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German Pages 257 [260] Year 1992
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Museum und Denkmalpflege
Bericht über ein internationales Symposium, veranstaltet von den ICOM- und ICOMOSNationalkomitees der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz vom 30. Mai bis 1. Juni 1991 am Bodensee
Herausgegeben von Hermann Auer Deutsches Nationalkomitee des Internationalen Museumsrates ICOM
K G Säur München · London · New York · Paris 1992
Redaktion: Hans-Jörg Kellner, München
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Museum und Denkmalpflege : Bericht über ein internationales Symposium, vom 30. Mai bis 1. Juni 1991 am Bodensee / veranst. von den ICOM- und ICOMOS-Nationalkomitees der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz. Hrsg. von Hermann Auer. — München ; London ; New York ; Paris : Saur, 1992 ISBN 3-598-11107-X NE: Auer, Hermann [Hrsg.]; International Council of Museums / Deutsches Nationalkomitee
Θ Gedruckt auf säurefreiem Papier © 1992 by ICOM Deutsches Nationalkomitee K.G. Saur Verlag GmbH & Co KG, München A Reed Refe ence Publishing Company Satz: Fotosatz Herbert Buck, 8300 Kumhausen Druck/Binden: grafik u. druck GmbH, München ISBN 3-598-11107-X
Inhalt
HERMANN AUER: E i n f ü h r u n g
9
I. Baudenkmäler als Museen ERNST BACHER: M u s e a l i s i e r u n g d e r M o n u m e n t e
17
D i s k u s s i o n : PETZET, TAUCH, BACHER, SCHREINER
21
GERHARD HOJER: Das gepeinigte Dornröschen schen Attraktion und Deformation VINCENT MAYR: Das unfreiwillige Museum Schillingsfürst
— Schlösser zwi23 Schloß Hohenlohe33
HERMANN KÄÜGER: M u s e u m i m B a u d e n k m a l
39
JOHANNES WETZEL: B ü r g e r h a u s a l s M u s e u m
43
D i s k u s s i o n : ZIPPELIUS, WETZEL
48
REINHARD SCHMOOK: Ländliche Baudenkmäler in Ostbrandenburg und ihre museale Präsentation
49
ROLF HÖHMANN: Denkmale der Industrie - Museen der Industrie?
56
REINHARD ROSENECK: D e n k m a l l a n d s c h a f t
-
Museumslandschaft
.
62
..
75
II. Museen in Baudenkmälern E G O N JOHANNES GREIPL: B a y e r i s c h e M u s e e n i n B a u d e n k m ä l e r n D i s k u s s i o n : BACHER, REBERNIK, GREIPL
82
H A N S CHRISTOPH ACKERMANN: P r o b l e m e d e r I n t e g r a t i o n e i n e s
Museums in historische Bauten am Beispiel des Historischen Museums Basel
83
D i s k u s s i o n : MAYR, ACKERMANN, RUTISHAUSER, BACHER
89
WOLF KARGE: Museen in mittelalterlichen Stadttoren MecklenburgVorpommerns - K o m p r o m i ß und Kontroverse
90
5
Diskussion:
97
BACHER, MAYR, KARGE
Dresdner Museen in Baudenkmalen — ein Beispiel: das Japanische Palais
98
Dresden: Die Wiederherstellung der Paradezimmer im Residenzschloß, die Porzellansammlung im Zwinger und das Kunstgewerbemuseum im Schloß Pillnitz
105
Das Regionalgeschichtliche Museum im Saarbrücker Schloßkeller
108
WERNER COBLENZ:
G Ü N T E R REINHECKEL:
LIESELOTTE K U G L E R :
Diskussion:
BACHER, KUGLER
EVELYN WEISS:
116
Minimal Art in historischen Räumen
117
III. Museen als Denkmäler GEORG HANREICH:
Diskussion:
Das Museum als Denkmal
123
RUTISHAUSER, G R E I P L , REBERNIK, GRZESIAK, R O H D E
...
Das Schweizerische Landesmuseum - ein Museum als Baudenkmal
128
MARTIN FRÖHLICH:
Diskussion:
Das Museum als Denkmal Bode-Museums in Berlin
Diskussion:
135
RUTISHAUSER, M A Y R , F R Ö H L I C H
M A R T I N SPERLICH:
130
die Zukunft des
RUTISHAUSER, BEITL, PRIESE, M A Y R , EFFENBERGER
Ist das Museumsdenkmal 'Grünes Gewölbe' im Dresdener Schloß heute noch als Museum möglich?
136 146
G E R H A R D GLASER:
HANS-ALBERT TREFF:
Das Naturkundemuseum Bamberg
148 160
IV. Zwischen Museum und Denkmal Zwischen Bauhütte, Sakristei und Schatzkammer — Der Auftrag des kirchlichen Museums im Spannungsfeld von Denkmalpflege und Denkmalnutzung
167
Kirchen als Museen und Baudenkmäler — in der Polarität von Tradition und Moderne
173
PETER STEINER:
BERNHARD BACH:
6
HANS RUTISHAUSER: Museum als Refugium Denkmalpflegers zur Museumspolitik
-
Gedanken eines 177
D i s k u s s i o n : ACKERMANN, STEINER, RUTISHAUSER, HIMMELEIN, BACH
180
DORIT REIMANN: Bodendenkmalpflege und nichtstaatliche Museen in Bayern
182
HERMANN DANNHEIMER: Die Sondengänger rung für Denkmalpflege und Museum
189
Eine Herausforde-
D i s k u s s i o n : RUTISHAUSER
195
M A N F R E D SCHREINER/MICHAEL MANTLER: Z e r s t ö r u n g s f r e i e ( d i r e k t e )
Materialanalyse von Kunstobjekten
196
D i s k u s s i o n : ACKERMANN, SCHREINER, M A Y R
204
G Ü N T H E R G O T T M A N N / M I C H A E L LEHMANN: Z w i s c h e n b e r i c h t z u r R e -
staurierung der Quadriga in Berlin
205
V. Freilichtmuseen und Denkmalpflege EDWIN HUWYLER: D a s F r e i l i c h t m u s e u m
-
ein Bauernhausfriedhof?
213
HELMUT KEIM: Historische ländliche Gebäude oder in-situ-Erhaltung?
Musealisierung 220
D i s k u s s i o n : PETZET, SCHMIDT, KEIM, H Ö H M A N N
231
KLAUS SCHREINER: Konzept und aktuelle bauliche Probleme eines ostdeutschen Freilichtmuseums nach der Erlangung der deutschen Einheit
232
D i s k u s s i o n : PETZET, T U N N , SCHREINER, HENNIES, KEIM, D A N N HEIMER, H A H N , ROSENECK, KREILINGER, SEIFFERT, A U E R
HARTWIG SCHMIDT: Ruinenstätten heit?
236
Lehrpfade in die Vergangen242
D i s k u s s i o n : PETZET, REBERNIK, SCHMIDT
249
Teilnehmerverzeichnis
251
7
HERMANN AUER
Einführung Zum siebenten Mal legen wir die Dokumentation eines „Internationalen I C O M Symposiums am Bodensee" vor, veranstaltet im Mai 1991 vom Deutschen ICOM-Nationalkomitee, wie immer gemeinsam mit den ICOM-Kollegen aus Osterreich und der Schweiz. Sieben Symposien in Lindau und ein in München vorausgegangenes Seminar, dies zusammen mit der Deutschen UNESCO-Kommission — das beinhaltet mit mehr als 250 Vorträgen einen weitgespannten Bogen von referierten Fakten und diskutierten Problemen aus dem Museumsbereich. Thematisch beginnend 1971 mit dem damaligen Begriff von „Museologie" folgten 1973 das erste Symposium in Lindau „Das Museum im technischen und sozialen Wandel unserer Zeit" und als nächstes 1976, mehr von der Museumspraxis bestimmt „Raum, Objekt und Sicherheit im Museum". Drei Jahre darauf (1979) bot das Symposium einen weiträumigen Blick in eine arme Welt mit ernsten sozialen Aspekten „Das Museum und die Dritte W e l t " — eine Auseinandersetzung mit den schwierigen, ja oft hoffnungslosen ökonomischen, sozialen und kulturellen Problemen der Entwicklungsländer. Das Symposium 1982 wandte sich in einer mehr introvertierten Schau den beiden grundlegenden musealen Forderungen des Kulturerbes zu: „Bewahren und Ausstellen". Langzeitliche Erhaltung erforden optimale Umweltbedingungen, wie sie bei der Verschickung und öffentlichen Ausstellung mit derzeitigen Mitteln nicht geboten werden können. Die Uberwindung dieses Zwiespalts bedarf gesteigerter Forschungs- und Entwicklungsarbeit, aber auch vertieftes Verantwortungsbewußtsein für das Kulturerbe, bis zu ernsterer Vorsorge für den Extremfall bewaffneter Konflikte. Das zu dem wachsenden Interesse der Öffentlichkeit an Kulturinformation parallele Fortschreiten der technologischen Entwicklung, insbesondere der Informatik machte es unerläßlich, neuzeitliche Gesichtspunkte und Methoden der Kommunikation und der pädagogischen Technik mehr und mehr in den Interessen- und Kenntnisbereich auch der Museen zu integrieren. Das Symposium 1985 „Chancen und Grenzen moderner Technologien im Museum" war bewußt auf bestehende Informations- und Wissenslücken vieler Museumsmitarbeiter gerichtet. Nicht zuletzt hatte der Wandel in vielen aktuellen Fragestellungen des Museums dazu beigetragen, als Thema des nächsten Symposiums 1988 eine vergleichende Rückschau auf 1971 zu wählen, auf den einstigen Begriff der Museo-
9
logie zu Beginn der Symposienreihe. Allein die theoretisch-wissenschaftliche Durchdringung der Museologie — heute im Brennpunkt der Arbeit des Internationalen ICOM-Komitees für Museologie - war damals überhaupt noch kein Thema. Aus der Sicht der Gegenwart fällt es leichter, manche Vernachlässigung, manchen partiellen Stillstand der Entwicklung aufzudecken und zu verstehen (1988, „Museologie - Neue Wege - Neue Ziele"). So Schloß sich ein thematischer Kreis, der, gewiß nicht lückenlos, doch in dem Bestreben ausgewählt war, in den Themen der Symposien immer wieder einige andere Komitees anzusprechen aus dem weiten Interessenfeld der mehr als 30 internationalen ICOM-Komitees. Es war darum naheliegend, ja erwartungsreich, wenn wir, obzwar ein erstmaliges Experiment, bei der Themenwahl des diesjährigen Symposiums über unser engeres, durch ICOM repräsentiertes Fachgebiet hinausgriffen. Wir erweiterten den Kreis aktiver und passiver Teilnehmer in eine parallele, uns fachlich und organisatorisch nahestehende Institution bei der UNESCO, d.h. wie ICOM, eine ebenfalls „non governmental organization" = N.G.O. (Kateg. A) der UNESCO. Mit ICOM am nächsten fachlich verbunden ist wohl die Denkmalspflege - beider Hauptanliegen ist die Sorge um die Rettung des historischen Kulturerbes und das Bemühen um die Erhaltung und Erlebensvermittlung beweglicher oder ortsgebundener Kultur- und Kunstwerke. Die drei deutschsprachigen Nationalkomitees des „Internationalen Rates für Denkmalpflege" (International Council on Monuments and Sites = ICOMOS) waren gerne zu sehr erfreulicher und produktiver Zusammenarbeit bei Planung und Organisation des Symposiums bereit, so daß das geistige Potential von sechs N.G.O.-National-Komitees der UNESCO das vielseitige Spektrum der Beiträge in zwei benachbarte Gebiete hinein erweitern konnte. Natürlich war es uns bewußt, daß es hierbei auch zu gegensätzlichen Auffassungen, aber dadurch zu u.U. sehr belebenden Diskussionen kommen konnte, wenn der lokalisierende Sammlungsauftrag der Museen in Konflikt gerät mit dem Grundsatz der Denkmalpflege, die Denkmäler samt ihrer historischen Ausstattung möglichst an Ort und Stelle zu erhalten. Das gemeinsame Symposium 1991 („Museum und Denkmalpflege") sollte daher versuchen, die Grenzgebiete eingehender darzustellen, die Divergenz der Standpunkte objektiver aufzuzeigen und Mißverständnisse zu klären. Die Analyse der Berührungspunkte führte zu einer übersichtlichen Disposition, für deren sorgfältige und fachkundige weitere Ausarbeitung wir den Kollegen Prof. Dr. H.-J. Kellner (ICOM) und Prof. Dr. M. Petzet (Präsident ICOMOSDeutschland) herzlich danken. Nach ihrem Vorschlag waren die erbetenen oder gemeldeten Vorträge in folgende fünf Themenkreise einzugliedern: 10
I. Baudenkmäler
als Museum
Ein geschichtlich bedeutsames Baudenkmal kann samt seiner historischen Einrichtung heute als Museum präsentiert werden, wie etwa das Goethehaus in Weimar, sowie zahlreiche Schloß- und Industriemuseen. Dabei können aber auch, selbst bei scheinbarer Sicherung der Gebäude und Objekte, infolge der N u t z u n g durch Besucher und Veranstaltungen beträchtliche Gefahren für die Erhaltung gegeben sein.
II. Museen in
Baudenkmälern
D a manche Baudenkmäler (Burgen, Schlösser, Klöster, historische Bürgerhäuser) heute keine ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäße Verwendung finden können, werden sie als Museen genutzt und damit vor Verfall bewahrt. Aber die damit notwendigen, „museumsgerechten" Um- und Einbauten sind häufig mit Eingriffen in die Substanz verbunden, was zu ernsten Konflikten mit der Denkmalpflege führen kann.
III. Museen als
Denkmäler
Manche im 18. und 19. Jh. gegründeten Museen haben sich mit ihrer historischen Innenarchitektur und Einrichtung ganz oder in Teilen bis heute erhalten. D a jedoch fast immer die ursprüngliche museale Konzeption, Aufstellung und Museumstechnik heute optisch und didaktisch längst überholt ist, wird auf längere Sicht die Erhaltung dieser Vorstellungen auf wenige, historisch besonders bedeutsame Einzelfälle (z.B. Grünes Gewölbe Dresden, Naturkundemuseum Bamberg) beschränkt sein.
IV. Zwischen Museum und
Denkmal
Es gibt zahlreiche in Museen gelangte „Ausstattungsstücke" aus Kirchen, Schlössern oder anderen Denkmälern, deren Wiederrückführung unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zu fordern wäre — ein angesichts des Sammlungsauftrags der Museen schwer lösbarer Konflikt — ähnlich wie die obenerwähnte Forderung des Kulturerbes nach Bewahren und Ausstellen. In dem Interessenbereich zwischen Museum und Denkmalschutz liegen Probleme der Zuordnung von Objekten aus Ausgrabungen, von Fragmenten zer11
störter Denkmäler, von Diebesgut der Raubgrabungen ebenso wie von „Funden" illegaler Schatzsucher, deren verheerende Tätigkeit mit elektronischen Metallsonden nicht nur Museum und Denkmalschutz, sondern auch die wissenschaftliche Bearbeitung ernstlich schädigt.
V. Freilichtmuseum und Denkmalpflege A m ursprünglichen O r t nicht mehr erhaltungsfähige Denkmäler können oft gerettet werden, indem sie transferiert und in einem Freilichtmuseum konzentriert und gepflegt werden. Dabei kann der Wunsch des Museums, einen möglichst systematischen und vollständigen Uberblick etwa über die Haustypen einer Landschaft zu geben, ebenfalls wieder in Konflikt mit dem denkmalpflegerischen Grundsatz geraten, Denkmäler in situ zu erhalten. Auch hier ist, wie in vielen Grenzfällen, ein Konsens nur durch Kompromißbereitschaft erreichbar. Unter den bisherigen Symposien hat das vierte von 1982 „Bewahren und Ausstellen" die Dualität dieser Grundforderungen des Kulturerbes an das Museum wohl am deutlichsten herausgestellt. Aber auch die T h e m e n der anderen Symposien haben immer wieder dargetan, daß bei vielen, vor allem schwerwiegenden Entscheidungen letzten Endes nach der Gewichtung der alternativen Möglichkeiten zur fragen ist und wie sehr durch die getroffene Wahl bei den Forderungen, der Erhaltung und der öffentlichen, oft weltweiten Zur-Schau-Stellung gleichermaßen Genüge geleistet -
oder aber einer davon vielleicht irreversi-
bles Unrecht getan wird. Freilich — für und gegen jede der alternativen Lösungen sprechen meist eine Reihe von Gründen und o b die angesetzte Gewichtung der Argumente richtig war, ist häufig erst in einer unbestimmten Zukunft zu beurteilen. D a n n zeigt sich, wieviel Fachwissen, wieviel vorausschauendes Einfühlungsvermögen in die natürliche und die humane Entwicklung und wieviel Verantwortungsbewußtsein für das Kulturerbe die Entscheidung gesteuert hatte. Die Probleme der früheren Symposien zielten vorwiegend auf das bewegliche Kulturgut in den Museen. Dieses Symposium machte deutlich, wieviele der Fragen in oft nur wenig abgewandelter F o r m ebenso für die ortsgebundenen Objekte der Denkmalpflege gültig und von Bedeutung sind. J a selbst mancherlei potentielle Konfliktsituationen, die zwischen Museen und Denkmalpflege auftreten können, scheinen unter Berücksichtigung dieser gleichermaßen geltenden Gewichtung zwischen Bewahren und Erlebbarmachen leichter, befriedigender lösbar zu sein. Es könnte darum als Zielsetzung und auch Erfolg des Symposiums und dieses Bandes gewertet werden, wenn aus den Referaten und Diskussionen eine 12
lebendige Bewußtheit bliebe von der Polarität der Forderungen des Kulturerbes in den Museen wie bei der Denkmalpflege — innerhalb jedes dieser beiden Bereiche wie auch in ihrer gegenseitigen Wechselwirkung. Wenn durch das Symposium dieses Ziel erreicht oder auch nur angenähert werden konnte, gilt unser Dank den Vortragenden und Diskussionsrednern aus den sechs Nationalkomitees und deren Präsidenten, die die Sitzungen leiteten. Herzlichen D a n k auch dem unermüdlichen Schriftleiter dieses Bandes, Prof. Dr. H.-J. Kellner, dem Sekretariat des Symposiums (Frau Dipl. Chem. E. Kühn und D r . H.-A. Treff) sowie allen Kolleginnen und Kollegen, die durch ihren persönlichen Einsatz bei Planung und Durchführung zu dem befriedigenden Verlauf des VII. Lindauer Symposiums beigetragen haben.
13
I Baudenkmäler als Museen
ERNST BACHER
Musealisierung der Monumente Museumswesen und Denkmalpflege sind zwei unterschiedliche Aspekte desselben kulturpolitischen Auftrages: der Aufgabe der Erhaltung vergangener Kulturgüter als geistige Grundlage für Gegenwart und Zukunft. Die Geschichte des Sammeins und des Museumswesens reicht viel weiter zurück als die Geschichte der Denkmalpflege im engeren Sinn. In den Begriff des „monument u m " läßt sich aber auch das Museumsgut integrieren, so daß die Denkmalpflege wiederum zum Ubertitel wird. Die Intention des Museums, bedeutende und signifikante Objekte der Geschichte, Kunst und Kultur dem existenzgefährdenden täglichen Leben zu entführen und an einem O r t zu bergen, w o Konservierung und Restaurierung das Rad der Zeit anhalten und dem Geist und der Kunst der Vergangenheit Ewigkeit gewährleisten sollen, gilt sinngemäß auch für die Denkmalpflege. Unterschiedlich sind die Interessensbereiche. In die O b h u t des Museums k o m m e n vornehmlich bewegliche Kulturgüter, der Denkmalpflege verbleiben die unverrückbaren, unbeweglichen Monumente (wenn auch, wie wir wissen, der Sammlungsdrang vieles Unbewegliche beweglich zu machen verstand). Die A u f n a h m e ins Museum bzw. die Unterschutzstellung in situ geschehen aber mit demselben, gesetzlich untermauerten Ziel der Erhaltung der historischen, künstlerischen und kulturellen Werte des Denkmals. Museum und Denkmalschutz unterscheiden sich allerdings darin, daß das Museumsgut quasi aus dem Verkehr des täglichen Lebens gezogen wird, während das nicht dem Leben entwendete Denkmal seinen Gebrauchswert behält und dieser ein entscheidender Faktor für seine Existenz bleibt, im positiven wie im negativen Sinn. Eine lebendige Funktion erhält und zerstört ein Denkmal gleichermaßen. Das Museum muß nur erhalten, die Denkmalpflege muß zur Erhaltung auch „revitalisieren", ein Begriff, der — wie wir leidvoll gerade heute immer wieder erfahren — vielfach nur eine Umschreibung einer besonders hinterhältigen Art der Zerstörung von D e n k m ä l e r n sein kann, weil er sich vordergründig als Zielvorstellung der Denkmalpflege ausgibt. Natürlich verbleibt auch dem Sammlungsgegenstand des Museums ein gewisser Gebrauchswert (Wissenschaft, Bildungsauftrag, Fremdenverkehr etc.), und auch dieser birgt vielfältige Gefahren der Zerstörung (die Abnützung unserer Schloßmuseen, etwa Schönbrunn oder Hohensalzburg, illustriert die Schäden eines nur musealen Gebrauchswertes anschaulich), insgesamt ist das Museumsobjekt aber natürlich viel gesicherter als das Denkmal in situ, und die positiven Exi17
Stenzbedingungen, die das moderne Museum anbietet, gehören zu den unerfüllbaren Wunschvorstellungen des Denkmalpflegers. W i r müssen also davon ausgehen, daß die für die Denkmalpflege vorgegebene unauflösliche Antinomie, daß ihr Ziel zwar die unversehrte Erhaltung ist, sie dieses Ziel aber nur um den Preis funktioneller und konservatorischer Interventionen erreicht, die die historische Unversehrtheit mehr oder weniger beeinträchtigen; diese problematische Voraussetzung ist für die Museen nicht oder nur marginal gegeben. Daß der Zerstörungsfaktor des Gebrauchswertes andererseits lebendige Attraktivität bedeutet und die Abgeschiedenheit im Museum auch zur Mumifizierung, zu Künstlichkeit und Sterilität führen kann, gehört zu diesem inneren Widerspruch des Auftrages. Stellt man Museum und Denkmalpflege im Blickwinkel der Möglichkeiten und Methoden von Konservierung und Restaurierung einander gegenüber, so stellen sich die musealen Existenzbedingungen fraglos als der bestmögliche Rahmen für die Erhaltung unserer Denkmäler in den Vordergrund. Für die Denkmalpflege bleibt dies allerdings Utopie, weil das Museum als Erhaltungsinstrument ja immer nur einen winzigen spezifischen Ausschnitt aus der Fülle künstlerischer und kulturgeschichtlicher Denkmäler herausgreifen kann. U n d das ist wahrscheinlich gut so, weil die Musealisierung der Monumente ja auch ihre problematischen Seiten hat. W i r wissen, daß — historisch gesehen — die Intention des Sammeins, seit es Museen gibt, von ganz bestimmten künstlerischen Leitbildern geprägt war, deren Ideen vornehmlich in der Renaissancezeit wurzeln. So verbindet man etwa — plakativ vereinfacht — mit dem Begriff Skulptur im Museum zumeist die Vorstellung einer autonomen Plastik und dementsprechend auch eine darauf abgestimmte Art der Aufstellung und Präsentation, auch wenn es sich nicht um Renaissancefiguren, sondern etwa um mittelalterliche Skulpturen handelt, die für ganz andersartige künstlerische, insbesondere architektonisch-räumliche Zusammenhänge konzipiert und geschaffen wurden. Dem traditionellen Museumskonzept sind viele historische Gegebenheiten der Formgelegenheit Skulptur fremd, weil es in erster Linie seine eigenen, aus seiner Geschichte entwickelten Vorstellungen einer Präsentation kennt. Auch beim Thema Bild dominiert vielfach die auf das 16. Jahrhundert zurückgehende Vorstellung des autonomen Gemäldes, und dementsprechend sind, etwa in den italienischen Museen, die aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang der Retabel gerissenen trecentesken Bildtafeln, durchwegs viel jüngeren Bildvorstellungen, nämlich jenen des 16. Jahrhunderts folgend, präsentiert. Den Tafeln und Skulpturen unserer mittelalterlichen Flügelaltäre erging es nicht viel besser; auch hier fiel bei ihrer Verbringung ins Museum zumeist der ursprüngliche Gesamtzusammenhang, die Retabelarchitektur, dem vorgegebenen musealen Leitbild einer autonomen Skulptur bzw. eines für sich selbständigen Tafelbildes zum Opfer. 18
Solche weit zurückreichende, allerdings bis heute lebendige, durch eine historisierende Kunstgeschichte ebenso wie von praktischen Aspekten (etwa die Platzfrage) dominierte Konzeptionen des traditionellen Museums haben zu einer nachhaltigen Einengung des Blickwinkels bei der Rezeption historischer Zusammenhänge und damit auch zu beklagenswerten Substanzverlusten geführt. Dazu k o m m t noch, daß die Aufspaltung der Kunstgeschichte nach Kunstgattungen, wie sie in den Museumsabteilungen vorgegeben ist (Plastik, Malerei, Kunstgewerbe), den Blick aufs größere Ganze verwehrt und bis heute den Verlust übergreifender Zusammenhänge provoziert, weil diese vom Museum nicht erfaßt werden können. (Das was seinerzeit mit den mittelalterlichen Flügelaltären geschehen ist, die Zerstörung der Altararchitektur, die Entfremdung und Isolation der Skulpturen und Tafeln aus ihrem übergeordneten formalen und bedeutungsmäßigen Zusammenhang, wiederholte sich in der jüngeren Vergangenheit bei der Neugestaltung barocker und historistischer Kircheninterieurs nach quasi musealen Gesichtspunkten.) Ein interessantes, über diesen Zusammenhang hinausführendes Kapitel wäre die Frage, wie weit solche musealen Konzeptionen auch unsere Sehweise und damit auch den methodischen Blickwinkel der Kunstgeschichte geprägt haben. Wenn man die Bildbände zur mittelalterlichen Plastik oder Malerei unter diesem Gesichtspunkt durchblättert, so muß man zu dem Schluß kommen, daß die musealen Leitbilder — etwa der autonomen Skulptur oder des isolierten Tafelbildes — auf breiter Basis auch bestimmende Faktoren der kunsthistorischen Forschung geworden sind. (Für die Naumburger Stifterfiguren etwa bietet die kunsthistorische Literatur unzählige Abbildungen, kaum aber solche, die den strukturellen Zusammenhang der Skulpturen im größeren Ganzen der Wandabwicklung und des Chorprogrammes illustrieren. Der Blickwinkel ist durchwegs auf die inhaltliche und formale Aussage der einzelnen Figuren bzw. Figurenpaare eingeschränkt. Und Beispiele für diese unzulässig eingeengte Betrachtungsweise sind gerade im Rahmen der hochund spätmittelalterlichen Skulptur Legion.) Aus der Musealisierung der Monumente entstand also eine fokusierte, ausschnitthafte, nach Kunstgattungen und Epochen eingegrenzte kunsthistorische und denkmalpflegerische Sehweise, die den übergeordneten Zusammenhang dieser Kunstwerke — für das Mittelalter etwa die konstitutive Einheit von Architektur, Plastik und Malerei — negierte und im musealen Bereich bis heute diese wichtige historische Dimension nicht darzustellen versuchte und daher auch nicht zu vermitteln vermochte. (Die in Wien derzeit aktuelle Diskussion der Aufstellung des Heroons von Gölbasi-Trysa, eines bedeutenden antiken Monuments, dessen Reliefzyklus sich im Kunsthistorischen Museum befindet und für das auch der ursprüngliche Gesamtzusammenhang überliefert ist, konfrontiert zwei unterschiedliche Positionen: eine Aufstellung der Reliefs im ursprüng19
liehen Gesamtzusammenhang mit einer davon losgelösten Präsentation des Skulpturenzyklus nach traditionellen musealen Kriterien, die man heute eigentlich schon als anachronistisch ansehen müßte.) Es liegt in der Natur der Sache, daß die Denkmalpflege von der größeren Attraktivität der musealen Präsentation angeregt, sich deren Vorstellungen und methodische Kriterien zu eigen macht und dabei ebenfalls Gefahr läuft, da und dort den Blick aufs Ganze zu verlieren. (Es stehen quasi museale Konzeptionen dahinter, wenn etwa bei der Restaurierung von Baudenkmälern ältere Teile und Schichten archäologisch bildhaft herauspräpariert werden, oder wenn mittelalterliche Wandmalereien in keineswegs dafür geeigneten Gesamtzusammenhängen barock veränderter Kirchenräume als Einzeldarstellungen isoliert herausgefaßt und wie Bilder präsentiert werden.) Die Musealisierung der Monumente ist unter diesem Blickwinkel also durchaus kritisch zu sehen, letztlich auch dort, wo sie vordergründig zur Erhaltung beitragen soll; etwa wenn aus museal-konservatorischen Gründen der Gebrauchswert eines Denkmals in Frage gestellt werden muß und dann dessen Existenz insgesamt zum Problem wird, wie dies häufig bei sakralen Bauwerken mit prominenter Ausstattung der Fall ist; oder wenn die Aufspaltung und Separierung der Kunstgattungen nach der skizzierten traditionellen Sehweise des Museums auf ein Denkmal übertragen und dann der Gesamtzusammenhang zugunsten der Attraktivität einzelner museal herausgestellter Teile vernachlässigt oder überhaupt aufgegeben wird. So gesellen sich zu den positiven Seiten der vorbildhaften konservatorischen Existenzbedingungen im Museum aus der Sicht der Denkmalpflege durchaus auch problematische Aspekte der Musealisierung der Monumente, die eine kritische Sicht musealer Methodik bei der Sicherung des historischen Erbes durchaus rechtfertigt. Ich habe hier nur ganz willkürlich einige Facetten dieser Problematik herausgegriffen. W e n n man das T h e m a Museum und Denkmalpflege als zwei unterschiedlich akzentuierte Aspekte der Erhaltung unseres geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Erbes nach unseren aktuellen Perspektiven eingehender beleuchtet, wird man auf weitere interessante, historisch bedingte Unterschiede in der „philosophy of preservation stoßen, die es wünschenswert erscheinen lassen, die vielen Denkmalpflege und Museum gleichermaßen betreffenden wichtigen Fragen der Ideologie, d.h. der geistigen Zielrichtung und der danach orientierten methodischen Konzeption unseres Tuns, in einem solchen F o r u m von Museumsleuten und Denkmalpflegern (das in Osterreich leider kaum vorhanden ist) gemeinsam zu diskutieren und auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen.
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Aus der Diskussion Herr Petzet dankt dem Redner, der eine Fülle von Aspekten zu dem Verhältnis Museum und Denkmalpflege vorgetragen hat. Sehr wichtig ist auch, daß er die Sicht der Kunstgeschichte sehr stark unter musealen Aspekten sieht. Bei einem Blick auf die Geschichte kann man daran erinnern, daß z.B. in Bayern bis 1908 eine Personalunion von Generaldirektion des Bayerischen Nationalmuseums und Generalkonservator bestanden hat; und daß einer der Gründe, das auseinanderzunehmen, auch der Gesichtspunkt war, daß der Generaldirektor des Nationalmuseums aufgrund seines Sammelauftrages möglichst bedeutende Werke in München zu versammeln hatte, während es Aufgabe des Generalkonservators war, diese Dinge an O n und Stelle zu pflegen. Der Gebrauchswert unterscheidet vielleicht Museum und Denkmalpflege, aber der Gebrauchswert spielt in der Denkmalpflege in manchen Bereichen vielleicht doch nicht die Rolle. Es gibt den ideellen Wert des Denkmals als Geschichtszeugnis. Herr Tauch: Eigentlich ist das Museum selbst auch ein Objekt der Denkmalpflege: Sie haben die Autonomie der Kunstwerke angesprochen. Das vielgeschmähte 19. Jahrhundert hat versucht, diese Autonomie aufzuheben, indem es Museen wie Tempel baute. Ich erinnere an ein Beispiel: Das alte WallrafRichartz-Museum, im Krieg zerstört, war eine sehr weihevolle Halle mit vielen Fresken, mit der Imitation von Kirchenräumen. Dasselbe gab es beim Reichsmuseum in Amsterdam mit einer Kapelle, die eigens für mittelalterliche Skulpturen gebaut war. Herr Bacher: Danke für diesen Hinweis. Wenn man die Florentiner Sammlungen, soweit sie aus Abbildungen bekannt sind, im 17., 18. und 19. Jahrhundert bis heute vergleicht, dann liegt darin eine ausgeprägte Entwicklung einer sich sehr wandelnden Sehweise der Kunstgeschichte in der Relation zu ihrem musealen Bestand. Der Versuch um die Jahrhundertwende, Denkmalpflege und Museumswesen ideologisch auf einen ähnlichen Nenner zu bringen, war auch bei uns gegeben. Auch in Österreich umfaßte diese — damals hieß sie „k.k. Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale" — in ihrer ersten globalen Konzeption auch die Museen. Es ist zwar in Osterreich so, daß theoretisch durch das Denkmalschutzgesetz die Denkmalpflege nach wie vor auch die Hoheit über alle musealen Bestände behalten hat, weil diese - dadurch daß sie nach den österreichischen Denkmalschutzgesetzen „ex lege" Denkmal sind - in die Kompetenz der Denkmalpflege fallen. Das ist aber nunmehr ein nur im rechtlichen Bereich übrig gebliebener Ansatz.
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Herr Schreiner: Herr Bacher, Sie bemerkten in Ihrem Vortrag, daß wahrscheinlich doch die Denkmalpflege wesentlich jünger sei als das Museumswesen. Ich glaube, daß doch gemeinsame historische Wurzeln bestehen zwischen Museumswesen und Denkmalpflege. Herr Bacher:
Selbstverständlich! W i r kennen schon aus der Antike einschlä-
gige Denkmalpflege-Vorschriften. Ich habe das nur etwas pointiert auseinander gehalten, weil in der Neuzeit die Museums-Geschichte eindeutiger abgrenzbar, greifbarer ist als die der Denkmalpflege.
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GERHARD HOJER
Das gepeinigte Dornröschen Schlösser zwischen Attraktion und Deformation Die Zahlen beeindrucken: Im Jahre 1961 hatten die dem Freistaat Bayern gehörenden Schloßobjekte im Besitz der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen 3 129 799 Besucher, im Jahr 1990 hingegen insgesamt 6 066 866 Besucher. Oder, um nur ein Einzelobjekt herauszugreifen wie Schloß Herrenchiemsee: Es zählte im Jahre 1886
33 000 Besucher (nach Jos.
Ludw. Craemer, Die Bayerischen Königsschlösser in Wort und Bild, München 1891-, S. 3) und 1990
708 126. Man kann es nicht leugnen: Wenn je eine Dorn-
röschenhecke um unsere Schlösser gewesen sein sollte, der Prinz „Massentourismus" hat sie längst niedergetreten und das Dornröschenschloß in Besitz genommen. Selbst mittelstark besuchte Residenzen wie Würzburg, die Nürnberger Kaiserburg und Schloß Nymphenburg haben jährlich noch je zwischen 200 000 und 400 000 Besucher. Nicht wahr ist also das W o n des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, man müsse die bayerischen Schlösser im Staatsbesitz endlich aus ihrem Dornröschenschlaf wecken. Doch der Vergleich, den der hohe Politiker gewählt hat, ist verräterisch: Er gibt nämlich die eigentliche Sehnsucht preis, die der Attraktivität der Schlösser zugrundeliegt, die Sehnsucht nach dem verzauberten Schloß, das unentdeckt und unbekannt vergangene Zeiten heraufbeschwört: Prinz R o k o k o im alten Garten. Und, natürlich, der Königstraum als Denkmalschloß: Neuschwanstein stolze Feste. Prinz Tourismus hat Dornröschen wachgeküßt, aber mehr noch: D e r nach Attraktionen gierende Besucher, geliebt als Sponsor der Tourismusbranche, verachtet als Banause in Bezug auf die Kenntnis dessen, was er sieht, ihm steht gegenüber die Creme der Gesellschaft, die in eben diesen Schlössern und Residenzen, die ehemals königlich waren, sich zu wirklich exquisiten Festen in der feinsten Adresse der Stadt trifft. U n d dazwischen, feiner Hörgenuß im feinen optischen Ambiente: Kaum war das Schlößchen Rosenau bei Coburg eröffnet, hat sich schon das „ R o s e n a u - T r i o " etabliert, mittels seines Namens zugleich das selbstverständliche Recht heischend, im dortigen Marmorsaal seine Konzerte zu geben. Gar nicht zu reden von Konzerten in den Schlössern Nymphenburg und Schleißheim, in der Schloßkapelle Blutenburg, dem Adventssingen in der Hofkapelle der Münchner Residenz etc. . . . D o c h dies ist kein politsoziologisches Seminar. Auch der Besucher von Festen ist immerhin Besucher, die ästhetischen und historischen Werte, die der Bildung und die der Erbauung
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stehen allen offen. Der Konservator, wie seine Berufsbezeichnung sagt, hat dafür zu sorgen, daß diese Werte bewahrt werden. Dies zweifellos im doppelten Sinn: Sie sollen materiell erhalten und im Bewußtsein behalten werden. Die Schlösser als Kunstwerke sollen einerseits optimal präsentiert, andererseits aber auch optimal konserviert werden. Sie sind somit präzise in die Kategorie der Museen einzureihen. Doch gerade hier liegt das Dilemma: Schlösser müssen zwar, können aber ihrer Natur nach nicht Museen sein. Meine folgende Situationsanalyse wird, sine ira et studio gegeben und nur aus kulinarischen Gründen mit einem Schuß Ironie versehen, diese Aporie zum Ergebnis haben. Begeben wir uns zuerst in ein weniger spektakulär besuchtes Schloß, sagen wir nach Veitshöchheim, wo der verzauberte Park mit den Gartenfiguren des Ferdinand Tietz die meisten Besucher anzieht, deren geringerer Teil dann auch das Schlößchen innen sehen möchte. Es gibt eine Führung, es gibt kleine Gruppen, und der Rundgang ist verhältnismäßig kurz. Hier muß auch im Winter nur geringfügig geheizt werden, die Belegung des Schlößchens mit Besuchern liegt eher unter der durch den Erbauer, den Fürstbischof Philipp von Dernbach und seinem Gefolge. Hier hat sich wenig geändert, das Dornröschenschloß ist zwar entdeckt, aber die Prinzessin kann vergnügt und unbeschädigt darin wohnen. Ganz anders in den Schlössern König Ludwigs II.: Da m u ß der kontinuierlich sich drängende Besucherstrom verkraftet werden. Und das bedeutet, daß die gesetzlichen Auflagen und Verordnungen gerade von den Staatsorganen akribisch erfüllt werden müssen. Zehntausend Besucher pro Tag müssen kanalisiert werden, nach den gültigen Bauvorschriften muß ein ausreichender Notausgang zur Verfügung stehen. Für Neuschwanstein bedeutete dies, daß in die historische Bausubstanz hinein ein neuer Durchbruch nach außen geschaffen werden mußte. N u r so ist der Besucherstrom überhaupt zu bewältigen. Aber weiter: Die große Prunktreppe im Schloß Herrenchiemsee, eine Nachschöpfung der Versailler Gesandtentreppe, ist sehr breit, wie es ihrer Würdeform zukommt. Uber sie werden die Besucherströme geleitet. Wiederum machen die Bauvorschriften zur Bedingung, daß solche breiten Treppen einen mittleren Handlauf brauchen aus Sicherheitsgründen für die Besucher. Erneut ein Eingriff in die historische Bausubstanz. Ahnliches, schon als Selbstverständlichkeit genommen, betrifft die Rutschfestigkeit der Läufer, die ihrerseits nötig sind, um den Marmorfußboden zu schützen. Die Zehntausende von Besuchern tragen tonnenweise Schmutz auf diese Teppiche, der seinerseits auf den Boden durchfällt. Kostbar intarsierte Parkettböden wie im Königsbau der Münchner Residenz und im Bayreuther Neuen Schloß sind ebenfalls solchen massierten Attacken ausgesetzt. Ein weiteres Kapitel ist die Feuersicherheit und der Brandschutz. Die Brandpolizei verlangt in einem großen Gebäude abgeschottete Brandabschnitte, voneinander durch feu24
ersichere Türen getrennt, um die Ausbreitung eines Brandes über ein Kompartiment hinaus zu verhindern. Die Türen, wie die Türen des 18. J a h r h u n d e n s in der historischen Enfilade des Schlosses Nymphenburg, müßten sämtlich entfernt und durch entsprechende feuersichere Türen ersetzt werden. Ein kurioses Beispiel, wie sich Brandschutz und Sicherheitsvorschriften auch widersprechen können: Im Neuen Schloß Herrenchiemsee mußten aus Brandschutzgründen in den vom Publikum nicht begangenen unausgebauten Rohbauräumen die Türöffnungen verkleinen werden. Da aber dieselben Türen als Fluchtweg im Notfall für die Besucher dienen sollten, verlangte die bei Veranstaltungen anzuwendende Versammlungsstättenverordnung eine Verbreiterung dieser Türen: Historische Architektur fügt sich modernen Bedürfnissen nicht ohne Probleme. Dies alles sind bautechnische Maßnahmen für die Sicherheit der Besucher. Sie zeigen, daß Schlösser erwartungsgemäß überhaupt nicht modernen Anforderungen, wie sie für ein neu gebautes Museum selbstverständlich sind, entsprechen können. Aber auch der Konservator, also der als Museologe ausgebildete Kunsthistoriker, sieht sich vor unlösbare Aufgaben gestellt. Da ist zum einen die Sicherheit. Das Münchner Residenzmuseum umfaßt rund 140 Räume. Sie werden in zwei Rundgängen gezeigt, d.h. im Schnitt pro Rundgang 70 Räume. Diese Raumzahl ist eigentlich für den Besucher nicht mehr zumutbar, kann aber nicht weiter geteilt werden, da der Schloßbesuch sich sonst auf mehrere Tage erstrecken würde. Ohnehin sind die dicht mit Meisterwerken gefüllten historischen Räume nur als Ambiente zu verkraften, das Einzelkunstwerk k o m m t zu kurz. Soweit das museumsdidaktische Problem; die Objektsicherheit soll, wenigstens während der Öffnungszeiten, das Aufsichtspersonal garantieren. Hier wäre die Situation in der Residenz München nicht ungünstig, aber der Schein trügt: Von 44 Aufsehern können de facto 15 pro Rundgang eingesetzt werden; die anderen werden durch Veranstaltungen beansprucht und müssen Krankheit, Urlaub und Differenz von Öffnungszeit des Museums und Wochenarbeitszeit abdecken. 30 Aufseher für 70 Räume wären aber erforderlich. Abgesehen vom Stellenmangel würde man auch bei mehr Stellen die Aufseher nach der jetztigen Arbeitsmarktlage überhaupt nicht bekommen. Weiter: Alle Schlösser brauchten eine Alarmanlage für die Zeit, in der sie ohne Aufsicht sind. Die Residenz München hat eine solche bekommen. Die jährlichen Kosten betragen für den Unterhalt rund 100 000 D M . Man stelle sich vor, es würde eine solche Anlage für alle Schlösser im staatlichen Besitz installiert, man würde also in jedem Jahr für die staatlichen Schlösser Bayerns rund 50 mal 100 000 D M nur für den Unterhalt der Alarmanlagen ausgeben! Eine Landtagsanfrage wäre vorprogrammiert. Doch auch was die Basisanforderungen einer musealen Zielsetzung im Bereich der Präsentation anbelangt, steht der Konservator für Schlösser im Regen. Würde 25
Abb. 1: Rc-idcn/ \\ ür/buri;. „Vi°ür?burg\ vornehmste Kneipe"
man die kostbaren Stilräume samt ihrer Einrichtung so behandeln, wie es das Metropolitan Museum in N e w Y o r k mit vergleichbaren Interieurs tut, so müßte man die Besucher durch mannshohe Plexiglasschleusen laufen lassen. So aber gibt es noch nicht einmal Vitrinen, in denen kostbare Bronzen, U h r e n , Porzellan etc., wie in einem Museum üblich, zusammengefaßt werden können. D e r Inhalt eines Schlosses ist eben gerade nicht in einzelne Gattungen aufgeteilt, vielmehr macht den Zauber der Räume die Vielfalt ihrer Einrichtungsgegenstände aus. Aber diese Vielfalt ist, darum muß man sich im klaren sein, weitgehend ungeschützt. N u r in ganz ausgewählten Bereichen, die bezeichnenderweise dann Museumscharakter tragen, kann in Schlössern eine Klimatisierung, d.h. eine Kombination aus Heizung und Be- bzw. Entfeuchtung installiert werden. Im Bereich der Bayerischen Schlösserverwaltung ist dies in der Schatzkammer der Residenz München, aber auch in dem neu errichteten Ludwig Π.-Museum in Herrenchiemsee der Fall. Im übrigen muß man sich weitgehend behelfen: Sei es mit Be- bzw. Entfeuchtungstruhen, sei es auch mit einer niedrig ausgelegten Heizung. A b e r dies alles muß Stückwerk bleiben bei der riesigen Anzahl von Räumen, die ih-
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rerseits durch ihre im Vergleich zur Grundfläche viel zu große Kubikmeterzahl schlechthin nicht klimatisch in den Griff zu bekommen sind, man denke nur an die riesigen Fenster des 18. Jahrhunderts. Die Fenster waren zu Zeiten der fürstlichen Eigentümer außer für festliche Veranstaltungen durch Innenläden geschlossen, die Möbel durch Uberzüge zusätzlich geschützt. So konnten Gobelins und Bezüge, aber auch die Möbelfurniere nicht ausbleichen. Die Candid-Teppiche des Kaisersaales der Münchner Residenz hat König Ludwig I. auf einem Dachboden entdeckt: Sie wirken — erst unlängst gehängt — wie neu gegenüber den seit 1920 ständig ausgestellten der Wittelsbacher Serie. Die Heizung wird selbstverständlich auch im Winter an der Grenze des für die Aufseher und Besucher gerade noch Erträglichen niedrig in der Temperatur gehalten. Aber Schlösser sind nicht nur für den kunstinteressierten Gelegenheitsbesucher Anziehungspunkte. Vielmehr sind sie als ehemals fürstliche ja königliche Residenzen im allgemeinen der vornehmste Bau der Stadt, in der sie liegen. Vornehm, d.h., mit wertvollen Kunstwerken ausgestattet, in einem einzigartigen architektonischen Ambiente, das allein schon durch sein Alter unübertrefflichen Adel angenommen hat. Die Residenz ist, wie gesagt, die feinste Adresse der Stadt. Die Folge ist, daß jeder Veranstalter, welcher A n seine Veranstaltung auch immer sei, sich dieser Adresse zu bemächtigen sucht, um sich von vorne herein einen Bonus für seine Gäste zu sichern. Vorträge und Konzerte, Ausstellungen und Antiquitätenmessen, alles, was irgendwie den Anspruch auf kulturellen Wert erhebt, werden im Schloß veranstaltet. Dies wäre für den Konservator unproblematisch, so lange es sich um Räume handeln würde, die abgetrennt von den Stilräumen sind. Der Herkulessaal der Residenz München, immer noch der akustisch beste Konzertsaal Münchens, ist so ein Fall, ebenso der wiederhergestellte Max-Joseph-Saal im selben Gebäude. Aber das ist die Ausnahme. Man will ja gerade das prachtvolle einzigartige Ambiente als Verstärkung des gebotenen Ohrenschmauses nutzen: Die Würzburger Mozartfestspiele finden selbstverständlich im Großen Kaisersaal der Residenz statt. Fast noch problematischer ist die Dauernutzung älterer Hoftheater, wie sie in Bayreuth oder in der Residenz München gehandhabt wird. Eigentlich sollten sie wegen ihrer Einzigartigkeit überhaupt nicht mehr genutzt werden, nach über 250 Jahren haben sie Ruhe verdient. Doch das Rokokotheater muß gerade wegen seiner Einzigartigkeit für die Dauerbespielung herhalten aus einem scheinbar plausiblen Grund: Endlich Konstanz der Funktion anstelle der Uberführung in das museale Mausoleum. Daß Dornröschen nur deshalb 100 Jahre lang seine Schönheit unverändert konservierte, weil es schlief, wird nicht zur Kenntnis genommen. Erweckt wird es, wie jeder von uns, sterblich. Ob mit oder ohne Vorsatz, man nimmt in Kauf, daß es mit uns dahingeht. Mehr noch: Solche Theater werden nahezu täglich bespielt, wofür sie als Hoftheater nicht 28
vorgesehen waren. Selbst der Winter ist kein Problem mehr: Es wird geheizt, zentral und überall. Heizung aber ohne Konstanz der Luftfeuchte ist tödlich. Also Einbau einer Klimaanlage. Sie kostete allein für das markgräfliche Opernhaus in Bayreuth über 800 000 DM. Besonderer Wert muß bei der Beheizung auf eine allmähliche Erwärmung, die sich über Tage hinziehen muß, gelegt werden, damit die Holzeinbauten nicht zu stark arbeiten. Kachelöfen in historischen Schlössern brauchten 14 Tage, um voll aufgeheizt zu werden, und dementsprechend lange hielten sie auch die Wärme. Beim Einbau der historischen Holzdecke im Großen Saal des Dachauer Schlosses waren die Kosten für eine kontinuierliche Luftumwälzung höher, als die Einbaukosten selbst (400 000 DM). Es ist die Intensität der modernen Nutzung, die im Gegensatz zur temporären Funktion zur Zeit der alten adeligen Eigentümer das Problem darstellt. Damals waren das Fest und die festliche Theateraufführung eine Ausnahme; heute stellt das Fest die Dauernutzung der Schlösser dar. Im Jahr 1988 fanden in der Residenz München 1160 Veranstaltungen statt, das sind im Schnitt mehr als drei Veranstaltungen pro Tag. Die Residenzverwaltung ist hauptsächlich ein Veranstaltungsbüro. Die Mehrheit dieser Aktionen sind Empfänge; auch die Residenz Würzburg, das Neue Schloß in Bayreuth, sie sind die nobelsten Gasthäuser der Stadt. Was die Sicherheit anbelangt, so sind die Vorkehrungen beim Stoßbetrieb eines Empfangs wesentlich drastischer, als für den normalen Besucherbetrieb. Die von der Versammlungsstättenverordnung vorgeschriebene maximale Belegungszahl sollte akribisch eingehalten werden; aber was will der arme Verwalter tun, wenn beim Empfang des Staatspräsidenten 50 Gäste mehr als zulässig kommen? Soll er den General, den Minister, den Vorstandssprecher unter Hinweis auf die VStättO abweisen? Das sind Probleme der Verwaltung; das Problem für den Konservator liegt, zumindest im Winter, im Bereich der allzu raschen klimatischen Veränderungen. Da muß sehr schnell aufgeheizt werden, da kommen Hunderte von Personen in einen ziemlich kleinen Raum, dessen Luftfeuchtigkeit dadurch sehr schnell erhöht wird; da muß verhindert werden, daß die Fenster wegen des entstehenden Miefs aufgemacht werden. U m die Belastung einzugrenzen, werden nur ganz bestimmte Räume, die nicht zu dicht mit mobilen Kunstwerken ausgestattet sind, für solche Empfänge verwendet. Es sind, wie schon in alter Zeit, im allgemeinen die großen Festsäle. Wohlgemerkt: Der Anspruch ist durchaus legitim. Denn das Schloß steht allen offen, sogar den Happy Few, den Upper Ten, für rauschende Feste, Empfänge und Essen. Gerade die nicht museale Nutzung, das Leben im verstaubten Gemäuer, die Einladungen der Regierung für Vertreter von Bevölkerungsgruppen stehen in der Nachfolge ähnlicher Veranstaltungen der alten Souveräne. N u r jene Einzelfälle blieben exklusiv. Der Konservator richtet sich ein: Empfindliche Bereiche werden gesperrt, immer die, wo die wertvollsten Bilder hängen, 29
Möbel stehen, Tapisserien golddurchwirkt leuchten. D o c h eines Tages k o m m t der ganz exklusive Kreis, klein, erlesen: Soll das Gespräch wirklich da stattfinden, wo man schon weiß, daß hunderte Empfänge jährlich abgehalten werden, oder der Neujahrsempfang für die Vertreter der Interessengruppe xy . . . D a muß doch eine Ausnahme gemacht werden. Also werden die bisher nur und ausschließlich museal genutzten Räume mit besonders empfindlicher Ausstattung für diesen einen Sonderfall zur Verfügung gestellt. D e r Konservator möge dafür sorgen ne quid res publica detrimenti capiat. Schließlich gab es ja schon Besuche regierender Souveräne, des Schahs von Persien, des Generals De Gaulle, die im Bett des Kurfürsten Carl Albrecht in den Reichen Zimmern, mehr schlecht als recht, genächtigt haben . . . Man hat dieses Privileg aufgegeben; der Komfort im Schloß war einfach internationalen Ansprüchen nicht mehr angemessen. Das Dornröschenschloß wehrt sich: J e stärker die Anforderungen im Bereich der außermusealen Nutzung werden, um so mehr stellt sich heraus, daß man selbst im Fall des Wiederaufbaues zerstörter Schlösser nicht daran gedacht hat, optimale Heizungen einzubauen, Toiletten, Einbauküchen großen Stils. Zum Teil kann das nachgeholt werden; jedoch bleibt die museale Grundkonzeption für die Totalnutzung als Versammlungsstätte im weitesten Sinne unbefriedigend. Selbst das Rauchverbot ist letztlich eine Zumutung für die Gäste eines festlichen Empfangs, weswegen es schwer durchzusetzen ist und häufig durch eine freundliche Bitte um Unterlassung ersetzt wird, ein Appell an das Stilgefühl, der meist verraucht. Das Schloß als Museum ist ein Paradox, jedenfalls, soweit es sich in öffentlichem und nicht im privaten Besitz befindet. Es ist ein historisches Gebäude mit zum Teil höchstwertiger musealer Ausstattung. Als historisches Bauwerk hat es seit seiner Entstehung eine repräsentative Funktion, die sich gerade in der großzügigen Anlage seiner Räumlichkeiten ausdrückt. Diese repräsentative Funktion übernehmen die Regierenden eines demokratischen Systems als legitime Nachfolger der alten Regenten. N u r kann die Exklusivität jener Zeit, wie sich noch der Buckingham Palace kultiviert, nicht beibehalten werden: Sowohl die Besucher müssen freien Zugang haben, auch wenn ihre Masse den Verfall der Königsschlösser beschleunigt, als auch müssen die Repräsentationspflichten der Volksvertreter gegenüber den Bürgern in diesen Gebäuden erfüllt werden. Ohne Tradition, das ist der Trend unserer Zeit, gibt es keine Repräsentation. Artikel 141 der Bayerischen Verfassung bestimmt, daß die Denkmäler der Kunst und der Geschichte öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates genießen. Interessanterweise wird auch ohne weiteres Gesetz jede Verwaltung unmittelbar an diesen Verfassungsartikel gebunden. D o c h wenn man diesen konservatorischen Auftrag konsequent erfüllen würde, wäre der Zauber des Schlosses nicht mehr beliebig verfügbar, würde sich seine Funktion als O r t der Reprä30
sentation ausschließen. Dies ist die fundamentale Aporie einer jeden Schlösserverwaltung. Im einzelnen, auch dies habe ich angedeutet, kann man und muß man sich behelfen. Selbst dies ist noch schwierig genug. Eine Schlösserverwaltung hat in jedem Falle, insbesondere natürlich in Bayern, eine große Zahl von im Lande verstreuten einzelnen Schlössern zu betreuen, in Bayern sind es ca. 60. Die dezentrale Organisation ist die einzig mögliche Form der Verwaltung; aber sie bedeutet, jedenfalls nach dem jetzigen Stand, daß Schloßmuseen, die durchaus ihrem Bestand nach eigene Museen sein könnten wie Ansbach oder Würzburg oder auch Bamberg, am O r t keine museale Verwaltung haben. Und die Dienstreisegelder für die Konservatoren in München bei der Hauptverwaltung sind auf jeden Fall zu gering. Die Sicherheit, wie sie jedes Museum selbstverständlich als moderner Museumsbau für die Objekte voraussetzt, kann in einem Schloß nicht optimiert werden. Würde man alles hinter Glas setzen, der Zauber des Ambientes wäre dahin. Aber selbst der im modernen Museum selbstverständliche, immer wichtiger werdende Bereich der Besucherinformation kann im Schloß nur begrenzt erfüllt werden: Die Beschriftung jedes einzelnen Objekts, gar nicht zu reden von großen Ubersichtstafeln, würde ihrerseits die Illusion zerstören, Dornröschen habe gerade sein Boudoir verlassen. Und gerade dieser Zauber, auch der Zauber des Nicht-genau-Wissens zieht die Besucher an. W e r wollte schon die historische Wahrheit über König Ludwig II. bei einem Besuch der Königsschlösser wirklich erfahren? Das Schloßmuseum bleibt ein Paradox: Gerade daß die Schlösser keine Museen sind, macht ihre Attraktivität aus. Das Märchen ist weise: Wenn das Leben verging, wenn Dornröschen entschlafen ist, wächst eine undurchdringliche Dornenhecke um sein Schloß. Zwar wurde die Hecke von uns beseitigt, aber das alte Leben ist nicht zurückgekehrt. D o c h altes Schloß und neues Leben gehen nicht zusammen. Nirgends trügt der alte Zauber wirkungsvoller, als in historischen Räumen: Der Geist der Schlösser ist entwichen; im günstigsten Falle ist der Schloßgeist geblieben.
Nachbemerkungen Martin Sperlich, ehemals Leiter der Berliner Schlösserverwaltung, hat aus eigener Erfahrung gewonnene Einsichten — oft in ironisch-resignierender F o r m -
an verschiedenen Stellen publiziert; seine Erfahrungen entsprechen ceteris
paribus meiner Analyse. Vgl. M. Sperlich, Physiologie und Architektur, in: Werk und Zeit, 1980, S. 1 6 - 1 7 .
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M . Sperlich, Demokratie als Hausherr, in:
Architektur-Experimente in Berlin und anderswo. Für Julius Posener. Bes. S. 226 f. Ich danke Martin Sperlich für den Hinweis auf diese Publikationen.
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P.S. Am Montag, den 21. Oktober 1991 fand ab 18.00 U h r das „Fest der Jugend des Bayerischen Ministerpräsidenten und Frau Streibl" in allen Museumsräumen der Residenz Würzburg statt. Die Süddeutsche Zeitung berichtete: „1550 Jugendliche verwandelten den grandiosen Barockbau Balthasar Neumanns für einen Abend in eine Bühne für Rock und Jazz, Tanz und Pantomime. Im 1. Stock konnte man sich gütlich tun an Sauerbraten und Rindfleischeintopf, Lauchkuchen und Crevettensalat." — Vom 18.— 20. November 1991 fand in der Residenz München unter Einbeziehung der sonst nur für Museumsbesucher zugängliche Steinzimmer sowie des ersten der Reichen Zimmer die Ministerratstagung der Europäischen Weltraumagentur ESA statt. — Vom 6. — 9. Juli 1992 wird in den Museumsräumen der Residenz München der Weltwirtschaftsgipfel veranstaltet.
