpflichtungen ihres Mannes weder zu- noch absagen mochte. Bei dem zuvor erwähnten Aquarell könnte es sich um eine Malerei im Besitz von Henry und Stephen Roche handeln, von der in der Familie überliefert ist, dass sie von Maria Malibran stamme. An der Rückseite des Bilderrahmens ist eine Notiz in Felix Moscheles’ Handschrift angebracht: »Painted by Malibran / From I. Moscheles collection«.40 Felix Moscheles erinnert sich in seiner Autobiographie, wie Maria Malibran häufig für die Kinder der Familie malte und zeichnete, ebenso berichtet er von Albumeinträgen.41 Die Sängerin fühlte sich der gesamten Familie Moscheles 36 Moscheles 1873, S. 4–8. 37 IM f.80v, f.81r (S. 96–97). Thalberg war als ehemaliger Schüler von Ignaz Moscheles mit der Familie gut bekannt. Vgl. Kroll 2014, S. 169. 38 Moscheles 1873, S. 9. 39 CM, S. 37. »Liebe Dame / ich danke Ihnen für Ihre freundliche Nachricht, nur kann ich diese unglücklicherweise nicht beantworten, denn mein Mann muss zu Mr. Burns gehen, um Geschäftliches zu besprechen, und erst nach diesem Treffen werden wir wissen, ob wir bis Samstag in London bleiben – In diesem Fall wäre es uns eine Freude, unseren Abend mit dem liebenswertesten Paar der Welt zu verbringen. / Ich umarme Sie in aller Eile / Maria De Beriot.« (Ü.d.V.) 40 Das kleinformatige Aquarell (ca. 12,5 cm × 19,5 cm) zeigt eine in gedeckten Farben gehaltene Landschaft am Fluss mit Brücke. 41 Moscheles 1899, S. 38f.

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schließlich so verbunden, dass sie als Patin des jüngsten, noch ungeborenen Kindes bereitstand, dessen Geburt sie nicht mehr erleben sollte.42 Sie trug sich nicht nur mit einer Romanze in das Album von Ignaz Moscheles ein, sondern verewigte sich auch in Felix Moscheles’ Album, dem Stammbuch eines dreijährigen Jungen (vgl. Kap. 3.5).43 Das 33-taktige schlicht gehaltene Lied in G-Dur für Ignaz (»à son ami Moscheles«) ist auf den 16. Juli 1836 in London datiert. Der Text nimmt die Perspektive einer von ihrem Geliebten verlassenen Frau ein und scheint mit dem realen Abschied aus London zu korrespondieren: Il est parti sans voir sa fiancée / lorsque le bal était prêt à s’ouvrir; / si pour une autre il m’avait délaissée, / Malheur à moi, je n’ai plus qu’à mourir.44

Die Sängerin unterzeichnete das Lied dabei mit ihrem Ehenamen »Maria ­Felicie De Beriot [sic]«.45 Anhand ihres Eintrags kann ein weiterer Stammbuch-Usus aufgezeigt werden, der bereits in Alben früherer Jahrhunderte nachweisbar ist (vgl. Kap. 1.1.4): Ignaz Moscheles selbst notierte unter Malibrans Widmungstext eine Zeile, mit der er das Datum des unerwarteten und frühen Todes der Sängerin dokumentierte: »Freytag den 23. September 1836 starb sie!«46 3.1.3 Die Mischalben im Überblick Im Vorfeld einer detaillierten Analyse möchte ich einige grundlegende Erkenntnisse und Beobachtungen im Vergleich der vier Moscheles-Alben festhalten (vgl. Tab. 1 bis 4). Alle vier erhaltenen Stammbücher der Familie Moscheles sind Mischalben und beinhalten in unterschiedlicher Gewichtung Notenautographe, Zeichnungen, eingeklebte Drucke, Briefe und Textbeiträge; teils sind weitere Beigaben, wie zum Beispiel getrocknete Blumen oder Blätter, beigefügt. Anders als die Alben seiner Frau und seiner Töchter, die gänzlich aus unbedruckten Seiten bestehen, enthält das Album von Ignaz Moscheles teilweise vorliniertes 42 Clarissa Maria Moscheles, genannt Clara, wurde am 23. Oktober 1836 geboren und am 16. Januar 1837 in der St. Pancras Church in London getauft. Maria Malibran war bereits am 23. September 1836 an den Folgen eines Reitunfalls verstorben, wurde aber dennoch in der Familie Moscheles als Claras Patin bezeichnet. Moscheles 1896, S. 83. 43 Moscheles 1899, S. 39. 44 IM f.97v, f.98r (S. 128–129). »Er ist gegangen ohne seine Braut zu sehen / kurz bevor der Ball eröffnet wurde; / ja, für eine andere hat er mich verlassen, / Welch Unglück, so bleibt mir nur zu sterben.« (Ü.d.V.) 45 Maria Malibran hatte im März 1836 den belgischen Geiger Charles de Bériot in zweiter Ehe geheiratet. Vgl. MUGI: Charton 2015. 46 IM f.98r (S. 129).

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Notenpapier. Fast drei Viertel des Albums sind mit gedruckten Notenlinien ausgestattet. So überwiegen im Album des professionellen Musikers auch deutlich die Noteneinträge mit 106 von 154 Beiträgen. Im Album von Charlotte Moscheles hingegen sind über die Hälfte der Beiträge Zeichnungen, nur bei zehn von insgesamt 104 Einträgen handelt es sich um Musiknotate. Bemerkenswert ist auch, dass mehr als drei Viertel der Beiträge nicht direkt in ihrem Album ausgeführt wurden, sondern die Zeichnungen, Drucke, Fotografien und Briefe zumeist nachträglich in das Buch eingeklebt wurden. Während im Album von Emily Moscheles mit zwei Dritteln der Einträge ebenfalls Zeichnungen dominieren, überwiegen im Stammbuch von Serena Moscheles wiederum die Musikbeiträge gegenüber den reinen Texteinträgen und Zeichnungen. Im Vergleich mit Ignaz Moscheles’ Album weisen die Profile der Stammbücher der Frauen eine offenbar genderspezifische Prägung auf, die nicht zuletzt auch von konkreten Vorlieben und Zufälligkeiten beim Sammeln beeinflusst wurde. Zugleich besteht kein Zweifel daran, dass Charlotte, Emily und Serena Moscheles nicht im selben Maße wie der Familienvater über Status und Gelegenheiten verfügten, berühmte Persönlichkeiten um Einträge zu bitten. Darüber hinaus wird die eher den privaten geselligen Umgang fokussierende Sammelpraxis der Moscheles-Frauen, bei der Zeichnungen eine zentrale Rolle spielten, zu einem erheblichen Teil dem zeitgenössischen Geschlechterrollen-Verständnis geschuldet sein, mit dem sie sich identifizierten. Übersicht – aktuelle Zusammensetzung der Albumbeiträge:47 Album Ignaz Moscheles (22 cm × 29 cm, ca. 3 cm dick, Querformat) 154 Beiträge (40 X)

1825–69 (44 J.)

106 N, 25 T, 14 Z, 4 B, 3 D, 2 F

104 Beiträge (75 X)

1839–82 (43 J.)

52 Z, 17 T, 10 N, 7 B, 10 D, 6 TrB, 2 F

31 Beiträge (15 X)

1843–82 (39 J.)

20 Z, 7 N, 3 T, 1 D

55 Beiträge (22 X)

1844–95 (51 J.)

32 N, 12 T, 9 Z, 2 B

Album Charlotte Moscheles (35 cm × 27,5 cm, ca. 5 cm dick, Hochformat) Album Emily Moscheles (20,5 cm × 27 cm, ca. 2 cm dick, Querformat)

Album Serena Moscheles (20,5 cm × 27 cm, ca. 2 cm dick, Querformat)

47 Die Unterteilung in Notenautographe (N), Textbeiträge (T), Zeichnungen (Z), Briefe (B), Drucke (D), Trockenblumen (TrB) und Fotos (F) ist zum Teil nicht eindeutig zu entscheiden und bleibt Ermessenssache. Manche Einträger:innen kombinieren Texte und Noten oder Zeichnungen; manche Beiträge, insbesondere eingeklebte Drucke, bilden einen Verbund in der Gestaltung der Albumseite und können sowohl als einziger Beitrag als auch als mehrere gezählt werden. Die Spielräume, die sich deshalb bei der Kategorisierung ergeben, sind aber insofern vernachlässigbar, da es bei der Auswertung in erster Linie darum geht, grundsätzliche Tendenzen aufzuzeigen. Die Angabe X kennzeichnet die nachträglich eingefügten Albuminhalte (vgl. auch Tab. 1 bis 4 im Anhang).

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3.2 Das Album von Ignaz Moscheles (1825–69) – »… one of the completest of its kind« Das gut erhaltene Album von Ignaz Moscheles, das sein Sohn als »one of the completest of its kind« bezeichnete,48 ist in dunkelbraunes Leder gebunden und mit dezenter Goldrahmung versehen.49 Der Buchrücken zeigt etwas verspieltere goldene Verzierungen und trägt die Aufschrift »ALBUM« (siehe Tafel 1). Als Vorsatzpapier wurde ein rosaroter Seidenstoff verwendet. Im Querformat ist Ignaz Moscheles’ Stammbuch mit den Alben seiner Töchter vergleichbar, jedoch mit circa 22 cm × 29 cm insgesamt etwas größer. Das Album umfasste ursprünglich 114 Seiten, vier Seiten wurden herausgeschnitten,50 so dass im aktuellen Zustand 110 Seiten vorliegen. Auf 33 unbedruckte Seiten folgen 67 Seiten zehnzeiliges Notenpapier, an die sich wiederum 10 Seiten Blankopapier anschließen. So liegt zwar ein Fokus auf Musiknotaten, die Anlage des Albums ermöglicht aber auch Texteintragungen und Zeichnungen. Insgesamt umfasst das Stammbuch 154 Beiträge (vgl. Tab. 1). Das von Ignaz Moscheles sorgfältig gestaltete Inhaltsverzeichnis des Albums listet 140 Namen in alphabetischer Reihenfolge (siehe Tafel 10),51 die sich wie ein Who is Who des europäischen Kulturlebens des 19. Jahrhunderts lesen. Darunter sind Komponisten und Virtuosen wie Meyerbeer, Hummel, Kalkbrenner, Mendelssohn, Hiller, Schumann, Joachim, Spohr, Wesley, Cherubini, Auber, Rossini,52 Paganini, Chopin, Thalberg und Liszt.53 Bei den insgesamt 17 weiblichen Beiträgerinnen handelt es sich neben Clara Schumann als Pianistin in erster Linie um die großen Sängerinnen der Zeit, darunter Pasta, Malibran, Grisi, Sontag, Viardot und die Patti-Schwestern. Eindrücklich zeigt sich an dieser Auswahl, in welchem Maße das musikkulturelle Handeln von Frauen in der Öffentlichkeit des 19.  Jahrhunderts auf die Rolle der Interpretin festgelegt 48 Moscheles 1899, S. 39. 49 Das Album wurde von der British Library komplett digitalisiert und ist seit April 2017 online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 50 Herausgeschnitten wurden die Seiten 10, 15, 55 und 104. 51 Das Inhaltsverzeichnis (Rückseite des Vorsatzpapiers und Seite 1r des Albums) orientiert sich an den Nachnamen, denen Initialen der Vornamen beigefügt sind. 52 Das Album enthält insgesamt zwei Autographe von Gioachino Rossini: ein Albumblatt mit Rossinis Stammbuch-Komposition ›par excellence‹ Mi lagnerò tacendo (vgl. Kap. 1.1.7) sowie ein an Ignaz Moscheles adressierter Brief (vgl. Kap. 3.5.1). IM f.110v–112v (S. 154); IM f.114–115 (zwischen S. 154/155). 53 Verständlicherweise kann hier nicht auf jeden Albumbeitrag detailliert eingegangen werden, so dass Desiderate aus der Perspektive eines auf bestimmte Personen fokussierten Forschungsinteresses unvermeidlich sind. Bei dem Albumblatt von Liszt handelt es sich beispielsweise um Magyar in b-Moll (S 164e), datiert vom 2. Juli 1840.

Das Album von Ignaz Moscheles (1825–69)

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war.54 Das Wirken von Frauen als Musikerinnen, Gastgeberinnen oder Netzwerkerinnen in nicht öffentlichen Kontexten, das zum Teil die Musik-Stammbücher von Charlotte, Serena und Emily Moscheles dokumentieren, bleibt in Ignaz Moscheles’ Album weitgehend unsichtbar. Ergänzung findet darin die lange Liste der Musikschaffenden durch bildende Künstler wie Werner, Hensel, Pocci, Madou und Lehmann; außerdem durch Literaten wie Goethe, Grillparzer, Castelli, Saphir, Janin, Aimé-Martin, Rochlitz und Heine. Die Welt der Politik ist durch den italienischen Freiheitskämpfer Mazzini vertreten.55 3.2.1 Kulturelle Identität und musikalische Vorbilder Folgt man Charlotte Moscheles’ Eintrag vom 14.  April 1825 auf der letzten Albumseite sowie der Biographie, hatte Ignaz das Stammbuch im Frühjahr 1825, während der Hochzeitsreise, von seiner Frau als Geschenk erhalten und führte es ab diesem Zeitpunkt bis zu seinem Lebensende.56 Der chronologisch letzte Albumbeitrag von Anna Strauss in Leipzig stammt vom 18. März 1869.57 Üblicherweise waren die ersten und letzten Seiten eines Stammbuchs besonderen Beiträgen mit persönlicher Bedeutung vorbehalten. So wird Ignaz’ Album – ebenso wie das seiner Ehefrau Charlotte – eröffnet mit einem Mozart-Bildnis,58 das allerdings erst 1858 hinzugefügt wurde: »Das Jahr [1858] fängt mit einer mir werthen Gabe an«, sagt das Tagebuch. »Härtels schickten mir einen feinen Stahlstich – Mozart in seiner Jugend, nach einem in Italien befindlichen Bilde; gleich habe ich ihn meinem Album neben der Autograph-Cadenz des grossen Mannes einverleibt, und meine Freude daran ist aufrichtig.59

54 Vgl. auch Lexikon MuGe 2010, S. 92f. 55 IM f.44r (S. 41). Giuseppe Mazzini, der über 30 Jahre im Londoner Exil lebte, schrieb sich im Juni 1861 mit einem Vers aus Dantes Divina Commedia in das Album ein: »Libertà v[a] cercando, ch’è si cara« (Purgatorio, Canto I, Vers 71). Zum Kontakt zwischen Felix Moscheles und Mazzini vgl. Moscheles 1899, S. 256–261. 56 Vgl. Moscheles 1872, S. 99f. 57 IM f.130v (S. 182). Bei Anna Strauss, die sich mit einigen Takten eines mutmaßlichen Volkslieds (»Wie doch d’ Sunn’ so lieblich strahlet«) eintrug, dürfte es sich um die Schwester (1829–1903) von Johann Strauß (Sohn) handeln. 58 IM f.2v (S. 1). Der Stich stammt von Lazarus Gottlieb Sichling (1812–1863). Vgl. Mozart 1920, S. 85 [Anhang: Mozart-Ikonographie]. 59 Moscheles 1873, S. 279.

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Im Anschluss an das Mozart-Bildnis, das der Albumeigner demnach neben einem heute nicht mehr enthaltenen Autograph platzierte,60 ist auf der nächsten Seite die Fotografie einer Beethoven-Statue mit der »9te[n] Symphonie« in Händen eingeklebt; beigefügt ist die Notiz »R. Macpherson / Rome« in Ignaz’ Handschrift.61 Darauf folgt ein Druckblatt mit der im 19. Jahrhundert ausgesprochen populären Beethoven-Darstellung von Johann Peter Lyser.62 Durch die einleitende Bildreihung, zu der ursprünglich auch ein Autograph Beethovens gehört haben könnte,63 stellte Moscheles somit in unmissverständlicher Weise seine musikalischen Vorbilder aus. Sicher sehr zu Moscheles’ Gefallen verortete dann auch der Schriftsteller Louis-Aimé Martin den Albumeigner in seinem Eintrag, bei dem es sich bezüglich der Reihenfolge um den ersten Textbeitrag im Album handelt, nahtlos in der Tradition jener musikalischen Instanzen, die in diesem Zusammenhang unübersehbar zu Heroen stilisiert werden. Douce vie, heureuse destinée que celle d’un grand Artiste! / Composer et executer comme Moschelès, être Musicien à la manière / de Gluck, de Mozart, de Beethoven et de Weber, c’est passer dans la vie / pour écouter, sentir et chanter comme des Levites dans le Temple, des / anges au ciel, le Rossignol sous la feuillée. / Paris le 19 novembre 1839. / L. Aimémartin64

Wenige Seiten später wird schließlich einem weiteren kulturellen Fixstern gehuldigt. Ottilie von Goethe hatte Moscheles bei einem Besuch in Weimar im Oktober 1832 für sein Album zwei autographe Gedichte und einen signierten Druck ihres nur wenige Monate zuvor verstorbenen Schwiegervaters geschenkt.65 Die 60 Die autographe Kadenz Mozarts wurde vermutlich angesichts ihres hohen Marktwerts separat veräußert. 61 IM f.4r (S. 2). Der schottische Künstler und Fotograf Robert Turnbull Macpherson (1814–1872) lebte und arbeitete ab 1840 in Rom. 62 IM f.6r (S. 3). Die Lithographie »Nach einer Original-Handzeichnung« zeigt Beethoven in Straßenkleidung beim Spaziergang sowie eine Detaildarstellung seines Kopfes, außerdem die faksimilierten Unterschriften Beethovens und Lysers. Vgl. das im Beethoven-Haus Bonn erhaltene Exemplar (D-BNba, B 888, Link siehe Literaturverzeichnis). 63 Zu Beethoven-Autographen, die Anton Schindler Moscheles zukommen ließ, vgl. Schindlers Brief vom 14. September 1827. Moscheles 1872, S. 167–169. 64 IM f.17v (S. 14). »Süßes Leben, glückliches Schicksal ist dem großen Künstler! Komponieren und musizieren wie Moscheles, Musiker zu sein in der Art von Gluck, von Mozart, von Beethoven und von Weber, bedeutet, das Leben zu verbringen, um zu hören, zu fühlen und zu singen wie die Leviten im Tempel, die Engel im Himmel, die Nachtigall unter dem Laub.« (Ü.d.V.) Am selben Tag schrieb sich der französische Schriftsteller Louis Aimé-Martin (1782–1847) ebenfalls in das Album von Charlotte Moscheles ein (CM, S. 60). Weiterhin schenkte er ihr für ihr Album ein undatiertes Autograph seines Freundes und Lehrers Bernardin de Saint-Pierre (CM, S. 55). 65 Im Goethe’schen Haus dürfte man Bitten um Autographe mit einem wohlwollenden Verständnis

Das Album von Ignaz Moscheles (1825–69)

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Autographe von Goethe scheinen zunächst auf der Seite aufgeklebt und dann durch eine persönliche Widmung Ottilies ergänzt worden zu sein: »Lassen Sie mich Ihnen / sagen wie mein Schwie / -gervater sich würde mit / mir Ihrer Anwesenheit / hier erfreut haben, / und in diesem Sinn / empfangen Sie hier die / Züge seiner Hand.«66 Der tatsächliche Inhalt der Texte Goethes wird in diesem Zusammenhang nebensächlich, vorrangig heben die Handschriften den Wert und die Bedeutung des Stammbuchs hervor. Einem wichtigen Lehrer Moscheles’ ist der Ehrenplatz auf den beiden letzten Albumseiten gewidmet: Georg Albrechtsberger hatte den 14-jährigen Ignaz in Wien in Musiktheorie unterrichtet. Neben einem gedruckten Abbild von Albrechts­berger mit seiner faksimilierten Unterschrift ist das sogenannte »Attestatum« eingeklebt,67 das den Eintritt Moscheles’ in die professionelle Musikwelt dokumentiert: Attestatum. / Endes unterschriebener bezeuget hiermit, dass der Ignatz / Moscheles durch einige Monate bei mir die Musi= / kalische Sätzkunst so gut erlernet habe, daß er im / Stande ist (indem er auch auf dem Fortepiano, und / auf der Orgel meisterlich spielt), sein Brod mit / beyden Künsten überall zu verdienen. / Und da er jetzt Willens ist Reysen zu machen, / so finde ich’s für billig ihn aller Orten bestens / anzuempfehlen. Wien den 28ten: / September [1]808. [Siegel] / Georgius / Albrechtsberger / Kapellmeister / in der Domkirche / zu St. Stephan68

Neben diesem handschriftlich verfassten Dokument von 1808 stammen weitere vor Bestehen des Albums datierte Autographe, die Moscheles somit nachträglich in sein Stammbuch aufnahm, von Georg Philipp Telemann (Hamburg 1764), Peter von Winter (München 1823), Bernhard Romberg (Leipzig 1824) und August Alexander Klengel (Dresden 1824).69 Auf dem ebenfalls nachträglich eingeklebten, undatierten Autograph des Abbé Stadler – ein Menuett mit Trio – notierte Ignaz Moscheles: »Wien. Erhalten den 24ten Octob: 1826.« Die Komposition trägt die Widmung: »Aus wahrer Hochachtung widmet dem J. Moscheles diese schlecht geschriebenen Noten sein alter Freund und Verehrer /

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begegnet sein, denn Goethe selbst gehörte zu den bekanntesten Autographensammlern seiner Zeit. Vgl. Meckenburg 1963, S. 35–42. IM f.20r (S. 17); vgl. auch Moscheles 1872, S. 254. IM f.156v, f.158r (S. 228–229). Es handelt sich um ein großformatiges Doppelblatt mit den Maßen 37,2 cm × 24,2 cm, das Spuren mehrfacher Faltung aufweist. Das Blatt ist hochkant in das Album eingeklebt und nach oben gefaltet, so dass es zum Lesen nach unten aufgeklappt werden muss. Das Attestatum ist mit Siegel und Stempel versehen. IM f.158r (S. 229); vgl. Moscheles 1872, S. 10. IM f.62r, f.62v (zwischen S. 72/73); IM f.68 (zwischen S. 80/81); IM f.72–73 (zwischen S. 86/87).

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Abbé Stadler«.70 Bemerkenswert ist, dass mit Ausnahme des Autographs von Telemann, für das ein persönlicher Bezug ausgeschlossen werden kann,71 alle anderen Handschriften durch entsprechende Widmungen auf einen direkten Kontakt der Beteiligten verweisen. 3.2.2 Ein Geschenk von Charlotte Moscheles. Private Kontexte Bei dem »Attestatum« von Albrechtsberger handelt es sich nicht im eigentlichen Sinne um den letzten, das Album beschließenden Beitrag. Am äußeren rechten Rand derselben Seite ist zusätzlich ein knapp 1 cm schmaler Streifen aufgeklebt,72 mit dem eine private Ebene anklingt und zugleich ein stammbuchtypischer Usus aufgegriffen wird. Zu lesen ist in Charlottes Handschrift, datiert auf den Tag, an dem sie ihrem Mann das Album vermutlich überreichte: »Wer mehr dich liebt als ich, der schreib’ sich hinter mich. Deine treue Charlotte. 14 April 1825 Paris.«73 Einigermaßen frech erscheint daher ein weiterer Eintrag in etwas hellerer Tinte, der unter diese Zeile geschrieben wurde: Unter einem sechstaktigen Musiknotat auf einer einzigen Notenzeile ist in winzig kleiner Handschrift zu lesen: »4-stimmiger Räthsel Kanon: Noch ist ein Plätzlein für mich / für mich ein Plätzlein hinter Lottchen. London den 16 - Juny 1829 SNeukm [­ Neukomm]«. Mit den Worten von Charlotte Moscheles war Sigismund von Neukomm, der zu den langjährigen Freunden der Familie gehörte, »kein Genie, sondern nur ein solider, wohldenkender, gutschreibender Componist«.74 Sein ›regulärer‹ Stammbucheintrag, ein weiterer Rätselkanon, ist auf den 17. Juni 1829 datiert,75 und damit einen Tag nach seinem ›Streich‹ auf der letzten Seite entstanden. Vermutlich hatte er das Album über Nacht mitgenommen, um mit Muße den Kanon einzuschreiben, den er in nahezu identischer Fassung bereits am 12. Mai 1825 in Paris im Album Felix Mendelssohn Bartholdys hinterlassen hatte (vgl. Kap. 2.3.2).76 Wie die Eheleute Moscheles Neukomms Spaß auf der letzten Album70 IM f.75–76 (zwischen S. 88/89). 71 Bei dem Telemann-Autograph handelt es sich um einen ausgeschnittenen Streifen aus einem größeren Schriftstück: »Die Belohnung für die Composition erwartet nach Billigkeit / GF Telemann / Hamburg, d. 27. Aug. 1764«. 72 IM f.158r (S. 229). 73 Charlotte Moscheles knüpfte mit diesem Eintrag an eine in der Stammbuchpraxis etablierte Tradition an. Vgl. Keil 1893, S. 39f.; Graak 1982, S. 67; vgl. auch Kap. 1.1.4. 74 Moscheles 1872, S. 207. 75 IM f.71v (S. 86). 76 Bei dem »Canon aenigmaticus 7 vocibus« vom 27. September 1836 im Stammbuch von Julius Rietz dürfte es sich ebenfalls um dieselbe Komposition handeln. Vgl. Sietz 1962, S. 221, S. 233.

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seite, der etwas deplatziert erscheint, aufnahmen, ist nicht überliefert. Gerade in der Gestaltung dieser Seite aber, die einerseits mit dem »Attestatum« Moscheles’ Start in das Leben als professioneller Musiker dokumentiert, andererseits einen doch eher informellen Einblick in sein persönliches Umfeld gewährt, zeigt sich das Oszillieren des Albums zwischen öffentlichen und privaten Kontexten besonders eindrücklich. Kurze Zeit nach ihrer Hochzeit am 1. März 1825 in Hamburg war Charlotte Moscheles mit ihrem Mann nach Paris gereist, wo das frisch vermählte Paar die über Charlottes Tanten mütterlicherseits verwandten Familien Valentin und Leo besuchte.77 Viel spricht dafür, dass Charlotte Moscheles das Album, das sie Ignaz schenkte, ebenso wie knapp 20 Jahre später vermutlich auch die Alben der Töchter, in der französischen Metropole gekauft hatte. In der Biographie zitiert sie aus einem Brief Ignaz Moscheles’ an seinen Vater, der einigermaßen stolz berichtet, wie gut sich seine junge Gattin bei ihrer ersten Auslandsreise in das weltstädtische Pariser Leben einzufügen vermocht hatte, ohne sich davon einschüchtern zu lassen: Wie sehr [aber] die Berühmtheiten es thun [ihr imponieren], bewies sie durch das Album, das sie mir heute schenkte, in das sie alle fremden und einheimischen Grössen der musikalischen Welt hatte schreiben lassen, Rhode, Kreutzer, Lafont, Cherubini, Auber, Onslow, Paer, Adam, Catel, Peter Pixis und Andere.78

Überraschenderweise finden sich gleich vier der genannten Namen – R[h]ode, Kreutzer, Onslow und Adam – nicht im Album wieder. Die Einträge von Daniel-­François-Esprit Auber und Luigi Cherubini stammen erst aus dem Jahr 1830;79 die Einträge von Ferdinando Paër und Charles-Simon Catel sind undatiert, aber anhand ihrer Position im Album ebenfalls um 1830 zu datieren.80 Lediglich zwei der genannten Personen haben sich im April 1825 in Paris in das Album eingetragen: der Geiger Charles Philippe Lafont (26. April 1825) und der Pianist Johann Peter Pixis (18. April 1825).81 Da Charlotte angibt, aus einem Brief ihres Mannes zu zitieren, stellt sich die Frage, wie diese eklatante Abweichung des Briefinhalts von den real vorliegen77 Moscheles 1872, S. 97–99. Charlotte Moscheles’ Mutter, Serena geb. Dellevie (1782–1818), war die älteste von fünf Dellevie-Schwestern. Die zweitälteste Schwester, Nanette verh. Valentin (ca. 1784– 1848), sowie die Jüngste, Sophie verh. Leo (1796–1864), hatten beide in Paris ansässige Bankiers geheiratet: Sebastian Valentin und August Leo. 78 Ebd., S. 99f. 79 IM f.89v, f.90 (S. 116–118); IM f.91r (S. 119). 80 IM f.95v, f.96 (S. 124–126); IM f.93r (S. 120). Das Albumblatt von Catel wurde auf einer Seite, zusammen mit einem 1830 datierten Albumblatt von François-Adrien Boieldieu (f.92r), eingeklebt. 81 IM f.64, f.65r (S. 73–75); IM f.65v (S. 76).

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den Albumeinträgen zu erklären ist. Möglicherweise gingen Albumblätter verloren oder wurden später entnommen. Am wahrscheinlichsten ist es jedoch, dass entweder Ignaz in der Auflistung großer Namen aus der Pariser Musikwelt übertrieb oder Charlotte den Brief Jahre später sehr frei zitierte und im Rückblick ausschmückte, um ihre Bemühungen um das Album herauszustellen. Deutlichere Übereinstimmungen mit dem Inhalt des Stammbuchs ergeben sich in Hinblick auf den von Charlotte geschilderten gesellschaftlichen Umgang im Hause Valentin: Das Haus der Tante Valentin ward viel vom Maler [François] Gerard, ihrem Lehrer, sowie von Benjamin Constant, Alexander Humboldt, Meyerbeer und seinem Bruder Michael, Hummel, F.  Mendelssohn und dessen Vater (die sich damals vorübergehend in Paris aufhielten) und anderen interessanten Männern besucht.82

Tatsächlich stammt der erste Beitrag im mit Notenpapier ausgestatteten Albumteil von Johann Nepomuk Hummel: »Niedergeschrieben bei seiner / Anwesenheit in Paris, den / 18ten April 1825 früh morgens 6 Uhr.«83 Der Eintrag – ein Kanon für vier Violoncelli – wurde kurioserweise kopfüber ausgeführt. Obgleich dies also auch der frühen Uhrzeit geschuldet sein kann, ist folgendes Szenario vorstellbar: Hummel trug sich schlicht als erster mit einem Noteneintrag oder gar überhaupt in das Album ein; dabei legte er das Buch, dessen Einband die Verwechselung möglich macht, verkehrtherum in Ermangelung weiterer Einträge, auf die er Bezug nehmen konnte. Generell lässt die Positionierung ­kopfüber bei Kanons immer auch eine implizite Botschaft bezüglich der korrekten Auflösung vermuten (vgl. Kap. 2.3.1 und 3.9.1), eine solche konnte mit Blick auf die vier versetzt notierten Cellostimmen bisher jedoch nicht erschlossen werden. Eine Woche nach Hummel, am 25. April, trugen sich Giacomo Meyerbeer und sein Bruder, der Dichter Michael Beer, die von Charlotte ebenfalls als Gäste des Hauses Valentin erwähnt werden, in das Album ein. Michael Beer schrieb für Moscheles eine drei Seiten umfassende »Legende«,84 die später mit kleineren Abweichungen unter dem Titel »Der Herrgott und der Musikant. In das Stammbuch eines Tonkünstlers nach seiner Vermählung im Jahre 1825 in Paris« veröffentlicht wurde.85 In humoristischer Weise beschreibt Beer darin den Ehebund von Ignaz und Charlotte Moscheles als himmlische Belohnung für einen »Meister der Töne«, dem der Herrgott, entsprechend der charakteristischen Rol82 83 84 85

Moscheles 1872, S. 99. IM f.61r (S. 71). IM f.50, f.51r (S. 51–53). Beer 1835, S. 902–905.

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lenverteilung des 19. Jahrhunderts, einen seiner Engel als Gefährtin zur Seite stellt. Damit kam er den tatsächlichen Umständen im Hause Moscheles durchaus nahe. Denn Ignaz legte in den ersten Ehemonaten Wert darauf, seine junge Gattin zu einer für ihn hilfreichen Assistentin und Partnerin auszubilden: »Ich gebe meiner Frau nicht nur Clavierstunden, sie muss auch Noten schreiben von mir lernen.«86 Auch Michael Beers komponierender Bruder Giacomo Meyerbeer (geb. Jakob Meyer Beer) thematisierte die neue Lebensphase von Ignaz Moscheles und knüpfte dazu an einen bereits bestehenden musikalischen Beitrag an. Eine Woche zuvor, am selben Tag wie Hummel, hatte Johann Peter Pixis »das englische Volkslied in einer spaßhaften Gestalt«, nämlich in »H moll ohne Vorzeichnung« und »4stimmig zu singen« eingetragen (siehe Tafel 11).87 Mit dieser Verballhornung von God Save the King spielte Pixis auf die baldige Übersiedlung der Moscheles’ nach England an. Auf der gegenüberliegenden Albumseite griff Meyerbeer nun Pixis’ musikalische Anspielung auf. Er notierte »Dasselbe englische Volkslied in einem andern Scherz-Gewande« (siehe Tafel 12).88 Ebenfalls vierstimmig, allerdings in G-Dur, lässt Meyerbeer darin die bekannte Melodie taktweise jeweils in einer anderen Stimme erscheinen. Das darunter geschriebene Gedicht zelebriert den Abschied zwischen den Freunden: Fahr wohl! und wenn im freien Land / der Britte »Heil dem König« brüllt, / so blick’ auch auf dies Scherz-Gewand, / das Freundschaft um dies Lied gehüllt. / Dem König giebt das Lied sein Theil / die Hülle ruft »dem Freunde Heil«!

Auf den folgenden Seiten finden sich noch zwei weitere im April in Paris entstandene Einträge: Als Vertreter ihres jeweiligen Instruments trugen sich der Geiger Ferdinand Fraenzl mit einem Prélude pour deux Violons und der Pianist Frédéric Kalkbrenner mit einer Klavier-Romanze in das Album ein.89 Anfang Mai gründeten die Eheleute Moscheles schließlich in London ihren Hausstand, wobei das Album den ersten gemeinsam verbrachten Sommer auf der Britischen Insel mit Musikbeiträgen von Muzio Clementi und Johann Baptist Cramer begleitete.90

86 Moscheles 1872, S. 108. Zu Charlotte Moscheles’ Rolle in der Ehe vgl. auch Kroll 2014, S. 148–153. 87 IM f.65v (S. 76). Der Liedtext lautet: »Die Melodie allein / kann wohl nicht schlechter seyn, / kaum für die Schein’; / Doch nehmt die Harmonie, / singt, gebt Euch alle Müh’, / dann ist’s auch gut genug / für das and’re Fine.« 88 IM f.66r (S. 77). 89 IM f.67r (S. 79); IM f.67v, f.69r (S. 80–81). 90 IM f.69v (S. 82); IM f.66v (S. 78). Vgl. auch Moscheles 1872, S. 106–108.

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3.2.3 Mobilität und Reisen Analysiert und ordnet man die Albumeinträge, so wird deutlich, dass Ignaz das Stammbuch auf seinen zahlreichen Konzertreisen in der Regel bei sich führte. Nachdem das Album ab August 1825 über ein Jahr lang nicht erweitert wurde, finden sich im Herbst 1826 Einträge aus Wien, Dresden, Berlin und Hamburg, gefolgt von Einträgen im Januar 1827 in Hannover und Kassel. 1828 kam nur ein Albumbeitrag hinzu: die bereits oben erwähnte Grillparzer-Übersetzung Walter Scotts während des Konzertaufenthalts in Edinburgh (vgl. Kap. 3.1.2). 1829 entstanden sechs Einträge: im Juni in London und im November in Kopenhagen. Nachdem Ignaz Moscheles zu Beginn des Jahres 1830 in Paris mit Auber, Cherubini, Boieldieu und wahrscheinlich Paër und Catel mehrere hochkarätige Namen für sein Album sammeln konnte, kamen in den 1830er Jahren nur zwischen zwei und fünf Beiträge pro Jahr zustande; 1833, 1834 und 1837 ruhte das Album ganz. Ab etwa Mitte der 1830er Jahre wird deutlich, dass Ignaz zunehmend auch Einträge ›zu Hause‹ in London, seinem Wohnsitz, sammelte. Zu verzeichnen sind Namen von reisenden Klaviervirtuosen, wie Theodor Döhler, Sigismund Thalberg, Henri Herz und Franz Liszt, aber auch von anderen musikalischen Berühmtheiten, die in London gastierten, wie Johann Strauß (Vater) und Maria Malibran. Anlässlich eines Paris-Aufenthalts im November 1839 sammelte Moscheles dann Einträge von Chopin, Halévy und Aimé-Martin. Das Jahr 1840 markiert mit zehn Beiträgen aus London, Leipzig und Prag einen Höhepunkt in Ignaz’ Sammeltätigkeit, nur übertroffen von den beiden enthusiastischen Anfangsjahren 1825 und 1826. Die 1840er Jahre und die folgenden Jahrzehnte verzeichnen im Schnitt zwischen einem und vier, höchstens jedoch fünf oder sechs Beiträge pro Jahr. Dies erscheint zunächst wenig. Angesichts der Ausdauer jedoch, mit der das Album über viereinhalb Jahrzehnte kontinuierlich geführt wurde, relativiert sich dieser Eindruck. Vielmehr ist von einer dezidierten Selektion auszugehen, so dass nur relevante Kontakte und als bedeutend und einflussreich erachtete Persönlichkeiten um einen Albumeintrag gebeten wurden. Dies geschah vor allem im halböffentlichen Raum, bei Soiréen, Gesellschaften, Empfängen, bei Konzertveranstaltungen oder im privaten Rahmen von persönlichen Einladungen im familiären Kreis. Insbesondere nach dem Umzug der Familie nach Leipzig 1846 verlagerte sich der Gebrauch des Albums deutlich. Ignaz Moscheles ging als Lehrer des Konservatoriums weniger auf Reisen, so dass ab 1846 bis zu Moscheles’ Lebensende im Jahr 1870 Leipzig als Eintragungsort klar dominiert.

Das Album von Ignaz Moscheles (1825–69)

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3.2.4 Das Musikrepertoire im Album und ein Resümee Das Stammbuch von Ignaz Moscheles enthält insgesamt 106 Notenautographe. Das Spektrum der Beiträge reicht von wenigen Takten, einstimmigen Melodien bis hin zu Stücken, die mehrere Seiten umfassen. In etwa gleichen Teilen sind Klavierstücke und Kompositionen für Gesang im Album vertreten, gefolgt von Stücken für Geige. So sind insgesamt 30 Einträge für Klavier zu verzeichnen, darunter einige Kompositionen, die im Original eine Orchesterbesetzung verlangen. Die traditionell für Stammbücher besonders charakteristische Musikform, der Kanon, taucht im Album von Ignaz Moscheles immerhin 13 Mal auf.91 Die Beiträge von Sängerinnen und Sängern sind häufig auf wenige einstimmige Takte, beispielsweise Kadenzen von bevorzugten Arien, beschränkt. Es liegen zwölf Einträge für Gesang ohne Begleitung vor; elf Stücke, zumeist Lieder, sehen eine Besetzung für Gesangsstimme und Klavier, sechs Stücke eine Chorbesetzung vor. Für Violine solo gibt es 16 Stücke, in der Regel von Geigern eingetragen, sechs weitere erfordern eine Besetzung mit Geige und Klavier. Die verbleibenden zwölf Kompositionen sind für Orgel sowie verschiedene Streicher-Besetzungen, darunter Stücke für Violoncello; ein Beitrag ist für Flöte solo. Dieser Eintrag, vom 28. März 1847, stammt von dem Flötisten Louis Drouet, der für das Album, basierend auf den ersten beiden Takten von Moscheles’ Grande Sonate concertante op. 44, ein Prelude in D-Dur komponierte.92 Insgesamt bietet Ignaz Moscheles’ Album somit einen für ähnliche MusikStammbücher absolut typischen Repertoire-Mix, dessen Anteil an Klavierstücken mit Blick auf das Instrument des Albumeigners möglicherweise zusätzlich befördert wurde. Anschaulich ist diesbezüglich die von Frédéric Chopin gestaltete Albumseite.93 Im Herbst 1839 hatten sich Chopin und Moscheles bei der befreundeten Familie Leo in Paris erstmals persönlich kennengelernt.94 Beide Pianisten wurden schließlich für ein Konzert am 29. Oktober an den königlichen Hof in Saint-Cloud bestellt, wo sie unter anderem gemeinsam Moscheles’ Grande Sonate pour le Piano à quatre mains op. 47 vortrugen.95 Die Melodie des zweiten Satzes (Andantino), der den Geschmack der königlichen Gesellschaft besonders traf und deshalb wiederholt gegeben wurde, schrieb Frédéric Chopin 91 Bei den Kanons handelt es sich teils um Instrumentalkanons, teils um mit Texten versehene und somit singbare Kanons. 92 IM f.125v (S. 174). Für das Incipit der Grande Sonate pour Pianoforte et Flûte (hier in A-Dur) vgl. Moscheles-Verzeichnis 1966, S. 16. 93 IM f.77v (S. 90). Die Seite ist abgedruckt in: Kroll 2014, Plate 5 (zwischen S. 174 und S. 175). 94 Moscheles 1873, S. 38f. 95 Ebd., S. 43–45. Zu Moscheles’ op. 47 im Kontext seiner Klavierwerke zu vier Händen vgl. Cho 2004, darin: S. 85–93.

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seinem Duo-Partner ins Album: »Souvenir de St Cloud – 1839 / FChopin / admirateur de l’auteur«. Etwas später, am 9. November, ergänzte Chopin die Albumseite mit einem Auszug aus seinem Prelude As-Dur, op. 28 Nr. 17,96 das insbesondere Charlotte und Emily Moscheles, die Ignaz nach Paris begleitet hatten, besonders schätzten.97 Resümierend ist festzuhalten, dass fast alle Beiträge in Ignaz Moscheles’ Musik-Stammbuch eine persönliche Bezugnahme – häufig durch entsprechende Widmungen – erkennen lassen und aus einem direkten Zusammentreffen heraus entstanden sind. Moscheles, der im Laufe seines Lebens außerdem eine umfangreiche Autographensammlung zusammentrug,98 betrachtete das Stammbuch offenbar als eine davon klar zu unterscheidende eigenständige Sammelform. Das Album, das den Musiker nahezu ein halbes Jahrhundert begleitete und eng an seine Biographie geknüpft ist, hatte für ihn eine dezidiert persönliche Bedeutung, wobei es zugleich seinen Status in der Musikwelt dieser Epoche repräsentierte. Es handelt sich mit über 150 Beiträgen zweifellos um eine sehr umfangreiche Sammlung, die jedoch weniger auf quantitative Vollständigkeit als auf die Dokumentation ausgewählter persönlicher Kontakte mit den als einflussreich und bedeutend erachteten Personen der kulturellen Öffentlichkeit zielt. 3.3 Ein Familienalbum. Die Erinnerungssammlung von Charlotte Moscheles (1839–82) Charlotte Moscheles’ Album, das sich bis heute in Familienbesitz befindet, weist erhebliche Gebrauchsspuren auf, was darauf hindeutet, dass es über Jahrzehnte hinweg durchgeblättert, angeschaut und transportiert wurde. Von einem bereits recht verschlissenen rotgrünen Stoffumschlag ummantelt, ist das Album in grünbläulich marmoriertes Papier eingebunden (siehe Tafel 1), das auch als Vorsatzpapier verwendet wurde; nur Buchrücken und -ecken sind mit braunem Leder gestaltet. Bei dem im Gegensatz zu den anderen Stammbüchern hochformatigen Album mit den Maßen von 35 cm × 27,5 cm und einer Dicke von circa 5 cm handelt es sich um das größte und wuchtigste Album unter den vier erhaltenen Moscheles-Alben. Das somit weniger für eine unkomplizierte Mitnahme 96 Chopin notierte die Takte 65–72. 97 Moscheles 1873, S. 39. 98 Vgl. den Katalog zur Versteigerung der Autographensammlung von Ignaz Moscheles (überwiegend Musikmanuskripte und Musikerbriefe): Liepmannssohn 1911, S. 1–55. Autographe von Bach, Weber und Beethoven im Besitz des Musikers finden auch in der Moscheles-Biographie Erwähnung. Vgl. Moscheles 1873, S. 332; Moscheles 1872, S. 124, S. 167, S. 175.

Ein Familienalbum

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geeignete Buch umfasst im derzeitigen Zustand 84 Seiten.99 Zwischen den einzelnen Seiten sind circa 2 cm breite Papierstege eingebunden, auf denen Zeichnungen und lose Albumblätter eingeklebt werden können. Das Album scheint somit von vornherein dazu bestimmt gewesen zu sein, auch lose Blätter zu sammeln. Vorangestellt ist dem Album ein zwei Seiten umfassendes Inhaltsverzeichnis, das neben Charlotte Moscheles’ und zum Teil Ignaz’ handschriftlichen Einträgen auch andere Handschriften, wie jene des Sohnes Felix, erkennen lässt und offenbar über einen langen Zeitraum hinweg ergänzt und korrigiert wurde. Soweit feststellbar handelt es sich bei den beiden Seiten des Inhaltsverzeichnisses nicht um reguläre Albumseiten, wurden diese doch nachträglich auf dem Papiersteg zwischen erster und zweiter Seite eingeklebt. Dieser Eindruck kann aber auch heute nicht mehr nachvollziehbaren Reparaturmaßnahmen geschuldet sein. Das Album beinhaltet aktuell 104 Beiträge (vgl. Tab. 2);100 mehr als die Hälfte davon sind Zeichnungen, die in der Regel von mit der Familie gut bekannten und befreundeten Personen gestaltet wurden.101 Darunter sind viele Porträts von Personen aus dem Umfeld der Moscheles’ sowie Landschafts- und Genrebilder; mehrere Zeichnungen weisen einen Musikbezug auf (hierzu Kap. 3.8). Konkret stehen über 50 Zeichnungen sowie mehrere Drucke und Fotos 17 Textbeiträgen und zehn Musiknotaten gegenüber, die gänzlich eine Besetzung für Klavier, teils mit Gesang, vorsehen. Hinzu kommen eingeklebte Briefe und mit getrockneten Blumen und Blättern ausgestattete Seiten. Wie schon angemerkt, wurde nur etwa ein Drittel der Einträge direkt im Album ausgeführt; Charlotte Moscheles scheint ihr Album also mit den bei diversen Gelegenheiten gesammelten Erinnerungsblättern, Zeichnungen, Briefen und Andenken bevorzugt selbst gestaltet zu haben. Wahrscheinlich verstand sie ihr Album demnach als einen persönlichen Erinnerungs- und Sammelhort und verortete es, im Unterschied zum Album ihres Ehemannes, eher in einem intimeren, familiären Kontext. So werden im Inhaltsverzeichnis sowohl von Emily und Serena als auch von Felix Moscheles gestaltete Zeichnungen gelistet. Weiterhin beinhaltete das Album zu einem früheren 99 Das Inhaltsverzeichnis ist dabei nicht mitgezählt. 100 Drei Zeichnungen (S. 79) und zwei Drucke (S. 33) wurden bei der Zählung jeweils zu einem Albumbeitrag zusammengefasst, da sie im Verbund die Albumseite gestalten. 101 Mindestens sieben Zeichnungen im Album stammen von einem »Mr. Lee«, bei dem es sich höchst wahrscheinlich um Robert Lee handelt, den zweiten Ehemann der mit den Moscheles’ befreundeten Autorin und Naturforscherin Sarah Bowdich Lee. Weitere Zeichnungen stammen beispielsweise von der befreundeten Fanny Horsley (vgl. Kap. 3.9.4) und von einer »Miss Moseley«, die sich als Nichte (»niece«) zu erkennen gibt.

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Zeitpunkt Kinder-Porträts von Emily und Serena; der Name der jüngsten Tochter Clara erscheint auf der Seite mit Bezug zu Heinrich Wilhelm Ernst (vgl. Kap. 3.7.1). In der Sammlung enthalten ist auch eine »Familien-Caricatur«, die von dem mit Charlotte verwandten Maler Rudolf Lehmann stammt.102 Während Felix Moscheles und Rudolf Lehmann auch in Ignaz’ Album präsent sind, spielen darin Beiträge von oder mit Bezug zu Emily, Serena oder Clara Moscheles keine Rolle. Die Töchter der Familie und wohl generell nicht öffentlich wirkende Frauen sind somit im Album des Vaters nicht sichtbar und scheinen bewusst aus dieser Sammlung ausgeklammert worden zu sein. Ab wann Charlotte Moscheles’ Album genau bestand, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Der erste Eintrag, der direkt auf einer Seite ausgeführt wurde, datiert in London vom 4. Juli 1839. Der kurze Text ist mitten im Album platziert und stammt von Moscheles’ wohl erfolgreichstem Schüler Sigismund Thalberg:103 Je promets à Madame Moscheles / de lui jouer, dit que je reviendrai en / Angleterre, l’étude du pouce qui me / pousse à l’immortalité / S. Thalberg104

Mit Wortwitz wird hier vermutlich auf ein Beisammensein im Hause Moscheles angespielt, wobei erneut die enge Verknüpfung von Album und Unterhaltungskultur deutlich wird. Charlotte Moscheles hatte Thalberg scheinbar vergeblich darum gebeten, seine ›Daumen-Etüde‹ hören zu lassen – wohl einer der vielen teils akrobatischen, teils albernen Scherze am Klavier, die die Stimmung einer Soirée oder Gesellschaft auflockern und bereichern konnten und für die auch Ignaz Moscheles bekannt war.105 In seinem ironischen Kommentar, der mit dem Gleichklang von pouce und pousse spielt, schlägt Thalberg die Brücke zu einem eventuellen Wiedersehen der Beteiligten, das in Stammbucheinträgen generell häufig thematisiert wird. Thalberg scherzte über die musikalische Unsterblichkeit, die ihm seine ›Daumen-Etüde‹ verschaffen würde – sicher dachte er nicht daran, dass die Episode durch Charlotte Moscheles’ Album tatsächlich von späteren Generationen erinnert werden würde.

102 Vgl. CM, Inhaltsverzeichnis. Rudolf Lehmann (1819–1905), Sohn von Frederika Lehmann (geb. Dellevie), war Charlotte Moscheles’ Cousin. 103 Kroll 2014, S. 169. 104 CM, S. 49. »Ich verspreche Madame Moscheles, vorausgesetzt ich werde wieder nach England kommen, ihr die Daumen-Etüde zu spielen, die mich zur Unsterblichkeit führt – S. Thalberg«. (Ü.d.V.) 105 Vgl. Moscheles 1872, S. 78; Moscheles 1873, S. 5.

Ein Familienalbum

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3.3.1 Weber, Mendelssohn, Heine – Wert und Bewertung einer Sammlung Genauso wie ihr Ehemann Ignaz widmete auch Charlotte Moscheles die ersten Seiten ihres Albums Wolfgang Amadeus Mozart. Das Stammbuch wird eröffnet mit einer Lithographie der 1842 in Salzburg eingeweihten Mozart-Statue von Ludwig Schwanthaler;106 darauf folgt der aus der Nissen-Biographie bekannte Druck des Mozart’schen Ohrs,107 das als Sinnesorgan eines Ausnahmemusikers der Physiognomie eines herkömmlichen Ohres gegenübersteht. Im Gegensatz zu Ignaz verzichtete Charlotte Moscheles jedoch in ihrem Album auf die Einbeziehung des wohl wirkmächtigsten ›Heroen‹ des 19. Jahrhunderts. Während Ludwig van Beethoven also nicht in Erscheinung tritt, fokussieren der dritte und der vierte Albumbeitrag einen zwar ebenfalls äußerst einflussreichen, mit Charlotte Moscheles aber persönlich bekannten Komponisten: Carl Maria von ­Weber. Einem bis zum Jahr 2017 unbekannten Brief Webers vom 14. April 1826, der den persönlich-privaten Bezug des Musikers zur Gastgeberin des Moscheles’schen Hauses demonstriert,108 gegenüber steht eine von Webers Sohn Max Maria ausgeführte Zeichnung eines gotischen Portals, datiert vom 19. Juli 1844.109 Max Maria von Weber war im Rahmen eines Studienaufenthalts in Großbritannien bei den Moscheles’ zu Gast gewesen, wobei er die Rückreise nach Deutschland nutzte, um den Leichnam seines Vaters nach Dresden zu überführen.110 Bemerkenswert ist, dass Charlotte als Einzige in der Familie über Weber-Autographe in ihrem Stammbuch verfügte. Ignaz Moscheles besaß zwar einige Musikmanuskripte Webers in seiner Autographensammlung, hatte aber, wie er in einem Brief von 1861 an Max Maria von Weber schrieb, »die Gelegenheit versäumt […], ihn [Carl Maria von Weber] um eine Zeile von seiner Hand für mein Album zu bitten«.111 Die mit Abstand prominenteste Stellung in Charlotte Moscheles’ Album kommt Felix Mendelssohn Bartholdy zu, der mit der gesamten Familie über Jahre hinweg freundschaftlich eng verbunden war. Die Sammlung von Charlotte 106 CM, S. 2. Die Lithographie erschien im Verlag von Johann Peter Spehr in Braunschweig. 107 CM, S. 3. Vgl. Anhang zu Nissen 1828. 108 »To Misses Ch: Moscheles. / Wie schwer ist es so freundlicher / Einladung nicht Folge leisten zu / können; aber – ich bin schon versagt, / und kann es nicht ändern. / Beklagen Sie Ihren Ihnen / herzlichst ergebenen CMvWeber. / Freytag d: 14t Aprill 1826.« CM, S. 5. 109 CM, S. 4. Für eine detaillierte Diskussion und Kontextualisierung der Autographe von Carl Maria und Max Maria von Weber vgl. Rost 2017. 110 Ebd., S. 34f. 111 WeGA: Brief 1861 (Brief vom 15. September 1861 von Ignaz Moscheles aus Leipzig an Max Maria von Weber in Dresden).

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Moscheles umfasste ursprünglich insgesamt sieben autographe Beiträge Mendelssohns (vgl. Kap. 3.6), sechs davon wurden 2011 separat veräußert und durch Faksimiles ersetzt.112 Ähnlich wie der Brief Webers an Charlotte Moscheles dokumentiert auch eine undatierte Einladungskarte im Album den engen Bezug Mendelssohns zur Dame des Hauses, deren gesellschaftliche Rolle auf diese Weise herausgestellt wird. Offenbar hatte Mendelssohn Charlotte Moscheles im Scherz um eine gedruckte und damit förmlicher wirkende Einladungskarte zu einer Gesellschaft gebeten, wobei zugleich deutlich wird, dass er in der Regel völlig ungezwungen bei der Familie verkehrte. Charlotte Moscheles war auf den Spaß eingegangen und hatte eine gedruckte Karte geschickt, die Mendelssohn mit handschriftlichen Ergänzungen versehen an sie zurücksendete:113 On Mr. Felix Mendelssohn Bartholdy’s / request the pleasure of / having a printed card has been done to him by Mrs. Moscheles, and as / he prefers music and Mrs. Moscheles’ / company to tea & cards / he has the / honour to accept Mrs. Moscheles’ / kind invitation / An answer will oblige him by no means, as he could receive it only / in case, the party should be postponed. He hopes, this card, sold by H. Richards 14 Gt. Portland St, as it was, will be excused by Mrs. Moscheles114

Neben den Mendelssohn-Handschriften aus Charlotte Moscheles’ Album wurden 2011 zwei weitere darin enthaltene Autographe mit besonders hohem Marktwert bei Sotheby’s versteigert (vgl. Kap. 3.1.1). Es handelt sich um eine Heine-Vertonung von Giacomo Meyerbeer, in Paris datiert auf den 8. November 1839,115 und ein Autograph von Heinrich Heine selbst, der als angeheirateter Verwandter von Charlotte Moscheles bei der Familie in London mehrmals zu Besuch war, wie auch ein in Ignaz’ Album enthaltener Brief Heines nachvollziehen lässt.116 Für Charlotte schrieb Heine einige zynische Verse über die Hamburger Geschäftswelt, wobei der Eintrag vermutlich im Jahr 1839 zu datieren ist: »Verse gedichtet zu H.[amburg] Anno 1830 / und wieder aufgefunden zu Paris 1839«.117 112 Nicht durch ein Faksimile ersetzt wurde eine Zeichnung Mendelssohns der Seufzerbrücke in Venedig, die dem Buch schon früher entnommen worden war. Vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 238 (AQ 14). 113 Die Karte ist wahrscheinlich im Jahr 1833 zu datieren. Vgl. Mendelssohn-Letters 1888, S. 70. 114 CM, S. 15. Die versalen und kursiven Hervorhebungen entsprechen den gedruckten Worten. Die Karte ist abgebildet in: Mendelssohn-Letters 1888, S. 79. 115 Das Lied trägt die Widmung: »Der hochgeehrten Frau Charlotte Moscheles; / schwacher Ausdruck innigster Verehrung, / von Giacomo Meyerbeer.« CM, S. 57. 116 IM f.31r (S. 27). Das Billet vom Juli 1827 begleitete die Rückgabe von Strümpfen und Stiefeln, die Heine nachdem er eingeregnet war, bei den Moscheles’ geliehen hatte. Der Brieftext ist wiedergegeben in: Moscheles 1872, S. 182. 117 CM, S. 67; vgl. auch Moscheles 1872, S. 180. Die Verse (»Daß ich bequem verbluten kann …«) wurden unter der Überschrift »Anno 1829« (Romanzen) erstmals im Jahr 1840 publiziert (Heine

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Wie durch das Inhaltsverzeichnis zu belegen ist, enthielt Charlotte Moscheles’ Album zu einem früheren Zeitpunkt neben weiteren Zeichnungen auch ein Liszt-Autograph, eine nicht näher zu identifizierende Zeichnung Chopins (»Chopins Zeichnung«), außerdem eine Haarlocke Goethes (»Göthe’s Haar«), die von Felix Moscheles 1899 entnommen und eingerahmt wurde.118 Auffällig und charakteristisch für den privaten Gebrauch von Stammbüchern im 19. Jahrhundert zeigt sich hier, wie als besonders kostbar erachtete Objekte, dem Albumkontext entzogen, gewissermaßen eine davon losgelöste Existenz entwickelten. Die genannten sowie weitere Inhalte, wie die bereits thematisierten Autographe von Walter Scott, lassen die von stetigen Veränderungen geprägte Objektbiographie des Albums ebenso wie die Wandelbarkeit der Bedeutung der Dinge für die jeweiligen Eigner:innen plastisch hervortreten. Die Zusammensetzung von Charlottes Album unterlag in späteren Jahren massiven Eingriffen, im Zuge derer insbesondere die Beiträge mit hohem Marktwert aus dem Buch herausgelöst wurden. Der Sammlung ihres Mannes hingegen wurden, von der in der Biographie erwähnten »Autograph-Cadenz« Mozarts abgesehen (vgl. Kap. 3.2.1), nur zwei im Kontext des Albums eher unbedeutende Beiträge nachträglich entnommen.119 Sein Album blieb also weitgehend intakt und gelangte nach dem Tod der direkten Erben relativ zügig in erfahrene ›Sammlerhände‹ (vgl. Kap. 3.1.1), während Charlotte Moscheles’ Musik-Stammbuch, das sich fast durchgängig in Familienbesitz befand, nur bedingt eine Musealisierung erfuhr. Ihre Sammlung, die tief in familiären und geselligen Kontexten verwurzelt ist, blieb somit in der Musikforschung weitgehend unbekannt und wurde zugleich infolge der genderspezifischen Bewertung in ihrer Gesamtheit nicht als relevante Quelle der Musikgeschichtsschreibung aufgefasst. 3.3.2 Existierte ein weiteres Stammbuch? Wie bereits angesprochen wurde, konnte das Sammelbuch von Charlotte Moscheles in Anbetracht seiner Größe und seines Gewichts nicht umstandslos mitgenommen werden und verblieb vermutlich überwiegend ›zu Hause‹ in London, 1840, S. 134f.); vgl. auch die Fassung mit einer zusätzlichen vierten Strophe (DHA: Düsseldorfer Heine Ausgabe, Bd. 2, S. 79f., Link siehe Literaturverzeichnis). 118 Vgl. CM, Inhaltsverzeichnis. Folgt man den vorliegenden Bleistiftnotizen wurde die Zeichnung Chopins ebenfalls eingerahmt, das Liszt-Autograph wurde ausgeschnitten und verschenkt. 119 Es handelt sich dabei um eine »Blumen Zeichnung« von einer Person namens »Andrew« und um einen ebenfalls nicht genauer zu identifizierenden Beitrag von Felix Moscheles. Vgl. IM f.1r (Inhaltsverzeichnis).

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später in Leipzig.120 Anhand der knapp 30 Einträge, die direkt auf den Albumseiten erfolgten, ist jedoch nachzuvollziehen, dass das Album Charlotte Moscheles im Sinne eines Stammbuchs auf mehreren Reisen nach Paris begleitet hatte. Im November 1839 entstanden dort neben dem Lied von Meyerbeer, Einträge von Johann Baptist Cramer, Sigismund Neukomm, Louis Aimé-Martin und wahrscheinlich auch die Heine-Verse.121 Auch der im Album ausgeführte Beitrag von Daniel-François-Esprit Auber, eine Zeichnung von Emily Moscheles, die die Rue Castiglione in Paris zeigt (siehe Tafel 26), und die von Stephen Heller gestaltete Seite lassen auf Frankreich-Aufenthalte samt Album im Herbst 1843 und 1845 schließen (vgl. Kap. 3.7.2).122 Aufgrund der unhandlichen Größe des Albums ist es dennoch wahrscheinlich, dass Charlotte Moscheles über ein zweites ›mobileres‹ Stammbuch verfügt haben könnte. Darauf verweist ein in der Biographie zitierter Brief der Tochter Emily, der im Herbst 1844 auf Reisen entstand. Diese berichtet, dass Felix Mendelssohn Bartholdy, auf den die Familie in Frankfurt traf, von einer spontanen Abänderung in Moscheles’ As-Dur-Etüde während eines Konzerts im Mühlens­ ’schen Saal derart überrascht wurde, dass er ausgerufen haben soll: »das ist ein prächtiger Effect, der darf nicht vergessen werden, ich will ihn in Madame Moscheles ihr Album schreiben«.123 Doch wird jene Zeichnung einer beladenen Droschke, der Mendelssohn den entsprechenden Notensatz beifügte,124 im sorgfältig geführten Inhaltsverzeichnis des hier besprochenen ›großen‹ Albums nicht erwähnt. Gleiches gilt für eine 2013 zum Verkauf gebotene Aquarellzeichnung Mendelssohns von Montreux, die ebenfalls aus einem Album von Charlotte Moscheles stammen soll.125 In Hinblick auf die im Inhaltsverzeichnis systematisch wirkende Erfassung anderer Mendelssohn-Beiträge (vgl. Kap. 3.6) liegt es

120 Die Familie siedelte im Jahr 1847 von London nach Leipzig über, damit Ignaz Moscheles am dortigen Konservatorium lehren konnte. 121 Vgl. CM, S. 57, S. 50, S. 187, S. 60, S. 67. 122 Vgl. CM, S. 83, S. 159, S. 95. 123 Moscheles 1873, S. 119. Mendelssohn hielt sich mit seiner Familie von Mitte Juli bis Ende September 1844 in Bad Soden bei Frankfurt auf. Vgl. Todd 2008, S. 524, S. 529. 124 Die in Frankfurt auf den 25. September 1844 datierte Zeichnung illustriert die turbulente Beschaffung von zusätzlichen Stühlen durch Felix Mendelssohn und Jacob Rosenhain für das Konzert von Moscheles. Vgl. auch Mendelssohn-Briefe 1888, S. 237; Wehner-Verzeichnis 2017, S. 278 (EZ 69); MWV: Wehner 2009, S. 517. Am 11. Juli 1842 hatte Mendelssohn in London bereits im oberen Bereich der Seite einen Kanon notiert (»Zu freundlicher Erinnerung beim Durchblättern dieser Blätter«); auf der Rückseite befindet sich außerdem eine Widmung von Rosenhain vom 27. September 1844, so dass das Stammbuchblatt insgesamt drei Beiträge umfasst. Vgl. Erasmushaus 1986, S. 93–95 (Nr. 300); zum Kanon vgl. MWV: Wehner 2009, S. 398 (Y8). 125 Vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 244 (AQ 36).

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somit nahe, von der Existenz eines zweiten Albums auszugehen, in dem die genannten Beiträge enthalten waren. Diese Annahme untermauern schließlich die Angaben aus dem StargardtAuktionskatalog vom Mai 1960, der zahlreiche Albumblätter erfasst, die dem großen Album nicht zugeordnet werden können. Zum einen erscheint darin ein Konvolut von 33 »Stammbuchblätter[n] aus dem Album von Charlotte Moscheles, geb. Embden«, das wie folgt beschrieben ist: Die meisten Eintragungen (27) stammen von Komponisten und Virtuosen, die fast ausnahmslos mit musikalischen Albumblättern vertreten sind. Darunter befinden sich Désirée Artôt, A. Dreyschock, F. Gernsheim, Giulia Grisi, St. Heller, A. Jaell, L. Lablache, F. Lachner (doppelseitiges Manuskript), H. Litolff, Giuditta Pasta, G. B. Rubini, Wilhelmine Schroeder-Devrient, C. Sivori, S. Thalberg und Pauline Viardot.126

Zum anderen werden weitere Autographe einzeln angeboten, die mit dem Hinweis »Aus dem Album von Charlotte Moscheles« versehen sind,127 darunter auch das erwähnte Mendelssohn’sche Albumblatt mit der Droschkenzeichnung.128 Anhand der großen Anzahl der im Jahr 1960 veräußerten Albumblätter kann somit belegt werden, dass ein zweites Stammbuch neben dem bis heute in Familienbesitz befindlichen Album existiert haben muss. Der Moment der Versteigerung dokumentiert dabei eindrucksvoll das Ende der ›Lebensspanne‹ der Autographe im Albumverbund, deren Existenz als desintegrierte Einzelblätter zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen hatte. 3.3.3 Genderspezifische Beobachtungen und daraus resultierende ­Perspektiven In Charlottes Moscheles’ ›großem‹ Album befinden sich im Vergleich zu Ignaz’ Stammbuch zwar deutlich mehr Beiträge von Frauen, im Verhältnis jedoch, mit nicht einmal einem Fünftel der Gesamtheit, immer noch relativ wenige. Fast 126 Stargardt (548) 1960, S. 123 (Lot 512). 127 Zum Einzelverkauf gelistet wurden u. a. folgende Albumblätter: Michael Beer (Berlin, 4.2.1819), ebd., S. 6 (Lot 15); Franz Grillparzer (Wien, 14.12.1844), ebd., S. 36f. (Lots 146, 147); Max Bruch (Leipzig, 27.10.1868, mit Widmung an Charlotte Moscheles), ebd., S. 107 (Lot 454); Giacomo Meyerbeer (10.11.1845), ebd., S. 122 (Lot 505); Anton Rubinstein (Leipzig, 17.12.1854) und Julius Stockhausen (Leipzig, Februar 1859), ebd., S. 125 (Lot 530). Abgesehen von einer separat angebotenen Zeichnung Franz Graf von Poccis (vgl. Kap. 3.8.3) standen Aquarelle und Zeichnungen »aus dem Album von Charlotte Moscheles« (um 1840/50) gebündelt zum Verkauf. Ebd., S. 142 (Lot 599). 128 Ebd., S. 121 (Lot 500).

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ausschließlich handelt es sich bei diesen Beiträgen um Zeichnungen. Emily Moscheles etwa steuerte gleich mehrere Zeichnungen bei, auch eine von Serena gestaltete Zeichnung war ursprünglich im Album enthalten.129 Anders als Ignaz’ Album dokumentiert Charlottes Sammlung somit wenigstens zu einem Teil das kulturelle Handeln von Frauen und Kindern in nicht öffentlichen Kontexten. Öffentlich wirkende Frauen sind im Album in Gestalt von an Charlotte Moscheles oder an beide Eheleute adressierten Briefen der Sängerinnen Maria Malibran, Henriette Sontag und Pauline Viardot-Garcia vertreten (siehe Tafel 9).130 Dabei ist Henriette Sontag nicht nur mit zwei Briefen präsent, die ein freundschaftliches Verhältnis zur Familie nachvollziehen lassen. Das Album enthält weiterhin ein Andenken an die Sängerin in Form eines Trockenblumen-Sträußchens mit der Notiz in Charlotte Moscheles’ Handschrift: »H. S.  Februar 1852«.131 Charlotte Moscheles verbrachte ihre letzten Lebensjahre bei ihrer Tochter Serena Rosen in Detmold, wo sie am 13. Dezember 1889 verstarb. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie das Album dort weiter führte; die späteste Datierung auf einer Albumseite, die sich auf einige in London gesammelte getrocknete Blüten bezieht, erfolgte im Juni 1882.132 Nach dem Tod ihres Ehemanns im Jahr 1870 war Charlotte Moscheles zunächst aus Leipzig zurück in die britische Hauptstadt gezogen, wo sie weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnahm.133 Dies dokumentieren die in London entstandenen Einträge in ihrem Album aus den 1870er und 1880er Jahren. Mit Blick auf drei Musikbeiträge aus diesen Jahren ist die Bezugnahme auf den verstorbenen Ignaz Moscheles auffällig. Der Bariton George Henschel notierte die ersten Takte der Gesangsstimme aus Moscheles’ op. 116 (»Singe, wem Gesang gegeben«),134 zu denen er schrieb: »Der Gattin seines unvergesslichen / Lehrers, der mütterlichen Freundin«.135 Auf der nächsten Seite widmete der Komponist Ignaz Brüll Charlotte Moscheles einige eigene Takte, begleitet von den vier Initialtakten der Moscheles’schen Etüde op. 70 Nr. 12: »Der verehrten Gattin des Schöpfers / dieser Etude und so vieler anderer herrliche[r] / Stücke

129 Vgl. CM, Inhaltsverzeichnis. 130 CM, S. 37, S. 41, S. 47. 131 CM, S. 177. Im Inhaltsverzeichnis heißt es in Ignaz’ Handschrift präzisierend: »Henriette Sontag aus ihrem letzten Bouquet«. 132 CM, S. 192. 133 Charlotte Moscheles bezog in London ein Haus in der Sloane Street in der unmittelbaren Nähe ihrer Kinder Emily und Felix. Vgl. Kroll 2014, S. 154f. 134 Vgl. Moscheles-Verzeichnis 1966, S. 45. 135 CM, S. 151 (London, 23. April 1877).

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zu freundlichem Gedenken«.136 In ähnlicher Manier gestaltete auch Eugen d’Albert seinen Eintrag eines Klavierstücks: »Der Gattin des berühmten Künstlers / die mir immer so freundlich gewesen ist, / und in deren Hause ich so gern / gespielt habe, zum Abschiedsgruß«.137 Während Charlotte Moscheles in diesen Einträgen somit ausschließlich in der Rolle der gastgebenden Ehefrau und Witwe eines bedeutenden Künstlers wahrgenommen wird, zeichnet ein Beitrag des enger mit der Familie befreundeten Musikers Julius Benedict von 1840 ein anderes Bild.138 Am 27. November, an seinem 36. Geburtstag, komponierte Benedict, der auch auf zwei PorträtZeichnungen im Album präsent ist,139 für Charlotte Moscheles ein »Allegretto sentimentale, piuttosto Andantino, con una leggiera tinta di malinconia aber doch / sehr ironisch / a little through the nose« (siehe Tafel 13). Die Worte, die dem Ständchen unterlegt sind, stammen von dem Kritiker und Autor Henry F. Chorley:140 Myself on Mrs Moscheles I hereby do inflict, / The hopes that as a Critic She will not be too strict / She will not, She will not be too strict; / May all her days be happy days / By no misfortune tricked / And this upon his Birthday prays / her friend J. Benedict141

Charlotte Moscheles erscheint hier als maßgebliche Akteurin des musikkulturellen Handelns im Privaten. Aus dieser ›Innenperspektive‹ betrachtet, wird der Einfluss von Charlotte Moscheles, die geradezu paradigmatisch die Rolle einer Musikergattin im 19. Jahrhundert erfüllte und als »Moscheles’ companion, […] copyist, nurse, friend and advisor on matters both professional and personal« wirkte,142 greifbarer (vgl. auch Kap. 3.6.1). Ihre aktive Beteiligung an der Karriere ihres Mannes, die sie insbesondere als Netzwerkerin im geselligen Umfeld und im Rückgriff auf ihre familialen Kontakte entfaltete, wird besser nachvoll136 CM, S. 153 (London, März 1881). 137 CM, S. 155 (ohne Datierung). 138 Julius Benedict ebenso wie Sigismund Thalberg galten der Moscheles-Biographie zufolge als »Hausfreunde«. Moscheles 1873, S. 19. 139 CM, S. 29, S. 85; vgl. auch CM, Inhaltsverzeichnis. 140 Vgl. CM, Inhaltsverzeichnis: »Benedicts musikalischer Scherz an seinem Geburtstage / Worte v. Chorley« (in Ignaz Moscheles’ Handschrift). Chorley wird in der Biographie als »Hausfreund« bezeichnet sowie als »vieljährige[r] hochgeachtete[r] und stets dienstfertige[r], ja unentbehrliche[r] Anhänger der Familie«. Moscheles 1872, S. 245. 141 CM, S. 93. Um den komischen Charakter zusätzlich zu unterstreichen, ist das Stück mit extremer Dynamik und übertrieben vielen, teils absurden Spielanweisungen in mehreren Sprachen ausgestattet, wie beispielsweise »più dolce ma non troppo«, »Piangendo«, »staccatissimo«, »with very good grace«, »les 3 Pedales ensemble«, »un poco misterioso«, »con slancio«, »con moltissima risoluzione«. 142 Kroll 2014, S. 148.

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ziehbar.143 Dabei stellen die in ihrem Album gesammelten Erinnerungen vor dem Hintergrund der Einbeziehung aller Familienmitglieder einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis des geselligen Miteinanders im Hause Moscheles dar, das durch sie, ebenso wie durch ihre Kinder, maßgeblich geprägt war. Dieser erweiterte Blick auf das musikkulturelle Handeln im Familienumfeld führt dazu, auch das von diesen Kontexten unmittelbar abhängige Wirken des in der Öffentlichkeit präsenten Musikers Ignaz Moscheles umfassender zu begreifen und so letztlich eine genderoffenere Musikgeschichte zu schreiben. 3.4 Schwestern im Vergleich. Die Stammbücher von Emily und Serena ­Moscheles (1843–82 und 1844–95) Durch ihre Eltern waren die Kinder der Familie Moscheles – Emily, Serena, Felix und Clara – von klein auf mit der Stammbuchsitte vertraut.144 Wie bereits deutlich wurde, waren sie, insbesondere mit Blick auf das Album ihrer Mutter (vgl. Kap. 3.3), früh in die Albumpraxis eingebunden und lieferten zum Teil auch eigene Beiträge. So überrascht es nicht, dass alle vier Kinder nach dem Vorbild ihrer Eltern dann auch selbst Alben führten. Im Folgenden sollen nun die beiden erhaltenen Stammbücher von Emily und Serena Moscheles, die sich auch optisch im ersten Eindruck als Schwester-Alben präsentieren, im Vergleich diskutiert werden. Folgt man den chronologisch frühesten, auf den Albumseiten ausgeführten Einträgen, begannen beide Schwestern ihre Stammbücher etwa um dieselbe Zeit, im Abstand von einem halben Jahr, zu führen. Es ist somit anzunehmen, dass sie die Alben zeitgleich oder nur kurz nacheinander geschenkt bekamen, worauf auch der ähnlich gestaltete Einband und das in der Größe übereinstimmende Querformat verweisen (siehe Tafel 1). Beide Stammbücher sind in schwarzes Leder gebunden, mit den Initialen der Albumeignerinnen versehen und mit ähnlichen Goldprägungen dekoriert. In Emilys Album liefert ein kleiner Aufkleber einen Hinweis auf den mutmaßlichen Erwerb bei einem Pariser Papeterie-Händler: »laroche F.res, Rue de Provence 30«.145 143 Mit der Paarbeziehung von Charlotte und Ignaz Moscheles, in Hinblick auf Charlotte Moscheles’ Teilhabe an der Berufswelt ihres Mannes vor dem Hintergrund ihres einflussreichen familialen Netzwerkes, habe ich mich umfassend beschäftigt in einem Vortrag im Rahmen des Interdisziplinären Symposiums »Paare in Kunst und Wissenschaft« an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (4.–6. Oktober 2018); eine Drucklegung ist geplant. 144 Der Erstgeborene der Familie, Adolph Moscheles (geb. 1826), verstarb als Kleinkind im März 1829. Kroll 2014, S. 72. 145 Emily Moscheles’ Album wurde im August 2015 in meinem Auftrag digitalisiert und ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis).

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Schwestern im Vergleich

Serenas Album weist gerade mit Blick auf den Ledereinband ausgeprägtere Gebrauchsspuren auf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es zum einen bis ins Jahr 2000 in der Funktion eines zu rezipierenden Erinnerungsobjekts in Familienbesitz verblieb (vgl. Kap. 3.1.1), während Emilys Album im Rahmen eines früher einsetzenden Musealisierungsprozesses vorteilhafter verwahrt und konserviert wurde. Zum anderen stehen die stärkeren Gebrauchsspuren in Zusammenhang mit einer intensiveren Nutzung in der skripturalen Phase, die nicht zuletzt von der deutlich größeren Anzahl der Einträge in Serenas Stammbuch, im Vergleich zu Emilys Album, abzuleiten ist. Die Alben im direkten Vergleich:146

Album Emily Moscheles (20,5 cm × 27 cm, ca. 2 cm dick) 31 Beiträge (15 X)

1843–82 (39 J.)

20 Z, 7 N, 3 T, 1 D

55 Beiträge (22 X)

1844–95 (51 J.)

32 N, 12 T, 9 Z, 2 B

Album Serena Moscheles (20,5 cm × 27 cm, ca. 2 cm dick)

3.4.1 Die Stammbuchpraxis der nächsten Generation. Joseph Joachim und die Milanollo-Schwestern Die Moscheles-Schwestern waren im Teenager-Alter, als sie mit dem Führen ihrer eigenen Alben begannen. Als der erste Eintrag in ihrem Stammbuch am 6.  Oktober 1843 in Paris geschrieben wurde, war Emily 16 Jahre alt.147 Ihre jüngere Schwester Serena war 14 Jahre alt, als sich am 30. Mai 1844, am Geburtstag ihres Vaters,148 Joseph Joachim auf der ersten Seite ihres Stammbuchs verewigte. Der Eintrag entstand im Rahmen des ersten Besuchs des zu diesem Zeitpunkt zwölfjährigen Geigers in London, der am 27. Mai 1844 bei der Philharmonic Society unter Felix Mendelssohns Leitung sein Debut gab.149 Mit 146 Insgesamt wurden 29 Seiten in Emily Moscheles’ Album und 48 Seiten in Serenas Album gestaltet (die darin eingefügten mehrseitigen Notenblätter sind dabei einfach gezählt). Zur Aufschlüsselung der Abkürzungen vgl. Kap. 3.1.3. 147 Dieser Eintrag wurde von dem mit Ignaz Moscheles aus seiner Wiener Zeit gut bekannten Münzsammler Isidor Löwenstern (1810–1858/59) erstellt und ist auf der letzten Albumseite platziert: »Andenken eines Freundes der / das neugeborene Kind begrüßte / und das liebe Mädchen der / vollkommenen Mutter ähnlich / aufblühen sieht«. EM f.50r. 148 Am 30. Mai 1844 entstand auch der zweite Mendelssohn-Geburtstagsbogen (vgl. Kap. 3.6). 149 Vgl. Borchard 2005, S. 86–88. Anlässlich des Erfolgs seines Londoner Debuts entstand eine einschlägige Zeichnung für Joseph Joachims Stammbuch, dessen derzeitiger Standort bisher nicht recherchiert werden konnte. John C. Horsley zeichnete den jungen Geiger, auf dem Erdball stehend, von Publikum aus allen Kontinenten umjubelt. Ebd., S. 59f.

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Mendelssohns Empfehlung war er selbstverständlich im Hause der Familie Moscheles umstandslos willkommen geheißen worden. In der Folge wurde »eine kleine Musik« im häuslichen Rahmen veranstaltet, wobei Mendelssohns dMoll-Trio mit Emily Moscheles am Klavier aufgeführt wurde.150 In diesem geselligen Kontext dokumentiert Joseph Joachims Eintrag (siehe Tafel 14) einen vertrauten und zugleich spielerischen Umgang unter den etwa gleichaltrigen Jugendlichen, bei dem Musik als Kommunikationsmedium eine zentrale Funktion zukam. Der Geiger schrieb für Serena eine »Cadenz in der Stube gespielt / Contrapunct der auf der Gasse soeben gesungen wird«, die in ihrer Spontaneität, offenbar als Reaktion auf eine zufällig auf der Straße, vor dem Haus der Moscheles’ am Chester Place 3, erklingende Melodie nicht aussagekräftiger sein könnte.151 Die Albumseite gewinnt zusätzlich durch eine über dem Eintrag von 1844 eingefügte Renovatio: Im Abstand von 27 Jahren schrieb Joachim eine weitere »Cadenz« ein, die als Incipit von Beethovens Violinkonzert zu identifizieren ist, und mit Blick auf den Widmungstext kontextualisiert wird: »Beethoven-Fest 1871 / Bonn, beim Rauschen des Rheins in Kyllmanns Haus / Amalie / Joseph Joachim«.152 Überraschenderweise findet sich im Stammbuch von Emily Moscheles kein Beitrag von Joseph Joachim. Im Album von Ignaz Moscheles hingegen sind die Namen von Joseph und Amalie Joachim mit einem gemeinsamen Eintrag vom Januar 1865 vertreten, wobei der Albumeigner sicher nicht zufällig 1844 auf den Eintrag eines Zwölfjährigen verzichtet und erst zu einem späteren Zeitpunkt die Autographe der in der Musikwelt etablierten Eheleute gesammelt hatte. Während Amalie Joachim, als dem Lied verpflichtete Sängerin,153 für ihren Eintrag im unteren Bereich der Seite das Incipit von Schuberts Lindenbaum wählte, notierte Joseph Joachim 14 Takte einer eigenen Komposition: »Auf der g Saite«, »Dem verehrten Meister Moscheles / zur Erinnerung an das 15te Gewandhaus/ Concert im Winter 64–65, und an / seinen alten Schutzbefohlenen / Joseph Joachim«.154 Es handelt sich um den Beginn des Andante seines Violinkonzerts Nr. 3 G-Dur, das im Juni 1864 in London uraufgeführt worden war, jedoch erst 1889 als Notendruck publiziert wurde.

150 Moscheles 1873, S. 110. 151 Die Widmung mit gezeichnetem Kopfporträt lautet: »Zum Andenken an Joseph Joachim / 3 Chester Place / Regents Park / am 3ßigsten Mai 1844«. SM, S. 1r. 152 SM, S. 1r. Bei »Kyllmanns« handelt es sich um den in Bonn ansässigen Gutsbesitzer, Politiker und Musikmäzen Gottlieb Kyllmann und dessen Frau, in deren Haus Joseph Joachim regelmäßig verkehrte. 153 Zu Amalie Joachims Rolle als Konzertsängerin vgl. Borchard 2005, S. 63–65, S. 322–326. 154 IM f.110r (S. 153). Der Eintrag ist auf den 10. Januar 1865 datiert.

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Auch der Eintrag auf der ersten Seite des Albums von Emily Moscheles, wohl versehentlich auf dem Verso-Blatt des Vorsatzpapiers ausgeführt, wurde von Instrumentalistinnen in jugendlichem Alter, sogenannten ›Wunderkindern‹, gestaltet.155 Er stammt von den Schwestern Teresa und Maria Milanollo, die als Violinvirtuosinnen in ganz Europa Erfolge feierten. Die 17-jährige Teresa und die fünf Jahre jüngere Maria hielten sich im Sommer 1845 anlässlich eines Konzerts in London auf und kamen in diesem Zuge auch in Kontakt mit den Moscheles’.156 Am 4. Juni schrieben sich beide ins Album ein, wobei Teresa Milanollo die Solmisationssilben in ihrem Namen (re, mi und la) in Notenschrift darstellte. Ähnlich kreativ ist auch das eingeklebte Albumblatt des kindlichen Pianisten und Moscheles-Schülers Alfred Jaëll gestaltet. Es zeigt den mit Bleistift gezeichneten Umriss der linken Hand des Zwölfjährigen.157 Die angeführten Beispiele verdeutlichen, dass die Stammbuchpraxis genauso wie die im Hause Moscheles vorgelebte Geselligkeitskultur an die nächste Generation weitergegeben wurden. Alle Moscheles-Kinder erhielten durch ihre Eltern eine profunde musikalische und künstlerische Ausbildung. Emily war besonders musikalisch begabt, Serena eine talentierte Malerin.158 Durch ihr gastfreundliches Elternhaus, das Charlotte Moscheles selbst in Hinblick auf den regen musikalischen und kulturellen Austausch als »Künstler-Kaleidoskop« bezeichnete,159 verkehrten die Schwestern mit den künstlerischen und musikalischen Eliten ihrer Zeit. Beide führten diese Tradition weiter und pflegten, nachdem sie ihre eigenen Familien gegründet hatten, einen vergleichbaren geselligen Umgang, bei dem Musik eine wichtige Rolle spielte. Ihre Freundschaften und gesellschaftlichen Kontakte hielten sie, nach dem Vorbild ihrer Eltern, in ihren Stammbüchern fest. 3.4.2 Emily Roche: Geselligkeiten in Cadogans Garden Generell ist festzustellen, dass beide Moscheles-Schwestern ihre Stammbücher mit unterschiedlicher Intensität und mit zum Teil längeren Unterbrechungen über mehrere Jahrzehnte führten (vgl. Tab. 3 und Tab. 4). Ihre Stammbuchpraxis 155 EM f.IV (verso). 156 Zu den Schwestern Milanollo vgl. Drinker: Timmermann 2013; vgl. auch Lexikon MuGe 2010, S. 365f. 157 EM f.19r. »seine Hand nach der Natur / Wien am 11/12 44«. 158 Zeichenunterricht erhielt Serena Moscheles etwa von dem Aquarellmaler Carl Werner, der auch mit mehreren Bildern in den Moscheles-Alben präsent ist. Weiske 1998, S. 196. 159 »Da alle [Künstler] freundschaftlich bei uns ein- und ausgehen, so nenne ich unser Haus das Künstler-Kaleidoskop, das uns täglich neue Combinationen bringt […]«. Moscheles 1873, S. 28.

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blieb also über verschiedene Lebensabschnitte hinweg bestehen. Insbesondere markierte die Heirat einen massiven Einschnitt in das bisher an das Elternhaus gebundene Leben der Frauen – ein Einschnitt, der sich auch in den Stammbüchern widerspiegelt. Emily Moscheles heiratete an ihrem 19. Geburtstag, am 16. September 1846, in London ihren Französischlehrer Jean-Antoine (Antonin) Roche.160 Vom Kindesalter an waren ihre Talente umfassend gefördert worden. In Hinblick auf ihre vielseitigen Begabungen bezeichnete sie Ignaz Moscheles in einem Brief gar als »Universal Genie«.161 Emily Moscheles wurde von ihrem Vater als Pianistin ausgebildet und wandte sich als junges Mädchen auch dem Komponieren zu.162 Als 18-Jährige, im November 1845, spielte sie schließlich im Duo mit ihrem Vater, aber auch solistisch vor der französischen Königsfamilie in Saint-Cloud.163 Zeittypisch stellte Emily Roche, die Mutter von neun Kindern wurde, ihre musikalischen Aktivitäten nach ihrer Heirat zurück, musizierte aber weiterhin im privaten Rahmen. Nach dem Vorbild ihrer Eltern wurde ihr Haus in Cadogans Garden im Londoner Stadtteil Chelsea zur Anlaufstelle und zum Geselligkeitsort in Künstler- und Musikerkreisen.164 Bezogen auf ihr Stammbuch ist festzustellen, dass mehr als die Hälfte der datierten Einträge im Album aus der vorehelichen Zeit stammen, darunter die zwei enthaltenen Mendelssohn-Zeichnungen.165 Die mit Abstand meisten Einträge entstanden im Jahr 1844 (vgl. Tab. 3). Neben mehreren Zeichnungen (vgl. Kap. 3.8) zählt dazu beispielsweise ein »Allegro scherzoso molto serio, e melancholico« (»ein scherzhaftes Allegro, sehr ernst und melancholisch«) des italienischen Geigers Camillo Sivori, das die junge Pianistin sicher auch zum Klingen brachte.166 Nach der Heirat ruhte das Album über lange Zeiträume und wurde nur noch sporadisch ergänzt. Im Geselligkeitsumfeld der Familie Roche entstanden etwa die karikierenden rasend schnellen Läufe des spanischen Geigers Pablo de Sarasate vom April 160 Emily Moscheles wurde am 16. September 1827 in London geboren und verstarb dort am 21. Januar 1889. 161 Zit. nach einem Brief in Privatbesitz; vgl. Kroll 2014, S. 153 (Brieftext in englischer Übersetzung). 162 Überliefert ist lediglich eine Mazurka, die die damals Zwölfjährige nach einer Begegnung mit Chopin komponiert haben soll. Die erste Notenblattseite der Mazurka vom 2. Oktober 1840 ist abgebildet in: Kroll 2014, S. 179. In der Korrespondenz mit Felix Mendelssohn berichtete Charlotte Moscheles darüber hinaus von einem Impromptu, das Emily für sie geschrieben hatte, und von einer »Satire auf ein ital. Concert«. MSB Bd. 8, S. 483. 163 Moscheles 1873, S. 146. 164 Vgl. Kroll 2014, S. 154f. 165 EM f.2r; EM f.31r. Hierzu Rost 2015; vgl. auch Kap. 3.6. 166 EM f.35r.

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1878 (siehe Tafel 15), die er als »allegro fantástico – aussi vite que possible afin que ce soit plustôt fini« so schnell wie möglich ausgeführt wissen wollte, um sie eher zu Ende zu bringen.167 Ein guter Bekannter und Freund von Emily Roche lieferte den chronologisch letzten Eintrag im Album vom 24.  August 1882: Charles Gounod schrieb für sie einen mit klagendem Text unterlegten Zirkelkanon in c-Moll (siehe Tafel 16): »Con tristezza e molta blagua !!!« (»Mit Traurigkeit und viel Quatsch !!!«).168 Aufschlussreich bezüglich der konkreten Gestaltung von Gesellschaften und Besuchen im Hause Roche ist schließlich der längere Texteintrag des deutschen Komponisten und Kirchenmusikers Emil Naumann vom Juli 1854: Unterzeichneter wird, wenn er sich wieder in London blicken / läßt, nicht sich zu präsentieren wagen, wenn er nicht ein großer / Whistspieler geworden ist, aber in der Hoffnung, daß er / hierfür durch Chopin-Spielen belohnt wird; denn es ist doch / schlimm, wenn ein ehrlicher Musiker von dem liebenswürdigen / Eigensinn der Dame vom Hause, die eine geborene Mo- / scheles ist und Chopin und vieles Andere aus dem ff / spielt, das einemal, statt mit Tönen, mit Gartenvergnügen / u. obligatem Regen, das zweitemal mit einer Partie / Whist abgespeist wird, in der er die Rolle des / Strohmannes zu übernehmen hatte. Ich appellire / an alle Musikanten u. alle werden mir beistimmen. / Auf ein wenig Musik beim nächsten Wiedersehn / hofft Ihr Ihnen ergebener / Emil Naumann. / London, d. 2 Juli 1854.169

Der Stammbucheintrag gibt indirekt über die zentrale Rolle des gemeinsamen Musizierens im Privaten, sowohl im Haus der Familie Roche als auch generell in Musikerkreisen, Auskunft. Die Musikausübung, der zugleich eine starke identitätsstiftende Funktion zukam, stand in diesem Geselligkeitskonzept mehr oder weder vorrangig neben weiteren Unterhaltungsaktivitäten, wie im vorliegenden Fall dem Whist-Spiel und nicht genauer zu bestimmendem »Gartenvergnügen«. 3.4.3 Serena Rosen: Aus dem Orient nach Detmold Während Emily Moscheles zeitlebens in London blieb, begann für Serena Moscheles nach ihrer Hochzeit mit dem Diplomaten Georg Rosen (1820–1891), 167 EM f.5r. Auf konkrete Umstände, die Emily Roche bekannt gewesen sein müssen, verweist Sarasates Notiz »Je n’ai plus mal à la tête !!! / P. de Sarasate / London 9 avril 1878«. (»Ich habe keine Kopfschmerzen mehr !!!«). 168 EM f.30r. 169 EM f.14r. Der Text verweist auf Emily Roches große Begeisterung für die Musik von Frédéric Chopin (vgl. Kap. 3.6.3); Unterrichtsstunden bei ihm sind für das Jahr 1848 überliefert. Eigeldinger 2006, S. 227f.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

am 1. März 1854 in Leipzig, ein Leben, das sie an der Seite ihres Mannes zunächst weitab von Europa führte.170 Nach der Hochzeit zog das Paar nach Jerusalem, wo Georg Rosen das Amt des »Consul[s] für Preussen und die Hansestädte« bekleidete.171 Als Diplomatengattin lebte Serena Rosen mit ihrer Familie mehr als 20 Jahre im Ausland. Nach acht Jahren in Belgrad (ab 1867) zogen die Rosens 1875 nach Detmold, in die Heimatstadt Georg Rosens, wo die Familie Kontakte zu Musikern wie Carl Bargheer, Max Bruch oder Carl Reinecke pflegte. Nach dem Tod ihres Mannes zog Serena Rosen schließlich mit ihrer Tochter Jelka nach Paris, die dort eine professionelle Ausbildung zur Künstlerin absolvierte. Jelka Rosen (1868–1935) wurde, ähnlich ihrer Großmutter Charlotte Moscheles, vor allem als aufopferungsvolle Ehefrau des britischen Komponisten Frederick Delius bekannt, die aktiv in dessen Musikschaffen eingebunden war: »[…] she learnt early in her own life, consciously or unconsciously, the central maxim of her grandmother’s life: help above all to provide the conditions in which a creative genius may work undisturbed.«172 Die weitgestreuten Stationen des Lebens von Serena Rosen (geb. Moscheles) spiegeln sich nur bedingt in ihrem Stammbuch wider. Ähnlich wie bei ihrer Schwester entstand ungefähr die Hälfte der datierten Albumblätter während ihrer ›Mädchenzeit‹ in London und Leipzig. Darunter sind beispielsweise ein Kanon in schwäbischer Mundart des Familienfreundes Sigismund Neukomm (1850), einige Klaviertakte von Serenas Patenonkel Ferdinand David (1848) und eine Vokalkadenz von Henriette Sontag (1852).173 Während der Jahre im Ausland ruhte das Stammbuch dann mit wenigen Ausnahmen. Erst nach der Rückkehr nach Deutschland sammelte Serena wieder verstärkt Einträge in ihrem Album, die zu einem großen Teil in Detmold entstanden. Der chronologisch letzte Eintrag vom 17. März 1895 stellt zugleich den einzigen, nach dem Umzug von Serena Rosen, in Paris entstandenen Eintrag im Album dar: Der Pianist Henri Falcke schrieb sich mit einem Bach-Zitat ein.174 Die Stammbuchpraxis, als europäisches Phänomen, zeigt sich im vorliegenden Fall als weitgehend auf den westlichen Kulturraum beschränkt. So entstanden die wenigen Einträge, die während ihrer Auslandsjahre datieren, bezeichnenderweise bei Besuchen in Deutschland, wo Serena Rosen, anders als in Jerusalem oder Belgrad, an eine etablierte Stammbuchpraxis anknüpfen konnte. Zu Besuch bei ihren Eltern in Leipzig bat sie beispielsweise 1857 den Pianisten 170 Serena Moscheles wurde am 30. März 1830 in London geboren und verstarb in Paris am 11. Juni 1902. 171 Moscheles 1873, S. 249. 172 Weiske 1998, S. 195. 173 SM, S. 6r, S. 10r, S. 9r. 174 SM, S. 49r.

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Alexander Dreyschock um einen Eintrag,175 vom Sommer 1871 datieren ein Albumblatt mit einem längeren Gedicht von Ferdinand Hiller in Köln und zwei Einträge in Bonn:176 Neben der Renovatio von Joseph Joachim entstand dort ein Beitrag des Komponisten und Brahms-Freundes Julius Grimm, der fünf Takte für Streichtrio notierte.177 Einzig auf einen orientalischen Entstehungshintergrund verweist eine vom Mai 1859 datierte Zeichnung des Malers Carl Haag, der mehrere Studienreisen, u. a. nach Palästina und Ägypten, unternahm und Serena Rosen möglicherweise in Jerusalem kennengelernt hatte. Dargestellt ist eine Szene, die im Hintergrund ein marschierendes Heer erkennen lässt, das von einem korpulenten Befehlshaber in Pluderhosen, mit Fez und Krummsäbel, und einem Begleiter von einem Podest aus, das mit einer arabischer Inschrift versehen ist, überwacht wird (siehe Tafel 17).178 Ein lose eingefügtes, von Georg Rosen beschriebenes Blatt im hinteren Teil des Albums mit einem Spruch aus Hafiz’ Ghaselen weist ebenfalls arabische Schriftzeichen auf. Es datiert jedoch vom November 1853 in Leipzig, noch vor der Hochzeit. Sicher nicht zufällig erscheint die Positionierung des losen Blatts vor der Albumseite, die der Ägyptologe Ernest A. Wallis Budge im Juni 1885 mit Keilschrift und Hieroglyphen gestaltete.179 Während Emily Moscheles’ Album überwiegend Zeichnungen und nur sieben Notenbeiträge enthält, dominieren in Serenas Stammbuch deutlich die Musikeinträge (vgl. Tab. 4). Dies ist mit Blick auf die Ausrichtung der jeweiligen Talente und Interessen der Albumeignerinnen auffällig, würde man doch eher eine gegenteilige Verteilung erwarten. Doch ist zu bedenken, dass auch Serena Moscheles eine profunde Musik- und Klavierausbildung erfahren hatte, so dass der Musik in ihrem Leben und familiären Alltag eine mit ihrer Schwester vergleichbare Bedeutung zukam. Darauf verweist etwa der im Album eingeklebte Brief des Detmolder Hofmusikers Carl Bargheer vom Dezember 1875, in dem er eine nicht genauer zu spezifizierende Probe von Mozart- und Händel-Stücken im Haus der Rosens anfragt.180 Auch der 1888 in Detmold entstandene 175 SM, S. 23r. Weiterhin finden sich im Album Einträge von Alexander Dreyschocks Bruder, dem Geiger Raimund Dreyschock (Leipzig 1850), und von dessen Sohn Felix Dreyschock (Detmold 1887). SM, S. 12r. 176 SM, S. 42r. 177 SM, S. 1r, S. 26r. 178 SM, S. 24r. Der arabische Text lautet in der Übersetzung: »Said Pascha, Gouverneur von Ägypten / Am 28. Januar 1859 Herr [unleserlich]«. Gemeint ist Muhammad Said (1822–1863), der von 1854 an als Wali (Gouverneur) Ägypten und den Sudan regierte. 179 SM, S. 45r. Die englische Übersetzung von Keilschrift und Hieroglyphen wurde auf einem separaten Blatt ausgeführt, das am oberen Rand auf die Albumseite aufgeklebt wurde. 180 SM, S. 46r. »Hochverehrte gnädige Frau! / Ihnen und Ihrem Herrn Gemahl / für Ihr freundliches

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Eintrag des Geigers Robert Heckmann bezeugt musikalische Aktivitäten im häuslichen Rahmen (siehe Tafel 18). Unter das Incipit des Adagios aus Max Bruchs Violinkonzert op. 26 schrieb er: »Der verehrten Frau Serena Rosen in / dankbarer Gesinnung für reizende musikalische & / gesellschaftliche Stunden im Hause Rosen-Moscheles«.181 Die Platzierung von Heckmanns Eintrag, auf dem Verso der Albumseite mit dem im Juni 1882 entstandenen Eintrag von Max Bruch (vgl. Kap. 3.1.2), mit dem er als Freund und musikalischer Berater eng verbunden war, war sicher intendiert. Bei genauerer Betrachtung der Musikeinträge im Album fällt die in der Regel fragmentarische Kürze der meisten Musiknotate auf, die häufig nur wenige Takte umfassen. Neben den bereits genannten zählen dazu die in Leipzig entstandenen Einträge des Geigers Apollinaire de Kontski (1845) und des Cellisten Bernhard Hildebrand-Romberg (1852), die beide einige Takte für ihr jeweiliges Instrument notierten.182 Niels Wilhelm Gade trug sich 1853 mit den ersten acht Takten des Scherzos aus seiner Sinfonie Nr. 4 B-Dur, op. 20 in das Album ein (siehe Tafel 19).183 Als Beispiele aus späteren Jahren zu nennen sind einige Takte der Klavierballade op. 20 von Carl Reinecke (Detmold 1886) und der Beginn der Geigenstimme der Serenata andaluza op. 28 von Pablo de Sarasate (London 1883).184 Die Musiknotate, Incipits von eigenen Kompositionen oder Ausschnitte aus häufig interpretierten Werken, stehen dabei für die musikalische Identität des:der Eintragenden und sind als ›musikalische Signatur‹ zu verstehen. Die Kürze vieler Beiträge wird nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass das Album von Serena Moscheles ausschließlich Blankoseiten, also kein vorgefertigtes Notenpapier enthält, so dass Notenlinien bei Bedarf mit der Hand gezogen werden mussten. So sind die längeren Kompositionen im Album in der Regel auf separaten Notenblättern niedergeschrieben, wie etwa ein »Weihnachts-Lied« von Moritz Hauptmann oder einige Kompositionsskizzen mit Widmung von Edmund Singer und Henry Litolff.185 Weihnachtsge- / schenk herzlichsten Dank sagend, / hoffe ich, dass Sie mir bald Gelegen- / heit geben werden, Ihnen mündlich / danken zu können und bitte Sie / um gefällige Benachrichtigung, ob ich / vielleicht übermorgen Nachmittag / zu einer Probe der Mozart und Hän- / del’schen Stücke kommen darf ? / Hochachtungsvoll / C. Bargheer / Detm[old] 25 XII 75«. 181 SM, S. 43v. 182 SM, S. 11r, S. 8r. 183 SM, S. 25r. 184 SM, S. 29r, S. 44r. Auf der Seite mit dem Eintrag von Pablo de Sarasate ist links unten zu lesen: »Visto bueno / Otto Goldschmidt«. Es ist unklar, in welchem Kontext dieses Placet von Goldschmidt, der Sarasate nicht nur am Klavier, sondern auch organisatorisch begleitete, zu verstehen ist. 185 SM, S. 47r., S. 5. Edmund Singer schrieb dabei auf die Rückseite (S. 5v) eines bereits von Henry

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Ohne persönliche Widmung gestaltet ist ein Albumblatt mit der Alice-Polka op.  238 von Johann Strauß (Vater).186 Da das Autograph, ebenso wie ein in Emily Moscheles’ Stammbuch enthaltener Walzer in Es-Dur, in London auf den 4.  Juli 1849 datiert sowie auf dem gleichen Notenpapier mit geprägtem Zierrand notiert ist,187 dürfte es sich bei beiden Albumblättern um Geschenke bzw. Souvenirs handeln, die einen direkten Kontakt zu Strauß nicht unbedingt voraussetzen. Der auf einer Albumseite ausgeführte Eintrag für Ignaz Moscheles hingegen, ein »Tempo di Valse« (London, 28. April 1838), könnte bei einem Besuch des Wieners bei den Moscheles’, in jedem Fall aus einem persönlichen Kontakt heraus, entstanden sein.188 Mit Blick auf die Widmungstexte in Serena Moscheles’ Stammbuch, die zeittypisch auch mit dem Titel ihres Mannes als »Frau General-Consul« angesprochen wird,189 ist auffällig, dass Serena Rosen in Eintragstexten immer wieder in Bezug zu ihrem berühmten Vater gesetzt wird. Ähnliches ist im Stammbuch von Emily Moscheles nicht zu beobachten. So eignete der Geiger Tivadar Nachéz »Der geistvollen Tochter des unsterblichen Meister[s]« seinen Eintrag von 1887 zu.190 Ähnliche Worte fand die Pianistin Emma von Staudach bereits 1852: »Der liebenswürdigen Tochter des großen Tonmeisters«.191 Der MoschelesSchüler Henry Litolff bezeichnete sein Albumblatt für Serena als »Souvenir d’amitié d’un Eleve Reconnaissant de votre bien aimé Papa« und adressierte mit seinem Freundschaftszeichen offenbar eher den Vater als die Tochter.192 In einem längeren Gedicht thematisierte Ferdinand Hiller schließlich im Zuge der Ehrerweisung gegenüber dem zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Ignaz auch Charlotte Moscheles’ Wirken, wobei Serena wiederum lediglich als ›Tochter von‹ erscheint: Dein Vater war mir Freund und Lehrer, / Des allerbesten Raths Bescheerer, / Dem Knaben schenkt er Unterweisung / Auch einst’gen Künstlerglücks Verheißung. / Und war auch Alles nicht gekommen / Wie er es ahnend einst vernommen, / Ihn freute was dem Mann gelungen, / E[r] sah es gern wie er gerungen. / Zu solchem freundlichen Verkehre, / Zu traulichen Empfanges Ehre, / Kam deine Mutter, hold, behende, / Mit anmuthsvoller Frauenspende. / Nicht lohnen konnt’ ich solch Gebahren, / Im Herzen nur den Dank Litolff (S. 5r) beschriebenen Blatts, das so in ein ausgeschnittenes Fenster in die Albumseite eingefügt wurde, dass beide Seiten gut zu lesen sind. 186 SM, S. 4r. 187 EM f.17r. 188 IM f.144r (S. 205). Vgl. Moscheles 1873, S. 28. 189 Vgl. SM, S. 27r, S. 29r. 190 SM, S. 30r. 191 SM, S. 40r. 192 SM, S. 5r. »Freundschafts-Souvenir von einem dankbaren Schüler Ihres geliebten Papas«. (Ü.d.V.)

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bewahren – / Doch geb’ ich dir es gern zu lesen / Was deine Eltern mir gewesen. / Zur Erinnnerung an / Dr. Ferdinand Hiller / Köln, 23. July 1871193

3.4.4 Autographe des Vaters: Schlummerlieder und Musik »für den ­Jerusalemer Geschmack« Während sich in Emily Moscheles’ Album keine Beiträge des Vaters finden, beinhaltet Serenas Stammbuch gleich mehrere Autographe von Ignaz Moscheles, die abschließend im Fokus stehen sollen. Die zwei enthaltenen Fassungen eines unveröffentlichten Schlummerlieds nach einem Text von Julius Sturm fallen beim Durchblättern des Albums allein schon wegen des verwendeten Notenpapiers auf (siehe Tafel 20). Es handelt sich um zwei schmucklose, im Album direkt hintereinander eingefügte Doppelblätter gleicher Papiersorte, die mit jeweils drei zusammengehörigen Notenliniensystemen explizit für die Niederschrift von Liedern und Gesangsstücken mit Klavierbegleitung ausgelegt sind.194 Die erste undatierte Fassung des Liedes in F-Dur (2/4, Heiter bewegt) in A-B-A’B’-Form fällt gegenüber der zweistrophigen G-Dur-Fassung (6/8, In mäßiger Bewegung), die musikalisch und rhythmisch kreativer und weniger vorhersagbar gestaltet ist, etwas länger, dabei zugleich simpler aus. Beide Notentexte sind ganz offensichtlich zum Musizieren bestimmt und nicht in erster Linie als Stammbuchbeiträge intendiert. Im direkten Vergleich fordert die im März 1857 Serena und ihrem erstgeborenen Kind zugeeignete G-Dur-Fassung,195 die eine fließendere Melodie mit weniger Intervallsprüngen aufweist, der Gesangsstimme einen deutlich geringeren Ambitus ab.196 Darüber hinaus ist diese Version musikalisch insgesamt als die gelungenere Komposition zu bewerten, bei der es sich vermutlich um eine Weiterentwicklung und Individualisierung der F-Dur-Fassung handelt. Auf die Schlummerlieder folgt im Album, abgegrenzt durch zwei leere Seiten, ein weiteres Autograph von Ignaz Moscheles. Es handelt sich um einen Brief des Vaters an seine frisch vermählte Tochter in Jerusalem vom 20.  August 1854 193 SM, S. 42r. 194 SM, S. 15–16, S. 17–18. 195 SM, S. 17v. »An Serena und ihren Erstgebornen / an ihrem Geburtstage 30.te März 1857 / Von ihrem Vater. I. Moscheles«. Fritz Rosen war am 30. August 1856 zur Welt gekommen. Eine Aufnahme des Liedes entstand im Rahmen des aus dieser Arbeit hervorgegangenen CD-Projekts (vgl. Kap. 3.9.8). 196 In der F-Dur-Fassung muss die Stimme einen Ambitus von c’ bis f ’’, außerdem einige Oktavsprünge, bewältigen, während sich die G-Dur-Fassung im Rahmen einer Oktave (fis’ bis e’’) bewegt und bei Bedarf mit einer Spitzennote g’’ variiert werden kann.

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(siehe Tafel 21). Sicher auch anlässlich des durch den Brief begleiteten Beginns einer neuen Lebensphase, fern ihrer Familie, mag Serena dazu bewogen worden sein, den Brief in ihrem Stammbuch, von einem nicht genauer zu bestimmenden Zeitpunkt an, eingeklebt aufzubewahren. Der für Serena erinnerungswürdige Brief, der während einer Reise nach Süddeutschland geschrieben wurde, thematisiert fast ausschließlich musikbezogene Inhalte und lässt Rückschlüsse auf die Bedeutung von Musik in der Familie Moscheles zu. Der Text führt das musikkulturelle Handeln im Privaten unmittelbar vor Augen und zeigt, dass das Musizieren für Serena Rosen auch im fernen Jerusalem eine wichtige Rolle spielte. Egern bey Tegernsee / den 20ten August 1854 Als Fortsetzung meiner hier komponirten Lieder schicke ich dir liebe Serena zu den 2 vor 8 Tagen geschickten, die 2 andern. Nächstens schicke ich dir wieder ein Orgel Preludium, denn es freut mich dass du das Erste in der Kirche gespielt hast, nur schreibe mir ob ein solches Prel: zu kurz zu lang zu ernst oder zu süss für den Jerusalemer Geschmack ist. Ich werde gewiss bey passender Gelegenheit der Frau Consulin Rosen ein Werk dediziren. Ich bin neugierig ob es dir gelingen könnte eines meiner Lieder 4stimmig zu hören. Ich denke mir die Sopranen Stimmen müssen nebst der deinigen zu finden seyn – aber Tenor! Die Tenorstimmen sind in Europa selten, wie erst in Jerusalem?! Sollte vielleicht der Wächter eines Minarets oder einer der Pilger nach Mecca eine Tenorstimme mit sich führen? Denke dir in welcher Wüste an Männerstimmen wir uns hier befinden, dass nur der Apotheker aus Tegernsee außer seinen Drogen eine solche mit sich führt aber von seinem Geschäfte nicht abkommen kann, und nur ich meinen Bass hinauf schrauben muss um mit Felix Brummbass das Quartett vollstimmig zu machen. Frau Bodenstedt u. Clara singen 1sten Sopran [Auf ] Mu [Charlotte Moscheles] lastet der schwere 2te Sopran wenn ihr nicht Fräulein Stieler die gut musikalisch ist zu Hilfe kommt. Die Familie Stieler ist überhaupt enthusiastisch musikalisch, waren mit Mendelssohn sehr befreundet. Fräulein Stieler singt hübsche Lieder von Josephine Lang. Diese Jos. L. war auch mit Mendelssohn sehr befreundet. Ihr jetziger Mann Professor Kestling [Köstlin] der jetzt eben zur Kur hier ist und an Verlust der Stimme leidet, erzählte mir dass F. Mendelssohn auch der Pathe seines ältesten Kindes gewesen sey, welches mich wieder in gerührte Stimmung versetzte. […] - Nächsten Sontag hoffen wir Euch den letzten Brief aus Egern zu schreiben. Gott behüte Euch nach Wunsch Eures treuen Vaters I. M. / Felix [Moscheles] grüsst.197

Wie dem Brief zu entnehmen ist, schickte Ignaz Moscheles seiner Tochter wiederholt Orgel-Kompositionen und Lieder nach Jerusalem. In diesem Kontext muss auch ein in Serenas Album enthaltenes Moscheles’sches Präludium in F197 SM, S. 21r. Auf der Rückseite des Briefbogens finden sich Skizzen zweier Lied-Bearbeitungen (O Tannenbaum und Trinklied) von Ignaz Moscheles.

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Dur entstanden sein, bei dem es sich wohl um das im Brief erwähnte »Orgel Preludium« handeln dürfte.198 Insgesamt vermittelt der Brief den Eindruck, dass innerhalb der Familie über Musik mit dem berühmten Vater weitgehend auf Augenhöhe diskutiert wurde. Moscheles schrieb offenbar vierstimmige Liedsätze für den Hausgebrauch, die in geselliger Runde musiziert wurden. Ebenso ging er davon aus, dass seine Tochter um ein ähnliches Musizieren in Gesellschaft auch im fernen Morgenland bemüht war. Musik und Musizieren erscheinen also nicht nur als alltägliche Beschäftigung, sondern geradezu als Lebensinhalt und Lebensstil der musik- und kulturaffinen Kreise. 3.4.5 Fazit: Ein erweiterter Blick auf das musikkulturelle Handeln im 19. Jahrhundert Die Bedeutung von Frauen wie Emily und Serena Moscheles im Musikleben des 19. Jahrhunderts wird in der Musikgeschichtsschreibung immer noch unzureichend gewürdigt. Dabei spielt eine entscheidende Rolle, dass der weibliche Aktionsraum in der Regel auf das häuslich-private Umfeld beschränkt blieb und somit heute aufwändiger und zumeist nur lückenhaft rekonstruierbar ist.199 Emily und Serena Moscheles waren talentiert und zudem auf höchstem Niveau musikalisch ausgebildet worden. Ebenso wie Felix Moscheles erhielten sie nicht nur Klavierunterricht, sondern erwarben darüber hinaus fundiertes musiktheoretisches Wissen. Fortgeschrittene Fähigkeiten im Zeichnen sowie Kenntnisse mehrerer Sprachen wurden in ihrer Familie, die sich an den bürgerlichen Bildungsidealen des 19. Jahrhunderts orientierte,200 als selbstverständlich angesehen. Nach dem Vorbild ihres Elternhauses unterhielten beide Moscheles-Töchter auch nach ihrer Heirat enge Beziehungen zu einschlägigen Musiker- und Künstlerkreisen: Netzwerke, die sich auch in ihren Alben widerspiegeln. Stammbücher offenbaren sich hier als Quellen, die das Wirken von Ehefrauen und Töchtern in Geselligkeitskontexten sichtbar werden lassen: als Musikerinnen, Gastgeberinnen und aktiv Mitwirkende in verschiedenen Gesell198 SM, S. 31r. Auf der Rückseite des Notenblattes notierte Moscheles vom Juni 1854 datierte Harmonisierungen (Herr, erbarme dich / Hallelulah / Heilig, heilig), überschrieben mit: »Zum Gottesdienste in der protestantischen Kirche zu Jerusalem«. 199 Zum Umgang mit der Lückenhaftigkeit und ›Vorgeformtheit‹ von biographischen Quellen vgl. Borchard 2006. 200 Während das Bildungsprofil von Emily und Serena Moscheles wohl als prototypisch für Musikerund Künstlerkreise gelten kann, erscheint es doch gegenüber den durchschnittlichen Ausbildungsoptionen von Frauen in dieser Zeit als sehr exklusiv. Zur grundlegenden Ausrichtung der Erziehung und Rolle der bürgerlichen Frau im 19. Jahrhundert vgl. Frevert 1986, S. 63–80.