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VINCENT MAYR
Das unfreiwillige Museum Schloß Hohenlohe-Schillingsfürst „Denkmalpflege und Museen sind geborene Bundesgenossen". Diese Feststellung von Georg D e h i o hat eine besondere Bedeutung für diejenigen Baudenkmäler in Privateigentum, in denen sich eine bedeutende historische Ausstattung erhalten hat, die von der Öffentlichkeit touristisch konsumiert werden kann. Georg Dehio hat diese These 1914 aufgestellt und im vollen Wortlaut gesagt: „Denkmalpflege und Museen sind geborene Bundesgenossen. Es scheint dies eine selbstverständliche, kaum noch zu weiterer Überlegung auffordernde Wahrheit zu sein. 1 " Mit der Vorstellung eines aktuellen Beispiels soll die Frage verbunden werden, o b nicht doch noch weitere Überlegungen nützlich sind oder ob Dehios nun schon mehr als ein dreiviertel Jahrhundert alte Feststellung eine Selbstverständlichkeit unserer beiden Disziplinen Museologie und Denkmalpflege geworden ist. Im Regierungsbezirk Mittelfranken liegt 25 km westlich von Ansbach auf einer Bergnase das Barockschloß Schillingsfürst. Die in Sichtweite liegende Württembergische G r e n z e trennt das Schloß und seinen kleinen Umgriff vom Territorium H o h e n l o h e , zu dem es bis 1806 gehörte. U n t e r den Schlössern der Familie von Hohenlohe, die seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar ist — es gehören Weikersheim, Langenburg, Neuenstein dazu — nimmt Schillingsfürst insofern eine Sonderstellung ein, als es den nicht allzu häufig anzutreffenden T y p u s des repräsentativen Stadtschlosses darstellt, welches in der freien Landschaft steht. D e m heutigen Bau gingen Vorgängerbauten voraus, die 1316, 1525 und 1632 erobert oder verbrannt worden waren. D e r N a m e des Architekten des heutigen Schlosses, welches zwischen 1723 und 1750 entstand, ruht noch in den Akten des Hohenlohischen Archivs. 2 Die architekturhistorische Forschung nennt sicher zu Recht die beiden Namen Greising und de la Fosse, aber den ihm gebührenden Platz in der europäischen Kunstgeschichte hat das Gebäude bis heute noch nicht erhalten. Dabei finden wir hier eine raffinierte Verschmelzung von A u f r i ß und Grundriß, die einen äußerst einfallsreichen und erfahrenen Planfertiger verrät. Die beiden Seitenflügel des Schlosses stehen nicht im rechten W i n k e l zum Mittelflügel. Die Fenster zum H o f und die an den Außenfassaden nehmen aufeinander Bezug. Das Schloß ist sozusagen nach Westen hin durchsichtig. Wenn der Betrachter bei untergehender Sonne an einer bestimmten Stelle im H o f steht, sieht er „durch das Schloß hindurch". Die stumpfen Winkel, in denen die Seitenflügel dem Mittelflügel angefügt sind, 33
stellen also die Konsequenz zur Erreichung der Durchsichtigkeit dar. Die Anordnung aller Fenster, sowohl der drei Hoffassaden als auch der Außenfassaden muß dabei keine zwangsweise Abweichung von den vorgegebenen Achsenabständen hinnehmen. 3 Zur Geschichte von Schloß und Familie gehören noch drei wichtige Zahlen, die uns in die Gegenwart führen. 1744 m u ß der Schloßbau soweit fertiggestellt gewesen sein, daß man an der Hauptfassade über dem Balkon das Wappen der in diesem Jahr gefürsteten Familie anbringen konnte. 100 Jahre später fand unter Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst eine gründliche Gesamtinstandsetzung statt (teilweise Erneuerung der Steinfassaden mit widerstandsfähigerem Steinmaterial 1846— 1848) und seit 1965 werden substanzerhaltende Maßnahmen, Einzelrestaurierungen und Sicherungsmaßnahmen unter Beratung des bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und mit finanzieller Hilfe des Freistaates Bayern durchgeführt. „Zum Teufel mit dem alten Kasten?" fragte Heinz Kollmann auf der ICOM-Tagung 19884 und bejahte die Philosophie des Erhaltens — wußte er wohl, daß Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst sein Schloß einen „alten Steinkasten" nannte 3 und die Denkmalpflege sich nun seit bald 30 Jahren mit den Steinen des Kastens herumschlagen muß? Nach der mehr oder weniger problemlosen Erneuerung der Dachhaut, die am Anfang der Gesamtinstandsetzung stand, stellte sich die schwierige Frage nach Auswechslung oder Konservierung jenes grünlichen Schilfsandsteines, der den Schloßfassaden zwar seine schöne milde Färbung gibt, dessen Verwitterungsanfälligkeit aber inzwischen so groß geworden ist, daß bereits an manchen Stellen das statische Gleichgewicht nicht mehr in Ordnung ist. Im 19. Jahrhundert hatte man sich nicht gescheut um den Preis einer Farbabweichung einen härteren Stein zu verwenden, eine Maßnahme, die nun zur Geschichte des Schlosses gehört, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Person des C h l o d w i g Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der 1846 durch Erbvertrag Herr über das bayerische Majorat Schillingsfürst geworden war, der von 1865 — 1869 bayerischer Ministerpräsident und von 1894 - 1900 deutscher Reichskanzler war und Aussehen und Ansehen des Schlosses mitgeformt hat. Es w i r d erzählt, daß ein Neffe des Reichskanzlers auf Bitten von Freunden durchaus bereit war, eine Führung durch das Schloß zu halten — allerdings war er nicht abgeneigt, dafür einen Obulus zu nehmen, was mit der Zeit zu den heute noch üblichen Schloßbesichtigungen führte: ein unfreiwilliges Museum war geboren! (Die offizielle Gründung erfolgte nach dem 2. Weltkrieg durch Constantin Prinz zu Hohenlohe-Langenburg. 6 ) Man müßte wohl nach einer neuen Bezeichnung suchen um das Gebäude und seine Sammlung innerhalb unserer Museumslandschaft richtig einzuordnen, verstehen und würdigen zu können. Schillingsfürst gehört zwar nach der Eintei34
lung von Douglas Copper zum G r u n d t y p u s der historischen Privatsammlung, die keine bestimmten Schwerpunkte hat und die sich durch Heirat, Kriegsglück, Freigiebigkeit und durch diplomatische oder politische Erfolge vergrößert 7 , ist aber vom Besucher weder historisch noch gesellschaftlich didaktisch, sondern nur raumbezogen aufnehmbar. Es handelt sich um kein Hohenlohemuseum (berühmte Sepulkralplastik in den Domen von Bamberg und Würzburg ist weder bildlich noch geistig präsent) und auch nicht um ein kommerzionalisiertes Schloßmuseum, bei dem der Eigentümer im Nebenzimmer wartet, bis die Führungskolonne durch den Salon gezogen ist. Schlüssel, Aufsicht und Erklärung in einer einzigen Person begleiten die Besucher durch Räume, in denen seit ca. zwei Generationen so gut wie nichts verändert worden ist: kaum Entfernung von auch kleineren Gegenständen, keine Neuordnung, kaum Renovierung, kaum Sicherungsanlagen. Der „goldene Staub der Geschichte", wenn das hochtrabende Wort erlaubt ist, hat sich tatsächlich noch nicht verzogen. Für den Denkmalpfleger liegt das Problem weniger in der Fragestellung Erinnerungsstätte Erlebnisstätte - Bildungsstätte' als in der Diskrepanz von Bewahrung dieses zugegebenermaßen auch von Stimmungen getragenen Ensembleeindrucks und den Möglichkeiten der Substanzerhaltung unter publikumsbezogenen Bedingungen. Dazu ein Beispiel: Es wäre sicher nicht sinnvoll, textile Beläge auf die Holzfußböden zu legen, um sie trotz Pantoffelzwang, der ja nur bedingt funktioniert, vor A b n u t z u n g zu schonen. Carl Mattern hat hier ab 1727 nicht nur die Füllungen der Lambris, die Türen und Fensterläden, sondern auch eingelegte Fußböden geschaffen, deren Bedeutung nicht zuletzt darin liegt, daß ihre Ikonographie auf den Hausherrn Bezug nimmt. So bedeuten im Großen Salon die Löwen die Stärke und damit Philipp Ernst zu Hohenlohe-Schillingsfürst und der H u n d die Treue seiner Frau A n n a Maria zu Ottingen-Wallerstein, oder im Arbeitszimmer wird das Gefährt mit einem chinesischen Herrscher von zwei Leoparden, den Wappentieren der Hohenlohe, gezogen 8 . Ebenfalls von Carl Mattern stammt der auf die Jahre um 1730 datierte Kabinettschrank. Für den Möbelfachmann stellt er eine Rarität dar. Ausgesprochen fortschrittlich für seine Zeit, fehlt ihm der Kontrast von Einlagen in organischen Materialien (Schildpatt, Elfenbein, Holz), denn alle Flächen sind mit graviertem Messing und Zinn marketiert. Die seitlichen Wappen der Hohenlohe hat vierzehn Jahre später Carl Alexander Mattern, der Sohn angebracht. Als auf Anraten des Denkmalpflegers der Kabinettschrank 1975 zur Restaurierung nach München gebracht wurde, begleitete ihn eine Schublade voll von herausgefallenen und herausgebrochenen Metall- und Holzteilen. Damit wird die zweite Gefahr angesprochen, denen die Gegenstände und auch die wandfeste Ausstattung ausgesetzt sind. Ist schon die Frage der Diebstahlsicherheit k a u m befriedigend zu lösen — eine einzige Person führt und beauf35
sichtigt die Gruppe, Absperrungen beschränken sich auf einige wenige Kordeln —, so sind dem Benutzerdrang der Besucher keine Grenzen gesetzt. Möbel werden angegriffen und auf die Festigkeit ihrer Türschlösser überprüft, bei Porzellanen sucht man auf der Unterseite die M a n u f a k t u r m a r k e , wandfeste Textilien müssen ihre Reißfestigkeit beweisen, ob man den Vorhang noch zuziehen kann, will ein anderer wissen. N u r kleinere und die allerkleinsten Gegenstände genießen den Schutz von Vitrinen. Dazu gehört eine sehenswerte Sammlung von Spielsachen der Prinzen und Prinzessinnen aus dem vorigen Jahrhundert, und an dieser Stelle muß nun Klage geführt werden über das Fehlen einer ausführlichen wissenschaftlichen Inventarisation aller Stücke. Z w a r hat die Verwaltung eine Liste mit Photographien angelegt, z w a r hat das D e n k m a l a m t z.B. die Textilien und Möbel verlistet 9 , aber die eigentliche Bedeutung würde ja in einem Gesamtverzeichnis liegen, welches den Zusammenhang der Sammlung, die Entstehungsvoraussetzung, Erwerbung und Anordnung der Gegenstände dokumentieren müßte. Es könnte als eine Geschichte der Geschmacksrichtungen und des Geschmackswandels einer von Grafen über Fürsten bis z u m Reichskanzler aufsteigenden Familie zum Erlebnis werden. Das Verzeichnis würde Kennerschaft einzelner Mitglieder bezeugen und fragwürdigen Geschmack nicht verheimlichen und selbst Gegenstände, die bei der ersten Begegnung an den alten Museumstypus der Wunderkammer erinnern, wie der ausgestopfte Bär im Treppenhaus, erhielten eine historische Dimension. Den Bär hatte 1897 Fürstin Marie zu Hohenlohe-Schillingsfürst, geborene Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein, die Gemahlin des Reichskanzler geschossen. Der Bruder des Reichskanzler, Kardinal Gustav hatte dem Komponisten Liszt die niederen W e i h e n erteilt, und an den Aufenthalt von Franz Liszt erinnert eine M a r m o r b ü s t e im Schillingsfürster Schloßgarten. Mit Geschenken Kaiser W i l h e l m s II. ließen sich ebenso historische Zusammenhänge herstellen wie mit Gegenständen aus Indien oder Japan. Vorstellbar wäre eine wissenschaftliche Arbeit, die einen bevorzugten Platz im „Journal of the History of Collections" verdient hätte 10 . Es mag natürlich zahlreiche familiengeschichtliche Museen geben, bei denen sich Kunstwerke und Alltagsgegenstände einer Familie in einem bedeutenden Architekturgehäuse zusammenfinden. Doch nicht allzu oft w i r d man auf ein kulturgeschichtliches Ganzes stoßen, das wie in Schillingsfürst zwar auch Personengeschichte präsentiert, aber auf Interpretation oder Verherrlichung wohltuend verzichtet und nur die Objekte sprechen läßt. Das Arbeitszimmer des Reichskanzlers besichtigt man als letzten R a u m bei dem Museumsrundgang, der sich nun als Einbahnstraße herausstellt, weil das Zimmer am Ende der Raumflucht liegt. Die Notwendigkeit, Besucher wieder zurückgehen lassen zu müssen, führt zu einem erheblichen Gedränge und damit zu einem Sicherheitsrisiko für die Einrichtungen. Mit einer Absperrkordel w i r d versucht, die Neu36
gierigen z u r ü c k z u h a l t e n . D a s L e n b a c h b i l d des Reichskanzlers v o n 1898 1 1 hängt e r h ö h t und ist n i c h t gefährdet, jedoch liegen und stehen viele K l e i n i g k e i t e n h e r u m (u.a. eine interessante S p a z i e r s t o c k s a m m l u n g ) , die in e i n e m „freiwilligen M u s e u m " in V i t r i n e n eingesperrt w ä r e n . In d e n k m a l p f l e g e r i s c h e m S i n n e erhält die historische S u b s t a n z e i n e n zusätzlichen E r i n n e r u n g s g e h a l t , der weit entfernt ist v o n ä h n l i c h e n A r b e i t s z i m m e r n (z.B. S c h ö n b r u n n : Kaiser F r a n z J o s e p h 1 2 ; F r i e d r i c h s r u h : R e i c h s k a n z l e r O t t o von B i s m a r c k 1 3 ) und der jene Privatatmosphäre konserviert hat, in der für einige J a h r e G e s c h i c h t e des deutschen Kaiserreiches g e m a c h t w o r d e n ist, von e i n e m M a n n e , dessen L e b e n s s p a n n e genau derjenigen der Q u e e n V i c t o r i a e n t s p r o c h e n hat ( 1 8 1 9 - 1901). F ü r ein M u s e u m s k o n z e p t , in dessen Z e n t r u m gerade die E r h a l t u n g auch dieser W e r t e stehen sollte, wird man sich neue W e g e ausdenken müssen. A b s c h l i e ß e n d ließe sich ü b e r das S c h l o ß m u s e u m Schillingsfürst sagen, was L u d w i g T h o m a nach der L e k t ü r e der „ D e n k w ü r d i g k e i t e n des F ü r s t e n C h l o d wig zu H o h e n l o h e - S c h i l l i n g s f ü r s t " 1906 in sein T a g e b u c h geschrieben hat: „lehrreich zur B e u r t e i l u n g der zeitgenössischen G e s c h i c h t e , z u r H e i l u n g v o n anbetender B e w u n d e r u n g , zur B e f r e i u n g von geprägten U n w a h r h e i t e n "
H
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Anmerkungen 1
D e h i o , Georg: Kunsthistorische Aufsätze, München 1914, S. 285.
2
Ramisch, Hans: Landkreis R o t h e n b u r g o.d. Tauber. München 1967, S. 90 ff. Mayr, Vincent: Zehn J a h r e Restaurierung von Schlössern in Mittelfranken. In: J a h r b u c h der Bayerischen Denkmalpflege, Bd. 34, 1980, S. 298.
3
4
Kollmann, H e i n z Α.: „ Z u m Teufel mit dem alten Kasten?" In: Museologie. Neue Wege - Neue Ziele. Bericht über ein internationales Symposium, veranstaltet von den I C O M - N a t i o n a l k o m i t e e s der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz. Hg. v. H e r m a n n Auer. München 1989, S. 183.
5
Hohenlohe-Schillingsfürst Chlodwig Fürst zu: Denkwürdigkeiten. Stuttgart 1906 Museen in Bayern. Hg. von der Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen in Bayern. M ü n c h e n 1991, S. 341
6
7
Copper, Douglas: Berühmte private Kunstsammlungen. Zürich, 1963, S. 11
8
Trenschel, Hans Peter: Meisterwerke fränkischer Möbelkunst. Würzburg 1982, S. 2 5 - 3 1
9
Jahresbericht vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986. Abteilung Bau- unmd Kunstdenkmalpflege, Mittelfranken. In: Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege, Bd. 40, 1986, S. 577
10 wie z.B. Scheicher, Elisabeth: Historiography and Display. T h e „Heldenrüstkamm e r " of Archduke Ferdinand II in Schloß Ambras.: Journal o f the History of Collections. Vol. 2, N r . 1, 1990, p. 6 9 - 7 9 11
Mehl, Sonja: F r a n z von Lenbach. München 1980, S. 158
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13 14
Schloß Schönbrunn. Wien, westermann museum Nr. 74 Braunschweig 1983, Abb. S. 91 Köpke, Ingeborg: Bismarck-Museum Friedrichsruh. Neu-Münster 1984, S. 20 Thoma, Ludwig: Stadelheimer Tagebuch. In: Gesammelte Werke, München 1968, Band 1, S. 311
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HERMANN KRÜGER
Museum im Baudenkmal Räumliche, finanzielle, materielle oder andere Not erlaubte den Museen in der DDR für Neueinrichtung, Vergrößerung und Reorganisation fast ausschließlich nur die Übernahme ungenutzter Bauten. Waren sie geschützt und von kulturgeschichtlichem Wert, so waren regelmäßig Denkmalpflegebeihilfen für ihren baulichen Unterhalt zu erwarten. Damit konnten bei langfristiger Planung und schrittweiser Realisierung über viele Jahre mit geringsten Mitteln Museen in Baudenkmalen eingerichtet werden. Bis 1990 waren ca. 62 % aller Museen der D D R in Baudenkmalen eingerichtet. Das entsprach dem Verhältnis vieler anderer alter europäischer Länder. Eine diesbezügliche Arbeit an der T U Dresden (Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung kulturhistorischer Bauten zur Einrichtung von Museen) kam zu folgenden Ergebnissen: 1. Museen in Baudenkmalen bewähren sich in Mitteleuropa bereits seit 300 Jahren. Die frühen Adaptionen lassen sich von wirtschaftlichen und städtebaulich-kompositionellen Überlegungen leiten. Die meist idealen konservatorischen Bedingungen werden erst später entdeckt. 2. Die Baudenkmale vom 11. bis zum frühen 19. Jahrhundert eignen sich auf Grund vielfältiger adäquater Beziehungen vorzüglich zur Einrichtung historischer, kulturgeschichtlicher und Kunst-Museen. Dagegen können funktionslose Bauwerke dieser Zeit für naturwissenschaftliche, technische sowie Volksund Völkerkundemuseen nur nach spürbarer Beschränkung der Aussage genutzt werden. 3. Beim Ausbau eines Baudenkmals übernimmt das Museum den „Modul" des Bauwerkes, ohne auf eigene zeitnahe konstruktiv-gestalterische Ausdrucksformen oder technische Notwendigkeiten innerhalb der „historischen Hülle" zu verzichten. Im erhaltenen oder restaurierten Raumdenkmal, das selbst Interieurmuseum sein kann, hat sich die museale Gestaltung dem künstlerischkulturhistorischen Rahmen unterzuordnen. 4. Die Bereiche Empfang, Ausstellung und Bildungseinrichtungen finden im Baudenkmal schneller angemessene Räumlichkeiten als die Bereiche Depot, Werkstätten, Verwaltung, Haustechnik und Nebeneinrichtungen. Die Grenzen der Adaption sind dann durch Zuordnung städtebaulich maßvoller, technologisch, technisch und maßstäblich gelöster Zweckbauten zu überwinden. 5. Die konservatorische und wirtschaftliche Überlegenheit des Baudenkmals des 11. bis frühen 19. Jahrhunderts liegt in seiner Klimastabilität. Der spei39
cherfähige Altbau benötigt nur 20 % der W ä r m e e n e r g i e eines vollverglasten N e u b a u e s u n d keine sommerliche Kühlung, die bei letzterem einen fünfmal h ö h e r e n Energieverbrauch als den des w i n t e r l i c h e n W ä r m e b e d a r f s erf o r d e r n kann. 6. D e n heute üblichen rechnerischen F o r d e r u n g e n entsprechen die Werte von Festigkeit u n d Belastbarkeit der Baudenkmale oft nicht. A r c h i t e k t , Statiker u n d Bauaufsicht werden bei ihren Berechnungen in der A l t b a u s u b s t a n z immer wieder einen Mittelweg zwischen gesetzlicher Maßgabe u n d jahrhundertealter E r f a h r u n g finden müssen. Auf jeden Fall sollte die Adaptionsfähigkeit des Baudenkmals mit V a r i a n t e n - E n t w ü r f e n g e p r ü f t werden. Die Museumsfrau, der M u s e u m s m a n n und der D e n k m a l p f l e g e r sollten sich bei allen planerischen Arbeiten frühzeitig des (sich in der speziellen Materie bereits bewährten) Architekten bedienen. Er fungiert auch als A n w a l t der Öffentlichkeit. Das P u b l i k u m mißt das Museum, seine Arbeit am Sicht- u n d Erlebbaren im (öffentlichen) Schaubereich. Seine Konzeption beginnt (anhand des Sammlungsgutes) mit dem T h e m a , der Idee. Als Beispiel eines vielfach praktizierten Arbeitsprogrammes zur Gestaltung des Schaubereiches im vorgegebenen Bau- und R a u m d e n k m a l lassen sich die verschiedenen Arbeitsschritte bis zur Montage wie folgt zusammenfassen: 1. Das Museum erarbeitet auf der Basis einer Idee — die thematische K o n z e p t i o n zur Realisierung der beabsichtigten inhaltlichen Aussage und — eine Liste der Schaustücke mit Fotos, M a ß e n , A n m e r k u n g e n . . . 2. D e r Gestalter e n t w i r f t auf dieser Grundlage — die gestaltplanerische K o n z e p t i o n bezogen auf die v o r h a n d e n e n R ä u m e mit ihrem Modul, Licht, D e n k m a l w e r t , Material . . . 3. M u s e u m und Gestalter differenzieren gemeinsam das Schau-Volumen ( O b j e k t e , Aussagen) und erwägen ihre mögliche Bedeutung f ü r — eine erste Ebene mit den wichtigsten O b j e k t e n u n d Aussagen und — eine zweite Ebene zur Vertiefung des T h e m a s . Entsprechend der gewünschten Material-Staffelung wird die Darstellungsweise vereinbart: Tafelrahmen, freies A r r a n g e m e n t , W e n d e b u c h , Wendetafel, Schutz mittels Teil- oder Vollvitrine. 4. Das Museum faßt im Drehbuch ausführlich alle Schaubereiche mit den Positionen der O b jekte, Texte, Bezeichnungen, Erläuterungen usw. z u s a m m e n . 40
5. Museum u n d Gestalter erfassen die gemeinsamen Arbeitsergebnisse in einer „Material u n d Arbeitsliste", die „ z u m A b a r b e i t e n " für das Museum, die entsprechenden G e w e r k e und den Gestalter (bis zur Endmontage) zweckdienlich ist. 6. Der Museumsgestalter verwendet die Unterlagen aus P u n k t 4 und 5 zur Erarbeitung seiner Leistungsgebiete: Regie, Organisation, Autorentätigkeit, A r c h i t e k t u r , Grafik, Bauleitung. Parallel zueinander erfolgen die E n t w ü r f e u n d die A u s f ü h r u n g für die Museographie und die Museumsarchitektur. 7. Museum u n d Gestalter treffen sich zur E n d m o n t a g e im Schaubereich des Museums. Die Arbeit endet mit der gemeinsamen Raumgestaltung zur optimalen Realisierung der museologisch-gestalterischen Konzeption. Die grundlegende Idee musealer Gestaltung ist, Gegenstände, die der Aufbew a h r u n g wert sind, zu sammeln, zu erhalten und in einem möglichst sinnlichen U m f e l d erlebbar zu machen. Die Gestaltung von Schaubereichen in Museen ist ihrem Wesen nach die Kunst der räumlichen Gestaltung für die lehrhafte, erbauliche und dauerhafte Präsentation würdiger Gegenstände in einem ihrer Präsentationsabsicht adäquaten Umfeld. Die geistige Durchdringung, die längerfristige Beschäftigung mit dem Raum, dem M u s e u m s o b j e k t u n d der musealen Aussage sind Voraussetzungen f ü r eine gute museale Raumgestaltung. Die Museumstechnik mit allen Arten von Präsentationshilfsmitteln, Klima-, Licht- und Sicherheitsvorrichtungen hat sich dieser Aufgabe möglichst unaufdringlich anzupassen oder unterzuordnen. Das bedeutet, daß für jedes M u s e u m die ihm eigene Gestaltung gefunden werden m u ß . So ist es fast u n m ö g l i c h , im Schau-Museum typisierte Ausstellungsmöbel aus einer Serienfertigung zu verwenden. Allerdings sollte sich der Gestalter i m m e r an den Gegebenheiten orientieren u n d keinen abstrakten oder unrealistischen kreativen Vorstellungen unterliegen. Es ist u n d bleibt aber eine künstlerische Arbeit, f ü r die es zwar keine Rezepte, aber doch beachtenswerte Prinzipien gibt. W e n n es gelingt, das bestimmende Prinzip der ästhetischen F o r m unmittelbar aus der räumlichen U m g e b u n g abzuleiten, dann bleibt das Museum als N u t zer baukünsterlischer Substanz in dem R a h m e n des längst anerkannten Bauoder Raumdenkmals lebendig. Die museale Adaption wird leichter, je mehr adäquate Beziehungen zwischen den Schau-Objekten und dem Raum bestehen. Dazu gehören Maßstab, inhaltliche, stoffliche, formal-gestalterische u n d qualitative Gemeinsamkeiten. Das Schaustück ist im Museum auch Teil seiner U m g e b u n g . Die künstlerische Einheit sollte das Ergebnis der Raumgestaltung sein. N o t w e n d i g sind Ein- u n d U n t e r o r d n u n g sowie ein großes M a ß an Bescheidenheit u n d Sachlichkeit in allen Details. U n a n g e b r a c h t sind laute oder f r e m d e 41
Elemente, eine Instrumentalisierung, Moden oder gar eine neue Romantik. Nötig sind vielmehr Zeit zum Anhören, Abtasten, Einfühlen, Respektieren — ganz einfach zum Studieren von Objekt - Aufgabe — Raum — Aussage. Mit dem „Zweck . . . der Erbauung . . . im Museum" meint doch I C O M mit anderen Worten das sich U^oW-Fühlen des Besuchers. Erst sein Verweilenwollen führt doch zur Aufnahmebereitschaft und zum Weiterkommen, zum Vertiefen, zum mehr Wissenwollen. Ist es nicht auch eine Kunst, unauffällig Wissens- und Liebenswertes zu vermitteln? Das Wohl-Befinden des Betrachters hängt von einer Reihe ziemlich genau bestimmbarer Regeln ab. Alle zusammen zählen zur künstlerischen Einheit eines Raumes, auch des musealen Schaubereiches. Denn erst das künstlerische Element wird den Besucher unmittelbar und ganz persönlich ergreifen. Das Wie ist im Museum ebenso wichtig wie das Was und Warum. Deshalb plädieren wir für das Schau-Museum, in dem der Raum, das Sammlungsgut, die Art seiner Präsentation und die Rezeptionsbedingungen für den Besucher als eine erlebenswerte Einheit erfahren werden können und auf diese Weise einen lohnenden ästhetischen Genuß ebenso versprechen wie einen intellektuellen Bildungsgewinn.
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JOHANNES WETZEL
Bürgerhaus als Museum Das T h e m a „Bürgerhaus als M u s e u m " in der langen Reihe von Referaten dieser Tagung ist einem Architekten anvertraut, dem — hier, wenn ich recht sehe, nahezu einzigen -
Vertreter des Berufstandes, der Ihnen das Gehäuse schafft
für Ihr Museum. Oder, da es um Denkmale geht, dies Gehäuse wiederherstellt, sichert und nutzbar macht. Partner also der Denkmalpflege wie der Museumsmacher, wenn Sie mir den etwas saloppen Ausdruck einmal erlauben wollen. Aufgabe des Architekten am Kulturdenkmal ist bei aller eigenschöpferischen Gestaltung vorrangig diese Sicherung und Bewahrung historischer Substanz, wobei in aller Regel an der Erhaltenswürdigkeit weniger zu zweifeln ist als an der Erhaltungsfähigkeit eines Bauwerkes, die der kundige Architekt mit zu beurteilen hat. Er soll die Verantwortung übernehmen für alle gemeinsam beschlossenen baulichen Maßnahmen, zu kalkulierten Kosten übrigens. Α und Ο ist dabei die künftige Nutzung der Immobilie. Es ist kein Zeichen schlechten Charakters, Eigentum - auch das Kulturdenkmal — nutzen zu wollen, Nutzen bringend materiell oder ideell. Darauf zu verzichten kann sich kaum jemand leisten, weder Privater noch Kommune. D e m historischen Bauwerk und eben auch dem Kulturdenkmal andererseits steht eine Aufgabe, eine sinngebende Nutzung wohl an, denn im Normalfall gibt es dann jemanden, der sich seiner annimmt, es unterhält. Welcher Nutzen aber ist angemessen, verträglich? Hier scheiden sich zwangsläufig die Geister. Die Denkmalpflege hat den möglichst unveränderten, substantiellen Erhalt des Geschichtszeugnisses zu vertreten, mit allen Narben und Veränderungen aus Zeit und Geschehen. D e r Eigentümer soll zunächst einmal, dem Gesetze folgend, jeglichem Verfall wehren, d.h., sein Baudenkmal angemessen unterhalten. U n b e n o m m e n bleibt ihm daneben, sich zur möglichen Verwendung oder Nutzung Gedanken zu machen und sich dazu behördlichen Einverständnisses zu vergewissern. Aus solcher Gegebenheit erwächst häufig einige Diskussion und schließlich eine veritable Baumaßnahme, zu deren Bewältigung dann ein „Neutraler" beigezogen wird, der Architekt. Er vertritt, wie erwähnt, zuvörderst das historische Bauwerk, und er muß sich mit all den divergierenden Vorgaben und Interessen auseinandersetzen, von Baugeschichte und Schicksal des ihm auf Zeit anvertrauten Gebäudes zu den Nutzungsvorstellungen des Eigentümers, der nun — oft nur zögernd — zum Bauherrn wird; von den Anforderungen der Denkmalpflege zu Baurecht und vorbeugendem Brandschutz, von der so wichtigen Bestands- und Schadensaufnahme zur Ermittlung der Kosten, samt gesonderter Ausweisung der denkmal43
bedingten Mehraufwendungen. Wegen möglicher Zuschüsse. Insgesamt ein respektables Paket, das in der Durchführung der Bauarbeiten nicht eben leichter wird. Sie kennen die Probleme und Schwierigkeiten, das berühmte Detail. Für den Architekten hilfreich und dem Kulturdenkmal äußerst zuträglich ist es, wenn die angestrebte Nutzung so weit wie irgend möglich dem „Angebot" folgt, wie es der Bestand hergibt, wenn die sicherungs- und nutzungsbedingten Eingriffe denkbar gering gehalten werden können. Von der so gefährlichen wie leider häufigen Ubernutzung des Kulturdenkmals, der Beinahe-Zerstörung, um es zu erhalten, versucht man immer wieder abzukommen, nicht immer mit Erfolg. Umsomehr freuen sich alle Beteiligten, wenn einmal Angebot und Nachfrage, wenn Denkmalbestand und Nutzungsabsicht nahtlos übereinstimmen. Und von solchem Fall soll hier, an zwei bescheidenen Beispielen, kurz berichtet werden. Fall 1: Ein kleinbürgerliches Häuschen — mit vier Jochen auf fast quadratischem Grundriß - knapp außerhalb des ehemaligen Stiftsbezirks und Mauerrings der Stadt Sindelfingen Übriggeblieben, k r u m m und schief, und dennoch bis in unsere Tage noch bewohnt. Dendrochronologisch datiert ins Jahr 1443; interessant, denkmalpflegerisch, wegen seiner Fachwerkkonstruktion: Es handelt sich um ein sogenanntes Firstsäulenhaus, bei dem die tragenden Ständer oder Pfosten — hier „Säulen" — an den Traufen über die beiden Geschosse, unter dem First des Satteldaches bis zur kräftigen Firstpfette emporreichen. Das Zwischengebälk ist auf eingezapfte Riegel verlegt - eingeschossen —, daher die Bezeichnung „Geschoßbau". (Abb. 1) Das Haus konnte am historischen Platz nicht gehalten werden. Davon ließ sich widerstrebend neben der Denkmalpflege auch die Mittelinstanz überzeugen, allerdings mit der zwingenden Auflage fachgerechter Translozierung. So kamen wir zu einem zu erhaltenden, völlig zweckfreien Kulturdenkmal. Zeitzeuge und Erinnerungsstück, ist das nicht „Museum" per se? Zwar wurde für das knappe Erdgeschoß noch, als Hüter des Hauses, ein Goldschmied gefunden, doch der durfte gerade eben seine Werktische einstellen und für gesicherte Fenster und Türen sorgen. In die Substanz eingreifen durfte er nicht, zum Beispiel auch nicht wärmedämmen. So blieb das Prinzip der Fachwerkbauweise innen und außen ablesbar, von der geschlossenen Decke über dem Erdgeschoß an sogar entlang der imponierenden, mittigen Firstsäule bis hinauf unter den First, da im Hauptgebälk der Boden nur als Teil-Podestfläche ausgelegt wurde. Das Haus als Museum. 1 Fall 2: Ebenfalls ein Fachwerkhaus vor der Stadtmauer, diesmal der alten Stauferstadt Waiblingen. Hier aber gut hundert Jahre später, um 1550 erbaut, ein mächtiges Gebäude, das in ein offenbar differenziert parzelliertes Grundstück geradezu raffiniert hineinkomponiert wurde. Womit Überlegungen eo ipso wi44
derlegt sind, wonach es sich um ein frühes Beispiel von Umsetzung und Zweitverwendung handeln könne; sicher galten Fachwerkbauten damals als „mobilia" — bewegliches Gut, zum Wegtragen und Wiederaufstellen —, doch da trifft das nicht! Bei dem zu beschreibenden Gebäude handelt es sich um einen mächtigen, zweigeschossigen Fachwerkbau mit steilem Satteldach, ein massives Kellergeschoß bergwärts eingegraben, nach Norden, zur Talaue freistehend. In diesem Untergeschoß stecken zweifellos Teile mehrerer Vorgängerbauten, die jedoch mit dem Fachwerkbau zu trapezförmigem Grundriß zusammengefaßt sind. Der einst imponierende Bau war nicht nur jahrhundertelang verändernden Eingriffen und Verformungen, sondern zuletzt massiven Störungen unterworfen, über lange Zeiten fehlende, ernsthafte Bauunterhaltung hatte zu schwersten Schäden geführt. 45
Die Frage der Erhaltungsfähigkei: war gestellt. Blieb bei verantwortlicher Sicherung und notwendiger Teilrekonstruktion noch ausreichende Originalsubstanz übrig, um eine beibehaltene Qualifikation als Kulturdenkmal zu rechtfertigen? Und, vor allem, was sollte die Stadt mit dem wiederhergestellten Gebäude anfangen? Eine bereits vorliegende, sehr sorgfältige Bestandsaufnahme und erste Kontaktüberlegungen mit Denkmalamt, Baurecht, erfahrenem Tragwerksplaner, dazu eigener Augenschein ermutigten den Architekten zu der Aussage: Erhalt vertretbar und — mit einigem Aufwand — möglich. Diese Bewertung wiederum führte bei der Stadt Waiblingen und ihren Gremien zu der Entscheidung, das Gebäude Weingärtner Vorstadt als städtisches Museum wiederherstellen zu lassen. Das ehemalige Bürgerhaus — möglicherweise der Gerberzunft zuzusprechen - als eigenständiger Zeuge der Stadtgeschichte. Diese Planungs- und Nutzungsvorgabe ist nach aller Erfahrung für das Kulturdenkmal selbst, wie - das sei unter Hinweis auf die Einleitung immerhin erwähnt - für den verantwortlichen Architekten und die begleitende Baubehörde schlichtweg ein Idealfall (Abb. 2). Im Falle Waiblingen wird die günstige Konstellation ergänzt durch die frühzeitige Beauftragung des künftigen Museumsleiters, der damit von Anfang an die Planung und Baudurchführung bis ins Detail begleiten konnte. Präsentiert wird im Museum die Geschichte von Stadt und Umland seit frühesten Zeiten, und es war und ist für den Architekten durchaus faszinierend zu beobachten, wie sich eben von der Mitte des 16. Jahrhunderts an die sozusagen persönliche Geschichte des Gebäudes in die der Stadt einklinkt und sie bis in unsere Tage begleitet, ja mit dokumentiert. Wir haben viele Gebrauchsspuren am Bau erhalten, fast nahtlos ergänzen sie sich mit den zugefügten Museumsstücken. Entscheidend für den Erfolg war und ist die Tatsache, daß das H a u s selbst eine durchaus eigenwillige Gestaltung mitbringt. Schönes, noch gemischt alemannisch-(oberdeutsch-)fränkisches Sichtfachwerk in Eiche außen, innen eine klare Grundrißgliederung mit sich kreuzenden Innenfluren und als Besonderheit zwei Bohlenstuben mit (heute rekonstruierten) Fenstererkern und erhaltenen Bohlen-Balkendecken, farbig gefaßt. Es könnten von Anfang an zwei Familien hier gehaust haben, und nicht gerade die ärmsten. Die Räume vermöchten auch heutigen Vorstellungen zu genügen, nur hätte man etwa bei Wohnnutzung sehr viel mehr Haustechnik und Installation einbringen müssen als nun für das Museum; und das war im Detail schon schwierig genug. Natürlich ist das hier gezeichnete Bild leicht idealisiert, doch das Ergebnis der gemeinschaftlichen Anstrengungen, zu denen die Handwerkerschaft das Ihre beitrug, kann sich, so meinen wir, sehenlassen.
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Anmerkung 1
Rein handwerklich gesehen keine sehr sorgfältige Arbeit. Vielleicht ohne gelernten Zimmermann schlicht „nachgebaut". Es gab in der Mitte des 15. Jahrhunderts schon eine hochentwickelte Holzbaukunst. Unser Firstsäulenhaus ist als spätes Beispiel einer frühen Bauweise anzusprechen.
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Aus der Diskussion Herr Zippelius: Sie sprachen sehr dezidien bei dem ersten Beispiel aus Sindelfingen von einem „zweckfreien Denkmal". Wird das Gebäude überhaupt irgendwie genutzt oder bleibt es so stehen? Und beim zweiten Beispiel aus dem 16. Jahrhundert erhebt sich auch die Frage: das eigentliche Leben aus diesem Hause ist natürlich verschwunden; hätte man nicht wenigstens in einem Teil des Gebäudes die ehemalige, wirklich bürgerliche Nutzung darstellen können? Herr Wetzel: „Zweckfrei" meine ich damit, daß wir die Möglichkeit hatten, dieses Haus-Museum wirklich ohne Bindung durch eine künstliche Nutzung so wiederherzustellen, wie wir es aus der Vergangenheit übernommen haben. Wir konnten die Rekonstruktion ohne irgendeine Bindung an einen Zweck, an eine Nutzung bis auf kleine Dinge im Erdgeschoß durchführen. Und das halte ich im Interesse des Beispiel-Baues, den wir in unsere Zeit hineinholen, für wichtig. Zu Waiblingen haben wir natürlich die Spuren von da ab, wo das Haut zeitgleich mit bürgerlichem Leben, mit Handwerk an Ort und Stelle stand, dargestellt.
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REINHARD SCHMOOK
Ländliche Baudenkmäler in Ostbrandenburg und ihre museale Präsentation Zum kulturellen Erbe im ländlichen Raum gehören vor allem die aus alten Volksbautraditionen hervorgegangenen Bauernhäuser und Wirtschaftsgebäude, aber auch die vielen dörflichen Gemeinschaftsbauten. Dies sind Kirche und Schule, Dorfkrug und Spritzenhaus, Mühle und Schmiede, Hirten- und Armenhaus, Back- und Brauhaus, die Leichenhalle, der Bahnhof und der Dorfanger selbst. Eine dritte Gruppe bilden die bei den Gütern gelegenen Gutsarbeiterhäuser und Schnitterkasernen. Von den ländlichen Gebäuden, die die Zeiten überdauert haben, stehen meist nur diejenigen unter Denkmalschutz, die einen überdurchschnittlichen Denkmalwert besitzen. Insgesamt gesehen sind das in Brandenburg nicht mehr sehr viele. Einen beträchtlichen Teil der überlieferten ländlichen Bauten von Denkmalwert haben die schweren Kämpfe des Jahres 1945 gerade im ostbrandenburgischen Raum für immer vernichtet. Hinreichende Dokumentationen gibt es von den meisten der zerstörten Gebäude nicht. Im 19. Jahrhundert begann ein allmählicher Prozeß der Verstädterung der Dörfer, in dem die alten Häuser bald zu Störfaktoren wurden. Heute noch ist manches Denkmal der ländlichen Kultur und Lebensweise durch diesen Prozeß bedroht, vielleicht mehr denn je. Die ländlichen Baudenkmale und überlieferten Siedlungsf )rmen bedürfen daher des Schutzes und einer verstärkten öffentlichen Fürsorge. Im Land Brandenburg wird das kürzlich verabschiedete Denkmalschutzgesetz hoffentlich in dieser Hinsicht wirksamer sein, als es in der untergegangenen D D R der Fall war. Für die ländlichen Bautraditionen sind immer Zweckmäßigkeit und handwerkliches Können bestimmend gewesen. Die so entstandenen Gebäude prägen das Landschaftsbild und stehen neben den Architekturleistungen der Hochkultur, etwa den Kirchen und Schlössern, als eigenständige Kulturleistung da. A m jeweiligen Zeugniswert jener Bauten für die Geschichte der ländlichen Kultur ist schließlich auch ihre Denkmalbedeutung zu messen. In einigen deutschen Landschaften gab es nicht erst im 19., sondern bereits im 18. Jahrhundert eine Zäsur in den Bautraditionen und im gesamten Siedlungsbild. Als Beispiel soll hier das Oderbruch vorgestellt werden, der Urtyp der friderizianischen Kolonisationslandschaft, gelegen nordöstlich Berlins zwischen Lebus und Oderberg an der mittleren Oder. In dieser Landschaft haben wir uns in den letzten Jahren mit der Erfassung der noch erhaltenen historisch bedeutsamen Gebäudesubstanz beschäftigt, uns um deren denkmalpflegerische 49
Betreuung gekümmert und erste Schritte der musealen Präsentation unternommen. Das Siedlungsbild im Oderbruch wird seit über zwei Jahrhunderten durch langgezogene Straßendörfer, viele Einzelgehöfte, Loose genannt, und leuchtende Fachwerkgiebel geprägt. Die meisten der Fachwerkhäuser entstanden zwischen 1790 und 1820. Im Oderbruch dominierte die Fachwerkbauweise bis um 1850 und wurde dann allmählich von der Massivbauweise abgelöst. Vor der friderizianischen Kolonisation, die 1753 einsetzte, war der am häufigsten anzutreffende Haustyp in den Altdörfern das märkische Mittelflurhaus (Abb. 1). Es steht immer mit dem Giebel zur Straße und hatte sich aus dem niederdeutschen Hallenhaus entwickelt. Ursprünglich war es ein Wohnstallhaus, das von dem schmalen Mittelflur in ganzer Länge durchzogen wurde. Später entfernte der Bauer die Stallzone, die ein eigenes Gebäude erhielt. Der Eingang liegt am Straßengiebel. Man betritt den Flur, von dem aus alle Räume zu erreichen sind. Das Mittelflurhaus ist wandständrig, d.h., es hat keine zusätzliche Tragekonstruktion im Innern. Ein fensterloser Raum mit Schlot ist das Herz des Hauses. Man nennt ihn die Schwarze Küche. Einen besonderen Charakter gewann das Mittelflurhaus oftmals durch Anfügen einer Vorlaube an den Straßengiebel. Im frühen 19. Jahrhundert wurden einzelne Dörfer des mittleren und unteren Odergebietes gänzlich von solchen Giebellaubenhäusern geprägt.
A b b . 1: Altwriezen im O d e r b r u c h . Mittelflurhaus aus der Zeit v o r der Oderbruchentwässerung im Rundlingsverband. F o t o : Reinhard S c h m o o k
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D i e ersten H ä u s e r der K o l o n i s t e n w u r d e n als T y p e n b a u t e n in F a c h w e r k errichtet und erhielten ein Rohrdach. D i e charakteristische D a c h f o r m war das Satteldach mit K r ü p p e l w a l m . Im U n t e r s c h i e d zu den genetisch älteren Mittelflurhäusern standen sie parallel zur Straße. D i e G r ö ß e des H a u s e s richtete sich jeweils nach der flächenmäßigen D i m e n s i o n der Kolonistenstelle, ebenso die Raumaufteilung. Im allgemeinen hatte ein Kolonistenhaus eine Stube, zwei Kamm e r n , eine K ü c h e , die den mittleren Teil des Flures e i n n a h m und als Schwarze K ü c h e ausgebildet war, sowie den angebauten Stall unter d e m gleichen D a c h . D i e s e eigentlichen Kolonistenhäuser hatten nur eine verhältnismäßig kurze Lebensdauer. D e r feuchte B a u g r u n d , schlechte oder ganz fehlende F u n d a m e n t e , ungenügendes Bauholz, Mangel an tüchtigen Handwerkern und allzu große Sparsamkeit, sprich G e w i n n s u c h t der U n t e r n e h m e r , bewirkten ihren schnellen Verfall. D o c h schon u m 1800 waren die H ä u s e r der ersten Kolonisationszeit größtenteils d u r c h U m - und N e u b a u t e n ersetzt. D i e Fruchtbarkeit des O d e r b r u c h b o d e n s und der Fleiß der bäuerlichen Siedler haben sehr schnell zu einem erheblichen materiellen W o h l s t a n d geführt, der den meisten einen H a u s n e u b a u u m diese Zeit gestattete. Ein übriges tat die an ihnen s c h o n weitgehend vollzogene B e f r e i u n g von den schlimmsten feudalen Lasten und auch v o n bedrücken-
bruch. 1. Bd. Taf. 50, Abb. 107
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den außerökonomischen Zwängen. Bei unseren Feldforschungen haben wir verschiedene Merkwürdigkeiten angetroffen, die bisher noch einer plausiblen Erklärung bedürfen. In Altmädewitz steht ein Mittelflurhaus, dessen Tragekonstruktion die eines niederdeutschen Hallenhauses ist. Wie dieses Haus in das Oderbruch k o m m t , ist aus den schriftlichen Uberlieferungen bisher nicht zu ermitteln gewesen. Das Verbreitungsgebiet der Hallenhäuser endet eigentlich in der Prignitz, im Nordwesten der Mark Brandenburg. Seit einigen Jahren läuft der Aufbau eines agrarethnographisch profilierten Freilichtmuseums in Altranft bei Bad Freienwalde. Hierhin werden manche Gebäude umgesetzt werden müssen, die am ursprünglichen Standort nicht zu erhalten sind. Allerdings sehen wir das Oderbruch selbst mit seiner historisch gewachsenen Siedlungsstruktur und den noch immer erkennbaren Zäsuren als Museumslandschaft an, die wir als solche gern präsentieren wollen. In ihrer Komplexität kann man sie nicht in den abgeschlossenen Bereich eines Museums holen. Leider kann man aber auch nicht jedes einzelne Haus unter Denkmalschutz stellen oder gar erhalten wollen. Aus diesem Grunde müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Ein typischer Rundling aus der Zeit vor der Bruchentwässerung ist das Dorf Altwriezen {Abb. 2). Es zeigt von allen Rundlingen im Bruch noch am besten das charakteristische Erscheinungsbild. Dieses Dorf wollen wir soweit als möglich erhalten. Leider gibt es auch hier schon irreparable Eingriffe. 1973 wurde die prächtige Fachwerkkirche mit ihrer barocken Innenausstattung abgerissen, ein schwerer Verlust. Eine typische Koloniesiedlung aus friderizianischer Zeit ist das Dorf Neulietzegöricke (Abb. 3). Es handelt sich um die älteste Kolonie im Oderbruch, angelegt als langgezogenes, streng symmetrisches Straßendorf mit zwei parallel laufenden Straßen und Resten des sogenannten Schachtgrabens dazwischen. A n den Straßen stehen die in Fachwerk erbauten Kolonistenhäuser mit der Traufseite zur Straße (Abb. 4). Die Kriegsschäden in diesem Dorf waren ziemlich gering. N o c h an ihrem alten Platz auf dem Anger steht die Kirche mit Glockenturm. Dieses Dorf steht als Ensemble unter Denkmalschutz und soll in seinem gesamten Erscheinungsbild erhalten bleiben. Bestimmte Baudetails, die besonders landschaftstypisch waren, aber inzwischen selten geworden sind, sollen an einer Exkursionsroute liegen, die vom Freilichtmuseum aus angeboten wird. Es sind dies zum Beispiel die Wurten, kleine Hügel, auf die man in der tiefer gelegenen Siedlungen die Häuser stellte, um einen Schutz vor dem Hochwasser der Oder zu haben. Die Route wird zu Fachwerk-Spritzenhäusern, Glockenschauern, Bethäusern, die mit der Schule kombiniert sind, und zu einer Bockwindmühle führen. Erleben muß man auch die verstreute Lage der vielen Einzelgehöfte (Loose), die seit den Separationen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Landschaftsbild wesentlich mitbestimmen. 52
Abb. 3: Plan des Kolonistendorfes Neulietzengöricke, 1753. Aus: Mengel, P.F. (Hg.). Das Oderbruch. 2. Bd., Abb. 88
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A b b . 4 : Neulietzegöricke. Quergegliedertes Kolonistenhaus um 1800 in der gleich nach 1753 angelegten friderizianischen Kolonie. F o t o : R . S c h m o o k
Zur Geschichte gehören aber auch die Wandlungen in der Wirtschaftsstruktur im 19. und 20. Jahrhundert, damit tiefe Zäsuren in der Lebensweise und nicht zuletzt auch die Folgen der schweren Kämpfe im Frühjahr 1945. Auf fast jedem Dorffriedhof liegen gefallene deutsche Soldaten begraben oder es findet sich an einem Grabenrand oder Bahndamm noch ein Birkenkreuz. Die gefallenen sowjetischen Soldaten ruhen in der Regel inmitten der Dörfer um pompöse Denkmäler herum. Im Freilichtmuseum Altranft selbst sind gute Voraussetzungen vorhanden, die Entwicklung eines ostelbischen Guts-Bauern-Dorfes zu zeigen. Das Herrenhaus steht in einem von dem berühmten Gartenkünstler Peter Joseph Lenne entworfenen Park. Es besteht aus einem Renaissancekern mit neobarockem Anbau von 1872. Hier hat die Zentrale des Freilichtmuseums ihren Sitz. Auf dem Anger finden wir ein Spritzenhaus aus Feldstein, ein märkisches Mittelflurhaus, die Dorfkirche aus dem 18. Jahrhundert. Es gibt eine Schnitterkaserne, diverse Landarbeiterwohnungen, Neubauernhöfe aus den endvierziger Jahren, einen Bahnhof, eine Schmiede, ein Backhaus und die Gehöfte der Bauern. Gerade sind das Wohnhaus eines Mittelbauern, ein Ernhaus aus der Zeit um 1800, sowie 54
die dazugehörige Feldsteinscheune restauriert worden. Das Wohnhaus kann bereits besichtigt werden, ein Auftakt der am musealen Objekt orientierten Öffentlichkeitsarbeit. Durch das Fließen beträchtlicher Fördermittel ist der Aufbau der Scheune wesentlich beschleunigt worden. Von einer derart effektiven materiellen Unterstützung von Seiten des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur konnten wir zu DDR-Zeiten nur träumen. Unter neuen kulturpolitischen Aspekten und völlig neuen Voraussetzungen ist das ursprüngliche Konzept wesentlich erweitert worden. Auf dem Gelände eines ehemaligen Schießplatzes der Sowjetarmee unweit des Dorfes sollen in einer idealen landschaftlichen Situation in den nächsten Jahren diejenigen Bauten wiedererrichtet werden, die nur noch durch Umsetzung gerettet werden können. Dabei wird Altranft nicht das einzige brandenburgische Freilichtmuseum bleiben. Ein zweites wird wegen einiger Besonderheiten in der Hauslandschaft der Prignitz ebendort errichtet, und zwar in dem Dorf Demerthin. Ein drittes Freilichtmuseum ist für die Niederlausitz geplant, dessen Standort noch gefunden werden muß. Diese drei Museen werden Zentren der wissenschaftlich betriebenen Erforschung und Dokumentation überlieferter Bau-, Lebens- und Produktionsweisen auf dem Lande sein. In den kommenden Jahren sind auch im Land Brandenburg erhebliche wirtschaftliche und strukturelle Wandlungen zu erwarten. Sie gefährden sowohl denkmalgeschützte als auch ungeschützte historische Bausubstanz, Alltagsarchitektur und Einzeldenkmale der Agrar- und Produktionsgeschichte an den überkommenen Standorten. Außerdem droht durch ungeklärte Nutzungsfragen der Verlust manch erhaltenswerter Bausubstanz. U m diese Gefahr für einen der wichtigen Teile der Landesidentität zu bannen, wird der Aufbau der brandenburgischen Freilichtmuseen, beginnend mit Altranft im Oderbruch, forciert und von allen Beteiligten nach Kräften gefördert.
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ROLF HÖHMANN
Denkmale der Industrie - Museen der Industrie? Die Gattung der Technischen Denkmale wird allgemein als besonders museumswürdig angesehen, da bei den oft spezialisierten Industriebauten andere Nutzungen nur schwer denkbar erscheinen. Die Erfahrungen der Denkmalpflege aus den letzten Jahren zeigen aber, daß Denkmalwert und museale Nutzung sich konträr zueinander entwickeln können. Im folgenden sollen dafür Beispiele aus verschiedenen Kategorien beschrieben werden. Die Betrachtung beschränkt sich dabei auf die immobilen Denkmale, die nur mit erheblichem Aufwand transloziert werden können. Das Schicksal der mobilen, also leicht zu transportierenden Technischen Denkmale wie den Land-, Wasser- und Luftfahrzeugen, aber auch der Maschinen ist leider oft zu traurig, um hier ausführlich diskutiert werden zu können. Dazu nur zwei Beispiele: Der schwunghafte Handel der diversen Museumseisenbahnen vor allem mit den begehrten Dampflokomotiven hat dazu geführt, daß fast in jedem Fall die für eine bestimmte Region oder Aufgabe typische Lokomotive bei einer weit entfernten Museumsbahn, oft auch unter völlig anderen Einsatzbedingungen, erhalten ist. Ein sinnvoller Austausch dieser meist privaten Objekte ist kaum noch möglich. Direkt betroffen ist die Denkmalpflege aber von dem zweiten, weitreichenderem Problem, der vorzeitigen Abgabe von Ausstattungsteilen technischer und industrieller Anlagen. Der Prozeß der Sicherung und Unterschutzstellung nicht nur Technischer Denkmale ist langwierig. Es ist fast die Regel, daß in der Zwischenzeit wichtige technische Ausstattungen verschwinden, die dann später auch in Museen wieder auftauchen (Motto: Jedem Museum seine Dampfmaschine). An diesen Aktionen beteiligen sich nicht nur gutwillige Technik-Nostalgiker, sondern auch ein gewerblicher Handel und beamtete Museumsleute. Selbst die Kokom-Organisation von Schalck hat entsprechende Angebote gemacht. Die immobilen Technischen Denkmale möchte ich in vier Gruppen einteilen, deren Denkmalwert meiner Meinung nach abnimmt, deren Museumswert aber steigt, also durchaus den Konflikt zwischen denkmalpflegerischer Erhaltung und musealer Präsentation darstellen sollen. Erste dieser Gruppen wäre die der verlassenen, „passiv" behandelten Technischen Denkmale. Die zweite, vielleicht „ a k t i v " zu benennende G r u p p e wird in ursprünglicher oder ähnlicher Form weitergenutzt. Dritte G r u p p e sind die echten Technikmuseen unterschiedlichster Konzeption, als vierte erscheint eine zunächst kurios erscheinende, gleichwohl vorhandene Kategorie von Museen, die wiederum Technisches Denkmal werden können. 56
Unter den passiven, verlassenen Denkmalen verstehe ich solche, die seit einiger Zeit in Ruhe gelassen wurden, möglicherweise sogar teilweise verfallen sind. Auch bei den herkömmlichen Denkmalen gibt es zahlreiche Objekte dieser Art. Die Reste des Holzkohlehochofens im oberhessischen Schönstein sind ein gutes Beispiel für diese Kategorie. N a c h der Stillegung um 1870 verfielen die Anlagen, heute stehen nur noch der Schornstein und das Fundament des Hochofens. D a aber auch keine wirtschaftlichen Interessen zur Nutzung des Geländes bestanden, konnten die Reste bis heute stehen bleiben und sind nun der einzige überhaupt noch erhaltene Hochofen in Hessen. Die lange passive Behandlung des Objektes hat also erst sein Uberleben ermöglicht. Ahnlich ist der Umgang, wenn auch in kürzeren Zeitabschnitten, mit den Hochofenanlagen in Völklingen im Saarland und in Duisburg-Meiderich, die beide 1985 stillgelegt wurden und deren Schicksal seitdem zwischen Abriß und Museumsnutzung unentschieden blieb. Da die Abrisse zunächst nicht durchsetzbar waren und auch an den hohen Kosten bzw. am derzeit niedrigen Schrottpreis scheiterten, ergab sich für beide Anlagen Zumindestens eine Gnadenfrist, in der Konzepte für einen möglichen Erhalt und dessen Konsequenzen entwickelt werden können. Das Hochofenwerk in Duisburg-Meiderich wurde in der Zwischenzeit in das Projekt der Internationalen Bauausstellung Emscherpark einbezogen, der Denkmalwert konnte untersucht und begründet werden, ein Erhaltungs- und Museumskonzept wird z.Z. entwickelt. In Völklingen ist die Situation weniger entschieden, Teile der Kokerei werden abgerissen, für Erhaltungsmaßnahmen sind keine Mittel vorhanden. In beiden Fällen hat die Dimension der Objekte zunächst schnelle Maßnahmen verhindert, das Problem für die Öffentlichkeit bewußt gemacht und eine Diskussion ermöglicht. Daß bei der möglichen Erhaltung ebenfalls „passive" Ansätze wie der sogenannte „kontrollierte Verfall" und punktuelle Sicherungsmaßnahmen erprobt werden sollen, wird den monumentalen Denkmalwert dieser technikgeschichtlichen Großobjekte nicht schmälern. Modelle für solche Vorgehensweisen sind bisher nur in Großbritannien zu finden, dem Mutterland der Industriearchäologie mit entsprechend längerer Erfahrung. Musterbeispiel wäre in dieser G r u p p e die Duddon Furnace im englischen Lake District, von der Größe, Technologie und Bedeutung her vielleicht mit dem anfangs erwähnte Schönstein vergleichbar. Hier wollte man einerseits den weiteren Verfall der Anlagen eines Holzkohlehochofens des vorigen Jahrhunderts stoppen, andererseits keine weitere Attraktion im touristisch überlaufenen Lake District schaffen, also ausdrücklich kein Museum einrichten. Die verbliebenen Anlagen wurden gegen weiteren Verfall gesichert und konserviert, der Zugang allerdings nicht verboten, da man dann erst recht mit Vandalismus rechnete. Als eher psychologische Sperre umgibt ein niedriger Zaun die An57
läge, an einer Eingangstür wird die F u n k t i o n des Hochofens und der Wert des Objektes erläutert. Dieser Minimalaufwand für ein passiv stehengelassenes, ohne musealen Aufwand dargestelltes Denkmal scheint sich bewährt zu haben. Allen in dieser Gruppe vorgestellten Beispielen ist der hohe Denkmalwert gemeinsam, der sich durch die original erhaltene Substanz ohne Zutaten oder spätere Veränderung und der Konservierung dieses letzten überkommenen Zustandes auszeichnet. Die Erfahrungen der letzten Jahre scheinen zu beweisen, daß dies durchaus ein positives Ergebnis im Sinne der Denkmalpflege sein kann. Die zweite Gruppe der aktiven oder genutzten Denkmale ist gekennzeichnet durch ihre lebendige Existenz innerhalb ihres ursprünglichen Funktionszusammenhangs bei nur wenig geänderten Nutzungen. Gerade für kleinindustrielle Anlagen ist die Verwendung von alten Produktionsgebäuden als Lager oder Werkstätten besonders typisch. Ein klassisches und für die Bundesrepublik wichtiges und bedeutendes Beispiel ist die Sayner Hütte in Bendorf. Auch dies ein frühes Hochofenwerk mit einer architektonisch anspruchsvollen Gießhalle, die unter preußischer Leitung und damit Berliner Einflüssen entstand. O b w o h l die Halle schon in Matschoß erster Veröffentlichung über Technische Denkmale in Deutschland erwähnt wurde, geriet das Bauwerk fast in Vergessenheit, um dann vor einigen Jahren von der Dankmalpflege wiederentdeckt zu werden. D e m privaten Eigentümer ist der Erhalt und die Renovierung der eindrucksvollen Halle zu verdanken, mit Hilfe der Denkmalpflege ist inzwischen auch der Hochofen restauriert. In der Halle wird weiterhin produziert. Ahnlich ist die Situation in Rheinböllen, wo die Gebäude einer ganzen, im Tal gelegenen Werksanlage erhalten sind, einschließlich der Unternehmervilla und der Grabkapelle. D e r heutige Eigentümer, ein Produzent von Autozubehör, benutzt die Gebäude als Lager und Werkstätten, für die moderne G r o ß produktion wurde nahe auf der grünen Wiese ein Neubau errichtet. Zwar sind in den Altbauten die maschinellen Einrichtungen nicht mehr vorhanden, sie sind aber trotz des hohen Alters für Industriebauten angemessen gepflegt, also weder überrestauriert noch bestandsgefährdet. H i e r ist ohne wesentliche Eingriffe der Denkmalpflege das äußere Bild eines frühen, eine Tallandschaft dominierenden Industriebetriebes erhalten. Waren die bisherigen Beispiele der Vergleichbarkeit halber der Eisenindustrie entnommen, so ist das nächste dem seltenen Bereich der Edelsteinverarbeitung zuzuordnen. U m Idar-Oberstein war eine die Wasserkräfte des Hunsrücks nutzende größere Zahl von Edelsteinschleifereien entstanden, eine Mischung aus Heim- oder Nebenerwerbstätigkeit und Kleinindustrie. Eine dieser Schleifereien in Asbach wird heute noch privat betrieben, wenn auch die Fortführung wegen der starken Konkurrenz aus Asien gefährdet erscheint. Bemerkenswert an diesem O b j e k t ist nicht das unscheinbare Gebäude, sondern der Arbeitsraum 58
der Schleiferei mit den Schleifstühlen für liegende und sitzende Bearbeitung und die fast hundert Jahre alte, vollständig erhaltene Einrichtung mit allen Werkzeugen und Ausrüstungen. Es ist kaum vorstellbar, daß diese Atmosphäre museal authentisch konserviert werden könnte. Die in Idar-Oberstein selbst als Museum eingerichtete Schleifmühle beweist dies im negativen Sinne. Wie könnte nun ein solcher Betrieb weiterarbeiten, als Technisches Denkmal erhalten bleiben und außerdem museal dargestellt werden? Ein Beispiel, wie dies zu leisten wäre, kommt wiederum aus Großbritannien, es steht gleichsam zwischen der zweiten Kategorie der noch aktiven Denkmale und der dritten der eigentlichen Museen: Die Stott Park Bobbin Mill stellte Holzspulen für Garne der englischen Textilindustrie her und wurde mit dem Niedergang dieser Industrie und der Einführung der billigeren Kunststoffspritzlinge unrentabel. Die einzigartige maschinelle Ausstattung und Technik dieses kleinen Betriebes sollte auf jeden Fall erhalten werden, wäre aber funktionslos wenig anschaulich gewesen. In F o r m einer (Weiter-)Beschäftigungsinitiative wird nun der Betrieb mit staatlichen Zuschüssen und Arbeitsbeschaffungsmittel weitergeführt, für die Führungen wurden nur wenige Änderungen am Betrieb vorgenommen und auch keine Sicherungsmaßnahmen z.B. an den offenen Transmissionen angebaut, wie dies in Museen sicher obligatorisch wäre. So ist es aber gelungen, die Arbeitsbedingungen und die spezielle Atmosphäre dieses Betriebes im Original darzustellen. V o r allem ist aber der Denkmalwert des O b j e k tes vollständig erhalten: es ist an O r t und Stelle verblieben, nicht verändert und mit der hergebrachten Nutzung gesichert. Die Einrichtung von Museen in Technischen Denkmalen ist dagegen dem Denkmalwert oftmals nicht förderlich. Für ein Museum gelten die Bedingungen der Öffentlichkeit, der Attraktivität, der pädagogischen Darstellung und anderes mehr. Diese Ziele sind zumeist nur mit Änderungen, Umbauten und Zutaten zur denkmalgeschützten Substanz zu erreichen. Die Beispiele sind zahlreich: Die Industriemuseen des Rheinlandes und Westfalens bemühen sich um eine dezentrale Darstellung der reichen Industriegeschichte des Ruhrgebietes möglichst an „Originalschauplätzen", also unter Einbeziehung existierender Technischer Denkmale der verschiedenen Produktions- und Infrastrukturbereiche. So ist beispielsweise um das Schiffshebewerk in Henrichenburg ein Museum der Binnenschiffahrt in der Einrichtung. Leider ist es nicht möglich, das außergewöhnliche Hebewerk selbst in Betrieb zu halten, sein Denkmalwert ist dadurch eingeschränkt. Die Anlagen der Zeche Zollern 2 / 4 in DortmundBövinghausen zählen zu den bedeutendsten Denkmalen dieser Art nicht nur in Deutschland; die Rettung dieses Objektes hat die Diskussion um den Erhalt von industriellen Denkmalen angeregt und bestimmt. Die zugehörigen Fördergerüste sind weit vor dieser Sicherung abgerissen worden; sie werden nun durch 59
ähnliche, translozierte Gerüste ersetzt. N a c h strenger denkmalpflegerischer Definition sind diese nicht Gegenstand einer Unterschutzstellung. Die Vorbilder für solche Museen sind natürlich wieder in England zu finden. Erstes O b j e k t in jeder Beziehung ist Coalbrookdale im Severn-Tal, Standort des ersten Kokskohlehochofens, der ersten eisernen Brücke der Welt und anderer wichtiger Industrien. Basis der heutigen industriell-musealen Landschaft waren industriearchäologische Ausgrabungen und dann folgend die Arrondierung alter Fabrikations- und anderer historischer Anlagen, finanziell unterstützt mit Mitteln der neuen Großgemeinde Telford. U m die Originalobjekte wie die Ironbridge, den Hochofen Darbys und diverser Fabriken ist eine Museumslandschaft entstanden, die durch ein größtenteils neu errichtetes Freilichtmuseum in Blists Hill ergänzt wird. Dort existieren Reste eines alten eisenerzeugenden und -verarbeitenden Betriebes, auf dessen Gelände transloziert wurden ein Walzwerk, eine Zeche, eine Pumpstation, eine komplette Dorfstraße usw. Diese Mischung war außerordentlich erfolgreich, so daß beinahe auf staatliche Zuschüsse verzichtet werden kann. Andererseits bedingt die professionelle Vermarktung auch eine konsequente Attraktivitätssteigerung, die manchmal an ein industriegeschichtliches Disneyland denken läßt. Wesentlich bescheidener, wenn auch dem gleichen Konzept folgend, gibt sich das Beamish Open Air Museum südlich von Newcastle on T y n e . Auf dem weitläufigen Gelände befinden sich in ähnlicher Weise translozierte O b j e k t e aus der nördlichen englischen Industrieregion, aber auch originale Kohlezechenbauten des Ortes. Bemerkenswert ist hier aber die gute Darstellung der Arbeits- und Umweltatmosphäre speziell der Bergbauten, die in ihrem Schmutz und Chaos konserviert sind und somit ein authentisches, zuweilen beängstigend realistisches Bild der Arbeit in der Vergangenheit bieten. Vorstellbar ist, daß neben den sicher denkmalwerten Originalobjekten in einer absehbaren Zukunft diese Museen in ihrer Gesamtheit ein D e n k m a l werden k ö n n t e n . Schon diskutiert werden kann diese Entwicklung bei der vierten Gruppe, den herkömmlichen Technikmuseen. Das Bergbaumuseum B o c h u m steht weder am Standort eines Bergwerkes, noch erschließt sein Fördergerüst einen Tiefbau. Das Gebäude beansprucht aber zu Recht D e n k m a l w e r t , der allein schon mit seinen bekannten Architekten Schupp und K r e m m e r zu belegen ist, die zahlreiche stilbildende Industriebauten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem im Ruhrgebiet entwarfen. Das Fördergerüst wird dann Denkmalwert erhalten, wenn es der letzte Zeuge dieser Art in der einst v o m Bergbau geprägten Stadt Bochum sein wird. Das wahre Denkmal eines Technikmuseums hätte das ehemalige Verkehrsund Baumuseum im Hamburger Bahnhof in Berlin sein k ö n n e n , wenn gegen seinen Erhalt in dieser F o r m nicht Bauschäden und administrative Probleme
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gesprochen hätten. O b diese heute sicher lösbaren Probleme den jetzigen U m gang mit dem Gebäude mit der fast völligen Zerstörung des denkmalwerten historischen Museumskonzeptes rechtfertigen, sei dahingestellt. Völlig neu erstellte Technische Museen werden in der nächsten Zeit selbstverständlich noch keinen Denkmalwert beanspruchen können. Das Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim wird so in ferner Zukunft vielleicht Denkmalwert für seine besondere Architektur beanspruchen, aber sicher nicht als originales Technisches Denkmal.
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REINHARD ROSENECK
Denkmallandschaft -
Museumslandschaft
Kulturdenkmale sind im weitesten Sinne die Dinge, die als Produkte menschlichen Schaffens die vielfältigen Spuren der Geschichte belegen und im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar" machen. Sie sind die Basisquellen für authentische, historische Informationen. Diese Basisquellen in ihren historischen Bezügen an O r t und Stelle zu erhalten, ist das entscheidende Anliegen der Denkmalpflege. Die Erkenntnis, daß die Vermittlung von Geschichte nicht eindimensional möglich ist und daß dingliche Geschichtsobjekte isoliert betrachtet, nur in wenigen Bedeutungsebenen erschließbar sind, hat dazu geführt, daß neben den Einzeldenkmalen und kleineren Denkmalensembles seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ganze Altstädte als Denkmale betrachtet und auch behandelt werden. Der Begriff des Stadtdenkmals wurde geprägt. D a ß sich eine derartige, in die Fläche gehende Betrachtungsweise nicht nur auf den städtischen Raum beziehen kann, sondern darüber hinaus gerade auch in die Landschaft gehen muß, wo nötig unter Einbeziehung von Städten oder Dörfern, ist nur konsequent. Das System der Bedeutungszusammenhänge kann dort noch erheblich vielschichtiger sein. Handelt es sich nun um eine Landschaft, die durch visuell erfahrbare, geschichtliche Zusammenhänge geprägt ist und die an menschliche Leistungen von allgemeiner Bedeutung erinnert, so ist diese als Denkmallandschaft zu bezeichnen. Tilmann Breuer, der die theoretischen Grundlagen zur Abgrenzung dieser Denkmalkategorie gelegt hat, charakterisiert die Denkmallandschaft als „Interaktion von Geschichte und Geographie"'. Da die historische Gesamtschau ihr besonderes Kennzeichen ist, kann unter einer Denkmallandschaft keine bloße Aneinanderreihung von Einzeldenkmalen oder Ensembles gemeint sein. Jedoch ist der erkennbare Zusammenhang zwischen einem klassischen Denkmal und der Landschaft zwingende Voraussetzung für die Existenz einer Denkmallandschaft, in welcher ferner räumliche Verknüpfungselemente vorhanden sein müssen, sowie ein von einer Leitnutzung abhängiges, dieses ergänzendes Nutzungssystem. Die Landschaft selbst muß dabei in jedem Fall durch menschliche Tätigkeiten formiert oder deformiert sein. U m Mißverständnissen vorzubeugen: Eine Denkmallandschaft kann und soll nicht nach den Buchstaben des Gesetzes unter Denkmalschutz gestellt werden. Die Offenheit des Systems ist Grundlage seiner Existenz. Entscheidende Funktion eines derartigen Systems ist es jedoch, ein Grundwissen über die Bedeutung der Denkmallandschaft zu vermitteln, damit deren Werte bewußt werden und in sämtliche raumrelevanten Pla-
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nungen und Aktivitäten ernsthaft einbezogen werden. Eine Denkmallandschaft ist keine Käseglocke! Als Beispiel einer industriell geprägten Denkmallandschaft sei der O b e r h a r z vorgestellt, in dem mindestens seit der Bronzezeit Bergbau betrieben wird. Kaum ein Wirtschaftszweig war so unmittelbar von bestimmten Standortfaktoren abhängig wie der Bergbau und kaum ein Wirtschaftszweig hat die Region, in der er betrieben wurde, so nachhaltig geprägt. Neben dem Vorhandensein des abzubauenden Gutes war die Verfügbarkeit von Energiequellen, in der Regel von H o l z und Wasser, zwingende Standortvoraussetzung. So fand die Entwicklung des Oberharzes zu einer klassischen Industrielandschaft folglich in unmittelbarer Abhängigkeit von den Rohstoffressourcen statt. Der Oberharz wurde jedoch auch durch weitere Nutzungen geprägt, welche die alles dominierende Leitnutzung Bergbau, der gemäß herzoglichem Dekret alles unterzuordnen war, nach sich gezogen hatte. Es entstand ein weitgehend autonomer Bergwerksstaat, in dem der vom H e r z o g eingesetzte Berghauptmann regierte wie ein König. Der H a r z ist das nördlichste deutsche Mittelgebirge. Der im Westteil gelegene Oberharz mit einer Ausdehnung von ca. 30 χ 30 km war das Zentrum des Bergbaus vor allem auf Metallerze, und zwar in erster Linie Silber, Kupfer, Blei und Schwefel. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich der Oberharz zu einem einzigen, über- und untertägigen Bergbauverbundsystem. Mit Wiederaufnahme des Bergbaus im 16. Jahrhundert — er war im 14. Jahrhundert durch die Pest zum Erliegen gekommen — entstanden, durch die herzoglichen Bergfreiheiten begünstigt, im Oberharz insgesamt sieben Bergstädte und zahlreiche Bergorte jeweils mit der gesamten für den Bergbau benötigten Infrastruktur. Es entstanden unterschiedlichste Stadttypen. So schmiegen sich die meisten Bergstädte, wie z.B. die Bergstädte Lautenthal oder St. Andreasberg der Topographie folgend in die Landschaft, wohingegen die Bergstadt Zellerfeld im 17. Jahrhundert von einem Markscheider aus dem Bergbau ohne Rücksicht auf die Topographie mit schachbrettartigem Stadtgrundriß konzipiert wurde. Von der unübersehbaren Zahl der in den Bergstädten und Bergorten noch heute bestehenden, unmittelbar durch den Bergbau bewirkten Bauten, seien nur ganz wenige, überwiegend aus dem 17. Jahrhundert stammende, stellvertretend für viele ähnliche aufgezählt: Die Bergkirchen, allen voran die mächtige Holzkirche in Clausthal, die Bauten der Bergbauverwaltung wie das Oberbergamt und das Zehntgebäude, die Münzstätten, das Kornmagazin am Harzrand in Osterode, zur Versorgung der Bergleute in Notzeiten mit preiswertem Getreide, die Bergapotheke in Zellerfeld, die Pochknabenschule in Lautenthal, die Bergund Hüttenschule in Clausthal, die Wohnhäuser der hohen Bergbeamten oder der einfachen Bergmänner und viele andere mehr. Außerhalb der Städte, in der Nähe ehemaliger Gruben haben sich viele Ze63
chenhäuser, also die Verwaltungshäuser der Bergwerke z u m Teil mit ihren Nebengebäuden erhalten. Von den Bergwerken selbst bestehen ebenfalls noch viele, und zwar mit Ubertageanlagen aus dem frühen 18. Jahrhundert in St. Andreasberg, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in Clausthal, w o aus dem späten 19. Jahrhundert sowie aus der Zeit der Jahrhundertwende noch drei weitere Bergwerke bestehen, sowie eine Schachtanalge aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in Bad Grund. Auch das durch die Bergleute geschaffene, mit seiner Entstehung bis in das Mittelalter zurückreichende Energiebeschaffungssystem der Oberharzer Wasserwirtschaft besteht noch heute. Von den ehemals 70 Speicherteichen haben sich fast alle, über den gesamten O b e r h a r z verstreut, erhalten. Als verbindendes N e t z sind die das Wasser zu den Teichen und von dort zu den Gruben führenden Sammel- und Aufschlaggräben erhalten, die hintereinandergehängt eine Länge von insgesamt ca. 250 k m haben würden. V o n den unzähligen erhaltenen Ingenieurbauelementen des Wasserwirtschaftssystems sei stellvertretend nur der Sperberhaier D a m m erwähnt, der zwischen 1732 und 1734 als Aquädukt über eine Länge von ca. 1000 m und eine maximale H ö h e von 14 m angelegt wurde, um das auf einer Hochfläche gesammelte Wasser über ein Tal hinüber zu den Bergwerken einer anderen Hochfläche zu leiten. U m ferner keine un-
Abb. 1: Clausthal-Zellerfeld. Wasserläufer Teich. Einer der rund 70 erhaltenen, künstlich angelegten Teiche des Oberharzer Wasserwirtschaftssystems
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nützen Umwege mit dem Wasser nehmen zu müssen, wurden zahlreiche Tunnel durch das Gebirge getrieben und wo nötig, mit kleinen Aquädukten untereinander verbunden; diese waren zum Teil sogar als Brücken angelegt. Als der Bergbau in immer größere Tiefen vordrang, begannen die Bergleute im Oberharz im 16. Jahrhundert mit der zum Teil Jahrzehnte dauernden Auffahrung von sog. Wasserlösungsstollen als natürlichen Wasserabläufen hin zu den Bergrändern, wie dem 12 km langen Sieberstollen in St. Andreasberg, dem zw ischen 1716— 1754 aufgefahren wurde, dem 1799 fertiggestellten, 13 km langen Tiefe-Georg-Stollen in Grund, oder aber dem 26 km langen, zwischen 1851 und 1864 geschaffenen Ernst-August-Stollen, dessen Mundloch in Gittelde liegt, und in dem bis in das 20. Jahrhundert hinein das Erz auf Kähnen zum Förderschacht transportiert wurde. Dokumente des vergangenen Bergbaus sind ferner die vielen über den gesamten Harz verstreuten sog. Pingen, die sich als Einsturztrichter an Stellen früherer Schächte gebildet haben oder die vielen Lochsteine, die Grenzsteine ehemaliger Grubenfelder. Von den weit mehr als 1000 ehemals bestehenden, zum Teil kleinsten Hüttenplätzen sind viele noch im Gelände erkennbar. Baulich erhalten hat sich die noch heute betriebene Königshütte in Bad Lauterberg aus dem 18. Jahrhundert. Als Landschaftsspuren sind ferner viele der ehemaligen Erztransportwege deutlich im Gelände als tief eingeschnittene Hohlwege erkennbar, ebenso die Trassen mit zugehörigen Brückenbauwerken der inzwischen eingestellten Eisenbahnen. Darüber hinaus prägen weitläufige Schlacken- oder Abraumhalden das Landschaftsbild. Mit diesen Halden hat der Bergbau die Voraussetzungen für eine einzigartige Pflanzenwelt geschaffen, die von erzhaltigen Böden abhängig ist. Neben den höheren Pflanzen, wie Frühlings-Miere, Hallers Grasnelke, GalmeiHellerkraut u.a. sind es insbesondere die niederen Pflanzen, vor allem die zahlreichen Gesteins- und Bodenflechten, die auch auf für höhere Pflanzen giftigen Substraten siedeln und die in vielen Fällen zu den größten Seltenheiten der europäischen Flechtenflora zählen. Auch die Umweltschäden als Folge der Hüttenabgase, in F o r m baumloser Berghänge erkennbar, prägen das Landschaftsbild und legen Zeugnis von vergangenen Tätigkeiten der Menschen ab. Uberhaupt ist das Erscheinungsbild des Oberharzes als Fichtenlandschaft ein Produkt des Bergbaus, denn nach der vollständigen Abholzung der ehemaligen Buchenwälder zur Verarbeitung zu Holzkohle oder zur Verwendung als Grubenholz wurde Ende des 18. Jahrhunderts eine umfassende Aufforstung mit schnellwachsenden Fichten durchgeführt, die zu dem heutigen Bild des Oberharzes geführt haben. Der Oberharz, der, wie nur skizzenhaft dargestellt werden konnte, durch den Bergbau von einer Naturlandschaft zu einer Kulturlandschaft geformt wurde, in der die geschichtliche Vielfalt allgegenwärtig zutage tritt, ist zugleich Denk65
mailandschaft ersten Ranges. Diese Denkmallandschaft erschließt sich dem Betrachter nicht in Momentaufnahmen, sie erschließt sich ihm nur im Durchwandern oder Durchfahren, also in der geistigen und räumlichen Verknüpfung der Geschichtsspuren. D e r Versuch, Industriegeschichte des Harzer Bergbaus umfassend in einem Museum, also in einer statischen Einrichtung vermitteln zu wollen, m u ß deshalb scheitern. Aus dem Zusammenhang herausgelöste und in das Museum, also in die räumliche Isolation versetzte O b j e k t e , können dem Betrachter nur einen geringen Teil der Informationen vermitteln, die er am originalen Standort hätte erhalten k ö n n e n . Wird die Denkmallandschaft H a r z nun unter dem Aspekt der Geschichtsvermittlung betrachtet, so ist festzustellen, daß sich dort, von der Fachöffentlichkeit weitestgehend unbemerkt, in den letzten Jahrzehnten etwas entwickelt hat, das sich, ausgehend von der Definition des Begriffes Denkmallandschaft, mit aller Vorsicht, als durchaus fortgeschrittener Ansatz einer Museumslandschaft bezeichnen läßt. Museumslandschaft ist dabei durchaus nicht als eine Ansammlung klassischer Museen zu verstehen, sondern als didaktisch erschlossene Denkmallandschaft.
In dieser didaktisch aufbereiteten
Denkmallandschaft
k o m m t den Museen jedoch eine wichtige ergänzende F u n k t i o n zu. N o c h ohne aufeinander abgestimmtes Konzept und ohne theoretisches Gedankengerüst verfolgt der Oberharzer Geschichts- und Museumsverein seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts die richtige Absicht, „. . . Geschichte dort (zu) erklären, wo sie stattgefunden hat und damit den großen Zusammenhang der Bergbaulandschaft konkreter (zu) verdeutlichen, als dies ein aus seinen lokalen Bezügen gelöstes Exponat zu leisten vermag" 2 . Zu diesem Zweck wurden an allen bedeutenden Stätten des historischen Oberharzer Bergbaus gelbe Hinweisschilder in der F o r m kleiner Fichten aufgestellt, die mittlerweile zu einem O b e r h a r z e r Markenzeichen geworden sind. Gleichzeitig wurden die nicht mehr betriebene G r u b e Samson in St. Andreasberg sowie der 19-Lachter-Stollen in Wildemann als Besucherbergwerke hergerichtet. Neben diesen befinden sich im Oberharz an bergbauhistorischen oder -musealen Einrichtungen die bedeutende Mineraliensammlung, der aus dem Bergbau hervorgegangenen Technischen Universität Clausthal, das mit einzigartigen Beständen ausgestattete Archiv des Oberbergamtes ebenfalls in Clausthal sowie das im Jahr 1892 gegründete O b e r h a r z e r Bergwerksmuseum in Zellerfeld. Zusätzlich wurden, ohne Koordination, v o m persönlichen Engagement bergbaugeschichtlich interessierter Kreise getragen, zu Beginn der 80er Jahre im Bereich historischer Gruben Bergbaueinrichtungen nachgebaut und Bergbaurelikte dorthin gebracht. Es wurde außerdem ein funktionsfähiges Kunstgezeug, bestehend aus Kunstrad und kraftübertragendem Feldgestänge einem historischen Vorbild im Maßstab 1:2 nachgebaut sowie ein im Aufschlagwasser spendenden, benach-
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A b b . 2 : Clausthal-Zellerfeld. Sperberhaier D a m m . Im J a h r 1734 fertiggestellter Aquädukt mit Hinweistafel des O b e r h a r z e r Geschichts- und Museumsvereins
barren Teich stehendes sog. Striegelhaus, die Grundablaßeinrichtung des Teiches, rekonstruiert. Diese Situation vor Augen machte die niedersächsische Denkmalpflege den historischen Harzer Bergbau vor etwa 10 Jahren zu einem ihrer Schwerpunktprogramme. Seitdem wurde das umfangreiche System der Oberharzer Wasserwirtschaft als Kulturdenkmal ausgewiesen und mit erheblichem Mitteleinsatz des Landes Niedersachsen kontinuierlich gepflegt und funktionsfähig gehalten. Die fünf bedeutendsten historischen Bergwerke wurden oder werden restauriert, ebenso zahlreiche Amts- oder Bergmannshäuser, das mächtige Harzkornmagazin in Osterode sowie verschiedene Bauten der erwähnten Königshütte in Bad Lauterberg. Alle diese Objekte nehmen im System der Museumslandschaft zentrale Positionen ein. Neben diesen baudenkmalpflegerischen Aktivitäten wird durch die niedersächsische Denkmalpflege das auf eine mehrjährige Dauer angelegte Forschungsprojekt „Montanarchäologie" im Harz durchgeführt, das schon zahlreiche bedeutende Funde und damit verbunden neue wissenschaftliche Erkenntnisse hervorgebracht hat. Die Erhaltungskonzeption für die unterschiedlichsten Sachzeugen des Bergbaus wurde von der Denkmalpflege zunächst allein aufgrund der historischen 67
Bedeutung der Anlagen sowie aufgrund ihrer Beispielhaftigkeit für den Harzer Bergbau entwickelt. Nachdem nunmehr auch eine gesicherte Trägerschaft für drei der bedeutendsten Bergwerke gefunden werden konnte, befindet sich die Harzer Museumslandschaft — Museumslandschaft im vorab definierten Sinne — in einer Phase der Neuorientierung, und zwar auf wissenschaftlicher Grundlage. Unter Einbeziehung der bereits bestehenden Ansätze ist Leitziel, die Erhaltung und didaktische Erschließung der Denkmale des Harzer Bergbaus vor Ort. Hierzu werden thematisch orientierte, unterschiedliche Rundwege zu den Stätten des Bergbaus entwickelt und für Besucher erschlossen werden. Vorbereitende oder begleitende Informationen müssen ferner im Oberharzer Bergwerksmuseum oder in den museal betreuten Kulturdenkmalen, die ihrerseits zum Teil auch Ausgangspunkte der Wege sein können, zu erhalten sein. Neben diesen in die Fläche zielenden Aktivitäten, die aufgrund der räumlichen Kompaktheit die besondere Qualität des Oberharzes und Goslars ist, wird sich das Konzept der Harzer Museumslandschaft so darstellen müssen, daß jede Einrichtung einen thematischen Schwerpunkt repräsentiert oder dokumentiert, so daß der interessierte Besucher nicht Gleiches oder Ahnliches an verschiedenen Orten vorfindet. Hierzu wird auch ein Austausch von Exponaten gehören müssen. Um den Harz als eine der historisch wichtigsten und denkmaldichtesten Bergbaulandschaften überhaupt, seiner hohen Bedeutung entsprechend, auf wissenschaftlicher Grundlage im skizzierten Sinne didaktisch-museal aufzubereiten, wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur ein Modellvorhaben begonnen, das durch eine im Oberharz angesiedelte, wissenschaftlich besetzte Fachstelle durchgeführt wird, der ein interdisziplinärer Fachbeirat an die Seite gestellt wurde. Neben den bereits genannten Zielen besteht der Arbeitsauftrag in Bestandserfassung, wissenschaftlichem Austausch, Erarbeitung einer Gesamtkonzeption, museumsinternen Attraktivierungen sowie gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit. Dieses ehrgeizige Vorhaben wird sicherlich aufgrund der unterschiedlichen, in der Regel kommunalen Trägerschaften der bestehenden Einrichtungen nicht einfach zu realisieren sein. Die konzeptionelle Richtung des zu erarbeitenden Gesamtkonzeptes ist durch die bestehenden Kulturdenkmale, zu denen auch das Oberharzer Bergwerksmuseum zählt, hingegen bereits vorgegeben und stellt sich wie folgt dar: Letztgenanntes Museum nimmt für die Vermittlung der Geschichte des Oberharzer Bergbaus durchaus eine zentrale Stellung ein, und zwar zunächst als klassisches Industriemuseum in der Grundkonzeption des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Dort befinden sich bergbauhistorische Sammlungen, darunter eine bedeutende Modellsammlung von Bergbauanlagen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein zugehöriges Freigelände, auf das zu Beginn der 30er Jahre des 20. Jahr68
A b b . 3: Clausthal-Zellerfeld. O b e r h a r z e r Bergwerksmuseum. Blick auf das Freigelände mit einigen der zu Beginn des 20. J a h r h u n d e n s d o r t h i n translozierten Bergwerksanlagen. Im Vordergrund ein Gaipel, im H i n t e r g r u n d ein P o c h w e r k
hunderts einige volleingerichtete, historische Bergwerksanlagen aus dem 18. und 19. Jahrhundert transloziert wurden und ein gleichzeitig, in Verbindung mit diesen aufgefahrener, etwa 250 m langer Besucherstollen. Neben der Präsentation der geschilderten Bestände kommt dem Oberharzer Bergwerksmuseum eine wichtige Koordinierungsfunktion zu, da ihm einige der restaurierten Kulturdenkmale als Außenstellen zugeordnet wurden. Dieses ist zunächst der OttiliaeSchacht in Clausthal, der als ehemaliger Hauptförderschacht des gesamten Oberharzes mit dem in Deutschland ältesten erhaltenen, eisernen Fördergerüst aus dem Jahr 1876 die vertikale und horizontale Fördertechnik der Oberharzer Gruben repräsentiert. Eine mehrere Kilometer lange, ehemalige übertägige Erzbahn wird auf der historischen Trasse rekonstruiert. Auf dem Freigelände wird die Oberharzer Fördertechnik dokumentiert werden. Als zweite Außenstelle repräsentiert der Kaiser-Wilhelm Il.-Schacht, der ebenfalls in Clausthal liegt, ein in den Ubertageanlagen komplett erhaltenes Bergwerk des späten 19. Jahrhunderts, bei dem u.a. die Fördereinrichtung mit der ehemaligen Dampffördermaschine aus dem Jahr 1880 vollständig erhalten ist. Als zusätzlicher Informationsschwerpunkt bietet sich bei dieser Schachtanlage die im Oberharz zu Beginn 69
A b b . 4 : Clausthal-Zellerfeld. Ottiliae-Schacht. Schachtanlage aus dem J a h r 1876 mit originalem Fördergerüst
des 20. Jahrhunderts weit verbreitete Energieerzeugung durch in den Schächten installierte Kraftwerke an, da der Kaiser-Wilhelm II.-Schacht mit sechs in 330 m Tiefe befindlichen Freistrahlturbinen das bedeutendste all dieser Kraftwerke besaß. Dieser Themenschwerpunkt ist auch deshalb richtig, weil dort gegenwärtig von den Harzwasserwerken des Landes Niedersachsen im Zusammenwirken mit der Denkmalpflege die Zentralstelle für die Unterhaltung des Kulturdenkmales Oberharzer Wasserwirtschaft eingerichtet wird. In der ehemaligen Waschkaue des Bergwerkes werden sodann, nach abgeschlossener Restaurierung, Relikte des Wasserwirtschaftssystems ausgestellt und Informationen über dieses vermittelt werden. Von hier aus werden auch verschiedene in der Konzeption befindliche Rundwege betreut werden, die besonders aussagekräftige Teile des Wasserwirtschaftssystems erschließen sollen. Da dieses Rundwegesystem an verschiedenen Stellen im Harz angeboten wird, werden vor O r t zusätzliche Informationsstellen inmitten der Anlagen eingerichtet werden. D e r Knesebeck-Schacht in Bad Grund repräsentiert eine komplette Schachtanlage aus dem Jahr 1924, deren besondere Attraktion der 45 m hohe Hydrokompressor zur Erzeugung von Preßluft, der letzte erhaltene in Deutschland, ist. Eine kleine Ausstellung im Maschinenhaus beschäftigt sich mit den R o h -
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Stoffen des Harzes. Die Grube Samson in St. Andreasberg repräsentiert ein Silberbergwerk der Zeit um 1750. Aus dieser Zeit stammen sämtliche Ubertageanlagen. Neben zwei Wasserrädern, einem davon aus dem frühen 19. Jahrhundert, befindet sich in dieser Grube die letzte original erhaltene und funktionierende Fahrkunst der Welt, die im Jahr 1837, nach Erfindung des Drahtseils durch den Harzer Bergrat Albert, als Drahtseilfahrkunst in den Schacht eingebaut wurde. Das in der zugehörigen Erzwäsche befindliche Heimatmuseum wird nach Erstellung einer Harzer Gesamtkonzeption wissenschaftlich zu bewerten sein. Der unmittelbar gegenüber der Grube Samson gelegene Stollen der Grube Catharina Neufang, der ebenfalls für Besucher zugänglich gemacht wurde, ermöglicht den Einblick in einen abgebauten ca. 200 m tiefen Erzgang des 19. Jahrhunderts, der in keinem anderen Harzer Bergwerk möglich ist. Die Grube Roter Bär, an anderer Stelle in St. Andreasberg gelegen, repräsentiert den für einige Harzbereiche typischen Kleinzechenbergbau auf Eisenerz, aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der wie viele ähnliche, als Familienbetrieb geführt wurde. Die für den Oberharzer Bergbau lebenswichtigen Wasserlösungsstollen werden durch den 1551 begonnenen und heute für Besucher zugänglichen 19-LachterStollen in Wildemann repräsentiert. Von den zahlreichen Blindschächten, also Schächten, die nicht nach Übertage austreten, die ehemals im Oberharz bestanden, ist der über den 19-Lachter-Stollen zu erreichende, 261 m tiefe Ernst-AugustSchacht aus dem Jahr 1845 der letzte zugängliche. Von einer stählernen Brücke aus ist der Blick in die gähnende Tiefe möglich. N u r zur Abrundung des Bildes, ohne aus Zeitgründen jedoch genauer darauf eingehen zu können, — hier wäre ein eigener Vortrag nötig — sei das am Harzrand in Goslar gelegene, 1988 stillgelegte Erzbergwerk Rammeisberg, das ebenfalls zur Harzer Museumslandschaft hinzugehört, zumindest noch kurz erwähnt. Dieses Bergwerk mit seinem einzigartigen Denkmalbestand, der ein Jahrtausend Bergbaugeschichte repräsentiert, ist nicht nur das bedeutendste Bergbaudenkmal Deutschlands, sondern es zählt zu den bedeutendsten überhaupt. Seit zwei Jahren wird im Rammeisberg ein Besucherbergwerk mit ergänzendem Bergbaumuseum eingerichtet. Leitziel ist dabei, das gesamte Bergwerk so zu erhalten und didaktisch für Besucher zu erschließen, wie es am Tage der Stillegung am 30. Juni des Jahres 1988 vorgefunden wurde. Mit den vorangegangenen, äußerst knappen Darstellungen komplexester Zusammenhänge sollte verdeutlicht werden, daß im Harz versucht wird, die Chancen, welche Denkmallandschaft als Museumslandschaft bietet, zu nutzen.
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Anmerkungen 1
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Tilmann Breuer, Denkmallandschaft. Ein Grenzbegriff und seine Grenzen, in: Osterreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 37, 1983, S. 75 - 82. Helmut Radday, Mit Haspel, Fahrkunst und Computer. Harzer Bergbau einst und jetzt, Clausthal-Zellerfeld, 1988, S. 9.
II Museen in Baudenkmälern
E G O N JOHANNES GREIPL
Bayerische Museen in Baudenkmälern In den folgenden zwanzig Minuten m ö c h t e ich Ihnen ein paar Gedanken zum T h e m a „Museen in bayerischen B a u d e n k m ä l e r n " vortragen. Zwanzig Minuten: damit stünden für jedes bayerische Museum, das in einem Baudenkmal eingerichtet ist, schätzungsweise 1,7 Sekunden zur Verfügung. U n d das dürfte gerade dazu reichen, den jeweiligen Museumsnamen verlesen. Es bleibt also nur der exemplarische W e g , d.h. Grundzüge zu benennen und diese Grundzüge an einzelnen Beispielen plastisch zu machen.
/.
Museumslandschaft
V o r wenigen W o c h e n hat die Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen in Bayern beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege das neue H a n d b u c h „Museen in B a y e r n " der Öffentlichkeit vorgestellt. In diesem Buch sind 900 Häuser erfaßt und beschrieben. D a v o n sind etwa 100 staatlich und 800 nichtstaatlich, d.h. k o m m u n a l , unter der Trägerschaft von Landkreisen oder Bezirk e n , K i r c h e n , F i r m e n , Vereinen oder Privatleuten. W e n n man nun diese gewaltige Masse unter dem Aspekt „Museen in B a u d e n k m ä l e r n " betrachtet, fällt folgendes auf: 1. Isoliert stehen die O b j e k t e der staatlichen Schlösserverwaltung. In diesen Baudenkmälern sind ja in der Regel keine Museen eingerichtet, sondern die Baudenkmäler sind selbst O b j e k t , feudale Freilichtmuseen in situ sozusagen. 2. D i e staatlichen Hauptmuseen, die P i n a k o t h e k e n , das Bayerische Nationalmuseum, das Völkerkundemuseum, die Prähistorische Staatssammlung, auch das quasistaatliche D e u t s c h e Museum, sind in Gebäuden untergebracht, die eigens als Museumsgebäude errichtet wurden. Manche dieser Museumsbauten sind allerdings inzwischen zu Baudenkmälern geworden. Das Bayerische A r m e e m u s e u m im Ingolstädter Schloß fällt nur scheinbar aus dem R a h m e n , da es seinen ursprünglichen Platz ja im als Museum errichteten Kuppelbau am M ü n c h e n e r H o f g a r t e n hatte. 3. Anders verhält es sich mit den im R a h m e n des Museumsentwicklungsprogramms konzipierten staatlichen Zweigmuseen. Diese sind durchweg in Baudenkmälern eingerichtet, die vordem einem nichtmusealen Z w e c k dienten. 4. Ahnliches gilt in ganz überwiegendem M a ß , nämlich zu ca. 80 %, von den 800 Nichtstaatlichen Museen Bayerns. 75
II. Allgemeinere
Überlegungen
D i e meisten unserer bayerischen Museen sind also in Bürger- und Bauernhäusern, Burgen und Schlössern, Schulen und Rathäusern, Gewerbebetrieben und Fabriken untergebracht, gebaut zum W o h n e n , Arbeiten, Verwalten oder Verteidigen, keinesfalls aber, um als Ausstellungsräume zu dienen. D e r Museumsb o o m der letzten Jahre hat wohl zwei wichtige Gründe, die aber beide aus der gleichen Wurzel erwachsen: aus der Besinnung auf die vergangene Kultur und Geschichte, besonders die der eigenen Heimat, mit der man sich wieder lieber identifiziert. Man ist dadurch weitaus sensibler im Umgang mit Baudenkmälern geworden oder hat es nach den Bestimmungen des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes werden müssen. Was noch vor einigen Jahren ohne großes Aufsehen der Spitzhacke zum O p f e r gefallen wäre, wird heute aufwendig saniert. Andererseits ist das Interesse an lokaler und regionaler Geschichte und Kultur gestiegen, suchen die Teilnehmer von Volkshochschulkursen Relikte längst ausgestorbener Gewerbezweige zu entdecken, haben aber auch Freizeitgesellschaft und Wohlstand es vielen Leuten ermöglicht, private Sammlungen anzulegen oder für ihre Gemeinde ortsgeschichtliches Material zusammenzutragen. Beide Aspekte, wie gesagt aus der Suche nach Identifikationsmöglichkeiten und Haltepunkten in einer zunehmend technisierten und anonymen U m w e l t geboren, treffen häufig aufeinander, wenn nach einer Nutzungsmöglichkeit für ein denkmalgeschütztes O b j e k t gesucht wird. Die Errichtung des Heimatmuseums in einem historischen Gebäude scheint der beste Weg, das Gebäude dauerhaft zu sichern, scheint aber aus der Sicht des Laien auch für das Museum „ideal": Das Gebäude, selbst ein Stück Heimatgeschichte, wird kurzerhand zum Sammlungsobjekt, und schon von weitem k o m m e n Assoziationen mit seiner Nutzung auf. Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz anhalten und fragen: Warum eigentlich sieht man die Verbindung von Altem mit Altem, also historischer Gegenstände mit historischer Bausubstanz, so einleuchtend und sinnvoll an? Zweifellos ist es sinnvoll, die Einrichtung eines Schlosses aus dem 18. Jahrhundert auch in einem Schloß zu präsentieren, also im Idealfall in situ, oder, wenn dies nicht möglich ist, mit deutlichem Verweis darauf, daß die Zusammenstellung der möglichen Ausstattung nachempfunden ist. Ebenso zeigt man die Einrichtung einer Schmiede wohl besonders eingängig im dazu gehörigen Gebäude. Komplizierter wird es, wenn das Alter von Gebäude und ausgestellten Gegenständen das einzige verbindende Glied ist. Wie kann man Schmiedewerkzeuge in den Räumen eines Schlosses zeigen, ohne entweder das Handwerkgerät in eine feudale Umgebung zu versetzen und zu riskieren, daß es in seiner Funktion nicht nachvollziehbar ist, oder aber durch entsprechende Einbauten die Innenräume 76
des Baudenkmals so weit zu verfremden, daß die Präsentation einigermaßen vertretbar ist. Hier beginnt oftmals das zähe Ringen zwischen denkmalpflegerischen Interessen und den Erfordernissen einer modernen Museumsgestaltung, wobei das Ringen weniger eine Sache verschiedener Dienststellen und Zuständigkeiten ist, sondern vor allem bei und in uns, den Beratern der bayerischen Museen, stattfindet.
III. Strukturelle
Voraussetzungen
Der gegenwärtige Umfang und die Struktur der bayerischen Museumslandschaft, mithin auch die museale N u t z u n g von Baudenkmälern, sind aber mit rein kulturphilosophischen oder kulturkritischen Überlegungen nicht zu deuten. Es gehört dazu der Blick auf sozial-, wirtschafts- und verwaltungsgeschichtliche Entwicklungen im Freistaat. Ich nenne einige Aspekte: 1. Die Gebietsreform des Jahres 1972, die Z u n a h m e der Verwaltungsaufgaben und damit der Ausbau und die Aufblähung der Gemeinde- und Kreisverwaltungen hatten sozusagen bauliche Folgen: Rathäuser und Landratsämter aufgehobener Gemeinden und Kreise wurden funktionslos. Andere Amtsgebäude erwiesen sich als zu eng, neue wurden errichtet und die alten, darunter viele Baudenkmäler, standen zur Disposition. Ebenso zur Disposition standen zun e h m e n d auch andere historische Bauten öffentlicher Art, die jahrhundertelang einer F u n k t i o n gedient hatten, plötzlich aber den gestiegenen oder gewandelten Anforderungen nicht mehr gerecht wurden. D a r u n t e r wären insbesondere städtische Lagerhäuser, Städel oder Spitäler zu zählen. U m das Nutzungsproblem dieser eigentlichen entfunktionalisierten öffentlichen Bauten zu lösen, griffen die Eigentümer gerne nach der Museumsidee. Sie brachten dort entweder vorhandene Sammlungen unter, stellten den Bau f ü r ein staatliches Zweigmuseum zur Verfügung oder konzipierten, nicht selten mit zunächst sehr dürftigen Sammlungsbeständen, ganz neue Museen zu ganz neuen T h e m e n . Mag das Museum zunächst auch nur die Krücke der Baudenkmalpflege gewesen sein: O h n e Zweifel hätten wir eine ganze Reihe hochinteressanter, moderner und attraktiver Museen nicht, wenn jener Zwang gefehlt hätte, über Gebäudenutzungen nachzudenken und sich etwas einfallen zu lassen. Ich möchte f ü r diesen Bereich der entfunktionalisierten öffentlichen Bauten einige Beispiele nennen: a) Das ehemalige Landratsamt des niederbayerischen Landkreises FreyungGrafenau, vormals Wolfstein. Hier handelt es sich u m ein fürstbischöflichpassauisches Pflegschloß mit teilweise bedeutenden Raumdekorationen. Der Landkreis errichtete ein neues Landratsamt und beschloß, wohlgemerkt ohne zunächst auf eine Sammlung zurückgreifen zu können, im Schloß ein Jagd- und 77
Fischereimuseum einzurichten. Andere heute museal genutzte ehemalige Landratsämter finden sich im oberpfälzischen Parsberg und im niederbayerischen Regen. b) Für die museale Nutzung eines denkmalgeschützten städtischen Funktionsbaus könnte der Amberger Baustadel stehen, ein Lagerhaus des 16. Jahrhunderts, das heute, nach einem beispielhaften Umbau, das Stadtmuseum beherbergt. Zu nennen wären auch der sog. „Leere Beutel" oder der Brückstadel in Regensburg, beides spätmittelalterliche Speicherbauten, heute teilweise museal genutzt. Der Funktionsverlust öffentlicher Gebäude hat eine Entsprechung in den profanierten und museal genutzten Sakralbauten. Bei Klosterkirchen, wie der alten Regensburger Minoritenkirche oder der Augsburger Dominikanerkirche handelt es sich sozusagen um Spätfolgen der Säkularisation. Auch die Regensburger Dompfarrkirche St. Ulrich war längere Zeit Museum, dann wieder Kirche, und heute versucht die Diözese die räumliche Verbindung von Museumsfunktion und liturgischer Nutzung. Das neue Schiffahrtsmuseum in Wörth am Main ist in die dortige Wolfgangskirche eingebaut. Ganz aktuell sind die musealen Nutzungen jüdischer Kulturbauten, etwa Fürth, Georgensgmünd, Urspringen oder Veitshöchheim. In diesen Fällen war der Funktionsverlust durch die Judenausrottung der Nationalsozialisten eingetreten. 2. Die Reformen des Schulwesens seit den 60er Jahren beraubten viele Dorfschulen ihrer Funktion. Im Zuge des Ausbaus im Höheren Schulwesen zogen ferner da und dort Gymnasien in größere Neubauten um und für die alten, z.T. denkmalgeschützten Häuser stellte sich die Frage der Nutzung. Dies ist der eigentliche Hintergrund der in ehemaligen Schulhäusern eingerichteten und ziemlich verbreiteten heimatgeschichtlichen Sammlungen und der sogenannten „Schulmuseen", die letztlich vom Inventar der aufgelassenen Schulen leben. Als hervorragende Beispiele für die Nutzung eines ehemaligen Gymnasiums möchte ich das in einem recht eindrucksvollen Barockbau untergekommene Museum der Stadt Landsberg am Lech nennen. Das Diözesanmuseum Freising hat sich im ehemaligen Knabenseminar zurechtgefunden. 3. Der z.T. geradezu revolutionäre Strukturwandel in Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie, ebenfalls verstärkt seit den 60er Jahren, ist es gewesen, der zur Einrichtung von Museen in entfunktionalisierten Bauernhäusern, Ställen und Scheunen, in Hammerschmieden, Mühlen und Fabrikgebäuden führte. Der einzige Weg, derartige Denkmäler wenigstens resthaft zu bewahren, bestand und besteht darin, sie in das Eigentum der öffentlichen Hand zu überführen und dann dort kleinere Museen einzurichten. Zwei unterfränkische Beispiele wären hier zu nennen: die Herrenmühle in Hammelburg, wo in Kürze ein städtisches Museum eröffnet wird, und die einzigartige Papiermühle von Homburg am Main, um deren Erhalt als Museum w i r uns verzweifelt bemühen. 78
4. Zu den strukturellen Voraussetzungen, die dazu führen, daß Museen in Baudenkmälern eingerichtet werden, gehören unbedingt die Finanzierungs- und Zuschußmöglichkeiten. Besonders hohe Fremdfinanzierungsanteile kann etwa eine K o m m u n e dann erzielen, wenn sie in einem Baudenkmal ein Museum einrichtet. In diesem Fall stehen und standen z.B. Mittel der Denkmalpflege, der Bayerischen Landesstiftung, der Tourismusförderung, natürlich der Museumsförderung und bis vor kurzem der Grenzland- und Zonengrenzhilfe zur Verfügung. Die kommenden Jahre werden, wie es aussieht, deutlich magerer. Bei der Errichtung von Museen wird dann das tatsächliche Interesse der Entscheidungsträger an der Aufgabe Museum klarer hervortreten, weil das Museum im Baudenkmal nicht mehr bloß ein bequemes Instrument der Zuschußfischerei ist.
IV. Interessenkonflikte zwischen Baudenkmalpflege und Museum Zum Schluß jetzt noch ein paar W o r t e zur grundsätzlichen Problematik des Museums im Baudenkmal. Das Baudenkmal wurde vor Jahrzehnten, meistens vor Jahrhunderten errichtet und war in den seltensten Fällen als Museum gedacht. W e n n also in einem Baudenkmal ein Museum eingerichtet werden soll, wird es maßgeschneiderte museumsfachliche Lösungen nicht geben. Falsch ist es, wenn der Baudenkmalpfleger, um überhaupt eine Nutzung vorschlagen zu können, „ M u s e u m " ruft, ohne eine museumsfachliche Beurteilung der Sammlung, des Gebäudes und der Standortvoraussetzungen zunächst abzuwarten. Und falsch ist es, wenn der Museumsmann Nutzungen vorschlägt, die in die Bausubstanz eingreifen, ohne vorher die denkmalpflegerische Konzeption abzuwarten. Das Interesse der Baudenkmalpflege richtet sich darauf, originale Substanz in möglichst großem Umfang zu erhalten. Das Interesse des Museumsmanns ist es, Verhältnisse zu schaffen, welche die O b j e k t e vor Verlust durch Diebstahl und vor Schäden durch Licht, Temperatur und Feuchtigkeit, vor Staub und vor Besucherzugriff bewahren und in ihrer Substanz sichern. So will der Denkmalpfleger zuerst die Substanz des Baus, der Museumsmann zuerst die Substanz der O b j e k t e schützen. Darüberhinaus m u ß der Museumsmann seine O b jekte vermitteln, d.h. er möchte sinnvolle Raumfolgen und Rundgänge anlegen, muß zusehen, daß Informationsträger installiert werden, Tafeln für Texte, Fotos und Grafik, daß museumspädagogische Räume da sind und vor allem ausreichende und konservatorisch befriedigende Depotflächen. Mit diesen beiderseitigen Interessen sind die Konfliktfelder schon angedeutet. D e r Museumsmann möchte Kunstlicht, während der Denkmalpfleger zu Recht findet, daß verbaute Fenster den Außeneindruck des Gebäudes und den Raumeindruck stören. D e r Museumsmann kann einen Dachboden mit Kalt-
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dach als Depot nicht brauchen und m u ß um die Objekte fürchten, w e n n keine stabile Raumluftfeuchte herrscht. Er braucht da und dort einen Wanddurchbruch, um einen schlüssigen Rundgang zu gewinnen und muß deshalb in solchen Fällen den Eingriff in die Bausubstanz fordern, ebenso wie beim Verlegen der für Klima, Beleuchtung und Sicherheit erforderlichen Leitungssysteme. Jedoch wäre in diesem Zusammenhang anzuführen, daß die Museumsleute vermehrt Methoden der Raumtemperierung vorschlagen, die in beispiellos schonender Weise mit dem Baudenkmal umgehen und darüberhinaus auf durchfeuchtetes Mauerwerk eine sanierende W i r k u n g ausüben. Trotzdem: Es wird immer schwieriger, Museen in Baudenkmälern einzurichten. Der Grund dafür ist geradezu ein Paradoxon. Es wird nämlich deshalb schwieriger, weil sich die Methoden und die Ziele sowohl der Baudenkmalpflege wie der Museen immer weiter vervollkommnen. Vor fünfzig Jahren richtete man Museen ein, indem man historische Möbel aufstellte, Vitrinen schön bestückte und Bilder mit dem Nagel an die Wand hing. Beleuchtung und Klima, Didaktik und Sicherheit spielten keine große Rolle. Und das Auge des Denkmalpflegers war noch nicht so dafür geschärft, daß eben auch der Nagel in der W a n d eine Beeinträchtigung des Denkmals bedeuten kann. W i r sollten, meine ich, die Schwierigkeiten positiv sehen, als ein Indiz für eine gestiegene Verantwortung gegenüber dem Baudenkmal, den Objekten und den Besuchern des Museums. Die Schwierigkeiten, die begegnen, wenn man Museen in Baudenkmälern einrichtet, führen heute über Diskussion und Kompromiß zu qualitätvolleren Lösungen als ehedem, zu einem Gewinn für das Denkmal und für die Sammlung. In einem Baudenkmal ein Museum einzurichten, ist eine mögliche Form des Umgangs mit dem Denkmal. Der Umgang mit Denkmälern ist durchaus vom Zeitgeschmack, vom Forschungsstand und von den Finanzen abhängig. Dazu hier im schwäbischen Lindau ein von H.M. Körner ausgegrabenes historisches Beispiel vom Umgang mit schwäbischen Denkmälern. Es handelt sich um das im staatlichen Eigentum befindliche Schloß Georgenberg bei Kaufbeuren und insbesondere darum, was man mit diesem Bauwerk anfangen könne. Die Münchener Ministerialbürokratie des Jahres 1878 war der Meinung, daß der Bauunterhalt von Ruinen kostengünstiger sei als der Bauunterhalt eines intakten Schlosses, führte aber dann doch aus: W e n n „von der ferneren baulichen Unterhaltung des gegenwärtigen Bestandes Umgang genommen und das Schloß durch Abbruch in eine Ruine umgewandelt werden soll, dürfte doch dafür Sorge zu tragen sein, daß dieselbe eine Zierde der Gegend bleibe." U n d die Regierung von Schwaben setzte noch eins drauf, sie meinte nämlich, durch „die Umwandlung in eine R u i n e " würde „die Ansicht des Schlosses ein schöneres Gepräge als bisher erhalten." Die Ruinifizierung als möglicher Umgang mit und als mög80
liehe Nutzung von Baudenkmälern: darüber sind wir in Bayern heute hinaus. Wir retten die Denkmäler mit aller Kraft, und wenn es gar nicht anders geht, indem wir ihnen ein Museum verpassen.
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Aus der Diskussion Herr Bacher: Danke vielmals für diesen sehr eindrucksvollen Überblick mit den beiden Schwergewichten des Museumsbaues als Denkmal; ich glaube, daß es konstruktiv ist für den Bau des Museums, daß er fast immer als DenkmalArchitektur schon konzipiert wird. Wir sind ja heute schon so weit, daß Museumsbauten als Denkmal-Architektur konzipiert werden, ohne daß sie eigentlich Museum sein müssen. Es genügt die Architektur allein schon für ein großartiges neues Museum. Für uns selbst überraschend ist die Tatsache, daß 80 % der übrigen Museen sich in Baudenkmälern etabliert haben. Das heißt, daß die Koinzidenz von Bedeutung zu Bedeutung, die gegenseitige Überhöhung, da Baudenkmal den Wert des Museums und umgekehrt doch ein sehr wichtiger und auch sehr sinnvoller Faktor in dem Ganzen zu sein scheint. Herr Rebemik: Ich stelle mir die Frage, welche anderen Nutzungen eigentlich für solche Denkmäler/Baudenkmäler günstiger sind Museen? Wenn ich das alles höre, ist eigentlich die ungünstigste Nutzung die als Museum. Herr Greipl: Nach meiner Kenntnis herrscht weitgehend Übereinstimmung, daß die Nutzung „Museum" als eine relativ die Bausubstanz schonende betrachtet wird. Wenn man etwa annehmen wollte, ein barocker Gymnasiumsbau würde heute für eine zeitgemäße höhere Schule umgebaut, dann würde mehr in die Substanz eingegriffen als für ein Museum. Ganz anders ist die Frage natürlich, welchen Sinn macht es, aus diesen Häusern einen Teil des Lebens herauszunehmen. Die Museumsnutzung wird auf jeden Fall noch als eine denkmalschonende empfunden. So viele andere kommen ja oft nicht infrage. Herr Bacher: Dazu kommt noch ja fast immer ein Abgeben eines Baudenkmals an die Öffentliche Hand. Und für die Öffentliche Hand unter dem Titel einer „allgemeinen kulturellen Nutzung" bieten sich eben an: das Museum, eine Veranstaltungsfunktion, obwohl diese ja dann den Punkt einer Sättigung solcher Unternehmungen bei uns vielfach schon erreicht haben.