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schaften. Insbesondere der im Album verwahrte Brief von Ignaz Moscheles an seine Tochter Serena gewährt Einblick in den schwer zugänglichen Bereich der Hausmusik, zu der Ignaz Moscheles wie selbstverständlich eigene Kompositionen beisteuerte und an der die gesamte Familie beteiligt war. Dabei entsteht der Eindruck, als sei im Privaten, innerhalb der Familie Moscheles, ein weitgehend offener und in Grenzen ›gleichberechtigter‹ Austausch über Musik üblich gewesen. Neben dem Brief lassen viele weitere Stammbuchbeiträge das musikkulturelle Handeln im häuslichen Umfeld von Emily Roche und Serena Rosen in London, Detmold, aber auch in Jerusalem lebendig werden. Auf dieser Grundlage, insbesondere unter Berücksichtigung der Durchlässigkeit von privater und öffentlicher Musiksphäre, erfährt der Blick auf die Musikkultur des 19. Jahrhunderts in mehrerlei Hinsicht Bereicherung. 3.5 »Early recollections …«201 – Die verschollenen Alben von Felix und Clara Moscheles Während Emily und Serena Moscheles mit dem Führen ihrer eigenen Alben als Teenager begannen, hatte der einzige Sohn der Familie, der am 8. Februar 1833 in London geboren worden war, sein Stammbuch bereits im Säuglingsalter als Taufgeschenk von seinem Paten und Namensvorbild Felix Mendelssohn Bartholdy erhalten. Ebenso wie das Album der jüngsten Moscheles-Tochter Clara ist sein Stammbuch heute verschollen und wurde sehr wahrscheinlich vollständig aufgelöst, um die einzelnen Autographe besser veräußern zu können. Jedoch sind verschiedene Informationen über das Album bekannt und sollen hier zwecks einer ansatzweisen Rekonstruktion des Inhalts des materiell nicht mehr greifbaren Buches zusammengetragen werden. So ist mehrfach nachzulesen, dass Felix Mendelssohn das Stammbuch für sein Patenkind vor der Übergabe mit einem Wiegenlied und zwei Zeichnungen bestückt hatte.202 Folgt man den Berichten von Charlotte und Felix Moscheles, überreichte Mendelssohn das Geschenk im Rahmen einer Mitte Juni 1833 veranstalteten Tauffeier.203 In der von Felix Moscheles initiierten englischsprachi201 In seiner Autobiographie spricht Felix Moscheles verschiedentlich von »early recollections« (»frühesten Erinnerungen«). Der auch die Bedeutung des Sammelns in sich tragende Begriff wird hier in Anspielung auf die bereits im Kindesalter angenommene Stammbuchpraxis verwendet. Vgl. u. a. Moscheles 1899, S. 31. 202 Mendelssohn-Briefe 1888, S. 62; Moscheles 1872, S. 267; Moscheles 1899, S. 33f. 203 Dem Taufregister der Londoner St. Pancras Church zufolge fand die christliche Taufe bereits am 7. April 1833 statt (die Kopie des Eintrags wurde mir von Henry Roche freundlicherweise weitergeleitet). Die nachträglich begangene Tauffeier kann durch einen Brief von Sophy Horsley und

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gen Ausgabe der Briefe Mendelssohns an die Moscheles’ sind neben dem Faksimile des Wiegenlieds auch beide Zeichnungen abgebildet, die das räumliche Umfeld des neugeborenen Kindes thematisieren.204 Es handelt sich zum einen um eine Ansicht des Hauses der Familie Moscheles am Chester Place in London, die auch heute noch fast unverändert existiert, zum anderen um eine Szene im nahegelegenen Regent’s Park.205 Die Zeichnungen sowie das anlässlich der Taufe, auf einen Text von Carl Klingemann komponierte Wiegenlied (»Schlummre und träume …«) wurden dem Stammbuch im Zuge der Auflösung entnommen und befinden sich heute in der Sammlung der Berliner Staatsbibliothek.206 Hinweise auf den weiteren Inhalt des Albums von Felix Moscheles liefert der Katalog einer Sotheby’s-Auktion vom Dezember 1959, bei der das Stammbuch offenbar noch in intaktem Zustand versteigert wurde. Bemerkenswert ist, dass dem Katalog zufolge im Widmungstext des Albums der 15. August 1833 als Tag der Geschenkübergabe angegeben ist, so dass entweder ein Druck- oder Schreibfehler vorliegt oder das Album doch erst zwei Monate nach der Tauffeier im Juni verschenkt wurde.207 Auch enthielt das mit den Initialen »F.  M.« versehene schwarze Lederalbum bei der Versteigerung, neben dem Wiegenlied und den beiden Zeichnungen, noch zwei weitere Autographe von Mendelssohn: die Niederschrift einiger nicht genauer erläuterter Verse von 1840 und eine vermeintlich von Tieren verfasste amüsante Nachricht an Ignaz Moscheles aus den »Zoological Gardens« vom 9. August 1833.208 Von Sotheby’s beschrieben wurden weiterhin die Einträge von Frédéric Chopin (London 1848), Robert Schumann (Leipzig 1850), Gioachino Rossini (Passy durch Mendelssohns Notizbuch auf den 15. Juni datiert werden. Vgl. Gotch 1934, S. 18; MSB Bd. 3, S. 578. Dieses Datum wird auch von Larry Todd angegeben. Todd 2008, S. 319. 204 Mendelssohn-Letters 1888, S. 62f., S. 90f., S. 94. In der deutschsprachigen Ausgabe ist nur die erstgenannte Zeichnung enthalten. Vgl. Mendelssohn-Briefe 1888, S. 63. 205 Vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 269 (EZ 35 und 36). 206 Das Wiegenlied (D-B, N. Mus. ms. 571) wurde 1839 unter dem Titel Bei der Wiege als op. 47 Nr. 6 veröffentlicht. MWV: Wehner 2009, S. 156f. (K 77). Die Maße des Autographs (9,5 cm × 16 cm) entsprechen in etwa dem Format des Stammbuchs (10 cm × 16,4 cm). Vgl. Mendelssohn-Katalog 2003, S. 116; Sotheby’s 1959, S. 66. Für das Albumblatt, das ich im Original einsehen konnte, verwendete Mendelssohn einen von der Druckfassung leicht abweichenden, weniger verbrämten Liedtext. Vgl. Mendelssohn-Lieder 2009, S. 38f. 207 Sotheby’s 1959, S. 66. Das spätere Datum (15. August 1833) wurde auch übernommen in: MWV: Wehner 2009, S. 156f.; Wehner-Verzeichnis 2017, S. 269 (EZ 35). 208 Das Blatt mit der »Nachricht aus dem Zoo« ist abgebildet in: Mendelssohn-Letters 1888, S. 70f.; vgl. MSB Bd. 3, S. 248 (Nr. 771). Deren Text sowie die Verse, die von Friedrich Rückert stammen (hier korrekt datiert vom 2. Oktober 1840 in London), sind abgedruckt in: Stargardt (549) 1960, S. 116 (Lot 444).

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1860) und Hector Berlioz (Paris 1861).209 Lediglich Erwähnung finden Musikeinträge von Anton Rubinstein, Clara Schumann, Jenny Lind, Otto Goldschmidt und Hans von Bülow, außerdem Texteinträge von Abraham Mendelssohn Bartholdy, Gustave Courbet und Giuseppe Mazzini.210 Felix Moscheles hatte schließlich offenbar noch ein weiteres heute verschollenes Stammbuch besessen, das 1959 ebenfalls versteigert wurde. Den Katalogangaben zufolge war ihm dieses Album zu seinem 43. Geburtstag im Jahr 1876 von dem Schriftsteller George Henry Lewes geschenkt worden.211 Bereits im November 1960 wurden beide Stammbücher erneut versteigert, nun in Marburg von Stargardt. Der Auktionskatalog listet Albumblätter aus beiden Stammbüchern von Felix Moscheles als Einzelposten,212 so dass diese bereits aus dem Albumkontext herausgelöst vorlagen. Überraschenderweise wird das 1833 begonnene Stammbuch von Stargardt zudem als Loseblattsammlung beschrieben: »Albumblätter aus dem Stammbuch des Malers Felix Moscheles […] 77 Eintragungen auf 70 Blatt quer-8°, mit Goldschnitt. Lose in einem Lederband mit Goldpressung«.213 Ob die Auslösung der Blätter möglicherweise im Vorfeld der Versteigerung erfolgte oder ob das Stammbuch immer schon als Loseblattsammlung vorlag,214 ist heute nicht mehr genau festzumachen. Wie 209 Zum Eintrag von Hector Berlioz vgl. Moscheles 1899, S. 34; Mendelssohn-Letters 1888, S. xiii. 210 Zum Eintrag von Giuseppe Mazzini vgl. Moscheles 1899, S. 261. 211 Sotheby’s 1959, S. 67. Das Album enthielt u. a. Musikbeiträge von Edvard Grieg, Richard Strauss, Frederick Delius, Anton Rubinstein, Charles Gounod und Willem Mengelberg, zudem Einträge von Robert Browning, Hans Richter, Ellen Terry, William de Morgan, Joseph Joachim sowie eine Zeichnung von Joseph Israels. Zum Eintrag des britischen Schaupielers Henry Irving vgl. Moscheles 1899, S. 209. 212 Einzeln versteigert wurden beispielsweise das Albumblatt von Mazzini (Februar 1854) sowie aus dem zweiten Album Autographe von Browning (10.8.1884), Irving/Terry (20.10.1883) und die Zeichnung von Israels. Stargardt (549) 1960, S. 168 (Lot 688) sowie ebd., S. 7, S. 138, S. 144 (Lots 19, 543, 561). Das Wiegenlied und die beiden Zeichnungen Mendelssohns, ebenso wie weitere Albumblätter »aus dem Album des Malers Felix Moscheles« – u. a. von Frédéric Chopin (London, 27.7.1848), Anton Rubinstein (London, 5.7.1881), Robert und Clara Schumann (Leipzig, 29.6.1850) – wurden bereits im Mai 1960, in derselben Auktion wie die Stammbuchblätter Charlotte Moscheles’ (vgl. Kap. 3.3.2), veräußert. Stargardt (548) 1960, S. 117, S. 122 (Lots 496, 504) sowie ebd., S. 108, S. 125, S. 130 (Lots 460, 532, 548). 213 Stargardt (549) 1960, S. 115 (Lot 444). Namentlich gelistet werden insgesamt 38 Eintragungen, darunter 27 »musikalische Albumblätter«, u. a. von Ignaz Brüll (1881), Ferdinand David (1849), Heinrich Wilhelm Ernst, Stephen Heller (1861), Ferdinand Hiller (1855), Joseph Joachim (1848, 1895), Sigismund Thalberg (1838, 1839) und Pauline Viardot (1860). 214 Zu hinterfragen wäre, ob der von Sotheby’s 1959 beschriebene schwarze Lederband mit Initialen, der auch Mendelssohns Widmungsseite umfasste, mit dem von Stargardt angeführten Lederband identisch ist. Bei der Stargardt-Auktion vom Mai 1960 stand die Widmungsseite (»An Felix Stone Moscheles als Pathen-Geschenk von Felix Mendelssohn Bartholdy, London d. 15ten August 1833«)

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jedoch die Beschreibungen und Erwähnungen von Felix Moscheles’ Sammlung nachvollziehen lassen, wurde das Stammbuch – bis zu seiner wohl endgültigen Desintegrierung im Kontext des Autographenhandels – stets als ein Album wahrgenommen, das als ›Buch‹ konstituiert war. Über das 1833 initiierte Stammbuch schrieb Felix Moscheles etwa in seinen 1899 erschienenen Fragments of an Autobiography: »The book is full now; it required about half a century to cover its pages, for they contain only the autographs of such celebrities as were my personal friends.«215 Interessant ist hier die explizite Herausstellung der persönlichen Freundschaft zu berühmten Persönlichkeiten. Die für Stammbücher charakteristischen Sphären der persönlichen Erinnerung sowie der repräsentativen Sammlung berühmter Namen, die einander in der Regel gegenüberstehen, werden auf diese Weise zusammengeführt. Tatsächlich stand Felix Moscheles bereits als Kind nicht nur im engen Kontakt mit seinem Taufpaten Felix Mendelssohn Bartholdy,216 sondern auch mit weiteren Berühmtheiten des Musiklebens, wie beispielsweise Maria Malibran. Wie bereits geschildert, beschäftigte sich die Sängerin bei ihren Besuchen bei den Moscheles’ in London auch gern mit den Kindern der Familie (vgl. Kap. 3.1.2). Für Felix’ Album lieferte sie eine aus dem Schriftzug ihrer Unterschrift hervorgehende humorvolle Skizze einer Gans mit den Worten: »Nei giorni tuoi felici ricordati di Marie de Beriot«.217 Auch Wilhelm Hensel, Mendelssohns Schwager, erstellte eine Zeichnung für das Stammbuch, wobei er den jungen Albumeigner auf dessen Wunsch als Reiter in einem schwarzen Samthemd abbildete.218 Das Stammbuch begleitete Felix Moscheles nicht nur durch seine Kindheit und Jugend, er führte das Album, das wohl um die Mitte der 1880er Jahre vollständig gefüllt gewesen sein muss,219 auch als Erwachsener weiter. Als Maler selbst zu öffentlicher Bekanntheit gelangt, maß er seinem Stammbuch solche Bedeutung bei, dass er es auf einer Reise in die USA mit sich führte und herumzeigte, wie ein 1886 erschienener Artikel mit dem Titel »A Distinguished Artist. Felix Moscheles Touring America – His Collection of Autographs« veranschaulicht. Neben der Herausstellung des vertrauten Umgangs mit den berühmten Männern [sic!] seiner Zeit wird Felix Moscheles’ Album dabei bereits in den etwa bereits in einem anderen materiellen Kontext und wurde, zusammen mit den Zeichnungen von Chester Place und Regent’s Park, »mit eingerahmt« zum Verkauf geboten. Stargardt (548) 1960, S. 122 (Lot 504). 215 Moscheles 1899, S. 34. Für eine ähnliche Formulierung vgl. auch ebd., S. 280. 216 Vgl. ebd., S. 35–37. 217 Ebd., S. 39; Sotheby’s 1959, S. 66. »In deinen glücklichen Tagen erinnere dich an Marie de Beriot«. (Ü.d.V.) 218 Moscheles 1899, S. 37. 219 »It took me upwards of fifty years to fill the little book […]«. Ebd., S. 280.

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1880er Jahren historische Bedeutung beigemessen: »His association with many celebrated men is of the most intimate character, and in the course of the conversation he [Felix Moscheles] kindly permitted the interviewer to see an autograph album which is of historical interest.«220 3.5.1 Rossinis Komposition für Lippen-Horn. Ein Spaß im Privaten Sehr ausführlich beschreibt Felix Moscheles in seinen autobiographischen Erinnerungen die Umstände des Eintrags von Gioachino Rossini vom 20. August 1860. Zu diesem Zeitpunkt kannten sich der 27-jährige Felix Moscheles, der sich als aufstrebender junger Künstler häufig in Paris aufhielt, und der 68-jährige Rossini bereits gut. Rossini schätzte den Umgang mit der nächsten Generation, zu der auch Felix’ Cousin, der Cellist Ernst Jaques, zählte. So lud Rossini junge Musiker zu sich ein, die seine neuesten Kompositionen probten und schließlich in den samstäglichen Salonabenden zur Aufführung brachten.221 Felix Moscheles besuchte die weitgehend ›privat‹ gehaltenen Samedi soirs regelmäßig und scheint auch im Rahmen anderer geselliger Zusammentreffen ein von Rossini geschätzter Gesprächspartner gewesen zu sein.222 Vor diesem Hintergrund entstand als Reaktion auf einen Scherz des jungen Malers, der mit aufgeblasenen Lippen die in seinen Augen übertriebene Bläserbesetzung in Opern-Liebesduetten akustisch nachahmte,223 Rossinis Stammbucheintrag.224 Nachdem Felix ihm die Notenlinien auf zwei Seiten des Albums vorgezeichnet hatte, komponierte Rossini ein Allegretto-Moderato für das Lippen-›Horn‹ des Albumeigners mit Klavierbegleitung.225 Als Einladung an 220 Cleveland Plain Dealer 1886, S. 8. Über die von Sotheby’s genannten Namen hinaus, listet der Artikel Albumbeiträge des britischen Staatsmannes William E. Gladstone, des französischen Sozialisten Louis Blanc, der Schriftsteller Friedrich Wilhelm Hackländer, Berthold Auerbach, Friedrich von Bodenstedt, Karl Gutzkow, Fritz Reuter sowie der Musiker Louis Spohr, Henri Vieuxtemps, Charles Gounod und des Schauspielers Emil Devrient. 221 Moscheles 1899, S. 275–277. 222 Zu den Samedis soirs (»Saturday Soirées«), die Rossini von Dezember 1858 bis September 1868 in seinem Salon in der Rue de la Chaussée d’Antin veranstaltete, vgl. Osborne 2007, S. 153–160. Im Rahmen der Samedis soirs entstanden etwa Rossinis Péchés de vieillesse, die ausdrücklich dem privaten Gebrauch vorbehalten waren. Vgl. Jacobshagen 2015, S. 255–258, S. 342–347. 223 Felix Moscheles ließ sein »mit dem Mund nachgeahmte[s] Horn« offenbar auch noch bei anderen Gelegenheiten hören, so ›blies‹ er vor Rossini im Duett mit seiner Schwester Clara. Moscheles 1873, S. 307. 224 Vgl. auch Sotheby’s 1959, S. 66. Im Mai 1960 wurde Rossinis Stammbuchblatt einzeln verkauft. Stargardt (548) 1960, S. 125 (Lot 529). 225 Moscheles 1899, S. 279–281.

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Ignaz Moscheles, sich an der Stammbuch-Komposition ebenfalls zu beteiligen, übertitelte Rossini das Stück mit »Thème de Rossini, suivi de deux Variations et Coda par Moscheles père«.226 Ignaz Moscheles nahm die Herausforderung an und steuerte bereits vier Tage später, in Boulogne sur mer, zwei Variationen des Themas und eine Coda zum Stammbuch seines Sohnes bei.227 Knapp ein Jahr danach fasste Ignaz Moscheles die Publikation des Stückes aus dem Stammbuch ins Auge. Den Antwortbrief Rossinis vom 25. Juli 1861, in dem er der Veröffentlichung zustimmte, nahm Ignaz Moscheles dann in sein eigenes Album auf.228 Mit einer Widmung an den bereits oben erwähnten Ernst Jaques versehen,229 wurde das Stück als Feuillet d’Album de Rossini. Thême Original pour Piano et Cor varié pour Piano et Violoncelle et dédié à son neveu E. Jaques par I. Moscheles als op. 138b bei Kistner in Leipzig veröffentlicht.230 Anhand des Kontextes von Rossinis Eintrag in Felix Moscheles’ Album wird die enge Verknüpfung von Stammbuchpraxis und geselliger, spielerischer Unterhaltung im Privaten besonders plastisch. Ein Scherz gibt den Ausschlag für eine Komposition, zu der schließlich noch als Dritter Ignaz Moscheles hinzugezogen wird. Das Stück, dessen humoristische Anlage nur den Beteiligten und deren Umfeld bekannt ist, wird im privaten Raum zur Unterhaltung aufgeführt, in einem nächsten Schritt aber dann publiziert, ohne dass die nun einbezogene Öffentlichkeit um die Hintergründe und die skurrile Entstehung der Komposition wüsste. Rossinis autographer Brief mit der Zustimmung zur Publikation, der zugleich dessen Persönlichkeit und Humor nachempfinden lässt, findet wiederum seinen Weg in Ignaz Moscheles’ Stammbuch, der sich insbesondere durch das darin formulierte komisch-demütige Gesuch des berühmten italienischen Komponisten, von Moscheles im Kreis der Pianisten akzeptiert zu werden, geschmeichelt gefühlt haben dürfte: Mon Maitre (de Piano) et ami […] Vous me demandez l’autorisation de faire / graver le petit Thême que j’ai noté pour / votre cher fils, elle vous est accordée; / Rien de plus honorable cher ami / que d’associer mon nom au votre dans cette / petite publication, mais hélas! quel est / le role que vous m’y faites jouer, en si / glorieux mariage, celui du compositeur, / vous octroyant a vous le Grand Patriarche / l’exclusif du Pianiste; Pourquoi ne / voulez vous donc pas m’admettre dans / la grande famille, un de plus hein!! / quoique je 226 Ebd., S. 280. 227 Dem Auktionskatalog von 1959 zufolge umfasste Rossinis Komposition zwei Seiten, während Ignaz Moscheles ganze 13 Seiten füllte. Sotheby’s 1959, S. 66. 228 IM f.114–115 (zwischen S. 154/155). 229 Von Ignaz Moscheles ist auch ein Albumblatt mit einer Ballade für Violoncello und Klavier für Ernst Jaques überliefert (vgl. Kap. 3.9.7). 230 Moscheles/Rossini o.J. Offenbar gab es noch eine weitere, Rossini zugeeignete Fassung des Stückes ohne Violoncello. Vgl. Moscheles 1873, S. 310.

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me sois placé tres modestement / (mais non sans vive peine) dans la / Categorie de Pianiste de 4m. Classe; Voulez / vous donc cher Moscheles me faire mourir / de chagrin? […]231

3.5.2 Clara Moscheles’ Album in Antwerpen Die Informationen, die der Erinnerungsliteratur sowie der Beschreibung in Auktionskatalogen zu entnehmen sind, haben es ermöglicht, den Inhalt des kleinformatigen schwarzen Stammbuchs von Felix Moscheles zu einem Teil zu rekonstruieren. Bei der Auswertung von Felix Moscheles’ Publikationen zeigte sich zudem, dass auch die jüngste Moscheles-Tochter Clara ein Stammbuch geführt hatte. Einige wenige Hinweise auf dieses Album finden sich in dem Erinnerungsband, den Felix Moscheles seiner Freundschaft zu dem Maler George du Maurier widmete.232 Felix Moscheles berichtet darin von einem Besuch seiner Eltern und seiner jüngsten Schwester Clara 1858 in Antwerpen, wo er an der Akademie seine künstlerische Ausbildung vorantrieb.233 Er schildert einen geselligen Abend in seinem dortigen Freundeskreis, bei dem seine Schwester auch einige Lieder vortrug.234 Nachdem er sich zunächst mit George du Maurier zurückgezogen hatte, um ihm wegen seiner gravierenden Augenprobleme Mut zuzusprechen, schlossen sich die Freunde wieder der größeren Runde an, die mit Claras Album beschäftigt war. Spontan steuerte auch du Maurier einen Beitrag bei. Er zeichnete Claras dunkle Augen – »large dark eyes – they seemed the gift of he[r] godmo231 IM f.114–115 (zwischen S. 154/155). »Mein Meister (am Klavier) und Freund […] Sie bitten mich um die Erlaubnis, das kleine Thema, das ich für Ihren lieben Sohn geschrieben habe, drucken zu dürfen – sie sei Ihnen gewährt. Nichts ist ehrenwerter, lieber Freund, als meinen Namen dem Ihrigen beizugesellen für diese kleine Veröffentlichung, aber oh weh! Welche Rolle lassen Sie mich in dieser ruhmvollen Vermählung spielen? Die des Komponisten, wobei Sie als großer Patriarch für sich allein die Rolle des Pianisten in Anspruch nehmen. Warum wollen Sie mir nur nicht den Zutritt zu dieser großen Familie gestatten – ich wäre doch nur einer mehr!! Und das obwohl ich mich schon ganz bescheiden (aber nicht ohne aufrichtigen Gram) in der Kategorie der viertklassigen Pianisten verorte. Wollen Sie mich etwa vor Kummer sterben lassen, lieber Moscheles?« (Ü.d.V.). Rossinis Brief an Ignaz Moscheles vom 25. Juli 1861, der in keiner der vorliegenden Rossini-Briefausgaben aufgefunden werden konnte, ist mit kleinen Abweichungen vom Autograph vollständig abgedruckt in: Moscheles 1873, S. 310. 232 Moscheles 1896. 233 Ebd., S. 82–86. 234 Die vielversprechende Gesangsausbildung von Clara Moscheles, die im Herbst 1859 für Unterrichtsstunden zu Pauline Viardot nach Paris geschickt worden war, endete mit ihrer Heirat 1864. Weiske 1998, S. 196.

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ther, the famous Malibran«235 – und nahm damit Bezug auf seinen momentanen Seelenzustand: When we joined our friends we found Van Lerius and Heyermans had been pressed into the service, and were making sketches for my sister’s album. Du Maurier took up a pencil, and, with a few characteristic touches, drew that sister’s eyes. »Quand je les vois«, he wrote underneath, »j’oublie les miens. (Reflexion d’un futur aveugle.) When I see them I forget my own. (Reflections of a man going blind.)«236

Anhand dieser Beschreibung kann ein Eintrag in einem Album nachvollzogen werden, über das sonst wenig mehr bekannt ist. Unklar bleibt, ob Clara Moscheles in erster Linie Zeichnungen sammelte.237 Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sie dem Vorbild ihrer älteren Geschwister folgte und es sich bei dem Album um ein Mischalbum handelte, in dem sie sowohl Zeichnungen als auch Text- und Musikeinträge aus dem Freundes- und Bekanntenkreis zusammentrug. Dies würde auch der Gestaltung der von Felix Moscheles geschilderten Gesellschaften in Antwerpen entsprechen, die wie selbstverständlich Musik, Gesang, Konversation und Zeichenkunst zu einem inspirierenden Miteinander verbanden und im Rahmen derer auch die Albumpraxis einen festen Platz innehatte. 3.6 Kommunikation in Bildern. Felix Mendelssohn Bartholdy In den Musik-Stammbüchern der Familie Moscheles ist der Name Felix Mendelssohn Bartholdy mit Abstand am häufigsten vertreten. In den vier überlieferten Alben findet sich die erstaunliche Anzahl von elf autographen Beiträgen aus Mendelssohns Feder. Darunter ist eine Zeichnung im Album von Emily Moscheles, die erst im Rahmen der Recherchen für diese Studie Mendelssohn zugeschrieben werden konnte (vgl. Kap. 3.6.3). Zu den elf Autographen hinzu kommen die fünf Beiträge Mendelssohns im heute verschollenen Album seines Patenkindes Felix Moscheles (vgl. Kap. 3.5). Charlotte Moscheles versammelte in ihrem Album ganze sieben von Felix Mendelssohn (mit-)gestaltete Erinnerungsblätter bzw. Andenken, deren persönliche Bedeutung gerade auch angesichts des frühen und unerwarteten Todes des Freundes im Jahr 1847 immens gewesen sein dürfte. 235 Moscheles 1896, S. 83. Bezüglich der Patenschaft von Maria Malibran, die zum Zeitpunkt der Geburt von Clara Moscheles bereits verstorben war, vgl. Kap. 3.1.2. 236 Ebd., S. 85. 237 »When these pleasant evenings had come to an end, the friendly intercourse was not allowed to drop, and so a number of sketches by her new friends found their way into Miss Clara’s album.« Ebd., S. 86.

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Mit Blick auf die Gesamtheit der Mendelssohn-Beiträge in den Alben der Familie ergibt sich ein deutlicher Fokus auf Zeichnungen, die häufig mit Worten kommentiert und zum Teil mit Musikzitaten bereichert werden. Lediglich bei zwei Albumblättern, dem Wiegenlied für Felix Moscheles und dem Klavierstück für Ignaz Moscheles, handelt es sich um reine Musikbeiträge. Mendelssohns zeichnerisches Schaffen, das mit seiner außergewöhnlichen Kreativität eng korrespondiert,238 ist zweifellos als Sonderfall zu betrachten. Die von ihm gestalteten Blätter werden deshalb in diesem Kapitel separat besprochen, während sie durch Kapitel 3.8, das weitere Zeichnungen und Bilder aus den Moscheles-­ Alben diskutiert, in einen breiteren Kontext gestellt werden können. So ist die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen Mendelssohns zugleich repräsentativ für die zeitgenössische Unterhaltungskultur ebenso wie für den Bildungsanspruch und das daran geknüpfte Erziehungskonzept des gehobenen Bürgertums, in dem der Zeichenkunst genauso wie der Musik und Literatur zentrale Bedeutung zukam. Dabei ist davon auszugehen, dass der deutsch-jüdische Hintergrund der Mendelssohns ebenso wie jener der Moscheles’ die Ausrichtung des Bildungsideals in Hinblick auf eine gelungene Akkulturation zusätzlich verstärkte.239 Die Beiträge in den Moscheles-Alben, die über einen Zeitraum von knapp 20 Jahren entstanden, bezeugen die enge Freundschaft und den geselligen Austausch, den Felix Mendelssohn seit seinem ersten London-Besuch 1829 mit der gesamten Familie Moscheles pflegte.240 Ignaz Moscheles hatte den Fünfzehnjährigen im Herbst 1824 bei einem Besuch in Berlin kennengelernt und zeigte sich schnell beeindruckt von den Talenten des jungen Musikers, dem er auf wiederholte Bitten von Lea Mendelssohn Bartholdy schließlich einige Unterrichtsstunden erteilte. In seinen Tagebuchaufzeichnungen hielt Moscheles seine Eindrücke von den gemeinsam mit der Familie Mendelssohn und deren Umfeld verbrachten Gesellschaften fest.241 Am 13. Dezember 1824, zwei Tage vor seiner Abreise, vermerkte er die Rückgabe von Felix’ Stammbuch, in das er ein längeres Klavier-Impromptu eingetragen hatte (vgl. Kap. 3.9.1). Beim nächsten Wiedersehen in Berlin im November 1826 revanchierte sich Mendelssohn: Er schrieb in Ignaz Moscheles’ Album am 24. November ein vierseitiges Perpetuum mobile, 238 Erst kürzlich rückte Mendelssohns bildkünstlerisches Werk, das 90 Aquarelle und circa 700 Bleistift- und Federzeichnungen umfasst, verstärkt in den Fokus der Mendelssohn-Forschung. Vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, hier: S. 227. 239 Vgl. Bartsch 2007, S. 98f.; zur Rolle der Musik bei der Akkulturation vgl. Hahn 1999. 240 Zum von Musik geprägten Umgang in Schilderungen aus dem Jahr 1833 vgl. Moscheles 1872, S. 271–274. 241 Ebd., S. 92–96.

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ein Klavierstück in C-Dur,242 das Charlotte Moscheles später als eine von Mendelssohns »kleinen, musikalischen Liebenswürdigkeiten« bezeichnete.243 Offenbar sorgte der Albumeigner dafür, dass das Mendelssohn-Stück auch anderweitig gespielt wurde. So ist in den Erinnerungen von Clara Kathleen Rogers zu lesen (vgl. auch Kap. 3.9.6), dass ihre Schwester das Stück um 1861 in Berlin musiziert hatte.244 Autographe von Felix Mendelssohn Bartholdy in den Moscheles-Alben IM

Berlin

24.11.1826

Perpetuum mobile, Klavierstück

CM

London

[1833 ?]

Einladungskarte

CM CM CM CM CM CM EM EM SM

FM FM FM

London [o.O.]

London

Ostende

[London] London

[Birmingham] London [o.O.]

[London] [London] London

30.5.1832

[10.1.1835] 2.10.1840 3.10.1840 1842

30.5.1844

[Sept. 1840] 23.6.1844 1844/46

15.[6/8].1833 9.8.1833

2.10.1840

Glückwunschkarte I

Zeichnung der Seufzerbrücke (nicht erhalten)

Albumblatt (mit H. Chorley und I. Moscheles) Brief (mit H. Chorley und I. Moscheles)

Zeichnung (Antigone-Bühne) / Frühlingslied Glückwunschkarte II

Zeichnung für die vier Moscheles-Kinder

Zeichnung für Emily (über ihr Heranwachsen) verschiedene Rebusse

Wiegenlied / zwei Zeichnungen Nachricht aus dem Zoo Verse

Ignaz Moscheles unterstützte und begleitete Mendelssohn schließlich bei dessen ersten England-Aufenthalt im Frühjahr 1829.245 Während gerade zu Beginn seiner Karriere Mendelssohn in dem 15 Jahre älteren Moscheles einen wichtigen Ratgeber und Förderer fand, entwickelte sich die Beziehung bald zu einer Freundschaft auf Augenhöhe.246 Im Zuge der zahlreichen Englandreisen Mendelssohns verbrachten die beiden Musiker im Haus der Moscheles’ am Chester Place im engeren Familienkreis oder in größerer Runde viele gemeinsame Stunden. Sie inspirierten sich gegenseitig, musizierten und fantasierten neben ihren 242 IM f.78v–80r (S. 92–95). Das Stück wurde als op. 119 im Jahr 1873 veröffentlicht. Vgl. MWV: Wehner 2009, S. 308 (U 58). 243 Charlotte Moscheles verortete den Eintrag des Perpetuum mobile fälschlicherweise im Jahr 1829. Moscheles 1872, S. 207. 244 »Rosamond played him [Hans von Bülow] Mendelssohn’s ›Perpetuum Mobile.‹ She had astonished Moscheles once at his house, on playing this […]«. Rogers 1919, S. 195f. 245 Vgl. Todd 2008, S. 238f. 246 Zur langjährigen Freundschaft zwischen Ignaz Moscheles und Felix Mendelssohn Bartholdy vgl. auch Schmidt-Beste 2006; Kroll 2014, S. 243–260.

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öffentlichen Auftritten auch im privaten Umfeld.247 Welche wichtige Rolle neben dem Musizieren schließlich auch dem Zeichnen in diesem gesellig-familiären Miteinander zukam, wird im Folgenden anhand von Mendelssohns Albumbeiträgen deutlich. 3.6.1 Erinnerungen an eine Freundschaft Wie die in den Moscheles-Alben zusammengetragenen Autographe belegen, freundete sich Mendelssohn bei seinen Besuchen in England mit der gesamten Familie an. Insbesondere mit Charlotte Moscheles verband ihn bald ein sehr herzliches Verhältnis, so dass ihr Sohn Felix von einem »Freundschaftsbunde« sprach, »in welchem die Dritte meine Mutter war«.248 Charlotte Moscheles sammelte in ihrem Album verschiedenartige Erinnerungen an Mendelssohn, darunter die weiter oben besprochene Einladungskarte mit handschriftlichen Ergänzungen des Musikers (vgl. Kap. 3.3.1). In der Mehrzahl fügte sie die Blätter nachträglich ein, wobei die relativ willkürliche Verteilung im Album darauf verweist, dass die Mendelssohn-Beiträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihren Weg ins Stammbuch fanden. Lediglich das gemeinsam mit Ignaz Moscheles und Henry F. Chorley gestaltete Blatt vom 2. Oktober 1840 und die Seite mit der Antigone-Zeichnung von 1842 wurden allem Anschein nach direkt auf dem Albumpapier ausgeführt. Da alle originalen Mendelssohn-Autographe aus Charlotte Moscheles’ Album entnommen und 2011 separat veräußert wurden (vgl. Kap. 3.1.1),249 kann die Auswertung im Kontext des Albumverbundes heute nur noch auf Grundlage der in diesem Zuge eingefügten Faksimiles erfolgen. Nicht durch ein Faksimile vertreten ist dabei eine im Inhaltsverzeichnis des Albums erfasste Zeichnung Mendelssohns der Seufzerbrücke in Venedig,250 deren Widmungstext einen Vers 247 Bei einem Besuch Moscheles’ bei Mendelssohns Familie in Berlin heißt es beispielsweise im Oktober 1835: »Wir haben uns musikalisch herumgetummelt. Erst spielte ich mit Felix Mozart’s Duett in D für zwei Claviere und mein Hommage à Händel. Dann überliessen wir uns allen möglichen musikalischen Extravaganzen; phantasirten zugleich und abwechselnd auf zwei Clavieren – eine geistige Erstürmung. Ich spielte noch Felix’ Rondo brillant in Es und mein Concert fantastique, er die Orchesterbegleitung dazu. Seine ›Lieder ohne Worte‹ spielten wir abwechselnd und dann kamen allerlei musikalische Scherze an die Reihe.« Moscheles 1872, S. 309. 248 Mendelssohn-Briefe 1888, S. VIII-IX. 249 Vgl. Sotheby’s 2011, S. 128–131 (Lots 304–309). Der Auktionskatalog bietet relativ umfassende Beschreibungen und Erläuterungen zu den Autographen. 250 Die Aquarellzeichnung, die Mendelssohn aus Düsseldorf mit einem Brief vom 10. Januar 1835 an Charlotte Moscheles sendete, ist abgebildet in: Mendelssohn-Letters 1888, nach S. 122; vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 238 (AQ 14).

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aus Byrons Childe Harold’s Pilgrimage aufgreift.251 Die Zeichnung wurde dem Album wahrscheinlich schon Ende des 19. Jahrhunderts entnommen.252 Das Albumblatt vom Oktober 1840 entstand bei einem kurzen Aufenthalt in London auf der Rückreise vom Musikfest in Birmingham. Dort hatte Mendelssohn bereits für die vier Moscheles-Kinder eine Ansicht der Stadt gezeichnet, die schließlich ihren Weg in Emily Moscheles’ Stammbuch fand: Hiermit empfehle ich mich dem geneigten Andenken meiner Freundinnen Emily / und Serena, meiner unerbittlichen Feindinn Clara und meines Herrn / Pathen ehrerbietigst. Hier in Birmingham da sieht es so aus: [Ansicht von Birmingham] / a ist die große townhall, wo Musik gemacht wird, b, b, b, b, b, b, sind lauter Schornsteine, / c ist eine Fabrik von Messern und Scheeren, d ist die Locomotive, e sind die Wagen, / h ist Mr. Ayrton, g ist Mr. Moscheles, und f ist Euer ganz ergebener / F. Mendelssohn Bartholdy253

Gestalterisch weist die Zeichnung für die Kinder einige Parallelen zu der witzigen Zeichnung voller Anspielungen für das Erinnerungsblatt vom 2. Oktober in Charlotte Moscheles’ Album auf: »Zu freundlichem Andenken abermals«.254 Die zahlreichen Motive und Elemente des Bildes, darunter die Townhall, eine vogelköpfige Schere und eine Mendelssohn »von Frau Moscheles verehrte Halsbinde«, adressieren »als allerlei Erinnerungen an den Aufenthalt in Birmingham« explizit die Albumeignerin und wurden umfassend von Felix Moscheles beschrieben.255 Festzustellen ist jedoch, dass Mendelssohn lediglich das obere Drittel der Albumseite gestaltete. In der Fokussierung auf den bekannten Musiker wurde der untere Teil der Seite in den entsprechenden Publikationen weitestgehend ignoriert, obgleich es sich bei dem Albumblatt zweifellos um ein Gemeinschaftswerk der Freunde Mendelssohn, Chorley und Moscheles handelt.256 Insbesondere der englische Text von Chorley gibt zusätzlich Aufschluss über Mendelssohns Zeichnung und lässt den humorvollen Umgang zwischen den drei Männern und Charlotte Moscheles nachvollziehen: 251 Der Widmungstext lautet: »I stood in Venice on the Bridge of Sighs / to Mrs. Moscheles this plate is respectfully inscribed by FMB«. Vgl. Byron 1885, S. 242 (Canto IV, 1,1). 252 Im Inhaltsverzeichnis des Albums findet sich bezüglich des Seiteninhalts die Notiz: »eingerahmt 1899 FM«. Es ist nicht ganz eindeutig, ob sich diese Information auf beide dort gelisteten Andenken, d.h. Mendelssohns Zeichnung sowie »Göthe’s Haar«, bezieht. 253 EM f.31. Die Zeichnung ist abgebildet in: Mendelssohn-Briefe 1888, S. 197. Für eine detaillierte Beschreibung vgl. Rost 2015, S. 418; vgl. auch Wehner-Verzeichnis 2017, S. 272f. (EZ 49). 254 CM, S. 71. Im Inhaltsverzeichnis des Albums wird die Seite in Ignaz Moscheles’ Handschrift bezeichnet als: »Mendelssohn, Chorley / Erinnerung an Birmingham. October 1840«. 255 Mendelssohn-Briefe 1888, S. 198f.; vgl. auch Moscheles 1873, S. 58. 256 Vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 273 (EZ 50).

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Here, Ladies & Gentlemen, (I mean those who possess understanding) – whatever your degree, a mysterious & wonderful hieroglyphic, illustrating the Birmingham Festival, Sep: 1840 – & particularly The Stork – you see. / The bird, you perceive, is on her way to the Town Hall, – but could not get in, on the day of Mendelssohn’s »Lobgesang« for she is very tall, & the room was anything but thin. / The dinner after the Festival is also typified, in particular one dish I won’t mention. Though by the Recipe hard by, you see, it must have excited a good deal of attention. / Lastly, comes the steamboat, on the deck of which are two M’s & I – Below, our baggage, with a particularly long umbrella – so – good – bye! / Oct: 2 1840. – Bey Gelegenheit des Abschieds: Vom fire side trennt sich tief bewegt der Hausvater stets bleibend fire proof. I. Moscheles

Die Zeilen von Ignaz Moscheles beschließen das Albumblatt und thematisieren den Abschied der drei Freunde, die am Folgetag gemeinsam nach Leipzig aufbrachen. Nach einer turbulenten Bootsüberfahrt auf unruhiger See von Dover nach Ostende fand die Kommunikation der Runde am 3. Oktober eine nahtlose Fortsetzung in Gestalt eines längeren zweiseitigen Briefs von Ignaz Moscheles mit Beteiligung von Mendelssohn und Chorley, den Charlotte Moscheles schließlich ebenfalls in ihr Album aufnahm.257 Moscheles schildert darin ausführlich die Reise der drei Männer von London nach Ostende. Zunächst führte diese per Kutsche über Nacht nach Dover, wobei Moscheles bei der Abfahrt in London mit einem Wachmann in Streit geriet, der Charlotte Moscheles mit ihrem Wagen nicht in das Gelände des Post Office einfahren lassen wollte, so dass der Abschied der Eheleute jäh ausfiel. Die unruhige Bootsüberfahrt von Dover nach Ostende gestaltete sich für die Reisegenossen angesichts massiv um sich greifender Übelkeit denkwürdig. An Moscheles’ Ausführungen schließt sich ein Absatz Chorleys an, der den spaßigen Umgang mit dem vierten Reisenden in der Kutsche Richtung Dover schildert, über den die drei Freunde, während der Mann schlief, gespottet hatten. Auf diesen Text folgt auf der zweiten Briefseite als Kommentar von Mendelssohns Seite eine Zeichnung des »schwankende[n] Dampfboot[s] auf hochbewegter See«,258 dem er doppeldeutige Zitate von Schiller, Goethe, Byron und folgende Worte an Charlotte Moscheles beifügte: »Wir sitzen aber alle 3 sehr comfortabel um das Feuer in Moscheles’ Zimmer, und gedenken Ihrer.«259 Unter 257 CM, S. 117. Vgl. MSB Bd. 7, S. 300–302 (Nr. 2826). 258 Moscheles 1873, S. 58. Zur Zeichnung vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 294 (EZb 47). 259 Die Zitate lauten: »Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen. Goethe / Es giebt im Menschenleben Augenblicke. Schiller / Here the ship gave a lurch, and he grew seasick. Byron«. Auf der Rückseite des Blattes befindet sich die Adressierung der Post an Charlotte Moscheles in London, so dass davon auszugehen ist, dass die erste Briefseite in dieses Blatt eingefaltet war.

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dem von Mendelssohn eingefügten Absatz runden einige weitere erläuternde Zeilen von Moscheles den gemeinschaftlichen Brief ab und beschließen ihn. Nach dem Abschied im Oktober 1840 begegneten sich Charlotte Moscheles und Felix Mendelssohn wieder im Juni 1842 in London. Mendelssohn war diesmal in Begleitung seiner Frau Cécile angereist, die Charlotte nun erstmals persönlich kennenlernen konnte. Mendelssohn nutzte die Gelegenheit, den Moscheles’ seine neue Bühnenmusik Antigone vorzustellen, die auch, von ihm selbst am Klavier begleitet, im häuslichen Rahmen am Chester Place aufgeführt wurde.260 Am Königlichen Schauspielhaus in Berlin war die Antigone erstmals am 13. April 1842 aufgeführt worden.261 Vor diesem Hintergrund entstand wohl Mendelssohns Albumeintrag mit einer Bleistiftskizze des Bühnenaufbaus zu Antigone, die überschrieben ist mit »Plan des Berliner Theaters zur Antigone eingerichtet«.262 In der Skizze sind, ähnlich wie in der Zeichnung von Birmingham für die Moscheles-Kinder, kleine Buchstaben zur Erläuterung eingefügt, die am rechten Rand der Seite aufgeschlüsselt werden.263 An der linken Bildseite schließt sich zur Verdeutlichung eine Ansicht des Blicks aus dem Auditorium auf die Bühne des Schauspielhauses an. Wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt notierte Mendelssohn dann, mit schwarzer Tinte, auf dem unteren Teil der Seite die ersten acht Takte eines ›Lieds ohne Worte‹ in A-Dur, das nach seiner Veröffentlichung 1844 als op. 62 Nr. 6 unter dem Titel Frühlingslied bekannt wurde. Das früheste bekannte Autograph des Liedes entstand am 1. Juni 1842 und wurde somit kurz nach der Ankunft in London niedergeschrieben.264 Die Notenzeile für Charlotte Moscheles ist nicht genau datiert, scheint aber, dem retrospektiven Widmungstext folgend, gegen Ende des Aufenthalts in England entstanden zu sein:265

260 Mendelssohn-Briefe 1888, S. 215; vgl. auch Moscheles 1873, S. 94. Eine häusliche Aufführung der Chöre bei den Moscheles’ ist für Samstagabend, 9. Juli 1842, nachweisbar. Vgl. MSB Bd. 8, S. 445f. (Nr. 3581). 261 Die Antigone entstand im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. und wurde am 28. Oktober 1841 im Neuen Palais in Potsdam uraufgeführt. Der König genehmigte schließlich sechs öffentliche Aufführungen in Berlin. Vgl. MSB Bd. 8, S. 625, S. 708; vgl. auch MWV: Wehner 2009, S. 205–207 (M 12). 262 CM, S. 87; vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 274 (EZ 52). Im Inhaltsverzeichnis des Albums wird die Seite in Ignaz Moscheles’ Handschrift bezeichnet als: »Mendelssohns Handzeichnung der Scene zur Antigone – Anfang seines Frühlingslieds«. 263 Zu lesen ist beispielweise: »ab Vorhang u. Proscenium Linie / cd Decoration des Pallastes / x Altar des Bachus / aeb Orchester 5’ über dem Boden […]« usw. 264 Vgl. MWV: Wehner 2009, S. 345 (U 161). 265 Felix und Cécile Mendelssohn Bartholdy hielten sich, im Rahmen der siebten Englandreise Mendelssohns, vom 30. Mai bis zum 12. Juli 1842 in Großbritannien auf. MSB Bd. 8, S. 8.

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Das ist aber nicht aus der Antigone. / Sondern zum Andenken an manche frohe Gesellschaft und den ganzen / frohen Aufenthalt im Frühling, und an Ihren dankbaren / Felix Mendelssohn Bartholdy 1842.

3.6.2 Zum Geburtstag: Sprechende Zeichnungen, gezeichnete Musik Während insbesondere die direkt in Charlotte Moscheles’ Stammbuch ausgeführten Einträge von 1840 und 1842 die große Verbundenheit und Sympathie zwischen der Albumeignerin und Mendelssohn nachfühlen lassen, enthält das Album auch zwei autographe Blätter von 1832 und 1844, die an die langjährige Freundschaft zu Ignaz Moscheles gebunden und diesem gewidmet sind. Es handelt sich um zwei maßgeblich von Mendelssohn gestaltete Glückwunschbögen aus rosarotem Papier, die – im Abstand von zwölf Jahren – jeweils als Präsent zu Ignaz’ Geburtstag am 30. Mai entstanden. Die roten Bögen, die zeichnerische Elemente mit Texten und Notenzitaten kombinieren, fanden schließlich sicher auch aufgrund ihres relativ großen Formats den Weg in Charlotte Moscheles’ wuchtiges Sammelbuch.266 Neben der spielerischen Kunstfertigkeit, mit der Bild, Sprache und Musik miteinander verwoben werden, erscheint insbesondere die Überbrückung eines langen Zeitraums und somit die Schaffung von Kontinuität mit Blick auf die Freundschaft von Ignaz Moscheles und Felix Mendelssohn, ebenso wie auf das sie umgebende Umfeld, signifikant. So stehen in beiden Fällen von Carl Klingemann verfasste Verse im Zentrum der Blätter,267 die Emily Moscheles 1832 als Vierjährige noch mit Tinte nachzog, 1844 dann, mit 16 Jahren, ohne fremde Hilfe niederschreiben konnte (siehe Tafeln 22 und 23).268 In der rechten oberen Ecke des Blattes von 1832 kommentierte Mendelssohn:

266 Der Bogen von 1832 hat die Maße 21 cm × 34 cm, das Blatt von 1844 die Maße 21,5 cm × 32,7 cm. Vgl. Sotheby’s 2011, S. 128, S. 131. Leider entsprechen die nach dem Verkauf der Originale in das Album eingefügten Faksimiles (CM, S. 39 und S. 75) nicht den tatsächlichen Maßen der Autographe. Die Blätter werden im Inhaltsverzeichnis des Albums bezeichnet als: »1ster rother Bogen Mendelssohn« (in Charlottes Handschrift) und »Mendelssohns Arabeske, zum Geburtstag 1844.« (in Ignaz’ Handschrift). 267 Zur Freundschaft zwischen Klingemann und Mendelssohn vgl. Back 2014; vgl. auch Kap. 3.9.5. 268 1832: »Heil dem Manne, der nach oben / Heitren Sinnes weiter schreitet, / Den nicht Tadeln oder Loben, / Den das eigne Schaffen leitet.« – 1844: »Weit und weiter ging die Reise / Doch ist Er uns nah geblieben, / Würkend nach der alten Weise, / Frisch im Leben, treu im Lieben.« Felix Moscheles ließ später eine englische Übersetzung der Verse von dem befreundeten Robert Browning anfertigen. Vgl. Mendelssohn’s Drawings 1897, S. 803.

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Die Schrift ist verfertigt von Emily Moscheles, d. 29sten Mai 1832. / Das Gedicht ist von Carl Klingemann 37 Bury Street St. James / Die Arabesken sind erfunden und die Klekse ausgeführt von Felix Mendelssohn Bartholdy / dermal in London.

1844 erfolgte die direkte Bezugnahme auf die Worte von 1832, wobei das erste Blatt als Vorlage diente: Die Schrift ist abermals verfertigt von Emily Moscheles, d. 30sten May 1844. / Das Gedicht ist abermals von Carl Klingemann 4 Hobart Place Eaton Square / Die Arabesken sind abermals erfunden und die Klekse ausgelassen von Felix Mendelssohn Bar­tholdy.

Beide Blätter sind in ähnlicher Weise, aber dennoch individuell gestaltet. Wenngleich die Verse den weitaus größten Raum im Gesamtbild einnehmen, wird der Blick doch auf den die Verse einfassenden ›musikalischen‹ Rahmen gelenkt. Auf fünf Notenlinien, mit witzigen kommentierten Zeichnungen durchsetzt, sind elf Zitate aus Moscheles’ bekanntesten publizierten Kompositionen auszumachen.269 Fokussiert wird folglich Moscheles’ öffentliches Wirken als Komponist. Die Musiknotate und die dazugehörigen Illustrationen wurden verschiedentlich beschrieben.270 So wird das Incipit der Alexander-Variationen op. 32, auch bekannt unter dem Titel »The Fall of Paris«, von einer Zeichnung der einstürzenden Pariser Skyline begleitet oder eine Gruppe von mit Stimmgabeln kämpfenden Teufeln flankiert den Beginn der Moscheles-Etüde op. 70 Nr. 23, die den Beinamen »Kampf der Dämonen« trägt. Mendelssohn zeichnete sich auch selbst, Moscheles’ Allegro di Bravura op. 51 Nr. 1 spielend: »Wie ein junger Berliner sich übt …«. Vor dem Hintergrund der Stammbuchpraxis besonders interessant ist schließlich das Zitat aus Moscheles’ Eintrag in Mendelssohns eigenem Stammbuch (vgl. Kap. 3.9.1), das mit einer Zeichnung des »Album de Mons. Felix« illustriert wird.271 Wie bereits deutlich geworden sein dürfte, ist die vorliegende unterhaltsame Mélange aus Musik, Bild und Sprache zutiefst in einem freundschaftlichen Umfeld verankert, das sich im Frühjahr 1832 am Chester Place um Charlotte und Ignaz Moscheles formiert hatte. Während Mendelssohns London-Aufenthalt sind für den Zeitraum zwischen 24. April und 22. Juni durch die MoschelesBiographie zahlreiche gesellige Runden in unterschiedlichen Konstellationen 269 Dem Reigen folgend, unten links beginnend, werden zitiert: op. 32, op. 50, op. 51 Nr. 1, op. 56, op. 77, op. 60, op. 24, op. 69, op. 70 Nr. 23, op. 81, op. 84. Vgl. Moscheles-Verzeichnis 1966. 270 Mendelssohn-Briefe 1888, S. 21–23; Mendelssohn’s Drawings 1897, S. 803; vgl. auch Conway 2012, S. 130. Die Blätter sind gelistet in: Wehner-Verzeichnis 2017, S. 267f. (EZ 28), S. 277 (EZ 65); MWV: Wehner 2009, S. 517. 271 Das Klavierstück hatte Ignaz Moscheles mit Widmung an Felix Mendelssohn Bartholdy um 1827/28 als op. 77 publiziert.

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dokumentiert.272 Neben Carl Klingemann gehörten zu den Beteiligten die Sopranistin Wilhelmine Schröder-Devrient (vgl. Kap. 2.1.3), der Tenor Anton Haizinger sowie seine Frau, die Schauspielerin Amalie Haizinger, und der Bariton Franz Xaver Hauser, die in London für eine Fidelio-Produktion des King’s Theatre in the Haymarket engagiert waren. Ein Bericht aus Moscheles’ Tagebuch gibt weiteren Einblick:273 29. Mai: »Mendelssohn zu Tische, und die deutschen Künstler mir überraschend zu einer von meiner Frau längst vorbereiteten Feier versammelt. Erst ein Prolog, von Klingemann gedichtet, von Mme. Haizinger wunderschön gesprochen; er erklärte, dass mein morgender Geburtstag schon heute gefeiert werde, weil man für morgen den allseitigen Pflichten in der Vorstellung des »Fidelio« obliegen müsse. Ein Postpacket, das man mir brachte, enthielt ein Blatt, auf dem Mendelssohn einen thematischen Katalog meiner Werke mit humoristischen Randzeichnungen angebracht hatte. Man liess mir aber keine Zeit, dies interessante Geschenk zu studiren; denn es erscholl vierstimmiger Gesang. Neue Ueberraschung. Die Schröder, Haizinger’s und Hauser sangen einen Canon von Mendelssohn über vier von Klingemann für diese Gelegenheit gedichtete Zeilen, die Motive meines C-dur-Concerts immer darin vorherrschend; es war eine reizende Feier für den Künstler und Menschen.274

Beispielhaft zeigen sich hier die Verquickung und das Ineinandergreifen verschiedener geselliger Aktivitäten: Musizieren, Singen, Darstellen, Improvisieren, Zeichnen, Rezitieren, Scherzen. An dieses Konzept knüpft schließlich auch der »zweite[n] ›rothe[n] Bogen‹ mit Randzeichnungen« zu Moscheles’ 50. Geburtstag nahtlos an.275 Mendelssohn hatte sich dazu tags zuvor die Vorlage von 1832 bei Charlotte Moscheles ausgeliehen.276 Im Vergleich zu der viereckigen Rahmung von 1832 fällt der Anteil an Zeichnungen und erläuternden Kommentaren in der achteckig gestalteten »Arabeske« von 1844 umfangreicher aus,277 die Musiknotate beschränken sich auf sieben 272 Moscheles 1872, S. 246–251. 273 Interessanterweise gibt Felix Moscheles an, bei der Tagebuchnotiz handele es sich um einen Eintrag seiner Mutter, die an Ignaz’ Tagebuchaufzeichnungen offenbar gelegentlich beteiligt war. Mendelssohn’s Drawings 1897, S. 803. 274 Moscheles 1872, S. 249f. Zu dem von Mendelssohn komponierten Kanon vgl. MWV: Wehner 2009, S. 390 (X 3). 275 Moscheles 1873, S. 113. 276 »[…] Bitte schicken Sie mir durch Ueberbringer die bewußte Handzeichnung, an deren Gegenstück ich für morgen arbeite. Es würde mir die Sache sehr erleichtern wenn ich die frühere Zeichnung unvermerkt bis morgen behalten könnte.« MSB Bd. 10, S. 185 (Nr. 4452, Brief an Charlotte Moscheles vom 29. Mai 1844). 277 Für die Bezeichnung des Blattes als »Arabeske« vgl. CM, Inhaltsverzeichnis.

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kürzere Passagen. Mendelssohn knüpft hier an einen deutlich persönlicheren Kontext an, so dass viele der Anspielungen, die konkrete Gespräche und Erlebnisse im Privaten aufgreifen, nicht gänzlich zu entschlüsseln sind. Anhand von Felix Moscheles’ Erklärungen ist die Bedeutung des unteren Abschnitts der Rahmung schließlich weitgehend nachzuvollziehen. Flankiert von einer ländlichen Idylle (»Scène champêtre«) zitiert Mendelssohn die ersten Takte von Moscheles’ achtem Klavierkonzert, Concerto pastorale op. 96, gefolgt von einer Darstellung der Widmungsgeste an Mendelssohn. Die sich anschließende Notenfolge und die Anmerkung »Les roses et les épines de la dédication« (»Die Rosen und Dornen der Widmung«) spielen auf eine in dem Stück enthaltene Passage an, deren Umsetzung dem Widmungsträger Schwierigkeiten bereitete.278 Darauf folgt die Darstellung mehrerer weiblicher Personen, die eine Treppe erklimmen zu einem erfolgsverheißenden Ziel: »March of intellect – Miss-understanding«. Die Zeichnung bezieht sich auf die vierhändigen Skalen-Etüden op. 107, die Moscheles für seine Tochter Clara geschrieben hatte.279 Als weitere musikalische Zitate, begleitet von entsprechenden Zeichnungen und Erläuterungen, sind das Incipit des Lieds Stumme Liebe op. 97 Nr. 1 und die ersten Takte von Moscheles’ populärer Etüde Kindermährchen op. 95 Nr.  5 auszumachen.280 Eine Darstellung in der rechten oberen Ecke scheint schließlich den Harmonieunterricht in einer Mädchenklasse zu thematisieren, den Mendelssohn ironisch mit einer Zeile aus William Horsleys Glee »With me in dreadful Harmony they join« kommentiert.281 Gemeinschaftssinn, Herzlichkeit und das kontinuierliche Anknüpfen an gemeinsam im Freundes- und Bekanntenkreis erlebte Momente in einem Miteinander, das sich durch einen humorvollen und geistreichen Umgang mit Musik, Worten und Bildern auszeichnete, erscheinen als zentrale Motivationen der 1832 und 1844 von Felix Mendelssohn, unter Beteiligung von Carl Klingemann und Emily Moscheles, gestalteten Blätter zu Ignaz Moscheles’ Geburtstag. Die enge Bezugnahme von Zeichenkunst, Klang und Sprache, die den Glückwunschbögen zugrunde liegt, spiegelt die Unterhaltungskultur der Beteiligten wider, ist zugleich aber auch für größere Gesellschaftskreise im 19. Jahrhundert kennzeichnend. 278 Mendelssohn-Briefe 1888, S. 235–237. 279 Ebd.; vgl. auch Moscheles 1873, S. 95f. 280 Zu dem Lied-Incipit zeichnete Mendelssohn eine augenscheinlich betrübte Frau und einen Mann mit einem Schloss vor dem Mund: »Wenn gebrochen sie wähnt der Treue Wort / Dann ist die Liebe stumm«. Die Musik des Kindermährchens wird durch eine häusliche Szene mit Bezug zu »Miss Birch« illustriert: »Intérieur & avenir«. 281 Glees 1814, S. 50.

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3.6.3 Emily Moscheles’ Biographie im Bild und Rätselspaß für Serena Neben den Blättern und Andenken Mendelssohns, die in den Alben der Eltern und seines Patenkindes Felix Moscheles überliefert sind, gestaltete der Musiker auch für Emily und Serena Moscheles zwei Stammbuch-Zeichnungen, die erst vor wenigen Jahren in den Fokus der Musikforschung rückten.282 Im Vorfeld der geplanten Versteigerung von Serenas Stammbuch bei Sotheby’s von 2011 wurde Ralf Wehner zur Interpretation der darin enthaltenen Mendelssohn’schen Bilderrätsel zu Rate gezogen, die er 2017 in einem Aufsatz kontextualisierte.283 Die unbekannte Zeichnung Mendelssohns für Emily Moscheles habe ich im Frühjahr 2015 im Zuge der Auswertung ihres Stammbuchs in der Berliner Staatsbibliothek entdeckt.284 Die Bleistiftzeichnung entstand am 23.  Juni 1844 bei den Moscheles’ am Chester Place (siehe Tafel 24); dort hatte sich Mendelssohn »einen ruhigen Abend« mit der Familie erbeten.285 Mendelssohn kreierte für die zu diesem Zeitpunkt 16-jährige Emily eine imaginäre Landschaft, die als ›Biographie im Bild‹ das musikalische Heranwachsen der talentierten Pianistin thematisiert.286 Die Zeichnung ist auf mehreren Ebenen gestaltet, wobei ein Wegweiser mit den Richtungen »Baby« und »Youth« die chronologische Orientierung von links nach rechts vorgibt. Im Vordergrund sind drei Musikzitate platziert, die Emilys Heranwachsen symbolisieren. Das bekannte französische Kinderlied A vous dirai-je Maman (in A-Dur) und die Notenzeile in der Blattmitte O Jugend, o schöne Rosen-Zeit!, aus Mendelssohns 1843 veröffentlichtem op. 57 Nr. 4, stehen für den Übergang von der Kinder- in die Jugendzeit. Die ersten Takte von Chopins Etüde f-Moll, op. 25 Nr. 2 im rechten Bildbereich, die die Fertigkeiten einer ausgebildeten und herangereiften Pianistin erfordern, markieren den gegenwärtigen Entwicklungsstand der jugendlichen Emily. Dieser Chronologie folgend gestaltete Mendelssohn auch die mittlere Bildebene. Der Blick wird vom »Nursery Ground«, der auf das ›Heranziehen‹ von Kindern und ihren Talenten anspielt, bis in das gegenwärtige Londoner Umfeld Emilys geführt. Dabei steht insbesondere die musikalische Ausbildung und Prägung der Moscheles-Tochter im Fokus. Diese wird etwa durch ein gezeichnetes Ticket der Philharmonic Society verdeutlicht. Ferner dürfte ein auf dem Boden 282 EM f.2r; SM, S. 7r. 283 Vgl. Sotheby’s 2011, S. 132 (Lot 310); Wehner 2017. Damit in engem Zusammenhang steht die Veröffentlichung eines ›Vorläufigen Verzeichnisses des bildkünstlerischen Werkes‹ im gleichen Band der Mendelssohn-Studien. Vgl. Wehner-Verzeichnis 2017. 284 Rost 2015; vgl. auch Wehner-Verzeichnis 2017, S. 278 (EZ 68). 285 MSB Bd. 10, S. 204 (Nr. 4492, Brief an Charlotte Moscheles vom 23. Juni 1844). 286 Für eine detailliertere Analyse vgl. Rost 2015, S. 421–424.

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liegendes Notenblatt als Anspielung auf eine häusliche Aufführung von Mendelssohns Trio d-Moll, op. 49 im Frühjahr 1844 mit Emily Moscheles und Joseph Joachim zu verstehen sein (vgl. Kap. 3.4.1).287 Besonderes Gewicht erhält jedoch, durch das Musikzitat und einen Stapel von Notenausgaben verdeutlicht, Emily Moscheles’ große Begeisterung für Frédéric Chopin als prominentes pianistisches Vorbild. Diese wird auch an anderer Stelle in ihrem Stammbuch thematisiert, etwa wenn sich Stephen Heller als »co-admirateur de Chopin« zu erkennen gibt oder Emil Naumann in seinem Eintrag von 1854 das qualifizierte Chopin-Spiel der Albumeignerin herausstellt (vgl. Kap. 3.4.2 und 3.7.2).288 Sprechend ist zudem eine etwas ungelenke Bleistiftzeichnung von unbekannter Hand, die Chopins Grabmal, mit der Skulptur der trauernden Muse Euterpe von Auguste Clésinger, auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise zeigt.289 Anders als die Zeichnung für Emily Moscheles sind die Bilderrätsel in Serenas Stammbuch undatiert, entstanden aber vermutlich entweder ungefähr zeitgleich im Jahr 1844 oder erst 1846.290 Der direkte Eintrag in das Album und die fehlende Signierung lassen darauf schließen, dass Mendelssohn die vier Rebusse spontan bei einem geselligen Beisammensein für den Teenager niederschrieb. Er griff dabei auf einige ältere Modelle zurück, die bereits im Jahr 1834 nachweisbar sind,291 darunter beispielsweise die Zeichnung eines Strohbündels und eines Sarrass’ (eines Säbels mit schwerer Klinge), die in der Kombination die Lösung »Sarastro« hervorbringen. Mendelssohn entwickelte aber auch ein lediglich in diesem Album nachweisbares Rätsel, das bisher nur zum Teil gelöst werden konnte.292 Eindrücklich zeigen die Bilderrätsel für Serena Moscheles, ebenso wie die bebilderte Biographie für Emily, das Albumblatt für Charlotte oder die Geburtstagskarten für Ignaz, eine für Felix Mendelssohn wohl charakteristische Freude an der Verknüpfung von Bild, Wort und Musik, die als Spiel in Geselligkeit und zur Unterhaltung die gesamte Familie Moscheles einbezog. Die Auswertung der Moscheles-Alben eröffnet dabei eine umfassendere Perspektive auf das musikkulturelle Handeln Felix Mendelssohn Bartholdys sowie des ihn umgebenden Freundeskreises.

287 Vgl. Moscheles 1873, S. 110. 288 EM f.6r; EM f.14r. 289 EM f.10r. 290 SM, S. 7r. Vgl. Wehner-Verzeichnis 2017, S. 303f. (EZr 15–18). 291 Wehner 2017, S. 115–119. 292 Vgl. ebd., S. 120–123.

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3.7 Scherz und Spiel um Heinrich Wilhelm Ernst und Stephen Heller Es ist naheliegend, dass sich mancher Name in mehreren oder gar allen Moscheles-Alben wiederfindet. Gerade im privateren Umfeld und im Zuge wiederholter Zusammenkünfte ist gut vorstellbar, dass mehrere Familienmitglieder der betreffenden Person ihr Stammbuch für Einträge vorlegten bzw. deren Autographe sammelten. Tatsächlich gibt es aber neben Felix Mendelssohn Bartholdy, dessen Albumbeiträge im vorausgegangenen Kapitel besprochen wurden, nur zwei weitere Namen, die in allen vier Stammbüchern auftauchen. Dies sind der Geiger und Komponist Heinrich Wilhelm Ernst (1814–1865) und der Pianist und Komponist Stephen Heller (1813–1888). Beide Musiker unterhielten enge Kontakte zur Familie Moscheles. Während sich Heinrich Wilhelm Ernst in die Alben von Ignaz und Charlotte Moscheles mit einer Komposition und einem Textbeitrag zur Erinnerung einschrieb, finden sich in den Stammbüchern von Emily und Serena Moscheles allerdings nur vorgebliche Beiträge von Ernst. Ob der Geiger den jugendlichen Schwestern sein Autograph verweigerte oder ob diese einfach die geeignete Gelegenheit, Ernst um seine Handschrift zu bitten, verpasst hatten, bleibt ungewiss. Der Wunsch nach seinem Namen im Stammbuch motivierte in jedem Fall zwei gefälschte Erinnerungsblätter, zu denen weitere rätselhafte Einträge mit der Erwähnung von Ernsts Namen im Album von Charlotte Moscheles hinzukommen. Der spielerische Hintergrund dieser Albumblätter ist offensichtlich. Ebenfalls spielerisch, zusätzlich aber noch hochgradig skurril und humorvoll fallen die Einträge von Stephen Heller aus, der sowohl die Stammbücher der Eltern als auch jene der Moscheles-Töchter mit seinem Autograph bedachte. 3.7.1 Eine Neudatierung, viel Gefühl und mehrere Fälschungen. Die Albumbeiträge von Heinrich Wilhelm Ernst Alle Einträge von und mit Bezug zu Heinrich Wilhelm Ernst entstanden in den Jahren 1843/44 und dokumentieren wiederholte Treffen sowie einen regen geselligen Austausch des Geigers mit der Familie Moscheles. Gestützt wird diese Annahme durch entsprechende Erwähnungen in der Moscheles-Biographie, durch die Kontakte im Jahr 1843 in London und Paris belegt sind.293

293 Moscheles 1873, S. 102, S. 106.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Einträge von oder mit Bezug zu Heinrich Wilhelm Ernst IM

London

24.6.1843

Fragment einer Violin-Etüde

CM

Boulogne

10.8.1843

Text, Spiegelschrift: Clara/Felix (kein Autograph)

CM CM EM SM

London London London [o.O.]

23.7.1843 4.4.1844

14.4.1844 [o.D.]

Text mit zwei Noten (Umfang der Violine) Text, Spiegelschrift (kein Autograph)

Zeichnung, Text (vorgebliches Autograph)

4 T Geigenmelodie (vorgebliches Autograph)

Nur einen Tag nach seiner Ankunft in der britischen Hauptstadt trug sich Ernst am 24. Juni 1843 mit einem elftaktigen »Fragment d’une Etude pour le violon« in Ignaz Moscheles’ Album ein.294 An diesem Tag besuchte er gemeinsam mit Moscheles eine von William Sterndale Bennett veranstaltete Soirée,295 eine Gelegenheit, die Moscheles offenbar nutzte, um einen Stammbucheintrag Ernsts zu erbitten. Die Widmung verweist auf ein bereits etabliertes Bekanntschaftsverhältnis: »Von Ihrem Bewunderer und aufrichtig ergebenen Freunde HW Ernst«.296 Mit diesem Musiknotat liegt die derzeit früheste autographe Niederschrift der II. Studie À Sainton aus Ernsts Sechs mehrstimmigen Studien vor. Der Eintrag entspricht mit minimalen Abweichungen dem Albumblatt für Eduard Hecht vom Mai 1852, das Christine Hoppe als »wohl spektakulärste[n] Fund« ihrer Recherche zu Ernsts Albumblättern bezeichnete, der die Entstehung der Etüden »weit vor 1864, dem Jahr ihrer Herausgabe« belegt.297 Tatsächlich kann nun mit dem Eintrag in Ignaz Moscheles’ Album die Kompositionsidee noch deutlich früher, auf das Jahr 1843, datiert werden.298 Dieses Beispiel lässt das große, noch unerschlossene philologische Potenzial von Musik-Stammbüchern erahnen, deren systematische Erforschung viele weitere vergleichbare Funde zutage zu fördern verspricht. Nur einen Monat nach dem Musiknotat für Ignaz, im Juli 1843, entstand Ernsts Texteintrag in Charlotte Moscheles’ Album, dem der Geiger ein Notensystem mit nur zwei Tönen (g-h’’’) beifügte: Diese zwey Noten bezeichnen den ganzen Umfang der Violine. / Mögen sie für Sie das Symbol meiner tiefen Verehrung und / Hochachtung seyn. Um die verschiedenen 294 Ernst war am 23. Juni 1843 in London eingetroffen. Rowe 2008, S. 113. 295 Ebd. 296 IM f.99v (S. 132). 297 Hoppe 2014, S. 107f., vgl. auch S. 281, S. 284–286. 298 Während Ernst auf dem Albumblatt für Hecht und in der veröffentlichten Komposition (T 1–6 und T 58–62) nach der Achtel auf dem ersten Schlag in den Takten 1, 4 und 5 Sechzehntelpausen vorsah, notierte er in der früheren autographen Fassung für Moscheles punktierte Achtel.

Scherz und Spiel

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Gefühlsnüancen welche / diese in sich enthalten zu enumeriren würden wohl alle Intervalle / die dazwischen liegen nicht hinreichen. / Erinnern Sie sich manchmal freundlich und wohlwollend / Ihres aufrichtig ergebenen HW Ernst / London den 23ten July 1843299

Neben dem unzweifelhaft an Charlotte Moscheles adressierten Eintrag finden sich zwei weitere Seiten in ihrem Album, die nicht in Ernsts Handschrift verfasst sind, aber einen Bezug zu dem Geiger aufweisen. Im Inhaltsverzeichnis des Albums sind diese bezeichnet als »H. Ernst künstliche Schriftzüge«.300 Beide Seiten wurden aus verschiedenen Richtungen und kopfüber, offenbar von mehreren Personen beschrieben, wobei mehrfach, teils in Spiegelschrift, der Name »Heinrich Ernst« zu lesen ist. Das erste Blatt ist datiert: »Boulogne sur mer den 10 August 1843«. Dass Ernst hier möglicherweise mit den Kindern der Familie Moscheles interagierte, lassen neben einem spaßigen französischen Text die geschriebenen Namen »Felix« und »Clara« vermuten (siehe Tafel 25).301 Tatsächlich verbrachten der Geiger und die Moscheles’ einige August-Tage zeitgleich im Ferienort Boulogne.302 Dies belegt ein weiteres Albumblatt vom 9. August 1843, für das Ignaz Moscheles in einem zweitaktigen Musiknotat das Lied (Nr. 4) aus den 1842 fertiggestellten Pensées Fugitives von Heinrich Wilhelm Ernst und Stephen Heller zitierte (vgl. Kap. 3.9.4).303 Über den Zeitvertreib des Vaters während dieser Ferien schrieb Emily Moscheles: »Wir haben hier köstlichen Unterricht vom Vater, aber er selbst spielt recht viel, gewöhnlich vor und mit anderen Künstlern, während sich unter den Fenstern eine Zuhörerschaar sammelt.«304 Der zweite Eintrag in unbekannter Handschrift, in dem mehrfach der Name »Heinrich Ernst« auftaucht, erinnert an ein »Fröhliches Wiedersehen in London. / den 4 April 1844«.305 Wiederum erscheint es wahrscheinlich, dass ein Spaß der Moscheles-Kinder den Hintergrund für die Entstehung des Albumblatts lieferte, möglicherweise im Beisein Ernsts,306 ist doch zu lesen: »um Sie 299 CM, S. 115. Ernsts Unterstreichungen von ›tief‹ und ›hoch‹ spielen zusätzlich auf die zwei Noten an, die den Umfang der Geige markieren. 300 Vgl. CM, Inhaltsverzeichnis. 301 CM, S. 124. »Souvent à de grossiers mensonges se mêle un peu de verité / Cette nuit par terreur d’un songe au rang des rois j’étais monté / Je vous aimais princesse et j’osais vous le dire / Les dieux à mon reveil ne m’ont pas tout oté / Je n’ai perdu que mon empire.« Bei den Reimen, die wahrscheinlich aus dem Gedächtnis niedergeschrieben wurden, handelt es sich um einen Ausschnitt aus einer Anekdote um Voltaire und Friedrich den Großen. Vgl. Encyclopédie comique 1803, S. 205. 302 Vgl. auch Rowe 2008, S. 121f. 303 Das Albumblatt ist im Stammbuch von Clara Beaumarié enthalten (vgl. Kap. 1.2.6). 304 Moscheles 1873, S. 105. 305 CM, S. 125. 306 Anfang April 1844 reiste Ernst erneut nach London, konzertierte zunächst in Manchester, später in

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

[zu] überzeugen schreibe ich meinen Namen / Heinrich Ernst / Harless [sic] / dieser Name ist leicht«. Im Album von Emily Moscheles findet sich schließlich ein nur wenige Tage später datierter Eintrag: »London, 3 Chester Cheese-Place Regents Park, 10, 10, 10, 10 te [vier-zehn-te] April 1844.«307 Auch bei diesem eher kindischen Eintrag handelt es sich nicht um ein Autograph Ernsts, wenngleich die Unterschrift auf den ersten Blick große Ähnlichkeit mit dem Original aufweist. Die Albumseite ist mit einem komischen Kopfprofil verziert (vgl. auch Kap. 3.8.2), das angesichts der Beschriftung (»dessin forcé représentant HWErnst«) keine Zweifel bezüglich der Identität der abgebildeten Person lässt. Zusätzlich ruht der Hals auf einem vier Töne umfassenden Notensystem, das wiederum das Incipit des Lieds (Nr. 4) aus den Pensées Fugitives von Ernst und Heller zitiert. Die Stücke für Geige und Klavier waren in der Familie Moscheles offenbar bekannt und beliebt;308 in der Londoner Ausgabe von Wessel & Co. von 1848 erscheinen Ignaz, Charlotte und Emily Moscheles schließlich sogar als Widmungs­ träger:innen einzelner Stücke.309 Vergleicht man den Eintrag in Emilys Album und das in Serenas Stammbuch enthaltene Blatt, ist schließlich eine auffällige Ähnlichkeit der Handschriften erkennbar. So ist zu vermuten, dass die Einträge von derselben Person erstellt wurden. Die Widmung »Zur freundschaftlichen Erinnerung an Heinrich W. Ernst«, begleitet von vier Takten einer zweistimmigen auf der ›Chanterelle‹ (der höchsten Geigensaite) auszuführenden Violinenmelodie, lässt anderes erwarten, doch handelt es sich definitiv nicht um ein Autograph Ernsts.310 Wie und unter welchen Umständen diese ›Fälschung‹ zustande kam, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Vor dem Hintergrund der anderen Albumblätter mit Bezug zu dem Geiger scheint es aber wahrscheinlich, dass Spiel und Neckerei der Moscheles-Kinder den Kontext dazu liefern. 3.7.2 Ein verwaistes Scherzo, Walzer und Kulinarisches. Die skurril-­ komischen Stammbucheinträge von Stephen Heller Während Heinrich Wilhelm Ernst zwar durchgängig mit seinem Namen, aber nicht mit eigenen Beiträgen präsent ist, finden sich autographe Einträge seines London. Rowe 2008, S. 126; vgl. auch Moscheles 1873, S. 110, S. 114. 307 EM f.1r. 308 Vgl. auch Moscheles 1873, S. 171. 309 Vgl. Heller/Ernst 1848. 310 SM, S. 2r.

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Scherz und Spiel

engen Freundes Stephen Heller in allen vier Moscheles-Alben. Es handelt sich um Musikeinträge, die, mit Ausnahme der Stammbuch-Komposition für Ignaz von 1843, sehr wahrscheinlich alle im Jahr 1845, im Rahmen eines Aufenthalts der Familie Moscheles in Paris, entstanden sind. Einträge von Stephen Heller IM

Paris

6.10.1843

Scherzino-Orphelin

SM

Paris

20.11.1845

Valse ingénieuse (8 T)

CM EM

Paris [o.O.]

20.11.[1845] [o.D.]

Valse sans fin (8 T)

Klavierstück (24 T)

Im Herbst 1843, nach dem Sommeraufenthalt in Boulogne, trafen die Moscheles’ nicht nur Ernst, sondern auch Stephen Heller in Paris an: »Wir haben hier in Paris wieder viel gesehen und bewundert, mit Meyerbeer, St. Heller, Benedict, Ernst und Halle’s gemüthliche Stunden verlebt […]«.311 Die hier angedeuteten geselligen Aktivitäten boten Gelegenheit für diverse Stammbucheinträge. Am 3.  Oktober 1843 schrieb sich etwa Daniel-François-Esprit Auber mit einem viertaktigen Musiknotat in Charlotte Moscheles’ Album ein,312 das weiterhin durch die von Emily Moscheles gestaltete Bleistiftzeichnung der Pariser »Rue Castiglione« vom 8. Oktober 1843 bereichert wurde (siehe Tafel 26).313 Zwei Tage zuvor, am 6. Oktober, entstand zudem der chronologisch früheste Eintrag in Emilys Stammbuch,314 das wahrscheinlich, ebenso wie Serenas Album, während dieses Aufenthalts in Paris gerade erst angeschafft worden war (vgl. Kap. 3.4). Ignaz Moscheles’ Album wurde im Herbst 1843 lediglich durch einen Beitrag, in Gestalt der Klavierkomposition Stephen Hellers, erweitert. Erst zwei Jahre später erbaten sich schließlich auch Charlotte und Serena Moscheles Einträge des Pianisten; wahrscheinlich kam zeitgleich auch der undatierte Eintrag in Emilys Album zustande. Zunächst ist zu bemerken, dass alle Beiträge Stephen Hellers in den Moscheles-Alben zur Kategorie der humorvollen, teils satirischen Einträge gehören, die – überladen mit Anspielungen und Verweisen – in erster Linie der adressierten Person verständlich sein sollten und deshalb aus heutiger Perspektive nur unvollständig zu entschlüsseln sind. Für das Album von Ignaz Moscheles (»à M. I. Moscheles / son admirateur devoué Stephen Heller«) notierte Heller auf zwei Albumseiten in dichter Notenschrift ein »Scherzino-Orphelin. (Morceau311 Moscheles 1873, S. 106; vgl. Rowe 2008, S. 122. 312 CM, S. 83. 313 CM, S. 159. 314 EM f.50r. Der Eintrag stammt von Isidor Löwenstern.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Trouvé, qui cherche un St. Vincent-de-Paul)« – ein ›verwaistes‹ kleines Scherzo in g-Moll, ein Fundstück auf der Suche nach seinem Heiligen Vinzenz von Paul, der sich seiner annehme. Ein erläuternder Text über dem Musikstück gibt weitere Auskunft: Le soussigné tuteur de ce Scherzino mineur le récommande a la bienveillance / du père adoptiv de tous les pianistes. Puisse-t-il regarder les frères et sœurs du présent orphelin / inédit sans trop de (#) [eingefügt: Noten op. 95 Nr. 1 Zorn/Courroux a-Moll] et sous trop d’ (f #) [eingefügt: Noten op. 95 Nr. 2 Versöhnung/Réconciliation F-Dur]!315

Heller spricht hier ›in Noten‹, indem er in seinen Widmungstext die Incipits der ersten beiden Etüden aus Moscheles’ op. 95 integriert.316 Auf diese Weise bittet er Ignaz Moscheles, den er als »Adoptivvater aller Pianisten« anspricht und damit dessen einflussreiche Stellung in der Musikwelt betont, um Nachsicht mit seiner Komposition. Auch die am Ende des Scherzinos platzierte Widmung ist von weiteren ›Melodiefetzen‹ aus Moscheles’ Werken umgeben bzw. durchsetzt. Zu erkennen ist das Incipit von op. 95 Nr. 5 (Kindermährchen), unter dem sich mit dem Namen »Perrault« ein Verweis auf den Titel der bekannten Moscheles’schen Etüde befindet.317 Direkt darunter ist die Melodie des Cantabile op. 70 Nr. 9 auszumachen, während der Name »Moscheles« in das Incipit seines Klavierkonzerts g-Moll, op. 60 ›hineingeschrieben‹ wurde. Der Stammbucheintrag für Charlotte Moscheles fällt schließlich noch reicher an Anspielungen und damit kryptischer aus (siehe Tafel 27). Heller schrieb ihr eine achttaktige »Valse sans fin, pour servir aux valseuses infatiguables« ins Album, also einen endlosen Walzer für die unermüdlichen Walzertänzerinnen.318 Unter dem Musiknotat ist die Widmung vielsagend: »A Madame Charlotte Moscheles par Stephen Heller / zerbricht sich den Kopf und findet keinen guten Einfall«.319 Deutlich wird hier, dass Heller sich offenbar in seiner Kreativität herausgefordert fühlte. So erstellte er mehrere mit Beschriftungen versehene 315 IM f.105v, f.106r (S. 144–145). »Der unterzeichnende Vormund dieses minderjährigen Scherzinos empfiehlt es dem Wohlwollen des Adoptivvaters aller Pianisten. Möge er die Brüder und Schwestern des vorliegenden unveröffentlichten Waisenkindes ohne zuviel [eingefügt: Noten op. 95 Nr. 1 Zorn/Courroux a-Moll] und mit sehr viel [eingefügt: Noten op. 95 Nr. 2 Versöhnung/Réconciliation F-Dur] betrachten!« (Ü.d.V.) 316 Das Incipit von op. 95 Nr. 2 erscheint hier leicht abgewandelt. 317 Der französische Schriftsteller Charles Perrault (1628–1703) verhalf mit seinen Märchen-Ausgaben dem Genre zu europaweiter Bekanntheit. Berühmte Märchen, wie Rotkäppchen oder Aschenputtel, stammen aus seiner Sammlung und wurden später in Grimms Märchen übernommen. 318 CM, S. 95. 319 Die von Heller auf der Albumseite angewandte Kombination von französischer und deutscher Sprache entspricht der Mehrsprachigkeit der Familie Moscheles.

Scherz und Spiel

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Zeichnungen, die schwer zu deuten, aber eindeutig dem konkreten geselligen Miteinander zuzuordnen sind. Anhand einer gezeichneten Menü-Karte »Carte du Jour / Potage / Entremets / Vol-au-Vent« ist ein »Diner du 20 Novembre« nachzuvollziehen. Dabei wurden offenbar auch »Marrons glacés!« gereicht, die Heller, der Größe der Schrift nach zu urteilen, besonders gut geschmeckt haben müssen. Der Datumsangabe zufolge und auch in Hinblick auf die Datierung von Hellers Eintrag in Serenas Album, dürfte das Diner im November 1845 in Paris stattgefunden haben. Darauf verweist zudem die von Heller unter den »Schöne[n] Erinnerungen« verbuchte »Sonate symphonique par I. Moscheles«, die dieser im Herbst 1845 in Paris komponiert hatte.320 Dass die Erinnerung an Moscheles’ Sonate [op. 112] zwei Wochen zuvor noch deutlich weniger positiv ausfiel, dokumentiert ein Brief Hellers an seinen engen Freund Eugène de Froberville,321 den er mit amüsanten Neuigkeiten aus Paris belieferte: [6. November] Monsieur Moscheles ist hier [in Paris] angekommen und arbeitet an einer Sonate zu vier Händen, mit deren Entwürfen er seinen treuesten Freunden auf die Nerven geht. Über dieses Unheil hinaus hat er zwei zusätzliche Hände mitgebracht, die ihm bei der vierhändigen Zurschaustellung helfen sollen. Es handelt sich um seine Tochter, eine junge Person von 18 Jahren, nett, wohl erzogen, die wirklich ein besseres Schicksal verdient hätte. Madame Moscheles hat ihren entsetzlichen »Schnupfen« [wie mit verstopfter Nase gesprochen], dessen exklusive Besitzerin sie seit nunmehr zwei Jahren ist, intakt gehalten. Es ist ein lebenslanger Schnupfen und ich würde Madame Moscheles nicht wiedererkennen ohne ihren Schnupfen und ihre Ausstattung an Taschentüchern. Ich habe ihr dazu geraten, es mit diesem charmanten Parfüm namens Ammoniak zu versuchen. (Ü.d.V.)322

320 »Aus dem Badischen geht es [im Oktober 1845] nach Paris, wo Moscheles seine Sonate symphonique componirt und sie dann mit Halle, später mit seiner Tochter in befreundeten künstlerischen Kreisen zu Gehör bringt.« Moscheles 1873, S. 146. 321 Der Ethnograph Prosper-Eugène Huet de Froberville (1815–1904) hatte sich als passionierter Musikdilettant mit Heller und dessen Bekanntenkreis, darunter Heinrich Wilhelm Ernst und Charles Hallé, um 1839/40 in Paris angefreundet. Im Herbst 1845 war er zu einer Reise nach Mauritius aufgebrochen. Eigeldinger/Heller 1981, S. 294f. 322 »[6 novembre] M. Moscheles est arrivé ici et travaille à une Sonate à 4 mains, avec les brouillons de laquelle il assomme ses amis les plus dévoués. Par surcroît de malheur, il a amené avec lui les 2 mains supplémentaires qui doivent l’aider à cette exhibition quadrumane. C’est sa fille, jeune personne de 18 ans, gentille, bien élevée et digne d’un meilleur sort. Mme Moscheles a gardé intact son effroyable ›rhube de cerbeau‹ [rhume de cerveau] dont elle était propriétaire exclusive il y a 2 ans. C’est un rhume à perpétuité, et je ne reconnaîtrais plus Mme Moscheles sans son rhume et son attirail de mouchoirs. Je lui ai conseillé de respirer ce charmant parfum nommé l’Ammoniaque.« Ebd., S. 169.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Der Brief ist in mehrerlei Hinsicht aufschlussreich. So lässt er zum einen Stephen Hellers spezielle ›spitzzüngige‹ Persönlichkeit,323 darüber hinaus aber auch die Gestaltung unterhaltender Kommunikation in der Pariser Gesellschaft plastisch hervortreten. Zum anderen zeigt sich, dass Stammbucheinträge, wie alle biographischen Quellen, grundsätzlich eine gefilterte Perspektive bieten, die in Hinblick auf die Intentionen der Eintragenden, die in der Regel dem Albumeigner bzw. der Albumeignerin schmeicheln möchten, zu lesen sind. Zurückkommend auf Hellers illustrierende Zeichnungen in Charlotte Moscheles’ Album ist festzustellen, dass dort »Schöne Erinnerungen« »Schreckliche[n] Erinnerungen« gegenübergestellt werden. Zu ersteren zählt der Pianist neben der Moscheles-Sonate vor allem kulinarische Genüsse. Verwiesen wird auf ein durch die Menü-Karte erinnertes Diner und eine Torte, die nur anhand ihrer Beschriftung als solche zu erkennen ist: »Torte, nicht nach dem Leben, aber nach ihrem Essen gezeichnet«. Darüber platziert Heller die »Schrecklichen Erinnerungen«. Zu erkennen sind eine »Cigare écartelé à l’usage de convives de Chevalier Blaguebrennerrer« und »du Café pour Tom Pouce«. Hinter dem Spottnamen »Ritter Witz-Brennerrer« verbirgt sich vermutlich Friedrich Kalkbrenner, der seinen Gästen nur eine Zigarre anbieten konnte, die schließlich viergeteilt werden musste – so kann gemutmaßt werden. Weiterhin scheint Heller die Größe eines dort oder anderswo servierten »Däumling-Kaffees« nicht zugesagt zu haben. Insgesamt wird deutlich, dass Heller all diese ›Erinnerungen‹ nur deshalb in Charlotte Moscheles’ Album gezeichnet haben wird, weil sie entweder selbst zu der entsprechenden Gesellschaft gehört hatte oder ihr im Detail davon berichtet worden war. Ähnlich skurril und wahrscheinlich aus einem konkreten Beisammensein hervorgegangen, erscheint auch Hellers Eintrag in Emily Moscheles’ Stammbuch.324 Er notierte für die 18-jährige Pianistin ein Klavierstück im Walzertakt mit der Vortragsbezeichnung »Behaglich«. Das Stück endet abrupt mit dem Verweis auf eine Fortsetzung: »la suite au (prochain numéro)«. Zum angeblichen Entstehungsrahmen schrieb Heller, der sich als Bewunderer von Chopin offenbart und damit auf die Begeisterung der jungen Frau für ihr Klavieridol anspielt (vgl. Kap. 3.6.3): Ecrit pendant le recit des merveilleuses aventures; pendant une improvisation sur le piano, pendant la conversation / d’un habitant de la Libérie (propriétaire d’un nez tartare) et pendant un tintamarre effroyable – / que Mlle Emily me pardonne! / Stephen Heller / co-admirateur de Chopin325 323 Zu Hellers Charakter im Spiegel seines Schreibstils vgl. ebd., S. 17–23. 324 EM f.6r. 325 »Geschrieben während der Erzählung fabelhafter Abenteuer; während einer Improvisation am Kla-

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Auch für das Stammbuch der zwei Jahre jüngeren Serena wählte Stephen Heller, wie für die Alben von Mutter und Schwester, eine Walzerkomposition; er notierte acht Takte mit dem Titel »Valse ingénieuse« (»raffinierter Walzer«), der die Einförmigkeit des Stückes zu karikieren scheint.326 Die Häufung von Walzern in den Moscheles-Alben mag damit in Zusammenhang stehen, dass sich Heller, von Chopin beeinflusst, in diesen Jahren verstärkt der Tanzform zuwandte.327 Der kurze Eintrag für Serena ist in Paris datiert und »a Mdlle Serena par StHeller« gewidmet. Irritierend ist die Anmerkung »Pour Copie conforme« (»als beglaubigte Abschrift«). Während diese eindeutig in Hellers Handschrift verfasst ist, weicht die Unterschrift in einigen Punkten von seiner charakteristischen Signatur ab. So könnte es sich zumindest bei der Unterschrift um eine nachträgliche ›kindliche‹ Ergänzung bzw. ›Fälschung‹ handeln. Im Vergleich der »Valse ingénieuse« mit dem Klavierstück für Emily fallen neben übereinstimmender Ton- und Taktart einige Ähnlichkeiten in den Basswendungen auf, die den Hinweis »beglaubigte Abschrift« in Bezug auf den umfangreicheren und aufwändiger gestalteten Eintrag für Serenas ältere Schwester Emily erklären könnten. Obgleich nicht gänzlich zu entschlüsseln, bieten die Stammbucheinträge von Stephen Heller in den vier Moscheles-Alben einen lebendigen Eindruck seiner vor Witz und Satire sprühenden kreativen Persönlichkeit. Zugleich vermitteln sie ein Verständnis von Unterhaltung und Humor, das zwar spezifisch für Heller ist, aber doch auch als eine Facette des gängigen gesellschaftlichen Umgangs in seinem weiteren Umfeld angesehen werden kann. Insbesondere das Albumblatt für Charlotte Moscheles, mit den Zeichnungen und zahlreichen Anspielungen auf gemeinsam Erlebtes, wirkt wie ein ›Zoom‹ in das gesellige Leben in Paris im Umkreis von Stephen Heller und der Familie Moscheles. 3.8 Bilder und Zeichnungen in den Moscheles-Stammbüchern Stammbücher stellen Medien dar, die nicht nur auf wort- und notensprachlicher Ebene, sondern ebenso in ihrer visuellen Aussagekraft ›gelesen‹ werden wollen. Bilder und Zeichnungen, die Einträge begleiten oder ohne Kommentar für sich stehen, sind in den meisten Musik-Stammbüchern enthalten und sollten bei Überlegungen zur Rezeption und bei der wissenschaftlichen Auswertung eines vier, während einer Unterhaltung mit einem Bewohner von Liberien (Eigentümer einer tartarischen Nase) und während eines entsetzlichen Getöses – so dass Mademoiselle Emily mir vergebe! / Stephen Heller / Mit-Bewunderer von Chopin«. (Ü.d.V.) 326 SM, S. 8r. 327 Im Jahr 1844 komponierte Heller die Walzer op. 42, op. 43 und op. 44. Müller-Kersten 1986, S. 102–106.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Albums einen angemessenen Raum einnehmen. Für musikwissenschaftliche Fragen sind insbesondere Zeichnungen mit Musikbezug von Interesse, eröffnen sie doch auf der eher ungewohnten Bildebene zusätzliche Erkenntnis­perspek­ tiven,328 die neue Impulse bei der Erforschung musikkulturellen Handelns mit sich bringen.329 Für den Umgang mit Bildquellen liefern die Herangehensweisen der »Historischen Bildkunde« bzw. der »Visual History«, als erweitertem Konzept, eine gute Orientierung.330 Die Ansätze, die in der Geschichtswissenschaft infolge der Hinwendung zu bildlichen bzw. visuellen Quellen entwickelt wurden,331 zielen vor allem darauf, Bilder als historische Quellen zu verstehen, die »nicht als wirklichkeitsgetreue Wiedergabe der Realität mißverstanden werden [dürfen]«.332 Grundlegend ist dabei, dass Bilder nicht losgelöst von zeitgenössischen ästhetischen, intellektuellen und sozialen Diskursen gedeutet werden können, somit in ihren gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Funktionen und Kontexten zu verorten sind und zugleich über diese Auskunft geben. Diesbezüglich ist folgende Fragestellung, die eine transdisziplinäre Forschungsperspektive intendiert, zielführend: »Wo wird wem was und wie zu sehen gegeben, oder wo ist wem was und wie unsichtbar gemacht?«333 In den vier überlieferten Alben der Familie Moscheles werden insgesamt knapp 100 Zeichnungen ›zu sehen gegeben‹.334 52 Zeichnungen, also etwas mehr als die Hälfte der Bilder, befinden sich in Charlottes Album,335 das sie als 328 In der Musikikonographie-Forschung ist die Auseinandersetzung mit musikbezogenen Bildquellen allerdings seit vielen Jahrzehnten etabliert. Vgl. MGG2: Seebass 1997. Bereits 1994 betonte Walter Salmen die Bedeutung von Stammbuchillustrationen als musikgeschichtliche Quellen für das 15. bis 18. Jahrhundert, die zum einen über Leitbilder und Bildungsstoffe der akademischen Milieus Auskunft geben, zum anderen den konkreten alltäglichen Umgang mit Tanz und Musik beleuchten. Salmen 1994. 329 Für spannende Überlegungen zur Frage »Ist Musik sichtbar?«, die von einer Plurimedialität der Musik ausgehen, vgl. Reda 2017. 330 Hierzu Talkenberger 1998; Paul 2006; vgl. insbesondere Bebermeier 2015. Carola Bebermeier wertete für ihre biographische Studie zu Celeste Coltellini (1760–1828) neben den gängigen schriftlichen Quellen zehn erhaltene Skizzenbücher der Sängerin und Malerin aus. Zur Verwendung und Nutzbarmachung von bildlichen Quellen für die musikhistorische Forschung am Beispiel der Karikaturen von James Gillray vgl. Unseld 2017; Bagge/Kreutzfeldt 2016. 331 Disziplinenübergreifend wird diesbezüglich vom »Iconic Turn« (Gottfried Boehm), »Pictorial Turn« (William J.T. Mitchell) oder »Visual Turn« gesprochen. Hierzu Bachmann-Medick 2008; vgl. auch Schade/Wenk 2011, S. 40–42. 332 Talkenberger 1998, S. 83. 333 Schade/Wenk 2011, S. 53. 334 Drucke oder Fotos von Zeichnungen werden hier nicht mitgezählt. 335 Drei offensichtlich zusammengehörige Zeichnungen in Charlotte Moscheles’ Album, die auf einer Albumseite eingeklebt sind (CM, S. 79), wurden als ein Beitrag gezählt. Je nach Betrachtung könnte

Bilder und Zeichnungen

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persönliches Erinnerungs- und Sammelmedium und nicht in erster Linie als den Eintragenden vorzulegendes Stammbuch im geläufigen Sinne verwendete. Wie bereits zur Sprache kam, wurden ein Drittel aller Beiträge ihres Albums und sogar nur ein Sechstel der Zeichnungen direkt darin ausgeführt, 43 Zeichnungen wurden nachträglich eingeklebt. In Ignaz’ Album sind 14 Zeichnungen enthalten, nur zwei davon wurden im Album ausgeführt. Emilys Album enthält 20 Zeichnungen (davon neun im Album ausgeführt); Serenas Album enthält neun Zeichnungen (davon fünf im Album ausgeführt). Betrachtet man die Gesamtheit der Bilder in den vier Musik-Stammbüchern, erfolgte somit nur etwa ein Viertel aller Zeichnungen direkt auf den Albumseiten. Grundsätzlich ist also festzustellen, dass die Zeichnungen, wahrscheinlich aus praktischen Gründen, in die Moscheles-Alben überwiegend nachträglich eingefügt wurden. Abzuleiten ist daraus, dass Stammbücher im Allgemeinen nicht wie Skizzen- oder Malbücher verwendet wurden, in denen man direkt zeichnete. Offenbar entschieden Qualität und persönlicher Erinnerungswert über die Aufnahme einer Zeichnung in ein Album. Circa 30 der in den Moscheles-Stammbüchern enthaltenen knapp 100 Zeichnungen zeigen Landschaften und Architekturen.336 Weiterhin gibt es zahlreiche Porträts, Genre-Szenen und einige Stillleben, zumeist mit Blumen. 25 Zeichnungen, also etwa ein Viertel des Korpus, weisen einen klaren Musikbezug auf.337 Die musikbezogenen Zeichnungen sind sehr vielfältig und thematisieren Musik auf unterschiedliche Weise. Geeint werden sie in ihrer identitätsstiftenden Funktion, wobei Lebensstil, Selbstverständnis und kulturelle Orientierung der entsprechenden Kreise ›ins Bild‹ gesetzt werden. Bemüht man sich um eine Unterteilung, drängt sich als erste und die meisten Beispiele umfassende Kategorie der Bereich der ›Musikausübung‹ (8) auf. Als weitere Kategorien ergeben sich ›Porträts und Karikaturen von (männlichen) Musikern und Komponisten‹ (5)338 und ›Allegorische Darstellungen von Musik‹ (5). Knapp ein Drittel der Zeichnungen, darunter die von Felix Mendelssohn Bartholdy gestalteten Albumblätter (vgl. Kap. 3.6), entziehen sich aufgrund ihrer Einzigartigkeit einer Kategorisierung.339 man auch die von Stephen Heller im selben Album gestaltete Seite (vgl. Kap. 3.7.2), die neben Noten und Textpassagen verschiedene zeichnerische Elemente aufweist, zu den Zeichnungen rechnen. 336 Zu Bezügen zwischen Landschaftsmalerei und Musik, denen hier nicht nachgegangen werden kann, vgl. Gottdang 2006. 337 Manche Darstellungen, wie Genre- oder Landschaftsbilder, die Tanz- oder Musizierszenen beinhalten, sind nicht eindeutig einer Kategorie zuordenbar. 338 Joseph Joachims Porträt (SM, S. 1r) wurde hier mitgezählt, in der tabellarischen Übersicht jedoch nicht als Zeichnung, sondern als Noteneintrag kategorisiert. 339 Dazu zählen die Glückwunschkarten (CM, S. 39; CM S. 75), die Zeichnung für Emily (EM f.2r)

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Im Folgenden möchte ich ausgewählte musikbezogene Zeichnungen vorstellen und soweit möglich entsprechende Kontexte rekonstruieren, um am Beispiel der Moscheles-Alben generelle Tendenzen in der Gestaltung von Zeichnungen in Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts aufzuzeigen. Die Verknüpfung der Künste kommt dabei in vielfältiger Weise in der Interaktion zwischen Musik und bildender »Schwesterkunst« zum Ausdruck.340 Sie erweist sich für die rahmende Erinnerungs- und Unterhaltungskultur, die von der zeitgenössischen Rezeptionshaltung eines »Bildhörens« und »Musiksehens« geprägt erscheint,341 als zutiefst charakteristisch. 3.8.1 Musikausübung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit Die in den Moscheles-Alben enthaltenen Zeichnungen, die verschiedene Formen der Musikausübung darstellen, können grob unterteilt werden in Szenen eines öffentlichen, eines halböffentlichen und eines privaten Umfelds. In allen drei Bereichen, jeweils durch aussagekräftige Beispiele repräsentiert, gestatten die Stammbuch-Zeichnungen eine visuelle Annäherung an verschiedene Facetten des musikkulturellen Handelns im gesellschaftlichen Radius der Familie Moscheles. In Emily Moscheles’ Stammbuch kann der:die Betrachter:in etwa von einer Seitenempore oder möglicherweise auch von der Bühne aus einen Blick in den Rang eines Theatersaals während einer Vorstellung werfen; die Zuschauer blicken gebannt auf ein nicht sichtbares Bühnengeschehen (siehe Tafel 28).342 Die kleinformatige dicht gedrängte Tintenzeichnung des französischen Journalisten und Illustrators Charles Lallemand (1826–1904) bietet darüber hinaus zahlreiche weitere Blickwinkel: Rund um die Szene im Rang sind in einem imaginären Raum diverse Porträts in mannigfachen Positionen und scheinbar willkürlichen Größenverhältnissen verteilt. So fasst der Künstler in einem kleindimensionierten, aber sehr intensiven Bild seine visuellen Eindrücke, die er eigentlich im Laufe eines längeren Zeitrahmens, vermutlich über die gesamte Aufführung hinweg, sammelte, zu einem einzigen Theatermoment zusammen. und das Antigone-Bühnenbild (CM, S. 87) von Felix Mendelssohn, außerdem die Zeichnung des Chopin-Grabmals (EM f.10r), jene von Jaëlls Hand (EM f.19r) und Saphirs »Instrumenten-Figur« (IM f.146v, S. 210; vgl. Kap. 3.8.5). 340 Auch in der Moscheles-Biographie wird die Rede von der »Schwesterkunst« aufgegriffen. Moscheles 1873, S. 109. 341 Zur Korrespondenz von Musik und Malerei im 19. Jahrhundert sowie insbesondere zum »Bildhören« und »Musiksehen« vgl. Gottdang 2004, hier: S. 238–241. 342 EM f.22r.

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Eine weitere ›Momentaufnahme‹ aus dem Theaterbereich wurde als Bleistiftzeichnung direkt in Emilys Album ausgeführt:343 Im Fokus steht eine singende oder rezitierende Dame im schulterfreien Kleid, die ein nicht genauer zu identifizierendes Papier vor sich hält. Ihre nach vorn gebeugte Körperhaltung und der nach oben gerichtete Blick deuten auf eine aktive und gefühlte Bühnendarbietung hin. Zu Füßen der Darstellerin sind zwei Personen aus dem Publikum zu erkennen, die ihren Blick auf die Bühne richten; ein glatzköpfiger Herr ist im Begriff zu applaudieren. In der linken Ecke fällt ein Mann mit ausgeprägter Nase in grüblerischer Pose auf, den Kopf in die Hand gestützt. Er hat sich vom Bühnengeschehen abgewandt und ist in einer Position gezeichnet, die ihn aus der dargestellten Szene vor allem räumlich, möglicherweise auch zeitlich ausschließt. Thematisiert werden auf diese Weise verschiedene Wahrnehmungsräume zwischen individuellem und kollektivem Erleben. Zugleich repräsentiert die Zeichnung die ›männliche‹ Rezeption ›weiblichen‹ Interpretentums – eine Konstellation, die auch für eine weitere Darstellung kennzeichnend ist. Die auf den 16. Juli 1853 datierte Zeichnung zeigt die Probe eines Damenchors (siehe Tafel 29), möglicherweise aus dem Umfeld von Emily Roche.344 Der Illustrator James Edmund Doyle zeichnete direkt auf einer Albumseite, so dass davon auszugehen ist, dass das Bild in London entstand.345 Die Szene gewährt Einblick in einen halböffentlichen bis privaten Raum. Die Damen – alle tragen hutartige Hauben, sogenannte ›Schuten‹ – sitzen im Halbkreis auf Stühlen und halten Notenblätter vor sich. Die über ihren Köpfen aufsteigenden Noten machen ihren Gesang für den:die Bildbetrachter:in sichtbar. Vor ihnen auf einem leicht erhöhten Podium blicken wir auf den Rücken eines Mannes, der den Chor vom Pianoforte aus zu leiten scheint. Ein weiterer Herr lugt hinter einer Ecke hervor und folgt offenbar unbeobachtet dem Probengeschehen. Der am linken unteren Bildrand platzierte offene Herrenzylinder könnte auf einen möglichen karitativen Hintergrund der Probe verweisen. Die Unmittelbarkeit des aktiven Musizierens fängt auch die Bleistiftzeichnung eines Cello spielenden Mannes in Charlotte Moscheles’ Album ein.346 Er kann durch den beigefügten Namen »Lindley« als der Londoner Cellist Robert Lindley identifiziert werden. Durch die Notiz »By Mr Lee« kann die Zeichnung Robert Lee zugeschrieben werden, dem zweiten Ehemann der Autorin und Naturforscherin Sarah Bowdich Lee. Für Charlotte »war sie im Moscheles’schen 343 EM f.7r. Die Zeichnung ist auf dem 18. Juli 1846 datiert und an der rechten unteren Ecke unleserlich signiert. 344 EM f.13r. 345 James Edmund Doyle (1822–1892) ist der älteste Sohn des politischen Karikaturisten John Doyle (1797–1868), der in London unter dem Pseudonym »H.B.« Bekanntheit erlangte. 346 CM, S. 17.

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Hause ganz Freundin, oft belehrend, stets liebenswürdig, und überaus empfänglich für musikalische Genüsse«.347 Auch Sarah Bowdich Lee und ihre Tochter Tedlie Hutchison Bowdich gestalteten jeweils ein farbenfrohes Blumenstillleben für Charlottes Album,348 während ›Mr. Lee‹ neben der Darstellung von Lindley noch fünf weitere Zeichnungen beitrug. Unter diesen Zeichnungen ist eine Szene, die das Musizieren im privaten Umfeld, vielleicht im Salon eines Privathauses, zu thematisieren scheint. Zu sehen gegeben wird ein Mann am Pianoforte, der aus einem aufgeschlagenen Buch oder Heft spielt; ein etwas älterer Herr mit Brille, für den ein Stuhl bereitsteht, hat sich hinter ihn gestellt und schaut ihm über die Schulter.349 Durch das Inhaltsverzeichnis des Albums ist eine Identifizierung der Personen möglich: Am Klavier sitzt Ignaz Moscheles; hinter ihm hat sich der Dirigent und Konzertveranstalter George Smart mit auf dem Rücken verschränkten Händen postiert. Moscheles spricht mit seinem Kollegen offensichtlich über Musik, während er am Klavier spielt. Vielleicht präsentiert er eigene Kompositionen, die Männer erörtern Fragen der Interpretation oder aber auch die Werkauswahl für ein zukünftiges Konzert.350 In jedem Fall gelingt es ›Mr. Lee‹ einen Moment des persönlichen Umgangs sowie des Alltags zweier einflussreicher Protagonisten des Londoner Musiklebens glaubwürdig einzufangen. Zugleich kann die Zeichnung als Inszenierung gelesen werden, die Moscheles’ Wirken als professioneller und gut vernetzter Musiker vermitteln möchte. 3.8.2 Liszt-Karikaturen und Musiker-Porträts Karikaturen, als ›überladene‹, die Realität überzeichnende Darstellungen, thematisieren gesellschaftliche, kulturelle oder politische Themen, wobei sie zugleich unterhalten möchten.351 In Hinblick auf die Wahrnehmung von diskursbestimmenden Akteuren des Musiklebens im 19. Jahrhundert ist der Bereich der Karikatur in den Moscheles-Alben, neben dem Druck einer nur ansatzweise karikierenden Beethoven-Zeichnung in Ignaz Moscheles’ Album,352 anhand 347 Moscheles 1872, S. 245. 348 CM, S. 128; CM, S. 63. 349 CM, S. 9. Die Zeichnung wurde zuerst abgedruckt in: Ehrlich 1995, S. 45; vgl. auch British Library 1999, S. 151; Rost 2017, S. 27f. 350 Zu Georg Thomas Smart (1776–1867), den seine führende Rolle im Londoner Konzertleben sowie insbesondere sein Wirken in der Philharmonic Society und der Royal Academy of Music mit Ignaz Moscheles verband, vgl. Carnelley 2015. 351 Vgl. auch Unseld 2017a. 352 IM f.6r (S. 3); vgl. Kap. 3.2.1.

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zweier mutmaßlicher Liszt-Darstellungen in den Stammbüchern der Schwestern vertreten. Eine dieser Liszt-Karikaturen, eine in Emily Moscheles’ Album eingeklebte Tintenzeichnung, stammt von dem Schriftsteller, Illustrator und Komponisten Franz Ludwig Graf von Pocci (1807–1876), der vor allem als Verfasser von Stücken für das Puppentheater Bekanntheit erlangte.353 Pocci, zweiter Zeremonienmeister von König Ludwig I. von Bayern, hatte Franz Liszt im Oktober 1843 kennengelernt, als der Pianist bei seiner Tournee durch Süddeutschland in München konzertierte. Im Rahmen von Gesellschaften, an denen auch Bettina von Arnim und ihre Töchter beteiligt waren, komponierte Liszt für Pocci ein Lied, das erst kürzlich wiederentdeckt wurde.354 Pocci wiederum hielt Liszt auf zwei Zeichnungen fest; darunter ist eine aquarellierte Bleistiftzeichnung, die Liszt am Klavier von Engeln umgeben zeigt.355 Die Anlage dieser Zeichnung könnte als grobe Orientierung für die undatierte Karikatur in Emily Moscheles’ Stammbuch gedient haben. Wie der vertraulich wirkende Text unter der exzentrischen Darstellung vermuten lässt, kannte Pocci die Adressatin oder den Adressaten seiner Worte gut: »Wenn du diese Zeichnung ansiehst so fluche nicht Dein FP«.356 Das Bild zeigt einen rauchenden ›Liszt‹, der vor allem am Haarschnitt und den übertrieben langen Fingern zu erkennen ist. Er sitzt mit mehreren Orden und einem Säbel ausgestattet an den Tasten. Auffällig sind seine gestreckten spindeldürren Arme und Beine. Links auf dem Pianoforte ist eine Engelsgestalt mit Laute positioniert, die gemeinsam mit ›Liszt‹ zu musizieren scheint. Als Gegenpart zum Engel steht hinter dem Pianisten auf einem Podest eine teufelsartige Gestalt mit Flügeln, die die Glut seiner länglichen Zigarre mit einem Blasebalg befeuert. ›Liszt‹ ist aber nicht der einzige, der auf der Zeichnung rauchend dargestellt ist. Auf dem Seitenteil des Instruments ist ein Kopfprofil mit Zigarre abgebildet, das nur auf den zweiten Blick zu bemerken ist. Aufgrund der herausgenommenen Stellung des Porträts dürfte es sich um ein Selbstbildnis Poccis handeln.357 Hinter dem Teufel sind mit viel Fantasie weitere Gesichter und Herzformen auszumachen. Die an Anspielungen und vertraulichen Scherzen reiche Karikatur verweist auf den freundschaftlich-geselligen und von Musik geprägten Umgang zwischen der Fa353 Zu Poccis vielseitigem Wirken vgl. Moisy 2007, darin zu Poccis Karikaturen: S. 126–148. 354 Vgl. Liszt 2007. 355 Ebd., S. XI. Die Zeichnung ist abgedruckt in: Moisy 2007, S. 58. 356 EM f.25r. Das Blatt wurde nachträglich eingeklebt und könnte somit auch ursprünglich für eine andere Person aus Emily Moscheles’ Umfeld entstanden sein. 357 Das Kopfprofil weist große Ähnlichkeit mit anderen Selbstporträts Poccis auf. Vgl. Moisy 2007, S. 62, S. 133f., S. 144.