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HANS CHRISTOPH ACKERMANN
Probleme der Integration eines Museums in historische Bauten am Beispiel des Historischen Museums Basel Das Historische Museum Basel besitzt außerordentlich reiche und qualitativ hochstehende Bestände. Die Anfänge der Sammlung reichen bis ins Jahr 1661 zurück und gehören somit zu einer der ältesten, öffentlichen Sammlungen weltweit. Die Objekte wurden merkwürdigerweise immer in umgenutzten Gebäuden verwahrt, anfänglich im Haus zur Mücke, einem mittelalterlichen Gesellschaftshaus, danach brachte man die Teile des Historischen Museums im ehemaligen Bischofshof unter, der seit der Reformation nicht mehr seiner Bestimmung gemäß genutzt wurde. 1894 erhielt das Historische Museum dann seine endgültige Unterkunft in der Barfüsserkirche, der ehemaligen Basler Franziskanerkirche. Heute sind die Bestände, die mittlerweile auf etwa 780 000 Einzelobjekte angewachsen sind, auf vier Ausstellungshäuser und 13 Außenmagazine verteilt. Diese Zahlen weisen bereits auf die Probleme hin, mit denen sich das Historische Museum Basel befassen muß. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle vor allem die problematische Seite der Integration von Museen in historische Bausubstanz anhand der Barfüsserkirche und des Hauses zum Kirschgarten vorführen. Daß eine solche Situation aber auch ausgesprochen positive Seiten hat, sei hier nachdrücklich betont. Die Barfüsserkirche war nach der Reformation in zwei Teile gegliedert worden. Der Chor wurde durch eine Mauer im Triumphbogen abgetrennt und mit Stockwerken in eine Fruchtschütte umgewandelt, während das Kirchenschiff bis zum Ende des 18. Jhs. als protestantischer Kirchenraum genutzt wurde. Nach 1798 wurde auf Befehl Napoleons hier ein Salzlager eingerichtet, was verheerende Spätfolgen auslöste. Im Laufe des 19. Jhs. verkam das Gebäude immer mehr, es wurde zu einem Geflügelmarkt und zu einer Dienstmänneranstalt, bis man sich in den 1880er Jahren dann entscheiden mußte, diese Kirche entweder niederzureißen oder ihr eine neue Zukunft zu sichern. Es gab Vorschläge für eine Neunutzung nichtmusealer Α π , zum Beispiel als Hallenschwimmbad. Es hätte dann wohl als Solebad dienen können. In einer Abstimmung im Großen Rat wurde mit 50 gegen 52 Stimmen beschlossen, ein Museum einzurichten, worauf das Gebäude 1894 als Historisches Museum der Stadt Basel eröffnet werden konnte. Beim Umbau der Barfüsserkirche zum Historischen Museum erfuhr das Gebäude eine erhebliche Umgestaltung. Bereits 1843 war der Lettner abgebrochen worden. Beim Umbau zum Historischen Museum wurden die beiden Seitenschiffe abgebrochen und ver83
Abb. 1: Innenansicht der Barfüsserkirche gegen Osten nach der Renovation 1 9 7 5 - 1981 mit rekonstruiertem Lettner. Foto: Hist. Mus. Basel M. Babey
schmälert. In den 1970er Jahren mußten Rettungsmaßnahmen für das Gebäude eingeleitet werden, da das Salz, das sich im Untergrund der Kirche befand, hygroskopisch in den Pfeilern heraufgestiegen war und die Bausubstanz bedrohte. Es wurde beschlossen, den Boden unter der Kirche auszuheben, bei dieser Gelegenheit ein Untergeschoß einzurichten, um die im 19. J h . eingerichteten Emporen überflüssig zu machen. Anläßlich der archäologischen Grabungsarbeiten, wurden gänzlich unerwartet, Fundamente einer ersten Barfüsserkirche aus dem 13. Jh. entdeckt. Die authentischen Teile des heutigen Baus stammen aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. Nach der Eröffnung 1894 befand sich das gesamte Museumsgut in der Kirche und ihren Emporen in eingebauten Vitrinen. Der Kirchenraum war dem Zeitgeschmack entsprechend vollgestopft; heute würde man einen solchen Zustand aus museologischen Gründen zu erhalten versuchen. 1950 begann man die Kirche zu entrümpeln, dadurch kamen die Einbauten der Emporen wesentlich deutlicher zur Geltung. Es wurden neue Vitrinen in parataktischer Ordnung aufgestellt, vollgestopft mit den Objekten, die das Museum zu beherbergen hatte. Der Umbau 1975 bis 1981 bedingte wesentliche Eingriffe. Der Lettner wurde wieder hergerichtet, 84
die Seitenemporen wurden entfernt, man versuchte somit den Eindruck des Kirchenraums vor 1843 wieder herzustellen. Aus finanziellen Gründen mußte auf gewisse Änderungen verzichtet werden, so konnte man beispielsweise die alten Seitenschiffwände nicht auf das alte Niveau hinaus verschieben. Das Kirchenschiff wurde, um den Kirchenraum möglichst von Ausstellungsobjekten unbeeinträchtigt zu lassen, mit Ausnahme der Brunnenstöcke, die in der Stadt durch Kopien ersetzt wurden, freigehalten. Da in diesem Raum bisher jährlich Wechselausstellungen gezeigt werden, ist diese Lösung ästhetisch nicht sehr befriedigend. Von der Lettnerempore blickt man ins Chorhaupt, das eine Höhe von 22 m aufweist und vor Licht gleißt. 1894 wurden hier, in den Ost- und Südfenstern, eine Abfolge von Wappenscheiben der Basler Familien als Lichtschutz eingesetzt. Im Chor sind, an sich in idealer Umgebung, kirchliche Kunstwerke ausgestellt. Da ich in diesem Beitrag, trotz der wunderbaren Bestände des Museums, in erster Linie über die negativen Aspekte sprechen möchte, muß ich hier auf die Lichtverhältnisse hinweisen, die, vor allem die gefaßten, kirchlichen Skulpturen in 10 Jahren um mindestens 100 Jahre altern lassen. Vor einem Jahr habe ich vorgeschlagen, eine moderne Verglasung anbringen zu lassen, was aber vom Denkmalpfleger von Basel-Stadt abschlägig beschieden wurde. Danach hat man sich auf Vorhänge geeinigt. Das hatte aber zur Folge, daß die beinahe einzigen, noch erhaltenen mittelalterlichen Glasgemälde, die aus der Basler Kartause stammen und bisher im Chor der Barfüsserkirche zu besichtigen waren, weggenommen und ins Magazin verbracht werden mußten. Die Kartause, die noch kirchlich, allerdings lutherisch, genutzt wird, verlangt daraufhin die Scheiben zurück. Das würde bedeuten, daß die Scheiben wieder an ihren angestammten Platz zurückkämen. Die Ausgleichung der Niveauunterschiede wurde vom Architekten ursprünglich durch eine offene, schräge Rampe über ein ganzes Seitenschiff hinweg vorgeschlagen. Das hätte ein Aufschlitzen der ganzen Bausubstanz zur Folge gehabt. Das Problem wurde gelöst, indem man im Südschiff zwei Fensterjoche auf das ehemalige Außenniveau verbreiterte. In diesem Bereich wurde eine A n Glockenstuhl errichtet, der aus Eichenbohlen besteht, die auf mittelalterlichen Sandsteinkonsolen ruhen, welche von einem alten Basler Stadttor stammen. Mit dieser Einrichtung nahm man eine museale Verfälschung in Kauf, da diese Konsolen ursprünglich außen, unter Sandstein-Blendarkaden angebracht waren. Aus denkmalpflegerischen Gründen durften wir keinen Lift auf diese Empore führen, so daß auch Behinderte nur über die Treppe hinauf gelangen, um die hier eingerichteten Wechselausstellungen zu besuchen. Auch das ästhetische Mitklingen des über 80 m langen Kirchenschiff verursacht Probleme, die bei Ausstellungen auf der Empore berücksichtigt werden müssen. Die mittelalterliche Bausubstanz im Bereich des heutigen Untergeschosses be85
stand aus großen, aufgeschichteten Steinfundamenten für die Sandsteinsäulen der Kirchenschiffe. Das hier lagernde Salz hatte das ganze Gebiet bis zum Grundwasserspiegel durchdrungen, so daß sämtliche Fundamente durch Betonpfeiler ersetzt werden mußten. Zu unserer Überraschung kamen bei den Ausgrabungsarbeiten die Fundamente der ersten Barfüsserkirche zum Vorschein, die 1256 eingeweiht worden war, weshalb die Ausstellungspläne entsprechend geändert werden mußten. Vorgesehen war, hier einen Lichthof für das Untergeschoß einzubauen, stattdessen entschied man sich, im Fundamentbereich der Barfüsserkirche I die archäologische Abteilung der Stadtgeschichte unterzubringen. Diese wird hauptsächlich in Vitrinen gezeigt, um den Blick auf die Fundamente der ersten Kirche nicht zu behindern. Die Ausstellung der Stadtgeschichte unter dem neugewonnenen Raum des Mittel- und Nordschiffes hingegen ist sehr neutral gehalten. Die Pfeilerstützen stehen unter den Säulen des Mittelschiffes oben. W i r nehmen an, daß die Chor-Unterkellerung im 19. J h . entstand und als Kohlenkeller für die Heizung des Museums diente. Die Bestände des Museums haben im Laufe der Zeit sehr zugenommen, so daß Außenstellen geschaffen werden mußten. V o n den heute drei Außenstellen möchte ich an dieser Stelle vor allem das „Haus zum Kirschgarten" einer kritischen Betrachtung unterziehen. Dieser Bau wurde von Johann Ulrich Büchel, dem begabtesten Architekten des Basler Frühklassizismus, in den Jahren von 1775 bis 1780 für einen Basler Seidenhändler, Johann Rudolf Burckhardt, errichtet. Z u r Straße hin weist es eine üppige Hausandsteinfassade auf, die für die sonst eher spartanische Bauweise Basels außerordentlich reich gestaltet ist. Dieses Gebäude änderte im Laufe des 19. Jhs. einige Male den Besitzer, blieb bis in die Mitte des 1. Weltkriegs in Privatbesitz und wurde dann vom Staat übernommen. Das Historische Museum Basel erhielt 1923 als Legat zuerst ein anderes Gebäude, den Segerhof, als Burckhardt'sches W o h n m u s e u m , das aber 1935 einer Straßenverbreiterung zum Opfer fiel. Daraufhin wurde das Haus zum Kirschgarten dem Museum als Ersatz in Aussicht gestellt. Bei Beginn des 2. Weltkrieges wurden hier aber militärische Büros und ein Postbüro eingerichtet, weshalb das Haus erst 1946—1951 zum Museum umgebaut werden konnte. V o r dem U m b a u befand sich im Erdgeschoß eine große Durchfahrt für Kutschen, die dann im halbrunden H o f gewendet werden konnten. Seitlich lagen das K o n t o r des Hausherrn, dessen privates Büro und Bibliothek. Auf der Gegenseite befanden sich zwei Bedienstetenräume, eine sehr große Küche mit Anrichte und die Bedienstetentreppe. Während des Umbaus von 1946 - 1951 wurde die gesamte Kücheneinrichtung entfernt und in diesem Raum eine Ausstellung für Keramik eingerichtet. Die Bedienstetentreppe wurde ab dem Erdgeschoß ebenfalls aufgehoben. Die eigentliche Funktion dieser Räume ist deshalb nicht mehr erkennbar.
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A b b . 2: Küche aus dem ehemaligen Segerhof, eingebaut im Bereich der Dienstbotentreppe des Hauses zum Kirschgarten. F o t o : Hist. Mus. Basel M . Babey
Im ersten Stock befindet sich eine große Eingangshalle, ein Gästeschlafzimmer sowie eine Enfilade von Repräsentationsräumen, die auch von einem Dienstbotengang her zu betreten waren. Im zweiten Stock lagen das Schlafzimmer der Dame des Hauses mit Boudoir, das Schlafzimmer des Hausherrn und dessen Studierzimmer, dazwischen ein gemeinsamer Wohnraum, ferner zur Rückseite des Hauses hin das Zimmer des ältesten Sohnes sowie jenes der Amme mit dem jüngsten Kind der Familie. Die älteren Kinder und die Dienstboten lebten im Dachgeschoß. Die baulichen Eingriffe im zweiten Stock hatten zur Folge, daß hier der Dienstbotengang nicht mehr zugänglich ist und die Treppe für die Dienstboten nicht mehr existiert. Heute ist an Stelle des Treppenaufgangs die ehemalige Küche aus dem Segerhof untergebracht, von der zwar sämtliche Besucher wegen der schimmernden Kupfergeräte entzückt sind, die aber, gemessen an den Bedürfnissen eines herrschaftlichen Hauses, in einem lächerlich kleinen Raum eingepfercht ist und die sich auf dem falschen Stockwerk befindet, da sie natürlich 87
unten sein müßte. Im ersten und im zweiten Stock liegen heute Wohnräume, die aus über einem Jahrhundert stammen und deshalb dem Eindruck des ursprünglichen Hauses überhaupt nicht mehr entsprechen. Abschließend möchte ich auf den Gesamtzustand des Hauses zum Kirschgarten eingehen. Im Keller wurde der ursprüngliche Naturboden, der zum Teil mit Rheinwacken versehen war, mit einem Tonplatten-Boden belegt, um Vitrinen aufstellen zu können. Im Erdgeschoß befindet sich anstelle der ehemaligen Küche die Sammlung der Pauls-Eisenbeiss-Stiftung, die hauptsächlich aus Meissner-Porzellan besteht. Im ersten Stock dient der ehemalige Dienstbotengang zur Unterbringung des Putzmaterials und der Raum, den einst die Dienstbotentreppe einnahm, beherbergt die Kostümsammlung, die unglücklicherweise von zwei Seiten her Licht empfängt. In den Schauräumen dieser Etage sind neben dem Mobiliar zahlreiche Kleinobjekte ausgestellt. Da es seit den sechziger Jahren häufig zu Diebstählen dieser Gegenstände kam, entschied man sich während der letzten Umbauten in den Jahren 1984 — 1986 dazu, Glaswände einzubauen, die zwar ästhetisch nicht befriedigen, aber die Möglichkeiten bieten, Kleinobjekte großzügig auszustellen. Ein Schlafzimmer ist mit einem barocken Alkoven und einem Kachelofen ausgestattet, die beide wesentlich älter als das Haus sind. Die meisten der im Haus zum Kirschgarten zu besichtigenden Kachelöfen sind nicht funktionsfähig eingebaut. Der einzige Ofen, der noch seinen Vorkamin hat, ist sehr groß, steht aber in einem viel zu kleinem Louis XV-Kabinett. In den ehemaligen Mansarden der Kinder und der Dienstboten ist heute die Spielzeugsammlung untergebracht, die in diesen Räumen eigentlich nichts verloren hat.
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Aus der Diskussion Herr Mayr: Eine Frage zur Baugeschichte: Sie haben davon gesprochen, daß der Lettner, entfernt im 19. Jahrhundert, wieder eingebaut wurde. Ich möchte gern wissen, wie ist der Niveau-Unterschied zwischen Schiff, Lettner und Chor. Können Sie etwas dazu sagen, wie Sie das entweder auf Befund gelöst haben oder auf museumstechnische Voraussetzungen? Herr Ackermann: Glücklicherweise auf Befund. Es sind von einem früheren Lettner Durchgänge zu ehemaligen Nordkapellen erhalten geblieben, die uns das Niveau angaben. Herr Rutishauser: Sie haben sich sehr kritisch geäußert, daß die Denkmalpflege den Lift nicht zugelassen hat. Man muß auf der anderen Seite sagen, daß gerade Lift-Einbauten in historischen Häusern und Museen unseres Kantons Graubünden die größten Eingriffe verursachen. Wir weihen am nächsten Sonntag ein Haus ein, wo der Lift abgesegnet war ; das ist der Hof in Trun, ein Sommerhaus des Klosters Disentis, „Ortli Schagrischa" (?), Ende 17. Jahrhundert. Da hat man den Lift in den Toilettenturm einbauen wollen. Ein sehr martialisch mit Schießscharten ausgestatteter Toilettenturm. Wir wollten die Toiletten beibehalten, wenn auch moderner eingerichtet, und es ist uns zustatten gekommen, daß wegen 12 cm der Lift nicht gepaßt hat. Jetzt ist kein Lift drin. Ich bin mir bewußt, daß es Museen geben wird, die in diesem Sinne nicht den letzten Komfort bieten können. Aber das Thema „Lift" und eben die Eingriffe, die in diesen Sekundärräumen geschehen, scheint mir ein ganz wesentliches Problem zu sein. In der Regel sprechen wir von „Substanzen", wir versuchen sie zu bewerten als Denkmalpfleger und unsere Kollegen vom Museum auch, und in dieser Bewertung fallen diese Sekundärdinge, die in der Typologie unendlich wichtig sind, dann einfach weg, weil es der unansehnlichste O r t ist. Herr Bacher: Wir kämpfen in Wien im Moment auch gegen sehr weitreichende Projekte einer Modernisierung des Oberen Belvedere als Museum mit baulichen Eingriffen, die aus der Sicht der Denkmalpflege indiskutabel sind und wo es sehr schwer ist, sich mit den Argumenten gegen den Versuch, das Museum dadurch attraktiver zu machen, durchzusetzen.
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WOLF KARGE
Museen in mittelalterlichen Stadttoren MecklenburgVorpommerns. Kompromiß und Kontroverse Von den bedeutenden Bauten des Mittelalters in Mecklenburg-Vorpommern haben Kirchen und Rathäuser, soweit noch vorhanden, ihre ursprüngliche Funktion fast ausschließlich erhalten. Burgen aus dieser Zeit sind nur vereinzelt und rudimentär vorhanden. Sie werden, soweit das noch möglich ist, museal genutzt. Unterschiedlich ist die Nutzung der mittelalterlichen Klosteranlagen. Hier reicht die Spanne vom Museum (Greifswald, Stralsund, Rostock, Ribnitz-Damgarten) über Stadtarchiv (Stralsund) bis zu Wohnungen oder Ruinen, wobei Eldenea natürlich dank Caspar David Friedrich das bekannteste Beispiel darstellt. In diesem Beitrag soll es aber ausschließlich um die museale Verwendung mittelalterlicher Stadttore gehen. Sie stellen insofern eine Besonderheit dar, da sie insgesamt in ihrer Nutzung keine Kontinuität aufweisen. Ihre Funktion als Fortifikationsbauten hatten sie spätestens nach dem 30jährigen Krieg verloren. 1595 wird z.B. die Festung Neubrandenburg schon als veraltet bezeichnet.' Ihrer militärischen Bedeutung verlustig gegangen, boten sie aber noch bis in das 19. Jh. Kontrollmöglichkeiten für den Reisenden und leisteten „den auf Akzise- und Zolleinnahmen bedachten Städten zuverlässige Dienste" 2 . Die dazugehörigen Torschließerhäuser waren ebenfalls in dieser Zeit noch in Betrieb. Im 18. Jh. begann sich auch die städtische Jurisdiktive für die fast ausschließlich leerstehenden oder als Zeughaus genutzten Stadttore zu interessieren. Sie wurden in verschiedenen Fällen für die Arretierung von Trunkenbolden, Dieben und anderen straffällig Gewordenen genutzt, ohne jedoch jemals Strafvollzugsanstalten gewesen zu sein. Auf Einzelbeispiele wird noch eingegangen. Bei kunstgeschichtlicher Betrachtung der in Mecklenburg-Vorpommern noch ungewöhnlich zahlreich vorhandenen Stadttore (nach dem Motto: Armut ist immer noch die beste Denkmalpflege) fällt auf, daß im Gegensatz zu Klöstern, Kirchen und Rathäusern die prächtigsten Bauten sich nicht in den alten Hansestädten an der Ostsee sondern im Binnenland befinden. Friedland, Anklam und Neubrandenburg bieten dafür heute noch augenfällige Beispiele. Vielleicht ist die Meinung von Gerd Baier eine plausible Erklärung; er schreibt: „Sicherlich boten Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald im Mittelalter auch dem sich ihnen auf dem Landweg Nähernden eine eindrucksvolle Silhouette dar, wie wir sie teilweise heute noch erleben. Aber die Tatsache, daß diese Städte bis zum 18. Jh., von wenigen Ausnahmen abgesehen, stets vom Wasser her dargestellt worden sind, spricht dafür, daß Rat und Bürgerschaft die dem Hafen zugekehrte Front als die wichtigste und eigentlich repräsentative angesehen haben" 1 .
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Allgemein waren die frühen Stadttore in Mecklenburg-Vorpommern in ihrer Entstehungszeit schlichte Funktionsbauten, die über der Durchfahrt lediglich ein Geschoß hatten, das für die Mechanik des Fallgitters, die Wachstube und die Installation der Verteidigungsgerätschaften diente. Sie waren als einfacher Kubus oder mehrgeschossiger Turm auf quadratischem Grundriß errichtet, mit einer spitzbogigen Durchfahrt und einem Walmdach versehen. Ihre Namen entstanden ganz pragmatisch überwiegend aus den in ihrer feldwärts liegenden Richtung nächstbefindlichen Städte — so etwa Rostocker, Grimmener oder Stralsunder Tor. Später wurden sie aufgestockt und mit repräsentativen Giebeln versehen. Die Bauten des 14. und 15. Jh. erhielten diese feldseitige Pracht schon im Aufbau. Die gegenwärtig museal genutzten Stadttore entstanden mit dem Ausbau der Städte und ihrer sich rasch entfaltenden Blüte vom 13. bis zum 15. Jh. Anschließend erfolgten in wenigen Fällen noch modische Veränderungen im Geschmack der Renaissance. Neubauten der folgenden Jahrhunderte sind Ausnahmen. Das erste Tor, das einer genaueren Betrachtung unterzogen werden soll, ist das Kröpeliner Tor in Rostock. Es wurde 1280 erstmals erwähnt, ist aber in seinem unteren Teil auf die Mitte des 13. Jh. zu datieren. Im 15. Jh. wurde es bis zur heutigen Höhe aufgestockt und erhielt mit den vier gestaffelten Blendgiebeln und dem Dachreiter über dem gekreuzten Dach einen in unserem Raum für derartige Bauten ungewöhnlichen Abschluß. Unterhalb der Giebel wurde ebenfalls in dieser Zeit ein Wehrumgang angebracht, der aber bereits im 17. Jh. nicht mehr vorhanden war 4 . Ein historisierender Vorbau im Stil der Neogotik aus der Mitte des 19. Jh. wurde während des Krieges schwer beschädigt und 1949 vollständig abgetragen. Mit 47 Metern Höhe ist es auch das höchste Bauwerk dieser Art im Lande. Bereits Anfang der 60er Jahre entstanden Pläne, den Turm auszubauen und für eine öffentliche Nutzung als Aussichtsturm vorzusehen. Bemerkenswert der Stoßseufzer des ehrenamtlichen Denkmalpflegers vom Februar 1961: „ . . . noch immer kein Kostenanschlag für das Kröpeliner Tor fertiggestellt. Es ist auch eine gräßliche Bummelgesellschaft. Leider wohnen sie (die Projektanten — W.K.) am anderen Ende der Stadt, so daß ich ihnen nicht dauernd auf der Pelle sitzen kann" 5 . Es gingen auch noch einige Jahre ins Land bis 1968 pünktlich zur 750-Jahr-Feier der Stadt das Kulturhistorische Museum mit seiner stadtgeschichtlichen Ausstellung die Pforten öffnete. Es war damit nach dem Treptower Tor in Neubrandenburg das zweite Stadttor in unseren Breiten in musealer Nutzung. Denkmalpflegerisch war der Turm außen nach den Befunden saniert worden (diese Prozedur mußte in den zurückliegenden Monaten wiederholt werden, da sich die Blendgiebel teilweise aus ihrem Verbund gelöst hatten und auf die Straße zu stürzen drohten). Innen war von der alten Substanz kaum etwas erhalten. Mit dem Innenausbau begann aber auch ein massiver Eingriff in das be91
deutende Denkmal. Stahlbetonkonstruktionen für Decken und Granittreppen, wie auch Parkettfußboden und Paneelwände führten zu einer nicht erforderlichen Verfremdung. Bei gleichem oder sogar geringerem Kostenaufwand wären hier bessere Lösungen möglich gewesen, wie sie in den folgenden Beispielen sichtbar sind. Einmalig ist auch die Schließung der Durchfahrt, da ein Torschließerhaus oder ein anderes neues Funktionsgebäude für Kasse, Toiletten etc. nicht zur Verfügung stand. Diese Bauteile wurden in der Durchfahrt installiert. Das Kröpeliner Tor weist auch nach seiner erneuten denkmalpflegerischen Sanierung viele funktionelle Probleme auf. Das Steintor in Anklam wird in seiner Entstehung auf die zweite Hälfte des 14. Jh. datiert. Um 1450 erfolgte die Aufstockung auf eine Höhe von 32 Metern mit fünf Geschossen. 1936 wurde es erstmalig restauriert und 1962 erneut außensaniert. Seit dieser Zeit existierten auch Pläne, den Turm als Museum auszubauen. Im Juli 1960 schrieb der Museumsleiter (in Personalunion Denkmalpfleger der Stadt) an das Institut für Denkmalpflege in Schwerin: „Wir werden selbstverständlich am Außenbau keine wesentlichen Änderungen vornehmen" 6 . Der Ausbau zum Museum zog sich auch in diesem Fall hin. Zwei wesentliche Probleme standen zur Debatte. Das Tor wurde etwa seit 1585 als Gefängnis genutzt und war über vier Etagen mit je einem doppelten Gewölbe versehen. Noch in der denkmalpflegerischen Zielstellung von 1978 war die Erhaltung der Gefängniszellenstruktur und die Erschließung des fünften Geschosses durch den Einbau einer zusätzlichen Treppe vorgesehen. Während der Bauarbeiten zeigte sich aber, daß die Last der Zwischenwände auf den Scheitel der tonnengewölbten Durchfahrt drückte und nicht abzufangen war. In der Umsetzung des Projektes wurde schließlich die Zellenstruktur nur im ersten Obergeschoß erhalten, die anderen Etagen ganzflächig mit einer Dielung versehen und eine hölzerne Treppe eingezogen. Im fünften Obergeschoß befinden sich die vier Austrittsöffnungen zum ehemaligen Wehrumgang. Damit verband sich das zweite wesentliche Problem. Von der Museumsleitung wurde mit allen Mitteln um die Rekonstruktion dieses Umgangs gerungen — natürlich auch mit dem Hintergedanken, zahlreiche Besucher auf diese Aussichtsplattform zu locken. Aus denkmalpflegerischer Sicht wurde dieses Vorhaben schließlich mit dem Argument, daß sich das genaue Aussehen und die Konstruktion des Umgangs nicht ermitteln ließen, abgelehnt. Auch in Rostock konnte dieser Gedanke nicht realisiert werden. Durch die Einbeziehung eines Torschließerhauses wurden aber im Gegensatz zum Kröpeliner T o r wesentliche funktionelle Belange eines Museums besser gelöst. Auch beim Innenausbau respektierten alle am Bau Beteiligten stärker die historische Substanz. Vor einem Jahr wurde das T o r den Besuchern zugänglich. 20 Jahre denkmalpflegerische Erfahrung zahlten sich in dieser Verzögerung aus. 92
Zwei kleinere Heimatstuben entstanden in den 80er Jahren. In Usedom auf der gleichnamigen Insel wurde die Heimatstube im Anklamer T o r in vier Etagen eingerichtet, wobei die bauliche Anlage kaum verändert wurde und damit unbeheizbar, unklimatisiert, ohne Sanitäreinrichtung und ohne Funktionsräume kaum museumsspezifischen Anforderungen gerecht wird. Der denkmalpflegerisch Interessierte hat hier sozusagen noch eine Anlage in situ vor sich, die mit einem Walmdach auch noch die ursprüngliche typische Torkonstruktion aufweist 7 . Rechtzeitig zur 850-Jahr-Feier des pommerschen Grenzstädtchens Tribsees konnte die ehrenamtlich geleitete Heimatstube im Mühlentor ihre Pforten öffnen. Hier werden in zwei Etagen unter ähnlich unzureichenden Bedingungen mit viel Liebe die Bestände präsentiert, während die denkmalpflegerischen Mittel in die Außensanierung geflossen sind. N o c h im Auf- und U m b a u begriffen sind die Heimatmuseen in Altentreptow und Pasewalk, beide in Stadttoren mit angrenzenden Torschließerhäusern untergebracht. Die Tore entstanden um 1450 und sind mit ihren feld- und stadtseitigen Blendgiebeln ähnlich repräsentative Beispiele wie das Mühlentor in Tribsees. Zu den frühen Zeugnissen seiner Art gehört das Tribseeser oder Mühlentor in Grimmen. Die Datierung ist allerdings in den Q u e l l e n unterschiedlich. Einmal wird es zwischen 1325 und 1330 angesetzt 8 und zum anderen in das dritte Viertel des 15. J h . verwiesen 9 . Vermutlich ist in der zweiten Datierung der repräsentative U m b a u mit den Blendgiebeln enthalten. 1983 erfolgte die Anregung zum Museumsumbau oder -ausbau. 1987 wurde das Haus mit einem rekonstruierten Torschließerhaus übergeben. Interessant an der Außenfassade ist die asymmetrische Anordnung der Blendnischen. Einen Hinweis auf eine in den 50er und 60er Jahren weitverbreitete Unsitte bietet die bescheidene Bitte eines Lokalpatrioten im Jahre 1957: „ M a n sollte das T o r nicht durch das Anbringen von Transparenten, Reklamekästen, Bekanntmachungen und dergleichen schänden, sondern sich der großen Bedeutung dieses Denkmals längst vergangener Zeiten würdig erweisen" 1 0 . U m eine dreigeschossige Nutzung des Tores zu ermöglichen, wobei das Dachgeschoß mit einbezogen wurde, mußte die ursprüngliche Etagenhöhe unberücksichtigt bleiben. D i e dadurch sichtbaren Mauerverjüngungen in F o r m von Vorsprüngen dienen jetzt als Exponatenträger, wie auch teilweise die Maueröffnungen in F o r m von Schießscharten oder Austritten zum Wehrgang entlang der Stadtmauer. D a s gilt auch gleichermaßen für andere hier genannte Museen. Im Glanz der nicht ganz gelungenen „Verschönerungen" der Renaissance präsentiert sich das Malchiner T o r in Teterow. Die viertelkreisähnlichen Verfüllungen in den Ecken lassen aber noch klar den ursprünglichen gotischen Treppen- oder Zinnengiebel erkennen. Als Museum ist dieser Bau der jüngste in unserer Region. Er wurde ebenfalls mit einem restaurierten Torschließerhaus vor einem Jahr fertiggestellt, 93
von dessen Dachgeschoß aus man den Turm betritt. Wenn die Museumsleiterin ihr Museum aber als etwas besonderes darstellt, denn „vergleichbare Turmbauten zu musealen oder anderen kulturellen Zwecken ließen bislang nur die äußere architektonische Form in historischer Originalität bestehen, wogegen innen meist die Totalmodernisierung erfolgte" 11 , kann das eigentlich so absolut nur auf das eingangs beschriebene Kröpeliner Tor in Rostock zutreffen. Auch in Teterow wurde das Tor als Gefängnis genutzt. Entsprechende Fachwerkeinbauten des 18. Jh. sind im ersten Obergeschoß des Tores vollständig und im zweiten in Gestalt der Gefache erhalten, die teilweise mit Vitrineneinbauten versehen wurden. Das Dachgeschoß wurde ebenfalls in die Nutzung einbezogen. Verluste der vergitterten Gefängnisfenster waren eigentlich vermeidbar. Dafür ist aber eine Klingelanlage aus dem 18. Jh. bewahrt worden. Die letzten Insassen sah das Tor 1945 in Gestalt sowjetischer Kriegsgefangener — auch das ist ungewöhnlich. Die denkmalpflegerische Zielstellung von 1981 wurde eingehalten, die u.a. forderte: „Die Gefängniszellen sollen im ersten Torgeschoß erhalten bleiben, da nur wenige Stadttore mit dieser Nutzungsart erhalten geblieben sind". Darüber hinaus wurde natürlich auch die Forderung erfüllt, daß die Inschrift eines jüdischen Bürgers der Stadt vor seiner Deportation 1938 „unbedingt zu erhalten" sei12. In der Verbindung Denkmalpflege und museale Nutzung stellt dieses Tor m.E. gegenwärtig die gelungenste Lösung dar. Der architektonische und kunstgeschichtliche Höhepunkt dieses Beitrages soll abschließend mit dem Treptower Tor in Neubrandenburg vorgestellt werden. Darüber hinaus befindet sich, als zweiter Superlativ, bereits seit 1873 hier das Museum. Das heißt, 100 Jahre bevor mit der musealen Erschließung der anderen genannten Tore begonnen wurde. Die trockene, knappe Sprache des Dehio beschreibt das Tor wie folgt: „Stadt- und Feldseite wie auch die beiden Mauerseiten sehr prunkvoll mit zahlreichen, mehrfach zu zahlreichen Bändern zusammengereihten Blenden geschmückt, deren Maßwerk sich z.T. frei vor dem G r u n d entfaltet.. Bezeichnend, daß hier . . . die Feldseite reicher geschmückt ist als die Stadtseite; die Wendung zum städtischen Repräsentationsbau darin besonders augenfällig" 13 . Kann die Begeisterung in einem Dehio-Text größer sein? Die letzten Kriegstage des zweiten Weltkrieges vernichteten die Neubrandenburger Innenstadt zu 84 %. Der Denkmalpfleger berichtet: „Es klingt wie eine Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet die mittelalterliche Stadtbefestigung — einst als Bollwerk erbaut, um die Stadt vor Kriegszerstörungen zu bewahren - als einziger historisch bedeutsamer Baukomplex nahezu unversehrt blieb. Nach Beseitigung der Trümmer umschloß die ringförmige Stadtmauer eine trostlose freie Fläche" 14 . Die Konzentration der ortsansässigen Denkmalpfleger auf diese Tore, die „durch Pfeiler, krabbenbesetzte Ziergiebel und reiche, an Spit94
zenklöppelei erinnernde Maßwerkblenden so prunkvoll geschmückt (sind), daß man versucht ist, die Vortore Triumphbögen gleichzusetzen" 14 , ist verständlich und gelungen. 1975 wurde für das Treptower T o r eine denkmalpflegerische Zielstellung erarbeitet, die unter Punkt 2.4.1. auch forderte, die „Gewölbeansätze des gotischen Sterngewölbes in den Ecken (zu) erhalten" 15 . Das Gewölbe hatte einst die Durchfahrt überspannt und war nicht mehr vorhanden. In einer zähen Auseinandersetzung zwischen Museum und Denkmalpflege gelang es schließlich ersterem, unterhalb der Gewölbeansätze eine Decke einziehen zu lassen, die ein zusätzliches Geschoß für die Kasse bildet. Die Ansätze sind natürlich in der Kassenhalle frei zugänglich, denn eine weitere Forderung unter genanntem Punkt besagte, daß „architektonische Elemente, wie Mauernischen, Fensteröffnungen, Pfeilervorlagen usw. in die Innengestaltung einbezogen werden und nicht, wie das bei der derzeitigen Ausstattung geschehen ist, durch Ausstellungsmobiliar verstellt oder kaschiert werden" 16 . Das war deutlich und wurde beherzigt. U.a. wurde eine zweite Treppenspindel freigelegt, die stark abgetretene Backsteintreppe mit Eichenbohlen aufgedoppelt und das Dachgeschoß zusätzlich ausstellungstechnisch erschlossen. Einbezogen in die funktionale Museumsnutzung wurde auch hier das Torschreiberhaus und das Steuereinnehmerhaus zwischen Vor- und Haupttor. In den 80er Jahren wurde schließlich auch das Vortor restauriert und für die Zwecke des Museums eingerichtet. Hier hatte der Bezirksinspektor für Denkmalpflege, Paul Schumacher, ebenfalls die notwendigen kraftvollen Worte für den Ausbau gefunden. Neben der sachlichen Feststellung, daß „die Fußbodenund Dielengestaltung . . . sich . . . nach dem historischen Befund (richtet)", gibt er auch Empfehlungen für die Ausstattung der Räume mit angemessenen Möbeln und schließt mit den Wonen:,.Dabei sind eventuelle nostalgische Anwandlungen und sonstiger Schnickschnack strikt auszuschließen" 17 . Wer nun an dieser Stelle eine unheilbare Kontroverse zwischen Museum und Denkmalpfleger in Neubrandenburg vermutet, irrt. Hier, wie anderen Orten MecklenburgVorpommerns ist eher von der Gleichheit der großen Ziele — der Bewahrung von kulturellen, materiellen Werten auszugehen. So ist auch die demonstrative Schließung des Neubrandenburger Museums vor der Sanierung und Restaurierung eher als konspiratives gemeinsames Vorgehen zu werten, wie es wohl eine oft angewandte Praxis ist, um damit eine denkmalpflegerische Instandsetzung voranzutreiben. Abschließend soll der Nestor der mecklenburgischen Denkmalpflege und Museumslandschaft, Friedrich Schlie, zitiert werden, der im Zusammenhang mit dem genannten Malchiner Tor in Teterow 1902 schrieb: „Die Stadt Teterow wird wie heute, so auch hoffentlich für alle Zeiten sich das Verständnis für den 95
historischen und künstlerischen Wert dieser Bauten zu erhalten wissen und niemals der Stimme derjenigen nachgeben, welche für die Verwirklichung moderner Verkehrsbedürfnisse nicht anders als mit Zerstörung geschichtlicher Denkmäler und mit Verleugnung der Pietät und des historischen Sinnes sich zu helfen wissen. In dieser Beziehung gibt es auch in Mecklenburg schon viel zu viel, dessen Verlust aufrichtig zu beklagen ist" 1 8 .
Anmerkungen Paul Schumacher, Die Stadtbefestigung von Neubrandenburg. Ihre städtebauliche Bedeutung und denkmalpflegerische Erhaltung. In: Denkmale in Mecklenburg. Weimar 1976, S. 236. 2 Gerd Baier, Das Stadtbild als Spiegelbild der Geschichte. Die großen Küstenstädte und ihre Baudenkmale. In: ebd., S. 70 f. 3 ebd. 4 Wolf Karge, Kröpeliner Tor. Rostocker Stadtgeschichte, Rostock 1982. 5 Archiv Landesdenkmalamt Schwerin, Rostock Kröpeliner Tor. 6 ebd., Heimatmuseum Anklam 7 Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin. Berlin 1968, S. 425. 8 Grimmen. Festschrift zum Heimatfest in Grimmen. O . O . 1957, S. 32. 9 wie Anm. 5, Heimatmuseum Grimmen. 1 0 wie Anm. 8 11 Teterower Anzeiger vom 15.5.1991, S. 7. 1 2 wie Anm. 5, Teterow Stadttore. 13 wie Anm. 7, S. 240 f. 14 wie Anm. 1, S. 228. 15 wie Anm. 5, Neubrandenburg Treptower Tor. ebd. 17 ebd. 1 8 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums MecklenburgSchwerin, V. Band, Schwerin 1902, S. 23. 1
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Aus der Diskussion Herr Bacher: Danke für diesen breiten Überblick über eine bewundernswerte Fülle solcher Möglichkeiten, in Stadttoren Museen unterzubringen. Herr Mayr: Meine Frage an Sie: Wie halten Sie es oder haben Sie es gehalten mit den feuerpolizeilichen Vorschriften in diesem Zusammenhang? Herr Karge: Natürlich ist das ein Problem gewesen und immer wieder kam die Debatte darauf, daß eine Treppe in einem T u r m zu wenig ist: es muß ein zweiter Notausgang gefunden werden. Und die Feuerwehr hat den Kompromiß geschlossen, daß in diesem Fall mit Sprungtüchern gearbeitet werden muß. Die oberen Austrittsöffnungen für den alten Wehrumgang sind in diesem Falle als ausreichend angesehen wurden. Herr Bacher: Finde ich eine ganz, ganz ausgezeichnete Lösung, unsere Baudenkmäler dadurch zu entlasten. Das ist ein wichtiger Hinweis.
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WERNER COBLENZ
Dresdner Museen in Baudenkmalen — ein Beispiel: das Japanische Palais Zusammensetzung und Thema unserer Tagung weisen die enge Verbindung von Museen und Baudenkmalen deutlich genug aus, handelt es sich ja letztendlich in beiden Fällen um Kulturdenkmale, einmal als ortsfeste und zum anderen als bewegliche Objekte. So ist es auch kaum ein Zufall, daß Baudenkmäler seit Jahrhunderten als Museen genutzt oder gar als solche gebaut worden sind. Beide Denkmalsarten sind Dokumente der jeweiligen Zeit und Region von großem historischen Aussagewert. Bei Erhaltung und Gestaltung der Architektur und der musealen Nutzung geht es dabei in jedem Falle um die gegenseitige Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und Bedürfnisse, d.h. um raumangepaßte Aufstellung der Objekte einschließlich deren Behältnissen, aber auch um Berücksichtigung des Charakters der jeweiligen Ausstellung bei denkmalpflegerischen Maßnahmen. Davon unbeschadet bleiben sollte die Fassadengestaltung der als Museen genutzten Baudenkmäler. Dresden war und ist eine Stadt mit einer Vielzahl solcher Baudenkmäler, des Zwingers, der Schlösser und Palais auch in der weiteren Umgebung, die leider in den letzten Kriegstagen zum größten Teil zerstört oder beschädigt worden sind. Ihre museale Nutzung entsprach nur in wenigen Fällen der architektonischen Innengestaltung der Baudenkmäler, besonders im Zwinger — wie einige Bilder veranschaulichen sollen, dabei aber schon die ersten Versuche andeuten, eine Anpassung zu erreichen. Das gelang in einzelnen Fällen sogar rein naturwissenschaftlichen Schausammlungen wie dem Tierkundemuseum und dem Museum für Mineralogie und Geologie, wenn auch unter Hintanstellung optimaler Aussagen in dem zur Verfügung stehenden Raum. Die Unterordnung des Museumsanliegens unter die architektonischen Belange im Baudenkmal Zwinger konnte im Laufe der Zeit, besonders unseres Jahrhunderts, meist zufriedenstellend und dem wissenschaftlichen Ziel entsprechend gleichermaßen störungsfrei erreicht werden, sodaß sich Raum und Inhalt oft harmonisch ergänzten. Das galt auch für die Ausstellungen im Bereiche der Völkerkunde und der Vorgeschichte bei entsprechender Reduzierung der notwendigen Karten, textlichen und bildlichen Erläuterungen. Museum usui publico patens - diese erfreuliche und auch einladende Kennzeichnung des Japanischen Palais ziert den Giebel des Vorbaus auf der Platzseite erst seit 1786. Damals war der Grundstock des genannten Gebäudes schon über 70 Jahre alt und im Laufe der Erweiterungen in die im Wesentlichen endgültige Form gebracht worden (Abb. 1). 98
A b b . 1: S k i z z e der P l a t z f r o n t des J a p a n i s c h e n
Palais
Seit den Tagen August des Starken stellt das Palais wohl den bedeutendsten Bau der Neuen Königstadt, der heutigen Dresdner Neustadt und des früheren Altendresden dar. Ministerpräsident Generalfeldmarschall Graf Heinrich von Flemming hatte im März 1715 die Grundsteinlegung zu einem Landhaus an der Elbe veranlaßt. Das Gebäude bestand aus dem Mittelteil des heutigen Elbflügels mit dem bekannten Treppenhaus von Pöppelmann und war bereits im Herbst vollendet. Es erhielt zunächst den Namen Holländisches Palais, da es anfangs an den Gesandten Hollands vermietet worden war. 1717 kaufte es August der Starke und ließ es von Matthaeus Daniel Pöppelmann, ab 1718 Oberbaumeister des Regenten, wesentlich erweitern. Noch freistehende Seitenflügel im Nordwesten und im Südosten wurden aufgebaut, der dazwischen entstandene Wirtschaftshof von schmiedeeisernen Gittern nach dem Platz zu abgeschlossen. Das Gebäude und der angeschlossene elbseitige Park waren zu einem Lieblingsobjekt des Monarchen geworden. Sie stellten 1719 einen der Glanzpunkte bei den Hochzeitsfeierlichkeiten des Kurprinzen mit der Kaisertochter dar. Schon damals hatte man darin die erste reiche asiatische Prozellansammlung untergebracht, deren Grundstock der Graf von Flemming zielbewußt erworben hatte. Der Plan zu einem Porzellanschloß bewegte August den Starken bis zu seinem Tode. Vorgesehen war eine einmalige Zusammenstellung chinesischer, japanischer und Meißner Porzellane. Wegen der asiatischen Kostbarkeiten wurde das Gebäude 1723 erstmals als Japanisches Palais bezeichnet. Von der intensiven Beschäftigung August des Starken und seiner Beauftragten mit dem Ausbau des Japanischen Palais zeugen eine große Anzahl von Planzeichnungen im Dresdner Staatsarchiv, oft mit zusätzlichen Anweisungen oder Bemerkungen des Monarchen. 1724 erhielten die Seitenflügel ein Mezzaningeschoß, für das im wesentlichen Pöppelmann verantwortlich zeichnete, aber erst 1727 entstand der Entwurf zum 4. Flügel nach der Platzseite zu.
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Nunmehr stand ein geschlossener Bau mit Innenhof zur Verfügung. An der Gesamtgestaltung war ab 1725 auch Zacharias Longelune, dann Jean de Bodt und dessen Nachfolger Johann Christoph Knöffel erfolgreich beteiligt. Palais und Seitenflügel wurden bald aufgestockt. Die hervorragenden Bildhauerarbeiten (Chinesenhermen) stammen von Johann Christian Kirchner. 1766 begann die Behebung der Schäden aus dem Siebenjährigen Krieg; aus dem Schloß kam die Kunstkammer ins Palais und bald wurde der Prunkbau August des Starken unter seinen Nachfolgern zu einem ausgesprochenem Museum, wie die Aufschrift am Giebel des Vorbaus deutlich ausweisen sollte. Das Untergeschoß nahm das Porzellan auf, das Erdgeschoß das Antikenkabinett und die Münzsammlung. Dazu kam bereits 1786 in den Obergeschossen die kurfürstliche Bibliothek einschließlich der Bestände von Brühl und von Bünau. Von 1853 an beherbergte das Palais auch den Grundstock des Vorgeschichtsmuseums mit der Sammlung Preusker und wurde mit dem Antikenkabinett vereinigt. Wegen des Bibliothekszuwachses mußten von 1875 an die Schätze der Kunst- und historischen Sammlungen anderweitig untergebracht werden: die Porzellansammlung zunächst im Johanneum, die Vorgeschichtsexponate zum MineralogischGeologischen Museum im Zwinger (1890, dort bot die Schausammlung im Wallpavillon von 1891/92 bis zur kriegsbedingten Schließung im Spätherbst 1944 einen laufend aktualisierten Uberblick über die Ur- und Frühgeschichte Sachsens), die Antikensammlung im Albertinum. Im Japanischen Palais hatten in den 30er Jahren des 19. Jahrhundens die Bemalungen so stark gelitten, daß eine neue Farbgebung notwendig schien. Den Auftrag dazu erhielt Gottfried Semper. Von Schinkel nach Dresden empfohlen gestaltete er die Farbgebung vor allem der Antikensammlung selbständig und konnte auch die Aufstellung der Figuren nach eigenem künstlerischen Ermessen 1834 durchführen. Anstelle der ursprünglichen spätbarocken Ausmalung, die zudem noch veraltet erschien, wählten Semper und seine Mitarbeiter die außerordentlich farbige Innengestaltung antiker Gebäude. Bisher hatte man an der Meinung Johann Joachim Winckelmanns festgehalten, daß Plastik und Architektur in der Antike als „weiße Kunst" zu gelten hatten. Da dieser Kunstgelehrte und Begründer der wissenschaftlichen klassischen Archäologie lange als Autorität galt, wagte vor Semper niemand offenen Widerspruch (Winckelmann, geb. 1717, im Jahre der Übernahme des damaligen Holländischen Palais durch August den Starken, war von 1748 bis 1754 als Bibliothekar beim Grafen von Bünau in Nöthnitz bei Dresden beschäftigt und hatte stets Verbindung zum Japanischen Palais, in dessen nördlichen Treppenhaus eine große metallene Ehrentafel an ihn erinnert). Der junge Semper hatte als Ergebnis seiner Studienreisen in Italien und Griechenland im Gegensatz zur Winckelmannschen These von der „wei100
ßen Kunst" in der Antike die Nachweise für die Polychromie an den klassischen Stätten erbringen können und durch seine Publikation zunächst teilweise Empörung, bald aber auch immer größeres Aufsehen erregt, schließlich doch allgemeine Anerkennung gefunden. Alle Räume für die Antikensammlung wurden nun nach etruskischen, griechischen, pompejanischen Vorbildern bemalt. Als die Antikensammlung endgültig ins Albertinum zog, wurden die Malereien durch Bücherregale verstellt und damit den Blicken der Besucher entzogen. Das änderte sich mit dem Umbau des Palaisinneren 1927 — 1935, veranlaßt durch eine Denkschrift der Bibliothek (1925) wegen drohender Uberfüllung einen Neubau oder Anbauten ans Palais und im Innenhof zu genehmigen. Nach damals modernsten Gesichtspunkten erfolgte unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange der große Umbau des Hausinneren unter dem Leiter der „Zwingerbauhütte" Hubert Ermisch. Er überwachte auch bis zu seinem Tode (1951) nochmals die Sicherungsarbeiten des im 2. Weltkriege stark zerstörten einzigartigen Dresdner Bauwerkes. Die verheerende Wirkung der Spreng- und Brandbomben ist noch heute leicht sichtbar. Die Fassaden hatten schwerste Schäden erlitten, die Geschoßdecken waren größtenteils vernichtet, das Dach völlig. Auf das Gebäude war von der damaligen Leitung der Landesbibliothek wegen nicht ausreichender Größe zur Unterbringung aller Bestände offiziell verzichtet worden. Der planmäßige Neuaufbau begann 1954 durch das seinerzeitige Staatssekretariat für Hochschulwesen (seit der Verwaltungsreform vom Juli 1952 vorgesetzte Dienststelle der Staatlichen Wissenschaftlichen Museen), entscheidend unterstützt vom Institut für Denkmalpflege, zur Nutzung durch das Landesmuseum für Vorgeschichte und das Museum für Völkerkunde, die beide im Zwinger, Schloß und Orangerie restlos ausgebombt waren. Sie hatten bereits 1950/51 in einigen intakt gebliebenen Kellerräumen ihre inzwischen rückgeführten Bestände magazinieren müssen. Intensive Aufbauarbeiten ermöglichten beiden Einrichtungen noch in der Ruine die zunächst provisorisch hergestellten Räume im 2. Obergeschoß ebenso wie im Untergeschoß nach Einbau der Restaurierungswerkstätten zu nutzen und im April 1957 einzuziehen, da das Palais inzwischen wenigstens eine provisorische Bedachung erhalten hatte. In den folgenden Jahren konnten die Außenfassaden restauriert werden, anschließend Teile des Innenhofes und begann die inzwischen abgeschlossene Kupfereindeckung. Nach Fertigstellung des Pöppelmanntreppenhauses waren die Zugänge gesichert und konnte ein Vortragssaal mit Ausstellungen in ständige Nutzung genommen werden. Die gesamte Elbfront des 1. Geschosses steht seit knapp 15 Jahren, wenn auch nur in provisorischer Herrichtung, für Ausstellungen der Völkerkunde zur Verfügung, während im Erdgeschoß der Semperraum seit einem Jahrzehnt Ausstellungen des Landesmuseums für Vorgeschichte dient. Dazu kamen in den letzten Jahren 4 große Säle der Elb- und Westfront, für das Staat101
Abb. 2: Elbseite und Nordwestflügel des Japanischen Palais. 1978
liehe Museum für Völkerkunde im Geschoß darüber zur bisher provisorisch genutzten Elbfront — jetzt im Endausbau — nunmehr die Palais-Westseite
(Abb. 2).
Besondere Schwierigkeiten verursachte die Sempersche Bemalung für die Darstellung der ur- und frühgeschichtlichen Entwicklung. Das betrifft vor allem den ehemaligen Saal der Gruppen, den Mittelsaal des alten Holländischen Palais. E r war 1978/79 von der Denkmalpflege nach Restbemalungen, Fotos, Farbdias von 1940 und Aufmaßskizzen der Restauratoren von 1932 weitgehend in der ersten Semperschen Fassung von 1834 rekonstruiert worden. F ü r die Gliederung der Wände waren vor 150 Jahren Vorbilder aus etruskischen Gräbern von Corneto gewählt worden, die Türrahmen entsprechen klassisch-griechischen Motiven, die Decke trägt Tierkreiszeichen. Die kräftigen Farben der Wände (Goldocker, Pompejanisch R o t , Grün oder Blau) hatten die weißen Skulpturen der Antikensammlung überzeugend zur Wirkung k o m m e n lassen, da eine weitere farbige Aufgliederung der Wandflächen erst in den oberen Bereichen erfolgte. Die intensiven Bemühungen aller Mitarbeiter und die verständnisvolle Unterstützung der staatlichen Stellen lassen für absehbare Zeit die volle Nutzung
des Gebäudes erhoffen. Die Unterbringung der prähistorischen, ethnografischen und anthropologischen Sammlungen und der zugehörigen Forschungsstellen muß thematisch als äußerst günstig bezeichnet werden. Übrigens war bereits 1875 angeregt, ja verfügt worden, daß die genannten Bestände zu einem engerem Komplex zusammengeschlossen werden sollten. Das Völkerkundemuseum sollte in den 20er Jahren gar vollständig ins Palais einziehen, was aber durch die Rekonstruktion der Landesbibliothek verhindert wurde. Sammlungsteile der Urgeschichte waren bereits im 18. Jahrhundert dort, zu denen später noch die bekannte Sammlung Preusker gekommen war. Es war bedauerlich, daß beide Museen noch lange nach Kriegsende ohne örtliche Dauerausstellungen bleiben mußten und außerhalb bzw. an anderen Dresdner Bildungsstätten zu wirken hatten. So erfolgten von beiden Museen größere Ausstellungen an vielen deutschen Orten und im Ausland, zudem wurde die Kleinausstellungstätigkeit in Schulen, Betrieben, Klubhäusern, Ferienzentren usw. planmäßig fortgesetzt. Die Bindung der Interessenten ans Palais wird in wachsendem Maße durch zusätzliche Bildungsveranstaltungen gesichert, so durch öffentliche Vorträge und Führungen, Unterrichtungen von Schulen, Jugendgruppen, Betrieben, Arbeitsgemeinschaften, Volkshochschulzirkeln, Ferienkursen sowie Seminare für Studenten. Das neue Heim ist zu einem echten Bildungsort von überregionaler Bedeutung geworden, pflegt alte Traditionen, nutzt und erhält eines der bedeutendsten Kulturdenkmale des berühmten Dresdner Barock. Das Japanische Palais ist ein klassisches Beispiel dafür, wie zumindest bei der Innengestaltung eines Baudenkmals die An- und Absichten des Kunstdenkmalpflegers nicht mit denen der musealen Nutzer der Räume übereinstimmen. Ein brauchbarer Kompromiß kann und muß jeweils gefunden werden, setzt allerdings Einfühlungsvermögen und Toleranz der Partner voraus. Solche Probleme entstehen nicht bei zweckgebundenen Museums-Neubauten. Da sich jedoch eine große Zahl bedeutender Baudenkmale für Dauer- und Sonderausstellungen anbietet und nicht alle als Führungsschlösser oder andere „museale D e n k m ä l e r " genutzt werden können, bleibt nur deren Zurverfügungstellung als Wirkungsstätten für historische, ja selbst naturwissenschaftliche Sammlungen. Ein doppelter Nutzen entsteht so: das Baudenkmal wird durch die Nutzung und Nutzer erhalten, das Museum aber gewinnt Arbeits- und Ausstellungsräume. Die über dem Eingang stehende Kennzeichnung des Japanischen Palais als M U S E O USUI P U B L I C O PATENS übersetzte ein Jungakademiker seiner Gefährtin beim Betrachten des Baudenkmals vor wenigen Jahren stolz als „Patentm u s e u m " . Sicher sollte es auch einmal ein solches Museum geben, dessen Vorbereitungen und Teilinhalte seit geraumer Zeit die technischen Museen schon vorstellen, eines barocken Baudenkmals als Unterkunft bedarf es dazu jedoch wohl nicht. 103
Bei aller Museumsarbeit aber darf man sicher sein, daß schon wegen der thematischen Vielfalt ein starres und allseitig anwendbares „Museumspatent" trotz der vielseitig verwertbaren allgemeinen Museumsgrundzüge nicht in Anwendung kommen kann.
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GÜNTER REINHECKEL
Dresden: Die Wiederherstellung der Paradezimmer im Residenzschloß, die Porzellansammlung im Zwinger und das Kunstgewerbemuseum im Schloß Pillnitz Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Dresdner Residenzschlosses in seiner äußerlichen Fassung des 19. Jahrhunderts nach der Zerstörung am 13. Februar 1945, ist seit Jahrzehnten eine gelegentlich kontroverse Diskussion über die Nutzung dieses für Dresden städtebaulich wichtigsten Architekturwerkes im Gange, wobei betont werden muß, daß ein Abriß während der Zeit von 1945 bis 1960 verhindert wurde. 1961 erfolgten die ersten Beschlüsse, das Schloß wieder aufzubauen. Schließlich setzte sich die Auffassung durch, es als Museumskomplex der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu nutzen. Neben einigen anderen historischen Räumen wie dem Grünen Gewölbe, sollen auch die unter August dem Starken 1719 fertiggestellten Paradezimmer im 2. Obergeschoß (2 Vorzimmer, Audienzsaal, Schlafzimmer) wiederhergestellt werden. Weiterhin sollen das Turmzimmer mit der Porzellanaufstellung des 18. Jahrhunderts, eine Ausstellung mittelalterlicher Plastik im Erdgeschoß sowie das Kupferstich-Kabinett, das Münzkabinett und die Zentrale Kunstbibliothek im 3. Geschoß Unterkunft finden. Im ersten Geschoß sind Wechselausstellungen vorgesehen. Die Arbeiten sind in vollen Gange. Das sogenannte Georgentor ist bereits seit längerem im Äußeren fertig. Da wichtige Einrichtungsgegenstände wie der Thronsessel Augusts des Starken sich im Kunstgewerbemuseum befinden, können die durch Auslagerung geretteten Originale wieder an ihre alten Plätze kommen, anderes, wie alle Deckenmalereien, müßte völlig neu hergestellt werden. Dafür können zeitgenössische Raumansichten des Audienzsaales und des Schlafzimmers, beide anläßlich der Hochzeit des Kurprinzen und späteren Königs Augusts III. mit Maria Josepha, der Tochter Kaiser Josephs I. entstanden, sowie Fotos des Audienzsaales oder des Schlafzimmers und anderer Räume aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg verwendet werden. Innen sind diese Räume im Rohbau fertig und alle hoffen, daß sie gemeinsam mit allen anderen Räumen des Schlosses in ca. 10 Jahren der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden können. Der Zwinger wurde unter August dem Starken 1710 zunächst als Orangerie begonnen. Der Architekt ist Pöppelmann. Das Bauwerk war noch nicht fertig, als der König befahl, die höfischen Sammlungen im Zwinger zu konzentrieren. 1729 waren die Mineralien-, Conchilien-, Naturalien-, Anatomie-, mathematisch105
physikalische Instrumenten-, die Kupferstichsammlungen und die Bibliothek dorthin gebracht worden. Noch heute befinden sich der MathematischPhysikalische Salon im zweigeschossigen Eckpavillon und eine Ausstellng des Tierkundemuseums in der westlichen Langgalerie. 1936 wurde durch Fritz Fichtner begonnen, die Porzellansammlung in den südöstlichen Pavillon, die östliche Langgalerie und die Bogengalerie zu verlegen. Infolge des Krieges wurde dieses Vorhaben erst 1962 beendet. Ursprünglich war das von Pöppelmann und Longuelune 1728 — 1737 erbaute Japanische Palais als schloßartiges Porzellanmuseum vorgesehen. Selbst das Dach sollte aus bemalten Porzellanplatten bestehen. Die Pläne sahen vor, im Erdgeschoß ostasiatisches, im Obergeschoß Meissner Porzellan dekorativ an den Wänden auf Konsolen — insgesamt über 35.000 Stück — aufzustellen. Das Porzellan kam nach 1786 in die Keller des Palais und 1875 in das Johanneum. Das Prinzip der Wanddekoration verwirklichte man auch im Zwinger. Hinzugefügt wurden Vitrinen vor den Fenstern. Wie im Japanischen Palais faßte man die Stücke zu farbigen Gruppen zusammen. Auch die lebensgroßen Tierfiguren von Kaendler aus Meissner Porzellan wurden in dekorative Strukturen eingeordnet. Der Zwinger ist für Porzellan ein sehr gut geeignetes Domizil. Vor allem ist es das ungehindert einfließende Tageslicht, das dem Porzellan seine ganze Schönheit verleiht. Das Schloß Pillnitz dient seit 1963 dem Museum für Kunsthandwerk als Heimstatt. Bis dahin befand es sich unter dem Namen „Kunstgewerbemuseum" (gegründet 1876) in dem am äußeren Stadtring des 19. Jahrhunderts befindlichen 1905-1907 erbauten Haus neben der Kunstgewerbeschule. Seit 1991 trägt es wieder seinen alten Namen. Das Schloß Pillnitz ist die größte Chinoiserieanlage der Welt. 1720 — 1725 entstanden die Mittelflügel des Wasser- und Bergpalais, die seitlichen Flügel 1788- 1791 und 1826 das Neue Palais, in dem sich keine Ausstellungsräume befinden. Als das Schloß 1765 Sommerresidenz des sächsischen Hofes wurde, war die Zeit prunkvoller Ausstattungen vorbei und nur inselartig sind seit 1791 die Kaiserzimmer im Louis-XVI-Stil oder der Watteau-Saal 1886 entstanden, letzterer benannt nach Gemälden in der A n Watteaus aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Es gelang, diese eingebauten Räume einigermaßen sinnvoll mit den nach Stilperioden gegliederten Sammlungsbeständen zu verbinden. Im Wasserpalais werden ab 1992 von der Mitte aus nach Osten die Abteilung Chinoiserie, im Seitenflügel schon jetzt Werke der Renaissance sowie im Wandelgang Eisengitter, vom Mittelsaal nach Westen ebenfalls ab 1992 die Abteilung Barock und Rokoko sowie im Wandelgang Kacheln und Fliesen gezeigt. Das Bergpalais betritt man ebenfalls in der Mitte durch den Hauptsaal mit chinoisen Wandmalereien aus der Zeit von um 1890, an den sich nach links 106
die Ausstellung „Europäische Chinoiserie und ostasiatisches K u n s t h a n d w e r k " (1990/91) und im Seitenflügel an die Kaiserzimmer die R ä u m e „Klassizismus" u n d „Biedermeier" anschließen. Im G e s c h o ß darüber, in dem sich keine Einbauten der Vergangenheit befinden, w u r d e die Abteilung des 19. und 20. Jahrh u n d e n s eingerichtet mit den Räumen „ H i s t o r i s m u s " , „Jugendstil", „Werkb u n d " , „Bauhaus" und „ G e g e n w a r t " . D i e Besucher müssen von hier aus wieder den gleichen Weg zurück bis z u m Ausgang in der Mitte n e h m e n . So attraktiv das Schloß Pillnitz auch ist, f ü r die Präsenz eines Museums ist es unter anderem infolge der nicht heizbaren R ä u m e nur bedingt geeignet, weshalb es von N o v e m b e r bis April geschlossen ist. Eine R ü c k k e h r in das Stadthaus des K u n s t g e w e r b e m u s e u m s ist deshalb ins Auge gefaßt.