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milie Moscheles und Graf Pocci, der darüber hinaus drei weitere Zeichnungen für die Moscheles-Alben gestaltete (vgl. Kap. 3.8.3). Die zweite mutmaßliche Liszt-Karikatur findet sich in Serena Moscheles’ Stammbuch.358 Die etwas ungelenke Bleistiftzeichnung, ohne Jahresangabe in Leipzig auf den 17. Oktober datiert, erweckt den Eindruck, als habe sie ein Kind oder Jugendlicher angefertigt. Sie zeigt das Kopf- und Oberkörperprofil eines Mannes, der anhand seiner übertrieben spitzen Gesichtszüge und seines Haarschnitts als Liszt-Abbild zu erkennen ist. Generell ist davon auszugehen, dass die Moscheles-Kinder Franz Liszt bei einem seiner Besuche bei den Moscheles’ in London, später in Leipzig, persönlich kennengelernt hatten.359 Ignaz Moscheles selbst unterhielt, trotz einer in der Presse beschworenen Konkur­renz­ situation,360 mit dem 17 Jahre jüngeren Liszt, mit dem er verschiedentlich öffentlich, aber auch im Privaten musizierte,361 über Jahrzehnte hinweg ein freundschaftliches Verhältnis. Neben der Liszt-Zeichnung tragen noch drei weitere Personendarstellungen in den Alben der Moscheles-Schwestern karikierende Züge. So zeigt der von Joseph Joachim gestaltete Stammbucheintrag in Serenas Album ein Kopfprofil mit abfallender Stirn, bei dem es sich um ein Selbstporträt des zwölfjährigen Joachim handeln dürfte (vgl. Kap. 3.4.1).362 Der mit dem Namen Heinrich Wilhelm Ernst unterzeichnete, jedoch wohl als Scherz unter Kindern ›gefälschte‹ Eintrag in Emilys Album ist mit einem Porträt mit übermäßig großer Nase verziert (vgl. Kap. 3.7.1).363 Unter der vermeintlichen Unterschrift sind mit Geige und Bogen zusätzlich für Ernst wesentliche Attribute dargestellt, die vermutlich die Glaubhaftigkeit des Eintrags unterstreichen sollten. Auch der Pianist Michelangelo Russo gestaltete für die gleichaltrige Serena Moscheles ein Stammbuchblatt mit einem seitlichen Profil mit übergroßer knolliger Nase. Dazu schrieb er: Je vous souhaits dans votre vie. Un bon cheval un bel ami. / Cent ducats quand vous voudrez. Le paradis quand vous mourrez. / L’ancien ami dévoué de Made.lle Serena / Michelangelo Russo364

358 SM, S. 4v. 359 Vgl. Moscheles 1873, S. 49f., S. 247. 360 Ebd., S. 136f. 361 Ebd., S. 77, S. 291–293. 362 SM, S. 1r. 363 EM f.1r. 364 SM, S. 3r. »Ich wünsche Ihnen in Ihrem Leben ein gutes Pferd, einen netten Freund. / Hundert Dukaten, wenn Sie sie wünschen, das Paradies, wenn Sie sterben. / Der alte ergebene Freund von Fräulein Serena / Michelangelo Russo«. (Ü.d.V.)

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Das Blatt ist nicht datiert und wurde nachträglich eingeklebt, so dass es für eine Eingrenzung des Entstehungszeitraums kaum Anhaltspunkte gibt. Die Moscheles-Biographie erwähnt Russo im Jahr 1841 als pianistischen »Wun­der­ knabe[n]«.365 Der aus Neapel stammende Russo konzertierte bereits als Kind in ganz Europa und wurde in London von Ignaz Moscheles unterrichtet.366 Auch die Formulierung »l’ancien ami« verweist darauf, dass sich Serena Moscheles und Michelangelo Russo bereits in jungen Jahren kennengelernt hatten. Das Alter des auf dem Porträt Abgebildeten, sofern es sich wie angenommen wirklich um Russo handelt, lässt sich schwer bestimmen, stellt aber keinen Jugendlichen dar. Auf dieser Grundlage ist zu vermuten, dass das Stammbuchblatt vielleicht Ende der 1840er Jahre, in jedem Fall vor Serenas Eheschließung 1854 entstanden sein muss, da Russo die Anrede »Mademoiselle Serena« verwendete. Insgesamt liegt es nahe, die eben besprochenen Kopfprofile als witzige Beigaben aufzufassen, die die entsprechenden Stammbucheinträge auf visueller Ebene bereichern und interessanter gestalten sollten. Zugleich sind die Porträts auch vor dem Hintergrund eines historisch gewachsenen Brauchs zu verstehen, der mit dem Aufkommen der Silhouetten-Mode in Stammbüchern Mitte des 18. Jahrhunderts weite Verbreitung fand,367 aber etwa auch im Album des Geigers Heinrich Panofka, das zwischen 1827 und 1892 geführt wurde, zu beobachten ist.368 3.8.3 Die Zeichnungen von Franz Graf von Pocci Neben der bereits beschriebenen Liszt-Karikatur fertigte Franz Graf von Pocci in Emilys Album eine weitere Tintenzeichnung an. Darüber hinaus finden sich auch in Ignaz’ und Serenas Alben Zeichnungen von Pocci, die vermutlich alle im Herbst 1844 während eines Aufenthalts der Familie in München erstellt wurden.369 Zudem existierte eine in München datierte Federzeichnung vom 6. November 1844 in einem heute verschollenen Stammbuch Charlotte Moscheles’ (vgl. Kap. 3.3.2) mit einem »Standbild eines Troubadours an einem gotischen Gebäude über einem mit Burgen bestandenen Strom«.370 Die lediglich mit der 365 Moscheles 1873, S. 79. 366 Vgl. das »Künstler-Portrait« zu Michelangelo Russo in: Bühnenwelt 1843, S. 117f. 367 Hierzu Göhmann-Lehmann 1994, S. 25f. 368 Vgl. Panofka 2007. Das Stammbuch enthält 35 Porträt-Abbildungen zur Begleitung der Einträge. 369 »Auch Graf Pocci bereichert die Albums der Familie mit seinen unnachahmlich schönen Federzeichnungen.« Moscheles 1873, S. 121. 370 Stargardt (548) 1960, S. 145 (Lot 621).

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Jahreszahl datierte Zeichnung in Serenas Stammbuch,371 offenbar ein Mitbringsel von der Reise, an der sie selbst nicht teilgenommen hatte, zeigt eine für Pocci typische Landschaft um eine burgähnliche Anlage auf einem Hügel mit einem Ritter im Vordergrund.372 In Ignaz’ Album zeichnete Pocci eine fantasievolle Minneszene, von pflanzenartigen Arabesken gerahmt.373 Ein Laute spielender, mittelalterlich gekleideter junger Mann blickt in die Höhe und imaginiert das Zimmer seiner Angebeteten, die ihren Kopf in die Hand gestützt, in Gedanken versunken, an einem Brief schreibt. Ein Putto sitzt vor ihr auf dem Tisch und umfasst ein für ein Tintenfass etwas zu groß dimensioniertes Gefäß. Auch auf der zweiten Zeichnung in Emilys Album (siehe Tafel 30), bei der es sich um den ausdrucksvollsten unter den vier besprochenen Beiträgen von Pocci handelt, flankieren zwei Putten das Bild: Ein Putto spielt auf einer Laute, der andere scheint den Mund zum Singen zu öffnen.374 Die musizierenden Putten überdachen gewissermaßen die dargestellte Szene am Ufer eines Sees, die wiederum von vegetalen Dekorationen und Arabesken gerahmt wird. Im Fokus des Bildes steht eine Harfe spielende Engelsgestalt mit Heiligenschein. Sie sitzt etwas erhöht, so dass ein Banner, das sie als allegorische Darstellung der »Musica« identifiziert, bildmittig in Szene gesetzt werden kann. Pocci kommentierte das Bild wie folgt: »An den Kleksen ist die schlechte / Feder schuld, an der schlechten / Zeichnung FPocci 3/11 44.« Unten links fügte er eine weitere Zeile hinzu, in die die Zeichnung eines Hirsches integriert ist. Auf diese Weise erfahren wir, dass das Bild in einem Münchener Gasthof angefertigt wurde: »Im goldenen [gezeichneter Hirsch] Abends 6 Uhr.«375 Ob die Moscheles’ ihn bei diesem Gasthausbesuch begleiteten oder ob Pocci das Album geliehen hatte und die Zeichnung zufällig im ›Goldenen Hirschen‹ entstand, bleibt offen. Diese Zeichnung sowie jene für Ignaz Moscheles lassen Poccis »Ideal einer Synthese der Künste« durchblicken, das er in Bezug auf sein Liedschaffen in folgende Worte fasste: »Fortwährend erfüllte mich das Streben nach dem Ideale, die drei Kunstrichtungen in Eines zu bringen. Eigene Dichtungen in Musik zu setzen und mit Randbildern zu umgeben, wurde zur ersten Manifestation dieser Idee.«376 Auffällig ist die große Nähe dieses Konzepts zu Mendelssohns Glückwunschkarten von 1832 und 1844 (vgl. Kap. 3.6.2), wobei sich, auch in Hinblick 371 SM, S. 34r. 372 Zu Poccis Vorliebe für solche Darstellungen vgl. Moisy 2007, S. 8. 373 IM f.26r (S. 23). 374 EM f.3r. 375 Beim »Gasthaus zum goldenen Hirschen« muss es sich um einen der besseren Gasthöfe Münchens gehandelt haben, in dem im August 1841 sogar der König von Württemberg auf seiner Rückreise aus Italien logierte. Vgl. Passavia 1841, S. 1021. 376 Zit. nach Moisy 2007, S. 7, vgl. auch S. 47f.

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auf weitere Albumbeiträge, die Bedeutung dieses Ideals für die Kunstauffassung des 19. Jahrhunderts offenbart. 3.8.4 Allegorische Darstellungen von Musik In der Familie von Ignaz Moscheles, als professionellem Musiker, war Musik allgegenwärtig, wobei sich der Umgang mit Musik auf verschiedenen Ebenen manifestierte. Wer sich vor diesem Hintergrund in die Alben der Moscheles’ einschrieb, Musik notierte oder zeichnete, in dessen Leben spielte Musik entweder eine ähnlich bedeutende Rolle, die bei der Gestaltung des Albumblatts thematisiert werden konnte, oder es bot sich an, gewissermaßen aus externer Perspektive auf das musikkulturelle Wirken der Familie Bezug zu nehmen. Letzteres trifft auf eine der beiden kolorierten Zeichnungen zu, die der Künstler und Buchillustrator Johann Baptist Zwecker (1814–1876) zu Emily Moscheles’ Album beisteuerte. Beide Bilder entstanden im Oktober 1844 in Stuttgart.377 Emily besuchte die Stadt mit ihren Eltern im Rahmen einer Reise nach Wien, die zahlreiche Stationen im deutschen Raum umfasste, verbunden mit Konzertauftritten des Vaters.378 Eine nachträglich eingeklebte Zeichnung im hinteren Teil des Albums zeigt einen unter einem Schirm sitzenden Maler auf einer Wiese von Pferden umringt – vielleicht den Künstler selbst.379 Ein weißes Fohlen zieht, nur von einem kleinen Hund bemerkt, ein buntes Taschentuch zwischen den Rockschößen des Malers hervor, wodurch der idyllische Charakter der Szene unterstrichen wird. Die Widmung »Diese Skizze zu freundlicher Erinnerung / an Stuttgart (Stutengarten) und Ihren Verehrer« offenbart schließlich eine weitere Bedeutungsebene der Zeichnung, die auf die Herkunft des Stadtnamens und das Stuttgarter Wappen anspielt.380 Anders als dieses Bild, das Zweckers Rolle als Maler und den Ort des Zusammentreffens mit den Moscheles’ thematisiert, führte der Künstler die Zeichnung 377 Die Datierungen auf den Albumblättern wurden offenbar nachgetragen, wie an der im Vergleich zum Namenszug farblich leicht abweichenden Tinte zu erkennen ist. 378 Die Reise im Herbst 1844 führte über Boulogne, Aachen, Frankfurt, Darmstadt, Heidelberg, Karlsruhe, Baden-Baden, Stuttgart (bis 27. Oktober) und München (bis 10. November), wo die PocciZeichnungen entstanden (vgl. Kap. 3.8.3), nach Wien. Charlotte und Emily reisten am 11. Dezember aus Wien ab, Ignaz blieb länger und reiste später nach Prag, Dresden und Leipzig weiter. Moscheles 1873, S. 116–122. 379 EM f.28r. 380 Im 10. Jahrhundert entstand im Bereich der heutigen Stuttgarter Innenstadt ein Gestüt, ein ›Stutengarten‹ (»stuotgarte«), auf den der Name der Stadt und auch entsprechende Darstellungen auf Wappen und Siegeln zurückgehen. Borst 1986, S. 36ff.

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mit Bezug zum musikalischen Hintergrund der Familie direkt im Stammbuch aus. Entweder lieh er dazu das Album oder er malte das Bild während eines geselligen Beisammenseins in Stuttgart. Das Bild zeigt die Heilige Cäcilia als Patronin der Musik (siehe Tafel 31), dargestellt mit ihrem kennzeichnenden Attribut, der Orgel.381 Zu sehen gegeben wird eine dunkelhaarige junge Frau mit Blumenkranz im Haar, die an einer mit dekorativen Schnitzereien ausgestatteten Orgel spielt. Im unteren Bereich ihres Kleides ist die Zuschreibung vermerkt (»St. Cäcilia«), die aber der Handschrift nach zu urteilen eher nicht vom Künstler stammt. Es liegt nahe, dass Zwecker bei der Gestaltung der dunkelhaarigen ›Cäcilia‹ eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit der 17-jährigen Emily intendierte. Vergleichbare Darstellungen waren in diesen Jahrzehnten verbreitet: Wilhelm Hensel etwa stellte seine spätere Ehefrau und seine Schwiegermutter als Heilige Cäcilie dar und auch im Stammbuch der Sängerin und Pianistin Constanze Jacobi findet sich eine von Julius Hübner 1849 gestaltete Zeichnung der Album­ eignerin als Heilige Cäcilie.382 Emily Moscheles’ musikalische Begabung,383 auf die Zwecker referierte, stellte sie am Klavier bei Gesellschaften immer wieder unter Beweis, denn in Stuttgart wurde »viel privatim musicirt«.384 Eine kolorierte Zeichnung einer geflügelten Figur im Album von Ignaz Moscheles (siehe Tafel 32), die der französische Maler und Bildhauer Henri de Triqueti (1803–1874) dem Musiker widmete (»à Moscheles«), nimmt ebenfalls Bezug auf die Welt der Kunst.385 Die weibliche Gestalt, die wegen ihrer Flügel zunächst an eine Engelsdarstellung denken lässt, trägt einen Lorbeerkranz und ist in sitzender Position gezeichnet. Sie hält eine Leier in Händen, die auf Musik und Dichtung verweist, als Attribut aber vage bleibt. Die Inschrift auf der Leier »Et cœlestis origo« stammt aus Vergils Aeneis und deutet im Zusammenhang mit dem Lorbeerkranz zusätzlich auf die Dichtkunst hin.386 Die fehlende Eindeutigkeit der Attribute spricht gegen eine Deutung der Figur als Personifikation.387 381 EM f.4r. 382 Vgl. Todd 2008, S. 131, S. 149 (Fanny Mendelssohn Bartholdy als Heilige Cäcilie, Bleistiftzeichnung von Wilhelm Hensel, 1822; Lea Mendelssohn Bartholdy als Heilige Cäcilia mit vier Engeln, Bleistiftzeichnung von Wilhelm Hensel, o.J.); vgl. Dawison 1991 [unpag.]. 383 Bereits zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert hatte sich in der Darstellung der Heiligen Cäcilie eine Verschiebung vollzogen: die Versinnbildlichung christlicher Tugend (virtus) wandelte sich zu einer Zuschreibung musikalischer Virtuosität. Vgl. Meine 2004. 384 Moscheles 1873, S. 120. 385 IM f.49v (S. 50). 386 Die entsprechende Zeile bei Vergil lautet: »igneus est ollis vigor et caelestis origo seminibus« (Buch 6, 730–731), übersetzt: »Feurige Kraft und himmlischer Ursprung leben in jenen Keimen« (aus Anchises’ Lehren über Weltbau und Reinkarnation). Aeneis 2015, S. 334f. 387 Zur Verwendung der Begriffe »Personifikation«, »Allegorie« und »Attribut« vgl. van Straten 2004, S. 37–83.

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Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei der dargestellten Figur um eine Muse handelt.388 Möglicherweise nicht zufällig ist die Zeichnung im Album direkt vor der von Michael Beer eingeschriebenen »Legende« platziert,389 in der Charlotte Moscheles die Rolle der engelhaften Gefährtin und Muse an der Seite des Künstlers zugeschrieben wird (vgl. Kap. 3.2.2). Ebenfalls in Ignaz’ Album befindet sich ein Sepia-Abbild eines Gemäldes, das dem Inhaltsverzeichnis zufolge auf Felix Moscheles zurückgeht.390 Das Bild zeigt eine Frau in antikisierendem Gewand, die in nachdenklicher Haltung ihren Kopf in die Hand stützt; ihr Ellenbogen ruht auf dem Vorsprung einer Orgel. Vieles spricht dafür, die Darstellung als Personifikation der Melancholie aufzufassen – so auch der flankierende Text, der einen expliziten Musikbezug herstellt: »Wenn du willst in Menschenherzen alle Saiten rühren an / Stimme du den Ton der Schmerzen nicht den Klang der Freuden an«. Ignaz Moscheles vertonte dieses Gedicht von Friedrich Rückert als schwermütiges Lied, das er als Dem Liebesänger op. 117 Nr. 2 veröffentlichte. Autographe des Liedes sind auch in Gestalt zweier Albumblätter überliefert. Die früheste Niederschrift für die Sängerin Sophie Schloss datiert in Leipzig, 20. November 1847, und entstand vor dem Hintergrund der Trauer um den kurz zuvor verstorbenen Felix Mendelssohn Bartholdy (vgl. Kap. 3.9.7). Felix Moscheles mag um diese Zusammenhänge gewusst haben. Als Maler rekurrierte er in jedem Fall mit bildnerischen Mitteln auf Emotionen, die zuvor von Rückert in Worte und von seinem Vater in Töne gefasst worden waren. 3.8.5 Die »Instrumenten-Figur« von Moritz Gottlieb Saphir Abschließend möchte ich noch eine sehr originelle allegorische Darstellung von Musik diskutieren, deren Motivation und Entstehung anhand vieler ergänzender Quellen und Informationen besonders detailliert nachgegangen werden kann. Es ist die Zeichnung einer »Instrumenten-Figur« (siehe Tafel 33), die der Schriftsteller und Satiriker Moritz Gottlieb Saphir (1795–1858) Ignaz Moscheles für sein Album schenkte.391 Der Bleistiftzeichnung fügte er zwei Seiten erklärenden 388 Neben Terpsychore (Muse der Chorlyrik und des Tanzes) werden Erato (Muse der Liebesdichtung) und Polyhymnia (Muse des Gesangs) mit einer Leier dargestellt. Diesbezüglich danke ich der Kunsthistorikerin Claudia Marra für ihren fachlichen Rat. 389 IM f.50, f.51r (S. 51–53). 390 IM f.31v (S. 28). Da es sich um eine Fotografie bzw. einen Druck zu handeln scheint, wurde das Blatt in der Gesamtzählung nicht zu den Zeichnungen gerechnet. 391 IM f.146v (S. 210). Es ist unwahrscheinlich, dass die Zeichnung von Saphir selbst stammt; er ließ sie vermutlich nach seinen Vorgaben anfertigen.

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Text hinzu und datierte seinen Eintrag in Berlin auf den 15. Oktober 1826.392 Er irrte sich dabei jedoch im Monat: Ignaz und Charlotte Moscheles waren Anfang Oktober von Dresden aus zu einem kürzeren Aufenthalt nach Prag gefahren, um schließlich nach Wien weiter zu reisen, wo Ignaz Konzertverpflichtungen nachkam.393 Nach erneuten Stationen in Prag und Dresden trafen die Moscheles’ erst am 11. November 1826 in Berlin ein – rechtzeitig, um mit den Mendelssohns gemeinsam Fannys 21. Geburtstag zu feiern.394 Im November berichtet schließlich auch die Moscheles-Biographie von »eine[m] kleinen Austausch von Scherzen, den Saphir hervorrief, indem er ihm [Moscheles] eine Instrumenten-Figur mit sehr witziger Erklärung für sein Album brachte«.395 Bemerkenswert ist wiederum das daran anknüpfende korrespondierende Agieren, denn Moscheles erwiderte Saphirs Präsent mit der Komposition eines Kanons.396 Bei der »Instrumenten-Figur«, die insgesamt eher männliche Züge trägt, handelt es sich um eine anthropomorphe Darstellung, die sich aus diversen ineinander verschränkten Musikinstrumenten zusammensetzt.397 Der Torso besteht aus einem kopfüber gedrehten Cello und einer Pauke. Eine Trommel, überdacht von einem Horn als Kopfbedeckung, stellt das Haupt der Figur dar, wobei Akzidentien und ein Notenschlüssel die Gesichtszüge markieren. Der Trommel-Kopf ist auf einem Kragen aus Notenpapier und einem Hals aus Blasinstrumenten aufgesetzt. Die Hals-Kopf-Konstruktion ruht wiederum auf der Cello-Unterseite, zwei Becken markieren die Schultern. Eine Klaviertastatur entspricht dem sichtbaren linken Oberarm, die Unterarme bestehen aus mit einer Flöte verschnürten Trompeten. Aus dem Rücken der Figur ragt eine auf dem Kopf stehende Harfe hervor. Das linke Bein, auf dem das Gewicht des Körpers ruht, setzt sich zusammen aus einer Gitarre, die durch den Hals des Cellos verstärkt wird, einem Tamburin mit Schellen und zwei schalmeiartigen Blasinstrumenten; eine Panflöte stellt den Fuß dar. Das rechte Bein besteht aus einem Lauteninstrument, einer Flöte,398 einer Geige oder Bratsche mit Bogen und einem weiteren Blasinstru392 IM f.148r–148v (S. 211–212). 393 Ignaz Moscheles gab auf Einladung des Direktors des Kärtnerthor-Theaters am 21. und 25. Oktober 1826 Konzerte in Wien. Moscheles 1872, S. 128f. 394 Wohl fälschlicherweise datierte Ignaz Moscheles in seinem Tagebucheintrag das Geburtstagsfest für Fanny Mendelssohn, die am 14. November geboren worden war, auf den 12. November. Ebd., S. 131. 395 Ebd., S. 133. 396 Moscheles schrieb für Saphir »als Erwiderung über das Motto seines Blattes ›Die Schnellpost‹ [›Nur frisch, holpert es gleich, über Stock und Stein, rasch in’s Leben hinein‹] einen vierstimmigen Canon«. Ebd. 397 Die Zeichnung im Hochformat, der ein dunkleres Papier unterlegt ist, hat die Maße 24,9 cm × 13,9 cm und wurde quer in das Album eingeklebt. 398 Die Flöte, die am Ansatz des rechten Beins anliegt, könnte als zotiger Hinweis auf das Geschlecht der Figur verstanden werden.

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ment. Beim rechten Fuß handelt es sich schließlich um eine kleine Leier. Die »Instrumenten-Figur«, die gerade einen Schritt ausführt und in Bewegung dargestellt ist, spielt in aufrecht stehender Position an einem Klavier, dessen Tastatur ungewöhnlich hoch liegt. Dieser aus der Betrachtung der Zeichnung hervorgegangenen Beschreibung kann nun Saphirs eigene ausführliche Erläuterung, die sich um einen witzigsatirischen Ton bemüht, zur Seite gestellt werden: Die Instrumenten-Figur, / Eine Zeichnung in keiner Hinsicht ausgezeichnet, / skizzirt, drappiert und seinem verehrten Freund / I. Moscheles / dedizirt von M. G. Saphir. Wenn Architektur gefrorne Musik ist, wie Schlegel sagt, so ist Musik Botanik der Töne, Sylbenmaaß der Sphären, hörbarer Duft, Stenographie unbeschreiblicher Gefühle. Vorstehender Mann vereinigt alle Instrumente in sich, ist also ein Mann von Ton. Sein Kopf oder sein Haupt ist eine Trommel, denn bei den meisten Menschen ist der Kopf eine Trommel die von den Schlägeln des Irrsinns und Wahnes gerührt wird. Je überspannter der Kopf ist desto größren Lärm macht er. Manche Köpfe sind wahre Rührtrommel[n] die mit jedem Gerücht in der Stadt herumlaufen. Die Kopfbedeckung ist ein Jagdhorn. Die wahre Deutung kann ich als lediger Mensch nicht geben. Auf dem sogenan[n]ten Schmutzfleck der Trommel ist das musikalische Notengesicht. Der Violinschlüssel formirt die Nase, vermuthlich weil sie nach vier Seiten (Saiten) hinausschme[c]kt und die Brille als Sordinchen aufsitzt. Die zwei Augen sind ein Kreutzel und ein Auflöser, denn drü[c]kt leider nicht der Mensch wenn er heuchlerisch einen Kreutzbli[c]k zum Himmel erhebt das andere Auge blinzelnd zu und löst den erhöhten Bli[c]k wieder zum niedrigen auf ? Die Note etwa im 32stel Takt stellt den Mund mit den 32 Zähnen vor. Der Hals ist ganz richtig ein Posthorn! Bei tausend Menschen kündt dieses Sprach- und Posthorn jeden Passagier an den es in der Herzenchaise führt. Das weibliche Geschlecht hängt bunte Schnüre um dieses Posthorn, bespühlt es mit Caffee damit die Töne besser heraus gehen. Die Achselblätter stellen Teller vor, denn geht denn nicht die Tendenz der meisten Achselträger auf einen wohlbesorgten Teller hinaus? Brust und Bauch bilden ein Violoncello, wie bei vielen Herz und Brust auch nur Bauch zu seyn scheint von Gedärmen bezogen! Der Oberarm ist ein Spinettel ein wahrhaft[e] armes Instrument! Der Vorderarm eine Trompete und eine Flöte, eine Anspielung das[s] die eigentliche Handhabung eine Verbindung des Starken mit dem Zarten seyn muß! Das Sprichwort: [»]jede Trompete hat ihre Quaste« ist auch hier bestätigt, die Quaste spielt als Hand das Klavier. Die Nase scheint etwas gerümpft zu seyn über die Kesselpauken des Sedements, die ich nicht berühren mag, um zu dem Piedestal überzugehen. In den gehenden Theilen sind Guittarre, Mandoline, Tambourin, lauter begleitende Instrumente. Karakteristisch ist es daß die ächte Dichterleyer der Bo[c]kpfeife zurü[c]k stehen muss, daß eigentlich nur die Panpfeife stark auftritt und auf rechtem Fuß kömmt, während die edle Lyra kaum auf die Spitzen auf zu tret[t]en wagt!

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Daß die Figur ein Mann ist geht auch ohne [die] Hauptbede[c]kung aus dem Noten=Halskragen und aus dem Fagott=Zopf hervor. Daß er aber wie versteinert da steht, kömmt daher weil er eben Klavier spielen will, und er sich kaum getraut, da er hört: [»]Moscheles ist in unserer Stadt!« Er scheint einen Lauf zu machen und da hat er Recht daß er mit seinem Spiel vor einem solchen Meister davon läuft. Nehmen Sie, verehrter Freund, diese mißlungene Figur gütig auf wenn sie auch unter den edlen Gästen die hier versammelt sind eine traurige Figur spielen sollte; ist auch die Composition schlecht so lege ich sie doch in solche Hände nieder in denen alles zur hinreißenden Harmonie wird. Berlin am 15ten Oktober 1826. / Witzbold der Rebeller / auch / Lapis infernalis genannt. / M. G. Saphir399

Der Vergleich von Saphirs Erläuterungen mit der zuvor erfolgten Bildbeschreibung macht deutlich, dass auf der visuellen Ebene – abgesehen von Details, wie etwa der Darstellung des Posthorns, des »Fagottzopfes« oder des Mundes mit einer Note »im 32stel Takt« – keine wesentlichen Abweichungen vorliegen. Die vielen Anspielungen und doppelsinnigen Bedeutungen jedoch, die Saphir bei seiner Zeichnung intendierte, erschließen sich nur unter Hinzunahme des Textes. Leicht nachvollziehbar sind die Übertragungen der Trommel auf eine übersteigerte Klatschsucht oder des Posthorns auf eine übermäßige Redseligkeit, während das Jagdhorn auf die Rede vom ›gehörnten Ehemann‹ verweist. An die musikalischen Akzidentien knüpft Saphir seine Kritik an Scheinheiligkeit und Frömmelei, letztlich ginge es dem Menschen nur darum, genug ›auf den Teller‹ und in den Bauch zu bekommen. Saphir arbeitet bei seiner Witzproduktion maßgeblich mit dem rhetorischen Verfahren der Paronomasie, das gleich oder ähnlich klingende Wörter mit abweichender bis gegensätzlicher Bedeutung in Wortspielen zusammenführt.400 So stellt er den Oberarm durch ein »armes Instrument« dar oder die Beine, die »gehenden Teile«, durch »begleitende Instrumente«. Die Bedeutung des Sprichworts »Jede Trompete hat ihre Quaste« bleibt jenseits des Verweises auf Zusammengehörigkeit unklar.401 Saphirs Wortspiel um die Homonymie »vier Seiten (Saiten)«, das er vermutlich des Öfteren aufgriff, beeindruckte Moscheles nachhaltig, so dass er Jahrzehnte später in einem Brief schrieb: »Ich werde auf meinem Erard einen Tusch spielen, dass ihm die Saiten und Seiten erbeben sollen. Verzeiht den Anflug von Saphirschem Humor […]«.402 399 IM f.148r–148v (S. 211–212). 400 Vgl. Wülfing 1993. 401 »Jede Trompete trägt eine andre Quaste« ist als jüdische Redewendung verzeichnet in: Landsberger 2012, S. 71. 402 Moscheles 1873, S. 222. Das Zitat wird in der Biographie dem Jahr 1851 zugeordnet.

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Bemerkenswert ist auch Saphirs Anspielung auf das Verhältnis von elitärer Kunst und populärer Kultur: die »ächte Dichterleyer« bzw. »edle Lyra« steht demnach hinter Bock- und Panpfeife zurück. Darüber hinaus wäre zu überlegen, ob die »Instrumenten-Figur«, die Reißaus nimmt angesichts der Konkurrenz durch den »Meister« Ignaz Moscheles, in dessen Händen »alles zur hinreißenden Harmonie wird«, auf die aufkommenden kritischen Diskurse um die Maschinenhaftigkeit des Virtuosentums verweisen könnte.403 Dies ist umso interessanter, da Moscheles selbst, als europaweit einflussreicher Virtuose, an der schon im 18. Jahrhundert einsetzenden Entwicklung eines Disziplinierungs- und Trainingssystems zur Erlangung von instrumentaler und pianistischer Perfektion beteiligt war, das darauf fußte, dass »der menschliche[n] Bewegungsapparat mit dem des Instrumentes zu einer Einheit verschmolzen« wurde.404 Vordergründiges Motiv von Saphirs Albumbeitrag war es jedoch zweifellos, Ignaz Moscheles als Freund und führenden Pianisten zu ehren. Dabei nahm er die stammbuchtypische Demutshaltung angesichts der weiteren illustren Einträger:innen im Album ein. Saphir unterzeichnete seinen Beitrag als »Witzbold der Rebeller – auch Lapis infernalis genannt«. Bei diesem zunächst kryptisch wirkenden Namen handelt es sich um Saphirs Vereinsnamen in der »Ludlamshöhle«, einer in Wien ansässigen Männer-Gesellschaft aus Künstlern und Intellektuellen, die sich zum literarischen und musikalischen Zeitvertreib, zu Scherzen und zotigen Späßen bei Speis und Trank zusammengefunden hatte.405 Der gesellige Kreis, der im Laufe seines Bestehens auch von Carl Maria von Weber und Literaten wie Franz Grillparzer, Friedrich Rückert und Ludwig Rellstab frequentiert wurde, traf sich seit Dezember 1817 unter dem Namen »Ludlamshöhle« und wurde im April 1826 als vermeintlich staatsgefährdende Organisation denunziert und aufgelöst. Ignaz Moscheles, seit 1818 Mitglied (Nr. 9),406 war in der Gesellschaft als »Tasto der Kälberfuss« bekannt. Sein Vereinsname spielt über seine Profession ›an den Tasten‹ hinaus an auf »seine[r] Vorliebe für Kalbsfüsse, die er öfters dort als Abendbrot verzehrte«.407 Moscheles komponierte für die Runde charakteris403 Vgl. Ballstaedt/Widmaier 1989, S. 47–49 (»Exkurs: Der Virtuose als Maschine«). 404 Edler 2003, S. 272, vgl. auch S. 275f. 405 Vgl. WeGA: Ludlamshöhle 2017; Wülfing u. a. 1998, S.  311–320 [Art. »Ludlamshöhle« von H. Belke]. 406 Vgl. die Mitgliederliste aus dem Nachlass von Ignaz Franz Castelli in: Porhansl 1991, S. 55–62. In der Moscheles-Biographie wird die Ludlamshöhle – eine »Künstlerkneipe, in der Dichter, Musiker, Maler und Schauspieler sich noch spät am Abend zu zwangloser Unterhaltung zusammenfanden und in der beim Klang der Gläser manch lustiger Schwank ausgeführt wurde« – im Rückblick bereits im Jahr 1816 erwähnt. Moscheles 1872, S. 24. 407 Ebd., S. 24f.

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tische und identitätsbildende Gesänge und Chöre,408 was ihm den Titel »Ludlams-Kapellmeister« einbrachte.409 Saphir, der ebenso wie Weber (Mitglied Nr. 57) 1823 als Mitglied Nr. 60 in die Gesellschaft aufgenommen worden war, erhielt zusätzlich zu seinem Vereinsnamen »Witzbold der Rebeller« den Ehrentitel »Lapis infernalis« (zu deutsch: Höllenstein bzw. höllischer Stein) in Anspielung auf seinen besonders bissigen, ›ätzenden‹ satirischen Stil. Wohl infolge seines kontroversen und schonungslosen Agierens als Kritiker wurde Saphir 1825 aus Wien ausgewiesen und ging nach Berlin, wo er die Berliner Schnellpost für Literatur, Theater und Geselligkeit und den Berliner Courier herausgab. Auch in Berlin wurde er schnell in Konflikte mit der Zensurbehörde verwickelt und von Teilen der Kultur- und Publizistikszene auf Schärfste bekämpft und diffamiert. Da er sich zunehmend antisemitischer Polemik ausgesetzt sah, kehrte er Berlin Ende 1829 den Rücken.410 Die für das Album von Ignaz Moscheles gezeichnete »Instrumenten-Figur« und der beigefügte Text wirken in sich schlüssig und vollendet. Dennoch stellt der Stammbucheintrag Saphirs gleichzeitig die Vorstufe einer späteren Veröffentlichung dar. In der Beilage der Schnellpost vom 1. Januar 1827, dem sogenannten Beiwagen für Kritik und Antikritik zur Berliner Schnellpost, publizierte Saphir einen längeren Text, begleitet von einer Zeichnung, unter der Überschrift: »Das kuriose Paar. (Nach beiliegendem Kupferblatte.) Erfunden, drappirt und den Lesern der Schnellpost zum Neujahrsgeschenk dargebracht von M.  G. Saphir.«411 Auffällig ist der im Vergleich mit der Stammbuchwidmung ähnliche und doch abgewandelte Wortlaut der Überschrift. Auf der Zeichnung selbst ist dem Instrumenten-Mann nun eine Dame beigesellt, mit der er zusammen ein ›kurioses Paar‹ abgibt. Die Zusammensetzung des Instrumenten-Mannes entspricht weitgehend der Darstellung in Ignaz Moscheles’ Album. Allerdings spielt er nicht an einem Klavier, sondern auf einer großen Harfe, die er auf der Stammbuch-Zeichnung in kleinerer Ausführung auf dem Rücken trägt. Anstatt der Harfe ist auf der Zeichnung für die Schnellpost in Gesäßhöhe ein Triangel auszumachen. Dem Instrumenten-Mann gegenüber steht nun eine nach rechts, ihm zugewandte Frauengestalt, die sich aus diversen Haushaltsgeräten konstituiert. Zu erkennen sind zwei Holzeimer, diverse Küchengeräte, darunter Pfanne und Reibe, Kannen, Gefäße, Tabletts und Teller. Auf dem Kopf trägt die Figur einen Korb, Schrubber und Beil stellen die Füße 408 Vgl. Ziegler 2015, S. 54f.; vgl. auch die Bemerkung in der Moscheles-Biographie: »Tasto componirte der lustigen Gesellschaft einen Chor, in den alle diese Namen verflochten waren […]«. Moscheles 1872, S. 25. 409 Ebd., S. 86. 410 Vgl. Sprengel 1991; NDB: Brandtner 2005. 411 Saphir 1827 [unpaginiert].

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dar. Trichter, Kaffeemühle und Mörser sind im unteren Bereich zu erkennen. Saphirs Text erläutert wiederum ausführlich, mit notorischem Wortwitz und Doppelsinn, die Darstellung des Paars, wobei er bei der Beschreibung des Instru­ menten-Mannes auf Textbausteine des Stammbucheintrags zurückgreift, diese aber noch ausweitet und ergänzt. Obgleich die zeittypische Zuweisung der Küchensphäre an die Frau hinlänglich bekannt ist, ist doch der scharfe Ton des Textes auffällig: O [Leserinnen] seyd mir nicht böse und glaubt mir sicher, daß Euch das Feuer der Küche eine schönere Röthe giebt, als das romantische; daß das Küchenbrett mehr Euer Feld, als das Feld des Schachbretts ist, und daß das Drehen des Bratenwenders Euch besser anstehet, als das Nasendrehen.412

Saphir geht noch weiter und postuliert am Ende ein etabliertes misogynes Klischee: »Soviel ist gewiß, daß er ein Mann von Ton und sie ein Weib von Feuer ist; man sieht daraus, daß der Mann mehr zum Harmoniren geneigt und der Zwietrachtsfunke bei der Frau glimmt.«413 Ob diese harschen geschlechtsspezifischen Vorurteile und Zuweisungen einen Standard in unterhaltender, in diesen Jahrzehnten fast ausschließlich von Männern gestalteter Literatur darstellen, wäre weiter zu untersuchen. In jedem Fall traf Saphir mit seinem Text den Geschmack seiner Zeitgenossen, so dass er wiederholt publiziert wurde.414 Unklar bleibt, ob zum Zeitpunkt des Stammbucheintrags in Moscheles’ Album bereits Pläne zu einer Veröffentlichung bestanden. In jedem Fall experimentierte Saphir für das Album mit einer Idee, die später zu einer Publikation führte und die in Ignaz Moscheles’ Album in einer ganz eigenen, individuellen Fassung erhalten ist. Deutlich wird der kreative Charakter von Stammbuchbeiträgen, die an den Moment gebunden immer auch ein relativ ungehemmtes Ausprobieren von Ideen gestatten und somit Einblicke in die künstlerische Werkstatt und den teilweise vergessenen, durch persönlich-privates Erleben beeinflussten Entstehungskontext ermöglichen können.

412 Ebd. 413 Ebd. Die Kursivierungen sind im Original in normaler Sperrschrift hervorgehoben. 414 Als »Das kuriose Liebespaar in Freudenfeld« erschienen Abbildung und Text etwa am 4. Februar 1827 im Münchener Sonntags-Blatt. Abend-Unterhaltungen in Freudenfeld (Sonntags-Blatt 1827, S. 17–20); für weitere Veröffentlichungen unter dem Titel »Das kuriose Paar« vgl. Saphir 1832, S. 167–182; Perlenschnur 1836, S. 1–9.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

3.9 Unterhaltung und Konvention. Die Albumblätter von Ignaz Moscheles (1815–69) Während in den vorausgegangenen Kapiteln die Alben der Familie Moscheles und damit über mehrere Jahrzehnte zusammengetragene Sammlungen im Fokus standen, soll nun die Perspektive gewendet werden auf die zahlreichen Album­ einträge, die Ignaz Moscheles als bekannter Klaviervirtuose, als Komponist, als Freund und Vater, aber etwa auch als Konservatoriumslehrer in diversen Stammbüchern im Laufe seines Lebens hinterlassen hat. Dazu habe ich über 80 von Ignaz Moscheles erstellte Albumblätter analysiert, die in Archiven, Bibliotheken und in Privatbesitz weltweit verstreut sind (siehe die tabellarische Übersicht am Kapitelende). Um eine Kontextualisierung zu erleichtern, habe ich vor allem solche Blätter und Eintragungen, die sich in einem Albumverbund erhalten haben, berücksichtigt; die zahlreichen insbesondere im Autographenhandel kursierenden Einzelblätter, deren Zuordnung schwer fällt, wurden nur in Einzelfällen einbezogen.415 Die Liste der Moscheles’schen Albumbeiträge wäre durch weitere Recherchen stetig zu erweitern – muss der Musiker im Laufe seines Lebens doch eine schier unüberschaubare Anzahl jener Blätter produziert haben, die zu seiner Profession sowie zur zeitgenössischen Erinnerungskultur unvermeidlich dazu gehörten. Hier soll es jedoch weder um eine Annäherung an durch Zahlen festzumachende Größenordnungen noch um eine zweifelhafte Vollständigkeit gehen. Vermitteln möchte ich vielmehr einen Eindruck von der Vielfalt der Moscheles’schen Albumblätter, die das weite Spektrum seiner persönlichen Involviertheit und Motivation – zwischen Unterhaltung und Konvention – dokumentieren und über entsprechende Gebrauchskontexte Auskunft geben. Dem entgegen steht eine von Eva-Brit Fanger getroffene Aussage zum MoschelesBeitrag im Album von Heinrich Panofka: »Er [Moscheles] trug, datiert auf den 29. Juni 1839, ein Stück aus seinem Kindermärchen für Klavier ein, welches er – wie damals durchaus üblich – für alle seine Stammbucheintragungen benützte.«416 Fangers Annahme, die zugleich symptomatisch erscheint für eine Perspektive, die die Kreativität und Spontaneität der Stammbuchpraxis unterschätzt, kann im Folgenden nachdrücklich widerlegt werden. Bei meinen bisherigen Recherchen habe ich als frühestes datiertes Albumblatt von Ignaz Moscheles den Eintrag in das Stammbuch von Louis Spohr vom 415 Nach Einzelblättern wurde nicht systematisch recherchiert; aufgenommen wurden allerdings, neben Zufallsfunden in Auktionskatalogen, alle bei RISM als solche bezeichneten Albumblätter Ignaz Moscheles’. 416 Panofka 2007 (2), S. 47.

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4. März 1815 in Wien ermittelt (siehe Tafel 34).417 Moscheles griff hier auf die Idee der Übertragung der einen Namen konstituierenden Buchstaben in Noten zurück: Nur einen Takt / [eingefügt: die Noten es-(po)-h-(r) für Spohr] brauchte es / um mich auf immer an Sie zu erinnern. / Aus meinem Nahmen lässt sich so ächt / Musikalisches nichts machen; / Umso mehr aber ist meine Achtung, / und Freundschaft für Sie: / [eingefügt: die Noten a-e-c-h-d]418

Sehr wahrscheinlich ebenfalls in Wien entstand drei Jahre später Moscheles’ Eintrag in das ›Album Musical‹ der polnischen Pianistin und Komponistin Maria Szymanowska (vgl. Kap. 2.1.1).419 Das 16-taktige Klavierstück La hâte »composée dans une minute« ist ohne Ortsangabe auf den 17. August 1818 datiert.420 Moscheles, der ab 1816 umfangreiche Tourneen unternahm,421 gehörte damals zu den führenden Klaviervirtuosen Wiens, so dass es überrascht, dass neben den Einträgen für Spohr und Szymanowska keine weiteren Albumblätter aus den 1810er Jahren aufgefunden werden konnten. Die Existenz der Blätter zeigt aber, dass das Sammeln von möglichst exklusiven Notenautographen in Alben unter Musikern und Musikerinnen in diesen Jahren bereits üblich war und sich schließlich im Laufe der 1820er Jahre als breite Mode etablierte. 3.9.1 Einträge für Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy und Kanon-­ Kompositionen 1824 erstellte Ignaz Moscheles einen längeren Eintrag für das Stammbuch des zu diesem Zeitpunkt 15-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy (vgl. Kap. 2.3.2). Das Allegro di Bravura umfasst ganze sieben Seiten und ist bezüglich des Umfangs im Vergleich mit anderen Stammbucheinträgen eher ungewöhnlich zu nennen.422 Es ist deshalb davon auszugehen, dass das unmittelbare Musizieren des Stücks nicht nur intendiert war, sondern vor dem Erinnerungswert der 417 Das Album existiert nicht mehr, eine Abbildung von Moscheles’ Stammbuchblatt ist jedoch in Spohrs Selbstbiographie überliefert. Spohr 1860, nach S. 350. 418 Zu Spohrs Namen ›in Noten‹ vgl. ebd., S. 207f. In einer Fußnote auf dem Albumblatt erläutert Moscheles zum zweiten Musiknotat: »d, wird für t genommen. (Lizentia poetica)«. 419 Die Kompositionen des Albums wurden von Renata Suchowiejko ediert. Vgl. Szymanowska 1999, hier: S. 253. 420 Für die Angabe des Entstehungsorts Wien vgl. ebd., S. 66. 421 Vgl. Moscheles 1872, S. 31–39. 422 Der Eintrag befindet sich mitten im Album. Vgl. Crum 1983, S. 73–77, hier: S. 74 (die Blattangabe müsste korrekt lauten: f. 33v–36v).

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Handschrift deutliche Priorität hatte. Darauf deutet auch die von Charlotte Moscheles in der Biographie durch die spätere Opuszahl ergänzte Tagebuchnotiz ihres Mannes vom 13. Dezember 1824 hin: »Dem Felix sein Stammbuch zurückgegeben, in welches ich gestern das Impromptu Op. 77 schrieb. Er spielte es vortrefflich vom Blatt.«423 Der virtuose und energiegeladene Charakter des Stückes spricht dafür, dass der mit 30 Jahren als professioneller Musiker bereits sehr erfahrene Moscheles mit seinem Eintrag den deutlich jüngeren Mendelssohn, den er für äußerst begabt hielt, zu Höchstleistungen herausfordern wollte. Die beiden Musiker, die eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte, hatten sich im November 1824 gerade erst kennengelernt.424 Doch zeugt die Widmung Moscheles’ bereits von großer Vertrautheit: »An Felix Mendelssohn als Zeichen der reinsten Liebe und Werthschätzung / von I. Moscheles / Berlin, December 1824 / Am Geburtstage seines verehrten Vaters Mendelssohn-Bartholdy.« Das Albumblatt muss also zwischen Freitag, dem 10. Dezember, Abraham Mendelssohns Geburtstag, der am Samstag in geselliger Runde und im Beisein Moscheles’ gefeiert wurde, und dem 13. Dezember, für den die Rückgabe des Stammbuchs vermerkt ist, entstanden sein.425 Der persönliche Stellenwert von Moscheles’ Eintrag wird deutlich angesichts der Tatsache, dass die Stammbuch-Komposition Mendelssohn nachhaltig in Erinnerung blieb und in diesem Zuge noch sechs Jahre später in der Kommunikation der Musiker eine Rolle spielte. In Rückbesinnung auf den Stammbucheintrag und wahrscheinlich auch auf das Kennenlernen der Freunde in Berlin integrierte Felix Mendelssohn das Incipit des Allegro di Bravura, dem er eine illustrierende Zeichnung seines Stammbuchs (»Album de Mons. Felix«) beifügte, in den roten Glückwunschbogen, den er zu Moscheles’ Geburtstag am 30. Mai 1832 kreierte (vgl. Kap. 3.6.2).426 Albumblätter von Moscheles finden sich schließlich auch in dem Album, das Felix Mendelssohn zu Weihnachten 1836 für seine Verlobte Cécile Jeanrenaud zusammenstellte (vgl. Kap. 2.3.2). Das Lied Whatever sweets we hope to find datiert vom August 1836. Zum Geburtstag der Albumeignerin im Jahr 1840, auf

423 Moscheles 1872, S. 96. Die Opuszahl wurde offensichtlich zum besseren Verständnis von Charlotte Moscheles in das Zitat eingefügt, denn 1824 war eine zukünftige Veröffentlichung der Komposition noch kaum absehbar. Felix Mendelssohn gewidmet, wurde das Stück mit geringen dynamischen Abweichungen als op. 77 circa 1827/28 publiziert. Vgl. Moscheles-Verzeichnis 1966, S. 29. 424 Moscheles 1872, S. 92–96; vgl. auch Todd 2008, S. 164f. 425 Moscheles 1872, S. 95f. 426 Die Glückwunschkarte, die heute durch ein Faksimile ersetzt ist, fand schließlich ihren Weg in Charlotte Moscheles’ Album (CM, S. 39).

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einen Text von Henry Chorley komponiert,427 entstanden weiterhin die mehrseitigen »Reminiscenzen aus Mendelssohn’s Lobgesang (welcher bey dem Birmingham-Musikfeste / im Sept: 1840 gegeben wurde) und aus andern Kindereyen zusammen gestellt bei Gelegenheit / der glücklichen Rückkunft des Gefeyerten am Geburtstage seiner liebenswürdigen Gattin / (10te Octob: 1840) von seinen begleitenden Freunden I. F. [sic] Chorley und Moscheles« (vgl. auch Kap. 3.6.1).428 Neben dem Allegro di Bravura für Felix Mendelssohn entstand in den Dezember-Tagen des Jahres 1824 in Berlin auch ein Beitrag Moscheles’ für Fanny Mendelssohns Stammbuch. Der spielerische Eintrag vom 12. Dezember steht dabei ganz im Gegensatz zu der umfangreichen Komposition für ihren Bruder und umfasst lediglich eine 16-taktige Notenzeile.429 Die zugrunde gelegte kompositorische Idee ist jedoch, auf anderer Ebene, nicht weniger reizvoll. Der Zusammenklang des einstimmig notierten, barock anmutenden Duetts erschließt sich erst dann, wenn das Notenblatt zusätzlich auf den Kopf gestellt gelesen wird. Den unmissverständlichen Hinweis darauf liefert Moscheles durch den zweifach, einmal kopfüber, geschriebenen Titel. Ein ähnlich notiertes Duett, allerdings mit einer anders lautenden Komposition, widmete Moscheles übrigens nur wenige Tage später dem musikbegeisterten Bankierssohn Carl von Kaskel (1797–1874).430 Auf die kontrapunktische Idee einer Sopranstimme, die auf dem Kopf gelesen eine dazu passende Bassstimme liefert, griff Moscheles etwa zehn Jahre später, im Jahr 1833, erneut zurück. Er notierte, aller Wahrscheinlichkeit nach in London, für den Bariton Henry Phillips (1801–1876) ein 16-taktiges Capriccio, bei dem er dieses Mal allerdings beide Stimmen ausschrieb.431 Das Capriccio entspricht mit Ausnahme der ersten beiden Takte dem Duett für Kaskel. Ebenfalls in die Kategorie der kontrapunktischen Späße fällt einer der verhältnismäßig wenigen Kanons, die Ignaz Moscheles für Albumblätter erdachte. 427 Der karikierende Liedtext adressiert unmissverständlich Cécile Mendelssohn: »Wake, Lady wake! / nor blame the Sun / that say’s another year is done! […] Heaven’s Cherubs clinging round her knee, / and troops of smiling friends are here […]. Reflected beams of fame / giv’n by the Saint that bears her name. / Can blessing more than these remain? / Her wandrer’s safe at home again!« 428 In einem Brief an Charlotte Moscheles, datiert in Leipzig, 18. Oktober 1840, heißt es dazu: »Natürlich habe ich Album-Blätter zu schreiben und für Mendelssohn’s Frau ein Lied, das ich zu einem von Chorley für sie gedichteten Text componirte.« Moscheles 1873, S. 66. 429 Die Widmung lautet ähnlich herzlich: »An Fräulein Fanny Mendelssohn als Zeichen der / innigsten Verehrung von I. Moscheles«. 430 Das Albumblatt ist abgebildet in: Stargardt 1992, S. 243 (Nr. 489); vgl. auch Klein 1993, S. 153. Zu Carl von Kaskel vgl. WeGA: Kaskel 2017. 431 Zu Henry Phillips vgl. WeGA: Phillips 2017.

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Im Februar 1830 schrieb er für Ferdinand Hiller in Paris einen zweistimmigen Rätselkanon (siehe Tafel 35) mit dem Text: »Von diesem Cantus find’st du in dieser Zeil’ den Nachhall.« Der simplen C-Dur-Melodie ist eine Parte libera im Bassschlüssel unterlegt. Die Aufgabe besteht nun darin, den »Nachhall« der Melodie, also eine zweite Stimme, zu finden. Hiller, der selbst gerne Kanons für Stammbucheinträge verwendete, ergänzte den Kanon nicht. Es ist anzunehmen, dass er die recht einfache Lösung auf einen Blick erkannte: Eine passende zweite Stimme ergibt sich in der Umkehrung der Melodie ab dem zweiten Schlag des zweiten Taktes über dem Cantus. Eine vom Adressaten ausgeschriebene Auflösung findet sich hingegen direkt im Anschluss an einen von Moscheles erdachten dreiteiligen Rätselkanon im Album des Musikverlegers Vincent Novello (vgl. Kap. 2.2.2).432 Einen weiteren Kanon ohne Text, der 1821 wiederum in Paris datiert, liefert ein Albumblatt ohne konkrete Adressierung. Aussagen zum Kontext sind deshalb, wie häufig bei Einzelblättern, schwerlich zu treffen.433 Die Widmung zu einem Moderato in C-Dur, das sich an eine bisher nicht ermittelte Person wendet, mag einen Hinweis auf Moscheles’ Haltung zur Verwendung von Kanons in Stammbucheinträgen im Allgemeinen geben: Nicht im gedrechselten Kunst-Canon reizt es mich in diesen Kranz der Freundschaft zu treten, / eine zweystimmige Harmonie diene mir als Symbol der Verwandschaft unserer Seelen. / I. Moscheles

Tatsächlich setzte der Komponist für das Originalstück weniger auf kompositorische Kunstfertigkeit als auf eine emotional ansprechende Melodie. Dazu passend scheint sich das Albumblatt, datiert in London auf den 1. März 1831, den Widmungsworten folgend an eine geschätzte und vertraute Person zu richten.434 Sucht man nach weiteren Kanons unter Moscheles’ Stammbucheinträgen wird man erst im Juni 1845 erneut fündig.435 Das mit Canon überschriebene Blatt befindet sich in dem kleinformatigen, dunkelgrünen NotenautographenAlbum des Organisten und Komponisten Johann Peter Cavallo (1819–1892).436 Moscheles verzichtete hier auf eine persönliche Widmung und lieferte mit dem 432 Dem im September 1833 in London entstandenen Eintrag beigefügt ist folgende Widmung: »Written for Mr. Novello in token of regard and esteem by I. Moscheles«. 433 Für die Nachweise der Standorte aller hier zitierten Albumblätter sei erneut auf die chronologisch geordnete tabellarische Übersicht am Ende des Kapitels verwiesen. 434 Am 1. März 1831 feierten Ignaz und Charlotte Moscheles ihren sechsten Hochzeitstag. Über einen Zusammenhang mit dem Albumblatt kann nur gemutmaßt werden. 435 Ein auf den 8. Januar 1845 datierter »Räthsel Canon a 2« entstand zuvor als Einzelblatt ohne Adressierung in Dresden. 436 Der fast vollständig gefüllte Lederband umfasst 56 Notenautographe von Komponisten und Musikern, die alle direkt in das Album eingetragen wurden. Die Handschriften wurden zwischen 1845

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Musiknotat einen der wenigen Albumbeiträge, für die er auf musikalisches Material anderer Komponisten zurückgriff: Für die Kanon-Melodie verwendete er den ersten Takt aus Beethovens Frühlingssonate Nr. 5 op. 24. 3.9.2 »Paganinis Aufgabe« für Clara Wieck und eine musikalische ­Verbeugung vor Wilhelmine Schröder-Devrient Neben Felix und Fanny Mendelssohn wandte sich Moscheles bei entsprechender Gelegenheit an eine weitere Nachwuchsmusikerin mit einem Albumbeitrag. »Der ausgezeichneten jungen Künstlerin« – gemeint ist die 13-jährige Clara Wieck – komponierte der arrivierte Pianist am 22. Oktober 1832 in Leipzig ein Scherzo in C-Dur, das bereits in der Bezeichnung des Stücks die spielerische Absicht erkennen lässt.437 Tatsächlich verbirgt sich hinter der zunächst schematisch anmutenden Komposition, mit in Gegenbewegung im Umfang einer Oktave chromatisch auf- bzw. absteigenden Außenstimmen, ein für Stammbucheinträge charakteristisches Netz von Bezügen. Zunächst hatte Nicolò Paganini im Oktober 1829 für Clara Wieck zwei Stammbuchblätter erstellt. Diese befinden sich heute, ebenso wie das Scherzo von Moscheles, im Schumann-Album (vgl. Kap. 2.2.1).438 Eines davon liefert »Al merito singulare di Madamigella Clara Wieck« die chromatischen Tonleitern mit Akkorden, die Moscheles seinem Scherzo zugrunde legte. »Paganinis Aufgabe«, also der Herausforderung, ein Stück auf Grundlage dieser Skalen zu komponieren, stellten sich außerdem Moritz Hauptmann und Wenzel Tomaschek.439 Diese Konstellation führte dazu, dass Robert Schumann alle vier Stammbuchblätter 1841 als Zulage zur Neuen Zeitschrift für Musik publizierte »und damit Blätter, die eigentlich der persönlichen Erinnerung vorbehalten waren, einer Öffentlichkeit zugänglich [machte]«.440 Erneut zeigt sich hier die beund 1853 überwiegend in Paris gesammelt; nur die Einträge von Ignaz Moscheles und Johann Baptist Cramer entstanden in London. 437 Zu dem kurzen, an ein Konzert gebundenen Leipzig-Aufenthalt notierte Moscheles im Tagebuch: »Bei Wieck geübt und mir von seiner kleinen überaus begabten Clara vorspielen lassen.« Moscheles 1872, S. 254. 438 D-Dl, Mus.Schu.224 (Paganini: Preludio per Violino); Mus.Schu.223 (Paganini: Skala); Mus. Schu.203 (Moscheles). Vgl. auch Hartmann/Rosenthal 2010, S. 15–17. Die Albumblätter sind online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 439 Während das Stammbuchblatt von Wenzel Tomaschek verschollen ist, ist die Harmonisierung von Moritz Hauptmann, der sein Blatt mit dem Titel »Paganinis Aufgabe« überschrieb, ebenfalls im Schumann-Album erhalten: D-Dl, Mus.Schu.108. 440 Hartmann/Rosenthal 2010, S. XIII; vgl. NZfM-Zulage 1841, S. 15–17.

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sondere Stellung von Albumblättern an der Schwelle zwischen privatem und öffentlichem Raum. Wenige Monate vor dem Stammbuchblatt für Clara Wieck entstand ein weiterer außergewöhnlicher Albumbeitrag. Für Wilhelmine Schröder-Devrient komponierte Ignaz Moscheles in London, am 27. Juli 1832, ein ausgesprochen originelles Impromptu, das die Sängerin in ihr Stammbuch einklebte (vgl. Kap. 2.1.3). Das kurze Stück führt gleich drei Kompositionen aus fremder Feder zusammen, die der Schreiber auf visueller Ebene in den entsprechenden Abschnitten mit roter Tinte kenntlich machte (siehe Tafel 3). Die Komposition gliedert sich nach einigen Einleitungstakten in drei Teile. Zunächst zelebriert ein Adagio-Teil die E-Dur-Melodie der Arie der Agathe aus Webers Freischütz (Leise, leise, fromme Weise). Nach zwei Zwischentakten führt ein schnelleres Allegro-Tempo in die Klangwelt von Beethovens Fidelio: Zu hören ist die G-Dur-Melodie des Final-Duetts von Leonore und Florestan O namenlose Freude. Der Überschwang ist jedoch nur von kurzer Dauer und wird mit drei Akkorden sostenuto abrupt beendet. Im letzten Takt des Stückes, der mit dem dazugehörigen Text überschrieben ist, erklingt schließlich der Beginn der Haydn’schen Kaiserhymne: »Gott erhalte«.441 Diese Worte knüpfen wiederum direkt an den Widmungstext an: [Gott erhalte] Wilhelmine Schröder / die hochbegabte Künstlerin / die sich unvergesslich macht allen die sie zu bewundern Gelegenheit fanden und ihrem Verehrer / I. Moscheles

Mit diesem verbalen Ausdruck seines künstlerischen Respekts schließt die musikalische Verneigung vor der Sängerin. Bemerkenswert ist, wie Moscheles es mit seinem kreativen Impromptu in Anspielung an Schröder-Devrients wichtigste Bühnenrollen zugleich verstand, auf sympathische Weise auch seine eigene Kunst des Komponierens in Szene zu setzen. 3.9.3 Impromptu, Capriccio, Scherzo: Albumblätter in London und Paris Aus der Mitte der 1830er Jahre sind relativ wenige Albumblätter von Moscheles überliefert. Dabei sind drei in London entstandene Autographe zu verzeichnen.

441 Das Kaiserlied Hob. XXVIa:43 (Text: »Gott erhalte Franz, den Kaiser«) komponierte Joseph Haydn 1796/97 im Auftrag von Franz II. Die Melodie diente mit veränderlichem Text bis ins 20. Jahrhundert hinein als österreichische Nationalhymne; seit 1922 wird die deutsche Nationalhymne auf die Melodie gesungen.

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Vom Mai 1835 datiert ein Impromptu für die Pianistin Elvira Grange.442 Eine »Petite Esquisse écrite pour Madame d’Este [sic]« schrieb Moscheles im April 1835 für das Album der Baronin d’Est, die allem Anschein nach Klavierstunden bei dem berühmten Virtuosen genommen hatte (vgl. Kap. 2.2.4).443 Im September 1836 schließlich trug Moscheles ein drei Seiten umfassendes Capriccio in das Notenautographen-Album der englischen Organistin Eliza Wesley ein (vgl. Kap. 2.3.3). Während mit dem Impromptu und der Petite Esquisse Originalkompositionen vorliegen, handelt es sich bei dem Capriccio um eine ältere Komposition aus dem Jahr 1814, und zwar um das fünfte Stück aus den Six Divertissements pour le Pianoforte op. 28.444 Während eines zweimonatigen Aufenthalts in Paris, im Herbst des Jahres 1839, häuften sich vermutlich die an den bekannten Klaviervirtuosen herangetragenen Bitten um Albumeinträge. Ignaz Moscheles genoss mit seiner Familie das gesellschaftliche Leben der französischen Hauptstadt, folgte diversen Einladungen, besuchte musikalische Soireen und die Oper. In dieser Zeit machte er erstmals die Bekanntschaft von Frédéric Chopin und besuchte ihn in Begleitung seiner Frau Charlotte und der Tochter Emily. Ende Oktober spielten Moscheles und Chopin schließlich ein Konzert für die königliche Familie im Schloss SaintCloud (vgl. Kap. 3.2.4).445 Moscheles’ Zugehörigkeit zur musikalischen Elite war damit nachhaltig untermauert und kontextualisiert die folgenden vier Album­ einträge. Der Sekretär des Pariser Konservatoriums, Alfred de Beauchesne, hatte sich bei günstiger Gelegenheit bereits Anfang Oktober eine autographe Komposition von Moscheles für sein umfangreiches Album gesichert (vgl. Kap. 2.2.2): Mit dem äußerst virtuosen, fast aggressiven Impromptu, einem Allegro feroce, liegt eine unveröffentlichte Komposition vor, die nur in diesem Album zu finden ist.446 Für die 19-jährige Juliette Zimmerman (vgl. Kap. 2.3.4), Tochter des einflussreichen Klavierprofessors Pierre-Joseph-Guillaume Zimmerman,447 kom442 Über Elvira Grange (1820–1849 ca.) ist wenig bekannt. Belegt ist der Ankauf ihres »Album choisi« mit autographen Einträgen von u. a. Moscheles, Litolff, Mendelssohn, Horsley, Paganini durch die Library of Congress in Washington im Jahr 1814. Library of Congress 1914, S. 87. 443 Die Albumseite ist abgebildet in: Eigeldinger 1996, S. 358. 444 Im Album ist für das Capriccio als Tempo Allegro con Spirito angegeben; im Druck fungiert das Stück als Allegro molto und weist einige Abweichungen auf, u. a. in der Dynamik. Vgl. auch MoschelesVerzeichnis 1966, S. 11. 445 Moscheles 1873, S. 38–45. 446 Im Inhaltsverzeichnis von Beauchesnes Album wurden unveröffentlichte Stücke vom Eigner markiert; ein entsprechendes Zeichen fehlt für den Moscheles-Eintrag. 447 In deutscher Schreibweise des Namens fügte Moscheles dem Albumblatt folgende Widmung bei: »Écrit pour Mademoiselle Juliette Zimmermann par I. Moscheles«.

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ponierte Moscheles ebenfalls ein nur ihr vorbehaltenes Impromptu.448 Darin entfaltet er mit einem quirligen, sprunghaften Vivace, con leggerezza eine völlig andere Tonsprache, die genau auf ein junges Mädchen zugeschnitten scheint. Für den Bildhauer und Karikaturisten Dantan Jeune, dessen Skulpturen Zimmerman in seinem Salon ausstellte,449 notierte Moscheles am 16. November 1839 nur wenige Takte eines Cantabile, versah diese allerdings mit einer besonderen Widmung, die einen konkreten Moment des Miteinanders festhält: »Ecrit dans l’Atelier de Monsieur Dantan / en face de la Statuette de Duprez / par I. Moscheles«. Vorstellbar ist also, dass sich Moscheles in das Album eintrug (vgl. Kap. 2.2.2), während er für den Bildhauer, der für seine karikaturistischen Büsten von gesellschaftlichen Größen aus der Welt der Kunst, Musik, Dichtung und Politik bekannt war, Modell saß.450 Bei dieser Gelegenheit oder bei einem anderweitig motivierten Besuch in Dantans Atelier erstellte Moscheles den Album­eintrag, wobei ihm offenbar ein Abbild des Tenors Gilbert Duprez in den Blick gefallen war.451 Vier Tage nach dem Eintrag für Dantan Jeune schrieb Moscheles sich mit einem Scherzo (siehe Tafel 36) in das Album der russischen Comtesse Natalia Obreskov ein (vgl. Kap. 2.2.3). Obreskov, die Chopin maßgeblich förderte und finanziell unterstützte, hielt sich je nach Saison in einer anderen europäischen Metropole auf. Als passionierte Musikliebhaberin suchte sie die Nähe zu den Musikeliten, so dass Moscheles sie lakonisch als »die Gräfin O. aus Petersburg, die uns Künstler en bloc anbetet«, bezeichnete.452 Moscheles hatte sich bereits im Juli 1838 in London mit einem Fragment aus seiner Etude op. 70 Nr. 3 in ihr Stammbuch eingetragen, die er in noch kürzerer Fassung mit zwei neu komponierten Schlusstakten, im November 1845, auch für das Album von Jenny Vény verwenden sollte.453 Sehr wahrscheinlich hatte Natalia Obreskov bei dem erneuten Zusammentreffen in Paris, im November 1839, schließlich eine längere Komposition eingefordert, die ihrem Album vorbehalten sein sollte. Ignaz Mo448 Die Komposition, der Constance Himelfarb treffend stilistische Eleganz (»élégance stylistique«) zuschreibt, zeichnet sich durch rhythmische Verschiebungen und das Spiel mit Betonungen und Dynamik aus. Himelfarb 2001, S. 59f.; für eine Abbildung des Albumblatts vgl. ebd., S. 42. 449 Ebd., S. 47. 450 Jean-Pierre Dantan ( Jeune) erstellte 1839 eine Büste von Ignaz Moscheles, die sich heute im Pariser Musée Carnavalet befindet, aber auch online zu besichtigen ist (Link siehe Literaturverzeichnis). 451 Dabei könnte es sich um eine ebenfalls 1839 entstandene karikierende Darstellung von Gilbert Duprez aus dem Musée Carnavalet handeln (Link siehe Literaturverzeichnis). 452 Moscheles 1873, S. 39. 453 Zum Album von Jenny Vény, Tochter des Oboisten Auguste Vény, das passend zum Instrument des Vaters eine beträchtliche Anzahl an Kompositionen für Oboe enthält, vgl. Schneider/Wolff 1992. Das Album ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis).

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scheles erfüllte diesen Wunsch mit dem Scherzo – zugleich verzichtete er bei beiden Einträgen auf eine persönliche Adressierung und signierte seine Einträge lediglich mit Ort und Datum. 3.9.4 Ruhigere Töne, Fragmente und ein Ferienspaß um Heinrich Wilhelm Ernst Bei den bisher besprochenen Albumblättern handelt es sich fast gänzlich um umfänglichere, zumeist virtuose Kompositionen. Dabei dominiert das Impromptu als relativ freie Form, die durch ihren spontanen, überraschenden Charakter für den Stammbuchkontext besonders geeignet erscheint. Auch in der Leipziger Zeit schrieb Moscheles weitere Impromptus: 1847 beispielsweise für den Organisten James Andrew Baker (1824–1863) und 1848 für den Komponisten Carl Reinecke (1824–1910). Neben dem typischen virtuosen Repertoire finden sich unter den Moscheles­ ’schen Stammbuch-Kompositionen aber auch einige ruhigere, getragene Stücke. Hierzu zählen ein im Oktober 1844 entstandenes Lied ohne Worte für Caroline Molique im vorgedruckten dekorativen Zierrahmen,454 außerdem ein Andante melanconico, das als »Souvenir d’amitié« Antolka Hiller (geb. Hogè) gewidmet ist (siehe Tafel 37). Entsprechend dem polnisch-jüdischen Hintergrund von Ferdinand Hillers Frau sind in dem Stück, das vom 7. Januar 1845 in Dresden datiert, osteuropäische Klangfarben auszumachen. Am selben Tag schrieb Moscheles weiterhin für Mademoiselle Julie Hogè ein ähnliches, jedoch deutlich längeres Klavierstück in Moll con Sentimento.455 Im Gegenzug erhielt Moscheles schließlich auch von Ferdinand Hiller ein Albumblatt für seine Sammlung: Mit den Worten »Zur freundlichen Erinnerung an den 7. Januar 1845« notierte Hiller, bezugnehmend auf ein an diesem Tag gemeinsam bestrittenes Konzert, den Beginn von Moscheles’ Klavierkonzert g-Moll, op. 60.456 Neben Albumblättern mit vollständigen Stücken existieren auch zahlreiche Stammbuchbeiträge von Moscheles, die nur wenige Takte bzw. Incipits von Stücken umfassen. Frühe Beispiele sind das Blatt für »Herrn und Mme Beneke« von 454 Die zu diesem Zeitpunkt 16-jährige Caroline Molique, älteste Tochter des Geigers Wilhelm Bernhard Molique, wurde als Pianistin ausgebildet. Ihr 1843 initiiertes Stammbuch ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 455 Es ist unklar, ob das Einzelblatt mit einem nahezu quadratischen Format je für einen Albumverbund vorgesehen war bzw. darin gesammelt wurde. Bei der Adressatin der Komposition dürfte es sich um Marie Julie Hogè, Antolkas ältere Schwester und Ehefrau von Alphonse de Bernard, Vicomte de Calonne, handeln. 456 IM f.135r (S. 190). Vgl. Moscheles 1873, S. 133f.

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1825 und der 1832 datierte Eintrag in das Miniatur-Album von Fanny Horsley, der sicherlich nicht zuletzt dem besonderen Buchformat geschuldet ist.457 Lediglich zwei Takte umfasst auch das im Album von Clara Beaumarié enthaltene Moscheles-Blatt. Die Musik ist in drei Systemen notiert, die angesichts des Kontextes auf eine Besetzung für Violine und Klavier verweisen. Der Widmungstext lautet: Man muss nie die Hoffnung verlieren / denn mit Ernst kann auch das Schwerste reüssiren. / Boulogne sur mer 9te August 1843 / I. Moscheles / bey dem Genusse von fruchtversüsstem Eise / welches uns Freund Ernst & Co. um 11 Uhr / der reizendsten Mondnächte schickte.458

Ohne die Hintergründe im Detail rekonstruieren zu können, vermag es das Albumblatt, das unbeschwerte gesellige Miteinander der beteiligten Personen in der Vorstellung wieder lebendig werden zu lassen. Dabei scheint der mit der Familie Moscheles befreundete Geiger Heinrich Wilhelm Ernst adressiert zu werden, der jedoch nicht direkt mit einer Widmung angesprochen wird. Wie das Blatt schließlich in das Album von Clara Beaumarié gelangte, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Wahrscheinlich schenkte der Geiger es ihr zu einem späteren Zeitpunkt – und möglicherweise gehörte Beaumarié sogar zu Ernsts Begleitung (»Co.«) im Ferienort Boulogne sur mer,459 in dem gern auf der Reise von London nach Paris Halt gemacht wurde.460 Obwohl dem Blatt bisher im Rahmen der musikwissenschaftlichen Auswertung des Albums einige Aufmerksamkeit zukam (vgl. Kap. 1.2.6), wurde das nahezu unspielbare Musiknotat selbst, sicher auch aufgrund seiner Kürze, kaum diskutiert.461 Tatsächlich liefert es jedoch einen weiteren Verweis auf Heinrich Wilhelm Ernst: Der Klavierpart zitiert das Lied (Nr. 4) aus den Pensées Fugitives für Violine und Klavier, die Ernst gemeinsam mit Stephen Heller komponiert hatte.462 Der Violinpart des Albumblatts kann nicht genauer zugeordnet werden, evoziert aber den Eindruck einer virtuosen Passage, deren Ausführung über dem 457 Das in dunkelrotes Leder gebundene Album im Hochformat misst nur 11,7 cm × 9,5 cm. In der Lederprägung sind verschiedene Musikinstrumente, u. a. Geige, Trompete und Harfe, zu erkennen. Das Büchlein wurde Fanny Horsley von ihren Schwestern geschenkt: »Fanny Arabella Horsley / from her affectionate sisters Mary and Sophy / July 10th 1832«. Zum geselligen Umfeld der Schwestern, zu dem auch Carl Klingemann und Felix Mendelssohn gehörten, vgl. Gotch 1934. 458 Das Albumblatt ist abgebildet in: Beaumarié 2009, S. 22. 459 Vgl. auch Maillard 2012, S. 95. Zu Ernsts Aufenthalt in Boulogne vgl. Rowe 2008, S. 121f. 460 In der Moscheles-Biographie wird Boulogne sur mer als »die Vorstadt Londons« bezeichnet, »wo man viele bekannte englische Familien und die berühmtesten Künstler wieder fand«. Moscheles 1873, S. 116. 461 Vgl. Kalisch 2009, S. 237; Hoppe 2014, S. 98. 462 Die Pensées Fugitives o. op. von Ernst und Heller umfassen zwölf Stücke und wurden um 1842/43 mit Widmung an »Docteur Roth« veröffentlicht. Zehn dieser Stücke (ausgenommen Nr. 10 und Nr.

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eher einfachen, aber melodisch einprägsamen Lied vor allem durch die rhythmische Verteilung (8 gegen 6), die durch den Auftakt im Klavier zusätzlich sabotiert wird, problematisch ist. Auf diese Weise erfüllt das Musiknotat, das sicher aus dem Moment heraus entstand und dessen melodische Grundlage der Familie Moscheles wohl bekannt war,463 seinen Zweck und illustriert mit einem Augenzwinkern sowohl die kompositorischen als auch virtuosen Fähigkeiten Ernsts. 3.9.5 Momentaufnahmen im Stammbuch von Sophie Klingemann (1844–68) Als eine Sammlung von Momentaufnahmen erscheinen ebenfalls die zwei von Ignaz Moscheles im Album von Sophie Klingemann gestalteten Seiten (siehe Abb. 2), die allerdings bezüglich der abgedeckten Zeitspanne herausstechen. In einem Zeitraum von 24 Jahren, von 1844 bis 1868, entstanden bei verschiedenen Gelegenheiten und Zusammentreffen insgesamt fünf bzw. sechs Einträge in das Stammbuch.464 Carl Klingemann (1798–1862), ab 1827 Kanzlist, später Gesandtschaftssekretär in London und ein enger Freund der Mendelssohns seit der Berliner Zeit,465 hatte die aus Detmold stammende Sophie Rosen (1822–1901) im Sommer 1844 kennengelernt. Als Halbschwester des jung verstorbenen Orientalisten Friedrich August Rosen (1805–1837), der zum engeren Freundeskreis von Klingemann und Mendelssohn gehört hatte, besuchte sie in London die Familie Horsley, mit der Klingemann ebenfalls freundschaftlich verkehrte. Im Hause der Horsleys in Kensington muss dann auch der erste Eintrag Moscheles’, ein viertaktiger Ausschnitt mit der Tempobezeichnung Moderato, datiert auf den 15. Juli 1844, entstanden sein. 12) publizierte Heller 1851 für Klavier solo als Dix Pensées Fugitives op. 30. Vgl. Hoppe 2014, S. 491–494, S. 371–375; Rowe 2008, S. 99f.; vgl. auch Müller-Kersten 1986, S. 142–147. 463 In Hellers Klavierfassung op. 30 (London: Wessel & Co. [1851]) ebenso wie in einer Ausgabe für Violine und Klavier (London: Wessel & Co. [1848]), die 13 Stücke umfasst, sind die einzelnen Stücke zusätzlichen Personen gewidmet, darunter Ignaz, Charlotte und Emily Moscheles. Letztere Ausgabe trägt zudem einen abgewandelten Titel, der den persönlich-intimen Entstehungsrahmen herausstellt: Les Gages d’amitié ou Pensées fugitives. Vgl. Heller/Ernst 1848; Heller 1851. 464 Mit dem Stammbuch von Sophie Klingemann habe ich mich insbesondere in Hinblick auf genderspezifische Fragen umfassend beschäftigt. Vgl. Rost 2020. 465 Zur Freundschaft zwischen Carl Klingemann und Felix Mendelssohn, die von einem lebenslangen Briefwechsel begleitet wurde, vgl. Back 2014. Der für sein literarisches Talent und seinen Humor geschätzte Klingemann war als Redakteur an der sogenannten »Gartenzeitung« vom Sommer 1826, die »Rückschlüsse auf die künstlerisch-gesellige Kommunikation des Kreises um die MendelssohnGeschwister« zulässt, maßgeblich beteiligt. Bartsch 2007, S. 128–141, hier: S. 130; vgl. auch Back 2014, S. 365–369.

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Abb. 2: Einträge von Ignaz Moscheles im Stammbuch von Sophie Klingemann

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Carl und Sophie Klingemann heirateten schließlich am 10. August 1845 in Detmold.466 Das Paar ließ sich dann jedoch am Dienstort Klingemanns in London nieder und bewohnte ein Haus am Hobart Place Nr. 4, das sich ähnlich dem Haus der Moscheles’ zur Anlaufstelle und zum Treffpunkt für deutsche Intellektuelle und Künstler:innen entwickelte.467 Vor diesem Hintergrund und offenbar bei einem Besuch, bei dem auch der im September 1848 geborene Klingemann’sche Sohn Friedrich vorgestellt wurde,468 ist Moscheles zweiter Eintrag vom 11. Februar 1849 zu verstehen. Sophie Klingemann in ihrer Geschlechteridentität als Ehefrau und Mutter bestärkend und in Rückbesinnung auf das erste Kennenlernen der 1844 noch unverheirateten Albumeignerin dichtete Moscheles: Aus Kindern werden Leute, aus Mädchen Bräute, / aus Leuten Kinder, wenn sie sich an einem Fritz erfreuen. / Möge diese Freude segensreich wachsen!

Bei seinem nächsten Eintrag, am 24. Juni 1855 in Kassel entstanden, bediente sich Moscheles wiederum der Notensprache. Nahezu philosophisch schrieb er als Erläuterung zu den 15 notierten Akkorden: »Modulationen u. Übergänge sind nur schön, wenn sie so wie / unsere heutigen harmonisch zum reinen Tonverhältniss führen.« Am unteren Seitenrand wurde außerdem eine schwer leserliche Zeile hinzugefügt, die möglicherweise von Charlotte Moscheles stammt. Eine Lesart könnte lauten: »›Nein ich schreibe nicht Sophie‹ (Altes Lied) / Eure alte Freundin C.M.«. Im Jahr zuvor waren sich die Familien noch näher gekommen, denn Serena Moscheles hatte 1854 Georg Rosen, den Bruder Sophie Klingemanns, geheiratet.469 Die letzten beiden Einträge Ignaz Moscheles’ im Stammbuch von Sophie Klingemann entstanden schließlich in Bonn. Moscheles schlug hier sentimentalere Töne an, wohl im Bewusstsein seines fortschreitenden Alters und des langen Zeitraums der Bekanntschaft mit Sophie Klingemann. 1858 schrieb er: »Möge es mir vergönnt sein noch fernere Erinnerungen / glücklicher Lebens-Epochen hier bezeichnen zu können.« Zehn Jahre später, im Juni 1868, las er seinen Eintrag erneut und konnte konstatieren: »Das Obige ist Gott sey dank vollkommen wahr geworden.«

466 Vgl. ebd., S. 83–88. 467 Zu dem in London ansässigen Freundeskreis der Klingemanns gehörten neben der Familie Moscheles auch die Familien Horsley und Benecke. Hierzu ebd., S. 89–91; vgl. auch Gotch 1934. 468 Der erstgeborene Sohn der Klingemanns Friedrich Karl Wilhelm (1848–1856) verstarb mit nur sieben Jahren. Sophie Klingemann verlor drei ihrer fünf Kinder, ihr jüngster Sohn wurde wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes geboren, den sie um fast 40 Jahre überlebte. Ab 1865 lebte sie mit ihren drei Kindern in Bonn; besonders ihre letzten Lebensjahre waren von schweren Depressionen begleitet. Back 2014, S. 94–98. 469 Zur Geschichte der Familie Rosen vgl. Weiske 1998.

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3.9.6 Klaviervirtuose, Komponist und Professor. Albumblätter mit Distanz Vor allem für Personen, die er kaum oder wenig kannte und die ihn in seiner Rolle als renommierte Musikerpersönlichkeit, etwa im Rahmen von größeren Gesellschaften oder Konzerten, um Stammbuchblätter baten, gestaltete Ignaz Moscheles seine Einträge mit kurzen Incipits oder Fragmenten aus seinen bekanntesten Werken. Sicher spielte eine Rolle, dass solche Einträge in wenigen Minuten erstellt werden konnten und so die aufwändige Mitnahme bzw. spätere Rückgabe der Alben oder Albumblätter vermieden wurde. Vor diesem Hintergrund notierte Moscheles beispielsweise verschiedentlich Ausschnitte aus seinen bekannten 24 Etudes op. 70. Solche Blätter, die nur wenige Takte umfassen und ohne Widmung auskommen, entstanden 1847 und 1861 in Leipzig,470 1868 in Bournemouth oder 1869 in Hamburg. Ein längeres Notat der fis-Moll-Etüde op. 70 Nr. 17 hingegen richtete Moscheles im April 1847 in Leipzig »An Fräulein Sachse«, wahrscheinlich eine seiner Klavierschülerinnen.471 Ausschnitte aus dem beliebten Kindermährchen, das als Etude caractéristique op. 95 Nr. 5 bereits 1837 publiziert worden war,472 verwendete Moscheles zunächst 1839 in London für den Geiger Heinrich Panofka, dann 1844 in Aachen für eine unbekannte Person, später in Leipzig für die Sängerin Lidy Steche (1851) und für die Pianistin Luise Avé-Lallemant (1863).473 An eine vermutlich englischsprachige Person richtet sich das in Leipzig entstandene »Fragment of a Nursery tale« vom Januar 1850. Ein »Fragment du Conte enfantin«, ebenfalls ohne persönliche Adressierung, schrieb Moscheles dort im Januar 1859. Von 1850 datiert das Albumblatt für die Pianistin Nanette Falk-Auerbach, einer Schülerin Clara Schumanns, mit dem Incipit von Moscheles’ viertem Klavierkonzert op. 64.474 Gebunden an ein konkretes Konzertereignis, »zur freundlichen Erinnerung an das Concert des 9ten October 1835«, notierte Moscheles für die Leipziger Pianistin und musikalische Gesellschafterin Henriette Voigt die ersten 470 Das Albumblatt vom 22. Oktober 1861, das keine persönliche Widmung oder Adressierung aufweist, gehört zu Edvard Griegs Stammbuch in der »Griegsamlingen« in Bergen; das Minnebok ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). Grieg studierte ab 1858 am Leipziger Konservatorium. Conservatorium 1868, S. 52. 471 Es dürfte sich um die 1845 ins Leipziger Konservatorium aufgenommene »Auguste Sachse aus Weissenfels« handeln. Ebd., S. 36. 472 Die »Nouvelles grandes études caractéristiques pour le piano, pour le développement du style et de la bravoure, par J. Moscheles, Premier cahier, op. 95« erschienen 1837 bei Schlesinger in Paris. Bibliographie de la France 1837, S. 628. 473 Vgl. Avé-Lallemant 1981; zu Lidy Steche (geb. Angermann) vgl. Gerber 2016, S. 186f.; Steches Stammbuch ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 474 Das Albumblatt trägt die Widmung: »Hamburg den 10ten März 1850. Am Geburtstag der Besitzerin dieser Blätter«.

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Takte seines Concerto fantastique op. 90.475 Für den Komponisten Franz von Holstein, der bei ihm Klavierunterricht genommen hatte, schrieb Moscheles im April 1854 die ersten 16 Takte des Finales seines Concerto Pathétique op. 93 nieder. Weiterhin verwendete Moscheles, augenscheinlich vor dem Hintergrund der gerade erfolgten Publikation, für drei Albumblätter aus den Jahren 1857/58 Ausschnitte aus seinen Humoristischen Variationen op.  128, wobei er für den Komponisten Hubert Ferdinand Kufferath eine umfänglichere Fassung im dekorativen Zierrahmen gestaltete. Für einen »Herrn Otto Cohen« notierte er 1860 wiederum lediglich ein fünftaktiges Fragment aus der Concert-Etude op.  126. Ein Leipziger Albumblatt von 1859 ohne Adressierung zitiert vier Takte aus dem Charakterstück Der Tanz op. 129.476 Vor diesem Hintergrund eher ungewöhnlich fällt der Stammbucheintrag mit einer Bach-Referenz für den amerikanischen Komponisten William Batchelder Bradbury aus, der sich während einiger Jahre in Deutschland und England musikalisch fortbildete und wahrscheinlich auch bei Moscheles in Leipzig Unterricht nahm. »Zur Erinnerung an die Heimath S. Bach’s« schrieb Moscheles ihm im April 1848 ein Largo mit anschließendem Andante über die Tonfolge B-AC-H ins Album.477 Neben Personen aus dem gesellschaftlichen Umfeld Leipzigs wurde Moscheles auch als Professor am Leipziger Konservatorium von seinen Schülerinnen und Schülern um Erinnerungsblätter ersucht. Die vollständige Originalkomposition einer mit Heimweh überschriebenen Musikalischen Skizze notierte er etwa für Marie Pohlenz, die als Tochter des 1843 verstorbenen Gewandhauskapellmeisters Christian August Pohlenz, dessen Nachfolger Felix Mendelssohn Bartholdy wurde, von 1848 bis 1851 am Konservatorium studiert hatte.478 Moscheles schrieb das Stammbuchblatt am 17. April 1851 und somit wohl anlässlich des Austritts von Marie Pohlenz aus dem Konservatorium, griff dabei allerdings auf eine bereits für andere Studentinnen verwendete Komposition zurück, wie die im Jahr 1850 entstandenen Einzelblätter für »Frau [Arnoldina Jordana Wynanda] Bremer« und »Fräulein [Wilhelmine] Schwarzenbach« belegen.479 In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der Studienabschluss noch viele weitere Albumbeiträge motivierte: The diplomas, duly signed by the Faculty, were handed privately to each individual before leaving [the Conservatorium]. The very last thing of all was the never-to-be-neglected 475 Zu dem erfolgreichen Konzert in Leipzig vgl. Moscheles 1872, S. 304f. 476 Das Autograph ist abgebildet in: Wiedemann 1990, S. 131. 477 Das Album ist online einsehbar (Link siehe Literaturverzeichnis). 478 Vgl. Gewandhaus-Magazin 2005, S. 40f. (mit Faksimile des Albumblatts). 479 Vgl. Conservatorium 1868, S. 38, S. 40.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

privilege of collecting the autographs of all the professors, – of the most distinguished among the students, of personal friends, and of as many celebrities as we could obtain.480

Auf diesen etablierten Brauch verweist auch mancher Widmungstext Moscheles’. So heißt es im April 1855: »Für Fräulein A. Koch zur Erinnerung an das Leipziger Conservatorium«. Die Albumeignerin, Auguste Caroline Friederike Koch, war sehr wahrscheinlich Sängerin, denn Moscheles notierte für sie eines seiner Lieder aus op. 117. Insbesondere für die zahlreichen britischen Schüler und Schülerinnen, die es nicht zuletzt wegen Moscheles’ Reputation in England ans Konservatorium zog, bedeutete das Ende des Studiums neben dem Abschied aus Leipzig zumeist auch die Rückkehr in ihr Heimatland. Die aus Manchester stammende Pianistin Elizabeth Mary Ewen (1845–1921) schied nach einem Studienjahr zu Ostern 1868 aus dem Konservatorium aus – eine günstige Gelegenheit, ein Erinnerungsalbum zu beginnen. Die Ehre, das Stammbuch mit einem ersten Eintrag zu eröffnen, wurde Ignaz Moscheles zuteil, der »zur freundlichen Erinnerung an das Leipziger Conservatorium« das Incipit der ersten Etude aus op. 70 beisteuerte. Das Ende ihrer Studienzeit in Leipzig begleiteten auch die Schwestern Clara Kathleen Barnett (1844–1931) und Rosamund Liszt Mary Barnett (1841–1910), die beide schließlich eine erfolgreiche Gesangskarriere absolvieren sollten, durch das Sammeln von Albumblättern.481 Gemeinsam mit ihrem Bruder und einem Cousin hatten die Geschwister, Enkel des mit Moscheles aus London gut bekannten Cellisten Robert Lindley, von 1857 bis 1860 am Konservatorium studiert. Zum Abschied notierte Moscheles im Dezember 1860 für die 16-jährige Clara Barnett die ersten Takte des Finalsatzes seines Concerto fantastique op. 90. Ergänzend verzierte die junge Frau die dem Eintrag gegenüberliegende Albumseite mit einer Porträt-Lithographie ihres Lehrers. Im Album ihrer Schwester Rosamund hingegen ist ein ebenfalls auf das Jahr 1860 zu datierendes vollständiges Autograph des gut zu deren Mezzosopranstimme passenden Liedes Dem Liebesänger op. 117 Nr. 2 mit der Widmung »An Fräulein R. Barnett zur freundlichen Erinnerung« enthalten, dem die Verwendung zum Musizieren implizit ist. Clara Kathleen Rogers (geb. Barnett), die nicht nur als Sängerin, sondern auch als Komponistin und Pianistin wirkte, gab später unter ihrem Ehenamen ihre Memoiren heraus, in denen sie auch

480 Rogers 1919, S. 190. 481 Es überrascht nicht, dass sich die Alben der Schwestern, die beide 1860 anlässlich des Abschieds vom Konservatorium begonnen wurden, stark ähneln; das Album von Kathleen (1860–80) weist eine etwas längere Laufzeit auf als das von Rosamund Barnett (1860–71). Ich danke Carola Bebermeier für den freundlichen Hinweis auf die beiden Stammbücher.

Unterhaltung und Konvention

253

auf ihr Stammbuch, ein Abschiedsgeschenk ihres befreundeten Kommilitonen, des späteren Komponisten Arthur Sullivan, zu sprechen kommt: The most appropriate parting gift was, of course, an album! Each of us was the glad recipient of one. My album was given me by Sullivan. It was a pretty thing, bound in seagreen velvet, lettered and ornamented in scrolls of gold. It contained a very characteristic dedication from the donor. That album, which is full of interesting musical autographs, has outlived all the vicissitudes of our wanderings and is to be found intact among my treasured possessions in Boston.482

Im Rückblick auf die Zeit in Leipzig findet auch der Unterricht bei Moscheles Erwähnung.483 Rogers beschreibt den Lehrer als hoch respektierten, jedoch musikalisch konservativen Traditionalisten, der von den Schülern als »interesting relic of a bygone musical period« wahrgenommen wurde.484 Dabei war Moscheles am Konservatorium für seine auffallende Vorliebe für eigene Stücke bekannt. »This amiable weakness of his for his own compositions« scheinen auch seine Albumblätter zu bestätigen.485 3.9.7 Lieder, eine Cello-Ballade mit politischem Statement und ­Erinnerungsblätter für die Familie Obgleich es sich bei den Kompositionen, die Ignaz Moscheles für seine Albumblätter verwendete, in großer Mehrzahl um Klavierstücke handelt, griff er je nach Adressat oder Adressatin auch auf andere Besetzungen zurück. So ist zu beobachten, dass er bei Musiker:innen zum Teil deren Instrument berücksichtigte; für die Alben von Sängerinnen erstellte er Liedeinträge. Dem Liebesänger (vgl. auch Kap. 3.8.4) findet sich beispielsweise nicht nur im Stammbuch von Rosamund Barnett. Bereits im November 1847 schrieb Moscheles für die Altistin Sophie Schloss (1822–1903) eine autographe Fassung dieses Liedes, die um wenige Takte abweicht.486 Die Sängerin, deren Karriere maßgeblich von Felix Mendelssohn Bartholdy gefördert worden war, war im Winter 1847/48 bei den

482 Rogers 1919, S. 191. 483 Ebd., S. 120–129. 484 Ebd., S. 128. Rogers überlieferte folgendes Zitat Moscheles’: »Why do you spend your time in studying this meretricious modern stuff [e.g. Liszt, Chopin]? You should confine yourselves to Bach, Haendel, Haydn, Mozart, Beethoven, Mendelssohn and Me.« Ebd., S. 127. 485 Ebd., S. 122. 486 Die spätere Fassung aus dem Album von Rosamund Barnett, die bereits mit der Opuszahl versehen ist, enthält einen zusätzlichen Zwischentakt und an einer Stelle eine Abweichung in der Melodie.

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Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Leipziger Gewandhauskonzerten engagiert.487 Das Albumblatt thematisiert die Moscheles und Schloss verbindende Trauer um den etwas mehr als zwei Wochen zuvor verstorbenen Felix Mendelssohn: »Trübe Gedanken in trüber Zeit von Ihrem aufrichtigen / Freunde I. Moscheles«.488 Für das Stammbuch der Altistin Auguste von Strantz (geb. Zehner, 1830– 1879) schrieb Moscheles 1851 eine Gondoliera auf einen Text von Emanuel Geibel.489 Mit der verträumten, sehnsuchtsvollen Barkarole liegt eine unveröffentlichte Komposition vor, die bisher nur in diesem Album nachgewiesen werden konnte. Das Stück ist dabei nicht, wie etwa im Falle von Mendelssohns Gondellied op.  19 Nr.  6,490 an eine konkrete Reiseerfahrung gebunden (vgl. Kap. 2.3.2).491 Die Gondoliera scheint eher der in diesen Jahrzehnten verbreiteten Gondellied-Mode zuzuschreiben zu sein.492 So handelt es sich bei dem Stück auch nicht um das einzige Gondellied, das Moscheles für einen Albumeintrag verwendete. 1843 schrieb er für das Notenautographen-Album des Pariser Oboisten Gustave Vogt einen Chant du Gondolier, ein Klavierstück ohne Gesang, das als Gondolier’s Lied für das Pianoforte op. 110 in Rotterdam publiziert wurde.493 Für eine andere Sängerin, die Viardot-Schülerin Juliane Flinsch-Orville (1839– 1889), erstellte Moscheles 1865 schließlich ein Erinnerungsblatt, in dem sich der zu diesem Zeitpunkt bereits 71-Jährige augenzwinkernd selbst als musikalischer Traditionalist zu erkennen gab. Er notierte zwei Fassungen des Anfangstaktes der Klavierstimme des Schumann-Lieds Die Stille (mit dem Incipit »Es weiss und räth’ es doch Keiner«) aus dem Liederkreis op. 39. Die den Gesang stützenden Akkorde unterscheiden sich in den beiden Versionen lediglich durch drei zusätzliche Noten h in der kleinen Oktave im Bassschlüssel. Dabei entspricht die Fassung mit fünf statt vier Akkordtönen der allgemein verbreiteten Druckfassung des SchumannLiedes.494 Die zusätzlichen Terzen stellten vermutlich den Ausgangspunkt einer 487 Vgl. Tank 1976, S. 2–26, hier: S. 22. 488 Vgl. das Faksimile in: Gewandhaus-Magazin 1994. 489 Das Album der Auguste von Strantz umfasst 32 Autographe aus den Jahren 1851 bis 1853, die von der Sängerin im Rahmen ihrer Reiseaktivitäten gesammelt wurden. Auffallend sind die vielen Liedhandschriften, darunter insgesamt vier Geibel-Vertonungen. 490 Hierzu Rost 2015a. 491 Eine Venedig-Reise der Familie Moscheles ist erst für den Sommer 1853 zu belegen. Vgl. Moscheles 1873, S. 241–245. 492 Zur Popularität der Barkarole im 19. Jahrhundert vgl. MGG2: Schneider 1994, Sp. 1233–1235. Für eine umfassende Diskussion des Gondellieds im Kontext des venezianischen Alltagslebens sowie als künstlerisches Thema vgl. Meine 2015; vgl. auch Meine 2014. 493 Moscheles-Verzeichnis 1966, S. 42. Der Opuszahl zufolge ist die Publikation um 1845 zu datieren. 494 In der Petrucci Music Library (IMSLP) ist eine Druckfahne der ersten Ausgabe von op. 39 (Wien: Tobias Haslinger 1842) mit Korrekturen aus Schumanns Hand einsehbar, die bereits diese Fassung von op. 39 Nr. 4 aufweist. Vgl. Schumann 1842 (Link siehe Literaturverzeichnis).

Unterhaltung und Konvention

255

Diskussion zwischen dem Komponisten und der Sängerin dar, die er musikalisch in dieser Zeit zu seinen »Lieblinge[n]« ­zählte.495 Moscheles schrieb: »Es weiss und räth’ es doch Keiner« / welche Leseart richt’ger u. reiner; er wolle den Schumann studiren / und das [h als Note im Bassschlüssel] frei verificiren / daß aber kein Querstand obwalte, / Und Freundschaft [sich] quand même sich erhalte, / das bittet der zopfige Alte

Drei durchgestrichene Zeilen lassen eine frühere Fassung des Texts erkennen, die der Reimversion weichen musste.496 Die Streichungen ebenso wie die wenig sorgfältige Handschrift zeigen, dass das Albumblatt aus einem konkreten geselligen Beisammensein hervorgegangen sein dürfte. Neben den eben thematisierten Gesangsstücken finden sich unter den hier zusammengetragenen Albumblättern Moscheles’ auch zwei Kompositionen für Violoncello und Klavier. Für den Cellisten Bernhard Hildebrand-Romberg (1833–1858), Enkel des bekannten Virtuosen Bernhard Romberg (1767–1841), notierte Moscheles 1853 die ersten Takte der Ballade (In böhmischer Weise) aus seiner Violoncello-Sonate op. 121. Mit einem Fragment aus op. 121 hatte er bereits im März 1852 den belgischen Pianisten Auguste Dupont adressiert.497 Eine unveröffentliche Ballade in g-Moll für Cello und Klavier hatte Moscheles zudem im September 1847 für den Neffen seiner Frau, den Cellisten Ernst Jaques (1828–1899), auf ein Albumblatt geschrieben. Mit kleineren Abweichungen entspricht diese dem Beitrag vom 7. Mai 1848 im Stammbuch von Julius Rietz (vgl. Kap. 1.2.4).498 1847 war Rietz, der neben seiner Dirigiertätigkeit auch als Cellist gefragt war, nach Leipzig gezogen und wirkte dort bald als Gewandhaus-Kapellmeister und Konservatoriumslehrer. Die Besonderheit des Erinnerungsblattes für Rietz ergibt sich aus dem begleitenden Text und den drei unter der Ballade notierten humorvollen Kadenzen für Klavier (siehe Abb.  3). »So schlossen die Alten« mit der Spielanweisung »Grave (schwerfällig)« täuscht einen plagalen Schluss vor, der durch einen verkürzten Dominantseptakkord mit der Septime im Bass konterkariert wird. Mit klaren Bezügen zwischen Dominante und Tonika wartet die Wendung »So schließen die Philister« auf, als »All[egr]o comodo (bequem heiter)« auszufüh495 Moscheles 1873, S. 336. 496 Der Text lautete ursprünglich: »›Es weiss und räth’ es doch keiner‹ / welche von beyden Lesearten die richtige ist / wenn er sie nicht mit des Komponisten / veröffentlichter vergleicht«. 497 Ein zweites Albumblatt für Auguste Dupont (1827–1890), mit dem Incipit von op. 112, entstand am 13. März 1859 in Leipzig. Im Gegenzug erbat sich Ignaz Moscheles nun auch von Dupont einen Beitrag für sein Stammbuch: Der Auszug aus Duponts »Allegro du Concerto en mi mineur op. 32« ist in Leipzig auf den 15. März 1859 datiert. IM f.136r (S. 191). 498 Der Eintrag wird kurz erwähnt in: Sietz 1962, S. 226.

256

Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Abb. 3: Widmung des Stammbucheintrags von Ignaz Moscheles für Julius Rietz

ren. »So schließen die Republikaner« gerät schließlich geradezu theatralisch und musikalisch überladen: Mit der unmissverständlichen Spielanweisung »ad libitum (kommunistisch)« werden weit gespannte Akkorde in Arpeggien zu einem neunstimmigen Schlussakkord im vierfachen forte geführt. Sein mit musikalischen Mitteln ausgedrücktes ›politisches Statement‹ erläuterte Moscheles zusätzlich durch den begleitenden Text, der durch die Datierung des Albumblatts, auf den 7. Mai 1848, kontextualisiert werden kann: Am 18. Mai 1848 sollten in der Frankfurter Paulskirche erstmals die gewählten Mitglieder eines gesamtdeutschen Parlaments zusammenkommen.499 Moscheles kommentierte: Wie wird die konstituierende / Versammlung in Frankfurth schließen? / Was wird sie beschließen? / that is the question! / zu deutsch: was wird aus der Kunst?

Neben einer betonten Witzigkeit, die in der überspitzten Anspielung auf das bekannte Zitat aus Shakespeares Hamlet gipfelt, scheint durch Moscheles’ Zeilen doch eine reale Besorgtheit über zukünftige politische Entwicklungen. Das Albumblatt wird so zu einem zeitgeschichtlichen Zeugnis der besonderen Art.500 Den Korrespondenzcharakter dokumentiert schließlich Julius Rietz’ ›antwortender‹ Eintrag in Ignaz Moscheles’ Album vom 9. Mai 1848 – die beiden Musiker hatten offenbar ihre 499 Im Zuge der Revolutionsbewegungen vom März 1848 in den Staaten des deutschen Bundes war die Frankfurter Nationalversammlung einberufen worden, um eine freiheitliche Verfassung für einen deutschen Nationalstaat zu erarbeiten, deren Umsetzung bekanntlich bereits 1849 scheiterte. 500 Weitere Auskunft über Moscheles’ Haltung zu den Entwicklungen der Jahre 1848/49 liefert seine Biographie. In einem Briefauszug heißt es dort über die Frankfurter Nationalversammlung: »Es ist als hätten die Staaten einen Krebsschaden und in Frankfurt fände die Consultation der Chirurgen statt. Künstliche Arme, Beine, Augen und Nasen werden dort in der grossen Versammlung dem verstümmelten Staatskörper angesetzt, und unser Zeitalter hat das traurige Loos, diesen Operationen zusehen zu müssen. Eine harte Prüfung; aber Gott hat sie uns auferlegt! Ich bin nicht vom Freiheitsschwindel ergriffen, wünsche mir ein monarchisches juste milieu, möchte aber nicht unter Nicolaus’ Zuchtruthe kommen, und auch nicht meine Nebenmenschen darunter sehen.« Moscheles 1873, S. 190.

Unterhaltung und Konvention

257

Stammbücher ausgetauscht. Rietz schrieb für Moscheles einen längeren Ausschnitt aus seiner Dithyrambe op. 20.501 In Bezugnahme auf Moscheles’ Kadenzen notierte er darunter eine ›antwortende‹ Schlusswendung mit Erläuterung (vgl. Hinführung). Abschließend sollen noch einige Albumblätter thematisiert werden, die Moscheles für seine Familie und Verwandtschaft erstellte. Während das bereits genannte Albumblatt für Ernst Jaques, dem Sohn von Charlotte Moscheles’ Schwester Emilie (geb. Embden), im Widmungstext noch relativ unpersönlich ausfällt,502 fand der Komponist für seine Nichte Amalie Moscheles geradezu väterliche Worte,503 die einige Takte eines Moderato begleiten: »Meine liebe Amalie. Studire Harmonie in Tönen so wie im Leben / und du wirst es genießen, und denke / an deinen Onkel I. Moscheles«. Das Albumblatt entstand im Dezember 1844 bei einem Familienbesuch in Prag. Bei den in Charlotte Moscheles’ Album enthaltenen Autographen von Ignaz Moscheles handelt es sich um die gemeinsam mit Mendelssohn und Chorley gestaltete Seite und den Brief vom Oktober 1840 (vgl. Kap. 3.6.1); Felix Moscheles’ verschollenes Stammbuch enthielt, wie verschiedentlich überliefert ist, Variationen seines Vaters über das Rossini-Thema (vgl. Kap. 3.5.1). In Emilys Album finden sich keine Beiträge von Ignaz Moscheles. Die zweitjüngste Tochter Serena hingegen sammelte gleich mehrere Notenautographe sowie einen Brief ihres Vaters in ihrem Stammbuch (vgl. Kap. 3.4.4). Bemerkenswert sind die darin enthaltenen zwei Versionen eines unveröffentlichten Schlummerlieds,504 das in der G-Dur-Fassung als Präsent zu Serenas 27. Geburtstag entstand (siehe Tafel 20); sie hatte wenige Monate zuvor ihr erstes Kind geboren. 3.9.8 Überlegungen und ein Resümee Es ist davon auszugehen, dass die Fassungen des Schlummerlieds, ebenso wie die zwei weiteren im Album von Serena Moscheles enthaltenen Kompositionsautographe Ignaz Moscheles’, nicht explizit als Stammbuchbeiträge entstanden. Anhand solcher eingeklebten Blätter, die häufig in Format und Papierqualität erheblich vom Rest des Albums abweichen, zeigt sich eine gewisse Ambivalenz bei der Einordnung dieser Inhalte. So enthält etwa das Stammbuch der Pianistin und Schumann-Freundin Emilie Steffens ein widmungsloses Moscheles-Auto501 IM f.127v, f.128r (S. 176–177). 502 »An Ernst Jaques zur Erinnerung / Leipzig im September 1847. I. Moscheles«. 503 Amalie war das einzige Kind von Ignaz Moscheles’ Bruder Simon. 504 Das Album enthält außerdem ein Notenblatt mit einem Preludium ohne Widmung (mit einer Vertonung zu Herr, erbarme dich auf der Rückseite); weitere musikalische Skizzen finden sich auf der Rückseite des Briefes.

258

Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

graph mit Echtheitsbestätigung von Robert Schumann von 1848. Bei dem großformatigen, zur Anpassung an das Album mehrfach gefalteten Blatt dürfte es sich um eine Stichvorlage handeln, die Moscheles zweifelsohne nie als Stammbuchbeitrag vorgesehen hatte, der aber dennoch durch die Albumeignerin diese Funktion zugesprochen wurde. Ein für einen Reverend W. H. Ryder »of North America« 1849 in Leipzig niedergeschriebener vierstimmiger Männerchor (Of the nine the loveliest three) hingegen ist zwar mit einer persönlichen Widmung Moscheles’ versehen,505 doch bleibt zugleich in Hinblick auf die umfängliche Komposition, die keinem Albumverbund zugeordnet werden kann, unklar, ob der Adressat die Moscheles-Autographe in seinem Besitz als Albumblätter verstand bzw. verwendete. Solche Grenzfälle lassen Fragen offen und sind zugleich kennzeichnend für die Stammbuchpraxis im 19. Jahrhundert, deren verschiedenartige Ausprägungen durch die Bestimmung von Blättern als Andenken in materiell greifbarer Gestalt geeint werden. Resümierend ist festzuhalten, dass sich Ignaz Moscheles’ Albumbeiträge durch eine auffallend große Bandbreite auszeichnen. Moscheles schrieb Erinnerungsblätter für Bekannte, Freunde, Verwandte, Bewunderer und Schüler beiderlei Geschlechts. Manche Adressaten und Adressatinnen standen ihm besonders nah, mit anderen hatte er nur flüchtigen Kontakt, so dass seine Einträge im Grad der aufgewendeten Mühe und der persönlichen Bezugnahme ein weites Spektrum aufweisen. Insgesamt scheint Ignaz Moscheles das Schreiben von Albumblättern als an seinen Beruf geknüpfte gesellschaftliche Aufgabe verstanden zu haben, der er in der Regel durchaus mit Vergnügen nachkam. Gerade die aus dem Miteinander im Freundes- und Kollegenkreis hervorgegangenen Beiträge zeugen von Moscheles’ Freude an der humorvollen Kommunikation, zugleich von seiner Kreativität in der Stammbuchpraxis, die jenseits von gesellschaftlichen Konventionen maßgeblich zur geselligen Unterhaltung beitrug. Von großem Vorteil ist aus heutiger Sicht, dass Ignaz Moscheles fast alle seine Albumblätter datierte und den Ort des Eintrags angab (vgl. tabellarische Übersicht). Auf diese Weise wird die Kontextualisierung sowohl der Albumbeiträge selbst als auch seiner Kontakte und Wirkungsorte erheblich erleichtert. Je nach Adressat:in und Eintragungsort verfasste Moscheles seine Widmungstexte in deutscher, französischer oder englischer Sprache. Die verwendeten Papiere, teils Blanko-, teils Notenpapiere, variieren in Format, Qualität und Färbung und wurden dem Einträger entweder in gebundener oder ungebundener Form vorgelegt oder von diesem selbst geliefert.

505 Zu dem Autograph gehört noch ein weiteres gewidmetes Erinnerungsblatt mit einer unvollständigen Klavierkomposition.

259

Unterhaltung und Konvention

Aus seinem Selbstverständnis als Komponist heraus stellte Ignaz Moscheles fast immer ein Musiknotat ins Zentrum seiner Albumblätter. Reine Texteinträge finden sich kaum, Zeichnungen aus seiner Hand wurden nicht ermittelt. Bei den Kompositionen handelt es sich in der großen Mehrzahl um Klavierstücke, je nach Albumeigner:in finden sich aber auch andere Besetzungen, insbesondere Lieder. Moscheles’ Stammbuch-Kompositionen liegen relativ häufig in vollständigen Fassungen vor. Darunter sind mehrere explizit für den konkreten Eintrag komponierte Stücke, die zum Teil nur in den entsprechenden Alben überliefert sind. Ebenso finden sich aber auch standardisierte Incipits und kurze Ausschnitte aus seinen bekanntesten Werken. Solche Einträge waren zweifellos eher zum Lesen bestimmt, die längeren und originalen Kompositionen hingegen zielen darauf, auch musiziert zu werden. Dabei wollen Moscheles’ Albumstücke unterhalten, zugleich aber auch dem gesellschaftlichen Anspruch genügen. Um das breite Spektrum ihrer Klänge hörbar zu machen, wurde begleitend zu dieser Arbeit eine Aufnahme ausgewählter Albumblätter Moscheles’ zu Studienzwecken unter Beteiligung von Studierenden der Hochschule für Musik Detmold eingespielt. Als Pianist konnte Ignaz Moscheles’ Ururenkel Henry Roche gewonnen werden.506 Die Aufnahme ist auf Nachfrage verfügbar. Moscheles’ Albumblätter – Tabellarische Übersicht (chronologisch geordnet) Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

Standort / RISMSigel

1815 / 03/04

Wien

Spohr, Louis

Text mit 2 Takten

Abb. in: Spohr 1860, nach S. 350

1818 / 08/17

[Wien]

»Nur einen Takt …« (ae-c-h-t)

Szymanowska, La hâte Maria

1821 / 02/01

Paris

unbekannt (Einzelblatt)

5 Stimmiger Canon

D-Dur, 4/4, 7 Takte, orig.