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LIESELOTTE KUGLER
Das Regionalgeschichtliche Museum im Saarbrücker Schloßkeller Im Gesamtensemble des Saarbrücker Schlosses nimmt das Regionalgeschichtliche Museum nur einen „untergeordneten" Topos ein, aber immerhin denjenigen, der historische Mauern sichtbar läßt: den Schloßkeller. Die übrigen Räume werden vom Stadtverband Saarbrücken als Verwaltungsgebäude genutzt. Der Stadtverband — das darf ich zur Erklärung hinzufügen — ist ein recht junges Gebilde. Es entstand 1974 bei der Gebietsreform und vereinigt als Gebietskörperschaft den alten Landkreis Saarbrücken und die Landeshauptstadt selbst. Die exponierte Lage des Saarbrücker Schlosses, hoch über der Saar, im Stadtteil AltSaarbrücken ist seit der Restaurierung durch den Architekten Gottfried Böhm ein Ausflugsziel und Veranstaltungsort für die Bevölkerung und auswärtigen Besucher des Saarlandes geworden. Zuvor war es seit mehr als 15 Jahren Mittelpunkt einer denkmalpflegerischen Diskussion, die an Polemik teilweise nichts zu wünschen übrig ließ. Erlauben Sie mir einen kurzen Überblick über die Geschichte des Schlosses: Erste urkundliche Erwähnung findet ein „Castell Saarbrucka" im Jahre 999, das bis zum 13. Jh. als Festungsanlage ausgebaut und im 15./16. Jahrhundert durch größere Baumaßnahmen erweitert wurde. Mit der Herrschaft von Graf Ludwig von Nassau-Ottweiler entstand auf den Burgmauern 1602— 1617 ein Renaissance-Schloß nach den Plänen des Baumeisters Heinrich Kempter aus Welch, das uns ein Merian-Stich überliefert. Das im Dreißigjährigen Krieg stark zerstörte und beschädigte Schloß wurde 1669 restauriert und bestand mit einigen Modernisierungen bis 1735. Vom Fürsten Wilhelm Heinrich von NassauSaarbrücken beauftragt erstellte Friedrich Joachim Stengel aus Zerbst ein Gutachten über den baulichen Zustand. Drei Jahre später erhielt er als neuernannter Baumeister den Auftrag, das baufällige alte Schloß abzubrechen und ein neues nach französischer Manier zu errichten. 1748 wurde das Saarbrücker Barockschloß fertiggestellt und in eine Stadtplanung eingebunden, die ebenfalls von F. J. Stengel durchgeführt wurde. Dazu gehörten die Bebauung des Schloßplatzes und des Schloßberges, die Schlösser auf dem Halberg und auf dem Ludwigsberg sowie die Ludwigskirche mit seiner Platzanlage, die heute noch als eine der schönsten Südwestdeutschlands gilt. Das Saarbrücker Barockschloß diente den Saarbrücker Fürsten 43 Jahre als Wohnsitz bis es 1793 während der Französischen Revolution abbrannte, bzw. geplündert und zerstört wurde. Bis 1809 stand die Schloßruine auf Befehl Na108
poleons unberührt und wurde 1810 als Privatbesitz versteigert. Ein Kaufmann, der das Schloß erwarb, parzellierte es und veräußerte einzelne Bauabschnitte an Privatleute. Der Architekt Johann Adam Knipper leitete den Wiederaufbau des Schlosses als bürgerliche Wohnlage, wobei er im Südflügel das zweite O G abtragen ließ und eine dreigeschossige Wohnanalge mit barocken Elementen erstellte. Im Nordflügel wurde der Eingriff noch radikaler durchgeführt. Dort trug man den Baubestand bis zum Kellergeschoß ab und errichtete im klassizistischen Stil Wohneinheiten. Der Mittelbau wurde abgerissen, da er für Wohneinheiten ungeeignet war. 1872 ließ Freiherr von Stumm einen neuen Mittelbau als Stadtwohnung im Stil der damals beliebten französischen Renaissance durch den Architekten Hugo Dihm einfügen, womit die bis dahin freie Tordurchfahrt geschlossen wurde. Erst 1908 erwarb der Landkreis Saarbrücken das Schloß parzellenweise, um so der wachsenden Verwaltung Raum zu schaffen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten an der Saar 1935 erwarb die G E S T A P O nach und nach 27 Räume vom Saarbrücker Landrat für ihre Dienststelle. In den umliegenden historischen Gebäuden richteten sich der Polizeipräsident, die politische Polizei und die Gauleitung ein. Damit wurde der Schloßplatz mit seinen umliegenden Gebäuden zentrale Einrichtung der Polizeigewalt im Gau Saarpfalz, später Westmark. Für die Bedürfnisse der nationalsozialistischen Selbstdarstellung wurde der Schloßplatz in den Jahren 1937 — 1938 als Freilichtbühne mit einer gigantischen Freitreppe, geschmückt mit NS-Symbolen, umgebaut. Während eines Luftangriffes 1944 brannte ein Teil des Nordflügels aus, der 1947 wiederhergestellt wurde. Bereits in den 50er Jahren wurde eine grundlegende Restaurierung diskutiert. Als 1969 wegen akuter Einsturzgefahr der Südflügel des Schlosses gesperrt wurde, holte man erste Entwurfsgutachten zu den Fragen der Gestaltung des Schlosses ein. Dabei stellte man fest, daß die Veränderungen der letzten 200 Jahre dem Schloß schwere Schäden zugefügt hatten, die man im Falle einer Restaurierung beseitigen wollte. Außerdem sollte vor allem eine städtebauliche Konzeption das gesamte Ensemble berücksichtigen. Man wollte einer barocken Wiedererrichtung zustimmen, falls sich dafür bautechnisch zweckmäßige und wirtschaftliche Lösungen finden ließen. 1977 — 1978 wurde ein gutachterliches Planverfahren auf Wunsch des Saarbrücker Oberbürgermeisters Oskar Lafontaine durchgeführt, um ein langfristiges städtebauliches Konzept für Alt-Saarbrücken zu entwickeln. Im Mai 1978 fand das Planungskonzept des Architekten Böhm die größte Zustimmung. Danach sollte die Rekonstruktion nach Stengel ausschließlich aus Konstruktionen und Materialien des 18. Jhs. erfolgen. Dazu heißt es im Gutachten Böhms: „Dies gilt in erster Linie für die Außenfassade und das Dach, 109
über die ausreichende Kenntnisse vorliegen. Wo nicht, müssen zumindest Analogieschlüsse bzw. Anleihen bei Details erhaltener Bauten Stengeis richtige und verantwortbare Entscheidungen ermöglichen. Problematisch sind hingegen der Innenausbau und die Innenausstattung des wiederaufgebauten Schlosses, also die Behandlung von Wand, Boden und Decke. Jeder Versuch, hier den Zustand des verlorenen Originals wiederherstellen zu wollen, führt zu einem PseudoRokoko". In den folgenden zwei Jahren setzte eine hitzig geführte Debatte um die Rekonstruktion nach Stengel oder Umbau zum modernen Zweckbau unter Verwendung der Bausubstanz ein. Dennoch wurde die Planung „nach Stengel" vorangetrieben und 1980 eine Bauvoranfrage bei der Stadt Saarbrücken eingereicht. Der Oberbürgermeister als Chef der Unteren Bauaufsichtsbehörde lehnte die Bauvoranfrage mit der Begründung ab, daß der Stadtrat aus städtebaulichen Gründen dem Stengelschloß die Zustimmung verweigert habe. Wenige Tage später wurden zwei Entwürfe von Prof. Böhm im Stadtverband diskutiert, wovon man sich für die Renovierung des Bestandes einschließlich des Umbaus mit einem neuen Mittelpavillon entschied. Im Inneren sollte die Renovierung Platz für moderne Verwaltungsräume schaffen, während die Nutzung aller Räume der Stengeischen Gewölbekeller öffentlich-kulturellen Einrichtungen vorbehalten bleiben sollte, damit der konservatorische Aspekt des Landesdenkmalgesetzes bewahrt blieb. Der Mittelpavillon sollte später diskutiert und beschlossen werden. Nur unschwer ist aus diesem kurzen Abriß der Geschichte des Saarbrücker Schlosses zu erkennen, daß wir unsere Existenz als Museum den Überlegungen im Vorfeld der Wiederherstellung des Saarbrücker Schlosses verdanken. Im Keller sollte eine historische Einrichtung geschaffen werden: Entweder ein historisches, exklusives Speiselokal oder eine Dokumentation der Schloßgeschichte. Wie so oft, kam der Zufall, hier in Form eines historischen Zeugnisses zu Hilfe. Bei den Vermessungs- und Entkernungsmaßnahmen fand man 1976 im Nordflügel des Schlosses eine Gestapo-Zelle mit Graffitis von Fremdarbeitern auf den Zellenwänden, die dort wochenlang gefangen gehalten worden waren. Engagierte Mitarbeiter der VHS und der V V N Saarbrücken begannen in den folgenden Jahren eine Erinnerungs- und Überzeugungsarbeit zur Aufbereitung dieses Kapitels saarländischer Geschichte. Die Zelle, eine von vermutlich fünf Zellen für sogenannte „Fremdvölkische", sollte mit einer Dokumentation einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden. Allmählich kristallisierte sich die Idee, in den Kellerräumen ein historisches Museum für die Region einzurichten, heraus. Seit dem 01.01.1986 befindet sich das Regionalgeschichtliche Museum auf dem Wege, saarländische Geschichte aufzuarbeiten und darzustellen. Bis zum Jahre 1986 existierte im Saarland kein Ort, an welchem saarländische Geschichte präsentiert wurde, ein historisches Landesmuseum fehlt bis heute. 110
A b b . 1: Blick von der Gestapo-Zelle (re) in die Ausstellung „ Z e h n statt tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar 1 9 3 5 - 1945" 1
Meine Formulierung zur Entstehung des Regionalgeschichtlichen Museum deutet schon an, daß es sich nicht um ein „fertiges" Museum handelt, sondern um ein im Aufbau befindliches. Als wir 1986 unsere Arbeit aufnahmen, hatten wir weder ausreichende Räume, noch finanzielle Mittel oder eine Sammlung, auf die wir zurückgreifen konnten. Damit war der Grundstein zu einem permanenten Provisorium — dem Regionalgeschichtlichen Museum — gelegt, ein durchaus saarländischer Weg. Man fing erst einmal an und zwar mit der Darstellung der jüngeren Zeitgeschichte des Saarlandes. Nach dem Motto „Das Schwierigste zuerst, dann haben wir es hinter uns" sollte mit einer Ausstellung zur NS-Geschichte an der Saar begonnen werden. Zu der recht unpopulären Ausstellungsthematik traten die denkmalpflegerischen und konservatorischen Probleme beim Aufbau des Museums in spezifischer Form. Die museumstechnische Forderung des gebotenen Raumklimas — Lüftung und Feuchtigkeit — sowie die konzeptionelle Forderung des Museums, die sichtbare historische Bausubstanz im Gewölbekeller, vor allem den ursprünglichen Sandsteinplattenbelag und das ausgemauerte Gewölbe zu erhalten, um den Geschichtsbezug der ersten Abteilung des Museums, die sich mit der NS-Geschichte befaßt, zum historischen Ort, dem Gestapokeller, möglichst authentisch nach111
Abb. 2: JA oder NEIN? Abstimmungskampf 1955 und Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik 1959
vollziehbar zu machen, standen den baupolizeilichen Sicherheitsanforderungen an den öffentlichen Raum — der Fußbodenerneuerung und Gewölbesicherung — gegenüber. Zusätzlich griff der Landeskonservator durch bestimmte Auflagen ins Museumskonzept ein. So gab er für die Stellwände aus rein denkmalpflegerischen Aspekten eine gewisse Maximalhöhe der Ausstellungswände vor, außerdem sollten die Wände des Kellers nicht durch Befestigungen und ähnliches „beschädigt" werden. Es entwickelte sich ein Geflecht gegenseitiger Forderungen, in welches auch die Architekten eingriffen, die vor allem ästhetisch argumentieren. Bereits vor der Gründung des Museums hatte man den Keller achtlos „entkernt" und Treppenabgänge beseitigt. Das ausgemauerte Gewölbe wurde im Laufe der Bauarbeiten torkretiert, um es zu stabilisieren und um den bautechnischen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. Architekten und Konservator beschlossen, das Gewölbe zu verputzen und den gesamten Keller mit hellen Naturalanstrich zu versehen. Auch der Fußboden fiel schließlich dem ästhetischen Gefühl der Architekten, des Landeskonservators und den Sicherheitsauflagen der Baupolizei zum Opfer. Da der Boden an mehreren Stellen mit Beton ausgebessert und uneben war, nutzte die vehemente Fürsprache der Museums112
A b b . 3: Drehscheibe der Wirtschaft: Die Saarmesse. Ausstellungseinheit „Von der .Stunde O ' zum , T a g X ' . Das Saarland 1 9 4 5 - 1959"
leitung nichts. Lediglich im engsten Zellenbereich wurde dem Museum als Rest des ursprünglichen Zustandes des Gewölbekellers ein unveränderter Teil zugestanden. Eine Umlaufheizung war zu Beginn der Bauarbeiten beschlossen worden, um in den ursprünglichen Bodenbelag nur schonend an den Rändern einzugreifen. Als man den gesamten Fußbodenbelag während der Bauarbeiten erneuerte, hätte man auch eine Fußbodenheizung einbauen können, die die Staubzufuhr gedrosselt und eine beständigere Lufttemperatur und Raumfeuchte gewährleistet hätte, diese war aber nun nicht mehr vorgesehen. Inzwischen wird die Umluftheizung — zwei Jahre nach der Eröffnung der ersten Abteilung überarbeitet und mit einer Befeuchtung versehen, wie sie die Museumsleitung bereits vor Jahren gefordert hatte. Der heutige sichtbare Gewölbekeller hat mit all seinen Veränderungen die Authentizität verloren. Der ursprüngliche Eindruck wurde zugunsten eines „Kunstraumes" aufgegeben, der damit andererseits dem Museum eine gewisse Freiheit bei der Gestaltung gibt. Die Verbindung beider Schloßflügel als Museum durch einen unterirdischen Gang konnte einvernehmlich zwi113
sehen Architekten, Konservator und Museumsleitung durchgeführt werden, denn immerhin fiel dieser Baumaßnahme historisches Mauerwerk unter dem Schloßplatz zum Opfer. Der Baufortschritt schuf dann auch eigene Gesetze. Zuerst wurde der Südflügel des Schlosses fertiggestellt, so daß es sich anbot, akuteile Themen als Wechselausstellungen aufzubereiten und somit das Museum allmählich einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Im Jahre 1987 fanden vier Wechselausstellungen statt. Nach einer längeren Einbauphase wurden 1988 die Ausstellung „Zehn statt tausend Jahre. Die NS-Zeit an der Saar, 1935 - 1945" und elf Monate später 1989 die Ausstellung „Von der ,Stunde 0* zum ,Tag X'. Das Saarland 1945 - 1959" als erste bzw. zweite Abteilung des Museums eröffnet. Beide Ausstellungen thematisieren für viele Einheimische historische Zusammenhänge, die mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden sind. Nach einem sehr emotional geführten Abstimmungskampf 1934 entschieden sich am 13. Januar 1935 rund 90 % der Saarländer/innen für die „Heimkehr" ins Reich, trotz zweijähriger Hitler-Diktatur. Damit wurde der saarländische Sonderweg verlassen, ein Zufluchtsland für Emigranten aufgegeben und das Saarland gleichgeschaltet. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurde das Saarland vom Deutschen Reich abgetrennt und mit einem Sonderstatus versehen. 1955 lehnten die Saarländer/innen das europäische Saarstatut, das von der Bundesrepublik und Frankreich ausgehandelt worden war, ab. Die Auseinandersetzungen im Vorfeld der Abstimmung 1955 zwischen JA- und NEIN-Sagern waren sehr emotional bestimmt, so daß diese nicht nur auf der öffentlichparteipolitischen Bühne ausgetragen wurden, sondern sich auch innerhalb der Familien abspielten, die oft gespalten und zerrissen wurden. Die Wunden heilten nur langsam und vernarbten kaum. Viele neue Beziehungen zu Frankreich und neuen Partnern im eigenen Land mußten nach 1955 aufgebaut werden. Die Sätze „das gab's im Saarland nicht" und „davon habe ich nie gehört, im Saarland war alles anders", die im Zusammenhang mit dem Aufbau der NSAbteilung immer wieder formuliert wurden, habe ich seit der Eröffnung 1988 nicht mehr gehört. Während die erste Abteilung zur NS-Geschichte an der Saar Nachdenklichkeit und „Betroffenheit" erzeugt und mit ihr eher „gearbeitet" wird, erschließt sich die Nachkriegszeit viel bunter und facettenreicher. Emotional stärker als die NS-Ausstellung wird aber die Ausstellung zur zweiten Abstimmung über das Saarstatut 1955 diskutiert. Viele „Beteiligte", damals politisch aktive Bürgerinnen und Bürger, vertreten immer noch ihre damaligen Positionen — umso wichtiger ist ein Ort der Diskussion, wie das Regionalgeschichtliche Museum. Der Zuspruch zur Darstellung der regionalen Geschichte und damit die Erwartungshaltung sind ungeheuer groß und das eben nicht nur in Saarbrücken, sondern im gesamten Saarland. 114
Derzeit erhält das Museum einen Anbau, der uns ab 1993 zur Verfügung steht. Dann wird das Museum über einen Eingang vom Schloßplatz erreichbar sein und einen Tageslichtbau erhalten. Mit dem Anbau wird das Konzept des Regionalgeschichtlichen Museums fortgeschrieben. Die gesamten Lebensverhältnisse der Menschen, ihre kulturellen Zeugnisse, die sozialen Folgen, aber auch die Leistungen der Industriegesellschaft an der Saar herauszustellen, ihre Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft zu problematisieren, soll eine Aufgabe des Regionalgeschichtlichen Museums sein. Will man, wie wir, dabei die Herausbildung einer saarländischen Identität und ihre historischen Wurzeln thematisieren, so scheint die Aufarbeitung, Konzentration und Darstellung der Geschichte der letzten 200 Jahre an der Saar geradezu zwingend. Dabei soll die „Fürstenzeit" als vorindustrielle Gesellschaftsform ebenfalls mitthematisiert werden. Immerhin befindet sich ja das Regionalgeschichtliche Museum im Saarbrücker Schloß, einem historischen Zeugnis der Fürsten von Nassau-Saarbrücken von 1744. So sieht die weitere Aufbauarbeit Ausstellungen und Abteilungen zur Geschichte der Industrialisierung und zum 18. J h . vor. V o m Neubau ist auch ein „Abstieg" zu den Renaissance-Mauern möglich. W i r sind noch auf dem Wege, den saarländischen Lebensraum mit all' seinen Veränderungen und kulturellen Zeugnissen, den Lebensbedingungen der Menschen, den wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen darzustellen und mit unserer Aufbereitung von Geschichte die kulturellen Zeugnisse als „lebendiges soziales Gedächtnis" dem verwöhnten Zeitgenossen zu präsentieren. Viele Ensembles, die wir inzwischen gesammelt haben, sollen zukünftig vor allem sozialgeschichtliche Zusammenhänge dokumentieren. Das Raumangebot im Schloß reicht sicherlich nicht aus, saarländische Industrialisierung und Schwerindustrie in toto darzustellen. Man würde dazu extern andere Möglichkeiten suchen müssen, was aber über die derzeitige Zielsetzung des Regionalgeschichtlichen Museums hinausginge.
Anmerkung 1
Alle Abbildungen: Regionalgeschichtliches Museum des Stadtverbandes Saarbrücken; Fotograf: Thomas Trittelvitz
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Aus der Diskussion Herr Bacher: Die bauliche Situation in dem alten Schloßkeller ist aber nicht für dieses Museum geschaffen worden, sondern Sie hatten sich einer schon vorhandenen, vorgegebenen Struktur einzufügen? Frau Kugler: Ja, ich kann das so sagen. Eigentlich hat man die jetzigen Museumsräume fertiggestellt und dann überlegt, was kann man machen? Daß es kein historisches Museum an der Saar gibt, war dann ausschlaggebend zu sagen: da machen wir ein Museum hinein. Wobei an die Bedingung eines Museums überhaupt nicht gedacht wurde: wir haben Umluft-Heizung und -Belüftung, d.h. wir finden den Staub überall. Wir haben zuerst große Feuchtigkeit gehabt; z.Z. ist es zu trocken. Wir können daher nur mit Repliken arbeiten. Die NS-Ausstellung ist ohnehin sehr stark dokumentrisch, weil man sich m.E. mit der NS-Geschichte nur rational auseinanderzusetzen kann. Das gibt uns Gelegenheit, hier mit Kopien zu arbeiten.
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E V E L Y N WEISS
Minimal Art in historischen Räumen Inhalt meiner Überlegungen sind die zeitgenössischen Kunstinstallationen in historischen Bauten. Es gilt der Frage der Erhöhung und Inszenzierung der Kunst durch die historische U m g e b u n g nachzugehen. Während dieses Symposiums wurde viele über die museale N u t z u n g von alten, denkmalwürdigen Bauten gesprochen. Vielleicht nicht so im Bewußtsein der meisten ist die Tatsache, wie zunehmend Künstler der Gegenwart nach alten ehrwürdigen Räumen für ihre Ausstellungen suchen. In den siebziger Jahren wurde als idealer Ausstellungsort die große neutrale Halle, die Fabrikhalle angesehen. Vermutlich geht diese Vorstellung zurück auf die legendären Lofts von N e w York, w o Ende der fünfziger Jahre und Anfang der sechziger Jahre die ersten Werke der Pop Art und der Minimal A n entstanden. Künstler nutzten verfallene Lagerhallen in Soho als Atelier - zunächst einmal aus finanziellen G r ü n d e n , denn sie mußten damals keine oder kaum Miete bezahlen. War die neutrale Halle des Ideal der siebziger Jahre, so ist der Begriff Erlebnisraum f ü r die Museen der achtziger Jahre zu einer wichtigen Vokabel geworden, wie die Museumsbauten in Mönchengladbach, Stuttgart, Köln und Frankfurt bezeugen. Während dieses Symposiums sind Begriffe gefallen, wie „Stimmung des O r tes" und „Sinnlichkeit". Ich frage mich schon lange, wie diese, dem Raum und der Architektur innewohnenden Eigenschaften sich auf die Kunstwerke, die dort ausgestellt sind, auswirken können; ob das Kunstwerk wiederum seine ästhetische Ausstrahlung auf den Raum überträgt. Zugespitzt gefragt: Verändert der Raum das Kunstwerk oder umgekehrt? O d e r entsteht vielleicht eine Art Symbiose? Es sind erste Gedankenskizzen zu einer Untersuchung, die noch nicht begonnen worden ist. Beispiele: Gezeigt wird eine Installation von Mario Merz, geb. 1925 in Mailand, einem der wichtigsten Exponenten der Arte Povera, einer Bewegung, die in Italien Ende der sechziger Jahre entstand. Wie der N a m e schon sagt, besteht diese Kunst aus ärmlichen, wertlosen Materialien, Funde aus der N a t u r und Technik, merkwürdig u n d wie zufällig zusammengestellt, vergänglich, fragil. Hier sehen wir in der neutralen Umgebung des Kunsthauses Zürich eine G r u p p e von Iglus ausgestellt, f ü r Merz sehr typische Gebilde aus verschiedensten Materialien. Iglu 117
bedeutet für ihn Skulptur, Behausung, optimale Form. Es liegen diesen Bauten die Zahlen der Fibonacci-Serien zugrunde, wie sie auch bei vielen Lebewesen und Organismen vorkommen, so z.B. in der Schale der Schnecke. Nun zeige ich die gleichen Iglus von Merz in Paris, ausgestellt in der Chapelle St. Louis im Jahr 1987. Die gotische Architektur und das Iglu stören sich nicht; im Gegenteil läßt die Arbeit von Merz seine geheime Magie viel stärker spürbar werden. Die Poesie dieser Nomadenbauten wirkt intensiver, das Auge verfolgt die Rundungen der Iglus und die Bögen der gotischen Kapelle. Italienische Künstler haben überhaupt als erste in alten Bauten arbeiten können, so z.B. Jannis Kounellis, ein in Rom lebender Grieche, der hier in dem Chiostro Santa Maria Novella in Florenz 1977 eine elektrische Eisenbahn um eine Säule installiert hatte. Seine Eisenbahn wirkt hier nicht nur als irreverenter Einbruch der Technik in einer alten, für sich stehenden Kultur und Zeit; sie bezieht sich gleichsam allegorisch auf die Vergeblichkeit von menschlichem Tun und Aktivität: Der Zug fährt immer im Kreise und kommt nirgendwo an. Kounellis gehört zu den Künstlern, die immer nur für einen bestimmten Ort arbeiten, neue Konzeptionen und Installationen für diesen bestimmten Raum entwerfen (Beispiele: Gropius Bau, West-Berlin 1982; Galerie Christian Stein, Turin 1985; Museum in Bordeaux 1986). Verblüffend ist allerdings, wie mancher junge Künstler heute den O n regelrecht benutzt um so durch die Inszenierung in die historische Umgebung eine Erhöhung der Exponate zu erreichen (Beispiel: Dara Birnbaum 1988, Faust Verdammung, installiert im ehemaligen Kloster von Valencia; Per Barcley, Oil rooms 1990). Am deutlichsten wird dies in einem Werk des jungen Künstlers Adrian Schiess, Flache Arbeiten, 1990 (hier ist eindeutig die Tradition der Minimal Art zu sehen). Auf der einen Seite sehen sie die Installation im Kunsthaus Aarau, eine helle, nüchterne Halle; die gleiche Installation in der Kirche Santa Stae in Venedig, anläßlich der Biennale von Venedig 1990. Hier beleben die warmen Reflexe der Kirche die Flächen der Skulptur. Sie stehen im Kontrast zur Umgebung und werden mit ihr und durch sie ganz anders wahrgenommen. Eine andere Variante von Raumbezogenheit sehen wir in den Arbeiten des deutschen Künstlers Gerhard Merz, einem der erfolgreichen Akteure auf der post-modernen Kunstszene. Er bezieht sich bewußt auf den Raum, antwortet ihm, ordnet sich unter, er findet selber eine adäquate klassische Sprache. Als Beispiel: Eupalinos 1988 im Museum in Grenoble, einem Bau von 1870. Der Titel bezieht sich auf Fragmente aus dem Essay von Paul Valery 1924 ,Eupalinos oder die Architektur', wo Sokrates über das Werk dieses Architekten berichtet und über die Rolle der Proportionen, der Zahlen, der Harmonie und der Schönheit debattiert. Dies alles wird von Merz thematisiert und in einem Dialog mit der bestehenden Architektur des 19. Jahrhundert weiter ausgeführt. 118
Der nächste, folgerichtige Schritt, wird von Künstlern getan, die, wie James Turrell, Räume in den Räumen schaffen, eine imaginäre Architektur aus Licht und Schatten; Kunstwerke, die weder Malerei, noch Architektur, noch Skulptur sind, die kaum fotografiert oder reproduziert werden können: Sie kann der Betrachter nur unmittelbar erleben, auf sich wirken lassen und in seinem Gedächtnis speichern.
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Ill Museen als Denkmäler
GEORG HANREICH
Das Museum als Denkmal Einleitung Viele Museumsleute kämpfen gegen das noch immer latente Image ihrer Häuser als verstaubt und museal, wollen lebende Museen und gesellschaftliche Attraktivität, Dynamik und Unterhaltung. Und nun soll an das Museum der Maßstab der Denkmalpflege angelegt werden ? Fatal! werden viele unter ihnen denken. Dennoch — werde ich es versuchen und mich bemühen, die Metaebene „Museum des Museums" zu beleuchten. In vier Punkte möchte ich meine Ausführungen, die die österreichische Perspektive wiedergeben, gliedern: 1. Die Schilderung der Ausgangssituation in Österreich.— 2. Aus der Sicht der Denkmalpflege erforderliche Maßnahmen. — 3. Konsequenzen für den laufenden Betrieb eines „Museumsdenkmals". 4. Ausblick auf die geplante Vorgangsweise der Museumsabteilung des Bundesdenkmalamtes Wien. Drei dieser Punkte werde ich mit einigen Dias ergänzen, die teilweise speziell aufgenommen werden mußten, weil die Bestände des Denkmalamtes sich vorwiegend mit den Gebäuden oder — wie auch die der Museen — mit den einzelnen Objekten befassen. Ein wenig charakterisiert auch das schon die Situation und Bewußtseinslage. . . .
Die Ausgangssituation In wachsendem Umfang werden an die Museen aller Kategorien und Größenordnungen „neue" Forderungen herangetragen. Die bewußte Infragestellung der Ausstellungsaussagen durch eine oft externe Museumspädagogik, die Belastung durch die sich verschlechternden Umweltbedingungen, die dank des Massentourismus steigenden Besucherzahlen, der wissenschaftliche Paradigmenwechsel, aber auch politische Veränderungen erzwingen Anpassungsmaßnahmen, die oft zu grundlegenden Änderungen der Präsentation, zur Neuaufstellung und Neuorganisation führen. Das berechtigte und meist sehr engagierte Bemühen, den Anforderungen des Publikums, der Träger und Geldgeber zu entsprechen, verleitet allerdings dazu, die Bedeutung der alten Gegebenheit als Dokument ihrer Zeit und deren Museumsverständnis gering zu schätzen. Doch gerade in123
soferne ist das Museum in seiner Gesamtheit, im besten Falle als Gesamtkunstwerk, „Denkmal". Wenn auch das Museumsgebäude — was gelegentlich vorkommt — nicht unter Denkmalschutz steht, so besteht für die Museumsleitung scheinbar gar keine Veranlassung das Bundesdenkmalamt einzuschalten. Wer denkt schon daran, daß auch bewegliche Objekte unter Denkmalschutz stehen können ? Doch selbst die Mitwirkung des Denkmalamtes an einer Umgestaltung vermag in der derzeitigen Situation noch nicht die Bedeutung der spezifischen Aufstellung für ihre Zeit zu erhellen. Zwar sieht das Denkmalschutzgesetz (DMSG) von 1923 in der Fassung der Novellen von 1978 und 1990 den Schutz von Sammlungen beweglicher Gegenstände vor, wenn diese „wegen ihres geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Zusammenhanges ( . . . ) ein einheitliches Ganzes bilden und ihre Erhaltung dieses Zusammenhanges wegen als Einheit im öffentlichen Interesse gelegen ist", doch dürften diese Kriterien wesensgemäß auf fast jedes Museum zutreffen. Sie sind also für die Definition des „Museumsdenkmales" unzureichend. Auch die im Gesetzestext weiter geforderte „Bedachtnahme auf diesbezügliche wissenschaftliche Forschungsergebnisse" geht ins Leere. Natürlich gibt es etliche Arbeiten über die Entwicklung und Geschichte von Museen und Sammlungen im einzelnen und dem Museumswesen im ganzen, aber eine Anlayse der Relikte vergangener Museumspräsentationen und Museumskonzepte in den derzeitigen Aufstellungen fehlt. Es ist daher umso erfreulicher, wenn sich z.B. ein großes Museum wie das Naturhistorische Museum im Zuge einer intensiven Diskussion seiner zukünftigen Entwicklung seiner historischen Bedingtheit und Bedeutung besinnt und sich — was noch viel wichtiger ist — auch zu dieser Tradition aus eigenem bekennt. Bei feudalen Sammlungen ist dieses Sammlungsgeschichtsbewußtsein meist ebenso vorhanden, wie es in vielen Stiftssammlungen ungebrochen weiterlebt.
Erforderliche Maßnahmen Will man den Museen in ihrer Funktion als Denkmal gerecht werden, wofür ich mit allem Nachdruck plädiere, steckt man mitten in dem Dilemma, das alle belebten Denkmale gemeinsam haben: Der Diskrepanz zwischen der ausschließlichen Konservierung und den für eine dauerhafte sinnvolle Nutzung unvermeidbaren Adaptierungen. Dies erfordert jeden Fall in seiner Einzigartigkeit zu erfassen, zu bewerten und zu behandeln, Kompromisse zu finden oder zu vermeiden. Jedenfalls ist sicherzustellen, daß wo immer Umbauten und Neuaufstellungen vorgenommen werden, der Altbestand so gut wie möglich doku124
mentiert wird. In einer Analyse des einzelnen Museums ist zu prüfen, wo sich noch Spuren der historischen Situation so erhalten haben, daß sie Denkmalswert besitzen. Die Beurteilung muß nach Kriterien erfolgen, die bei den verschiedenen Museumstypen natürlich recht unterschiedlich ausfallen werden und von den ursprünglichen Museumskonzepten abhängen. Die Bewertung im Rahmen des Gesamtbestandes setzt allerdings einen fundierten Uberblick voraus, den wir keineswegs haben. Vor allem die kleineren, lokalen meist volkskundlichen und kulturhistorischen Museen bereiten dabei Probleme. Das Vordringen neuer wissenschaftlicher Perspektiven, aber auch politische und ideologische Veränderungen, die erfahrungsgemäß mit großen Emotionen verbunden sind, führen immer zu großen Verlusten an Kulturgut, auch in den Museen bezüglich ihrer Präsentationsformen. Sie stellen das historische Bewußtsein der Museumsleiter in der jeweiligen Wende oft auf eine echte Mutprobe: Nicht nur die eigenen Hass- und Rachegefühle müssen in Zaum gehalten werden, auch die Zerstörungswut der anderen. Im aktuellen Augenblick gelingt es wohl kaum die im Nachhinein wünschenswerte Objektivität in der Bewertung der Präsentationsformen zu erreichen und alte Aufstellungen zu sichern, da ja im Gegenteil deren rasche Beseitigung aus den unterschiedlichsten Motiven bewußt angestrebt wird. Die zeitgemäße Tendenz gegen Kolonialismus und Eurozentrismus in den Völkerkundemuseen, das gewaltsame Ende des 3. Reiches oder der Zusammenbruch des SED-Regimes liefern reichlich Beispiele. Im letzteren Falle hoffe ich noch immer, daß nicht alle so charakteristischen indoktrinierenden Bemühungen — so zuwider sie mir in tiefster Seele sind — den Reformbestrebungen der Wiedervereinigung zum Opfer gefallen sind. Mit der Beruhigung der Gemüter, dem Schwinden der allzu intensiven Betroffenheit, wächst dann wieder das Interesse am zuvor Zerstörten. Demgemäß kommt es auch im Museumsbereich gelegentlich zur Nachempfindung, zur Rekonstruktion historischer Präsentationsformen. Wie weit diese dann der ursprünglichen Entstehungszeit oder der Epoche ihrer Wiederherstellung zugerechnet werden müssen, ist wohl nur im Einzelfall und mit etwas zeitlicher Distanz vernünftig zu beurteilen. Der Einfachheit halber habe ich daher drei wenig emotionale Beispiele ausgesucht, u.a. auch deshalb, weil mir in Osterreich kein „richtiges" Museum der NS-Ara, die ich schon relativ leidenschaftslos zu betrachten vermeine, bekannt ist.
Museumsdenkmal: Konsequenzen für den Betrieb Wer für die bewußte Bewahrung des Museums als Denkmal einer bestimmten Epoche eintritt, muß sich die Frage gefallen lassen, wie er sich in dem etiket125
tierten Museum den laufenden Betrieb vorstellt, welche Einschränkungen auf den Betreiber zukommen ? Das ist dort am leichtesten zu beantworten, w o abgeschlossene Sammlungen einen weitgehend unveränderten Bestand garantieren, wie in den Schatzkammern abgetretener Dynastien oder den Hinterlassenschaften großer Sammlerpersönlichkeiten. Es gilt primär die gewachsene Form der Darstellung pfleglich zu erhalten und nur wo unvermeidlich zu adaptieren. Lassen Sie mich bei der Gelegenheit anmerken, was ich ausführlicher beim ICOM-ICR Meeting 1990 mit M I N O M in Monte Retondo, Portugal, vertreten habe: Seit wir unsere Welt von außen als Einheit und Gesamtheit zu sehen gelernt haben und wissen, was wir in unserer Mitwelt anrichten, sollten Museen und Denkmalschutz als Institutionen längst obsolet geworden sein. Die dort gepflegte sorgsame Behandlung aller Objekte und Lebewesen müßte bereits ein universales Prinzip geworden sein. Daß die Realität weit davon entfernt ist, sollte uns umso mehr Ansporn und Auftrag sein, und unterstreicht — so paradox es klingt die Bedeutung unserer Aufgabe. In dynamischen Museen mit großem Sammlungszuwachs, wie dem Technischen Museum Wien, das durch verschiedene aus der Sicht der Denkmalpflege glückliche Umstände den Anschluß an die Entwicklung vergleichbarer Institutionen durch 70 Jahre versäumt hat, kann die Konsequenz wohl nur in der Teilung in alte, bewußt ausgewählte Denkmalsbereiche und neu aktuelle Einrichtungen bestehen. Das unreflektierte Einbringen der gesamten alten Objekte in eine moderne Präsentation, wäre eine Zerstörung des Museums als Denkmal, und diese droht. Dabei verlangen die eingangs erwähnten Ansprüche an das Museum, die historischen Präsentationsformen auch deutlich als solche in Führern, Saalzetteln etc. auszuweisen und mit ergänzenden Materialien, den Publikumsbedürfnissen sozusagen sekundär gerecht zu werden (Audiovisuelle Präsentationen in verschiedenen Techniken etc.).
Ausblick Als Sofortmaßnahme wird bei allen subventionierten Umbau- und Neuaufstellungsmaßnahmen die fachlich einwandfreie Dokumentation des Altbestandes zwingend vorgeschrieben werden, um wenigstens eine nachträgliche wissenschaftliche Bearbeitung zu ermöglichen. Die Museumsabteilung des Bundesdenkmalamtes beabsichtigt, in den nächsten Jahren die österreichischen Museen systematisch auf ihre Bedeutung als zeitgeschichtliches Denkmal zu durchleuchten, charakteristische Beispiele auszuwählen, als solche zu kennzeichnen und in ihrer historischen Form zu erhalten. Ein diesbezügliches Forschungsvorhaben ist in Vorbereitung und wird zur 126
Zeit im Konzept erarbeitet. Daraus können Sie ersehen, daß diese Tagung einerseits einen großen Impuls bedeutet, aber andererseits zu einem Zeitpunkt zur Auseinandersetzung mit dem T h e m a des Museumsdenkmals gezwungen hat, zu dem diese zwangsläufig an der Oberfläche der bekannten Beispiele bleiben mußte.
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Aus der Diskussion Herr Rutishauser: . . . Man hat so das Gefühl, daß man bald nichts mehr tun kann, ohne daß irgendwo ein Denkmalpfleger sagt, daß es eigentlich falsch sei und daß man besser noch zwei Generationen gewartet hätte. Sogar im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich gibt es neben verschiedenen, wenn ich so sagen darf, denkmalpflegerischen Pannen auch ein sehr interessantes Beispiel „Das Museum im Museum". Das ist die Halwyl-Sammlung, die man immer umbauen wollte und glücklicherweise eigentlich nie umgebaut hat. Diese Sammlung ist heute noch so zugänglich wie sie vor rund 50 Jahren eingerichtet worden ist. Es ist ein Sammelsurium um und am Schloß Halwyl. Wie fühlt sich denn ein Museumsleiter, wenn er das Gefühl hat, daß ihm der Denkmalpfleger allenfalls dreinspricht? Herr Creipl: Das ist ein sehr interessantes Feld. Aber ich glaube wir stehen ja da doch noch sehr am Anfang. Das ist das Schwierige, daß die Kriterien im Grunde noch nicht entwickelt sind, die Probleme nicht erkannt werden. Eines ist sicher, historische Präsentationsformen, die den Objekten schaden, sind nicht erhaltenswürdig. Man muß zwischen historischen Lehrsammlungen und historischen kulturgeschichtlichen Museen unterscheiden. Die Lehrsammlung etwa im Medizinhistorischen Museum in Wien, die Sie vorgestellt haben, oder das Naturalienkabinett in Kremsmünster, die haben ihre Funktion verloren. Es sind andere Medien zur Ausbildung jetzt entwickelt worden. Diese Sammlungen haben ihre Funktion nicht mehr und da besteht überhaupt kein Dissens, daß man solche funktionslos gewordenen Sammlungen und Präsentationsformen natürlich erhält. Etwas anderes ist es bei den kulturgeschichtlichen Museen oder gar bei den historischen Museen. Denn konsequent die Präsentationsformen zu erhalten, bedeutet ja die Blockade der Museumsarbeit. Ein historisches Museum will ja heute auch belehren und dem Stand der Forschung entsprechende Inhalte dem Besucher vermitteln. Herr Rutishauser: Ich glaube, Herr Hanreich hat vorgeworfen, daß es falsch wäre wenn wir zu sehr eingreifen würden. Erster Schritt: Inventarisation, Kennenlernen, Konzept entwerfen und eine Auswahl treffen. Es ist die alte Arbeit, die Sie im Museumsbereich treffen müssen, die wir in der Denkmalpflege treffen müssen; es muß irgendwie qualifiziert, es muß irgendwie ausgewählt werden. Was mir sehr wichtig scheint, das ist mit dem Beispiel des Saarbrückener Schlosses deutlich geworden: Die eigene Sympathie oder Antipathie gegenüber Dingen, gegenüber Präsentationen, gegenüber der Zeitgeschichte, müssen zurücktreten. Es gibt nur eine Kontroll128
möglichkeit, daß neben dem Museumsdirektor auch ein Kunsthistoriker, ein Außenstehender, ein Denkmalpfleger als Berater beigezogen werden. Und daß in diesen Dialog allenfalls doch kritische Punkte eingebracht werden können. Herr Rebernik: Ich bin der Direktor von dem Technischen Museum in Wien. Wir haben ein Museumskonzept geschrieben. Darin haben wir auch aufgelistet, welche Sammlungsteile unter Denkmalschutz stehen. Da sind einige Bereiche, die wir unbedingt erhalten wollen. Wir haben einen einzigen Bereich leider nurmehr, der heißt „Steine und Erden", der fast noch so erhalten ist, wie er 1913 gebaut wurde. Derzeit, man stellt alles mit Aluminium dar, früher waren es Eichenvitrinen. Und ich glaube, daß das durchaus auch für ein technisches Museum gilt: 10 % der Schausammlung würden wir selbst unter Denkmalschutz stellen. Anderes ist einfach abgewohnt. Wir können nicht das ganze Technische Museum unter eine Käseglocke stellen. Das ist geschehen beim Naturhistorischen Museum in Wien. Die stellen ihr ganzes Haus komplett unter Denkmalschutz und verlieren eigentlich vollkommen ihre Funktion. Irgendwo endet das, glaube ich, diese Sucht nach Erhaltung. Frau Grzesiak: Es kommt auch darauf an, wie die Museumsgebäude ausschauen und welches Alter diese Gebäude haben. Das Leipziger Museum des Kunsthandwerks ist ein typischer funktionaler Bau in der großen Reihe neuen Bauens in Deutschland. Und diese Architektur wurde von Museumsdirektoren vorgegeben, um sie den Dingen, die dort gezeigt werden, anzupassen. Das ist das eine. Das andere aber ist, daß gerade das Museum des Kunsthandwerks aus den 20er und 30er Jahren eine sehr authentische Sammlung dieser Zeit besitzt, die genau mit der Architektur übereinstimmt. U n d deswegen kämpfen wir mit Besessenheit darum, diesen Zusammenhang wiederzubringen, weil er uns heute genau so in seiner Harmonie elementar berührt. Aus diesem Grunde ergibt sich eben eine verschiedene Sicht. Was man woanders abstreichen muß, muß man hier also möglichst mit allen Details wiederbringen, ohne sich einer gegenwärtigen oder künftigen Technologie und anderen Möglichkeiten zu verschließen. Aber das bereits ist schon wieder ein Element der damaligen neuen Technik, die dort installiert wurde und die eben das Besondere des Hauses und der Sammlung ausmacht. Es ist sowohl sachlich-funktional als auch ein bestimmter Schmuck des Art-Deco vorhanden gewesen. Und auf diesen Gegensatz wollte man nicht verzichten. Herr Rohde: N u r noch eine Anregung: Man mag ja Altes stehenlassen oder abreißen, aber ich möchte vorschlagen, dokumentieren wir es doch auf alle Fälle. Fotografieren Sie die Ausstellungen, die Sie umgestalten. Und vielleicht sind alte Vitrinen und Schränke, wenn man sie ins Magazin tut, irgendwann einmal wieder zu verwenden. Vielleicht freuen sich die Leute zwei Generationen später, daß sie diese „edlen" Dinge dann wieder finden. 129
MARTIN FRÖHLICH
Das Schweizerische Landesmuseum - ein Museum als Baudenkmal Beschreibung Das Schweizerische Landesmuseum steht in Zürich, hinter dem Hauptbahnhof, am Rande eines Parks an der Mündung der Sihl in den Zürcher Stadtfluss, die Limmat. Dieser Park, der Platzspitz, ist in den letzten Jahren als Drogenzentrum Zürichs ins Gerede gekommen. Das Landesmuseum besitzt deshalb keine „feine Adresse". Aber der Platzspitz ist auch Standort des ältesten Denkmals des deutschsprachigen Europas, das keinem Monarchen und keinem Feldherrn gewidmet ist: das Denkmal für Salomon Gessner von 1791. Nachdem 1847 die erste Bahnlinie innerhalb der Schweiz am Rande dieses Parks ihren Zürcher Bahnhof erhalten hatte (er befindet sich immer noch dort), wurde der Platzspitz 1883 Ort der ersten Schweizerischen Landesausstellung, in Zürich also eine „bekannte Adresse". Heute präsentiert sich das Museum bescheiden hinter dem immer voluminöser werdenden Bahnhof, dem absoluten Zentrum des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz. Es ist der Strasse, die das Museum vom Bahnareal trennt, entlang entwickelt und nimmt als zeitlich letzter Bau in seiner U m g e b u n g auf seine städtebauliche Situation voll Rücksicht, indem sein Vorhof von der stadtnahen Ecke des Bahngeländes her betreten wird. Das Museum kehrt im übrigen dem Bahnareal den Rücken zu und öffnet sich mit einem eigentlichen Ehrenhof gegen den Park. Der hohe Torturm markiert die Verbindung zwischen den beiden Höfen. Den Blickpunkt des Ehren- oder Innenhofs bildet die „Waffenhalle" des Museums, deren Dach die übrigen „liegenden" Museumsbauten um volle zwei Stockwerke überragt. Beinahe alle Vertikalverbindungen des Museumsbaus sind in den markanten Rundtürmen enthalten, die vor allem zum burgähnlichen Charakter des Museums beitragen: „Castle of former Swiss Kings", wie spottende Zürcher gelegentlich behaupten. D i e tuffsteinerne Aussenhaut des Bauwerks wird ergänzt durch reich bemalte Verputzpartien unter den Dachvorsprüngen und durch nie vollendete Mosaiken unter den Fenstern der Waffenhalle. Das Museum besitzt einen für Schweizer Verhältnisse reichen bildhauerischen Schmuck an profilierten Gewänden und gelegentlichen Bildwerken. Sein Inneres ist einerseits geprägt von einer dem kulturellen Fortschritt entlang entwickelten Museumsleitlinie, die bei der Ausstellung prähistorischer Funde beginnt und mit der Apotheose der Schweiz als Willensnation - errichtet 130
auf ihrer militärischen Stärke, erprobt in den Schlachten von Morgarten bis Marignano — in der Waffenhalle endet. Andererseits aber ist es bestimmt durch den Zusammenbau historischer I n n e n r ä u m e , deren vorher grassierender Verkauf ins Ausland das Landesmuseum erst wünschbar erscheinen ließ und 1886 zum ersten gesetzlichen Erlaß über Kulturgütererhaltung in der Schweiz führte. Die Notwendigkeit, diese R ä u m e möglichst originalnahe und mit ihren ganz verschiedenen Dimensionen zusammenzubauen, sie mit möglichst natürlicher Belichtung durch Fenster am Aeußern des Bauwerks, dort wo sie in den historischen Z i m m e r n hingehören, zu versehen, ließ dieses Museum „von selbst" den Ausdruck einer mittelalterlichen Burg gewinnen.
Kurze
Baugeschichte
Zu Beginn der 1890er Jahre und im Hinblick auf das 600jährige Jubiläum der Eidgenossenschaft — ein Jubiläum, das damals z u m ersten Mal gefeiert wurde, denn noch 1791 fand niemand einen G r u n d z u m Feiern - beschlossen die beiden Kammern des Eidgenössischen Parlaments, die Vereinigte Bundesversammlung, ein Schweizerisches Landesmuseum im Leben zu rufen. Die Städte Basel, Bern, Luzern und Zürich bewarben sich u m dieses Museum, obwohl zum vorneherein klar war, daß sie den Bau selber zu bezahlen haben würden — ein ausserordentlicher Fall schweizerischer Grosszügigkeit. N u r die Städte Bern und Zürich bewarben sich mit einem Projekt für einen Museumsneubau (Basel wollte z.B. „ n u r " seine Barfüsserkirche z u m Museum umbauen, was in der Folge aus andern G r ü n d e n geschah). Das Zürcher Projekt von Gustav Gull (1858 — 1942) fand einhelligen Anklang, weil es vorsah, den Museumsbau der Sammlung entsprechend zu gestalten. U n d weil Spätmittelalterliches in der Sammlung vorherrschte, sollten spätmittelalterliche F o r m e n helfen, den Besucher über die N a t u r der Sammlung aufzuklären. Das Projekt w a r — typisch schweizerischer Provenienz — nicht frei von Kompromissen. So sollte das Landesmuseum auch als Zürcher Stadtmuseum dienen, da ein solches nicht bestand (und auch heute nicht besteht). Ebenso sollten in der gleichen Anlage das städtische Kunstgewerbemuseum und die städtische Kunstgewerbeschule untergebracht werden. T r o t z der N o n k o n f o r m i t ä t der Idee — an sich in der Schweiz ein gewaltiges Realisierungshindernis — und der Auflagen des zukünftigen Bauherrn, erhielt die Stadt Zürich den Zuschlag und baute ihr Landesmuseum in den Jahren 1891 bis 1898. Als die Kunstgewerbeschule und das Kunstgewerbemuseum 1933 in einen f ü r damalige Verhältnisse topmodernen N e u b a u in der Umgebung ausgesiedelt wurden, konnte Gustav Gull 1934, als 76jähriger, sein Museum f ü r den alleinigen 131
Zweck des Landesmuseum — und seiner unterdessen gewaltig angewachsenen Verwaltung umbauen. Das wurde am Aeussern vor allem im Bereich des Haupteingangs sichtbar, als Gull in den Torbogen eine „liebliche" Passerelle einbaute, die erlaubte, trockenen Fußes vom alten Landesmuseumsteil in den Bereich des ehemaligen Kunstgewerbemuseums zu gelangen. D e r limmatseitige ehemalige Ateliertrakt der Kunstgewerbeschule wurde zum Verwaltungsbau umgenutzt. Seither haben im Landesmuseum die Museologen das W o r t , die offenbar ihre Aufgabe darin verstehen, „zukunftorientiert die Vergangenheit zu erklären" — um das berühmte W o r t von Kirkegaard kurz zu persiflieren. So musste sich das Innere, an sich Saal für Saal ein museologisches Gesamtkunstwerk, nach Massgabe der durch schweizerische Sparsamkeit beschränkten Kredite, teilweise Veränderungen gefallen lassen, von denen der Sprechende, ein einigermaßen erfahrener Denkmalpfleger, aber museologischer Laie (dem die anwesenden ICOM-Mitglieder die Kritik an ihren Vorfahren verzeihen mögen) vermutet, daß sie zwar den Bau und seinen Eindruck beim Besucher nachhaltig geschädigt haben, aber der Präsentierung des Ausstellungsgutes keinen Gewinn gebracht hätten. Erst die beiden letzten Direktionen bemühen sich im Hinblick auf die hundertjährige Wiederkehr der Eröffnung des Museums diesem Raubbau an der Museumsarchitektur Einhalt zugebieten und — w o dies machbar und sinnvoll erscheint -
die alten Ausstellungssäle zu restaurieren.
Ideengeschichtliche Bedeutung oder: Was macht dieses Museum zum Baudenkmal? Für den Leitgedanken der Museumsidee und des Museumsbaus gibt es relativ wenige Vorbilder. So ließ Kaiser Franz I. von Oesterreich, eigentlich ein Schweizer, wie wir alle wissen, um 1820 sein Schloß Franzenburg bei Laxenburg um Zimmer herum bauen, die er überall in seinem Reich zusammengebettelt hatte, um damit die Kulturleistungen Oesterreichs für sich gegenwärtig zu haben. Zum andern darf nicht vergessen werden, daß der Zürcher Gustav Gull als Architekt an der Ε Τ Η Zürich in der Tradition Gottfried Sempers ausgebildet worden war. Gull kannte sicher Sempers Vorstellungen von der Ausbildung junger Kunstgewerbler anhand von möglichst qualitätsvollen historischen Vorbildern, die er in ein Museumskonzept zu gießen versuchte, dessen Realisierung ihm allerdings lebenslang versagt geblieben war. Wenn auch nichts in Gulls Museumsanlage an das Sempersche Architekturkonzept für Kunstgewerbemuseen erinnert, ist Gulls Landesmuseum eben doch eine frühe Realisierung im deutschsprachigen Raum einer Kunstgewerbeschule in Verbindung mit einer eigenen Studiensammlung, dem Kunstgewerbemuseum, und obendrein verbunden mit
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der Sammlung des besten, was die Schweizer Landschaften an altem kunstgewerblichem Ausstellungsgut je hervorgebracht hatten, der Sammlung des Landesmuseums. Womöglich geht aus dem eben Geschilderten nicht zwingend hervor, daß das Schweizerische Landesmuseum damit den Rang eines Baudenkmals beanspruchen könne — ein interessanter historischer Bau allenfalls, aber ein Baudenkmal? Auf der Suche nach dem Denkmalwert des Museums m u ß sicher auch die Frage aufgeworfen werden, welchen Stellenwert dieses Bauwerk in der Architekturgeschichte der Museen generell und in der Baugeschichte der Schweiz und ihrer Nachbarn besitzt. Ein guter Indikator dafür ist die Wirkung, die von diesem Bau ausgegangen ist: Innerhalb der Schweiz hatte die Veröffentlichung der Gull'schen Museumsidee zur Folge, daß Bern, das sich am Wettbewerb um den Sitz des Landesmuseums ebenfalls mit einem Neubauprojekt beteiligt hatte, auf Grund des für Bern negativen Entscheids sein eigenes Projekt ändern ließ und 1892 bis 1894 einen Museumsbau hochzog, der ganz offensichtlich Bauideen Gulls übernahm. Darüber hinaus dürfte die Zürcher Museumsidee in ganz Europa Anklang gefunden haben. Jedenfalls zeigen sich ihre Spuren auch im Münchner Nationalmuseum, im Landwirtschaftlichen Museum in Budapest und im Palau National di Catalunya, aber auch in bescheideneren Museumsbauten, wie im wieder abgebrochenen Kriegs- und Friedensmuseum in Luzern oder im Engadinermuseum in St. Moritz, einem Neubau von 1906, den Nikiaus Hartmann um historische Engadinerinterieus herum plante und verwirklichte.
Ein Baudenkmal — was nunf Wenn nun der Bau an sich und seine Bedeutung für die folgende Architekturentwicklung ausreichen, um dieses Museum als Baudenkmal anzuerkennen, müßte daraus nicht auch eine Konsequenz für das Konzept des museologischen Verhaltens in diesem Museum abgeleitet werden? Es ist mit ein Grund für diese Darstellung, von hier Antworten auf diese Frage sowohl aus museologischer wie aus denkmalpflegerischer Sicht zu erhalten: D i e Frage an sich ist sicher bereits aus einem Denkansatz mit vorhersehbaren Folgen heraus und mit dem Wunsch nach einer ganz bestimmten Antwort gestellt: Nämlich der Prävalenz des Baudenkmals vor den darin gehüteten Schätzen — und damit eingestandenermaßen dem Wunsch nach der Prävalenz der Denkmalpflege vor der Museologie in diesem Fall. Aber ist diese Sicht schlüßig, richtig? Welche Folgen hätte ihre Bejahung für das Museum, sein Ausstellungskonzept, sein Verhältnis zu den Besuchern? Was ist ein Museum als museologisches Denkmal? — Vielleicht sogar das Museum schlechthin?
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Meine Damen und Herren, erlauben Sie, daß ich angesichts der vorgerückten Stunde den Stab in dieser wissenschaftlichen Megastaffette an meinen Nachredner weitergebe. Dies in der Hoffnung auf die eine oder andere Weise auf meine Fragen Antworten zu erhalten. Für die Zukunft des Schweizerischen Landesmuseums könnte Einiges davon abhangen.
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Aus der Diskussion Herr Rutishauser: Die Schweiz hat Wesentliches ihres Nationalbewußtseins des 19. Jahrhunderts an diesem Dornröschen-Schloß hinter dem Bahnhof emporgerankt. Und das zeigt sich auch in dieser Trophäen- und Waffenhalle. Wahrscheinlich liegt die Lösung weder im Extrem der reinen Detail-Präsentation, wie sie etwa heute vorliegt, noch in der Erhaltung bzw. Wiederherstellung des früheren Zustands. Aber ich möchte fragen, wie Sie sich zu dieser Frage stellen, die sicher nicht schweizerisch-spezifisch ist, sondern die wahrscheinlich in allen Museen des ausgehenden 19. Jahrhunderts sich ähnlich präsentiert. Herr Mayr: Es ist eigenartig, daß die Hodler-Fresken in dem großen Saal heute immer noch etwas fremd und etwas unmotiviert sind. Sind sie ein Bestandteil der Aufstellungs-Konzeption gewesen. Herr Fröhlich: Was Hodler als Voraussetzung angetroffen hat, das ist ganz eindeutig: Die Ausstellungskonzeption hat bereits bestanden, als Hodler seine Fresken malen durfte. Zuerst Konzeption der Ausstellung, wie ich sie gezeigt habe, und dann die Fresken-Einsetzung.
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MARTIN SPERLICH
Das Museum als Denkmal - die Zukunft des Bode-Museums in Berlin Uber das Bode-Museum zu sprechen heißt, über den Berliner Museumssireit zu reden; als ich zu diesem Referat aufgefordert wurde, schlug ich statt meiner Rüdiger Kleßmann, den vormaligen D i r e k t o r des Herzog-Anton-UlrichMuseums in Braunschweig vor, der am 1. Februar dieses Jahres vor der Kunstwissenschaftlichen Gesellschaft in Berlin einen glanzvollen Vortrag: Die Museumsinsel, ein Rückblick unter neuen Vorzeichen, gehalten hatte. Da er nicht ICOMOS-Mitglied ist und dieses Referat auch nur 20 Minuten dauern darf, habe ich mich dazu bereit erklärt, hätte es aber kaum getan, wenn ich gewußt hätte, daß inzwischen so viele Stimmen zu diesem T h e m a laut geworden sind, die eine hochinformative Broschüre ergeben und eine gute Diskussionsgrundlage für die künftigen Monate sein würden, denn Monate, wenn nicht Jahre, wird die Diskussion über die Museumsinsel anhalten und m u ß es, denn es geht hier nicht nur um eine Berlinerische und nicht nur deutsche, sondern ich wage es zu behaupten, um eine Frage, die die Kunstgeschichte der Welt angeht. Die Berliner Museen sind in ihrer Bedeutung nicht geringer als die Pariser und Londoner, ihr Schicksal, nicht erst seit dem letzten Kriege, ist verworren, von Katastrophen durchglüht, von politischen Verstrickungen, bürokratischen Unzulänglichkeiten und Kleinmut bestimmt. D i e unnatürliche T r e n n u n g i m m e r von einem fernen H o f f n u n g s s c h i m m e r erhellt, ist unerwartet aufgehoben; das Getrennte könnte wieder, nicht ganz narbenlos, zusammenwachsen, aber, um mit einer Goethischen Xenie zu sprechen, die ich nicht „west-östlich", sondern vorwiegend nach Westen gerichtet verstanden wissen will: „Eine große E p o c h e hat das Jahrhundert geboren, Aber der große M o m e n t findet ein kleines Geschlecht." Gerade in diesen Tagen hat ein interuniversitäres und interdisziplinäres studentisches Projekttutorium mit dem Titel: „ D e r G r a n d L o u v r e als Vorbild für Berlin?" seine eigenen Studien und fast die gesamte öffentliche Polemik zu dieser Frage in einem H e f t , freilich nur in kleiner Auflage veröffentlicht. Es ist sehr beglückend, daß die Studenten sich mit so großem Engangement der Sache annehmen. Die sehr verdienstvollen T u t o r e n sind Alexis Joachimides vom Kunstgeschichtlichen Institut der F U und N i k o l a u s Bernau, der an der Hochschule der Künste Architektur und an der T U Kunstgeschichte studiert. Dieser Berliner Museumsstreit, in manchen Erscheinungen nicht unnähnlich dem „Berliner M u s e u m s k r i e g " der 20er Jahre, hat seine Ursache nicht erst in der Dis136
kussion um die Wiedervereinigung der Museen und damit um die vom neu entstandenen Kulturforum am Kemperplatz veränderte Situation, sondern schon mit der Entscheidung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das alte Kunstgewerbemuseum von G r o p i u s zum Abriß freizugeben, um damit den Neubau zu erreichen. Der schöne Bau der Schinkelschule ist gottlob trotz dieser schändlichen Mißachtung nicht abgerissen worden, ist aber den staatlichen Museen entfremdet und anderen Nutzungen zugeordnet worden. Ohne diesen Bau aufzugeben, glaubte die Stiftung das Bauvorhaben am Kulturforum nicht durchführen zu können; der N e u b a u des Kunstgewerbemuseums ist von aufdringlicher Häßlichkeit und von sehr geringer Gebrauchsfähigkeit. O b w o h l Kundige das längst vorausgesehen hatten, war erst der allgemeine Aufschrei nach der Fertigstellung der Anlaß, die Entwürfe des Erstarchitekten zu überarbeiten. Die jetzt fertige Planung der Gemäldegalerie von Christoph Sattler verspricht einen ansehnlichen und zweckdienlichen Bau, freilich mit der nicht unwesentlichen Einschränkung, daß er maßgerecht auf die westlichen Bestände zugeschnitten ist, so schlank jedoch, daß er Zuwachs der Bestände nicht erlaubt und unbedingt „reinrassig" bleiben muß, eine pädagogische Durchmischung mit Skulpturen wäre weder räumlich noch von der Lichtführung her möglich. Dasselbe gilt für das Kunstgewerbemuseum, die Ostbestände, eindrucksvoll, aber auch zu beengt im Schloß Köpenick untergebracht, können in keinem der beiden Häuser zusammengeführt werden, der Gropiusbau böte genügend Platz, zumal das ehemals danebenstehende Völkerkundemuseum sinnlos abgerissen worden ist und dort R a u m für einen N e u b a u für Verwaltung, Restaurierung und Magazin wäre. Wenn der Wunsch vieler Museumskollegen erfüllbar wäre, den Gropiusbau wieder dem Kunstgewerbemuseum zuzuschlagen, so wären damit viele Gründe für den Berliner Museumsstreit entfallen, daher diese Bemerkung vorweg. Was dann mit dem Neubau am Kulturforum geschehen soll, darüber später. Unser T h e m a Museumsinsel ist nicht darstellbar, ohne zuvor zwei Dinge zu behandeln: erstens den Berliner Museumskrieg und zweitens die Dezentralisierungsbestrebungen der Museen seit Bode. D e r Berliner Museumskrieg ist deshalb wieder aktuell, weil 1921 durch den Kunstschriftsteller Karl Scheffler Bode und die Konzeption und Gestaltung der Berliner Museen heftig angegriffen wurden. Scheffler bekämpfte die übermäßige Ausgestaltung und Monumentalisierung der Museen, kritisierte die „Wilhelminische Großmannssucht" beim Bauen und Sammeln und nannte Bode den „Bismarck der Museen". Es ging um Grundsätzliches: Was sind Kunstwerke? Wie sollen sie angemessen aufgestellt werden? Welchem Zweck sollen sie dienen, was ist ihr kultureller, ihr volksbildnerischer Auftrag, was ist die Aufgabe des Museumsbeamten? Diese damals, in der nachexpressionistischen Epoche mit E m p h a s e und rücksichtsloser Polemik gestellten Fragen sind heute, zumeist unausgesprochen, auf leisere Weise virulent ge137
worden; ohne sie, ohne den Museumskrieg ist der heutige Museumsstreit nicht zu verstehen. Schettler griff die Art der Aufstellung des von Wiegand geplanten Architekturmuseums an: „Dort sollen antike Architekturen aufgestellt werden: Fassaden aus Originalteilen und Ergänzungen zusammengefügt, Portale und Tore, Säulen mit Kapitellen und Gesimsstücke in ihrer ganzen schlanken Höhe, dazwischen Originalskulpturen und Abgüsse . . . Wenn die Ausgrabungen fortgesetzt worden wären, so hätte am Ende wohl eine ganze griechische Stadt im Museum untergebracht werden müssen." Scheffler wandte sich gegen die Museumsidee Bodes und Wiegands, dem Kunstwerk ein originalgetreues Ambiente zu geben, ein didaktisches Umfeld, um dem Publikum den Zusammenhang des Werkes mit der Formenwelt seiner Zeit zu geben. Scheffler verspottet diese Idee mittels einer Anekdote: „In dieser Basilika (dem Mittelraum des Kaiser-Friedrich-Museums) befinden sich zu beiden Seiten Altarnischen mit italienischen Altargemälden, während in der Mitte ein geschnitztes Lesepult und Chorgestühl den Charakter des Kirchlichen noch verstärken. Diesen Raum betrat eine italienische Prinzessin und warf sich vor einem der Madonnenbilder nieder, um zu beten. Als ein Galeriediener sie daran hindern wollte, wurde sie wütend, schlug Lärm und beschwerte sich beim Minister", und es bedurfte diplomatischen Geschicks, um sie zu besänftigen. „Diese Italienerin", fährt Scheffler fort, „war ein naiver Mensch, aber die, die sie verlachten, waren schon so instinktlos und verdorben, daß sie den eigentlichen Sinn eines jeden Dings nicht mehr begriffen. Es ist nicht wahr", sagt Scheffler, „daß die alten Kunstwerke an ihrem ursprünglichen Standort am besten ausgesehen haben und daß dieser irgendwie wieder vorgetäuscht werden muß, sie haben am besten in der Werkstatt ausgesehen. Wenn man bei der Ausstellung wieder diese Wirkung erreichen kann, ist das Höchste erzielt." Nach Scheffler ist das Kunstwerk autonom, bedarf keiner pädagogischen Inszenierung, das Museum ist nur für den empfindsamen Kunstfreund gedacht. Soweit und so kurz zur inhaltlichen Bestimmung der Museen im Museumskrieg; Punkt zwei ist die Standortfrage, die auch den Museumsstreit von heute bestimmt. Bei der Standortplanung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz veröffentlichte der Präsident der Stiftung (Wormit) 1963 einen Plan, der statt der Dreiteilung Bodes: Museumsinsel — sodann Kunstgewerbemuseum und Völkerkundemuseum und schließlich Dahlem, einen neuen Standpunkt, wenig westlich vom Gropiusbau, eben das Kulturforum bei der Matthei-Kirche, ausweist. Bei der neuen Dreiteilung hat sich also der mittlere Standort etwas nach Westen verschoben. Nicht die Dreiteilung, sondern die Art der Nutzung dieser Dreiteilung sind damals wie heute strittig. 1907 hatte Bode gefordert, für die asiatischen Sammlungen in Dahlem zu bauen, Bruno Pauls Bau, der durch den Ersten Weltkrieg nicht zur Vollendung kam, wurde nach dem Zweiten Welt138
krieg der Standort der im Westen verbliebenen Teile der Gemäldegalerie, der Skulpmrenabteilung, des Kupferstichkabinetts, der ostasiatischen Sammlungen und der Völkerkunde. Bode wollte im Asiatischen Museum in Dahlem die islamische. ostasiatische und indische Kunst vereinigen. Für den preußischen Kultusminister Becker, einen anerkannten islamischen Philologen, war aber die islamische Kultur Teil der mittelmeerischen Welt und gehörte also zu den Sammlungen der klassischen Archäologie. Warum dieser lange, aber immer noch viel zu kurze Vorspruch zu unserem Thema: Das Museum als Denkmal — Die Zukunft des Bodemuseums in Berlin? Daß das Bodemuseum, das diesen Namen in der DDR-Zeit erhalten hat und das früher Kaiser-Friedrich-Museum hieß, ein im wesentlichen erhaltenes Denkmal ist und bleiben soll, jedenfalls was seine materielle Substanz ausmacht, ist unbestritten. Im Berliner Museumsstreit geht es vielmehr um die Frage, ob zum Denkmalbegriff auch seine geistige, historische Bedeutung und seine Nutzung gehört. Dieser Teil des Denkmalbegriffs ist durch die umstrittene Denkschrift „Zu den zukünftigen Standorten und zur Struktur der Staatlichen Museen zu Berlin vom September 1990" in Frage gestellt worden. Ehe wir zu dieser kommen, ist noch ein „Vorweg" nötig. Dieser Bau, dem manche wieder den früheren Namen Kaiser Friedrich statt Bode geben wollen — ich hoffe, daß sich dieser der Regenbogenpresse würdige Unfug nicht durchsetzen wird — ist in seiner Bewertung immer noch umstritten — und es ist bezeichnend, daß es ein österreichischer Kunsthistoriker ist, der kürzlich in der Kunstchronik ihm Gerechtigkeit widerfahren ließ, Prof. Hellmut Lorenz vom Kunsthistorischen Institut der Freien Universität. Ich möchte daraus zitieren: „Die Aspekte zu einer objektiven Beschäftigung mit der Gründerzeit — andernorts längst zum Normalfall von Forschung und Denkmalpflege geworden — stecken am ,Ort des Neuen' (gemeint ist Berlin) jedenfalls noch in den Kinderschuhen. Ein solcher .modern sich gebärdender Mangel an historischem Bewußtsein' hat auch in der Denkschrift seinen Niederschlag gefunden. Sie ist — was nicht sogleich ins Auge springt — freilich nicht von neubauwütigen Politikern verfaßt, sondern von der Direktion der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, einer Institution, der pfleglicher Umgang mit den Monumenten der Geschichte satzungsmäßig auferlegt ist. Auf den ersten Blick wirkt das Papier nicht sehr einfallsreich, verrät jedenfalls wenig von den Möglichkeiten, die den Museen durch die Wiedergewinnung der alten Stammhäuser auf der Museumsinsel zugewachsen sind, und den Chancen, hier, im Zentrum der Stadt, an die gewaltsam abgerissene Tradition einer für Berlin höchst respektablen Museumsgeschichte wieder anzuknüpfen. Fast rechthaberisch scheint man dagegen an Neubauprojekten festzuhalten, deren Konzeption noch in die Zeit der Teilung der Stadt zurückreicht. Das publi139
kumswirksame Kernstück des Gesamtbestandes — Gemälde- und Skulpturengalerie — soll jedenfalls in die Neubauten am Kulturforum verlagert werden, obwohl diese nur auf die Westberliner Bestände zugeschnitten sind; Platznot ist somit vorprogrammiert. .Königsopfer' der geplanten Neuregelung ist das damit entleerte Bodemuseum an der nördlichen Museumsinsel. Einst Heimstatt der von Wilhelm von Bode klug aufeinander abgestimmten Gemälde und Skulpturen und somit Zentrum der Berliner Museumslandschaft, soll es nun die bei den Sandkastenspielen übriggebliebenen Reste aufnehmen. Die Denkschrift sah zunächst vor, das Kunstgewerbe hierher zu verlagern (heute zwischen Schloß Köpenick und dem unglücklichen Neubau am Kulturforum aufgeteilt, der nicht gerade großen Appetit auf weiteres ,Neues' hat aufkommen lassen); ein internationales Expertengremium erwog dagegen, hier ein erst noch aus Resten zusammenzuflickendes ,Museum des 19. Jahrhundens' unterzubringen. Beide Vorschläge sind lustlose Verlegenheitslösungen, die nicht den Eindruck erwecken, als habe man das sichtlich ungeliebte Bauwerk ernsthaft auf seine Qualitäten und Möglichkeiten zu angemessener musealer Nutzung hin geprüft. Denn zu seinem Unglück stammt der zwischen 1898 und 1904 errichtete Monumentalbau aus der späten Gründerzeit und wurde von Ernst von Ihne (1848 — 1917) erbaut, der so etwas wie ein .Lieblingsarchitekt' Wilhelms II. gewesen und zudem noch mit dem Verdikt des .Neubarock' (horribile dictu) behaftet ist. Daß sich die Gliederung der überkuppelten Eingangslösung an Palladio (Loggia del Capitaniato) orientiert, spielt dabei keine Rolle; man hat es vielleicht auch noch gar nicht gesehen. In Ost (,gesteigertes Pracht- und Repräsentationsbedürfnis der herrschenden Klassen in dieser Zeit') wie West (,Protz und Ubermaß') gleich gering geschätzt, hatte und hat das Bauwerk kaum Chancen auf faire Behandlung. Während man in ganz Europa mit historischen Museumsbauten - sie sind zumeist repräsentativ', fallweise sogar .neubarock' - recht gut zu leben versteht und in Wien in diesem Jahr das 100jährige Bestehen des Kunsthistorischen Museums sogar zu feiern gedenkt, droht das Kaiser-FriedrichMuseum zur Rumpelkammer zu verkommen. " Des weiteren fordert Lorenz, es müsse zunächst das genuine Berliner Vorurteil gegen wilhelminische Architektur überwunden werden „und der Bau, seine Form und sein im Wechselspiel zwischen Bode und Ihne entwickeltes Raumkonzept erst einmal ernsthaft zur Kenntnis genommen und vorurteilsfrei gewürdigt w e r d e n . . . " Natürlich will Lorenz dies Museum nicht als „Spitzenwerk der abendländischen Architektur" gewürdigt wissen, aber es ist ein höchst respektabler Museumsbau, der nicht ohne Grund ins Abseits gedrängt werden darf. Ich habe Lorenz sehr ausführlich zitiert, erstens weil er Gescheites zu sagen hat, sodann aber, weil es mir wichtig ist, einen Nichtberliner zu hören, damit nicht der Eindruck entstehen kann, besagter Streit koche im eigenen Saft und 140
es wären nur die Querelen der ortsansässigen Berliner Museumsbeamten. Deswegen will ich auch noch den Schlußabsatz von Lorenz zitieren: „Berlin ist heute die einzige Großstadt Europas, deren historisches Zentrum von einer zusammenhängenden Kette von Kulturbauten dominiert wird. Gemessen an der unwiederholbaren Chance, die sich aus dieser Konstellation für die Stadt und ihre Museen ergibt, diese Mitte überzeugend wieder in Besitz zu nehmen und auszubauen, wirkt die etwas parvenuhafte Freude an glitzernden Neubauten, die das bislang vorliegende Konzept. . . vermittelt, einigermaßen deplaziert und kann selbst am ,Ort des Neuen' nicht das letzte Wort zum Thema sein." Nicht nur um das Bodemuseum, sondern um diese zusammenhängende Kette, um die ganze Museumsinsel also geht es hier. Auf der von Spree und Kupfergraben gebildeten Insel, dem Schloß gegenüber, dem Dom bena?hbart, vom mittelalterlichen Stadtkern her wie von den Linden erreichbar, ist diese nach Norden gerichtete Inselspitze in einem Jahrhundert der Ort von fünf Museumsbauten geworden. Es beginnt mit Schinkels Museum, das heute das Alte heißt und 1823 bis 1830 entstand. Kein bedeutenderer Bauplatz hätte dafür gefunden werden können. Schinkel selbst sagt dazu in seiner Sammlung architektonischer Entwürfe: „Dieser gewonnene Platz war, seinem Umfange und seiner schönen Lage nach, so bedeutend, daß ein Hauptgebäude der Stadt darauf aufgeführt werden konnte. Mein erster Gedanke fiel auf das Museum, welches nunmehr die schönste Lage in der Stadt haben und eine Zierde des Lustgartens werden konnte." Friedrich Wilhelm IV. bestimmte 1841 die ganze Spreeinsel hinter dem Museum zu „einer Freistätte für Kunst und Wissenschaft". Dieser Bau war für die Antike und die Gemäldesammlung bestimmt. Bald darauf kam es zum Bau des Neuen Museums, das 1843 — 57 von dem Schinkelschüler Friedrich August Stüler erbaut wurde. Nach dem ersten, dem Alten Museum, dieser ersten für die Öffentlichkeit bestimmten Präsentation von Kunstwerken, entsteht mit dem Stülerbau die nächste Etappe des Museumswesens. Hier vollzieht sich der Schritt zum systematischen Sammeln auf wissenschaftlicher Grundlage. Die reich ausgestatteten Innenräume haben Bezug auf die Sammlungsgegenstände, bereichern und interpretieren sie. Hier tritt das Museum aus der Sphäre der höfischen Sammlungen und knüpft an die Bildungsideen der französischen Revolution an. Bei der Eröffnung wurde es für folgende Abteilungen genutzt: Ägyptisches Museum, Ethnographische Sammlung und Vaterländische Altertümer, Antike Gipsabgüsse, Kupferstichsammlung, die Kunstkammer und Majoliken. Die nächsten 80 Jahre führten zu einer kulturkreisbezogenen Spezialisierung. 1934 enthielt das Neue Museum ausschließlich die Archäologie Ägyptens, Teilbestände der antiken Kunst und die Kupferstichsammlung. Die damit verbundenen Um- und Einbauten vermochten den Bau noch nicht wesentlich zu be141
einträchtigen, die Kriegszerstörungen und die jahrezehntelang ausgebliebenen Sicherungsarbeiten, aber mehr noch die überzogenen museologischen Forderungen können, wenn das Steuer nicht noch herumgeworfen wird, dieses immer noch rettbare bedeutende Gesamtkunstwerk weitgehend zerstören. Auf diesen Punkt des Museumsstreites kann ich hier nicht eingehen, alle Denkmalpfleger sind aufgerufen, hier Stellung zu nehmen. Freilich könnte unser Thema ebenso an diesem Bau wie am Bode-Museum abgehandelt werden, denn Entstehung und Schicksal dieser Bauten und die neue Nutzungsfrage gelten für alle gleichermaßen. Die Frage ist, wieweit kann man historische Museumsbauten durch Umwidmung ihres Zweckes oder durch vermeintlich unabdingbare Technologie verändern. 1865 — 76 entstand durch den Stüler-Schüler Johann Heinrich Strack die Nationalgalerie zur Aufnahme der 1861 vermachten Sammlung deutscher Gemälde lebender Meister des Konsuls Wagner, ein sehr zweckdienlicher und nutzbarer Bau, anders als die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe am Kulturforum, eine bewundernswerte Architektur, freilich zunächst entworfen als Verwaltungsgebäude der Rumfirma Baccardia auf Cuba und daher für museale Zwecke, insbesondere für Malerei des 19. Jahrhunderts, wenig geeignet, wohl aber für Ausstellungen der Kunst unserer Jahrzehnte. Seit kurzem wird ein bemerkenswerter technischer Bau, früher Eisenbahnmuseum, der Hamburger Bahnhof, für die allerneueste Moderne sehr aufwendig umgebaut, so daß jetzt die Nationalgalerie drei Standorte hat, die freilich auch bald nicht mehr ausreichen werden, zumal die modernen Formate beträchtlich zunehmen. Daher ist von einigen schon vorgeschlagen worden, die geplante Gemäldegalerie dicht daneben auch der Nationalgalerie zuzuschlagen. Nun also der vierte Bau auf der Insel, das Bodemuseum, an welchem sich der Berliner Museumsstreit entzündet hat, vielleicht weil an ihm dieser Streit am anschaulichsten und eindrucksvollsten abzuhandeln ist; in Wahrheit muß man aber immer alle Museumsgebäude der Stiftung und auch den verstoßenen Gropiusbau einbeziehen. Die Umwidmung der Museen, wie sie durch die Denkschrift der Stiftung dargestellt wird, würde allerdings das Bodemuseum auf besonders eindrucksvolle Weise treffen. Die Gesamtheit der Museumsinsel sollte die abendländischen Hochkulturen, und das bedeutete auch den Mittelmeerraum, aufnehmen. Nun hat die Museumskommission der Stiftung Pr.K. (insgesamt 13 in- und ausländische Museumsdirektoren) am 22. und 23. Okt. 1990 die konzeptionellen Probleme der Neuordnung der staatl. Museen zu Berlin beraten. Dabei steht dem Bodemuseum folgendes ins Haus: „Das Bodemuseum, das sowohl wegen seiner nur sehr begrenzten Raumkapazität als auch wegen seiner Funktionsmängel für die Aufnahme der Gesamtbestände der Gemäldeund Skulpturengalerie ungeeignet ist, verlangt nach einem anderen Nutzungs142
konzept. Die Kommission ist einhellig der Meinung, daß dieses Nutzungskonzept in Weiterentwicklung des in der Denkschrift gemachten Vorschlages gefunden werden muß. Sie befürwortet eine möglichst komplexe, alle künstlerischen Ausdrucksformen einschließende Präsentation. Es ergeht der Auftrag an die Museen, ein Konzept zu entwickeln, wie aus den Beständen des Kunstgewerbemuseums, der Gemäldegalerie, des Kupferstichkabinetts und der Kunstbibliothek eine solche Gesamtdarstellung möglich ist. Die Kommission ist der Meinung, daß hierbei der Kunst des 19. Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist, um eine Beziehung auch zur Architektur sichtbar werden zu lassen. Damit sollte zugleich eine inhaltliche Verbindung zur alten Nationalgalerie erreicht werden." Ein Museum, von Bode mit sehr großem Bedacht geschaffen für die abendländische Malerei und Plastik, wobei die Kunstgattungen nicht „reinrassig" abgesondert werden sollten, sondern im Einzelfall auch Möbel zusammen mit originalen Türrahmungen und mit historisierender Architektur und Ornamentik dem Publikum Seh- und Verstehhilfen geben sollten, dieses soll nun einen zusammengewürfelten Querschnitt aus allen Abteilungen beherbergen. Nicht erwähnt wurde in der zitierten Pressemitteilung der Stiftung, daß auch die Vorund Frühgeschichte ins Bodemuseum wandern soll. Am 9. Mai 91 schrieb Otto von Simson, gewiß kein unbesonnener Polemiker, in der FAZ, die ihn als den Nestor der Kunstwissenschaften in Berlin vorstellte: „. . . nachdem man das Kaiser-Friedrich-Museum als angebliche Wiederbelebung wilhelminischer Arroganz abgewertet hat, soll es nun ein Sammelsurium unzusammenhängender Bestände aufnehmen, welche den Gedanken der Kontinuität abendländischer Tradition zunichte machen würde: man möchte dort Sammlungen des Kunstgewerbemuseums, der Vor- und Frühgeschichte und der Skulpturengalerie unterbringen. Es fällt schwer, diesen Plan ernstzunehmen. Keiner der drei Direktoren, alle drei hervorragende Kenner ihrer Gebiete, hat sich denn auch mit dem absurden Gedanken abgefunden. . . . Und die Vor- und Frühgeschichte, deren Bestände zum Teil weniger Kunstwerke sind als kulturhistorische Dokumente von hohem Wert? Nicht zu Unrecht hat man bemerkt, daß für den durchschnittlichen Museumsbesucher, der kein Fachmann ist, die Besichtigung dieser „Scherben" und Fragmente erfahrungsgemäß langweilig sei. In einem Kunstmuseum kommen sie in ihrer wissenschaftlichen und historischen Bedeutung jedenfalls nicht zur Geltung." Soweit Otto von Simson, und nun noch im gleichen Blatt, der FAZ (26/27 10.90) Eduard Beaucamp: „Der Plan der Stiftung zerschlägt endgültig die inspirierende Idee der Museumsinsel, den harmonischen Kanon der Weltkulturen. Mitten im neu pulsierenden Herzen des alten Berlin droht ein monolithischer Archäologie-Komplex mit auch abweisenden Zügen." Hier ist auch das Pergamon-Museum angesprochen, der unvollendete Messel143
bau, der hundert Jahre nach dem alten Museum eingeweiht wurde, hier nur soviel davon, daß nicht der gesamte Bau der Archäologie zugehörig war, sondern der nördliche Flügel von Bode als Deutsches Museum geplant und genutzt wurde. Heute wollen die Archäologen sich mit dieser, wie sie meinen, Einnistung nicht mehr abfinden, sondern glauben den ganzen Bau benötigen zu müssen, wodurch, da sie zu obsiegen scheinen — und diesen Sieg sollte man ihnen zugestehen - die abendländische Malerei noch weiter bedrängt wird. So oder so — kein Museum hat jemals auf die Dauer Platz genug, hier kommt es darauf an, meine ich, meinen die Gegner der Stiftungsdenkschrift, Ausweichräume in unmittelbarem Zusammenhang mit der Museumsinsel zu schaffen, und die sind seit je vorhanden und schon seit den 20er Jahren im Gespräch, östlich und westlich des Wassers, der Spree und des Kupfergrabens, östlich, wo einst das Schloß Monbijou stand, und westlich im Bereich der Gardefüsilierkaserne (in Berlin seit je Maikäferkaserne genannt). Auf dem östlichen Gelände hatte in den 30er Jahren Kreis eine monumentale Museumserweiterung geplant in jenem Stil, der damals zwischen Paris, Rom und Moskau zu neuklassizistischer Mode kam, bei uns mit jener eigentümlichen Ausprägung, die der Staatsideologie besonders angemessen war. Auf beiden Bauplätzen, so haben die Mitarbeiter des erwähnten Projekttutoriums nachgewiesen, könnte der Sattlersche Bau stehen, der baureif geplant am Kulturforum die Westbestände der Gemäldegalerie aufnehmen soll. Würde er im Bereich der Kaserne gebaut weden, die Bundeswehr erhebt, soweit wir wissen, keinen Anspruch darauf, dann könnten die Kasernen, in denen übrigens Kerne des 18. Jahrhunderts stecken, als Diensträume der Museen genutzt werden. Es ist übrigens eine alte Idee, die Museen mit dem Universitätsbereich zu verbinden, diese Idee wäre der Grundidee von Humboldt gemäß und sollte ebenfalls bedacht werden. Die Institute der Kunstgeschichte und der Archäologie dicht herangerückt an diesen Erweiterungsbau und damit der Idee der Museumsinsel zugeordnet, wären eine glückliche Erweiterung des Ensembles. Ich kann mir nicht schmeicheln, alle Gründe für den Museumsstreit deutlich gemacht zu haben, dafür hätte es ein Mehrfaches an Zeit und Information bedurft. Es ist ja nicht so, daß die beiden Parteien — jede unter sich auch nicht nur mit einer Stimme sprechend — mit ihren Gründen die andere zu überzeugen vermag. Beide Kontrahenten sind des Gedankens und des Wortes mächtige Museumsbeamte und Kunsthistoriker, und vor allem, es gelten ja nicht nur die hier vorgetragenen Gründe, sondern die Vertreter der Stiftung sind in sehr vielen Fällen freudig bereit, unserer Seite völlig recht zu geben, mit dem bedauernden Einwand allerdings, daß, wenn nicht nach ihrer Weise verfahren werden könne, die Finanz- und Baupläne zusammenbrächen, begonnene und baureife Museen als kostenträchtige Planungsruinen jahrzehntelang erhalten wer144
den müßten, die Eröffnung von Galerien ins Ungewisse hinausgeschoben werden müsse und dergleichen mehr. Alle kennen diese zwingenden Gründe, die jede Diskussion beenden, und wissen, daß diejenigen, die sie vorbringen, reinen Herzens davon überzeugt sind. W e r solche Sachzwänge kennt, der weiß, daß er davor kapitulieren muß, wenn nicht beide Parteien beginnen, neu zu denken. Es geht nur um eine einzige Frage: W a s sind denn diese Museen? Sind sie austauschbare Gehäuse, die es in unserm Metier auch gibt, Nutzbauten, funktionsgerecht und neuen Bedingungen anpaßbar, oder sind sie die Sache selbst, nämlich nichts Geringeres als ihr Inhalt, wie dieser mit Geschichte befaßt und einer übergreifenden Idee zugehörig, sind sie Symbol im Sinne von Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen? Im Symbol, heißt es dort, wird ein geistiger Bedeutungsinhalt an ein sinnlich-sichtbares Zeichen geknüpft und bleibt diesem dergestalt verbunden, daß mit seinem Anblick dieser Bedeutungsgehalt sofort ins Bewußtsein gerufen wird. Dann ist die Museumsinsel ein solches sinnliches Zeichen für die von H u m b o l d t , Schinkel, F W IV. bis Bode erdachte und erbaute Freistätte der Wissenschaft und der Künste, gedacht für Forschung, Lehre und Volksbildung, eine Provinz der Weltkulturgeschichte, die von uns allen als unsere geistige Heimat angesehen wird.
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Aus der Diskussion Herr Rutishauser: Wieweit ist eine Rekonstruktion überhaupt sinnvoll für die Zwecke, für die Nutzung? Man könnte sehr vereinfacht sagen, es ist die Hauptaufgabe denkmalpflegerischer Tätigkeit, zu konservieren. Die Rekonstruktionen sind nicht unbedingt unser erstes und unser wichtigstes Ziel. Herr Beitl: Zu den gegenwärtigen Mitbewohneren des Pergamon-Museums in Berlin gehört auch das Museum für Volkskunde. Bei den Konzepten spielt die Volkskunde da eine Rolle, welche Pläne werden ventiliert, gibt es einen Anwalt für die Volkskunde in Berlin? Herr Priese: Ich glaube die Volkskunde hat keinen Anwalt in Berlin. Was ich weiß, ist, daß sie aus dem Pergamon-Museum heraus nach Dahlem oder aber an den Kemper-Platz soll. In der Denkschrift ist am Kemper-Platz ein Museumskomplex der europäischen Kultur und Kunst — und in diesem Rahmen auch an ein Museum für europäische Volkskunde gedacht. Herr Mayr: Wieweit ist in dem Konzept vorgesehen auch eine Streuung, eine Zielanordnung für jenen Tourismus anzubieten, die eben vielleicht doch ermöglicht, daß nicht alle nur zur Nofretete gehen und zum Pergamonaltar, sondern Tourismus und Didaktik zu verbinden? Herr Priese: Ich kann Sie versichern, daß wir diesen Aspekt sehr genau mit im Blickfeld haben. Wir haben mit dem Pergamon-Museum, wie es jetzt abläuft: Pergamonaltar — Milet-Saal - Ischtar-Tor — Prozessionsstraße - Zenschirli-Saal — und dann wieder zurück, ja bereits den Hauptanziehungs-Trakt im Pergamon-Museum als Fakt. Jetzt werden wir mit der ägyptischen Sammlung auf der Insel im Neuen Museum mit der Nofretete, die über den alten Haupteingang sehr problematischen Bereiche nicht bewältigen können. Es gibt jetzt eine Konzeption, die auch wieder auf dieses Gelände zurückgreifen muß, mit zwei großformatigen Architektur-Komplexen, dem KalapschaTor und der Sahoree-Halle. Ganz gleich, wie jetzt die architektonische Lösung für diesen Komplex aussieht, halten wir es für denkbar, diesen Architektur-Komplex sozusagen im Ubergang zwischen Pergamon-Museum und Neuem Museum, also der eigentlichen ägyptischen Sammlung, zusammenzuschließen und an diesen Rundgang anzuschließen, dort auch die Nofretete anzusiedeln. Herr Effenberger: Die Abtrennung des Bode-Museums durch die Stadtbahn, die dann wahrscheinlich mit diesen üblichen Schallschutz-Anlagen einen noch größeren optischen Riegel darstellen wird zwischen dem Pergamon-Museum 146
und dem Bode-Museum am Kupfergraben, wird erhalten bleiben. Ich sehe eine gewisse Chance, mit den Stadtplanern, wie man überhaupt die Insel im Stadtraum Berlin definiert. Bis jetzt ist also die Erschließung immer noch vom Lustgarten her zum Alten Museum möglich, während sich alles am Kupfergraben drängelt, um ins Pergamon-Museum hineinzukommen. Da ist eine Lösung zu finden. Es gibt aber auch noch Möglichkeiten der Erschließung von der anderen Seite des Wassers, von der Monbijou-Seite her; wo jetzt nur die eine Stadtbahn-Brücke herüberführt, ist es denkbar, eine weitere Brücke einzuschalten. Ich glaube auch, daß die Diskussion noch nicht beendet sein kann um einen weiteren Erweiterungsbau im Bereich der Museumsinsel. Gehen wir einmal davon aus, daß der Bau der Gemäldegalerie am Kemperplatz erst einmal angefangen wird, glaube ich dennoch, daß man noch in unserer Generation ernsthaft nachdenken m u ß über einen Erweiterungsbau zum Bode-Museum. Herr Sperlich hat auf die Maikäfer-Kaserne hingewiesen. Ich bin etwas skeptisch, weil das Gelände für die Universität beansprucht wird. Es bleibt aber noch das Monbijou-Gelände; das ist zwar im Augenblick tabu und die Grünen würden uns verwünschen, aber auch da m u ß man nachdenken, ob nicht doch eine Bebauung an der Monbijou-Straße zu nutzen ist. Im Norden der Insel liegt die Spandauer Vorstadt, das ist die einzige noch erhaltene Altstadtsubstanz in Berlin, die ganz gewiß in der nächsten Zeit eine erhebliche Aufwertung erfahren wird. Insofern ist für mich auch die Frage der Erschließung der Museumsinsel von einer anderen Seite her nicht ausdiskutiert und wir werden diese Frage immer wieder stellen müssen, weil es einfach nicht geht, daß das Bode-Museum in dieser völlig abgeriegelten, entlegenen Lage vor sich hin kümmert. Auch wenn dort erstklassige Malerei enthalten sein sollte; es ist nach wie vor ein Handikap, daß man dieses Museum nicht findet.
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GERHARD GLASER
Ist das Museumsdenkmal ,Grünes Gewölbe 4 im Dresdener Schloß heute noch als Museum möglich? Wollte man die über Krieg und Kriegsgefangenschaft nahezu ungeschmälert gekommene Sammlung in der zu fünf Achteln erhaltenen historischen Museumsarchitektur denkmalgerecht präsentieren, an ihrem historischen Ort im Dresdener Schloß, so könnte man sie zwar eröffnen, müßte sie aber sofort — aus Sicherheitsgründen — wieder schließen. Im Erdgeschoß des um 1550 errichteten Westflügels des Schlosses wurden in den Jahren 1723 — 29 acht Räume einander neu zugeordnet und mit dem Ziel ausgestattet, hier Gegenstände des Kunsthandwerks museal aufzustellen. Die neu gestalteten Räume erhalten die Bezeichnungen Silberzimmer, Pretiosensaal, Eckkabinett, Wappenzimmer, Weißsilberzimmer, Elfenbeinzimmer, Bronzenzimmer, Juwelenzimmer und verraten damit die museologischen Aspekte, die bei ihrer Einrichtung maßgebend waren. Eine ähnliche Systematik, „curiositetten, mesterstickes, urwerkes, golt und silberne arbeit, helfenben, criestal, stenerne vasen, gallanterien, jubelen cabinet, preciossen", finden wir in einer in das zweite Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts zu datierenden Funktionsskizze Augusts des Starken 1 zu einem Komplexmuseum, das neben diesem Museum der Kostbarkeiten und des Kunsthandwerks eine Gemälde- und Skulpturengalerie, eine Antikensammlung, ein Anthropologisches, Mineralogisches, Botanisches und Tierkundliches Museum, eine Modellsammlung, ein Technisches Museum, Sammlungen der Drucke, Handschriften, Architekturpläne und Karten, eine Münz- und Medaillensammlung und eine Bibliothek umfassen sollte, zugeordnet wissenschaftliche Arbeits- und Verwaltungsräume. Diese um mehr als ein Jahrhundert vorausschauende Überlegung sollte offensichtlich im Rahmen des geplanten Schloßneubaues auf dem Gelände des heutigen Theaterplatzes verwirklicht werden, der 1717 aus finanziellen Gründen aber aufgegeben wurde. Die in der Funktionsskizze angedachten Spezialmuseen wurden schließlich in bestehenden Bauten, im Zwinger, im Schloß, im Stallgebäude angeordnet. Auch aus Gründen der Diebstahlsicherheit, des Brandschutzes und wegen des direkten Zuganges von außen wurde für das Museum des Kunsthandwerks und der Kostbarkeiten das Erdgeschoß des Westflügels des Residenzschlosses gewählt, in dessen nördlichem Bereich, dem späteren Pretiosensaal, Silber-und Wappenzimmer, sich bereits seit dem 16. Jahrhundert die „Geheime Verwahrung" befand. „ U n d werden vil tausent in das schöne schätz gewelb deponiert, in wel148
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FUNKTIONSSCHEMA
A b b . 1: Grundriß und Funktionsbeziehungen 1729
chem auch, neben den Silbernen die gantz guldine, und die auß edlen steinen und Cristallen gemachte geschürre verwahret und etliche million goldes hier innen verborgen werden" 2 , hatte 1629 der Augsburger Patrizier Philipp Hainhofer in einem Reisebericht über diese Räume geschrieben, die bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts „ G r ü n e s G e w ö l b e " genannt wurden. Mit der Kurfürstlichen Kunstkammer im 3. Obergeschoß darüber bildeten sie eine Verwaltungseinheit und waren mit dieser durch eine innere Wendeltreppe verbunden. Neben den praktischen Gesichtspunkten hinsichtlich der Lage der Raumgruppe im Schloß war also auch aus der Tradition heraus durchaus die Berechtigung zur Einrichtung des neu zu schaffenden Museums für Kunsthandwerk an dieser Stelle gegeben. Im Gegensatz zu dieser Geheimen Verwahrung und zur Kunstkammer, auch gegenüber den Spiegelkabinetten der europäischen Residenzen, repräsentiert das unter Pöppelmanns, des Zwingerbaumeisters, Leitung neu eingerichtete Museum „ G r ü n e s G e w ö l b e " eine neue Auffassung über das Sammeln von Kunstwerken. Die Stücke nur einer Gattung, werden hier — nach ihren hauptsächlichen Materialien gesondert — so aufgestellt, daß der jeweilige Gegenstand vor unterschiedlich farbigen, unterschiedlich verspiegelten Wänden von seinem Material her zu maximaler Wirkung k o m m t . Dem Rundgang folgend, wie er von 1729 — 1913 gegeben war, finden wir im ersten Raum, im Bronzenzimmer, die wichtigsten Gruppen bzw. Reiterstandbilder vor Wandspiegeln auf Postamenten frei aufgestellt, so daß sie trotz des nur fünf auf achteinhalb Meter großen Raumes großzügig präsentiert erscheinen und vollplastisch erlebbar sind. Die übrigen Stücke — gleichsam zweite Kategorie — auf Wandkonsolen und die der dritten auf dem Wandsims waren vor dem nahezu gleichfarbigen dunklen Eichenholz in ihrer Wirkung bewußt eingeschränkt. In diesem als Auftakt gedachten R a u m kam es darauf an, die Vielfalt zunächst noch zu beschränken und das Auge des Beschauers vorerst auf ganz wenige, aber repräsentative Stücke zu lenken. Das folgende etwa gleich große Elfenbeinzimmer war vollständig vertäfelt, die Täfelung vielfarbig marmoriert, so daß das auf Tischen und Konsolen davorstehende weiße Elfenbein besonders scharf hervortrat. In diesem sehr intim wirkenden Raum befanden sich keine Spiegel. Das große Volumen an H o l z sorgte für ein gleichmäßiges Raumklima, dessen das empfindliche Elfenbein besonders bedarf. Gegenüber diesen beiden ersten in Architektur und Arrangement verhaltenen Räumen stellte das anschließende Weißsilberzimmer, die inneren Wandfelder und die Felderrahmungen jeweils verspiegelt, eine bewußte Steigerung dar. Das „weiße", nicht vergoldete Silber, gewann vor den zinnoberrot gestrichenen Wandteilen an Feuer. Die erstrangigen Stücke waren auf zu den Wänden passenden vergoldeten Tischen gänzlich frei aufgestellt, die nächstwichtigsten erschienen vor den verspiegelten inneren Wandfeldern ebenfalls vollplastisch, die drittrangigen, trotzdem aber bedeutsa150
men Stücke waren vor den unverspiegelten, rot gefaßten Wandteilen in die Zweidimensionalität zurückgenommen. Nach dem gleichen Prinzip waren auch die Stücke im Silberzimmer arrangiert: vergoldetes Silber — der Raum deshalb grün gestimmt. Der Anteil der verspiegelten Wandflächen war hier jedoch wesentlich höher, so daß eine weitere Erlebnissteigerung emfpunden wurde. Sie erfuhr ihren vorläufigen Höhepunkt im gänzlich verspiegelten Pretiosensaal, wo nur erstrangige Stücke standen, die ihrer Bedeutung nach zu sondern, nicht angängig war. In dem durch die unendliche Widerspiegelung erzeugten rauschhaften Raumerlebnis wurde hier - ebenso wie im Eckkabinett - dennoch das in allen Räumen durchgängige Gliederungsprinzip Tisch - Wand streng durchgehalten. Mit dem Wappenzimmer folgte für den aufs Höchste beeindruckten Beschauer eine Beruhigungszone in einem durch Wandschränke bestimmten Raum, in deren Türfüllungen sich die kupfergetriebenen und feuervergoldeten Wappen der sächsischen Amter und die Initialienschilde sächsischer Kurfürsten befanden. Nach dieser Erlebnispause gelangte der Besucher in das Juwelenzimmer und erlebte hier den Höhepunkt und Abschluß des spannungsreich gestalteten Erlebnisweges. Um das Sonnenlicht auf die in Wandvitrinen ausgelegten Juwelengarnituren zu lenken, waren die Wand- und sogar die Sockelflächen ringsum verspiegelt, durch goldradierte, rot und blau hinterlegte Spiegelpanien gegliedert, durch geschnitztes und vergoldetes Rahmenwerk gefaßt. In diese ihnen farbig und im Glänze entsprechende Raumarchitektur waren die Juwelen gebettet, integriert, ohne von ihr assimiliert zu werden. Die Stücke der zweiten Kategorie waren unterhalb der Wandvitrinen in Schüben arrangiert, die auf Wunsch von den Führern aufgezogen wurden. Aus dem Juwelenzimmer gelangte der Besucher wieder in das zurückhaltend gestaltete Bronzenzimmer, das auch einen angemessenen Ausklang bildete. Die in der 1729 vollendeten Ausstellung verwirklichten museologischen Gesichtspunkte, klar überschaubarer Rundgang, Präsentation in Bedeutungsebenen, Wirkungssteigerung durch Architektur und Farbe, Steigerung, Unterbrechung und abermalige Steigerung des künstlerischen Erlebnisses sind auch heute noch gültige Kriterien für die Museumsgestaltung. Neben den Ausstellungsräumen verfügte das neugeschaffene Museum über mehrere Räume, das „Vorrathsgewölbe", das „große Vorrathsgewölbe", das „Nebengewölbe" und das „Letzte Gewölbe" im Südteil des Westflügels, die wir als Depot bezeichnen können. Wie aus den Rechnungen des Hofschlossermeisters Johann Dietrich Gertz hervorgeht, waren sie in das mechanische Sicherungssystem des Gesamtkomplexes einbezogen und über das Maß für reine Lagerräume hinaus mit Kronleuchtern und Einbauschränken ausgestattet 5 . Vor den eigentlichen Museumsräumen, südlich des Bronzenzimmers, lag der ebenfalls getäfelte Verwaltungs- und Empfangsraum, des Museums, „ein klein Apartement. . ., wo der Degen abge151
Abb. 2: Pretiosensaal, unter dem Marmorfußboden Rohrheizung, an den Pfeilern elektrische Beleuchtungskörper eingebaut, Zustand um 1935
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legt wird, und sich derjenige, welches gemeiniglich ein geheimer C ä m m e r e r ist, so einen herumführet, b e f i n d e t . . ." 4 . Zwischen diesem Raum und den Depoträumen befand sich der „Vor-Saal oder vielmehr länglichte Gang" mit den Toiletten, den man vom Großen Schloßhof direkt erreichte. Die Bereiche Verwaltung und Empfang waren also ebenfalls im Ansatz ausgebildet. Der Funktionskomplex war in sich geschlossen und aus dem Funktionsverband des Schlosses herausgelöst. Auch in museumstechnischer Hinsicht ist die Raumgruppe, gemessen an heutigen Bedingungen, bemerkenswert. Jeder R a u m war ein in sich abgeschlossener Tresor. Die Fensterläden und die Türen zu und zwischen den einzelnen Räumen bestanden aus 1,5 m m bis 3,0 m m starkem in Falze schlagendem Eisenblech. Neben diesem Brandschutz bildeten die Eisentüren in Verbindung mit den Fenstervergitterungen auch absoluten Schutz gegen Einbruch. Für die Handhabung dieser Sicherungseinrichtungen waren ab 1724 die im Grünen Gewölbe tätigen Geheimen Kämmerer verantwortlich. 1732 wird für alle vier die Dienstbezeichnung „Inspektor" eingeführt 3 . In monatlichem Wechsel sind je zwei Inspektoren hauptverantwortlich''. Unabhängig davon w u r d e die Sammlung polizeilich bewacht. Die dargelegten funktionellen, museologischen und museumstechnischen Gesichtspunkte lassen darauf schließen, daß August der Starke - wohl aus kultur- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten — die Schätze seines Hauses einem weitaus größeren P u b l i k u m zugänglich machen wollte, als das im Europa jener Zeit sonst üblich war. Uber den Grad der Öffentlichkeit erfahren w i r aus der Bestallungsurkunde, Dezember 1732, für den Inspektor Schlötter: „ U n d ob w i r z w a r recht geschehen lassen können, daß denen frembden sowohl als einheimischen die in offgemeldtes Grünen Gewölbe befindliche Jubelen und Kostbarkeiten gezeigt werden; So ist doch ein guter Unterschied zu machen, daß nicht alle und jede auch deren niemals zuviel auf einmahl geführet w e r d e n " . Jeder Besucher hatte sich zunächst beim Oberkämmerer zu melden und erhielt von diesem die Genehmigung. Es war üblich, dem Inspektor, der die Gruppen führte, eine „ V e r e h r u n g " zu überreichen, bis 1830 ein Dukaten für eine bis zu drei Personen, bis 1872 zwei Taler für eine bis sechs Personen. Ab 1850 fanden mittwochs Freiführungen für bis zu zwölf Personen statt, an denen jedermann teilnehmen konnte. Die haustechnische Ausstattung des Museums war gering. Beheizt durch Ofen waren nur die Räume, w o sich die Geheimen Kämmerer aufhielten 7 , möglicherweise auch der Depotbereich. Nach sehr kalten Wintern traten Schäden bezeichnenderweise im Pretiosensaal auf, dem R a u m , der am wenigsten klimaausgleichende Holzeinbauten hatte 8 . In den Ausstellungsräumen befand sich fest installierte Beleuchtung nur im Bronzen- und Elfenbeinzimmer, je drei Kronleuchter, und im Weißsilberzimmer, vier Kronleuchter. In den übrigen Räu153
Abb. 3: Werkskizze zum Einbau der Fußbodenheizung 1914, Wiederverwendung alter und Einbau neuer Marmorplatten
men dürfte die künstliche Beleuchtung durch Kerzen auf Gueridons erzielt worden sein. Die Plastik der geschnitzten und vergoldeten Konsolen und der Wandbekrönungen ist auf diese niedrige Lichtpunkthöhe eingestellt. Nach 1900, als der Massenbesuch einsetzte, erwies sich diese haustechnische Ausstattung mehr und mehr als unzureichend. In den Wintermonaten mußten 154
die Führungen auf die wenigen hellen Mittagsstunden zusammengedrängt werden, was zu unvertretbar großen Besuchergruppen und damit zu erhöhtem Sicherheitsrisiko führte. Im Mai 1912 bewilligte der Sächsische Landtag zunächst die finanziellen Mittel für eine Beheizung der Räume 9 , Fußbodenheizung bei Wiederverwendung der historischen Marmorfußböden, deren Erhaltung das Hausmarschallamt am 6. 12. 1912 in einer Mitteilung an das Ministerium des Königlichen Hauses endgültig entschied. „Das Hausmarschallamt würde es tief beklagen, wenn die architektonische Ausstattung des weltberühmten Grünen Gewölbes durch einen Belag mit dem modernen Linoleum geradezu verunstaltet würde. Das Grüne Gewölbe soll nicht lediglich den Charakter einer Sammlung tragen, sondern die gesamte architektonische Gestaltung gibt dem Ganzen das vornehme, eigenartige Gepräge, durch den es eine der größten Sehenswürdigkeiten des Kontinents geworden ist" 10 . Trotz dieses gewichtigen Hinweises auf die künstlerische Einheit von Schaustücken und Museumsarchitektur wurde bei der folgenden Elektrifizierung und der anschließenden Neuaufstellung der Stücke der barocken Gestaltungsidee nur bedingt Rechnung getragen. Besonders im Silberzimmer und Pretiosensaal wurde die ursprünglich von Unterlicht geprägte Erscheinung der Stücke und der vergoldeten geschnitzten Konsolen durch die als Kragarme über den Pfeiler- bzw. Eckspiegeln hoch angeordnete Beleuchtung stark verändert. Das barocke Präsentationsprinzip, die wichtigsten Stücke jeweils im Zentrum der einzelnen Wandfelder zu zeigen, wurde im Silberzimmer, Weißsilberzimmer, Wappen- und Juwelenzimmer durch die Anordnung von Fensterleibungsvitrinen durchbrochen. Dies alles zeigt bereits, daß die 1729 vollendete Konzeption dem heute üblichen Massenbesuch solcher Museen nicht standhalten kann. Die seit 1971 im Albertinum gezeigte Präsentation von etwa 45 % der Stücke des Grünen Gewölbes erscheint zunächst als logische Alternative. Die Kunstwerke sind geschickt präsentiert und exzellent beleuchtet. Doch ihre Kostbarkeit ist versachlicht, ohne Charme, die Juwelengarnituren sind nicht mehr kostbar eingebettet in gläsernem Schrein, sondern finden sich wieder in einer Juwelenausstellung. Die Stücke des Grünen Gewölbes vermögen nicht zu erblühen in einer noch so gut ausgestalteten Ausstellungsarchitektur unserer Tage. Sie sind untrennbar von dem für sie geschaffenen Gehäuse. Welcher Kompromiß zeichnet sich ab? Eine kritische Wertung der 1914 vollendeten, haustechnischen Ausstattung führt zur Aufgabenstellung für die künftige Präsentation der Sammlung „Grünes G e w ö l b e " als Gesamtkunstwerk im wiederhergestellten Schloß. Die Fußbodenheizung im beschriebenen Sinne hat sich bewährt. Auf Grund des hohen Speichervermögens der bis 2,25 m starken Außenwände wird man auf Staubablagerung begünstigende Radiatoren oder Konvektoren im Bereich der Fen155
sterbrüstungen verzichten k ö n n e n u n d die D i f f e r e n z zwischen der durch die F u ß b o d e n h e i z u n g erzeugten und der gewünschten R a u m t e m p e r a t u r durch die L ü f t u n g auszugleichen vermögen. Eine Befeuchtung der Luft im W i n t e r wird erforderlich sein, ebenso eine K ü h l u n g im S o m m e r . Die A n o r d n u n g der Zuund A b l u f t ö f f n u n g e n darf nicht nur nach lüftungstechnischen, sondern m u ß auch unter architektonischen Gesichtspunkten geschehen und zusätzliche Staubbildung im R a u m weitgehend ausschließen. D e m P r o b l e m einer maximalen Staubminderung ist besondere A u f m e r k s a m k e i t zu w i d m e n , wird es aus ästhetischen Gesichtspunkten doch nicht möglich sein, alle Wandfelder mit ihren Arrangements durch Glaswände v o m R a u m gänzlich abzuschließen. Die Gestaltung der schützenden Glaswände in Verbindung mit elektrotechnischelektronischen Sicherungsanlagen ist nicht nur eine technische, sondern ebenso eine architektonische Aufgabe, die im Sinne des barocken R a u m k u n s t w e r k e s gelöst werden m u ß . Mit ihrer Ausbildung im engen Z u s a m m e n h a n g steht die künstliche Beleuchtung, die keine Spiegeleffekte auf den Glaswänden erzeugen darf und weitgehend als Unterlicht aus Brüstungshöhe hinter den Glaswänden angeordnet werden sollte. Versuche im Silberzimmer zeigten, daß bei Erzeugung von Reflexlicht durch A n s t r a h l u n g der G e w ö l b e von den Fensterschildbögen her durch 3 χ 1000 W Halogenglühlampen auf dem linken Teil der Südwand eine Helligkeit von 50 lux erzielt wurde, die gläserne Schutzwand zahlreiche Reflexe zeigt. Bei Zuschalten von 6 χ 25 W aus Brüstungshöhe hinter der Glaswand verschwanden die Reflexe, die Helligkeit betrug 80 lux. Unverändert ü b e r n o m m e n werden k ö n n e n die seit 1729 bewährten mechanischen Sicherungsanlagen, Fenstergitter, eiserne Läden und T ü r e n . Kaum sicherer als es 1729 der Kgl. Cabinettschlosser J o h a n n Dietrich G e r t z verstand, k ö n n e n heute - bei V e r w e n d u n g von Panzerglas — die Wandvitrinen f ü r die Juwelengarnituren gebaut w e r d e n " . O p t i m a l e Ausleuchtung, eine der durch den Massenbesuch erzeugten inneren Wärmelast angemessene Klimatisierung, sicherheitstechnisch u n d architektonisch optimal gestaltete gläserne Schutzwände werden d e n n o c h nicht erlauben, eine unbegrenzte Anzahl von Besuchern in den historischen R ä u m e n des G r ü n e n Gewölbes a u f z u n e h m e n . W e n n die einzelnen Stücke gut gesehen und das G e s a m t k u n s t w e r k erlebt werden soll, k ö n n e n sich maximal 450 Personen dort gleichzeitig aufhalten. Das bedeutet bei 9 Stunden Öffnungszeit u n d einem 1,5 Stunden-Rhythmus 2700 Personen/Tag, bei einem 1 Stunden-Rhythmus ca. 4000 P e r s o n e n / T a g . Bereits 1972 w u r d e n im A l b e r t i n u m an einem Sonntag in der Saison 6817 Besucher gezählt. Wieder in den ursprünglichen Zusammenhang gebracht u n d mit ihrer A r c h i t e k t u r als G e s a m t k u n s t w e r k erstrahlend, dürfte die Sammlung im Schloß eine noch größere Anziehungskraft besitzen. Mit 8000 - 10 000 B e s u c h e r n / T a g m u ß gerechnet werden. Die Ausgabe von 156
A b b . 4: J u w e l e n z i m m e r , Zustand u m 1935, im Wandfeld Einbauvitrine v o m 1728, in der Fensterleibung von 1914. 1914 ebenfalls Einbau F u ß b o d e n h e i z u n g und Beleuchtungskörper
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Eintrittskarten, die Tag und Uhrzeit festlegen, wäre eine an vergleichbaren Museen Europas bereits geübte Lösung, durch gleichmäßige Verteilung der Besucher möglichst vielen eine Besuchsgelegenheit zu ermöglichen, wäre jedoch keine gute Lösung für diejenigen aus aller Welt, die sich nur kurze Zeit in der Stadt aufhalten. Als bessere Lösung erscheint deshalb, vor dem historischen Ausstellungsbereich ein entsprechendes Vorfeld zu schaffen, in dem so viele Stücke der Sammlung massenbesuchsgerecht ausgestellt werden können, wie man sie dem historischen Bereich entziehen kann, ohne dessen inhaltliche Bedeutung und künstlerische Wirkung zu schmälern. Neueste Überlegungen zielen darauf ab, in die im 2. Obergeschoß des Schlosses angedachte ständige Ausstellung zu Kunst und Kulturgeschichte Sachsens auch Stücke des Grünen Gewölbes zu integrieren. Wir stehen vor dem unlösbaren Problem, das Gesamtkunstwerk „Grünes Gewölbe" entweder großen Teilen der Öffentlichkeit zu entziehen oder es bis zu einem gewissen Grade auszudünnen und seine ästhetische Wirkung durch technische Vorkehrungen wie Glaswände zu beeinträchtigen. Nachdem der Westflügel des Schlosses wieder unter Dach und die Restaurierung der erhaltenen Ausstattung des Grünen Gewölbes bzw. die Rekonstruktion der verbrannten drei hofseitigen Räume bereits begonnen hat, stehen Entscheidungen in Kürze an. Dazu wäre uns auch Rat aus dem I C O M wichtig.
Anmerkungen 1 2 3
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Staatsarchiv Dresden, Loc. 2097, Nr. 33 zitiert bei Menzhausen, Joachim: Das Grüne Gewölbe. Leipzig 1968. S. 9 Staatsarchiv Dresden, Amtsgericht Dresden Nr. 14, Rechnungen vom 3. 3. und 24. 9. 1729. Beschreibung des Grünen Gewölbes in Dresden. Frankfurt und Leipzig 1737, S. 7. Staatsarchiv Dresden, Loc. 896. Sachsen, das Grüne Gewölbe, deßen Revision . . . betr. ao. 1681 reg. Konzept für Bestallungsurkunde Schlötter o.D. (Dez. 1732). Iccander (Joh. Chr. Crell): Das auf dem höchsten Gipfel seiner Vollkommenheit und Glückseligkeit prangende Königliche Dresden. Leipzig 1726, S. 36. Z.B. Rechnung des Hoftöpfers Joh. Adam Fischer vom 28. 10. 1723 über die Lieferung eines „Eißern Windt Ofen". Archiv Grünes Gewölbe. 1789 meldet der Inspektor Dominicus Quittauer u.a.: „In den Pretiosen Zimmer ist bey den harten Winter vieles zu Schanden gegangen; dahero wird nöthig seyn, daß man diese schadhafte Stücken an den Herrn Hof Jubelier Globig mögen übergeben werden." Archiv Grünes Gewölbe Schreiben des Sächsichen Finanzministeriums an das Hausmarschallamt vom 3. 6. 1912. Staatsarchiv Dresden, Loc. Hausmarschallamt, Lit. R. Cap. II. Nr. 3, Vol 9, Umbau des Grünen Gewölbes 1912-1914.
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Staatsarchiv Dresden. Hausmarschallamt. a. a. O . Archiv Grünes Gewölbe. Rechnung Johann Dietrich Gertz, Königl. Cab. Schlösser, vom 3. März 1729. Darin u.a.: W . Das Jubelen Gewölbe Thlr. Gr. Pfg. Zwey Jubelen Schräncke beschlagen, mit 12. neue eiserne Rahmen zu denen inwendigen Glaß-Thüren mit Zapfen, Bändern charnier Bändern, Schup-Riegel und Schlößern auf das sauberste gearbeitet, vor jeden Rähm 28 Thlr. 326 6. Schup Laden beschlagen, mit 6. feste Schlößer, und Meßingen gestochenen Schildern mit 12 Meßingen Knöpffen, a 2. Thlr. 8 Gr. 14 Vor Schilder und Knöpffe zu vergolden 3 8 Die 12. Rahmen aus den grosen Jubelen Schranck loß genommen, und in 2. andere Jubelen Schräncke gebraucht, darzu neue Zapffen Bänder, 2. neue Schub-Riegel Bleche zum einschließen, 2. Flügel auf die Kande durchgehends hol ausgefeilt, und von neuen wieder angeschlagen 16 Vor jeden Jubelen Schräncke appart mit Eißern 4. Spiegel Glaß-Thüren vormacht mit 6. gekröpte Bänder, 6. charnier Bänder, 6 Schup-Riegel, sehr mühsam und mit vielen Schrauben zusammen gemacht, und sauber weiß gefeilt, von Rahm 60 Thlr. 960 -
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HANS-ALBERT T R E F F
Das Naturkunde-Museum Bamberg Vorbemerkung D a ß der Bamberger D o m nicht nur eines der berühmtesten Reiterstandbilder beherbergt, sondern ein Hauptdenkmal der spätromanischen und frühgotischen Kunst in Deutschland darstellt, wissen viele Leute. D a ß das im Stadtzentrum in einem ehemaligen Jesuiten-Kloster gelegene Bamberger Naturkunde-Museum jedoch ein ganz anderes architektonisches Kleinod, nämlich ein frühklassizistisches Naturalien-Kabinett aus dem 18. Jahrhundert als Herzstück beinhaltet (siehe A b b . 1 und 2), ist nicht einmal in Museumskreisen bekannt. Die Idee, anläßlich des Lindauer Symposiums „Museum und D e n k m a l p f l e g e " über das Naturalien-Kabinett des Bamberger Naturkunde Museums zu berichten, stammt von Professor D r . Hans-Jörg Kellner, dem ehemaligen D i r e k t o r der Prähistorischen Staatssammlung in München. Letztlich geht übrigens das gesamte Grundkonzept für die Lindauer Tagung 1991 auf Professor Kellner zurück und auch an dieser Stelle soll diesem für seine diesbezügliche Initiative sehr herzlich gedankt sein. Schade, daß ausgerechnet er Lindau dann doch fernbleiben mußte. Verwaltet wird das Bamberger Naturkunde-Museum, das von der Lyzeumsstiftung der Universität Bamberg getragen wird, seit einigen Jahren von der Generaldirektion der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. Die Schauräume um das frühklassizistische Naturalien-Kabinett herum, werden zur Zeit völlig neu gestaltet. Vorausgegangen war eine bauliche Veränderung der Eingangssituation des Museums, wodurch die Ausstellungsfläche etwas erweitert werden konnte. Mit der gesamten Realisation dieses Projektes ist Konservator D r . Matthias Mäuser betraut. Eigentlich war vorgesehen, daß er hier über den historischen Ausstellungssaal referiert, aber verständlicherweise hat H e r r D r . Mäuser, der sein Haus in Kürze wieder eröffnen soll, derzeit andere Sorgen. A u f ausdrücklichen W u n s c h der beiden Präsidenten von I C O M und I C O M O S , Professor Auer und Professor Petzet, erklärte sich der Autor dieses Referates, der die Übernahme des Naturkunde-Museums Bamberg in den Amtsbereich der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns in beratender F u n k t i o n von Anfang an miterlebt hat, bereit, anhand einiger kurzer Ausführungen dieses faszinierende Museumsdenkmal den Tagungsteilnehmern vorzustellen.