1824 / 12

Berlin

Mendelssohn Bartholdy, Felix

Allegro di Bravura (Con spirito) [op.77]

D-Dur, 2/4, 16 Paris / F-Ppo, Takte, Presto, MAM 973 orig.

c-Moll, 4/4, (im Druck: Allegro maestoso)

Zwickau / D-Zsch, Archiv-Nr. 8659 (RISM) Oxford / GB-Ob, MS. M.D.M. d.8 (f.33v–36v)

506 Ich danke Henry Roche darüber hinaus für die vielen wertvollen Hinweise bei der Auswertung der hier zusammengetragenen Albumblätter.

260

Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

1824 / 12/12

Berlin

Berlin

Duett [einstimmig notiert]

C-Dur, 4/4, 16 Berlin / D-B, MA Takte, orig. Ms. 142, 1

1824 / 12/15

Mendelssohn Bartholdy, Fanny

1825 / 01/14

Celle

1830 / 02/07

Paris

Hiller, Ferdinand

1831 / 03/01

London

unbekannt (Einzelblatt)

1832 / 07/23

[London]

1832 / 07/27

Kaskel, Carl von (Einzelblatt)

Standort / RISMSigel

Duett (Mode- C-Dur, 3/4, 16 Düsseldorf / Drato) [ähnlich: Takte, orig. DÜhh, HHI. Fanny MB] AUT.92.5058.01

Beneke, Herr Notenzeile u. Mme (Ein- mit einem zelblatt) Takt

belegt in: Hauswedell & Nolte Kat. 246, Nr. 3149 (23./25.11.1982)

Zweistimmiger RhätselCanon

C-Dur, 4/4, 6 Takte, orig.

Horsley, Fanny

Prelude

London

Schröder[Devrient], Wilhelmine

Impromptu

C-Dur, 4/4, 3 Takte, Con Spirito

1832 / 10/22

Leipzig

1833 / 05/11

[London]

Wieck [Schu- Scherzo [nach C-Dur, 3/4, 29 Dresden / D-Dl, mann], Clara Paganinis Takte, Allegro, Mus.Schu.203 [onSkala] orig. line]

1833 / 09/26

London

1834 / 05/25

Moderato

Köln / D-KNa, ­Bestand 1051, A 1 (f.85)

C-Dur, 4/4, 26 London / GB-Lam Takte, orig. (McCann Collection) [online] Oxford / GB-Ob, MS. Eng. e.2182

E-Dur/GWeimar / D-WRgs, Dur, 4/4, 25 GSA 25/W 366 Takte, Adagio/ (f.4r) Allegro, orig.

Phillips, Henry (Einzelblatt)

Capriccio [auch kopfüber zu lesen]

C-Dur, 3/4, 16 London / GB-Lam Takte, Allegro, (McCann Collecorig. tion) [online] C-Dur, Allegro

London / GB-Lbl, MS Mus. 1816

[London]

Grange, Elvira

D-Dur, 4/4, orig.

Washington / USWc [?]

1835 / 04/05

London

[Leipzig]

Concerto Fantastique [op. 90 Nr. 6]

B-Dur, 3/8, Andantino grazioso, orig.

Paris / Privatbesitz

1835 / 10/[09]

d’Est, Mme [geb. Frances Sarah Kibble]

Impromptu (Allegro con Spirito)

B-Dur, 4/4, 8 Takte, Allegro spiritoso

Novello, Vincent

Voigt, Henriette

Enigmatical Canon in three parts

Petite Esquisse

Leipzig / D-LEsm, MT/2011/123 [online]

261

Unterhaltung und Konvention

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

Standort / RISMSigel

Mendelssohn Bartholdy, Cécile (geb. Jeanrenaud)

Song, Whatever sweets we hope to find

F-Dur, 6/8, Andante espressivo

Oxford / GB-Ob, MS. M.D.M. c.21 (f.72)

1836 / 09/13

[London]

1838 / 07/08

London

Obreskov, Natalia

1839 / 06/29

London

Panofka, Heinrich

Fragment d’Etude [op. 70 Nr. 3]

G-Dur, 4/4, 8 Takte, Allegro brillante

1839 / 10/03

Paris

Beauchesne, Alfred de

d-Moll, 3/4, orig.

1839 / 11/07

Paris

Zimmerman, Juliette

Impromptu (Allegro feroce)

1839 / 11/16

Paris

1839 / 11/20

Paris

Dantan ( Jeune), JeanPierre

1836 / 08

1840 / 10/10

1842 / 07/10

1843 / 08/09

Wesley, Eliza

London / GB-Lbl, Add.MS 35026 (f.14v–15v)

Andantino quasi Allegretto [op. 95 Nr. 5, Kindermährchen]

Kopenhagen / DKKk, C I,5 mu 7205.1014

Es-Dur, 6/8, 8 Takte (mit abweichendem Ende)

Dresden / D-Dl, Mus. 1-B-524 (S. 20/Nr. 25) [online]

Paris / F-Pn, W-24,96

Impromptu (Vivace, con leggerezza)

G-Dur, 2/4, 37 Paris / Privatbesitz Takte, orig.

Cantabile

c-Moll, 4/4, 9 Takte

Paris / F-Pn, Res Vm7-537 (S. 35)

Obreskov, Natalia

Scherzo

Mendelssohn Bartholdy, Cécile (geb. Jeanrenaud)

Reminiscenzen aus Men­ delssohn’s Lobgesang

a-Moll, 3/4, Allegro molto, orig.

Dresden / D-Dl, Mus. 1-B-524 (S. 43/Nr. 42) [online]

Beaumarié, Clara

»Man muss nie die Hoffnung verlieren« für Geige/Piano [?]

unbekannt (Einzelblatt)

Boulogne sur mer

Capriccio [op. F-Dur, 12/8, 28 Nr. 5] Allegro con Spirito

Pastorale (Andantino espressivo)

B-Dur, 4/4, Andante con moto/Allegretto, orig.

Oxford / GB-Ob, MS. M.D.M. c.21 (f.161–163)

D-Dur, 6/8, 21 Berlin, D-B, Mus. Takte ms.autogr. Moscheles, I. 12N (RISM) [online] A-Dur, 6/8, 2 Takte (nach Lied Nr. 4 von Ernst/Heller)

Düsseldorf / DDÜhh, HHI. AUT.2007.5025.TG

262

Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

1843 / 10/30

Paris

1844 / 07/15

Kensington

: 1849 / 02/11

London

: 1858 / 07/16

Bonn

Titel

Tonart / Takt / Tempo

Standort / RISMSigel

Vogt, Gustave Chant du Gondolier [op. 110]

As-Dur, 6/8, Andantino espressivo

New York / USNYpm, Cary 348 (S. 119–120) [online]

Klingemann, Sophie

Text

Klingemann, Sophie (geb. Rosen)

Moderato

Klingemann, Sophie

Modulationen C-Dur, 15 ­Akkorde

: 1855 / 06/24

Cassel

: 1868 / 06/09

Bonn

1844 / 09/02

Aachen

1844 / 09/02

Aachen

unbekannt (Einzelblatt)

1844 / 09/28

Frankfurt

unbekannt (Einzelblatt)

1844 / 10/21

Stuttgart

1844 / 10/27

Klingemann, Sophie Klingemann, Sophie unbekannt (Einzelblatt)

D-Dur, 4/4, 4 Takte

Detmold / D-DTsta, Kopie (5 Einträge auf 2 Seiten: f.8r/v)

Text Text

Altmodische D-Dur, 3/4, 12 Bonn / D-Bnu, S Spannungen / Takte, An2034 f (RISM) Moderne dante Spannungen Bruchstück eines KinderMährchens [op. 95 Nr. 5]

Es-Dur, 6/8, 4 Takte, Allegretto grazioso

Bonn / D-Bnu, S 2034 f (RISM)

Vivace

C-Dur, 12/8

Molique, Caroline

Lied ohne Worte

Frankfurt / D-F, Mus Hs 991 (RISM)

Stuttgart

unbekannt (Einzelblatt)

Moderato

D-Dur, 6/8, 26 Stuttgart / D-Sl, Takte, Ruhig Cod.hist.oct.233 mit Gefühl, [online] orig.

1844 / 11/09

München

unbekannt (Einzelblatt)

Impromptu

1844 / 12/28

Prag

1845 / 01/07

Dresden

Moscheles, Amalie (Einzelblatt)

Moderato C-Dur, 4/4, 6 (vier- bis Takte, orig. sechsstimmig)

Hiller, ­Antolka (geb. Hogè)

Andante melanconico

E-Dur, 3/2, 8 Takte 10 Takte

Berlin / D-B, Mus. ms.autogr. Moscheles, I. 1M (RISM)

belegt in: Liepmannssohn Kat. 174, Nr. 1390 (o.J.) Kotte autographs [online]

e-Moll, 6/4, 11 Köln / D-KNa, BeTakte, orig. stand 1051, A 1 (f.231)

263

Unterhaltung und Konvention

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

1845 / 01/07

Dresden

Hogè, Julie (Einzelblatt)

1845 / 01/08

Dresden

unbekannt (Einzelblatt)

con Sentimento, Moderato

a-Moll, 3/4, 46 Hamburg / D-Hs, Takte, orig. AHT: 14–15: 5: Bl. 8 (RISM)

1845 / 06/23

London

Cavallo, Johann Peter

Canon

1845 / 11/01

Paris

Vény, Jenny

Allegro [op. 70 Nr. 3]

F-Dur, 4/4, 5 Takte [Zitat aus Beethovens Frühlingssonate]

1847 / 04/24

Leipzig

Sachse, Fräu- Fragment lein [Auguste] ­einer Etude (Einzelblatt) [op. 70 Nr. 17]

1847 / 08/22

Leipzig

unbekannt (Einzelblatt)

1847 / 09

Leipzig

Jaques, Ernst (Einzelblatt)

1847 / 11/20

Leipzig

Schloss, Sophie

1847 / 12/14

Leipzig

Baker, James Impromptu Andrew (Ein- (Allegro) zelblatt)

g-Moll, 4/4, 11 Takte, orig.

Bradbury, William Batchelder

G-Dur, 4/4, 6/8, orig.

1848

1848 / 04

Steffens, Emilie

Leipzig

Räthsel Canon a 2

Fragment einer Etude [op. 70 Nr. 3]

Ballade (Cello/Piano)

8 Takte

Standort / RISMSigel

belegt in: Stargardt Kat. 574, Nr. 1018 (11/1963) London / GB-Lbl, Hirsch IV 1455

G-Dur, 4/4, 4 Cambridge / USTakte [2 T neu CAh, Ms.Mus. 103 am Schluss] (f.43) fis-Moll, 3/8, 28 Takte, Andantino [T 1–18, 3 T neu, T 78–84]

Leipzig / D-LEmh

g-Moll, 2/4, Andante espressivo, orig.

Hamburg / Privatbesitz

G-Dur, 4/4, 3 Takte, Allegro con spirito

Zwickau / D-Zsch, Archiv-Nr. 7696 (RISM)

Lied von F. c-Moll, 6/8, Rückert Langsam [Dem Liebe­ schwermütig sänger op. 117 Nr. 2]

Leipzig / D-LEsm

Praeludium und Fuge (Andantino con moto, Allegro)

Zwickau / D-Zsch, Archiv-Nr. 12899 (RISM)

Largo (B-AC-H), ­Andantino espressivo

Es-Dur, 6/4, 6/8 (widmungslose Stichvorlage)

London / GB-Lam (McCann Collection) [online]

Washington / US-Wc, ML31.B7 [online]

264

Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

Standort / RISMSigel

1848 / 05/07

Leipzig

Rietz, Julius

Ballade (Cello/Piano)

1848 / 08/04

Leipzig

Leipzig

Impromptu (Allegro agitato)

Düsseldorf / DDÜhh, HHI. AUT.35.G.225. 160/161 [online]

1849 / 01/03

Reinecke, Carl (Einzelblatt)

g-Moll, 2/4, Andantino (+ politischer Text)

Leipzig / D-LEm, PM 17559 (RISM)

1850 / 01/11

Leipzig

unbekannt (Einzelblatt)

C-Dur, 4/4, Andante maestoso (beiliegend: Klavierstück)

Kotte autographs [online]

1850 / 03/10

Hamburg

Falk[-Auerbach], Nanette

Fragment of a Es-Dur, 6/8, 2 Nursery tale Takte, Allegretto grazioso

1850 / 04/22

Leipzig

Heimweh. Musikalische Skizze

Düsseldorf / DDÜhh, HHI. AUT.92.5057

1850 / 07/09

Leipzig

Schwarzenbach, [Wilhelmine] Fräulein (Einzelblatt)

Heimweh. Musikalische Skizze

Düsseldorf / D-DÜhh, HHI. AUT.2006.5003. 22.01

1851 / 02

Leipzig

Bremer, ­[Arnoldina Jordana ­Wynanda] Fräulein (Einzelblatt)

1851 / 03/19

Leipzig

unbekannt (Einzelblatt)

1851 / 04/17

Leipzig

Pohlenz, ­Marie

[Incipit der Sonate Mélancolique op. 49]

Ryder, Reverend W. H. (Einzelblatt)

Strantz, Auguste von

Of the nine the loveliest three (Männerchor)

a-Moll, 4/4, 18 Leipzig / D-LEmh Takte, orig. [?]

Concerto [op. E-Dur, 4/4, 4 Zwickau / D-Zsch, 64] Takte [Incipit: Archiv-Nr. 10536 1. Satz, Klavier- (RISM) konzert Nr. 4]

Gondoliera von Geibel (mit inniger Empfindung) [Lied]

C-Dur, 6/8, Leipzig / D-LEu, Andantino con Rep. III, 15 i 3 moto, orig.

Heimweh. Musikalische Skizze

d-Moll, 6/8, Leipzig / D-LEsm, Andantino A/2013/390 (Stammespressivo, orig. buch Nr. 113)

belegt in: Liepmannssohn Kat. 174, Nr. 1391 (o.J.)

265

Unterhaltung und Konvention

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

Standort / RISMSigel

1851 / 11

Leipzig

unbekannt (Einzelblatt)

3/4, 2 Takte, Andante espressivo

belegt in: Stargardt Kat. 704, Nr. 696 (14./15.3.2017)

1851 / 12/08

Leipzig

Steche (geb. Angermann), Lidy

Fragment aus einer Fantasie: Die Erwartung nach F. Schillers Gedicht

Es-Dur, 6/8, 4 Takte, Allegretto grazioso

Leipzig / D-LEsm, A/2174/2010/30 [online]

1852 / 03

Leipzig

Fragment eines Kindermährchens (Etude) [op. 95 Nr. 5]

1853 / 12/03

Leipzig

Dupont, Au- Fragment de guste (Einzel- la Sonate avec blatt) Violoncelle [op. 121]

C-Dur, 2/4, Andantino (3. Satz)

1854 / 04/28

Leipzig

Ballade (In böhmischer Weise.) Fragment aus der VioloncellSonate Op. 121

Preludium für Orgel [?] / Rückseite: Herr, erbarme dich

F-Dur, 4/4, Andante (ohne Widmung) / G-Dur/BDur, 4/4

1854 / 06

HildebrandRomberg, Bernhard (Einzelblatt)

Holstein, Franz von

Moscheles, Serena

1854 / 08/20

Egern

Moscheles, Serena

1855 / 04/15

Leipzig

Koch, Auguste Caroline Friederike

belegt in: Stargardt Kat. 588, Nr. 677 (02/1969) Frankfurt / D-F, Mus Hs 1211 (RISM)

Fragment aus dem Concerto Pathetique Op: 93

c-Moll, 4/4, 16 Leipzig / D-LEmh Takte, Allegro [?] con brio (Finale)

O Tannenbaum / Trinklied (BriefRückseite)

B-Dur, 2/4, Andantino / F-Dur, 2/4, Allegro

Detmold / D-DTsta, D72 Rosen-Klingemann Nr. 114 (S. 31r) Detmold / D-DTsta, D72 Rosen-Klingemann Nr. 114 (S. 21r)

Fragment ei- As-Dur, 6/8, Leipzig / D-LEsm, nes Liedes: 10 Takte, Alle- A/3987/2009 Botschaft von gro non troppo (Stammbuch Nr. 20) E. Geibel [op. [online] 117 Nr. 4]

266

Die Stammbuchpraxis der Familie Moscheles

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

1857 / 08/20

Hamburg

[HildebrandRomberg, Bernhard?] (Einzelblatt)

1857 / 10/18

Leipzig

unbekannt (Einzelblatt)

1858 / 08/03

Brüssel

1859 / 01/23

Leipzig

Kufferath, HumoristiHubert Ferdi- sche Variationand (Einzel- nen Op. 128 blatt)

1859 / 03/13

Leipzig

1859 / 11/10

Leipzig

1860 / 08/05

Paris

1857 / 03/30

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

Standort / RISMSigel

Moscheles, Serena

Schlummerlied von Julius Sturm [in zwei Fassungen]

F-Dur, 2/4, Heiter bewegt; G-Dur, 6/8, In mäßiger Bewegung, orig.

Detmold / D-DTsta, D72 Rosen-Klingemann Nr. 114 (S. 15–18)

Fragment des Themas der humoristischen Variation Op: 128

D-Dur, 3/4, 12 Kotte autographs Takte, Tempo [online] di Menuetto, ma moderato

Fragment du Conte enfantin. Etude pour Piano [op. 95 Nr. 5]

4 Takte, Andantino grazioso

Fragment aus dem Charakterstück Der Tanz (nach Schillers Gedicht)

D-Dur, 6/8, 4 Takte, Allegro vivace

Abb. in Wiedemann 1990, S. 131

4 Takte, Allegro moderato

Düsseldorf / DDÜhh, HHI. AUT.86/87.G. Dittert.27.2

unbekannt (Einzelblatt)

Fragment aus D-Dur, 3/8 den humoristischen Variationen Op: 128 (Scherzo)

Dupont, Au- Commenceguste (Einzel- ment de la blatt) Sonate Symphonique à 4 mains, Œuv: 112 unbekannt (Einzelblatt)

unbekannt (Einzelblatt)

Concerto

D-Dur, 3/4

Frankfurt / D-F, Mus Hs 1223 (RISM)

Berlin / D-B, Mus. ms.autogr. I. Moscheles 11N (RISM) [online] Düsseldorf / DDÜhh, HHI. AUT.86/87. G.Dittert.27.1

belegt in: Stargardt Kat. 585, Nr. 676 (06/1968)

267

Unterhaltung und Konvention

Datum ( JJJJ / MM/TT)

Ort

Adressat:in

Titel

Tonart / Takt / Tempo

Standort / RISMSigel

1860 / 12/08

Leipzig

Cohen, Otto (Einzelblatt)

Leipzig

[1860]

[Leipzig]

Barnett, Clara Fragment aus Kathleen dem Concerto (verh. Rogers) fantastique Op. 90

Es-Dur, 3/4, 5 Takte, Alle­ gretto quasi Allegro

Kotte autographs [online]

1860 / 12/28

Fragment einer ConcertEtude Op. 126

Cambridge / USCAh, MS Thr 470 (476)

Leipzig

Dem Liebe­ sänger von F. Rückert op. 117 [Nr. 2]

c-Moll, 6/8, Andante languente

1861 / 10/22

Barnett, Rosamund Liszt Mary (verh. Francillon)

Bergen / N-Bo, Griegsamling 1 [online]

1863 / 09/23

Leipzig

Avé-Lallemant, Luise

cis-Moll, 4/4, 5 Takte, Adagio con molt’ Espressione

Leipzig / D-LEu, Rep. III. fol. 15i

1865 / 11/23

Leipzig

Flinsch, Juliane (Einzelblatt)

Etude »KinEs-Dur, 6/8, 8 dermährchen« Takte, Alle[op. 95 Nr. 5] gretto grazioso

1868 / 03/20

Leipzig

Ewen, Elizabeth Mary

Etude No. 1 [op. 70 Nr. 1]

G-Dur, 6/8, 2 Takte [R. Schumann: Die Stille]

Berlin / D-B, Mus. ms.autogr. Moscheles, I. 2M (RISM) [online] Paris / F-Pn, W-29,1

1868 / 07/13

Bournemouth

unbekannt (Einzelblatt)

Etude No. 1 [op. 70 Nr. 1]

1869 / 09/12

Hamburg

[Edvard Grieg]

unbekannt (Einzelblatt)

Etude No. 20 op. 70

»Es weiß und räth’ es doch keiner«

Etude Op. 70 [op. 70 Nr. 6]

B-Dur, 2/4, 7 Cambridge / USTakte, Vivace CAh, MS Thr 470 [Incipit: Final- (857) satz]

C-Dur, 12/8, 2,5 Takte, Allegro

C-Dur, 12/8, 2 Privatbesitz Takte, Allegro d-Moll, 2/4, 5 Takte, Allegro

London / GB-Lam (McCann Collection) [online]

4. Schlussbetrachtung und Ausblick

»Cette coutume se révèle une mine d’informations socio-culturelles.«1 – JeanJacques Eigeldinger verweist in diesem kurzen Satz, der sich direkt an das meinen einleitenden Gedanken vorangestellte Zitat anschließt, auf das umfängliche soziokulturelle Erkenntnispotenzial, das die Erforschung musikbezogener Stammbücher bietet. Anknüpfend an diese prägnante Äußerung möchte ich im Folgenden weniger eine Zusammenfassung der in meiner Studie erarbeiteten Perspektiven und Ergebnisse liefern als daraus hervorgehende Überlegungen anstellen sowie Anregungen für zukünftige Forschungen zusammentragen. Im Zuge der Auswertung von über 60 Musik-Stammbüchern, mit besonderem Fokus auf den Alben der Familie Moscheles, konnten deren vielfältige Gebrauchskontexte nachgezeichnet werden. Wie deutlich wurde, stellte die europaweit verbreitete musikbezogene Stammbuchpraxis im 19.  Jahrhundert ein zentrales Element in der geselligen Kommunikation und Unterhaltung der künstlerischen Eliten und deren Umfeld dar. Das Sammeln von Erinnerungen in Alben zählte im 19. Jahrhundert zu den Riten des bürgerlichen Privatlebens (»rites de la vie privée bougeoise«).2 In Hinblick auf die insbesondere ab den 1820er Jahren zu konstatierende Fokussierung auf Musik, vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Strukturwandels, der vom bürgerlichen Anspruch auf Musikausübung sowie diesbezüglicher Kompetenz getragen wurde und in dessen Zuge sich auch der Musikerberuf neu konstituiert hatte, kann die musikbezogene Stammbuchpraxis als weiteres Symptom der Verbürgerlichung der Musikkultur festgemacht werden. Diesbezüglich ergibt sich eine bemerkenswerte zeitliche Parallele zwischen dem sich verstärkenden Interesse am Sammeln von Notenautographen in Stammbüchern und der explosionsartigen Verbreitung des bürgerlichen Musikvereinswesens in den 1810er und 1820er Jahren.3 Die sogenannte ›Autographenwut‹ findet hier ihr Pendant in der »Vereinswut«.4 Als kennzeichnend für das Verständnis von Geselligkeit und Unterhaltung in den von mir fokussierten Kreisen zeigte sich die enge Vernetzung von Musik, Literatur und Bildkünsten, die auch in der spezifischen Zusammenstellung von Albuminhalten zum Ausdruck kommt. Während Freundschaftsbezeugungen in Stammbucheinträgen des 19. Jahrhunderts weiterhin eine wichtige Rolle spie1 2 3 4

Eigeldinger 1996, S. 347. Ariès/Duby 1987, S. 195. Vgl. Hinrichsen 2017. Ebd., S. 217.

Schlussbetrachtung und Ausblick

269

len, ist doch insgesamt im Vergleich zum 18. Jahrhundert eine Verschiebung vom Freundschaftsmotiv hin zu einer breiteren sozialen Formel zu konstatieren. Das handgeschriebene Albumblatt, gleichgültig ob im Alleinsein oder in Gesellschaft entstanden, verewigte dabei einen Moment der Kommunikation zweier oder mehrerer Menschen in Papier und Tinte. Dies geschah nicht zuletzt zum Vergnügen, beinhaltete aber auch eine identitätsstiftende, selbstbildende Funktion für beide Seiten. In der Schaffung, Festschreibung und dem Wunsch nach Bewahrung von kultureller Identität zeigt sich schließlich die Charakteristik der Stammbuchpraxis als Erinnerungskultur des von gesellschaftspolitischen Umwälzungen und Unwägbarkeiten geprägten 19. Jahrhunderts. Musik-Stammbücher, die darauf zielen, aus dem direkten Kontakt heraus autographe Beiträge bekannter sowie befreundeter Akteure und Akteurinnen des Musik- und Kulturlebens zusammenzutragen, wurden von Männern sowie von Frauen geführt. In der Folge der Beschränkung des weiblichen Aktionsraums im 19. Jahrhundert fiel jedoch der Anteil von Frauen unter den Personen, die aufgrund ihrer öffentlichen Bekanntheit um Albumeinträge gebeten wurden, darunter vor allem Sängerinnen und Virtuosinnen, sehr gering aus. Nicht an das Geschlecht gebunden zeigt sich schließlich als ein zentrales Motiv der musikbezogenen Stammbuchpraxis des 19. Jahrhunderts das mehr oder weniger explizite Bekenntnis zu einem kulturellen Kanon, der, vor allem von Beethoven, Mozart und Weber ausgehend, die zeitgenössische europäische Musikkultur prägte und auf dessen Grundlage sich zugleich die Elite der lebenden Musiker und Musikerinnen herausbildete und definierte. Für die Familie Moscheles und auch für die Mendelssohns stellte Goethe im Bereich der Literatur eine ähnlich wirkmächtige kanonische Autorität dar (vgl. Kap. 2.3.2 und 3.2.1). Festzuhalten ist folglich, dass zwar Frauen Musik-Stammbücher führten, die Beiträge selbst aber in der großen Mehrzahl von Männern erstellt wurden, die ihre Zugehörigkeit zu einer kulturellen Elite durch die Produktion eigenhändiger Albumblätter festschreiben konnten. Durch das Sammeln und Zusammenstellen von Stammbuchbeiträgen war es Frauen als Albumeignerinnen jedoch ebenfalls möglich, ihre häufig auf private Geselligkeitskontexte beschränkte Teilhabe am Musikleben und ihre persönlichen Kontakte zu bekannten und repräsentativen Persönlichkeiten zu dokumentieren. Zwischen privaten und öffentlichen Räumen changierend sind die in dieser Studie ausgewerteten Stammbücher, die vielfach durch private Bezüge geprägt sind, deshalb generell als Quellen zum nicht öffentlichen musikkulturellen Handeln aufschlussreich und können besonders das Agieren von Frauen überhaupt erst sichtbar machen. Dass musikbezogene Stammbücher in der Forschung bislang nur wenig Berücksichtigung fanden, liegt zum einen in der im Allgemeinen eher distanzierten Haltung der historischen Musikwissenschaft gegenüber Unterhaltungskulturen

270

Schlussbetrachtung und Ausblick

begründet. Zum anderen führte das in der Stammbuchforschung fest etablierte Narrativ, die Stammbuchpraxis habe im 19. Jahrhundert durch gesellschaftliche Verbreitung und insbesondere durch die Teilhabe von Frauen eine Dekadenz erfahren, zu einer Marginalisierung, ja sogar zur wissenschaftlichen Ausblendung von musikbezogenen Stammbüchern, die mit der generellen Abwertung der vielfältigen Albumpraxis des 19. Jahrhunderts korrespondiert. Ein wichtiges Anliegen meiner Studie ist es deshalb, Musik-Stammbücher nachhaltig im wissenschaftlichen Diskurs sowie zugleich in der über Jahrhunderte währenden facettenreichen Geschichte des Stammbuchs zu verankern. Im Sammeln von Unterschriften von Klassik- und Popstars, in sogenannten Poesiealben von Kindern und Jugendlichen sowie nicht zuletzt in digitalen Formaten wie Facebook oder Twitter hat das Konzept der Stammbuchpraxis in seinen Grundzügen bis in die heutige Zeit überdauert. Forschungen bringen es in der Regel mit sich, dass weitere Desiderata hervortreten. Die umfassende Auswertung der vier überlieferten sowie der zwei verschollenen Moscheles-Alben machte es möglich, das musikkulturelle Handeln sowie die kulturelle Identität aller Familienmitglieder in Ausschnitten nachzuzeichnen. Zugleich wurde deutlich, inwiefern Ignaz Moscheles’ Wirken als professioneller Pianist, Komponist und Pädagoge auch im Kontext seines geselligen Familienlebens aufzufassen ist und nicht auf sein öffentliches Handeln beschränkt werden sollte. Diesbezüglich würde eine Gesamtausgabe der Briefwechsel von Ignaz und Charlotte Moscheles, die zu den zentralen kulturellen Netzwerkern ihrer Zeit gehören, ein in vielerlei Hinsicht lohnendes Unterfangen darstellen, das die Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts aus einer weiteren Perspektive zu erzählen verspricht. So könnte eine systematische Auswertung der Moscheles-Briefe dazu beitragen, die Relevanz und das Ausmaß der Vernetzung der künstlerischen Eliten Europas, die sich nicht zuletzt in den hier analysierten Musik-Stammbüchern manifestiert, genauer zu beleuchten. Darüber hinaus wäre die Zusammenstellung eines aktuellen Verzeichnisses der Werke Ignaz Moscheles’, das auch die Stammbuch-Kompositionen berücksichtigen sollte, hilfreich. Die Untersuchung von Musik-Stammbüchern kann aus verschiedentlich motivierten Forschungsperspektiven heraus erfolgen, die durch zukünftige Arbeiten weiter zu erkunden und zu erproben sind. Als ein spannender Aspekt sei hier auf ein vielversprechendes Erkenntnispotenzial für die historische Aufführungspraxis verwiesen. In Hinblick auf konkrete Fragestellungen wären etwa die häufig von bekannten Sänger:innen für Alben notierten Kadenzen von populären Arien auszuwerten, die durch Datums- und Ortsangaben teils mit konkreten Aufführungen in Verbindung gebracht werden können. Ohne gezielt danach zu suchen, bin ich allein auf drei verschiedene Versionen einer Melodie der Arie »Ell’è tre-

Schlussbetrachtung und Ausblick

271

mante …« aus Bellinis I Puritani gestoßen (vgl. Kap. 2.2.2 und 2.2.3), die der Tenor Giovanni Battista Rubini mit Vorliebe als Stammbucheintrag notierte. Generell möchte ich an dieser Stelle das große philologische Potenzial von Musik-Stammbüchern, das meines Erachtens viele weitere Funde und Erkenntnisse preiszugeben verspricht, noch einmal herausstellen. Dieses beschränkt sich wohlgemerkt nicht nur auf unbekannte Fassungen von Musikstücken oder gänzlich unbekannte Kompositionen, sondern betrifft auch das Schaffen von Dichter:innen und bildenden Künstler:innen, wie etwa das Beispiel der »Instrumenten-Figur« von Moritz Gottlieb Saphir deutlich macht (vgl. Kap. 3.8.5). Schließlich wäre das Agieren und die zugewiesene sowie selbst zugeschriebene Rolle der Frau im Musikleben des 19. Jahrhunderts weiter zu untersuchen. Gerade auch hinsichtlich der Stammbuchpraxis zeichnet sich ein unter dem Schlagwort ›Bewunderungskulturen‹ treffend gefasstes Forschungsfeld ab, das in dieser Arbeit insbesondere mit Blick auf die Sammlungen der Organistin Eliza Wesley (vgl. Kap. 2.3.3) sowie auf die Stammbuchpraxis der Gräfin Natalia Obreskov (vgl. Kap. 2.2.3) und weiterer Aristokratinnen angeschnitten wurde. Meine Arbeit, die maßgeblich von meiner Begeisterung für die faszinierenden Forschungsgegenstände getragen wurde, verstehe ich als erste größer angelegte Erkundung eines weit gesteckten Forschungsfelds, die auf Fallbeispielen basiert, die ich letztlich aus meiner subjektiven Perspektive heraus interpretiere. So hoffe ich zukünftig auf viele weitere Sichtweisen und Erkenntnisse aus und zu Musik-Stammbüchern des 19. Jahrhunderts. Daraus hervorgehend ist es mir ein besonderes Anliegen, das Bewusstsein für die Relevanz dieser Quellen in der Musikwissenschaft festzuschreiben und generell dazu anzuregen, über die Hierarchisierung und das enge Verständnis des musikwissenschaftlichen Quellenkanons nachzudenken.

Bild-Tafeln

Tafel 1: Ansichten der Alben von Ignaz Moscheles, Charlotte Moscheles, Emily Moscheles (verh. Roche) und Serena Moscheles (verh. Rosen)

274

Bild-Tafeln

Tafel 2: Stammbuchblatt von Johann Wolfgang von Goethe für Wilhelmine Schröder-Devrient

Bild-Tafeln

Tafel 3: Wilhelmine Schröder-Devrient gewidmetes Impromptu von Ignaz Moscheles

275

276

Tafel 4: Stammbuchblatt von Giuseppe Baini in Rom für Ferdinand Hiller

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 5: Stammbuchblatt von Antonio Fanna in Venedig für Ferdinand Hiller

277

278

Tafel 6: Buchdeckel des Albums von Natalia Obreskov

Tafel 7: Album von Raimondina Thurn-Hofer e Valsassina

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 8: Einträge von Max und Clara Bruch von 1882, 1885, 1888 und 1889

279

280

Bild-Tafeln

Tafel 9: Eingeklebte Briefe von Maria Malibran und Henriette Sontag im Album von Charlotte Moscheles

Bild-Tafeln

Tafel 10: Erste Seite des Inhaltsverzeichnisses im Album von Ignaz Moscheles

281

282

Tafel 11: Englisches Volkslied »in einer spaßhaften Gestalt« von Johann Peter Pixis

Tafel 12: »Dasselbe englische Volkslied« von Giacomo Meyerbeer

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 13: Ständchen von Julius Benedict für Charlotte Moscheles

283

284

Tafel 14: Von Joseph und Amalie Joachim gestaltete Albumseite

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 15: »Allegro fantástico« des Geigers Pablo de Sarasate

285

286

Tafel 16: Zirkelkanon von Charles Gounod für Emily Roche

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 17: Zeichnung einer Szene aus dem Orient von Carl Haag

287

288

Tafel 18: Serena Rosen gewidmeter Eintrag des Geigers Robert Heckmann

Tafel 19: Eintrag von Niels Wilhelm Gade für Serena Moscheles

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 20: Erste Seite des Schlummerlieds in G-Dur von Ignaz Moscheles

289

290

Tafel 21: Brief von Ignaz Moscheles an Serena Rosen vom 20. August 1854

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 22: Von Felix Mendelssohn Bartholdy, unter Mitwirkung von Emily Moscheles und Carl Klingemann, 1832 gestaltetes Blatt zu Ignaz Moscheles’ Geburtstag

291

292

Bild-Tafeln

Tafel 23: Von Felix Mendelssohn Bartholdy, unter Mitwirkung von Emily Moscheles und Carl Klingemann, 1844 gestaltetes Blatt zu Ignaz Moscheles’ Geburtstag

Bild-Tafeln

Tafel 24: Bleistiftzeichnung von Felix Mendelssohn Bartholdy für Emily Moscheles mit biographischen Bezügen

293

294

Tafel 25: Erste Albumseite »H. Ernst künstliche Schriftzüge«

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 26: Bleistiftzeichnung der Rue Castiglione in Paris von Emily Moscheles

295

296

Tafel 27: Albumeintrag von Stephen Heller für Charlotte Moscheles

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 28: Tintenzeichnung eines Theatermoments von Charles Lallemand

Tafel 29: Bleistiftzeichnung eines Damenchors von James Edmund Doyle

297

298

Tafel 30: Darstellung der »Musica« von Franz Graf Pocci

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 31: Darstellung der Heiligen Cäcilia von Johann Baptist Zwecker

299

300

Tafel 32: Kolorierte Zeichnung von Henri de Triqueti

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 33: Die »Instrumenten-Figur« von Moritz Gottlieb Saphir

301

302

Tafel 34: Albumblatt von Ignaz Moscheles für Louis Spohr von 1815

Tafel 35: Kanon von Ignaz Moscheles für Ferdinand Hiller

Bild-Tafeln

Bild-Tafeln

Tafel 36: Scherzo von Ignaz Moscheles für Natalia Obreskov

303

304

Tafel 37: »Andante melanconico« von Ignaz Moscheles für Antolka Hiller

Bild-Tafeln

Literaturverzeichnis

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http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001AE1B00000000 (Zugriff: 20.12. 2019). Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Stammbuch von Lidy Steche, Suchbegriff: »Stammbuch Lidy Steche«): https://www.stadtmuseum.leipzig.de/ (Zugriff: 20.12. 2019). Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Blätter aus den zwei Alben von Henriette Voigt, Suchbegriff: »Stammbuch Henriette Voigt«): https://www.stadtmuseum.leipzig.de/ (Zugriff: 20.12.2019). Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (Stammbuch von Caroline Molique): http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz311171427 (Zugriff: 20.12.2019).

Weitere Links Ausstellung »Galilei, Goethe und Co. – Freundschaftsbücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek« von 2012/13: http://freundschaftsbuecher.klassik-stiftung.de/ausstellung/ (Zugriff: 15.9.2019); http://freundschaftsbuecher.klassik-stiftung.de/vitrinen/ (Zugriff: 15.9.2019). Beethoven-Haus Bonn (Digital Archives: Lithographie von Johann Peter Lyser): https:// www.beethoven.de/sixcms/detail.php?id=&template=opac_bibliothek_en&_opac= bild_en.pl&_dokid=bi:i766 (Zugriff: 11.10.2019). Bibliothèque nationale de France (Katalogeintrag: Album Dantan Jeune): http://cata logue.bnf.fr/ark:/12148/cb43363843v (Zugriff: 11.10.2019). British Library (Music blog »Novello album«): http://blogs.bl.uk/music/2016/12/musiccollections-acquires-vincent-novello-album.html (Zugriff: 11.10.2019). Heinrich-Heine-Portal (DHA: Düsseldorfer Heine Ausgabe, Bd. 2, S. 79f.): http://www. hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/werke/gedliste/E/index_html?width given=30&pageid=D02S0079 (Zugriff: 11.10.2019). Heinrich-Heine-Portal (HSA: Heine-Säkularausgabe, Bd. 20, S. 294 - Brief Nr. 226): http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/briefe/04baende/band20/index_html?wi dthgiven=30&letterid=W20B0226&lineref=0&mode=1 (Zugriff: 11.10.2019). Kalliope-Datenbank (Schumann-Album): http://kalliope-verbund.info/de/ead?ead.id= DE-611-BF-36372 (Zugriff: 11.10.2019). Kalliope-Datenbank (Stammbuch Dawison): http://kalliope-verbund.info/de/ead?ead. id=DE-611-HS-2418610 (Zugriff: 11.10.2019). Kotte Autographs (Brief von Elise Polko): https://www.kotte-autographs.com/de/autograph/polko-elise/ (Zugriff: 11.10.2019). MUGI – Hochschule für Musik und Theater Hamburg (»Fanny Hensel. Korrespondenzen in Musik«): http://mugi.hfmt-hamburg.de/Hensel_Korrespondenzen/geschrie ben/1fruehlingsnaehe.html (Zugriff: 11.10.2019). http://mugi.hfmt-hamburg.de/ Hensel_Korrespondenzen/geschrieben/1sophie.html (Zugriff: 11.10.2019). Musée Carnavalet, Paris (Skulpturen von Dantan Jeune): http://parismuseescollections. paris.fr/fr/musee-carnavalet/oeuvres/portrait-serieux-du-pianiste-et-compositeur-ig nace-moscheles-1794–1870#infos-principales (Zugriff: 11.10.2019). http://paris

330

Literaturverzeichnis

museescollections.paris.fr/fr/musee-carnavalet/oeuvres/portrait-charge-dit-au-fau teuil-de-gilbert-louis-duprez-1806–1896-chanteur#infos-principales (Zugriff: 11.10. 2019). Oxford Centre for Life-Writing (OCLW ), Wolfson College der University of Oxford: https://www.wolfson.ox.ac.uk/what-life-writing (Zugriff: 15.9.2019). RAA (Repertorium Alborum Amicorum) – Stammbuch-Online-Datenbank: https://raa. gf-franken.de/ (Zugriff: 31.7.2019).

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Widmung des Stammbucheintrags von Julius Rietz für Ignaz Moscheles © The British Library Board (Zweig MS 215, f.128r). Abb. 2: Einträge von Ignaz Moscheles im Stammbuch von Sophie Klingemann © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr.  75, f.8r/v). Abb. 3: Widmung des Stammbucheintrags von Ignaz Moscheles für Julius Rietz © Heinrich-Heine-Institut der Landeshauptstadt Düsseldorf (HHI.AUT.35.G.225.161, Detail). Tafel 1: Ansichten der Alben von Ignaz Moscheles, Charlotte Moscheles, Emily Moscheles (verh. Roche) und Serena Moscheles (verh. Rosen) © The British Library Board (Zweig MS 215, book spine); © Privatbesitz; © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, Vorderdeckel); © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr. 114, Vorderdeckel). Tafel 2: Stammbuchblatt von Johann Wolfgang von Goethe für Wilhelmine SchröderDevrient © Klassik Stiftung Weimar (GSA 25/W 366, f.4r) – Foto: Klassik Stiftung Weimar. Tafel 3: Wilhelmine Schröder-Devrient gewidmetes Impromptu von Ignaz Moscheles © Klassik Stiftung Weimar (GSA 25/W 366, f.10r) – Foto: Klassik Stiftung Weimar. Tafel 4: Stammbuchblatt von Giuseppe Baini in Rom für Ferdinand Hiller © Historisches Archiv der Stadt Köln (Bestand 1051, A 1, f.197). Tafel 5: Stammbuchblatt von Antonio Fanna in Venedig für Ferdinand Hiller © Historisches Archiv der Stadt Köln (Bestand 1051, A 1, f.219). Tafel 6: Buchdeckel des Albums von Natalia Obreskov, SLUB Dresden (Mus.1-B-524), digital.slub-dresden.de/id36035047X/1 (Public Domain Mark 1.0). Tafel 7: Album von Raimondina Thurn-Hofer e Valsassina © Archivio Provinciale di Trento (XXI 232, Biblioteca Thun). Tafel 8: Einträge von Max und Clara Bruch von 1882, 1885, 1888 und 1889 © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr.  114, S. 42v/43r). Tafel 9: Eingeklebte Briefe von Maria Malibran und Henriette Sontag im Album von Charlotte Moscheles © Privatbesitz (CM-Album, S. 37). Tafel 10: Erste Seite des Inhaltsverzeichnisses im Album von Ignaz Moscheles © The British Library Board (Zweig MS 215, f.1r). Tafel 11: Englisches Volkslied »in einer spaßhaften Gestalt« von Johann Peter Pixis © The British Library Board (Zweig MS 215, f.65v). Tafel 12: »Dasselbe englische Volkslied« von Giacomo Meyerbeer © The British Library Board (Zweig MS 215, f.66r).

332

Abbildungsverzeichnis

Tafel 13: Ständchen von Julius Benedict für Charlotte Moscheles © Privatbesitz (CMAlbum, S. 93). Tafel 14: Von Joseph und Amalie Joachim gestaltete Albumseite © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr. 114, S. 1r). Tafel 15: »Allegro fantástico« des Geigers Pablo de Sarasate © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, f.5r). Tafel 16: Zirkelkanon von Charles Gounod für Emily Roche © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, f.30r). Tafel 17: Zeichnung einer Szene aus dem Orient von Carl Haag © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr. 114, S. 24r). Tafel 18: Serena Rosen gewidmeter Eintrag des Geigers Robert Heckmann © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr. 114, S. 43v). Tafel 19: Eintrag von Niels Wilhelm Gade für Serena Moscheles © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr. 114, S. 25r). Tafel 20: Erste Seite des Schlummerlieds in G-Dur von Ignaz Moscheles © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr. 114, S. 15v). Tafel 21: Brief von Ignaz Moscheles an Serena Rosen vom 20. August 1854 © Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (D 72 Rosen-Klingemann Nr. 114, S. 21r). Tafel 22: Von Felix Mendelssohn Bartholdy, unter Mitwirkung von Emily Moscheles und Carl Klingemann, 1832 gestaltetes Blatt zu Ignaz Moscheles’ Geburtstag © Privatbesitz (CM-Album, S. 39). Tafel 23: Von Felix Mendelssohn Bartholdy, unter Mitwirkung von Emily Moscheles und Carl Klingemann, 1844 gestaltetes Blatt zu Ignaz Moscheles’ Geburtstag © Privatbesitz (CM-Album, S. 75). Tafel 24: Bleistiftzeichnung von Felix Mendelssohn Bartholdy für Emily Moscheles mit biographischen Bezügen © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musik­ abteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, f.2r). Tafel 25: Erste Albumseite »H. Ernst künstliche Schriftzüge« © Privatbesitz (CM-Album, S. 124). Tafel 26: Bleistiftzeichnung der Rue Castiglione in Paris von Emily Moscheles © Privatbesitz (CM-Album, S. 159). Tafel 27: Albumeintrag von Stephen Heller für Charlotte Moscheles © Privatbesitz (CM-Album, S. 95). Tafel 28: Tintenzeichnung eines Theatermoments von Charles Lallemand © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, f.22r, Detail). Tafel 29: Bleistiftzeichnung eines Damenchors von James Edmund Doyle © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, f.13r). Tafel 30: Darstellung der »Musica« von Franz Graf Pocci © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, f.3r).

Abbildungsverzeichnis

333

Tafel 31: Darstellung der Heiligen Cäcilia von Johann Baptist Zwecker © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv (Mus. Ms. Autogr. S 10, f.4r). Tafel 32: Kolorierte Zeichnung von Henri de Triqueti © The British Library Board (Zweig MS 215, f.49v). Tafel 33: Die »Instrumenten-Figur« von Moritz Gottlieb Saphir © The British Library Board (Zweig MS 215, f.147r). Tafel 34: Albumblatt von Ignaz Moscheles für Louis Spohr von 1815, in: Louis Spohr, Selbstbiographie, Bd. 1, Cassel/Göttingen 1860, nach S. 350, gemeinfrei, archive.org/ details/louisspohrsselbs01spoh/page/n379 (Zugriff: 7.1.2019). Tafel 35: Kanon von Ignaz Moscheles für Ferdinand Hiller © Historisches Archiv der Stadt Köln (Bestand 1051, A 1, f.85). Tafel 36: Scherzo von Ignaz Moscheles für Natalia Obreskov, SLUB Dresden (Mus.1B-524, S. 43), digital.slub-dresden.de/id36035047X/47 (Public Domain Mark 1.0). Tafel 37: »Andante melanconico« von Ignaz Moscheles für Antolka Hiller © Historisches Archiv der Stadt Köln (Bestand 1051, A 1, f.231).

Tabellen Tabelle 1: Album von Ignaz Moscheles (154 Beiträge) Tabelle 2: Album von Charlotte Moscheles (104 Beiträge) Tabelle 3: Album von Emily Moscheles, verh. Roche (31 Beiträge) Tabelle 4: Album von Serena Moscheles, verh. Rosen (55 Beiträge) Tabelle 5: Zusammenstellung der in dieser Studie berücksichtigten Musik-Stammbücher Abkürzungen

Besetzungen (Notenautographe)

N = Notenautograph

C = Gesang

X = eingeklebtes Blatt

P = Klavier

T = Textbeitrag

C/P = Gesang und Klavier

B = Brief

K = Kanon

Z = Zeichnung

V = Violine

F = Foto

V/P = Violine und Klavier

D = Druck

TrBl = getrocknete Blumen / Blätter Datumsangaben = JJJJ / MM/TT

Vc = Violoncello

Str = Streicher Strqui = Streichquintett

Strq = Streichquartett Fl = Flöte Org = Orgel Ch = Chorsatz (z.B. 4st = vierstimmig) P (O) = Klaviersatz einer Orchesterbesetzung

Tab. 1: Album von Ignaz Moscheles (154 Beiträge) Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

(Mozart)

Beitrag

N

D

X

(Beethoven)

F

X

Lyser, Johann Peter (Beethoven)

D

X

Z

X

Lee, Sarah Bowdich Kreins, Hilaire-Antoine

1835 / XX/XX

Z

X

Madou, Jean-Baptiste

1832 / XX/XX

Z

X

Blatt/ Seite

f.3r (auf f.2v) f.5r (auf f.4r) f.7r (auf f.6r) f.9r (auf f.8r)

f.11r (auf f.10r) f.13r (auf f.12r)

335

Album von Ignaz Moscheles

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Braekeleer, Ferdinand de

1842 / 10/16

Bossuet, François-Antoine Leys, Henri

Beitrag

N

Z

X

1835 / XX/XX

Z

X

1848 / 10/15

Z

X

Blatt/ Seite

f.14r (auf f.12v) f.16r (auf f.15r) f.18r (auf f.17r)

Aimémartin, Louis

Paris

1839 / 11/19

T

f.17v

Grillparzer, Franz

Wien

1826 / 10/24

T

f.19r

Scott, Walter

[Edinburgh] 1828 / 01/XX

T

f.19v f.20r

Goethe, Ottilie von

1832 / 10/26

T

Goethe, Johann Wolfgang von

1830 / XX/XX

T/D (3)

X

Gream, Sarah Ann

1840 / 08/18

Z

X

Pocci, Franz von

[1844 ?]

Z

f.25r (auf f.24r) f.26r

Kleinig, Christian Gottlob

Leipzig

1862 / 12/05

Z

X

Rossi Sontag, Henriette

Leipzig

1852 / 02/15

N

X

Heine, Heinrich

London

1827 / 07/XX

B

X

F/Z

X

Moscheles, Felix

f.21r, 22r, 23r (auf f.20r)

C

f.28r (auf f.26v) f.30r (auf f.29r) f.32r (auf f.31r) f.33r (auf f.31v)

Tieck, Ludwig

Dresden

1826 / 11/08

T

Rosen, Georg

Leipzig

1853 / 11/11

T

X

Pasta, Giuditta

Blevio

1853 / 08/26

T

X

Devrient, Emil

Leipzig

1863 / 12/XX

T

Rochlitz, Friedrich

Leipzig

1838 / 02/12

B

Rochlitz, Friedrich

Leipzig

1840 / 10/13

T

Lehmann, Rudolf

Fontenay

1861 / 01/01

B

X

f.41r

1860 / XX/XX

Z

X

f.43r (auf f.42r)

Lehmann, Rudolf Mazzini, Giuseppe

Londra

1861 / 06/XX

T

Bodenstedt, Friedrich von

Leipzig

1866 / 04/15

T

f.34r

f.36r (auf f.35r) f.37r (auf f.35v) f.38r

X

f.39r/v f.40r

f.44r f.45r

336

Tabellen

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beer, Michael

Paris

1825 / 04/25

Triqueti, Henri de

Beitrag Z

N X

Blatt/ Seite

auf f.49v

T

f.50r/v, 51r

Janin, Jules

T

f.51r

Hensel, Wilhelm

Z

f.52r

1855 / 03/27

Z

f.53r

Werner, Carl Friedrich Castelli, Ignaz Franz

Wien

1826 / 10/19

T

f.58r

Grisi, Giulia

Londres

1843 / 08/05

T

f.59r

Viardot, Pauline

Londres

1849 / 07/30

N

Artôt, Désirée

Leipzig

1862 / 05/06

N/T

C

Hummel, Johann Nepomuk Paris

1825 / 04/18

N

K

f.61r

Weyse, Christoph Ernst Friedrich

Copenhagen

1829 / 11/10

N

K

f.61v

Hamburg

1764 / 08/27

T

X

Winter, Pietro (Peter von)

Monaco

1823 / 10/13

N

X

Pixis, Johann Peter

Paris

1825 / 04/18

N

Meyerbeer, Giacomo

Paris

1825 / 04/25

N/T

Cramer, Johann Baptist

Londres

1825 / 07/23

N

Romberg, Bernhard

Leipzig

1824 / 10/14

N

Kalkbrenner, Frédéric

[Paris]

1825 / 04/XX

Telemann, Georg Philipp

Lafont, Charles Philippe

Fraenzl, Ferdinand

Paris

Paris

Clementi, Muzio

1825 / 04/26

N (2)

X

C

3st

V/VP

f.60r (auf f.59r) f.59v

f.63r (auf f.62r) f.62v

f.64r/v, 65r

Ch 4st

f.65v

Ch 4st

f.66r

P

f.66v

Vc ?

f.68r

N

P

f.67v, 69r

1825 / 07/XX

N

K

f.69v

1825 / 04/20

N

X

V (2)

f.67r

Mayseder, Joseph

Wien

1826 / 10/19

N

K

f.70r

Weigl, Joseph

Wien

1826 / 10/25

N

C

f.70v

Spontini, Gaspare

Berlin

1826 / 11/21

N

C/Str

f.71r

Neukomm, Sigismund

Londini

1829 / 06/17

N

f.71v

Klengel, August Alexander

Dresden

1824 / 10/10

N

K (7st)

Schmidt, Aloys

Hannover

1827 / 01/01

N

P

f.74v

1826 / 10/24

N

Stadler, Abbé Maximilian

X

X

K

P

f.72r/v, 73r/v f.75r/v, 76r

337

Album von Ignaz Moscheles

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

N

Wesley, Samuel

London

1827 / 11/09

Chopin, Frédéric

N

P

Saint-Cloud 1839 / XX/XX

N

P

f.77v

Chopin, Frédéric

Paris

1839 / 11/09

N

P

f.77v

Herz, Henri

Londres

1838 / 07/XX

N

P

f.78r

Mendelssohn Bartholdy, Felix

Berlin

1826 / 11/24

N

P

Thalberg, Sigismund

London

1836 / 06/24

N

P

f.78v, 79r/v, 80r

Bériot, Charles de

Londres

1836 / 06/25

N

V

f.81r

Methfessel, Albert

Hamburg

1826 / 12/15

N

C/P

f.81v, 82r

Maurer, Louis

Hannover

1827 / 01/23

N

Ch

Spohr, Louis

Cassel

1827 / 01/11

N

C/P

f.82v, 83r/v, 84r

Fétis, François-Joseph

Londres

1829 / 06/02

N

K

Döhler, Theodor

Londres

1838 / 07/03

N

P

Rosenhain, Jacob

London

1839 / 06/28

N

P

f.88r

Auber, Daniel-François

Paris

1830 / 01/12

N

f.89v, 90r/v

Cherubini, Luigi

Paris

1830 / 01/25

N

Ch 4st K

f.91r

1830 / 02/XX

N

X

P

N

X

P

f.92r (auf f.91v)

Boieldieu, François-Adrien Catel, Charles-Simon

[Paris]

Field, John

1831 / 09/XX

N

P

Blatt/ Seite f.77r

f.80v

f.84v, 85r

f.85v, 86r/v, 87r f.87v

f.93r (auf f.91v) f.94r

Lablache, Luigi

London

1836 / 08/03

N

P

f.94r

Kuhlau, Friedrich

Copenhagen

1829 / 11/12

N

K

f.94v, 95r

N

Strq

f.95v, 96r/v

Paganini, Nicolò

Londra

1831 / 08/21

N

V

f.97r

Beriot, Maria Felicie de

Londres

1836 / 07/16

N

C/P

f.97v, 98r

Halévy, Jacques Fromental

Paris

1839 / 11/15

N

C/P

f.98v, 99r

Ernst, Heinrich Wilhelm

London

1843 / 06/24

N

V

f.99v

Molique, Bernhard

London

1840 / 04/25

N

K

f.100r

Prume, François

Baden

1845 / 09/09

N

V

f.100r

Paër, Ferdinando

[Paris ?]