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Abb. 1: Das frühklassizistische Naturalien-Kabinett des Bamberger Naturkunde-Museums mit der umlaufenden Galerie
Abb. 2: Die in der Saalmitte des Naturalien-Kabinettes aufgestellten Schränke entsprechen nicht der Originalausstattung (vergl. Schlußbemerkung)
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Geschichte und Gestaltung des Bamberger
Naturalienkahinettes
Gegründet wurde das Bamberger Naturalienkabinett bereits 1790 durch den Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal. In den Jahren 1791 — 1793 ließ dieser dann in dem eingangs erwähnten Gebäude, das Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet worden war, den etwa 200 Quadratmeter großen Ausstellungssaal im frühklassizistischen Stil als Museum herstellen und in den Jahren 1793 - 1795 einrichten. Den Grundstock der heutigen Sammlungsbestände legte jedoch vor allem der Benediktinerpater Dionysius Linder, der bei der Säkularisation des Klosters Banz (1803) nach Bamberg übersiedelte und das Kabinett bis zu seinem Tod im Jahre 1838 leitete. Er vermachte dem Museum auch seine eigenen umfangreichen Sammlungen (Linder'sche Stiftung). Zur Beschreibung des historischen Ausstellungssaales soll hier ein Ausschnitt aus einem Artikel wiedergegeben werden, der am Mittwoch, den 2. September 1807 in der „Zeitung für die gebildete Welt" GEORGIA mit dem Titel „Vom Königlichen Naturalien-Kabinete zu Bamberg" erschien. Der Autor war der Professor und Schul-Seminar-Inspektor J.K. Stephan. ,, II. Aeußere Einrichtung des Naturalien-Kabinets a) Untere Etage 1) Der Eingang ist auf Seite der Königl. Bibliothek. Er besteht aus 2 aufeinanderfolgenden hohen Thüren, deren jede aus 2 Flügeln besteht. In jeder befindet sich ein messingnes Schloß; beide sind Meisterstücke. 2) Der Saal ist über 80 Schuh lang, und über 30 breit. Der Boden ist schön mit braunem Holze ausgelegt. 3) Zu beiden Seiten befinden sich zur hinreichenden Beleuchtung unten und oben 9 große helle Fenster, = 18. 4) Auf den beiden Seiten stehen 20 Behältnisse zur Aufbewahrung mehrerer Naturalien. Sie sind von Holz, oben mit großen Glasthüren versehen, unten, mit Schubladen. Ihre Farbe ist aussen schönes Cremser-Weiß, innen schönes Bergblau. Sie haben 160 Schubladen, von denselben Farben. Der Boden derselben ist mit Baumwolle belegt, auf welcher die Naturalien liegen. Oben auf diesen Behältnissen stehen vergoldete Büsten von Naturforschern, dann Urnen, Genien mit Guirlanden. 5) In der Mitte des Saales stehen 12 Behältnisse mit 72 Schubläden von denselben Farben und mit Baumwolle beleget. — Auf den Behältnissen mit Schubläden befindet sich jedesmal ein doppelter Glasaufsatz, mit schönen Schlössern von Messing vesehen.
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b) Obere Etage 1) Zu derselben führt eine schöne bequeme Stiege, von welcher man 2) in einen Vorplatz der oberen Etage kommt, in welchem man mehrere monströse Geweihe und merkwürdige Hörner mit hölzernen Köpfen von Bildhauern antrifft. 3) Die Gallerie ist von schön geformtem und stahlblau ansgestrichenem Eisen. Die Rosetten sind gut vergoldet. Die Gallerie macht bei dem unteren Eingang ins Kabinet einen überraschenden Eindruck auf den unvorbereiteten Fremden. 4) Auf der Galerie befinden sich an den Wänden mehrere Naturalien-Behältnisse mit ganzen Glasthüren, ohne Schränke mit Schubladen. 5) Auf der Gallerie in der Mitte, gerade dem Eingang gegenüber, befindet sich an dem erhabensten Platze das Bildnis Sr. Majestät des Königs von Baiern, Maximilian Josephs. Dieses treffliche Gemälde stellt ihn in Lebensgröße vor. Se. Excellenz Herr Graf von Thürheim, Königl. Bair. General-LandesKommissär von Franken, ein vorzüglicher Mäcen, verehrte es dem Naturalien-Kabinete. — Se. Excellens Frhr. Stephan von Stengel, Präsident der Kön. Landes-Direktion zu Bamberg, ließ eine prächtige vergoldete Rahm dazu verfertigen. Oberhalb derselben befindet sich eine geschmackvoll vergoldete mit silbernen (Edelstein vorstellenden), großen und erhabenen Punkten gezierte Königs-Krone. ( „ D e m Verdienste seine K r o n e ! " Schillers Lied an die Freude.) - A n beiden Seiten der Rahm befinden sich Lorbeer- und Eichen-Blätter mit Eicheln. 6) Die Ansicht des Naturalien-Kabinets vom besagten Standpunkte aus ist in der That sehr schön. 7) Das Kabinet ist sehr schön geweißet, und wird sehr rein gehalten. Kurz: D a s Naturalien Kabinet steht auch in formeller Hinsicht manchem anderen nicht nur nicht nach, sondern macht ihm den Rang streitig." Diesem Schlußwort aus dem Jahr 1807 ist wohl auch 1991 kaum etwas hinzuzufügen. Höchstens vielleicht die Aufforderung, daß man dieses einzigartige Museumsdenkmal (und natürlich die darum herum neu gestalteten, modernen Ausstellungsräume, die in reizvollem Kontrast dazu stehen) bei der ersten sich bietenden Gelegenheit unbedingt persönlich in Augenschein nehmen sollte.
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Schlußbemerkung In einer Hinsicht weicht die heutige Ausgestaltung des Naturalien-Kabinettes von der ursprünglichen und oben beschriebenen erheblich ab. Die in der Mitte des Saales aufgestellten „Behältnisse" (vergl. dazu auch Abb. 2) entsprechen nicht den im oben zitierten Text unter „untere Etage, — 5) . . ." beschriebenen und sind darüberhinaus so aufgestellt, daß der Saal eine Zweiteilung erfährt und dadurch an Großzügigkeit entscheidend verliert. Wann diese Veränderung vorgenommen wurde, ist nicht bekannt. Nach Meinung des Referenten müßte hier nach einer anderen Lösung gesucht werden — eine Anregung, die vor allem an die Adresse des anwesenden Generalkonservators Prof. Dr. Michael Petzet gerichtet ist.
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IV Zwischen Museum und Denkmal
PETER STEINER
Zwischen Bauhütte, Sakristei und Schatzkammer Der Auftrag des kirchlichen Museums im Spannungsfeld von Denkmalpflege und Denkmalnutzung Bauhütte Bauhütten gibt es seitdem das Bauwesen organisiert wird. In der Bauhütte liegen Materialien, Werkzeuge und Werkstücke, auch solche, die erst später am Bau verwendet werden sollen, oder die vom Bau abgenommen wurden. Aus der Bauhütte entstand, vor allem in Italien, der Museumstypus der „Opera del duomo", der Domopera, deren größte in Florenz, Siena und Orvieto, in hochbedeutenden Baudenkmälern der Dombezirke untergebracht sind. Die Domopera ist ein Museumstyp, in dem Einzelwerke oder auch ganze Kirchen- und Kapellenausstattungen konserviert und öffentlich ausgestellt werden. So ist in Orvieto z.B. im gotischen Palazzo Soliano, die Frühbarockausstattung des Domes von Alessandro Mocchi und anderen, die einer purifizierenden Restaurierung des Domes weichen mußte, zu besichtigen. Sie könnte, wenn das Ungenügen am purifizierten Zustand des Domes überhand nimmt, wieder in den D o m gebracht werden. Ahnlich gelagert ist der Fall der Münchner Frauenkirche. Von deren vier Ausstattungen, einer gotischen, einer frühbarocken, einer frühklassizistischen und einer neugotischen das Diözesanmuseum für christliche Kunst in Freising, 700 Werke bereithält um den 1955 zum zweiten Mal purifizierten Bau wieder auszustatten. Die Beseitigung der zierreichen und qualitätvollen neugotischen Einrichtung der Münchner Frauenkirche, war ein bewußter Akt der Denkmalpflege. Sie wurde 1945 — 48 hinter verschlossenen Türen durchgeführt und in der Öffentlichkeit als Folge der Kriegszerstörung dargestellt. Aber, wie man an Fotografien und Werkstücken sehen kann, waren es nicht die Bomben, sondern die Äxte und Sägen der Denkmalpfleger, welche die Figuren von ihren Sockeln, die Heiligen aus ihren Schreinen holten. Heute wird das Raumbild des Münchner Domes als zu arm, zu karg empfunden und vor allem der Widerspruch zur Architektur der Spätgotik, die auf bildhafte Wirkung ausgerichtet ist, gesehen. Die Überlegungen, ob und welche Werke aus dem Museum in die Kirche zurückkehren dürfen, spaltet Theologen, Architekten und Denkmalpfleger in höchst unterschiedliche Fraktionen, die jeweils quer durch die Berufsgruppen laufen, entlang der Generationsgrenzen.
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Sakristei Ebenso alt wie die Bauhütte ist die Sakristei: Der Raum, in dem das, was zur Feier der Sakra nötig ist, bereitet und bereit gehalten wird. Im christlichen Kirchenbau befindet sich die Sakristei neben dem Hochaltar, dem Chorraum unmittelbar angegliedert. Sie hat in der Ostkirche als Pastophorion mehr den Charakter des Sakralraumes bewahrt, während sie in der Westkirche mehr zum Arbeits- und Ankleideraum wurde. In der Sakristei werden Textilien, Bücher und Sakralgeräte aufbewahrt, gepflegt und für den Gebrauch bereit gehalten. In der arbeitsteiligen, disziplinierten Organisation des abendländischen Klosters entstanden für die Sakristei viele Gebrauchsgeräte und Möbeltypen, die wir heute alle gebrauchen, z.B. das Handwaschbecken, das zwischen Wasserzufluß und Wasserabfluß fest installiert ist, oder das Küchenbuffet, dessen Vorbild der Sakristeischrank ist. Er enthält unten Schubladen für Altarwäsche und liturgische Kleidung, darüber eine Arbeitsplatte, über welcher die Kästchen für Kelche und Bücher hängen. Sakristeien können gelegentlich besichtigt werden. In den Sakristeien gibt es Gegenstände, die nicht mehr zum Gebrauch verwendet, sondern nur noch vorgezeigt werden. Damit nähert sich die Sakristei dem Museum. Viele kirchliche Museen in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich, Frankreich, England, Italien und der Schweiz zeigen Paramente, Monstranzen und Kelche, die an einigen Festtagen des Jahres noch in der Kirche verwendet werden. Sie haben deshalb die Funktion einer öffentlich zugänglichen Sakristei. Aus dieser Funktion ergeben sich Konflikte für den Verantwortlichen. Soll er die Verwendung der alten Gegenstände fördern oder behindern? Soll er dafür wirken, daß der Gegenstand seine Bestimmung erfüllen und lebendig auf Menschen wirken kann, oder muß ihn die Sorge, daß der Gegenstand dabei abgenutzt und verbraucht wird, beherrschen? Am problematischsten ist dabei der Umgang mit Textilien: Sie sind empfindlich gegen Veränderungen des Lichts, der Luftfeuchtigkeit und der Lage, sie sind bei der Verwendung wahren Zerreißproben ausgesetzt, ähnlich dem Gewissen des Konservators, der zwischen Denkmalnutzung und Denkmalpflege wissenschaftlich verantwortlich entscheiden soll, und dabei weiß, daß ohne Denkmalnutzung Denkmalpflege nicht möglich ist. Der Konservator mag vermuten oder hoffen, daß ein Ornat zum Festgottesdienst, von ihm freigegeben oder vielleicht sogar empfohlen, auf den Zelebranten und die Kirchengemeinde so wirkt, daß ihr Gefühl für Farbwirkung, ästhetische Harmonie, geschichtliche Würde und sakrale Ordnung geweckt oder gestärkt wird und daß dies künftigen denkmalpflegerischen Entscheidungen zugute kommen könnte. Ist diese, zu erhoffende Sensibilisierung eine Gefährdung des Textils wen? Wer könnte dies entscheiden? Und vor allem, diese Frage ist bei jeder Kasel, bei jeder Monstranz nach 168
ihrem Gefährdungsgrad, ihrer geschichtlichen oder sakralen oder optischen Bedeutung anders zu entscheiden. Eine Klassifizierung der Sakristeibestände, an Kathedralen und Münstern nach Gefährdungsgraden und Wertigkeit könnte dabei eine Hilfe sein. Aber wer erstellt sie? Wo gibt es schon die reibungslose Harmonie zwischen Konservator, Küster und Liturgen? Wenn sie je erreicht wurde, geht sie spätestens am Vorabend des Kirchenfestes im Trubel unter. Dabei hat der Konservator immer noch seinen Restaurator im Kreuz, der die ganze Problematik zwischen Pflege und Nutzung des Denkmals von seinem Berufsethos her anders sehen muß.
Schatzkammer Im Vergleich zur Sakristei und ihrer Funktion als Arbeitsraum der Kirche, scheint die Schatzkammer mehr mit der heutigen Vorstellung von Museum zu harmonieren. Schatzkammern gehören zu allen bedeutenden Kultbauten. Sie nahmen kostbares Gerät, vor allem aber Votivgaben auf, die von Wallfahrern nach Delphi, Olympia, Dodona und an andere Orte gebracht wurden. Die Schätze der Tempel und Kirchen haben zu allen Zeiten Liebhaber gefunden. Deshalb sind Schatzkammern zwar befestigt, aber trotzdem geplündert worden. Und zwar sowohl von Eindringlingen, wie von den Kustoden selbst. Edelmetallgerät wurde eingeschmolzen, um in neue Formen gegossen zu werden, oder Bauten bzw. Kriege zu finanzieren. Für die Kriege z.B. die Bayern von 1800 bis 1815, zunächst gegen Napoleon, dann mit Napoleon und schließlich wieder gegen Napoleon, führte, mußte das Silber- und Goldgerät aus allen kirchlichen Schatzkammern in die kurbayerische Münze geliefert werden. Die Schatzkammer als Finanzreserve ihres Trägers. Mit ihrem Inventar konnten auch neue Schatzkammereinrichtungen finanziert werden. So ließ Kaiserin Maria Theresia 1747 einen Silberbrunnen von Wenzel Jamnitzer einschmelzen, um sich prächtige neue Vitrinen für die weltliche Schatzkammer in der Wiener Hofburg leisten zu können. Ein Teil des Schatzes wurde hier der Kammer geopfert. Die Nachricht wirft ein Schlaglicht auf den Konflikt zwischen Bewahren und Zeigen: Zwischen der Angst um den Schatz und dem Stolz auf den Schatz. Einzelne Schatzstücke konnten immer, entweder an Festtagen, bei zeremoniellen Weisungen, oder von Standespersonen gegen eine Gebühr an die Kustoden besichtigt werden. Ein großer Personalaufwand an bewaffneten und unbewaffneten Wächtern und Klerikern sorgte dabei für die Sicherheit. Heute mag die Panzerglasvitrine mit Alarmanlage einige Probleme lösen, die sich aus dem Konflikt von Bewahren und Zeigen ergeben, aber nicht alle. Licht und Klima im gut besuchten Museum schaffen neue. Zwischen Kellerkühle und Palmenhaus 169
schwankt die klimatische, zwischen Banktresor und Schaufenster die optische Atmosphäre. Noch dazu sollen die Dinge erklärt werden. Diese Funktion übernahmen seit dem 16. Jh. sowohl die Sprecher bei dem Heiltumsweisungen, w i e die gedruckten Kataloge. Schatzkammern sind damit die ältesten Vorreiter kirchlicher Museen; sie wurden an allen Domen, großen Stiftskirchen und v.a. an Wallfahrtskirchen eingerichtet. Eine der ältesten, heute bestehenden ist die von St. Maurice im Wallis. In der Wallfahrtskirche Maria Zell in der Steiermark führt die Wallfahrt auch in die Schatzkammer zum „Mariaschatzkammerbild", einer italienischen Ikone, die dem plastischen Gnadenbild der Kirche als Votivgabe verehrt und selbst zum Gnadenbild wurde. In Ingolstadt wurde sogar die Hauptkirche der Stadt nach einem Schatzstück benannt, der „Schönen Unser Lieben Frau", einer Pariser Goldschmiedearbeit um 1400, die im Jahre 1800 in der kurfürstlichen bayerischen Münze, dem heutigen Dienstsitz des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, eingeschmolzen wurde. Die zweite historische Schicht kirchlicher Museen entstand aus den kirchenfürstlichen Sammlungen der Neuzeit. Diejenigen der Bischöfe wurden in der Säkularisation beschlagnahmt und den staatlichen Kunstsammlungen einverleibt. Die Kunstsammlungen der nicht aufgehobenen Abteien und Propsteien in Österreich, in Klosterneuburg, Göttweig, Melk und St. Florian, um nur die größten zu nennen, zeugen heute noch von Umfang und Intention dieser kirchlichen Barockgalerien. Eine Generation nach der Säkularisation um 1850, entstanden im Zuge der kirchlichen Restauration und eines romantischen Historismus diözesane Kunstvereine und diözesane Museen. Sie sind die gleichaltrigen, kleineren Geschwister der „Kunstgewerbe- und Nationalmuseen" in München, Nürnberg, London, Wien und anderen Orten. Im Gegensatz zu diesen hatten die Diözesanmuseen meist keine eigenen Gebäude und kein Fachpersonal. Sie wurden nach zwei Generationen vielfach deponiert, ihre Räume anderweitig verwendet. Ebenfalls dem Historismus aber einer zweiten Phase am Ende des 19. Jahrhunderts, die mit der Vollendung der Kathedralen in Deutschland, Frankreich und Italien einhergeht, gehören die begehbaren Bauhütten an, die z.T. mit den Diözesanmuseen vereinigt wurden. Heute überlegt man in Köln die Dreiheit der kirchlichen Museen auch in Gebäuden und Institutionen wieder herzustellen: Die Domschatzkammer, die Domopera und das Diözesanmuseum. In Freising planen wir das Gegenteil. Nach der voraussehbaren Rückkehr von Bildwerken in den Münchner Dom sollen die Reststücke in die Sammlungen des Diözesanmuseums integriert und die Schatzstücke der beiden Dome zu einer Ausstellung von Sakralgefäßen zusammengefaßt werden. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in dem die katholische Kirche eine kritische Distanz zu ihrer Uberlieferung gewann, wurden, ausgelöst auch durch 170
eine Welle von Kunstdiebstählen aus Kirchen, neue Diözesanmuseen gegründet, jetzt zumeist in eigenen Gebäuden und unter der Leitung von Kunsthistorikern, so in Salzburg, Paderborn, Köln, Freising, Regensburg, Eichstätt, usw. . Die ca. 40 kirchlichen Museen und Schatzkammern in Deutschland und Osterreich sind seit 1969 in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, an welcher auch die Museen von Brixen, Metz, Esztergom, Oppeln, Luxemburg, Lüttich und Utrecht als Gäste teilnehmen. Aus der Stellung der kirchlichen Museen zwischen Bauhütte, Sakristei und Schatzkammer ergeben sich Probleme für die Restaurierung, die Didaktik und die Präsentation im Museum. Die Didaktik im kirchlichen Museum soll Identifikation mit Kirche ermöglichen. Sie soll wissenschaftlich, d.h. auf Information und Kritik gegründet sein, aber bei der Kritik nicht stehen bleiben. Besucher kirchlicher Museen bringen im Allgemeinen ein Grundwissen mit, sie erkennen ein Kreuz als solches und wissen den Namen der Person am Kreuz. W i r meinen allerdings aus unserer Führungserfahrung feststellen zu müssen, daß dieses Grundwissen um Bildinhalte immer schmäler wird. Kirchliche Museen sind als Lernorte in die Ausbildung und Fortbildung von Theologen, Diakonen, Mesnern und Kirchenverwaltungen eingebunden. Die Restaurierung im kirchlichen Museum muß den z.T. noch unvorhersehbaren künftigen Verwendungsmöglichkeiten der Objekte, ihrer Rückkehr in Kirchenräume und liturgischen Gebrauch, soweit möglich, Rechnung tragen. Dazu ist es notwendig, die Ganzheit eines Bildgedankens zu bewahren oder sie dort, wo sie durch den Verlust von Körperteilen, Attributen oder Malschichten gestört ist, wieder herzustellen. Restaurierung im kirchlichen Museum ist damit mehr der Restaurierungspraxis der Denkmalpflege als der Restaurierungspraxis der Museen verwandt. Auch die Präsentation sollte auf Ganzheit angelegt sein, auf Zusammenhänge der Bildaussage, des Altarbaus, des Kirchenbaus, der Liturgie. Das interessante Einzelne, das fragmentarische Objekt, mit dem Künstler und Ausstellungsgestalter heute so faszinierend umzugehen wissen, darf nicht im Vordergrund stehen. Das Berufsbild der Wissenschaftler im kirchlichen Museum ist dadurch bereichert, daß die meisten von ihnen auch in der Denkmalpflege als Diözesankonservatoren oder Inventarisatoren oder Werkstattleiter tätig sind. Es wird seit Jahren durch den immer größer werdenden Abstand zwischen Theologie und Kunstgeschichte belastet, und sollte doch von Identifikation mit beiden getragen sein. Nicht zu verwechseln mit den kirchlichen Museen sind die in ehemaligen Kirchen untergebrachten Museen, zum Beispiel die Atheismus-Museen in Rußland oder die kommunalen Museen in der Caecilienkirche in Köln, in der Augustinerkirche in Freiburg und in der Minoritenkirche in Regensburg. Von diesen 171
hat besonders das Schnütgenmuseum in der romanischen Kirche in Köln, unter der Leitung von Anton Legner, einen vorbildlichen K o m p r o m i ß zwischen der Wirkung des Raumbilds der Kirche und den musealen Erfordernissen, also zwischen Denkmalpflege und Museum, gefunden. Ich fasse zusammen: Kirchliche Museen haben die gleichen Probleme wie alle Museen und noch ein paar dazu, die sich aus ihrer N ä h e zur Kathedrale, zu Bauhütte, Sakristei und Schatzkammer ergeben. Ihre Objekte sind nur z.T. der N u t z u n g auf Dauer entzogen, sie sollen anschaulich für den Glauben der Kirche zeugen, damit es auch weiterhin Kirche und damit sinngemäße Nutzung von Kirchen gibt, ohne die Denkmalpflege an Kirchen verlorene Liebesmüh wäre.
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BERNHARD BACH
Kirchen als Museen und Baudenkmäler — in der Polarität von Tradition und Moderne I. Kirche(n) als Denkmal Die Kirchen, die vor dem zweiten Weltkrieg gebaut wurden, stehen, — unbeschadet ihrer Nutzung durch die evangelische oder römisch-katholische Konfession — in der Regel unter Denkmalschutz, sofern sie deren Kriterien erfüllen. Nun ist eine Kirche als Baudenkmal an und für sich nichts besonderes, sofern ihre Nutzung durch die Eigenschaft nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Aber schon die architektonische und kunsthistorische Bedeutung einer Kirche, als auch ihre künstlerische Ausstattung machen sie für Besucher attraktiv. Diese werden zwar zu Kirchenbesuchern aber keineswegs zu Gottesdienstbesuchern. Dieser Tatbestand hat a) Folgen und führt b) zu Schlußfolgerungen. Beispiel Rothenburg ob der Tauber a) Die Altstadt von Rothenburg ob der Tauber ist schon ein besonderes Ensemble. Die Kirche St. J a k o b bildet sozusagen den Mittel- und Höhepunkt. Ihr Reichtum an Kunstwerken und Kunstschätzen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um ein Gebäude, einen Raum handelt, der der Gemeinde für ihr gottesdienstliches Leben zur Verfügung steht. Wenn zum Beispiel zahlreiche Touristen vor verschlossener Kirchentüre stehen, weil gerade eine Taufe oder Trauung vor dem Heilig-Blut-Altar stattfindet, so stößt dies oft auf Unverständnis. Woran mag das liegen? Zum einen sicherlich auch an unserer Mentalität, Gottesdienste sollten nicht gestört werden. Z u m anderen aber am Interesse an den Kunstwerken, die im Kunst- und dann auch im Kirchenführer beschrieben und erläutert sind. b) Diese Kunstwerke wie Altäre, Bilder, Glasfenster, gewinnen aber über ihre ursprüngliche Bedeutung als „ E i n r i c h t u n g " des Gotteshauses hinaus eine Eigengesetzlichkeit als Kunstschätze sui generis, ohne ihren gottesdienstlichen Bezug. Wird die Kirche nun auf diesem Weg zum Museum? Äußerlich sicher nicht, auch wenn manchmal Öffnungszeiten und Eintrittsgelder dies als äußerliche Vergleichsmerkmale anzeigen. Inhaltlich könnte aber eine Kirche mit bedeutender, reichhaltiger Ausstattung es durchaus mit einem Museum aufnehmen. Geistesgeschichtlich könnten aber die Kunstwerke der Kirche nur noch museale Inhalte vermitteln und das Kunstwerk Museumsfunktion erworben haben.
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II. Kirche als Museum Beispiel Nürnberg Dadurch daß eine Kirche Baudenkmal ist, ist sie nicht Museum. Die Denkmalseigenschaft kann sich zwar sowohl auf das Bauwerk, den Baustil, die kunsthistorische Bedeutung, als auch auf die besondere Ausstattung im Innern beziehen. In aller Regel wird auch beides zusammentreffen. Die Funktion als „Museum" wächst dem Kirchenraum praktisch zu, ohne daß dies als Zweckbestimmung, als Nutzung, als Gebrauch beabsichtigt wäre. Es geschieht durch die Besucher, die die Kirche als Ziel aufsuchenden Touristen, und es braucht ihnen, wie den Verantwortlichen der Kirche zunächst gar nicht bewußt zu sein. Auf die Kirche kommen durch die museale Qualifizierung ihrer Kunstschätze besondere Probleme zu: Sie hat für die sachgemäße Pflege zu sorgen, wobei im Einzelfall hohe restauratorische Aufgaben und Ansprüche erfüllt werden müssen. Ich verweise dazu als Beispiel auf den Schwabacher Hochaltar. Die Kirche hat aber nur in beschränktem Maß die Fachleute und ist auf die Unterstützung der Spezialisten der Denkmalpflege angewiesen. Als weiteres Beispiel sei der Lindenhardter Altar von Grünewald genannt. Hier ist ebenfalls den Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zu danken. In beiden Fällen fand eine wissenschaftliche Begleitung und zum Abschluß ein wissenschaftliches Symposion statt. Darüberhinaus ist die kunsthistorische Würdigung und wissenschaftliche Bearbeitung ein besonderes Problem. Ein Museum als Institution hat seine wissenschaftlichen Mitarbeiter. Der Kirche steht für ihre musealen Aufgaben, die ihr im Lauf der Geschichte zugewachsen sind, ein kunsthistorisch ausgebildeter Apparat nicht zur Verfügung. Gleichwohl kommen Anfragen zur Entleihe zu Ausstellungen, seien es weltliche oder kirchliche, die bearbeitet, entschieden und be- und verantwortet werden müssen. Verwiesen sei auf die große Wittelsbacher-Ausstellung, die großen Luther-Ausstellungen staatlicher- wie kirchlicherseits, u.a. „Luther und die Kunst in Bayern", die als Wanderausstellung in 24 bayerischen Städten in den vergangenen zwei Jahren gezeigt wurde, wobei übrigens die Mehrzahl der Ausstellungsräume Kirchen waren. Von der Vielzahl kleinerer Ausstellungsaktivitäten einmal ganz abgesehen. Zuletzt und aktuell sei verwiesen auf die Ausstellung: „Silber und Zinn aus Windsheim — kirchliche Zinn- und Goldschmiedearbeiten vom 16. — 19. Jahrhundert." Dazu kommt die Vielzahl kirchlicher Kunstgegenstände wie Werke der Goldund Silberschmiedekunst, Leuchter, Textilien, Inkunabeln, alte Handschriften, die museums- und ausstellungswürdig sind, die aber je an ihrem Ort über den Bereich der ganzen evangelischen Landeskirche verteilt sind. Hier bedarf es für die Kirche weiterer Überlegungen für die Zukunft, wie sie die Schätze der Ver174
gangenheit verantwortlich behandelt, über die Inventarisation und sichere Verwahrung und N u t z u n g hinaus. In diesem Zusammenhang soll ein besonderer Hinweis der Diebstahlsproblematik gelten. Einer Presseagenturmeldung dieser Tage zufolge nehmen die Diebstähle aus Kirchen im Gebiet der ehemaligen D D R immer mehr zu. Geraten wird zu sicherer Verwahrung und zur Installation von Sicherungseinrichtungen. Die Vielzahl der Kirchen stellt sich dabei als ein besonderes Problem dar.
III, Museum in der Kirche Die evangelische Kirche könnte neidisch auf die katholische Schwesterkirche mit ihren Diözesanmuseen blicken. Sie tut dies in bescheidener protestantischer Art nicht, sondern beglückwünscht sie dazu und anerkennt die gelungenen Ergebnisse. Das entbindet uns nicht, eigene Überlegungen und Vorstellungen zu entwickeln. Kirchen gäbe es genügend, ob es für sinnvoll und wünschenswert erachtet wird, müßte diskutiert und untersucht werden. Die Kunst- und Kultgegenstände, die Selbständigkeit der Gemeinden und Stiftungen als Eigentümer, Stifterwille und örtliche Tradition und Bindung, vieles will bedacht sein, um hier zu Ergebnissen zu kommen. Im einzelnen gibt es Ansätze, Modelle, bereits Verwirklichtes, zum Teil sind viele Gegenstände als (Dauer-)Leihgaben in Museen. Wichtig in alledem wird sein, die kirchliche Besonderheit neben dem Kunst- und Kulturhistorischen Wert in der Gegenwart lebendig zu halten, um sie für die Zukunft zu erschließen.
IV. Kirchen als Denkmäler
und Museen
Die Kirche hat ihre denkmalgeschützten Kirchen und sie hat darin ihre Kunstschätze, Altäre, Bilder, Skulpturen, nicht als Museen, aber vergleichbar Museen. Die „Ausstellungsstücke" haben aber einen anderen „Sinnzusammenhang" als normale Museen. Kirchen haben nur eine beschränkte Anzahl von „Exponaten", die in der Regel in eine Funktion eingebunden sind oder waren, und sich deshalb und auch aus Platzgründen sowie aus fehlender weiterer Sammlungsnotwendigkeit nicht vermehren lassen. Des weiteren hat die Kirche als Museum mehr Schätze, mehr Kunstschätze als sie in ihren Kirchenräumen aufbewahren oder zeigen kann. Das Problem im Bereich der protestantischen Kirche, zumal der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, wird sich stellen, ob nicht ein kirchliches Museum, ähnlich den Diözesanmuseen notwendig wird. Vereinzelte Stimmen dazu sind ebenso zu hören, wie es in Ansätzen Überlegungen dazu 175
gibt, sei es in einer geeigenten für liturgische Zwecke nicht mehr benötigten Kirche, sei es in einem anderen dem Zweck geeigneten kirchlichen Gebäude. Zur Zeit und wegen der finanziellen Situation der Kirchen im Hinblick auf die finanzielle Unterstützung für die Kirchen in den neuen Bundesländern sind diese Überlegungen selbstverständlich nicht aktuell. Die Kirchen mit ihrer Architektur und Kunst leben von einer großen Vergangenheit. Sie sind heute wie früher durch den Unterhalt herausgefordert. Die Beispiele von Lindau-St. Stephan aber auch Augsburg-St. Anna und KemptenSt. Mang sind Beispiele für die Umwandlung gotischer Kirchen in ein barockes Erscheinungsbild. T r o t z des Besucherziels der Kirchen und der Kunstwerke spielt die Kirche als Museumsgebäude doch für das Besucherverhalten eine besondere Rolle. Eine Studie des A D A C zählt Unruhe in Kirchen, die von Touristen überlaufen sind, zu Problempunkten. Für die Kirche bietet dieser Punkt aber auch eine Chance, Besucher, die beten oder nur auf einer Kirchenbank ausruhen und nachdenken wollen, gezielt auf die besonderen Inhalte der Kunstwerke und den Ort ihrer Anbringung mit ihrer Geschichte und nicht nur auf ihre kunstgeschichtliche Bedeutung hinzuweisen. Erste Ansätze dieser kirchlichen Museumspädagogik eigener Prägung haben vielversprechende Erfahrungen beschert. Der denkmalpflegerische und museale Teil bildet sozusagen ein Ensemble. Die Kirche ist aber hauptsächlich Ort und Stätte der Verkündigung; die Nutzung ist der lebendige Gottesdienst der Gemeinde. Die Eigenschaft Baudenkmal und Kunstwerk stehen deshalb wie in der Vergangenheit auch in der Gegenwart und in der Zunkunft unter dem Vorzeichen Kirche. Ihre Tradition und Zukunftsverheißung gelten deshalb auch für ihre Denkmäler und Kunstschätze.
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H A N S RUTISHAUSER
Museum als Refugium - Gedanken eines Denkmalpflegers zur Museumspolitik Die beiden kulturellen Institutionen und — in der Regel — öffentlichen Dienstleistungsbetriebe Museum und Denkmalpflege haben gemeinsam die weitgehend gleichen Aufgaben und Methoden: 1. Sie konservieren die ihnen anvertrauten O b j e k t e als Geschichtsquellen für unsere Generation und für k o m m e n d e Generationen. 2. Sie bearbeiten diese Objekte wissenschaftlich, d.h. sie erforschen sie umfassend. 3. Sie verbreiten die Forschungsergebnisse zugunsten der Wissenschaft und einer breiten Öffentlichkeit. T r o t z dieser weitgehenden Ubereinstimmung der Tätigkeit gibt es eyien grundlegenden Unterschied: D a s M u s e u m entfremdet — meistens — die von ihm betreuten O b j e k t e dem zugehörigen Bestimmungsort. D i e D e n k m a l p f l e g e versucht mit allen Mitteln die Objekte am O r t ihrer angestammten B e s t i m m u n g und Zugehörigkeit - wie die Kollegen von der Archäologie sagen — „in s i t u " zu erhalten. In seltenen Ausnahmefällen mag auch der Denkmalpfleger einer Translokation eines Baudenkmals ins Freilichtmuseum als letzte Möglichkeit zustimmen. Diese „ultima r a t i o " ist denn auch in der Charta von Venedig in Artikel 7 und 8 ν >rgesehen. Daraus wird deutlich, dass es die Aufgabe der Denkmalpflege ist, Bauwerke und ihre zugehörige Ausstattung — wenn immer möglich — am O r t ihres angestammten U r s p r u n g s , in ihrer angestammten Umgebung zu erhalten. Natürlich kennen und anerkennen wir Denkmalpfleger die Begründung der Museumsverantwortlichen für ihre Sammeltätigkeit, welche die Objekte aus dem Z u s a m m e n h a n g lösen muss: N u r im M u s e u m seien die idealen raumklimatischen, sicherheitstechnischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen f ü r das ungeschmälerte Uberleben der O b j e k t e gegeben. In der rauhen Wirklichkeit bewohnter u n d belebter Bauwerke seien diese O b j e k t e einem unverantwortlichen Verschleiss ausgesetzt, der rasch zur Zerstörung führen müsse. Ich wage dies zu bezweifeln, denn ungezählte Baudenkmäler sind heute noch samt bedeutender Ausstattung weltweit in F u n k t i o n , ohne eine museale E n t f r e m d u n g . Solange verantwortliche öffentliche und private Besitzer sich liebevoll u m die ihnen anvertrauten O b j e k t e sorgen, sehe ich keinen G r u n d , diese ins M u s e u m zu überführen. Wir wissen sehr gut, wie relativ die Sicherheit in einem Museum ist, abgesehen von Katastrophen und Kriegen, erleiden auch Museen Schä177
den an ihren Objekten durch mangelnde Mittel zur Konservierung und Aufbewahrung, Versagen technischer Einrichtungen, Transportschäden an Ausstellungsleihgaben, Vandalismus und auf Museen spezialisierte Diebesbanden. Dass sogar einflussreiche Museumsleiter manchmal von Zweifeln über ihre Erwerbspolitik befallen werden, schildert der ehemalige Direktor des Metropolitan Museums, Thomas Hoving, in seinem Buch, Das Millionen Dollar Kreuz, München 1982. Beim Ankauf einer romanischen Kanzelreliefplatte, die aus der Kirche San Leonardo die Arcetri bei Florenz stammte, wird der Museumsmann von echten Skrupeln geplagt: „Beim Ersteigen der hohen Treppe zu den Kunstsammlungen (der Uffizien) beschlichen mich plötzlich Gewissensbisse. Welches Recht hatte ich, heimlich und wider das Gesetz, ein Kunstwerk aus Italien zu entführen, das in diesem Land entstanden war? Welchen Sinn würde die Verkündigung eigentlich auf ihrem einsamen Sockel in The Cloisters haben, so weit in Raum und Zeit von Florenz entfernt? Waren wir nicht Kulturpiraten? Diese plötzlich auftretenden Skrupel wurden jedoch bald von Vernunftargumenten beiseite geschoben. Sammeln bedeutete, Risiken auf sich nehmen, Besitztrieb. Italien hatte sechs Reliefs, ein siebtes würde nur Verwirrung stiften. Als ich oben angekommen war, hatte ich meine albernen Bedenken in den tiefsten Winkel meines Herzens verbannt — für immer." Ich plädiere daher für eine zeitgemässe und aufgeschlossene Zusammenarbeit zwischen Museum und Denkmalpflege. Museumsobjekte, die als Bauteile oder Ausstattungstücke eines Baudenkmals bei entsprechender Sicherheitsgarantie auch am Herkunftsort aufbewahrt und gezeigt werden können, sind zu repatriieren. Ebenso sind in verschiedenen Museen verstreute Teile von Objekten zusammenzuführen und dem Ursprungsort zurückzugeben. Ich weiss, dass man mein Ansinnen als „Generalangriff" auf die Museumsbestände empfinden kann. Doch nein — es sind ja nur ganz ausnahmsweise Objekte überhaupt dazu geeignet. Die folgenden Voraussetzungen müssten natürlich gelten: 1. Der ursprüngliche Bestimmungsort muss noch vorhanden sein. — 2. Die üblichen Voraussetzungen für Sicherheit und Konservierung müssen erfüllt sein. - 3. Falls diese Bedingungen nicht mehr zutreffen, muss der Eigentümer (das Museum) vom Besitzer die Leihgabe zurückfordern können. Die heutige Beweglichkeit unserer Gesellschaft erlaubt es, solche repatriierten Objekte am Ursprungsort zu besuchen. Die schweizerische Gottfried-Keller-Stiftung h sich die Repatriierung und Erhaltung am Ort von Kunstwerken zum Stiftur zweck gemacht. Ihr „imaginäres Museum" umfasst heute — nach 100 Jnr en des Bestehens — rund 3000 Werke, die auf 90 Institute, Museen und B.: .: Jenkmäler verteilt sind. Bedeutendste Objekte sind das ehemalige Kloster S Georgen in Stein am Rhein, das Chorgestühl im Kloster St. Urban, die spätgot. he Holzdecke im Supersaxo178
Haus in Sitten, das Stubengetäfel im Freulerpalast in Näfels und die Kanzel aus San Vittore, Poschiavo. Vier historische Denkmäler sollen das gesagte illustrieren: Die romanische Bilderdecke der Kirche St. Martin in Zillis, ist heute, wie seit rund 880 Jahren, am Ursprungsort erhalten. Da die Kirchengemeinde einen Verkauf des Originals stets ablehnte, sind von den 153 Tafeln (davon sind 140 ganz oder teilweise original) im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich 65 Tafeln als FaksimileKopien angefertigt worden und ausgestellt. — Bei der 1990 erfolgten Konservierung der romanischen Galluspforte am Basler Münster sind originale Säulchen dieses bedeutenden Figurenportals aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts wieder anstelle jüngerer Kopien eingesetzt worden. Diese originalen Säulen hat man also aus dem Münstermuseum an den originalan Standort zurückgeführt. - Gerade Umgekehrtes geschah im Falle der reich bemalten spätgotischen Decke von 1495 der Kapelle St. Sebastian in Degen, GR. Das Original ist seit 1894 im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich eingebaut. 1987 ist nach dem Original von Restauratoren aus Graubünden im Atelier des Landesmuseums eine Kopie der Decke für die restaurierte Kapelle angefertigt worden. — Ahnlich verhält es sich mit dem bedeutendsten spätgotischen Figurenportal der Schweiz am Berner Münster. Die Gesamtrestaurierung dieses Portals ist vor wenigen Wochen nach 25jähriger Tätigkeit abgeschlossen worden. Dabei hat man alle vollplastischen Figuren ins Historische Museum Bern verbracht und diese am Münsterportal durch handwerklich sorgfältige Sandsteinkopien ersetzt. Der Zerfall der teilgefassten und geölten Figuren in den vergangenen 530 Jahren ist allerdings so gering gewesen, dass man schon heute am Entscheid zu zweifeln wagt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in wenigen Jahren die originalen Plastiken an ihren angestammten O r t am Portal zurückkehren und die Kopien (als Sicherheitsdokumente) ins Museum überführt werden. Ich fasse zusammen: Historische Museen sind für Bauteile und Ausstattungsstücke ein Refugium, d.h. ein Flucht-und Schutzort auf Zeit. Sobald es die Umstände zulassen, sollten die originalen Objekte an den O r t ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückkehren. Denn das authentische Kulturobjekt kann nur in der angestammten Landschaft, im Ortsbild, am Bauwerk echtes Zeugnis seiner historischen Bestimmung und Bedeutung sein. Zu solch seltenen aber bedeutenden Rückführungen müssen Museumsleiter und Denkmalpfleger, aber auch die Öffentlichkeit H a n d bie • ι.
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Aus der Diskussion
Herr Ackermann: Die romanischen Säulchen von der Gallus-Pforte waren in der Obhut des Historischen Museums Basel und nicht des Münster-Museums. Und ich habe, als ich sie herausgab innere Zweifel überwinden müssen, ob sie, wenn wir sie an die schlechte Baseler Stadtluft wieder hinauslassen, wirklich besser bewahrt sind. Aber das Argument, daß die Kopien wesentlich schlechter sind, hat mich dann überzeugt. So wie ich eine Statue des hl. Germanus nach Raron in Kopie wegen Gefährdung in der öffentlichen Kapelle zurückgeben ließ und das Original im Museum behielt. Herr Steiner: Sie haben gesagt, aus historischen Museen sollten Werke zurückgegeben werden, wenn der originale Standort erhalten ist. Wenn dieser originale Standort aber sein Aussehen geändert hat, wenn z.B. die Kirche inzwischen barockisiert wurde, was dann? Es hat Herr Bach vorhin den Hochaltar von Tegernsee gezeigt; die Altar-Ausstattung von Tegernsee ist über vier Museen verteilt, weil die Tegernseer selber ihre Gotik ausgehängt und einen barocken Raum geschaffen haben. In den barocken Raum kann man nun die — ich glaube — 24 gotischen Tafeln nicht mehr zurückbringen, obwohl der Raum noch steht. Herr Rutishauser: Ich hätte besser formulieren müssen und sagen: „Wenn der Bestimmungsort noch in möglichst authentischer Situation vorhanden ist". Die beiden schönen Altäre, die im Chor des Museums in Basel gezeigt werden stammen aus Graubünden und sind rechtmäßig käuflich erworben worden. Aber ich habe ausdrücklich betont, es wird Ausnahmefälle geben. Die Uberlegungen müssen hier sehr ausgewogen stattfinden. Also im oberen Vinschgau werden zwei Heilige geklaut und in Zürich in der Auktion verkauft, es nimmt an dieser Auktion der Pfarrer der Kirchgemeinde und eine MuseumsleitungsPerson teil und sie bieten sich hoch. Die Heiligen liegen jetzt sei 15 Jahren im Depot eines bündnerischen Museums. Es würde gut zu 700 Jahre Eidgenossenschaft passen, wenn wir diese Figuren als Geschenk ins Vinschgau bringen würden. Nur wenn die Dinge nicht mehr in den Raum passen, dann bleiben sie besser im Museum. Herr Himmelein: Wir Museumsleute sind natürlich trotz allem sehr allergisch gegen Rückforderungs-Wünsche und -Vorstellungen. Denn wir setzten uns bei diesen Rückforderungen ja in der Regel nicht mit Denkmalpflegern auseinander, sondern mit Leuten, die das Problem weniger differenziert sehen als ein Denkmalpfleger. Ich darf ein kleines Beispiel erwähnen: Ich bekam das Ansinnen, Figuren eines Altares in eine Kirche zurückzugeben, wobei allerdings in diesem Fall weder die Kirche noch der Altar vorhanden war. Wenn es nicht 180
sein muß und wenn es nicht ein ganz vernünftiger und einsehbarer Grund ist, geben wir eigentlich nur ungern wieder etwas heraus. Herr Bach: Zwei Gesichtspunkte: Einmal die Liturgie-Reform und zum anderen die Renovierungs-Freudigkeit in den 60er und 70er Jahren haben viele Ensembles der Kirchenräume vernichtet. Ich biete als Beispiel nur die Neugotik an.
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DORIT REIMANN
Bodendenkmalpflege und nichtstaatliche Museen in Bayern Versucht man, die Beziehungen zwischen Bodendenkmalpflege und nichtstaatlichen Museen in Bayern zu umreißen, so ist zunächst ein kurzer historischer Rückblick auf die Entwicklung und die Aufgaben der beiden Institutionen notwendig. Vor mehr als 150 Jahren richtete Bayern als erster deutscher Staat nach französischem Vorbild eine Generalinspektion zur Betreuung seines Denkmälerbestands ein. Diese Maßnahme entstand u.a. aus dem Bewußtsein, daß es Werte der Vergangenheit zu schützen galt angesichts eines immer weiter um sich greifenden Nützlichkeitsdenkens im Gefolge von Säkularisation und beginnender industrieller Revolution. Somit erscheint es geradezu bezeichnend, daß ausgerechnet 1835, im Jahr der Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnstrecke, auch die erste „deutsche" Generalinspektion der Denkmäler durch König Ludwig I. gegründet wurde. Die noch in den Kinderschuhen steckende Denkmalpflege richtete ihr Augenmerk von Anfang an u.a. auf die heimische Archäologie. So bezog sich beispielsweise der Denkmalschutz bei Sammlungen nicht nur auf Gemälde, sondern auch auf vor- und frühgeschichtliche Funde. Neben der Erhaltung der jeweiligen Denkmäler spielte bei der Abfassung von Erlassen und Verordnungen der Generalinspektion der wissenschaftliche Gewinn eine große Rolle, weil man damals schon erkannt hatte, daß die Bewahrung und Sicherung von Denkmälern eng mit einer entsprechenden wissenschaftlichen und didaktischen Auswertung zusammenhängen. Nach dem ersten Höhepunkt denkmalpflegerischer Bestrebungen und einer großen Geschichtsbegeisterung unter König Ludwig I. kam es zu einer längeren Zäsur in der frühen amtlichen bayerischen Denkmalpflege, was nicht zuletzt auf die politischen Wirren der vierziger Jahre und die fortschreitende Industrialisierung zurückging. Der archäologischen Denkmalpflege nahmen sich nun vor allem drei Einrichtungen an: 1. Die Historischen Vereine, die sich nach 1827 auf den Aufruf Ludwigs I. gebildet hatten oder im Zusammenhang mit der 1870 gegründeten Münchner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte entstanden sind. 2. Das 1889 selbständig gewordene Konservatorium der prähistorischen Sammlung des Staates. 3. Die 1886 ins Leben gerufene akademische Kommission für Erforschung der Urgeschichte Bayerns bei der Bayerischen Akademie für Wissenschaften. 182
Seit 1872 nahm die Münchner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte die Rolle des Aufsichtsorgans über die archäologische Denkmalpflege wahr. Da sich diese Regelung in der Praxis nicht bewährte, übertrug man 1899 diese Aufgabe dem Konservatorium der prähistorischen Sammlung des Staates, dem kgl. Konservatorium des kgl. Münzkabinetts und dem kgl. Generalkonservatorium der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns, das seit 1868 mit der Direktion des Bayer. Nationalmuseums in Personalunion verbunden war. Aus dem Generalkonservatorium entstand 1908 durch „Königlich Allerhöchste Verordnung" eine durch die Trennung von der Direktion des Nationalmuseums selbständige Behörde für Bau-, Kunst- und Bodendenkmalpflege. Die Gründungsverordnung umriß die wesentlichen Gebiete der Denkmalpflege, darunter auch „die Fürsorge für öffentliche Museen und Sammlungen, die nicht unter staatlicher Verwaltung stehen" (Par. 2,5). Somit gehört die Betreuung der nichtstaatlichen Museen seit 1908 zu den Aufgaben des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatten sich in Bayern in vielen Städten und Gemeinden vorwiegend auf private Anstöße hin Hunderte von Heimat-, Regional- und Spezialmuseen entwickelt, die zu einem nicht geringen Teil auch vor- und frühgeschichtliche Funde enthielten. Der erste Leiter des Landesamts, Georg Hager, war ein begeisterter Freund dieser Ortsmuseen. Auf Vorschlag von Hager sah die Organisation des Amts von vornherein ein Referat zur Betreuung der nichtstaatlichen und vor allem der ehrenamtlich geleiteten Museen vor. Unter Betreuung verstand er dabei nicht nur die Beratung der regionalen Museen, sondern auch die Neugestaltung der Sammlungen und die wissenschaftliche Bearbeitung der Bestände. Im Zuge der Neuorganisation von 1908 wurde auch eine Konservierungsanstalt eingerichtet, die sowohl für die staatlichen als auch die gemeindlichen und vereinseigenen Sammlungen arbeiten sollte. Das Ausgrabungs-, Museums- und Inventarisierungswesen betreuten zwei verbeamtete archäologische Konservatoren. Diese übten vor allem beratende und anleitende Funktionen aus, während die Hauptlast der Arbeit die Museen und Historischen Vereine trugen. Ohne ihre Mithilfe wäre eine funktionierende Bodendenkmalpflege undenkbar gewesen. Die Konservatoren suchten daher gezielt nach geeigneten Mitarbeitern und bildeten diese im Rahmen der damaligen archäologischen Methoden aus, wobei man seit 1910 auch regelmäßige Mitarbeitertreffen zur Fortbildung organisierte. Die bayerische Bodendenkmalpflege ist somit seit ihrer Entstehung aufs engste mit dem Museumswesen verknüpft. Auch die beiden ersten Konservatoren, Paul Reinecke und Georg Hock, kamen aus dem Museumsbereich. Sie entwickelten 1909 ein Arbeitsprogramm, daß u.a. die Inventarisation der Bodendenkmä183
ler umfaßte. In diesem Zusammenhang war auch vorgesehen, die Vorgeschichtsfunde in privaten und nichtstaatlichen Sammlungen durch die Veröffentlichung eines Gesamtkatalogs der wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen. Man hatte damals bereits erkannt, daß eine entsprechende Inventarisation die Grundlage der landesarchäologischen Forschung und der allgemeinen Vorgeschichtswissenschaft bildet. Als beispielhafte und bis heute noch brauchbare archäologische Regionalaufnahme sei hier der Katalog Eichstätt von Friedrich Winkelmann aus dem Jahre 1926 genannt. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, daß in den zwanziger und dreißiger Jahren vor allem die Museumsleiter die sog. „Fundchroniken" und „Fundnachrichten" für ihr jeweiliges Arbeitsgebiet in den Fachzeitschriften „Germania" und „Bayerische Vorgeschichtsblätter" veröffentlichten. Vor und noch während des Zweiten Weltkriegs war es vor allem Karl Heinz Wagner, der Nachfolger von Paul Reinecke, der die fotografische und wissenschaftliche Dokumentation der prähistorischen Funde in Heimatmuseen sowie die Publikation von Museumsinventaren vorantrieb. Unter Anleitung und Vermittlung des Landesamts führten damals junge Lehrer, Studenten und Fachprähistoriker eine planmäßige Museumsinventarisation durch, die auch eine Fundstellenkartierung im Sinne einer Landesaufnahme nach Anregungen der westdeutschen Denkmalpflege einschloß. So erschienen zwischen 1952 und 1964 der Katalog Günzburg von Armin Stroh, die Kataloge Straubing I und II von HansJürgen H u n d t und der Katalog Würzburg I von Christian Pescheck. Im Jahre 1976 wurde das bisherige Ein-Mann-Museumsreferat nach den neuen Richtlinien des Denkmalschutzgesetzes zu einer Abteilung des Landesamts für Denkmalpflege ausgebaut. Damit ließ Bayern als erstes Land der Bundesrepublik die nichtstaatlichen Museen und Sammlungen durch eine Behörde betreuen. 1979 wurde die „Abteilung Nichtstaatliche Museen" vom Bayer. Nationalmuseum übernommen und zehn Jahre später als „Landesstelle für die Betreuung der Nichtstaatlichen Museen in Bayern" erneut dem Landesamt für Denkmalpflege angeschlossen. Die Landesstelle verfügt derzeit über 18 Planstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, Restauratoren, Innenarchitekten, Sekretariatspersonal und Fahrdienst. Darüber hinaus übernehmen weitere Experten im Rahmen zeitlich befristeter Verträge besondere Projekte wie Inventarisierung und Konzepterarbeitung für Ausstellungen. Die museale, fachliche und restauratorische Betreuung der vorgeschichtlichen Sammlungen liegt in den Händen von zwei Prähistorikern, die in der Landesstelle, bzw. in der Abteilung Bodendenkmalpflege des Landesamts arbeiten. Ich unterstütze die Gebietsreferenten des Landesamts sowohl hinsichtlich der Museumsbetreuung, Konzepterarbeitung für Neuaufstellungen, Fundüberwei184
sung und Inventarisation als auch hinsichtlich der Documentations- und Konservierungsarbeiten und koordiniere schließlich diese Arbeiten mit den Leitern der archäologischen Abteilung des Landesamts und der Landesstelle für Nichtstaatliche Museen. Zu meinen Aufgaben gehört ferner die Weiterführung des zentralen Museumsarchivs des Landesamts, das neben einem großen Akten-, Plan- und Kartenarchiv auch eine umfangreiche Fotothek mit mehr als 30 000 Filmen von systematischen Fundaufnahmen aus nichtstaatlichen Museen umfaßt. Weitere wichtige Aufgaben, die dazu dienen, das allgemeine Interesse an archäologischen Funden und Bodendenkmalpflege zu vertiefen, sind das Erstatten von Gutachten, das Erteilen von Fachauskünften über Museumsbestände, das Abfassen und Vermitteln von Veröffentlichungen in Fach- und Heimatzeitschriften und die Herausgabe von Führungsblättern- und heften sowie von Bildkartenserien. In enger Anlehnung an die Ausstellung archäologischer Funde in den Heimatmuseen soll ich auch beratend tätig werden beim Auf- und Ausbau archäologischer Museen im Freiland und bei der Anlage von natur- und kulturkundlichen Lehr- und Wanderpfaden. Alle diese Aufgaben verlangen eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Technikern und Restauratoren. In der bayerischen Museumslandschaft lassen sich drei Gruppen von Museen nach ihrer Trägerschaft unterscheiden: Die staatlichen Museen werden aus dem Staatshaushalt finanziert. 11 kunst- und kulturgeschichtliche, vorwiegend in München angesiedelte Museen und Sammlungen sind dem Bayer. Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst nachgeordnet. Im Zuge des Museumsentwicklungsprogramms von 1979 entstanden insgesamt 34 Zweigmuseen, 16 weitere sind geplant. An Besuchern hatten die staatlichen Museen im Jahresdurchschnitt 1987/89 mehr als 2,8 Mill, aufzuweisen. Die Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen ist dem Bayer. Staatsministerium der Finanzen unterstellt. Ihre museumsgleichen Einrichtungen wurden im Jahresdurchschnitt 1987/89 von etwa 5,5 Mill. Personen besucht. Für die zweite Museumsgruppe, die „quasi staatlichen Museensind vor allem das Deutsche Museum in München und das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg zu nennen, die nicht nur durch den Freistaat Bayern, sondern auch durch den Bund, andere Länder sowie weitere Träger finanziert werden. Sie konnten für 1987/89 eine durchschnittliche Besucherzahl von etwa 1,5 Mill, aufweisen. Zur Gruppe der nichtstaatlichen Museen, deren Zahl sich in den letzten Jahren von fast 400 auf über 900 mehr als verdoppelt hat, gehören vor allem Heimatund regionale Schwerpunktmuseen, Stadt- und Diözesanmuseen, Freilandmuseen sowie der Öffentlichkeit zugängliche Privatsammlungen und Firmenmuseen. Die Trägerschaft verteilt sich auf Städte und Gemeinden (43,3 %), Vereine (28,0 %), Privatpersonen (12,1 %), Landkreise und Bezirke (5,4 %), Firmen 185
(4,3 %), Stiftungen (3,4 %) und Kirchen (3,0 %) sowie Sonstiges (0,5 %). Die Besucherzahlen der nichtstaatlichen Museen lassen sich nicht exakt ermitteln, man rechnet jedoch derzeit mit etwa 10 Mill. Besuchern im Jahr. Während sich die Zahl der Vorgeschichtssammlungen in staatlichen und nichtstaatlichen Museen nach einer Zusammenstellung von 1963 auf 59 belief, dürfte sich heute ihre Anzahl verdoppelt haben. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Bodendenkmalpflege als „Lieferant" von Exponaten. Von der Zentrale in München und von den Außenstellen in Würzburg, Augsburg, Landshut, Regensburg, Nürnberg und Bamberg werden jährlich im Durchschnitt mehr als 200 Grabungen durchgeführt. Darüber hinaus betreut ein Grabungsbüro in Ingolstadt den Bereich Oberbayern-Nord, ein weiteres Büro in Dietfurt die Grabungen an der Baustrecke des Main-Donaukanals, und nicht zuletzt sind noch die großen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Grabungen einer neolithischen Feuchtbodensiedlung in Pestenacker, Lkr. Landsberg a. Lech, und eines frührömischen Militärlagers in Marktbreit, Lkr. Kitzingen, zu erwähnen. In der Folge müssen jährlich neue, riesige Fundmengen verwaltet, d.h. registriert, konserviert, gezeichnet, fotografiert, wissenschaftlich ausgewertet und publiziert werden. Im Rahmen der Fürsorge für die archäologischen Bestände nichtstaatlicher Museen gibt das Landesamt das Ausgrabungsgut nach der wissenschaftlichen Erfassung an die im Bereich des Fundorts liegenden Museen oder Sammlungen ab. Gesonderte Vereinbarungen bestehen mit der Prähistorischen Staatssammlung München bezüglich der Funde aus staatlichen Grundstücken und Gewässern sowie mit den Städten Regensburg und Ingolstadt, die Anspruch auf das Ausgrabungsgut der Außenstelle Regensburg bwz. des Stadtgebiets und Landkreises Ingolstadt haben. Die archäologische Denkmalpflege plant zusammen mit der Landesstelle und in enger Abstimmung mit der Prähistorischen Staatssammlung eine sinnvolle Verteilung von nichtstaatlichen Schwerpunktmuseen über das Land und ist somit nicht zuletzt auch für eine lebendige Museumslandschaft in Bayern zuständig. Das Landesamt versorgt die Museen von Fall zu Fall mit Neufunden, damit diese durch eine allmähliche Erweiterung ihrer Sammlungsbestände lebendig bleiben und ihre kulturellen Aufgaben erfüllen können. Auf diese Weise wird ein besseres Verständnis für die Archäologie und letztlich auch für die Belange der Bodendenkmalpflege bei der Bevölkerung geweckt und das Landesamt bei seiner Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Die Städte Augsburg, Kempten, Passau und Straubing sowie die Landkreise Deggendorf, Dingolfing-Landau und Straubing-Bogen haben eigene Archäologen angestellt, die sowohl das Museums- als auch Ausgrabungswesen in ihren Arbeitsgebieten betreuen. Das Landesamt unterstützt die Kommunalarchäolo186
gen finanziell und publiziert ihre wissenschaftlichen Beiträge auch in den eigenen Orgmen. Somit jestaltet sich die Beziehung zwischen Bodendenkmalpflege und nichtstaatlichai Museen in Bayern gerade „symbiotisch" - beide Institutionen, von den Anfingen des Museums- und Ausgrabungswesens an traditionell eng miteinander verflochten, arbeiten zum beiderseitigen Nutzen Hand in Hand bei Inventarsierung, Restaurierung, wissenschaftlicher Auswertung, Veröffentlichung uid Information der Öffentlichkeit. Das Dtnkmalschutzgesetz hat diesen engen Beziehungen Rechnung getragen und demLandesamt für Denkmalpflege die „Fürsorge für Heimatmuseen und ähnliche Sammlungen, soweit diese nicht vom Staat verwaltet werden" übertragen. Eer Gesetzeskommentar definiert den Begriff „Heimatmuseum" dahingehend, iaß diese vor allem auf die örtliche und umgebende Landschaft bezogen, auf Dauer angelegt und der Öffentlichkeit zu festgelegten Zeiten zugänglich sind Die Leitung kann haupt- oder nebenberuflich erfolgen; eine wissenschaftlich Betreuung ist zwar wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich. Die Erhitung „ähnlicher Sammlungen" ist ebenfalls ein öffentliches Anliegen, aber dies; müssen nicht unbedingt der Allgemeinheit zugänglich sein. Einrichtung unc Unterhalt des Museums sind jedoch Aufgabe des jeweiligen Trägers, eine dir«te staatliche Einflußnahme leitet sich aus der Fürsorgepflicht nicht ab. Die landesstelle und die Bodendenkmalpflege sind den Trägern der Heimatmusen weder aufsichts- noch weisungsbefugt. Für einzelne museumsdidaktische, miseumstechnische, innenarchitektonische und klimastabilisierende Maßnahmen ^o wie für Neueinrichtung, Neuaufstellung, Inventarisierung und Restaurieruig von Museumsgut gewährt die Landesstelle finanzielle Hilfe (6 Mill. 1990). Nich Bedarf entwickelt die Landesstelle zusammen mit der Bodendenkmalpfleg: Ausstellungskonzepte und berät bei Personalfragen sowie bei der museumstechnischen Ausführung der Einrichtung und Aufstellung der Exponate, wobei Wissenschaftler, Innenarchitekten und Techniker Hand in Hand arbeiten. Das Team vervollständigen oft noch freie Mitarbeiter wie z.B. Grafiker und weitre Wissenschaftler. Besonders wichtig ist auch die Beratung durch einen Speäalisten für die Temperierung von Museumsgebäuden, der schon im Vorfeld /ersucht, den Verfall der Exponate aufzuhalten. Eine veitere wesentliche Aufgabe der Landesstelle ist die Hilfestellung bei der Einfihrung einer EDV-gestützten Inventarisierung von Beständen in nichtstaatlichm Museen. Bislang konnten auf diese Weise zwei Begriffsverzeichnisse (Zeitmefgeräte und Textilien) erarbeitet und interessierten Museumsleuten zur Verfüguig gestellt werden. Eine EDV-Inventarisation von vor- und frühgeschichtlithen Funden ist zwar geplant, aber bislang noch nicht in Angriff genommer worden. Angesichts der riesigen Depotbestände handelt es sich hier 187
um ein geradezu entmutigendes Unterfangen, für das langfristig gewaltige finanzielle und personelle Kraftanstrengungen notwendig sein werden. Als weiterer Berührungspunkt von Bodendenkmalpflege und nichtstaatlichen Museen ist die Beratung beim Auf- und Ausbau von Freilichtmuseen zu nennen: So werden beim Transferieren von alten Bauernhöfen zunehmend auch Spuren von Vorgängerbauten archäologisch untersucht. In den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit gehört das Publikationswesen der Landesstelle, die zweimal jährlich die Zeitschrift „Museum heute" herausgibt und sie kostenlos an die nichtstaatlichen Museen verteilt. Zu erwähnen sind auch die Reihen „Bayerische Museen" und „Museumsbausteine" sowie das Handbuch „Museen in Bayern". In allen Organen findet die Vor- und Frühgeschichte eine angemessene Berücksichtigung. In entsprechender Weise erscheinen in dem von der Bodendenkmalpflege herausgegebenen Jahrbuch „Das archäologische Jahr in Bayern" auch Berichte über die Neuaufstellung und Neueinrichtung von vor- und frühgeschichtlichen Abteilungen in nichtstaatlichen Museen. — Dem Erfahrungsaustausch und der Kontaktpflege von Bodendenkmalpflegern, Mitarbeitern der Landesstelle, Museumsleitern, ehrenamtlichen Mitarbeitern und interessierten Laien dienen darüber hinaus der alle zwei Jahre stattfindende „Bayerische Museumstag" sowie der traditionsreiche bayerische Vorgeschichtskurs". Zusammenfassend läßt sich die Beziehung zwischen Bodendenkmalpflege und nichtstaatlichen Museen in Bayern folgendermaßen charakterisieren. Beide Bereiche sind seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eng miteinander verflochten und aufeinander angewiesen, wobei sich die Arbeitsbereiche oft überschnitten und teilweise heute noch überschneiden; die Museumsmaximen: Sammeln, Bewahren, Erforschen und Bilden gelten bis zu einem gewissen Grade auch für die Bodendenkmalpflege. Diese erschließt darüber hinaus die archäologischen Geschichtsquellen und führt sie den entsprechenden Museen zu, welche wiederum - auch mit Hilfe des Landesamts - dafür Sorge tragen, daß das Interesse der Öffentlichkeit an der heimischen Archäologie geweckt wird bzw. lebendig erhalten bleibt.