338

Tabellen

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

N

Saint-Saëns, Camille

Leipzig

1868 / 11/08

David, Ferdinand

Leipzig

Sivori, Camillo

N

Org

1840 / 10/14

N

Strq

f.101r

Londra

1843 / 07/21

N

V/P

f.101v

Mario, Giovanni

Londra

1849 / 08/09

N

C/P

f.102r

Tomaschek, Venceslav Giovanni

Praga

1840 / 10/29

N

C/P

1842 / 06/26

N

C

f.102v, 103r/v, 104r

Rubini, Giovanni Battista

Blatt/ Seite f.100v

f.104v

Haizinger, Anton

Carlsruhe

1844 / 10/10

N

C/P

f.105r

Heller, Stephen

Paris

1843 / 10/06

N

P

Rubinstein, Anton

Leipzig

1854 / 12/17

N

P

f.105v, 106r

Pixis, Friedrich Wilhelm

Prag

1840 / 10/31

N

Strqui f.107v

Weber, Friedrich Dionys

Prag

1840 / 10/31

N

Org

f.108r/v

Litolff, Henry

Leipzig

1856 / 02/11

N

P

f.109r

Stockhausen, Julius

Leipzig

1860 / 01/29

N

C

f.109v

Joachim, Joseph

Leipzig

1865 / 01/10

N

V

f.110r

Joachim, Amalie

Leipzig

1865 / 01/10

N

C

f.110r

Rossini, Gioachino

Paris

1860 / 05/19

N

X

C/P

Rossini, Gioachino

Paris-Passy

1861 / 07/25

B

X

f.111r, 112r (auf f.110v)

Patti, Carlotta

Leipzig

1864 / 11/16

T

Patti, Adelina

Londra

1861 / 06/25

N

Dreyschock, Alexander

London

1843 / 05/28

N

P

Dreyschock, Raimund

Leipzig

1850 / 12/14

N

V/P

Lachner, Franz

München

1844 / 11/XX

N

C/P

f.118r/v

Parepa, Euphrosyne

Lipsia

1863 / 10/22

N

C

f.119r

Hesse, Adolph

Dresden

1845 / 01/07

N

Org

Armingaud, Jules

Baden

1845 / 09/01

N

V

f.119v, 120r/v, 121r/v

f.106v, 107r

f.114r/v, f.115r/v f.113r

X

C

f.116r (auf f.113r) f.113v, 117r/v f.117v

f.121v

339

Album von Ignaz Moscheles

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

N

David, Felicien

Baden

1845 / 09/01

Gouvy, Théodore

Leipzig

Pauer, Ernst

N

P

1856 / 12/06

N

P

f.122r

Leipzig

1857 / 01/15

N

P

f.122v

Taubert, Wilhelm

Leipzig

1862 / 02/25

N

Str

f.123r

Bruch, Max

Leipzig

1862 / 02/20

N

CP

f.123v

Damcke, Berthold

Paris

1860 / 08/04

N

K

f.124r

Orgeni, Aglaya

Leipzig

1868 / 02/29

N

C

f.124v

Schumann, Robert

Leipzig

1846 / 11/19

N

f.125r

Drouet, Louis

Gotha

1847 / 03/28

N

VP (O)

Schumann, Clara

Leipzig

1846 / 11/19

N

P

f.127r

Rietz, Julius

Leipzig

1848 / 05/09

N

Ch

Henselt, Adolph

Leipzig

1867 / 09/21

N

P

Hauptmann, Moritz

Leipzig

1849 / 06/12

N

K

f.129r

Davidoff, Carl

Leipzig

1868 / 03/01

N

Vc/P

f.129v

Straus, Ludwig

Leipzig

1868 / 03/07

N

P

f.130r

Strauss, Anna

Leipzig

1869 / 03/18

N

C

f.130v

Raczek, Friedrich + Sophie + Viktor

Leipzig

1856 / 12/17

N

V (3)

f.132r

Dessauer, Joseph

Wien

1844 / 12/17

N

CP

Hiller, Ferdinand

Dresden

1845 / 01/08

N

f.132v, 133r/v, 134r

Dupont, August[e]

Leipzig

1859 / 03/15

N

P

Veit, Wenzel Heinrich

Leipzig

1859 / 10/23

N

P (O)

f.136v

Vieuxtemps, Henri

Leipsic

1859 / 10/30

N

V (O)

f.137r

Besekirsky, Vasily (Guillaume)

Leipzig

1868 / 05/07

N

V

f.137r

Becker, Jean

Leipzig

1860 / 02/16

N

V

f.137v

Smart, George Thomas

Chertsey

1861 / 06/28

N/F

Ch

f.138r

Monasterio, Jesùs de

Leipzig

1862 / 03/05

N

V/P

f.138v

Sterndale Bennett, William

Leipzig

1865 / 01/16

N

P

f.140r

X

X

Fl

P

Blatt/ Seite f.122r

f.126r (auf f.125v) f.127v, 128r f.128v

f.135r (auf f.134v) f.136r

340

Tabellen

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

N

Laub, Ferdinand

Leipzig

1852 / 10/13

Singer, Edmund

Leipzig

Bull, Ole

N

V/P

1852 / 01/17

N

V

Londra

1840 / 07/04

N

V

f.141v

Lipinsky, Karl

Dresden

1844 / 01/08

N

V

Kontski, Apollinaire de

Leipsick

1848 / 08/05

N

V

f.141v, 142r

Liszt, Franz

[London]

1840 / 07/02

N

P

f.143r/v

Strauss, Johann (Vater)

London

1838 / 04/28

N

P

f.144r

Seyfried, Ignaz

Wien

1826 / 10/22

N

K

f.144v

Oehlenschläger, Adam Gottlieb

Kopenhagen 1829 / 11/09

T

Saphir, Moritz Gottlieb

Berlin

1826 / 10/15

Z/T

Clauren, Heinrich

Berlin

1826 / 11/17

T

Riesser, Dr. Gabriel

Hamburg

1835 / 11/01

T

Carl Alexander, Erzherzog von Sachsen

Leipzig

1852 / 03/11

T

Albrechtsberger, Johann Georg

Albrechtsberger, Johann Georg

Wien Wien

Moscheles, Charlotte

Neukomm, Sigismund

Blatt/ Seite f.140v, 141r f.141r

f.142v

f.145r X

f.147r (auf f.146v), f.148r/v f.150r

X

f.152r (auf f.151r) f.153r

D

X

1808 / 09/28

T

X

Paris

1825 / 04/14

T

X

London

1829 / 06/16

T

X

f.157r (auf f.156v) f.160r (auf f.158r)

C

f.159r (auf f.158r) f.159r (auf f.158r)

341

Album von Charlotte Moscheles

Tab. 2: Album von Charlotte Moscheles (104 Beiträge) Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

N

(Mozart)

D

X

(Mozarts Ohr)

D

X

Blatt/ Seite S. 2 S. 3

Weber, Max Maria von

[London]

1844 / 07/19

Z

Weber, Carl Maria von

[London]

1826 / 04/14

B

X

S. 5

Lee, R[obert] (Moscheles/ Smart)

1838 / 03/23

Z

X

S. 9

Stone, Frances Maria

1829 / 01/19

Z

X

S. 11

Stone, Frances Maria

1831 / 05/30

Z

X

S. 13

Lee, R[obert]

1838 / 05/XX

Z

X

S. 15

Mendelssohn Bartholdy, Felix

[1833 ?]

B

X

S. 15

Lee, R[obert] (Lindley)

Z

X

S. 17

Jean, Cesar

Z

X

S. 21

Lee, R[obert] (Benedict)

Z

X

S. 29

Lee, R[obert] (Miss Cooke)

Z

X

S. 31

D (2)

X

S. 33

(Mr. Gream’s Church)

Z

X

S. 35

Malibran, Maria

B

X

S. 37

Sontag, Henriette

B

X

S. 37

(North Stoneham Park)

Mendelssohn Bartholdy, Felix Sontag, Henriette

1840 / 10/28

[London]

1832 / 05/30

Z/N/T

X

S. 39

Paris

1829 / 01/29

B

X

S. 41

Horsley, John (Collard) Romberg, Bernhard

London

Garcia, Pauline Thalberg, Sigismund

London

Z

S. 45

1839 / 07/20

T

S. 47

XXXX / 08/30

B

1839 / 07/04

T

(Thalberg?) Cramer, Johann Baptist

S. 4

Z Paris

1839 / 11/13

X

S. 47 S. 49

X

T

S. 49 S. 50

Lehmann, Rudolf

Z

X

S. 53

Bernardin de St Pierre, ­Jacques-Henri / Aimémartin, Louis

T

X

S. 55

342 Name, Vorname (Beiträger:in)

Tabellen

Ort

Datum

Beitrag

Lee, R[obert] (Löwenstern)

Z

David, Félicien

T

Meyerbeer, Giacomo Aimémartin, Louis

Paris Paris

Chorley, Henry F. Marchesi, Salvatore

Leipzig

Bowdich, Tedlie Hutchison

N X

Blatt/ Seite S. 55 S. 56

1839 / 11/08

N

X

1839 / 12/25

T

X

1851 / 12/30

T

1839 / 09/21

Z

X

S. 63

Z

X

S. 65

1839 / 11/19

(Chinese in der Teekanne)

T

C/P

S. 57 S. 60 S. 60 S. 61

Heine, Heinrich

Paris

1839 / XX/XX

T

Chateauneuf, Alexis / Mee, Arthur

London

1839 / 12/07

D

London

1840 / 10/02

Z/T

Mendelssohn Bartholdy, Felix

[London]

1844 / 05/30

Z/N/T

X

S. 75

(Eridge Castle)

D

X

S. 77

(Gibraltar Tower)

Z

X

S. 77

Z (3)

X

S. 79

D

X

S. 83

Mendelssohn Bartholdy, Felix / Chorley, Henry F. / Moscheles, Ignaz

Gream, Mary Ann and K.

1840 / XX/XX

(Netley Abbey) Auber, Daniel-François

Paris

1843 / 10/03

S. 67 X

S. 69 S. 71

N

P

S. 83

(Chaulieu)

Z

X

S. 85

(Benedict)

Z

X

S. 85

Laub, Ferdinand

Leipzig

1852 / 10/11

Z

S. 85

Mendelssohn Bartholdy, Felix (Antigone)

1842 / XX/XX

Z/N/T

S. 87

Z

S. 89

Horsley, Fanny

1838 / 11/30

Z

X X

(Ina Jaques)

S. 90

Arnswald, Bernhard von

Wartburg

1859 / 07/XX

Z

Benedict, Julius

[London]

1840 / 11/27

N

CP

S. 93

Heller, Stephen

[Paris]

[1845] / 11/20

N/Z

P

S. 95

Marohn, Ferdinand Rosen, Georg

Leipzig

1853 / 11/11

S. 92

Z

X

S. 96

T

X

S. 97

343

Album von Charlotte Moscheles

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

N

Blatt/ Seite

Moscheles, Felix (Henry Roche)

Z

X

Schauer, F. (Chopin)

D

X

S. 101

Schauer, F. (Liszt)

D

X

S. 103

X

S. 104

Roche, Emily

1866 / 09/XX

Z

Kohl, Johann Georg

1843 / 08/04

T

1866 / 09/23

Z

1854 / 01/23

Z

Ward, Edward Matthew

[London]

Werner, Carl Prinsep, Emily Rebecca Moscheles, Felix

1861 / 11/30

Maurier, George du Newman Smith, Mary Ann

S. 99

S. 105 X

S. 106 S. 107

Z

X

S. 109

Z

X

S. 111

Z

X

S. 112

Z

X

S. 114

Ernst, Heinrich Wilhelm

London

1843 / 07/23

T/N

Mendelssohn Bartholdy, Felix / Chorley, Henry F. / Moscheles, Ignaz

Ostende

1840 / 10/03

B

X

S. 117

Z

X

S. 119

1844 / 01/10

Z

X

S. 123

1843 / 08/10

T

S. 124

1844 / 04/04

T

S. 125

1840 / XX/XX

Z

X

S. 126

Z

X

S. 127

Roche, Emily

Praeger, Emil Arnold (Ernst, Heinrich) / Felix / Clara [Moscheles] (Ernst, Heinrich)

Boulogne sur mer London

Allen, Captain W. Barlow, Anne

S. 115

Bowdich Lee, Sarah

1842 / 11/30

Z

X

S. 128

Miss Moseley

1868 / 06/XX

Z

X

S. 129

Werner, Louis

1841 / 11/30

Z

X

S. 131

Russo, Michelangelo

1841 / 07/04

N

X

P

S. 133

1845 / 01/08

N

X

C/P

S. 135

(Friedrich der Große)

D

X

S. 139

(7 Medaillons)

D

X

S. 143

Hiller, Ferdinand Grandville, J.J.

Dresden

Alma-Tadema, Lawrence

London

(Villa in Dresden)

Dresden

1881 / 12/19

Z

X

Z F

S. 137

S. 145 X

S. 147

344

Tabellen

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

Cooke, Edward William

Blankenese

Sarasate, Pablo de

London

1877 / 11/XX

N/T

V/P?

S. 149

Henschel, George

London

1877 / 04/23

N/T

C

S. 151

Brüll, Ignaz

London

1881 / 03/XX

N

P

S. 153

Z

(Wüste/Kamele)

F

D’Albert, Eugen

N

Moscheles, Emily

Paris

Archer

Unger, Joseph

London

Paulinzelle

Owen, Richard (aus seinem Garten)

Paris

X P

S. 155 (lose) S. 155

1838 / XX/XX

Z

X

S. 165

T

X

S. 168

1855 / 12/XX

Z

X

S. 171

1879 / 06/22

T

S. 159

S. 173

Z

X

S. 175

1852 / 02/XX

TrBl

X

S. 177

1851 / 08/25

TrBl

X

S. 180

TrBl

X

S. 182

TrBl

X

Z

X

S. 184– 185

(Trianon) Neukomm, Sigismund

S. 148

Z

Seeburg, Moritz Sontag, Henriette (ihr letzter Strauß)

X

Blatt/ Seite

1843 / 10/08

Bandel, Joseph Ernst von Moscheles, Felix

N

1839 / 11/18 1882 / 06/28

T

S. 186 S. 187

TrBl

X

S. 190

TrBl

X

S. 192

345

Album von Emily Moscheles

Tab. 3: Album von Emily Moscheles, verh. Roche (31 Beiträge) Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

Milanollo, Teresa und Maria

Londres

1845 / 06/04

T/N

(Ernst, Heinrich Wilhelm)

London

1844 / 04/14

T/Z/N

f.1r

Mendelssohn Bartholdy, Felix

London

1844 / 06/23

Z/N

f.2r

Pocci, Franz von

1844 / 11/03

Z

f.3r

Zwecker, Johann Baptist

1844 / 10/20

Z

f.4r

1878 / 04/09

N

V

f.5r

N

P

f.6r

Sarasate, Pablo de

London

Heller, Stephen Salomch. [?]

N

Blatt/ Seite f.IV

1846 / 07/18

Z

f.7r f.9r

Lehmann, Rodolphe

Leipzig

1849 / 10/17

Z

(Chopin-Grabmal)

[Paris ?]

XXXX / 09/16

Z

1848 / 07/21

Z

f.11r

Z

f.12r

1853 / 07/16

Z

f.13r

1854 / 07/02

T

f.14r

1844 / 10/27

N

X

P

f.15r

Chalon, Alfred Edward Chalon, John James Doyle, James Edmund Naumann, Emil

London

Pischek, Johann Baptist

X

f.10r

Strauss, Johann

London

1849 / 07/04

N

X

P

f.17r

David, Felicien

Baden

1845 / 09/01

N

X

P

f.20r

Oppenheim, Marie

Hamburg

1864 / 07/30

Z

X

f.21r

Lallemand, Charles

Z

X

f.22r

(Le Puy/Carlsruhe)

D (2)

X

f.22r

Z

X

f.23r

Z

X

f.25r

1879 / 04/17

Z

X

f.27r

1844 / 10/XX

Z

X

f.28r

Z

X

f.29r

Jaëll, Alfred

(Mann im Krankenbett ?)

(alter Mann)

Wien

1844 / 12/11

Hamburg

Pocci, Franz von (Liszt) Signora Doy [?] Zwecker, Johann Baptist

Stuttgart

Ragon, Adolphe Gounod, Charles Mendelssohn Bartholdy, Felix

Birmingham

Z Z

1882 / 08/24

N

1840 / XX/XX

Z

X X

K X

f.19r f.20r

f.30r f.31r

346

Tabellen

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Beitrag

N

Sivori, Camillo

Londra

1844 / 08/18

N

P

Löwenstern, Isidor

Paris

1843 / 10/16

T

Blatt/ Seite f.35r f.50r

Tab. 4: Album von Serena Moscheles, verh. Rosen (55 Beiträge) Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Joachim, Joseph

London

1844 / 05/30

Joachim, Joseph und Amalie

Bonn

1871 / XX/XX

Beitrag

N

Blatt/ Seite

N

V

N

V

S. 1r

V

S. 2r

S. 1r

(Ernst, Heinrich Wilhelm)

N

X

Russo, Michelangelo

Z/T

X

S. 3r

X

S. 3r

Sivori, Camillo

London

1843 / 11/03

T

(Liszt-Karikatur?)

Leipzig

XXXX / 10/17

Z

Strauss, Johann

London

1849 / 07/04

N

X

P

S. 4r

Singer, Edmund

Leipzig

1852 / 01/17

N (2)

X

S. 5v

Neukomm, Sigismund

Leipzig

1850 / 10/06

N

V/P, V

Heller, Stephen

Paris

1845 / 11/20

Hildebrand-Romberg, Bernhard

Leipzig

Rossi Sontag, Henriette

Litolff, Henry

Leipzic [sic] 1851 / 01/29

N

S. 3v X

S. 5r

K 3st

S. 6r

N

P

S. 8r

1852 / 12/03

N

Vc

S. 8r

Leipzig

1852 / 02/13

N

C

S. 9r

David, Ferdinand

Leipzig

1848 / 03/24

N

P

S. 10r

Kontski, Apollinaire de

Leipzig

1848 / 08/06

N

V

S. 11r

Dreyschock, Raimund

Leipzig

1850 / 12/08

N

S. 12r

Dreyschock, Felix

Detmold

1887 / 10/05

N

V/P (O)

Marchesi, Salvatore

Leipzig

1851 / 12/30

T

Pischek, Johann Baptist

London

1845 / 06/12

T/N

X

C

S. 14r

N

X

C/P

S. 17–18

B/N

X

Mendelssohn Bartholdy, Felix

Moscheles, Ignaz

1844–46

1857 / 03/30

Moscheles, Ignaz Moscheles, Ignaz

Egern

1854 / 08/20

Z

N

X

P

P?

S. 7r

S. 12r S. 13r

X

C/P

S. 15–16 S. 21r

347

Album von Serena Moscheles

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Plockhorst, Bernhard

Leipzig

1853 / XX/XX

Dreyschock, Alexander

Leipzig

Haag, Carl

Beitrag

N

1857 / 03/28

N

P

1859 / 05/08

Z

Z

Blatt/ Seite S. 22r S. 23r S. 24r

Gade, Niels Wilhelm

Leipzig

1853 / 03/XX

N

P

S. 25r

Grimm, Julius Otto

Bonn

1871 / 08/23

N

Str

S. 26r

Noeldechen, Bernhard

Detmold

1880 / 12/08

N

C

S. 27r

Becker, Jean Reinecke, Carl

T/N 1886 / 04/05

N

P

S. 29r

Nachéz, Tivadar

1887 / 10/05

N

V

S. 30r

Moscheles, Ignaz

1854 / 06/XX

N (2)

X

Org

S. 31r

1853 / XX/XX

Z

X

S. 32r

1844 / XX/XX

Z

X

S. 34r

T

X

S. 35r

Werner, Carl

Detmold

S. 28r

Venice

Pocci, Franz von Leideritz, Franz [?] Leideritz, Franz

Detmold

1882 / 04/14

T

Leideritz, Franziska

Detmold

1882 / 04/14

N/T

Begas, Carl Joseph

Harburg

1851 / XX/XX

Z

X

Staudach, Emma von

Leipzig

1852 / 12/02

N

X

Hiller, Ferdinand

Köln

1871 / 07/23

T

X

Bruch, Max

Bonn

1885 / 07/02

N

1888 / 08/04

T

S. 42v S. 42v

Behr, Heinrich

Leipzig

Bruch, Max

1852 / 08/23

Z

S. 37r C

S. 38r S. 39r

C/P

S. 40r S. 41r S. 42r

C

S. 42v

Bruch, Clara geb. Tuczek

Detmold

1889 / 07/XX

T

Bruch, Max

Detmold

1882 / 06/14

N

C

S. 43r

Heckmann, Robert

Detmold

1888 / 01/18

N

V

S. 43v

Sarasate, Pablo de / Goldschmidt, Otto

London

1883 / 05/09

N

V

S. 44r

Leipzig

1853 / 11/11

T

X

1885 / 06/02

T

X

1875 / 12/25

B

X

N

X

Rosen, Georg

Budge, Ernest A. Wallis Bargheer, Carl Louis

Detmold

Hauptmann, Moritz Henschel, Georg

London

1879 / 05/XX

N

S. 44–45 (lose) S. 45r S. 46r C 3st

S. 47r

C

S. 48r

348

Tabellen

Name, Vorname (Beiträger:in)

Ort

Datum

Henschel, Georg

Bonn

1885 / 07/01

Falcke, Henri

Paris

1895 / 03/17

Beitrag

N

N

P

T

Blatt/ Seite S. 48r S. 49r

Tab. 5: Zusammenstellung der in dieser Studie berücksichtigten MusikStammbücher Albumeigner:in

Laufzeit

Standort

RISM-Sigel

Avé-Lallemant, Luise

1843–63

D-LEu, Rep. III. fol. 15i

Barnett (verh. Rogers), Clara Kathleen

1860–80

Leipzig, Universitätsbibliothek

Barnett (verh. Francillon), Rosamund (Liszt Marie)

1860–71

US-CAh, MS Thr 470 (476)

Beauchesne, Alfred de

1835–73

Cambridge/Mass., Harvard University, Houghton Library

Beaumarié, Clara

1837–56

Beethoven, Ludwig van

1792

Düsseldorf, HeinrichHeine-Institut

D-DÜhh, HHI. AUT.2007.5025.TG

Benedicks, Josephine

1813–34 [?]

Böhme, August Julius Ferdinand

1848–80 [ca.]

Carandini Trivulzio, Vittoria

1835–64 [ca.]

Cavallo, Johann Peter

1845–53

Andersen, Hans Christian

1825–72 [ca.]

Bradbury, William Batchel- 1847–49 der

Dantan ( Jeune), Jean-Pierre 1835–69

Kopenhagen, Det konge- DK-Kk, Ny kgl. Saml. lige Bibliotek 1299g, I-IV, folio; DKKk, Collinske Samling 14, 4º [V ]

Cambridge/Mass., Harvard University, Houghton Library

US-CAh, MS Thr 470 (857)

Paris, Bibliothèque nationale de France

F-Pn, W-24

Wien, Österreichische Nationalbibliothek

A-Wn, Cod. 15259 ­[online]

Stockholm, Musikmuseum

S-Sm, ›Virginska boken‹

Dresden, Sächsische Lan- D-Dl, Mscr.Dresd. desbibliothek (SLUB) App.1912 [online] Washington D.C., Li­ brary of Congress

US-Wc, ML31.B7 ­[online]

London, British Library

GB-Lbl, Hirsch IV 1455

Modena, Archivio di Stato / Deputazione di Storia Patria

Paris, Bibliothèque nationale de France

I-MOs, Filza 36 / IModep

F-Pn, Res Vm7-537

Zusammenstellung der in dieser Studie berücksichtigten Musik-Stammbücher

Albumeigner:in

Laufzeit

Standort

d’Est (geb. Kibble), Frances Sarah

1835–41

Privatbesitz

Ewen, Elizabeth Mary

1868–1917

Falk-Auerbach, Nanette

1845–1928

Ferretti, Jacopo und Teresa

1827–40

Florimo, Francesco

1830–88

Fuchs, Aloys

1830–51

Grieg, Edvard

1859–72

Hiller, Ferdinand

1825–92 [ca.]

Dawison (geb. Jacobi), Contanze

Horsley, Fanny

1843–98

1832–37

Düsseldorf, HeinrichHeine-Institut

Paris, Bibliothèque nationale de France

349

RISM-Sigel

D-DÜhh, 91.5001 T.G.

F-Pn, W-29

Zwickau, Robert-Schumann-Haus

D-Zsch, Archiv-Nr. 10536

Neapel, Biblioteca del Conservatorio di musica San Pietro a Majella

I-Nc, Rari 4.3.7 [online]

Bergen, Offentlige Bibliotek

N-Bo, Griegsamling 1 [online]

Privatbesitz

Privatbesitz

Köln, Historisches Archiv

D-KNa, Bestand 1051, A1

Oxford, Bodleian Library GB-Ob, MS. Eng. e.2182

Hünerwadel, Fanny

1852–53

Kandler, Franz Sales

1817–29

Privatbesitz

Klingemann, Sophie

1844–97

Koch, Auguste Friederike Caroline

1855–59

Detmold, Landesarchiv NRW

D-DTsta, D 72 RosenKlingemann Nr. 75

Koch, Babette

1790–1802

Bonn, Beethoven-Haus

Mendelssohn Bartholdy, Cécile

1836–48

D-Bnba, BH 185 [online]

Mendelssohn Bartholdy, Cécile

1844–[?]

Mendelssohn Bartholdy, Fanny

1821–29

Mendelssohn Bartholdy, Felix

1821–45

Molique, Caroline

1843–89

Moscheles, Charlotte

1839–82

Moscheles, Clara

[?]

Zürich (Privatbesitz)

Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum

D-LEsm, A/3987/2009 (Stb. Nr. 20)

Oxford, Bodleian Library GB-Ob, MS. M.D.M. c.21 Oxford, Bodleian Library GB-Ob, MS. M.D.M. b.2 Staatsbibliothek zu Ber- D-B, MA Ms. 142, 1 lin – Preußischer Kulturbesitz

Oxford, Bodleian Library GB-Ob, MS. M.D.M. d.8

Stuttgart, Württembergi- D-Sl, Cod.hist.oct.233 sche Landesbibliothek [online] Privatbesitz unbekannt

350

Tabellen

Albumeigner:in

Laufzeit

Standort

Moscheles, Felix

1836–1903

unbekannt

Moscheles, Felix

1876–[?]

unbekannt

Moscheles, Ignaz

1825–69

London, British Library

Moscheles, Serena

1844–95

Mozart, Franz Xaver

1801–12

Detmold, Landesarchiv NRW

Mozart, Franz Xaver

1819–42

Novello, Vincent

1829–48

Panofka, Heinrich / Clark, Alfred Corning

1827–43/92

Pohlenz, Marie

1850–53

Rietz, Julius

1829–77

Rostopčina, Evdokija

1832–50 [ca.]

Moscheles, Emily

Obreskov, Natalia

Sayn-Wittgenstein, Marie von

1843–82

1838–52

1847–59

Schröder-Devrient, Wilhel- 1829–53 mine Schumann, Clara und Robert

1829–88 [ca.]

Spohr, Louis

1815–[?]

Steche (geb. Angermann), Lidy

1850–74

Steffens, Emilie

1836–1907

Strantz, Auguste von

1851–53

RISM-Sigel

Staatsbibliothek zu Ber- D-B, Mus. Ms. Autogr. lin – Preußischer Kultur- S 10 [online] besitz

Salzburg, Stiftung Mozarteum

GB-Lbl, Zweig MS 215 [online] D-DTsta, D 72 RosenKlingemann Nr. 114 A-Sm [online]

Washington D.C., Li­ brary of Congress

US-Wc, ML94.M7 ­[online]

Dresden, Sächsische Landesbibliothek (SLUB)

D-Dl, Mus. 1-B-524 [online]

London, British Library

GB-Lbl, MS Mus. 1816

Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek

DK-Kk, C I,5 mu 7205.1014

Düsseldorf, HeinrichHeine-Institut

D-DÜhh, HHI. AUT.35.G.225

Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum

Privatbesitz

D-LEsm, A/2013/390 (Stb. Nr. 113)

Klassik Stiftung Weimar, D-WRgs, GSA 60/Z Goethe- und Schiller170 [online] Archiv

Klassik Stiftung Weimar, D-WRgs, GSA 25/W Goethe- und Schiller366 Archiv Dresden, Sächsische Landesbibliothek (SLUB)

D-Dl, Mus.Schu. ­[online]

Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum

D-LEsm, A/2174/2010 [online]

Leipzig, Universitätsbibliothek

D-LEu, Rep. III, 15 i 3

unbekannt

Zwickau, Robert-Schumann-Haus

D-Zsch, Archiv-Nr. 12899

Zusammenstellung der in dieser Studie berücksichtigten Musik-Stammbücher

Albumeigner:in

Laufzeit

Standort

Taux, Alois

1837–53

Salzburg (Privatbesitz)

Thurn-Hofer e Valsassina, Raimondina

1836–43

Vény, Jenny

1841–80

Vogt, Gustave

1831–56

Voigt, Henriette

1830–34

Voigt, Henriette

1834–39

Weber, Carl Maria von

1799–1812

Weber, Edmund von

1786–1815

Weber, Fridolin von

1799–1817

Wesley, Eliza

1836–95

Wieck, Clara

1830–34

Zimmerman, Juliette

1839–40

Szymanowska, Maria

1810–41

Paris, Adam Mickiewicz Museum

351

RISM-Sigel

F-Ppo, MAM 973

Trento, Archivio provinciale

I-TRap, XXI 232, Biblioteca Thun

New York, Pierpont Morgan Library

US-NYpm, Cary 348 [online]

Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum

D-LEsm, MT/2011/125 [online]

Cambridge/Mass., Harvard University, Houghton Library

Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum

US-CAh, Ms.Mus. 103 [online]

D-LEsm, MT/2011/2 [online]

Staatsbibliothek zu Ber- D-B, Mus. ms. theor. lin – Preußischer Kultur- C.M. von Weber WFN besitz 5 Tokyo, Musashino Academia Musicae

J-Tma, [Aut.-Eps-24]

London, British Library

GB-Lbl, Add MS 35026

Staatsbibliothek zu Ber- D-B, Mus. ms. autogr. lin – Preußischer Kultur- S 7 besitz

Zwickau, Robert-Schumann-Haus Privatbesitz

D-Zsch, Archiv-Nr. 5980-A3

Personenregister* Adam, Adolphe 161 Adams, Thomas 137f. Aimé-Martin, Louis 157f., 164, 172, 335, 341f. d’Albert, Eugen 175 Albrechtsberger, Johann Georg 72, 159f. Alkan, Charles-Valentin 102, 139f. Andersen, Hans Christian 64f., 348 Arnim, Bettina von 223 Artôt, Désirée 173, 336 Attwood, Thomas 137 Auber, Daniel-François-Esprit 102ff., 156, 161, 164, 172, 213, 337, 342 Avé-Lallemant, Luise 119, 133f., 138, 250, 267, 348 Bach, Johann Sebastian 69, 71, 120, 145, 166, 182, 251, 253 Baini, Giuseppe 88, 90f., 276 Baker, James Andrew 245, 263 Balducci, Giuseppe 115, 141 Balfe, Michael William 137 Bargheer, Carl Louis 182ff., 347 Barnett, Clara Kathleen (verh. Rogers) 198, 252, 267, 348 Barnett, Rosamund (verh. Francillon) 198, 252f., 267, 348 Beauchesne, Alfred de 18, 96, 101ff., 106, 111, 124, 243, 261, 348 Beaumarié, Clara (geb. Chevallier) 60ff., 135, 211, 246, 261, 348 Beer, Michael 126, 162f., 173, 229, 336 Beethoven, Ludwig van 44, 65ff., 75, 77, 82, 85, 104, 108f., 124f., 145, 158, 166, 169, 178, 222, 241f., 253, 263, 269, 334, 348 Bellini, Vincenzo 77, 81, 92, 104, 111f., 114f., 118, 122, 140, 271 *

Benda, Karl 45 Bendemann, Eduard 129, 134 Benedicks, Josephine 57, 348 Benedict, Julius 137, 153, 175, 213, 283, 341f. Bennett, William Sterndale 58, 210, 339 Bériot, Charles de 81, 85, 153f., 337 Berlioz, Hector 65, 75, 87, 103f., 106, 109, 140, 191 Bernardin de Saint-Pierre, Jacques Henri 158, 341 Berton, Henri 103, 118 Birch, Charlotte Ann 133, 206 Bizet, Georges 139 Bocklet, Carl Maria von 116 Böhm, Carl Leopold 135 Böhme, August Julius Ferdinand 118, 121f., 348 Boieldieu, François-Adrien 104, 140, 161, 164, 337 Boucher, Alexandre und Céleste 118, 125f., 131f. Bowdich, Tedlie Hutchison 222, 342 Bradbury, William Batchelder 251, 263, 348 Brahms, Johannes 75, 88, 99, 122, 183 Bremer, Arnoldina Jordana Wynanda 251, 264 Browning, Robert 191, 203 Bruch, Clara (geb. Tuczek) 149, 151, 279, 347 Bruch, Max 149ff., 173, 182, 184, 279, 339, 347 Brüll, Ignaz 174, 191, 344 Brunsvik, Josephine und Therese 68 Budge, Ernest A. Wallis 183, 347 Bull, Ole 55, 340

Das Register umfasst ausschließlich historische Personen und bezieht sich auf den Fließtext, für weitere Namen siehe die Tabellen 1 bis 4.

Personenregister

Bülow, Hans von 191, 198 Byron, George Gordon 200f. Capece Minutolo, Clotilde und Paolina 46f., 115 Carafa, Michele 104, 106 Carandini Trivulzio, Vittoria 96, 112ff., 348 Carlier, Louise 47 Carus, Carl Gustav 134 Castelli, Ignaz Franz 157, 233, 336 Catel, Charles-Simon 161, 164, 337 Cavallo, Johann Peter 240, 263, 348 Cherubini, Luigi 69, 71, 88, 90, 102ff., 106, 112, 118, 122f., 156, 161, 164, 337 Chopin, Frédéric 52, 60, 69, 71, 88, 103f., 109ff., 139, 145, 156, 164ff., 171, 180f., 190f., 207f., 216f., 220, 243f., 253, 337, 343, 345 Chorley, Henry F. 175, 198ff., 239, 257, 342f. Clark, Alfred Corning 66, 74ff., 350 Clementi, Muzio 163, 336 Clésinger, Auguste 208 Cohen, Otto 251, 267 Courbet, Gustave 191 Cowden Clarke, Mary (geb. Novello) 107 Cramer, Johann Baptist 127, 137, 163, 172, 241, 336, 341 Cristiani, Lise B. 125f. Crotch, William 136f. Czerny, Carl 68f. Dantan ( Jeune), Jean-Pierre 47f., 67, 96, 101, 103ff., 111, 244, 261, 348 David, Ferdinand 129, 133, 182, 191, 338, 346 Delius, Frederick 182, 191 Devrient, Emil 193, 335 Dickens, Charles 107 Dino, Dorothea von 83f. Döhler, Theodor 110f., 164, 337 Donizetti, Gaetano 81, 89, 94, 103f., 107, 115f., 123, 141f. Doyle, James Edmund 221, 297, 345 Dragonetti, Domenico 108

353 Dreyschock, Alexander 173, 183, 338, 347 Dreyschock, Elisabeth 59 Dreyschock, Felix 183, 346 Dreyschock, Raimund 183, 338, 346 Drouet, Louis 131, 165, 339 Dubufe, Édouard 140 Dumas, Alexandre 109 Dun, Finlay 128 Dupont, Auguste 255, 265f., 339 Duprez, Gilbert 110, 244 Ernst, Heinrich Wilhelm 48, 51f., 60ff., 75, 134f., 146, 168, 191, 209ff., 215, 224, 245ff., 261, 294, 337, 343, 345f. d’Est, Frances Sarah (geb. Kibble) 96, 112f., 243, 260, 349 Ewen, Elizabeth Mary 252, 267, 349 Eybler, Joseph Leopold 45 Falcke, Henri 182, 348 Falk-Auerbach, Nanette 250, 264, 349 Fanna, Antonio 88, 92ff., 116, 277 Farrenc, Louise 105 Féréol, Félix und Auguste 62 Ferretti, Teresa und Jacopo 47, 119, 138, 140f., 349 Fétis, François-Joseph 88, 92, 337 Field, John 139, 337 Flinsch-Orville, Juliane 254, 267 Florimo, Francesco 47f., 114f., 122f., 143, 349 Fraenzl, Ferdinand 163, 336 Franck, César 60, 139 Frege, Livia 58f. Freppa, Lina 111 Fuchs, Aloys 33, 68, 74, 100, 349 Fumagalli, Luca 76, 113 Gade, Niels Wilhelm 50, 55, 74f., 133f., 184, 288, 347 Gans, Eduard 88f. Geibel, Emanuel 254, 264f. Glinka, Michail 142 Goethe, Johann Wolfgang von 23, 30, 78ff., 98, 124, 126f., 157ff., 171, 201, 269, 274, 335

354 Goethe, Ottilie von 126, 158f., 335 Goldschmidt, Otto 184, 191, 347 Gordigiani, Luigi 115f. Görres, Guido 88, 90 Gosse, Nicolas 102f. Gounod, Charles 118, 124, 139, 181, 191, 193, 286, 345 Grabau, Henriette 129 Grange, Elvira 243, 260 Grieg, Edvard 50, 191, 250, 267, 349 Grillparzer, Franz 152, 157, 164, 173, 233, 335 Grimm, Julius 183, 347 Grisi, Giulia 104, 137, 156, 173, 336 Giuliani, Mauro 71 Haag, Carl 183, 287, 347 Haensel, Peter 71 Haizinger, Amalie (geb. Neumann) 84, 205 Haizinger, Anton 84, 205, 338 Halévy, Jacques Fromental 102ff., 127, 164, 337 Hallé, Charles 213, 215 Hauptmann, Moritz 99, 118, 121, 133, 184, 241, 339, 347 Hauptmann, Suzette 121 Hauser, Franz Xaver 84, 205 Haydn, Joseph 44, 69, 71, 85, 100, 106, 108, 124, 242, 253 Heckmann, Robert 184, 288, 347 Heine, Heinrich 24, 60, 87, 146, 148, 157, 169ff., 335, 342 Heine, Mathilde 24 Heller, Stephen 50, 55, 63, 172f., 191, 208f., 211ff., 219, 246f., 261, 296, 338, 342, 345f. Helsted, Carl 88, 91 Henschel, George 174, 344, 347f. Hensel, Fanny (siehe Mendelssohn Bartholdy) Hensel, Wilhelm 127, 129, 157, 192, 228, 336 Henselt, Adolph 65, 339 Herz, Henri 81, 110f., 127, 137, 164, 337

Personenregister

Hildebrand-Romberg, Bernhard 184, 255, 265f., 346 Hiller, Antolka (geb. Hogè) 66, 86, 88, 90ff., 94f., 245, 262, 304 Hiller, Ferdinand 18, 31f., 53ff., 66, 86ff., 103, 111ff., 117, 132f., 138, 150, 156, 183, 185f., 191, 240, 245, 260, 276f., 302, 339, 343, 347, 349 Hiller, Johann Adam 45 Hofmann, Joseph 76 Hogè, Julie 245, 263 Holstein, Franz von 251, 265 Honnoré, Léon 117 Horsley, Fanny 167, 246f., 260, 342, 349 Horsley, Sophy 189, 246 Horsley, William 127, 206, 243, 247, 249 Hübner, Julius 129, 134, 228 Huet de Froberville, Prosper-Eugène 215 Hugo, Victor 109 Hummel, Johann Nepomuk 75, 156, 162f., 336 Hünerwadel, Fanny 119, 134f., 138, 349 Irving, Henry 191 Israels, Joseph 191 Jacobi, Constanze (verh. Dawison) 119, 133f., 138, 228, 349 Jaëll, Alfred 173, 179, 220, 345 Janin, Jules 157, 336 Jaques, Ernst 193f., 255, 257, 263 Joachim, Amalie (geb. Schneeweiss) 178, 284, 338, 346 Joachim, Joseph 106, 109, 137, 156, 177f., 183, 191, 208, 219, 224, 284, 338, 346 Kalkbrenner, Friedrich (Frédéric) 65, 130, 156, 163, 216, 336 Kandler, Franz Sales 33, 68f., 74, 349 Kaskel, Carl von 239, 260 Kestner, August 31f., 87f., 90 Kietz, Ernst Benedikt 78 Klengel, August Alexander 159, 336 Klingemann, Carl 129f., 153, 190, 203ff., 246f., 249, 291f. Klingemann, Sophie (geb. Rosen) 247ff., 262, 349

Personenregister

Koch, Auguste Friederike Caroline 252, 265, 349 Koch, Babette 67, 349 Kotzebue, August von 78 Kreutzer, Conradin 161 Kufferath, Hubert Ferdinand 251, 266 Kühne, Gustav 88, 90 Kyllmann, Gottlieb 178 Lablache, Luigi 80f., 112, 173, 337 Lachner, Franz 173, 338 Lafont, Charles Philippe 161, 336 Lallemand, Charles 220, 297, 345 Lang, Josephine (verh. Köstlin) 187 Lebzeltern, Maria Zeneida 115 Lee, Robert 167, 221f., 341f. Lee, Sarah Bowdich 167, 221f., 334, 343 Lehmann, Henri 88, 90 Lehmann, Rudolf 157, 168, 335, 341, 345 Leo, Sophie und August 161, 165 Lermontow, Michail 142 Lessing, Gotthold Ephraim 124 Lewes, George Henry 191 Lind, Jenny (verh. Goldschmidt) 55, 88, 137, 191 Lindenau, Leopold 130 Lindley, Robert 137, 221f., 252, 341 Liszt, Franz 52, 55, 60, 65, 69, 71, 75, 88f., 92, 103ff., 109, 135, 142, 156, 164, 171, 222ff., 253, 340, 343, 345f. Litolff, Henry 173, 184f., 243, 338, 346 Loewe, Carl 58 Lortzing, Albert 65 Löwenstern, Isidor 177, 213, 342, 346 Lyser, Johann Peter 158, 334 Macpherson, Robert Turnbull 158 Madou, Jean-Baptiste 157, 334 Maffei, Andrea 88f., 117 Malibran, Maria (verh. de Bériot) 80f., 105, 107, 142, 145, 149, 152ff., 156, 164, 174, 192, 196, 280, 341 Maria Teresa von Österreich-Este 116 Mars (Boutet), Anne-Françoise-Hippolyte 82f. Massé, Victor 105

355 Maurier, George du 195f., 343 Mayr, Johann Simon 47, 114f. Mayseder, Joseph 71, 75, 336 Mazzini, Giuseppe 157, 191, 335 Mazzucato, Alberto 89, 114 Mendelssohn Bartholdy, Abraham 130, 191, 238 Mendelssohn Bartholdy, Cécile (geb. Jeanrenaud) 34, 120, 124, 202, 238f., 261, 349 Mendelssohn Bartholdy, Fanny (verh. Hensel) 18, 32, 56f., 118ff., 124, 126f., 129ff., 228, 230, 237, 239, 241, 260, 349 Mendelssohn Bartholdy, Felix 9, 14f., 18, 32, 34, 48f., 51f., 55, 57f., 60, 65, 69, 77, 88, 92, 108, 118ff., 124ff., 136, 144ff., 148, 156, 160, 162, 169f., 172f., 177f., 180, 187, 189ff., 196ff., 219f., 226, 229f., 237ff., 241, 243, 246f., 251, 253f., 257, 259, 261, 269, 291ff., 337, 341ff., 345f., 349 Mendelssohn Bartholdy, Lea 130, 197, 228 Mercadante, Saverio 88, 91, 104, 114 Meyerbeer, Giacomo 69, 73, 92, 103ff., 126, 137, 148, 156, 162f., 170, 172f., 213, 282, 336, 342 Micheroux, Alessandro 94 Milanollo, Maria 177, 179, 345 Milanollo, Teresa 135, 177, 179, 345 Minghetti, Laura (geb. Acton) 143 Molique, Caroline 135, 245, 262, 349 Molique, Wilhelm Bernhard 245, 337 Monck-Mason, Thomas 81 Moscheles, Amalie 257, 262 Moscheles, Charlotte (geb. Embden) 9, 14, 19, 57, 84, 144ff., 151ff., 155, 157f., 160ff., 166ff., 179f., 182, 185, 187, 189, 191, 196, 198ff., 207ff., 216ff., 221f., 225, 227, 229f., 238ff., 243, 247, 249, 257, 270, 273, 280, 283, 296, 334, 340ff., 349

356 Moscheles, Clara (verh. Gerhard) 19, 144, 147, 154, 168, 176, 187, 189, 193, 195f., 200, 206, 210f., 294, 343, 349 Moscheles, Emily (verh. Roche) 9, 19, 124, 144, 146f., 148f., 155, 157, 166ff., 172, 174, 176ff., 183, 185f., 188f., 196, 198, 200, 203f., 206ff., 211ff., 216f., 219ff., 223ff., 243, 247, 257, 273, 286, 291ff., 295, 334, 343ff., 350 Moscheles, Felix 19, 36, 124, 144f., 147f., 153f., 157, 167f., 171, 174, 176, 187ff., 199f., 203, 205ff., 210f., 229, 257, 294, 335, 343f., 350 Moscheles, Ignaz 9f., 12ff., 19, 36, 51, 55, 60, 63, 68f., 71, 75, 84ff., 99, 102ff., 107, 110, 112f., 124, 126f., 129, 133, 137, 140, 144ff., 161ff., 172ff., 180, 185ff., 194f., 197ff., 208ff., 219, 222, 224ff., 233ff., 270, 273, 275, 281, 289ff., 302ff., 334ff., 342f., 346f., 350 Moscheles, Serena (verh. Rosen) 19, 124, 144, 146ff., 155, 157, 167f., 174, 176ff., 181ff., 200, 207ff., 212f., 215, 217, 219, 224ff., 249, 257, 265f., 273, 279, 288ff., 334, 346ff., 350 Mozart, Franz Xaver 66, 70, 72, 350 Mozart, Leopold 100 Mozart, Wolfgang Amadeus 15, 44, 69, 71, 75, 82, 85, 106ff., 124f., 130f., 157f., 169, 171, 183f., 199, 253, 269, 334, 341 Müller, Alexander 135 Nachéz, Tivadar 185, 347 Naue, Johann Friedrich 68 Naumann, Emil 181, 208, 345 Neate, Charles 127, 137 Neukomm, Sigismund 118, 123f., 127, 160, 172, 182, 336, 340, 344, 346 Nicolai, Otto 88f. Nourrit, Adolphe 93f. Novello, Clara 107f., 129 Novello, Edward Petre 107 Novello, Sabilla und Cecilia 107

Personenregister

Novello, Vincent 18, 67, 96, 101, 106ff., 137, 240, 260, 350 Obreskov, Natalia 18, 67, 96, 103, 108ff., 244, 261, 271, 278, 303, 350 Odoevskij, Vladimir 142 Onslow, George 161 d’Orsay, Alfred 109 Overbeck, Friedrich 88, 90 Paër, Ferdinando 46f., 161, 164, 337 Paganini, Nicolò 69, 75, 88, 90, 98f., 108f., 129, 156, 241, 243, 260, 337 Panofka, Heinrich 35, 66, 73ff., 132, 138, 225, 236, 250, 261, 350 Pasta, Giuditta 79ff., 137, 156, 173, 335 Patti, Adelina und Carlotta 156, 338 Pellico, Silvio 88f. Pereira-Arnstein, Henriette von 130, 132 Perotti, Giovanni Agostino 94, 116 Perrault, Charles 214 Perucchini, Giovanni Battista 88, 92ff., 107, 141 Phillips, Henry 239, 260 Pixis, Johann Peter 161, 163, 282, 336 Pocci, Franz Ludwig von 128, 157, 173, 223ff., 298, 335, 345, 347 Pohlenz, Christian August 251 Pohlenz, Marie 59, 251, 264, 350 Poissl, Johann Nepomuk 128 Polko, Elise 76, 87 Pollini, Francesco 88f., 122 Poniatowski, Joseph und Charles 116 Puschkin, Alexander 142 Rabe, Gottlieb 135 Reichardt, Johann Friedrich 45 Reinecke, Carl 134, 182, 184, 245, 264, 347 Rellstab, Ludwig 80, 233 Ries, Ferdinand 75 Rietz, Julius 12f., 49, 53ff., 160, 255ff., 264, 339, 350 Ritz, Eduard 126, 130 Roche, Jean-Antoine 180 Rochlitz, Friedrich 157, 335 Rode, Pierre 131, 161

Personenregister

Romberg, Bernhard 159, 255, 336, 341 Rosen, Friedrich August 247 Rosen, Georg 181ff., 249, 335, 342, 347 Rosenhain, Jacob 172, 347 Rossini, Gioachino 36, 47, 55, 69, 81, 88f., 92, 103ff., 112f., 115ff., 145f., 151, 156, 190, 193ff., 257, 338 Rostopčina, Evdokija 117, 119, 138, 142f., 350 Rubini, Giovanni Battista 80f., 88, 104, 111f., 173, 271, 338 Rubinstein, Anton 75, 173, 191, 338 Rubinstein, Arthur 112 Rückert, Friedrich 190, 229, 233, 263, 267 Russo, Michelangelo 224f., 343, 346 Ryder, W. H. 258, 264 Sachse, Auguste 250, 263 Salieri, Antonio 68, 70f., 100 Sand, George 60, 110 Saphir, Moritz Gottlieb 157, 220, 229ff., 271, 301, 340 Sarasate, Pablo de 75, 180f., 184, 285, 344f., 347 Sayn-Wittgenstein, Marie von 33, 108, 350 Schauroth, Delphine von 9, 74, 128 Schiller, Friedrich 12, 68, 124, 201, 265f. Schindler, Anton 105, 158 Schlegel, Friedrich 131, 231 Schlesinger, David 128 Schloss, Sophie 229, 253f., 263 Schopenhauer, Adele 126, 130 Schröder, Sophie 78 Schröder-Devrient, Wilhelmine 18, 66, 76ff., 88, 138, 205, 241f., 260, 274f., 350 Schubert, Franz 69, 75, 178 Schumann, Clara (geb. Wieck) 50f., 65, 69, 91, 96ff., 109, 133f., 156, 191, 241f., 250, 260, 339, 350f. Schumann, Robert 31, 48ff., 55, 58, 65, 69, 75, 77, 88, 91, 96ff., 121, 133f., 156, 190f., 241, 254f., 257f., 267, 339, 350

357 Schütz, Heinrich 45 Schwarzenbach, Wilhelmine 251, 264 Scott, Walter 149, 151f., 164, 171, 335 Shakespeare, William 123, 256 Singer, Edmund 184, 340, 346 Sivori, Camillo 173, 180, 338, 346 Skougaard, Lorentz Severin 76 Smart, George Thomas 82, 127, 222, 339, 341 Smets, Wilhelm 78, 80 Somerville, Mary 88, 90 Sontag, Henriette (verh. Rossi) 109, 156, 174, 182, 280, 335, 341, 344, 346 Spaur, Clementina 47 Spohr, Louis 59, 66, 68f., 156, 193, 236f., 259, 302, 337, 350 Spontini, Gaspare 88, 90, 105, 336 Stadler, Abbé Maximilian 159f., 336 Staudach, Emma von 185, 347 Steche, Lidy (geb. Angermann) 59, 250, 265, 350 Steffens, Emilie 257, 263, 350 Stockhausen, Franz und Fanny 82, 85 Stockhausen, Julius 82, 173, 338 Stoltz, Rosine 105 Strantz, Auguste von 254, 264, 350 Strauss, Anna 157, 339 Strauss/Strauß (Vater), Johann 137, 148, 164, 185, 340, 345f. Strauß (Sohn), Johann 157 Strauss, Richard 191 Stuntz, Joseph Hartmann und Hector 128 Sturm, Julius 186, 266 Sullivan, Arthur 253 Szymanowska, Maria 65f., 69ff., 138, 237, 259, 351 Tadolini, Eugenia 80 Tadolini, Giovanni 112 Tamburini, Antonio 112 Taux, Alois 65, 351 Telemann, Georg Philipp 159f., 336 Tellefsen, Thomas 110 Terry, Ellen 191

358 Thalberg, Sigismund 65, 110f., 117, 139f., 152f., 156, 164, 168, 173, 175, 191, 337, 341 Thomas, Ambroise 106, 139 Thun, Matteo 93, 117 Thurn-Hofer e Valsassina, Raimondina 52, 93, 96, 112, 115ff., 278, 351 Tomaschek, Wenzel 241, 338 Triqueti, Henri de 228, 300, 336 Ungher-Sabatier, Carolina 116f. Valentin, Nanette und Sebastian 161f. Vény, Auguste 244 Vény, Jenny 244, 263, 351 Verdi, Giuseppe 52, 86, 103, 113, 137 Viardot-Garcia, Pauline 50, 75, 88, 106, 109, 134, 139f., 142, 156, 173f., 191, 195, 254, 336, 341 Vieuxtemps, Henri 135, 193, 339 Vogt, Gustave 74, 96, 101, 105f., 254, 262, 351 Voigt, Henriette 56, 58f., 124f., 250, 260, 351 Wagner, Richard 50, 65, 77f., 103, 109, 135

Personenregister

Weber, Carl Maria von 52, 65f., 69, 72f., 75, 77, 82, 85, 124, 129, 146, 148, 158, 166, 169f., 233f., 242, 269, 341, 351 Weber, Edmund von 65f., 72f., 351 Weber, Fridolin von 65f., 72f., 351 Weber, Max Maria von 169, 341 Werner, Carl Friedrich 90, 157, 179, 336, 343, 347 Wesley, Eliza 15, 18, 119ff., 132, 135ff., 243, 261, 271, 351 Wesley, Samuel 120, 136f., 156, 337 Wesley, Samuel Sebastian 137 Wieck, Clara (siehe Schumann) Wieck, Friedrich 98 Wielhorski, Michail und Matvej 142f. Winter, Peter von 159, 336 Zelter, Carl Friedrich 119f., 126f., 131 Zimmerman, Juliette 119, 138ff., 243f., 261, 351 Zimmerman, Pierre-Joseph-Guillaume 138ff., 243f. Zingarelli, Nicola Antonio 118, 123 Zwecker, Johann Baptist 227f., 299, 345

MUSIK – KULTUR – GENDER Herausgegeben von Dorle Dracklé | Florian Heesch | Dagmar von Hoff | Nina Noeske | Carolin Stahrenberg

Band 13: Melanie Unseld | Danielle Roster (Hg.) Komponistinnen in Luxemburg Helen Buchholtz (1877–1953) und Lou Koster (1889–1973)

Band 12: Antje Tumat | Susanne Rode-Breymann (Hg.) Der Hof Ort kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit

Band 11: Susanne Kogler | Kordula Knaus (Hg.) Autorschaft – Genie – Geschlecht Musikalische Schaffensprozesse von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart

2014. 317 Seiten, 46 farb. und 30 s/w-Abb. Audio-CD., Paperback € 45,00 D | € 47,00 A ISBN 978-3-412-22185-03

2013. 386 Seiten, 34 s/wund 14 farb. Abb., Paperback € 55,00 D | € 57,00 A ISBN 978-3-412-21102-8

2013. 284 Seiten, 28 s/w-Abb. und Notenbsp., Paperback € 45,00 D | € 47,00 A ISBN 978-3-412-20902-5

Helen Buchholtz und Lou Koster bieten einen konkreten Anlass, über nationale und kulturelle Identitätsbildungen, über das Verhältnis von musikalischer Analyse und Gender, über die Rezeption von Musik als »Kitsch« sowie über Fragen von Gedächtnis, Nachlass und Archiv nachzudenken.

Die europäischen Fürstenhöfe der Frühen Neuzeit waren nicht nur Orte der Macht, sondern auch der Kultur: Neben der Dichtung, der bildenden Kunst, der Baukunst oder Gartenarchitektur tat sich gleichfalls im Bereich Musik ein breites Handlungsfeld auf, in dem Frauen eine bislang unterschätzte Rolle spielten. Der interdisziplinäre Band eröffnet neue Perspektiven auf weibliche Handlungsspielräume an den Schnittstellen von Hofund Musikgeschichte.

Die Beiträge dieses Bandes untersuchen musikalische Schaffensprozesse von der Frühen Neuzeit bis in die unmittelbare Gegenwart des 21. Jahrhunderts. In der Zusammenschau wird so das Spannungsfeld »Autorschaft – Genie – Geschlecht« multiperspektivisch ausgeleuchtet.

Preisstand: 1.1.2020

MUSIK – KULTUR – GENDER Herausgegeben von Dorle Dracklé | Florian Heesch | Dagmar von Hoff | Nina Noeske | Carolin Stahrenberg

Band 16: Carola Bebermeier | Melanie Unseld (Hg.) La cosa è scabrosa Das Ereignis „Figaro“ und die Wiener Opernpraxis der Mozartzeit 2019. 167 Seiten, 3 s/wAbb. und 7 Notenbsp., Paperback € 30,00 D | € 31,00 A ISBN 978-3-412-51117-3 Auch als E-Book erhältlich Die Zusammenhänge rund um das „Ereignis Figaro 1786“ werden in diesem Sammelband neu betrachtet: in der Zusammenschau dessen, was das Wiener Publikum dieser Zeit erlebte und faszinierte, welche Diskurse virulent waren und welche Akteurinnen und Akteure auf und hinter den Bühnen standen.

Band 15: Nina Noeske Liszts »Faust« Ästhetik - Politik - Diskurs 2017. 672 Seiten, 4 s/wAbb., 4 Illustration(en), schwarz-weiß, Paperback € 80,00 D | € 83,00 A ISBN 978-3-412-50620-9 Mithilfe einer diskursanalytischen Spurensuche dringt die Studie in Tiefenschichten von Liszts Faust-Symphonie vor, die 1857 anlässlich der Einweihung des Weimarer Goethe-Schiller-Denkmals uraufgeführt wurde. Faust, Gretchen, Mephisto und das Ewig-Weibliche sind nicht nur literarisch-musikalische (Denk-)Figuren, sondern es handelt sich zugleich um für das 19. Jahrhundert zentrale Topoi, anhand derer eine Gesellschaft über ihre kulturelle Identität verhandelt.

Band 14: Katharina Deserno Cellistinnen Transformationen von Weiblichkeit in der Instrumentalkunst 2018. 541 Seiten, Paperback € 65,00 D | € 67,00 A ISBN 978-3-412-50171-6 Auch als E-Book erhältlich Anhand der Lebens- und Wirkungsgeschichten von Cellistinnen untersucht Katharina Deserno den Wandel der Weiblichkeitsbilder, die für einen Transformationsprozess prägend waren. Im Zentrum dieses Buches steht die Annahme, dass Weiblichkeitsbilder, die in stereotyper Form präsent sind, von Künstlerinnen nicht nur bestätigt und gespiegelt sondern auch überschritten und transformiert werden – und dies bereits bevor sie eine verbreitete gesellschaftliche Gültigkeit erlangen.

Preisstand: 1.1.2020