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HERMANN DANNHEIMER
Die Sondengänger - Eine Herausforderung für Denkmalpflege und Museum Archäologische Zeugnisse aus der Vor- und Frühgeschichte des Menschen sind — soweit es sich um bewegliche Altertümer handelt — dank der erfolgreichen Tätigkeit der Denkmalämter und der Museen vor allem seit der Mitte des 20. Jahrhundens beinahe überall in der Welt auch zu beliebten Sammelobjekten ungezählter Laien geworden. Diese zunächst nicht unerfreuliche Tatsache — denn ohne breiteste Mitwirkung der Bevölkerung würden die meisten archäologischen Fundstellen unerkannt zerstört — birgt freilich auch viele Gefahren in sich: Die Interessen zahlreicher Sammler sind recht einseitig auf die Gewinnung von Funden ausgerichtet. Daneben gibt es Sucher, deren Tätigkeit ausschließlich wirtschaftliche Gründe hat. Erkenntnismöglichkeiten aus sorgsam und fachkundig gewonnenen Befunden bleiben da dann oft auf der Strecke. Die Dezimierung des Bestandes an archäologischen Quellen hat sich in Süddeutschland (auf das wir mit den folgenden Anmerkungen unser Augenmerk allein richten wollen) in drei Etappen vollzogen, ohne daß freilich dieser Prozeß in den einzelnen Stufen immer klar abgrenzbar oder auch zum völligen Stillstand gekommen wäre. Von der ersten Welle betroffen waren fast ausschließlich die obertägigen Bodendenkmäler — also Ruinenstätten aus der Römerzeit, aber auch Erdwerke und Befestigungsanlagen aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit bis hin zu mittelalterlichen Burgställen; der größte Schaden wurde jedoch in den Grabhügelfeldern angerichtet. Ausgelöst wurde diese frühe Forschungsphase in erheblichem Umfang durch die Obrigkeit — so etwa in Bayern durch König Ludwig I., der zur Gründung Historischer Vereine aufrief, deren Aufgabe es sein sollte, Denkmäler und „Merkwürdigkeiten" aller Art zu registrieren und zu erforschen. Die Folgen davon sind bis heute spürbar: Es gibt kaum mehr einen prähistorischen Grabhügel, der nicht Anzeichen einer heute mehr oder minder dilettantisch anmutenden Grabungstätigkeit erkennen läßt. Die zweite Zerstörungswelle begann in der Bundesrepublik (und natürlich auch weit darüber hinaus) im allgemeinen erst nach dem 2. Weltkrieg mit dem rapiden Anwachsen der Städte und Dörfer, und mit dem immer gigantischeren Landverbrauch für Industrieanlagen und Verkehrseinrichtungen aller Art. Zwar wurden in den einzelnen Bundesländern - so auch zunehmend in Bayern — die Denkmalschutzbestimmungen verbessert und parallel dazu die Denkmalschutzbehörden personell und durch Aufstockung der Sachmittel erheblich aus189
gebaut. Schritthalten mit der wirtschaftlichen Entwicklung konnten sie aber wohl nirgends. Infolgedessen hatten die nun notwendig gewordenen und tatsächlich auch bald praktizierten Großgrabungen (und dies gilt auch heute noch) vielfach allzusehr den Charakter von Notgrabungen, bei denen zugunsten einer möglichst großflächigen Erfassung viele wichtige Details unregistriert den Baumaschinen zum Opfer fallen. - In diesem Zusammenhang muß vor allem aber auch die Industrialisierung unserer Landwirtschaft erwähnt werden, die erheblich zur Nivellierung der Landschaft beiträgt, da sie - u.a. durch Offenhalten der Böden — der Wasser- und Winderosion Vorschub leistet und damit die unterirdischen Bodenurkunden in unvorstellbar kurzer Zeit ungelesen ausradiert. Denn durch ständiges Tieferlegen der Ackerkrume werden die archäologisch relevanten Zonen zunehmend vom Pflug erfaßt. Die dritte Zerstörungswelle, die in Süddeutschland erst vor etwa 20 Jahren langsam einsetzte, inzwischen aber erschreckende Dimensionen angenommen hat, bringt der Einsatz von elektronischen Ortungsgeräten. Sie erfassen zwar „ n u r " Objekte aus Metall aller Art, ausgebeutet werden aber bekannte und bis dahin unbekannte Fundstellen, ganz egal, ob sie unter dem Pflug stehen oder in archäologischen „Reservaten" liegen, ob es sich um oberirdisch nicht kenntliche Siedlungsstellen handelt oder um obertägige Bodendenkmäler. Grundlage für den Umgang mit dem Problem sind die Denkmalschutzgesetze, die bekanntlich in den einzelnen deutschen Bundesländern sehr unterschiedliche Regelungen vorsehen. Dies soll hier an 2 Beispielen — Baden-Württemberg und Bayern — kurz dargelegt werden. Gemeinsam ist ihnen, daß archäologische Ausgrabungen genehmigungspflichtig sind. Dies bedeutet, daß auch ein durch einen Sondengänger geortetes Metallobjekt nur dann geborgen werden darf, wenn eine entsprechende Erlaubnis der Denkmalschutzbehörden vorliegt. Sehr unterschiedlich geordnet ist demgegenüber die Frage des Eigentums an herrenlosem Gute, wozu im allgemeinen ja auch die archäologischen Funde zählen. Baden-Württemberg hat für derartige Dinge das Schatzregal — also den alleinigen Eigentumsanspruch des Staates - eingeführt, während in Bayern Finder und Grundeigentümer zu gleichen Teilen selbst rechtmäßige Eigentümer aller entsprechenden Funde werden und im Falle einer Enteignung zu Gunsten der Öffentlichkeit voll entschädigt werden müssen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob bei der Entdeckung und Bergung die gesetzlichen Bestimmungen beachtet worden sind oder nicht. Es ist kein Geheimnis, daß Vorstöße gegen das jeweilige Denkmalschutzgesetz in beiden Bundesländern an der Tagesordnung sind. Welche Dimensionen das Sondengänger-Unwesen angenommen hat, können wir nur ahnen. Wenn es zutrifft, daß allein im Großraum München auf jeden Fall viele hundert Ge190
räte (man spricht von 2000) in Privatbesitz sind, dann kann dies schlaglichtartig die Situation beleuchten. An ein paar Beispielen — gewiß besonders spektakulären — möchte ich im folgenden zeigen, wie der Umgang mit den Sondengängern gegenwärtig abläuft. Beispiel 1: Großbissendorf in der mittleren Oberpfalz. Ein Privatmann findet auf seinem Grundstück ein Goldstück. Durch einen Bediensteten eines großen Museums wird er darüber aufgeklärt, daß es sich um eine keltische Goldmünze handelt, und wird dazu animiert weiter zu suchen, da solche Münzen vielfach aus Schatzdeponierungen stammen. Daraufhin sucht man weiter — nun mit der Elektrosonde — und wird tatsächlich fündig. Uber einen Händler wird in diesem Stadium glücklicherweise die Prähistorische Staatssammlung München eingeschaltet. Es gelingt uns schließlich, über den Händler einen unmittelbaren Kontakt mit dem Finder zu bekommen, so daß ein großer Teil der Münzen im Rahmen einer ordentlichen wissenschaftlichen Grabung geborgen werden kann. Finder und Grundeigentümer, die in diesem Fall identisch sind, werden angemessen für den gesamten Fund entschädigt, der seriöse Händler - übrigens in Baden-Württemberg ansässig, wo das Bayerische Denkmalschutzgesetz natürlich keine Gültigkeit hat - beansprucht lediglich eine Provision für die von ihm anfangs vermittelten 60 Münzen, nicht einmal eine Sechstel des gesamte Fundes, der sich am Schluß aus mehr als 370 Stücken zusammensetzt. Fall 2: Einem westdeutschen Museum werden durch einen Händler mehrere Gold- und Bronzeobjekte zum Kauf angeboten, die in Südhessen gefunden worden sein sollen. Der Finder und die genaue Fundstelle sind nicht zu ermitteln. Die genauen Fundumstände sind nicht bekannt. Es wird davon gesprochen, daß man auf die Gegenstände im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme gestoßen sei. Nachdem ein Ankauf durch das Museum nicht zustande kam, wurde die Prähistorische Staatssammlung München mit der Angelegenheit konfrontiert. Angesicht der großen kulturgeschichtlichen Bedeutung des Fundensembles - es handelt sich bei den Goldobjekten vermutlich um die Ausstattung eines Zeremonialgewandes der späten Bronze- oder frühen Urnenfelderzeit, jedenfalls um Objekte, die in nächster Nähe zu den bekannten Kultkegeln aus Goldblech (den sog. Goldenen Hüten) zu rücken sind — entschließt sich der Freistaat Bayern zum Ankauf, den die Kulturstiftung der Länder entsprechend fördert. Behutsames, aber hartnäckiges Recherchieren führt in den folgenden Monaten zu einer weitgehenden Klärung der Fundumstände und des Fundortes: Tatsächlich wurde der Fund - wie man nun annehmen muß — durch einen Sondengänger geortet, widerrechtlich geborgen und außer Landes gebracht. Der Fund hatte bereits mehrfach den Besitzer gewechselt, bevor er den Museen zum Kauf angeboten wurde. Die Fundstelle ist vermutlich der Bullenheimer Berg, 191
eine bekannte Bergstation im Grenzgebiet zwischen Mittel- und Unterfranken, also in Bayern. Beispiel 3: Ein Sondengänger findet im Areal einer zunächst als nicht besonders wichtig eingestuften Siedlungsstelle der Latenezeit wiederholt keltische Münzen. Er legt diese nachweislich im Bereich der Ackerkrume gefundenen Münzen und andere Metallfunde ordnungsgemäß zur Bestimmung vor und erhält anschließend die Genehmigung zur systematischen Suche. Sie ist mit der Auflage verbunden, daß alle Funde sorgsam zu kartieren sind. Eine parallel dazu durchgeführte amtliche Grabung hat zum Ergebnis, daß infolge der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung und die dadurch ausgelöste Erosion alle archäologischen Merkmale bereits restlos zerstört worden sind. In diesem Falle ist die Prospektion mit dem Detektor die einzige und wirklich letzte Möglichkeit und eine eminent wichtige denkmalpflegerische Maßnahme: Inzwischen wurde der Platz zur zweitwichtigsten Fundstelle keltischer Münzen aus dem Kontext einer Siedlung in Bayern. Der Pferdefuß für das Museum ist bei diesem Verfahren, daß Finder und Grundeigentümer für jede einzelne Münze voll entschädigt werden müssen. Beispiel 4: Der Prähistorischen Staatssammlung werden von verschiedener Seite im Laufe mehrerer Wochen Informationen über frühgeschichtliche Funde aus „Schwaben", der „Gegend des Lech" bzw. aus der „Gegend westlich vom Lech" zugetragen. Es handelte sich zunächst um Edelmetallschmuck, später dann auch um Bronze- und Eisenobjekte, darunter vor allem um Geräte. Zunächst wird der Eindruck erweckt, daß diese Funde aus einem Gräberfeld im westlichen Bayern stammen. Auf ausdrückliches Befragen bestätigt sich der Verdacht, daß es sich um Funde vom Runden Berg bei Urach handelt. Es gelingt, eine Reihe wissenschaftlich wichtiger Fundgruppen sicherzustellen und dem Württembergischen Landesmuseum Stuttgart zuzuführen. Die meisten Edelmetallobjekte waren allerdings über den Handel bereits ins Ausland verbracht worden. Da sie jedoch durch fotografische Aufnahmen wenigstens einigermaßen dokumentiert sind, konnte inzwischen zumindest ein Paar merowingerzeitlicher Bügelfibeln in amerikanischem Besitz in New York wieder ausfindig gemacht werden. Letztes Beispiel: Einem Denkmalpfleger kommt zu Ohren, ein Privatmann — wohl ein Sondengänger — habe in seinem Arbeitsbereich eine römische Bronzestatuette gefunden. Da der Beamte jedoch Kontakt mit illegalen Suchern ablehnt, unterbleiben weitere Recherchen. Auch von der Möglichkeit, durch Vertrauensleute, etwa durch Fachwissenschaftler eines Museums, diskret ermitteln zu lassen, wurde nicht Gebrauch gemacht. Der Verdacht, daß die spärlichen Informationen einen wahren Kern hatten, bestätigt sich jedoch später vielleicht insofern, als der mögliche Finder nach mehreren Wochen ein neues Auto der oberen Preisklasse erwirbt. Es ist also möglich, daß damit eine Geschichtsquelle 192
von großer kulturgeschichtlicher Bedeutung für das Fundgebiet ungelesen preisgegeben worden ist. Ich möchte es Ihnen, meine Damen und Herren selbst überlassen, zu rechten und zu richten, ob diese oder jene Art des Umganges mit Sondengängern die richtige ist oder nicht. O h n e Widerspruch zu finden, wird man feststellen dürfen, daß die „Detektorseuche" eminent ansteckend ist, daß sie sehr weit um sich gegriffen und daß sie bereits ungeheueren Schaden angerichtet hat. A u c h bei dieser neuerlichen Heimsuchung unseres archäologischen Quellenbestandes führt die archäologische Denkmalpflege einen schier aussichtslosen Kampf — unabhängig davon wie die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch was das Eigentumsrecht an derartigen Funden angeht, in den einzelnen Ländern geregelt sind. Denn der Runde Berg bei Urach wurde und wird von illegalen Schatzsuchern — trotz Schatzregal — genauso ausgeplündert wie der Bullenheimer Berg in Bayern, das ein Schatzregal - wie gesagt - nicht kennt. Bei der liberalen bayerischen Lösung hat - wie die Beispiele zeigen — der Wissenschaftler wenigstens in manchen Fällen noch die Chance, Funde und Fundzusammenhänge zur Kenntnis zu erhalten und zu sichern, die unter anderen Umständen spurlos verloren gehen. Angesichts der eingangs geschilderten Zerstörungswellen, die in Süddeutschland und weit darüberhinaus den Bestand an archäologischen Denkmälern dezimiert haben, ist die neuerliche Gefährdung besonders schmerzlich, zumal durch die elektronischen Geräte chronologisch besonders empfindliches Fundmaterial aus den Fundzusammenhängen herauselektrisiert wird und damit für eine etwaige spätere wissenschaftliche Grabung und deren Auswertung verloren ist. Es besteht zweifellos Einigkeit, daß das Sondengängerunwesen unter allen Umständen rasch eingedämmt werden muß. Es wäre allerdings weltfremd zu glauben, daß beispielsweise durch ein Verbot der Sondengängerei oder durch die allgemeine Einführung eines „Schatzregales" zu Gunsten des Staates das Problem zu lösen wäre. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß mittels der Sonden auch in Ländern, die ein solches Schatzregal besitzen, archäologische Funde in großem U m f a n g geortet und dann illegal ausgegraben werden, daß sie aber freilich der amtlichen Denkmalpflege oder den einschlägigen Museen nicht bekannt gegeben werden. Vielmehr fühlt sich der Finder v o m Staat betrogen und veräußert gegebenfalls seinen Fund dort, wo er für sein illegales T u n nicht belangt werden kann. Verstöße gegen das Denkmalschutzgesetz sind Ordnungswidrigkeiten und werden von den Gerichten als Kavaliersdelikte behandelt, sofern sie überhaupt mit einer Strafe belegt werden. Aber auch eine rigorose Verschärfung und Anwendung gesetzlicher Bestimmungen würde das Problem kaum lösen können. Mehr verspreche ich mir da von einer verstärkten Aufklärung über die Bedeutung archäologischer Funde 193
und — daraus resultierend — von der Mitarbeit breitester Bevölkerungskreise bei der Verhinderung illegaler Prospektionen und Ausgrabungen. Jedenfalls hat der Naturschutz durch entsprechende Aufklärungsarbeit sehr viel erreichen können. Es besteht also die Hoffnung, daß auch die Anliegen und Probleme der Archäologie wenigstens teilweise gelöst werden können, wenn die Allgemeinheit zur richtigen Mitarbeit gewonnen werden kann.
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Aus der Diskussion Herr Rutishauser weist darauf hin, daß eine Überwachung archäologischer Fundstellen nur bedingt möglich ist. Bei flächenmäßig begrenzten Fundstellen hat sich eine „Verseuchung" mit Metallabfällen (Nägeln, Blechstücken) zur Verwirrung der Sondengänger als erfolgreich erwiesen.
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MANFRED SCHREINER/MICHAEL MANTLER
Zerstörungsfreie (direkte) Materialanalyse von Kunstobjekten Einleitung Für die Beurteilung und Erforschung von Kunstobjekten in Museen und in der Denkmalpflege sind neben der künstlerisch-ästhetischen Erscheinung eines Objektes, dessen stilistischen Merkmalen und Inhalten auch Fragen des materiellen Aufbaues sowie der zeitlichen Veränderung für Kunstwissenschafter, Archäologen und Restauratoren von entscheidender Bedeutung. Der Fragenkomplex des materiellen Bestandes kann in erster Linie durch naturwissenschaftliche Untersuchungen beantwortet werden, wobei chemischen und physikalischen Analysenmethoden eine wichtige Rolle zukommt (1-3). In der Regel muß dabei einem Kunstwerk originales Probenmaterial entnommen werden, auch wenn die Weiter- und Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Materialanalyse dazu geführt haben, daß objektspezifische Aussagen bereits aus Probenmengen im /ig- bis ng-Bereich (10"6 bis 1CT9 g) getroffen werden können. In vielen Fällen ist jedoch aufgrund des unikalen Charakters eines kunst- und kulturgeschichtlichen Objektes zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden der Vorzug zu geben (3-5). Dies bedeutet, daß dem O b j e k t nicht nur kein originales Probenmaterial entnommen und eine Materialanalyse direkt am Objekt ausgeführt wird, sondern daß auch keine materiellen Veränderungen während oder nach der Analyse am Objekt stattfinden. In einer gemeinsamen Arbeit des Instituts für Farbenchemie an der Akademie der bildenden Künste und dem Institut für angewandte und technische Physik der Technischen Universität in Wien wurde nun ein Gerät entwickelt, welches diesen Anforderungen entspricht (6, 7). Basierend auf der Methode der energiedispersiven Röntgenfluoreszenzanalyse gestattet dieses System, die anorganischen Bestandteile (Pigmente, anorganische Bindemittel, Metalle, Metallegierungen, Keramik etc.) qualitativ und semiquantitativ zu bestimmen und deren Verteilung entlang von ausgewählten Linien oder über definierte Flächen darzustellen.
Aufbau des Analysensystems Das neue Gerät (Abb.l) ist mit einem energiedispersiven Si(Li)-Detektor (ca. 150 eV Auflösung) und einer Spektrometerröhre mit einer Leistung von 2,8 196
Abb. 1: Das Analysensystem zur zerstörungsfreien Materialanalyse
kW ausgestattet. Der Röntgenprimärstrahl wird auf ca. 1 mm Durchmesser kollimiert. Die Spektrometerröhre und der energiedispersive Detektor sind auf einem Tisch montiert, der mit Hilfe von Gleichstrommotoren in horizontaler und vertikaler Richtung parallel zu der Objektoberfläche bewegt werden kann. Mit Hilfe eines Lasers werden die Meßpunkte vor der Analysenausführung am Objekt sichtbar gemacht, die Koordinaten des Meßpunktes gespeichert und nach der Auswahl der Analysenpunkte die Messung durchgeführt. Damit ist eine Bestimmung der materiellen Zusammensetzung von Punkten aber auch entlang von Linien oder über eine definierte Fläche von 800 χ 1000 mm mit einer Reproduzierbarkeit von 10/1000 mm möglich. Ein weiterer Laser kontrolliert den Abstand des Analysensystems zur Objektoberfläche (ca. 5 mm + 0,1 mm). Die Bewegungsmotore werden während der Analyse von einem Personal Computer aus über eine EEEE488-Schnittstelle vollautomatisch gesteuert und überwacht. Die Auswertung der Analysenergebnisse kann ebenfalls mittels PC vorgenommen werden, wobei eine qualitative und semiquantitative Interpretation basierend auf der Methode der Fundamentalparameter möglich ist. Weiters läßt sich die Verteilung von Elementen entlang gemessener Linien (Linescan) oder über eine Fläche bildlich darstellen und über einen Drucker/Plotter ausgeben (6, 7). 197
Die Pigmente in einem „Chinesischen
Reispapier"
Die Abb. 2 und 3 zeigen ein sogenanntes „Chinesisches Reispapier" aus dem 19. Jahrhundert, an welchem die Vorteile des neuen Analysensystems gegenüber konventionellen Röntgenfluoreszenzanalysegeräten gezeigt werden sollen. Derartige O b j e k t e wurden in China ausschließlich für den Export hergestellt und zeigen Szenen aus dem täglichen Leben, aber auch Landschaften, Flora und Fauna des Fernen Ostens. Als Trägermaterial wurde dafür nicht wie fälschlich häufig angenommen wird Papier sondern das M a r k des Tsuso-Baumes verwendet, welches auf Japanpapier aufgebracht wurde. D i e etwa 30 χ 20 cm großen Darstellungen wurden häufig auch mit Seidenbändchen umrahmt und in Alben gebunden. Es ist verständlich, daß bei derartigen O b j e k t e n eine Probennahme zur Bestimmung der verwendeten Pigmente nicht vertretbar ist, da auch aufgrund der dünnen und äußerst feinen Malweise die Probenmengen zu gering wären, um verläßliche Resultate zu erhalten. In den A b b . 4 und 5 sind die Analysenergebnisse zusammengefaßt, welche mit Hilfe des neuen Systems zur zerstörungsfreien Materialanalyse von Kunstwerken erhalten wurden. Demnach konnten in den Grünpartien Kupfer, Arsen und Blei, im R o t und im Weiß ebenfalls Blei mit geringen Mengen von Calzium nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse deuten auf die Verwendung von Kupferarsenat als Grünpigment bzw. Mennige als
A b b . 2 : „Chinesisches Reispapier" (19. J a h r h u n d e n )
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Rot- und basisches Bleicarbonat (Bleiweiß) als Weißpigmente hin. Keinerlei Elemente konnte jedoch in den hellen Rotpartien der Gewänder sowie im Blau delektiert werden, was den Schluß zuläßt, daß dafür organische Farbstoffe Verwendung fanden. Neben diesen Punktanalysen lassen sich aber auch die für die Pigmente charakteristischen Elemente über eine ausgewählte Fläche bzw. entlang einer Linie darstellen. A b b . 3 zeigt ein Detail der Abb. 2, die A b b . 5 und 6 die Verteilung von Blei und Eisen in dem angezeigten Bereich. Deutlich ist die rote Vorhangschnur als Anreicherung von Blei (Mennige) gegenüber dem blau/weißen Hintergrund bzw. dem in W e i ß ausgeführten Vorhang zu erkennen. Im Gegensatz dazu wurde zur Darstellung der rot/braunen Säule des Himmelbetts ein stark eisenhaltiges Pigment (z.B. Ocker) verwendet, während im roten Schatten der Säule wiederum Mennige (Pb) als farbgebendes Material vorliegt.
Ausblick Die bisherigen Untersuchungsergebnisse an kunst- und kulturgeschichtlichen Objekten (6, 7) haben gezeigt, daß mit dem neuen System der Röntgenfluoreszenzanalyse eine zerstörungsfreie Materialbestimmung nicht nur aus der Sicht der Probennahme, sondern auch aus der Sicht der materiellen Veränderung durch
Abb. 3: Detail von Abb. 2
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Abb. 4: Ergebnis der energiedispersiven Analyse des Grün-(a) und des Rotpigments (b)
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Abb. 5: Bildliche Darstellung der Blei- bzw. Eisen verteilung über den in A b b , 3 eingezeichneten (kleine Pfeile) Bereich (Raster der Analysenpunkte = 2 m m )
ABSTAND (MM) Abb. 6: Verteilung von Blei und Eisen entlang der in Abb. 3 eingezeichneten (große Pfeile) Linie (Linescan). Die einzelnen Meßpunkte waren 1 m m vom benachbarten Analysenpunkt entfernt.
die Bestrahlung mit Röntgenstrahlen (z.B. Gefahr der Bräunung von Firnisschichten oder von organischen Bindemitteln) nicht möglich ist. Ziel der künftigen Arbeiten wird es sein, neben einer qualitativen Analyse von Materialien für Kunstwerke und der Darstellung der Verteilung der Bestandteile vor allem auch eine semiquantitative Auswertung der Analysenergebnisse durchzuführen und direkt nicht sichtbare Malschichten (z.B. Pentimenti, Untermalungen oder frühere Farbfassungen) aufgrund der verwendeten Materialien bildlich darzustellen.
Danksagung Die Autoren danken Frau Mag. Karin Troschke für die Zurverfügungstellung des Objektes. Dem B M für Wissenschaft und Forschung wird für die finanzielle Unterstützung des Projektes gedankt. 202
Literaturnachweis 1) J. Riederer: Archäologie und Chemie — Einblicke in die Vergangenheit. Katalog einer Ausstellung der staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin (1987) 2) M. Schreiner, M. Grasserbauer: Microanalyses of art objekts — objectives, methods and results. Fresenius Zeitschrift für analytische Chemie 322 (1985) 181-193 3) E.V. Sayre, P.B. Vandiver, J. Druzik, Ch. Stevenson (eds.): Materials issues in art and archaeology. Materials Research Society, Pittsburgh, Band 123 (1988) 4) M. Marabelli, P. Santopadre (eds): Preprints of 2nd international conference on non-destructive testing, microanalytical method and environment evaluation for study and conservation of works of art. Instituto Centrale per il Restauro, Rom (1988) 5) Ch. Lanhanier, G. Amsel, Ch. Heitz, M. Menu, H.H. Andersen: Ion beam analysis in the ans an archaeology. Nuclear Instruments and Methods in Physics Research B14/1 (1986) 6) M. Mantler, M. Schreiner, F. Weber, R. Ebner, F. Mairinger: An X-ray spectromenter for Pixel analysis of art objects. Advances in X-Ray Analysis 35 (1992) im Druck 7) Μ. Schreiner, Μ. Mantler, F. Weber, R. Ebner, F. Mairinger: A new instrument for the energy dispersive X-Ray fluorescence analysis of objects of art and archaelogy. Advances in X-Ray Analysis 35 (1992) im Druck
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Aus der Diskussion Auf die Frage von Herrn Ackermann, ob Kontakte zu anderen Instituten, die dieselbe Methode verwenden, bestehen, weist Herr Schreiner darauf hin, daß bei der Planung des Projekts H e r r Francois Schweizer in Genf sehr wertvolle Hilfestellung geleistet hat. Schweizer hatte ein ähnliches System entwickelt allerdings ohne bildhafte Darstellung der Elemente. Herr Ackermann berichtet, daß seit 2 Monaten in Basel ein neues, verfeinertes Verfahren praktiziert wird. Herr Mayr fragt, ob es eines Tages möglich sein wird, dendrochronologische Untersuchungen, etwa an Plastiken, zu machen, ohne sie anbohren zu müssen. Darauf antwortet Herr Schreiner: Das wird leider nicht möglich sein, da die Röntgenfluoreszenzanalyse in Luft, wie wir sie betreiben bzw. betreiben müssen, u m einem Objekt kein Probenmaterial entnehmen zu müssen, den Nachweis von Kohlenstoff oder Sauerstoff nicht gestattet. Diese Elemente bilden die Hauptbestandteile z.B. in H o l z , sodaß derartige Untersuchungen mit Hilfe der R F A nicht sinnvoll sind. Kreidegrundierungen oder meinetwegen auch Titanweiß können wir ohne weiteres damit unterscheiden. Aber die leichten Elemente, die gefragt sind in der Dendrochronologie, die werden wir leider nicht bestimmen können.
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GÜNTHER GOTTMANN/MICHAEL LEHMANN
Zwischenbericht zur Restaurierung der Quadriga in Berlin Stand Mai 1991
Mit schweren Beschädigungen und dem Diebstahl von Teilen hat die Quadriga die Neujairsnacht 1989/90 überstanden; ca. 50 Jugendliche hatten sich im Neujahrstaurrel an das Kupferkleid gemacht. Bei den ersten Besichtigungen der Figurengruppe noch auf dem Brandenburger Tor wurde zusätzlich offensichtlich, daß die 1958 aus Baustahl hergestellte Stützkonstruktion im Inneren infolge Korrosion gaiz erhebliche Standsicherheitsminderungen aufweist. Eine Sanierung der vorhaidenen Konstruktion wurde aufgrund des vorliegenden Beschädigungsgrades ausgeschlossen. Gemeinsam mit dem damaligen Ostberliner Magistrat, der Denknalpflege und dem Museum für Verkehr und Technik wurde beschlossen, die notwendigen Restaurierungsarbeiten in der Lokomotivwerkstatt des Museums durchzuführen. Voraussetzung hierfür war das Angebot der Mannesmann A G die Kosten für dieses Projekt zu übernehmen. Die Denontage der Quadriga mußte mit Schweißbrenner und Trennjäger erfolgen, dadie unteren Enden der Stützkonstruktion in die Decke des Brandenburger Teres einbetoniert waren. Bereits während dieser Phase wurde klar, daß für einen Wiederaufbau die Tragwerkselemente anders gestaltet und auch neu berechnet werden müssen. Nachdem die Figurengruppe vom Brandenburger T o r mit K-änen abgehoben und mit mehreren Tiefladern in die Museumswerkstatt überfahrt werden konnte, wurde eine genaue Schadensfeststellung durchgeführt. Auszüge aus dem Schadensprotokoll. Nike: Alle Lorbeerblätter fehlen, an beiden Armei und im Schulter- und Ellenbogenbereich ist die Kupferhaut mehrfach gerissen, Einbeulungen im Faltenwurf des Kleides, Schädeldecke fehlt. Schweißnähte teilweise porös und Spuren von Lochfraß, am Eichenkranz fehlen ca. 30 licheln sowie einige Blätter, große Materialschwächung am Standrohr durch Koirosionseinwirkung. - Wagen: Einbeulungen an den Seiten, alte Schweißnäite der Verkleidungsbleche im hinteren Bereich mehrfach gerissen, sehr starkeKorrosionsschäden an der Stützkonstruktion, teilweise sind die Stege der T-Träjer nicht mehr vorhanden. - Pferde: Einrisse der Kupferhaut an den Läufen, Eiibeulungen am Rumpf, Zügel fehlen zum Teil oder sind total verbogen. Korr«sionsspuren an der Stützkonstruktion. Bei den Analysen der zum Teil erheblichen Materialschwächungen an der Kupferhaut sovie der Stützkonstruktion waren die Mitarbeiter der Akademie der 205
Wissenschaften, der Bundesanstalt für Materialprüfung und des Rathgen-Forschungslabors der Staad. Museen den Museumsrestauratoren behilflich. Eine Ursache der Materialzerstörung ist die sicherlich aggressive Atmosphäre in welcher die Quadriga sich rund 30 Jahre in der Stadtmitte befand, als Hauptursache sind aber die verwendeten Materialien der Stützkonstruktion sowie die Verarbeitung anzusehen. Die damals sicher dem Stand der Technik entsprechende Isolierung des verwendeten Baustahls gegen elektrochemische und Kontaktkorrosion gegenüber dem Kupfer war zum Teil nicht ausreichend, eindringende Feuchtigkeit durch Schnee und Regen sowie Kondenswasser bei mangelhafter Belüftung des Innenraumes führten zu einer erheblichen Korrosion der Stützkonstruktion. Die durch den Rost entstandene Volumenvergrößerung des Stahls war zum Teil so stark, daß die Schweißnähte der profilbegleitenden Kupferbleche am Wagen regelrecht gesprengt wurden. Auf eine richtige Materialauswahl für die Instandsetzung wurde daher besonders geachtet und für die Stützkonstruktion ein nichtrostender Edelstahl ausgewählt. Diese Stahlsorte (V4A) mit hohem Chrom- und Nickelanteil gestattet eine unmittelbare Kontaktierung des Kupfers, ohne eine elektrochemische noch Kontaktkorrosion der beiden Werkstoffe (Kupfer und Stahl) zu befürchten, stellt aber an die Verarbeitung des Stahls erhebliche Anforderungen. Das Studium eines umfangreichen Handbuches zur Verarbeitung dieser Edelstahlsorte war Voraussetzung für die Restauratoren, um diesen Werkstoff zu beherrschen. U m eine sogenannte Fremdkorrosion des Edelstahls zu vermeiden, ist eine absolute Sauberkeit „clean condition" sämtlicher Werkstattgeräte und Werkzeuge erforderlich; so dürfen diese vorher noch nicht mit anderen Materialien in Berührung gekommen sein. Bearbeitungstemperaturen und Dehnungsgrenzen sind bei der Verarbeitung genau einzuhalten und nicht die kristalline Struktur des Stahls zu zerstören. Ein Auszug aus den Verarbeitungshinweisen der Mannesmann A G macht das besonders deutlich. 3.8.0 Bei Arbeitsunterbrechungen sind die einzelnen Teile durch Abdecken 3.8.9
3.10.0 3.11.0 3.12.0
3.13.0
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vor Verunreinigungen zu schützen. Bei Ausbesserungsarbeiten ist nach Möglichkeit dem Fräsen (Fingerfräser mit elektronischer Steuerung im unteren Drehzahlbereich) gegenüber dem Schleifen der Vorzug zu geben. Bei einer Blechtemperatur unter + 4 C muß handwarm vorgewärmt werden. Schweißkanten und Schweißstäbe sind mit Aceton zu reinigen. Unmittelbar vor dem Schweißen ist der Nahtbereich beidseitig mit Aceton je 50 mm breit zu reinigen und es sind Maßnahmen gegen das Haften der Schweißspritzer zu treffen. Die Schweißerhandschuhe sind fettfrei zu halten.
3.14.0
Für das Reinigen und Entfetten sind Gummihandschuhe zu verwenden (keine Schweißerhandschuhe!). 3.15.0 Die Wolfram-Elektrode darf das Werkstück nicht berühren; Wolframeinschlüsse sind auszufräsen. 3.16.0 Das Zünden darf nicht auf der Blechoberfläche, sondern nur an der Nahtflanke erfolgen. 3.17.0 Die Schweißparameter sind laufend zu überprüfen und zu protokollieren. 3.18.0 Die Endkrater sind durch langsames Zurückfahren oder Stromabsenkung aufzufüllen (Vermeidung von Endkraterrissen!). Um diesen Verarbeitungsanforderungen gerecht zu werden und auch eine ebene Arbeitsfläche zu haben, wurde in der Werkstatt eine mit Messingblech beschlagene Plattform gefertigt, auf welcher als erstes Teil der Figurengruppe die Stützkonstruktion des Wagens erstellt werden konnte. Im Gegensatz zur alten Wagenkonstruktion, die aus T-förmigen Profilen bestand, wurde ein rundum geschlossenes Hohlprofil verwandt. Die Abmessungen wurden im Maßstab 1 : 1 auf dieser Plattform aufgerissen, die auf Länge geschnittenen Profile ausgerichtet und verschweißt. Die innere und äußere Ummantelung konnte nach Ausdrücken der Einbeulungen wiederverwendet werden. Der oben am Wagen umlaufende, inneres und äußeres Verkleidungsblech zusammenhaltende Bund, wurde hingegen nicht mehr verschweißt, sondern durch eine überlappende, umgebördelte Kante gehalten. Diese Verbindung berücksichtigt die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl und Kupfer und verhindert dadurch ein Reißen der Verkleidungsbleche. Für die Erneuerung der Stützkonstruktion in der Nike und um die Beschädigungen im Kupferblech wie Einbeulungen und Risse zu beheben, war eine fast vollständige Trennung der Figur erforderlich. Kopf, Arme, Schulter und Flügel mußten mit Stichsäge und Trennschleifer vom Rumpf abgetrennt werden. Nur so war es möglich, die alten porösen und nicht mehr stabilen Schweißnähte von innen zu sandstrahlen, in diesen Bereichen teilweise neue Blechstreifen einzuschweißen, die Nähte zu verhämmern und Dellen auszudrücken. Die ca. 2 mm starken Bleche des Kupferkleides wurden nicht mehr wie vor 30 Jahren im WIG-Schweißverfahren verbunden und anschließend überschliffen — bei diesem Verfahren entsteht eine zu große Materialschwächung - stattdessen wurde autogen geschweißt. Die fehlende Kopfplatte wurde nach alten Fotos neu getrieben und angepaßt. Die Lorbeerblätter, von denen noch ein Exemplar erhalten war, wurden mit einem von der Firma Mannesmann gebauten Schnitt- und Prägewerkzeug als Rohling hergestellt. Die Anpassung der alten Form entsprechend als Siegerkranz am Kopf der Göttin erfolgte von Hand. Parallel zu den Restaurierungsarbeiten an der Kupferummantelung an Wagen und Nike wurde von der Ingenieurge-
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sellschaft mbH, Saar, Enseleit und Partner, eine neue Statik der Tragwerkskonstruktion und für die Werkstatt fertigungsgerechte Zeichungen kostenlos erstellt. Bei der neuen Tragwerkskonstruktion wurde besonders der fertigungstechnische Aspekt mit Hinblick auf die neue Montage auf dem Brandenburger Tor berücksichtigt. Die aus der Figurengruppe nach unten herausragenden Holme erhalten eine Flanschplatte bzw. das Standrohr der Nike einen Pyramidenstrumpf. Nach einem Probeaufbau in der Werkstatt wird dann eine die einzelnen Flansche verbindende Montageschablone gefertigt, die eine Einbetonierung der Gegenstücke in die Decke des Brandenburger Tores vorher ermöglicht. Nach Beendigung der Restaurierungsarbeiten müssen dann nur noch die Teile der Figurengruppe mit einem Kran aufgesetzt und verschraubt werden. Zur Sicherheit, um eine lange Standfestigkeit der Stützkonstruktion zu garantieren, wurden die Schweißnähte einer Röntgenprüfung unterzogen. Für die Instandsetzung der Pferde und Erneuerung der Stützkonstruktion wurde zum Biegen der 70 mm starken aus Vollmaterial bestehenden Vierkantprofile eine Biegevorrichtung konstruiert. Mit dem Schweißbrenner erwärmt und im rotglühenden Zustand wurden die Streben unter der Zugkraft eines 5-tKettenzuges der Form der alten Streben angepaßt. Die Dimensionierung der alten Stützkonstruktion hatte sich in den 30 Standjahren bewähn und konnte weitgehend übernommen werden. Ausbau und Montage der neuen Stützkonstruktion erfolgten durch die abgetrennten Läufe und den abgesägten Schwanz in das Körperinnere, nachdem zuvor die Einbeulungen ausgedrückt wurden. Die abgetrennten Körperteile wurden wieder autogen an den Rumpf angeschweißt. Die Attribute „Eisernes" Kreuz und Adler, die sich bisher nicht im Freien befanden, zeigten keine äußerlichen Beschädigungen. Eine endoskopische Untersuchung der inneren Streben des Adlers brachte die letzte Sicherheit. Die Montage in den Eichenkranz wird nach Ergänzung der fehlenden Eichenblätter und Eicheln, die in mehreren Arbeitsgängen aus zwei Halbschalen neu getrieben werden, erfolgen. Die Anpassung der neu angefertigten Zügel kann erst nach der endgültigen Montage der ganzen Gruppe auf dem Brandenburger T o r erfolgen. Bedingt durch die Treibarbeiten zur Beseitigung der Einbeulungen, die neu einzusetzenden Blechstreifen sowie die vielen erforderlichen Schweißnähte, zeigt die Patinaschicht nach Abschluß der Blecharbeiten kein einheitliches Bild mehr. Da der Symbolcharakter den restauratorischen Aspekt der Figurengruppe überwiegt, haben sich die Restauratoren entschlossen, eine künstliche Patinierung aufzutragen. In enger Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften wurde die alte Patinaschicht analysiert und eine Versuchsserie mit 20 verschiedenen Rezepturen angesetzt. In den wenigen Wochen der Bewitterung zeigte eine Rezeptur aus Amoniumsalzen das beste Ergebnis im Farbton. Der Abschluß208
bericht des Zentralinstitutes für E l e k t r o n e n p h y s i k sagt: „ D a s e l e k t r o n e n s p e k t r o s k o p i s c h e S p e k t r u m zeigt jedoch, daß die v e r w e n d e t e R e z e p t u r o f f e n b a r geeignet ist, um den A u f b a u natürlicher B r o c k e n s c h i c h t e n zu f ö r d e r n , wie man es von reifen Patinaschichten k e n n t . " Die Q u a d r i g a wird also v e r m u t l i c h in einigen M o n a t e n nach der Aufstellung die alte A u r a wieder besitzen.
209
ν Freilichtmuseen und Denkmalpflege
EDWIN HUWYLER
Das Freilichtmuseum - ein Bauernhausfriedhof? Der K o m m e n t a r von Freunden und Bekannten zu meiner Ernennung zum wissenschaftlichen Leiter im schweizerischen Freilichtmuseum Ballenberg reichte von Begeisterung bis zur Ablehnung. Neben der zustimmenden Anerkennung wurde ich mit kritischen Fragen nach dem Sinn meiner zukünftigen Arbeit in einem — wie sie sagten -
Bauerhausfriedhof konfrontiert. In dieser Zeit der
Auseinandersetzung mußte ich den Titel meines Referats am ICOM-Symposium festlegen. Mit dem nun gewählten Thema habe ich mich sozusagen verpflichtet, meine Gedanken zu den Vorwürfen zu formulieren. Es hat wohl wenig Sinn, sich wörtlich mit dem Vergleich des Freilichtmuseums als Friedhof auseinanderzusetzen, obwohl sich durchaus interessante Parallelen finden ließen, zumal mit „Friedhof " als umfriedetem, ursprünglich mit dem kirchlichen Asylrecht verbundenen Raum nicht nur ein O r t der Besinnung, der Erinnerung an Vergangenes gemeint ist, sondern auch der Schutzgedanke angesprochen wird. Es geht in diesem Kurzreferat vielmehr darum, auf einige Gefahren hinzuweisen, die mit dem Betrieb eines Freilichtmuseums verbunden sind.
Warum überhaupt ein Freilichtmuseum? Die Frage nach dem Warum eines Freilichtmuseums kann nur im Zusammenhang mit der Frage nach den gesellschaftlichen Hintergründen betrachtet werden. Ein Freilichtmuseum sammelt, dokumentiert, konserviert und vermittelt wie jedes andere Museum. Die Diskussion über die Problematik dieser Art von Museen deckt sich also weitgehend mit der bereits öfters und intensiv geführten, allgemeinen Diskussion über den Sinn und Unsinn von Museen. In weiten Teilen unseres Landes, so etwa in der Zentralschweiz, wo ich als Einheimischer, als Volkskundler und Politiker selber meine Erfahrungen sammeln konnte, ist der Wechsel von der Agrar- in die Konsumgesellschaft noch längst nicht abgeschlossen, noch nicht verarbeitet. Traditionelle Wertsysteme und Identifikationsmöglichkeiten werden laufend in Frage gestellt und teilweise zerstört, neue sind noch nicht internalisiert. Eine der verschiedenen möglichen Reaktionen auf diese Verunsicherung ist die Flucht in den Folklorismus und Historismus. Stark vereinfacht läßt sich sagen, daß mit den zunehmenden Eingriffen und der teilweisen Zerstörung unserer U m w e l t — ich meine hier U m ·
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welt im umfassenden Sinne und nicht einseitig auf die Natur bezogen - und der rasanten Veränderung des geschichtlich gewordenen Raums eine fast verzweifelte Suche nach einer neuen Identität verbunden ist. Als ein Produkt dieses Suchens kann sicher das Bedürfnis nach Heimatmuseen im allgemeinen und eben auch nach einem Freilichtmuseum betrachtet werden. Daß die Politiker — in der Schweiz immer noch fast ausschließlich im Milizsystem — dieses „Spiel" mitspielen, versteht sich von selbst. Auf der einen Seite sind sie selber vom sozio-ökonomischen Umfeld, in dem sie leben, geprägt, und auf der anderen Seite wollen sie ja alle vier Jahre wiedergewählt werden. Die Widersprüche zeigen sich in ihrem Verhalten und politischen Handeln aufgrund ihrer exponierten Stellung und ihren Machtbefugnissen besonders deutlich. Auf der einen Seite präsentieren sie Organisationskommitees von folkloristischen Großanlässen, wie eidgenössische Schwing- und Jodlerfeste, gründen Stiftungen zur Erhaltung von Burgruinen, auf der anderen Seite opfern sie historische Bausubstanz und ganze Landschaften auf dem Altar sog. Sachzwänge eines blinden Fortschrittsglaubens. Die unheimliche Geschwindigkeit des Wandels materieller und immaterieller Werte seit dem 2. Weltkrieg, die unheimliche Geschwindigkeit mit der sich Landschaften, Siedlungsbilder, Dörfer und ländliche Bauten veränderten, waren wichtige Gründe, in der Schweiz ein Museum für ländliche Baukultur aufzubauen. Also doch eine letzte Ruhestätte, ein Friedhof?, höre ich hier die kritische Zwischenfrage. Der Vorwurf hat eine gewisse Berechtigung. Wir versuchen ihm jedoch mit klaren Richtlinien bei der Übernahme von Objekten und einem möglichst konsequenten Museumskonzept entgegenzuwirken.
Das Museumskonzept Primäres Ziel des schweizerischen Freilichtmuseums Ballenberg ist es, die außerordentlich reiche Hauslandschaft an einem Ort zusammenzufassen und zu dokumentieren. Natürlich gehört ein Tessiner Haus in den Kanton Tessin und ein Jurahaus in den Jura, und nicht ins Berner Oberland. Die Denkmalpflege an Ort und Stelle hat absolute Priorität. Es gibt jedoch Gründe, die eine Verpflanzung rechtfertigen können. Neben dem oben genannten Wunsch, die vielfältige ländliche Baukultur auf einem überschaubaren Raum darzustellen und zu vermitteln, hat ein Freilichtmuseum die Aufgabe, auf zugegebenermaßen etwas unübliche Weise, in einer Zeit hektischer Baukonjunktur dem Untergang geweihte Zeugen traditioneller Baukultur zu erhalten. Mit der nötigen Sorgfalt gehandhabte Grundsätze, als Voraussetzung für die Übernahme eines Objekts, bilden die Grundlage der Glaubwürdigkeit und der Legitimation des Museums. 214
Dem Freilichtmuseum Ballenberg werden zur Zeit jährlich zwischen 10 und 15 Objekte, vom Bauernhaus über Speicher und Trotten bis hin zu Schulhäusern, Bahnhöfen und Kioskhäuschen, zur Übernahme angeboten, wovon höchstens 2 — 3 zur Ausführung kommen. Der in der Regel mehrere Jahre dauernde Übernahmeprozeß beginnt meist mit einem Anruf oder einem Brief des Hausbesitzers. Paßt das angebotene Objekt in die Museumsplanung, werden die Unterlagen an die entsprechende kantonale Denkmalpflege mit der Frage weitergeleitet, ob das Gebäude in einem Schutzinventar enthalten sei. Im weiteren interessiert uns natürlich auch, warum das Objekt an Ort und Stelle nicht gehalten werden kann. Oft enden hier die Verhandlungen mit dem Anbieter, da sich das Angebot nicht als edle Spende, sondern als Versuch entlarvt, über den Weg des Freilichtmuseums einen unbequemen Altbau aus dem Weg zu räumen. Ist dies nicht der Fall, unternimmt die wissenschaftliche Leitung des Museums, zusammen mit einem Ausschuß der wissenschaftlichen Kommission, einen Augenschein an Ort und Stelle. Sprechen alle Voraussetzungen für eine Übernahme, muß als nächster Schritt die Finanzierung gesichert werden. Die Bauten werden in der Regel nur als Geschenk entgegengenommen, hingegen sind wir bereit, über einen Ankauf des Inventars mit dem Besitzer zu verhandeln. Objekte werden auf Grund von negativen Erfahrungen grundsätzlich nur noch angenommen, wenn einem sofortigen Wiederaufbau auf dem Museumsgelände nichts im Wege steht und das Geld für den Wiederaufbau sichergestellt ist. Die Kosten, heute ca. 1-2 Million SFr. pro Wohnhaus, werden zu je einem Drittel vom Bund, vom entsprechenden Kanton (Gemeinde) und von privaten Sponsoren getragen. Steht einer Übernahme ins Museum nichts mehr entgegen, erfolgt die Baudokumentation des Objekts an seinem alten Standort und eine Analyse des sozio-ökonomischen Umfelds. Über die Genehmigung von finanziellen Mitteln haben die lokale Bevölkerung an Gemeindeversammlungen und das jeweilige Kantonsparlament die Möglichkeit, sich mit der Übernahme auseinanderzusetzen und sie allenfalls zu verhindern. Bei manchen Angeboten handelt es sich oft um den letzten Versuch eines verzweifelten Denkmalpflegers, ein Objekt, welches wider jede Vernunft aus ökonomischen oder politischen Gründen an Ort und Stelle nicht mehr gehalten werden kann, wenigstens museal zu retten. Es gilt als unabdingbare Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit des Freilichtmuseums, zusammen mit den Denkmalpflegern, dem Heimatschutz, lokalen Bürgerkommitees und politischen Gruppierungen, sich für die Erhaltung originaler Bausubstanz in situ einzusetzen und einer Verpflanzung in den Ballenberg nur zuzustimmen, wenn wirklich keine andere Lösung gefunden werden kann.
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Gefahren Neben der nun aufgezeigten Gefahr des Abschiebens unbequemer Objekte von privater wie von öffentlicher Hand — in das Museum, ist wohl die schleichende Kommerzialisierung und Folklorisierung für ein Museum eines der größten Probleme. Das schweizerische Freilichtmuseum Ballenberg basiert auf einer privaten Stiftung, die zwar von öffentlicher Hand mit bedeutenden Geldbeträgen unterstützt wird, jedoch vor allem für die Betriebsführung und den Unterhalt des Museums weitgehend selber aufkommen muß. Die Einnahmen aus Eintritten, Verkäufen, Restaurants und Publikationen können die laufenden Aufwendungen für den Betrieb (vor allem Personalkosten, Verwaltung, Werbung) kaum mehr decken. Hier besteht die Gefahr, daß sich ein auf eine kurzfristig ausgeglichene Betriebsrechnung ausgerichtetes Management gegen wissenschaftliche Ziele, Überlegungen und Forderungen stellt. Das Freilichtmuseum Ballenberg mit c. 65, auf ein Gelände von 50ha verteilten Objekten, hat
Abb. 1: Doppelwohnhaus Richterswil/ZH um 1780
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mit 30 Fest- und ca. 100 Teilzeitbeschäftigten inzwischen eine Größe erreicht, die den Stiftungsrat vor zwei Jahren dazu bewog, einen Manager an die Spitze des Museums zu setzen. Er steht als Direktor den Abteilungen Marketing, Betrieb/Personal, Finanzen und Wissenschaft vor. Gelingt es, die Kompetenzen klar zu regeln, sind die Auswirkungen durchaus positiv. Der wissenschaftliche Leiter wird von den administrativen und buchhalterischen Aufgaben entlastet und kann sich umso intensiver seiner eigentlichen Aufgabe zuwenden. Konflikte können sich jedoch ergeben: sie reichen von Meinungsverschiedenheiten über die Größe der wissenschaftlichen Abteilung bis hin zu unterschiedlichen Ansichten über Kultursponsoring und den damit verbundenen Werbeinteressen. So könnte man sich als Wissenschafter nur schwer damit abfinden, wenn mehr oder weniger diskret angebrachte Signete von Großbanken und Baufirmen auf Einladungskarten zur Einweihung von Museumsobjekten und auf Prospekten stehen würden. Auch die Vermarktung kitschiger Prozellanteller mit Bauernhaussujets unter dem N a m e n Ballenberg schadet
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dem Ruf des Museums. U m nicht falsch verstanden zu werden: man kann als wissenschaftlicher Leiter einer solchen Institution vor den wirtschaftlichen Sachzwängen nicht einfach die Augen verschließen. Das Management hat nicht zuletzt die Aufgabe, so zu entscheiden und zu handeln, daß die etwa 130 Arbeitsplätze auch für die Zukunft gesichert sind. So werden wir nicht um Kompromisse herumkommen und von Fall zu Fall einen gemeinsamen Weg suchen müssen. Auch das Engagement der Förderungsvereine bereitet der Wissenschaft nicht nur Freude. Der gute Wille und das Streben, das Museum moralisch und finanziell zu unterstützen, ist selbstverständlich zu begrüßen. Die Vereine — der größte zählt nicht weniger als 5 500 Mitglieder — sichern dem Museum eine breite Abstützung in der Bevölkerung. Zudem kann gerade die Zusammenarbeit mit sog. Laien für den vorwiegend akademisch-theoretisch Ausgebildeten sehr bereichernd sein; man denke nur an die wertvollen praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten, über die manche Berufsfrau und mancher Berufsmann von heute im nahezu ausgestorbenen alten Handwerk verfügt. Ebenso trifft man unter den Lokalhistorikern immer wieder Leute, deren im Selbststudium erworbener Wissensstand durchaus dem eines Universitätsabsolventen ebenbürtig ist. Die Gefahren für die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit beginnen jedoch, wenn das Museum infolge romantisierend-nostalgischer Phantasien von einer entschwundenen „heilen Welt" ein diesen Vorstellungen entsprechendes Vergangenheitsbild repräsentieren soll. Dieses Problem reicht von der leidigen Forderung nach Geranienschmuck für bestimmter Häuser, ungeachtet der historisch verbürgten Tatsache, daß diese Blumen zur Zeit der Entstehung dieser Gebäude in der Schweiz noch völlig unbekannt waren, bis hin zu einem solch gravierenden Eingriff wie die unsachgemäße Umgestaltung eines Hauses. Bei dem um ca. 1760 erbauten Haus aus Richterswil am Zürichsee handelt es sich um ein typisches Arbeiter-Bauernhaus, verbunden mit verhältnismäßig wenig Grundbesitz. Der erste nachgewiesene Besitzer war ein Küfer, der daneben einen Kraut- und Baumgarten sowie einen kleinen Rebberg besaß. Spätere Bewohner des Hauses arbeiteten als Metzger, Glaser und Wagner. Der einfache, jedoch sehr schöne Fachwerkbau war deutlich als Doppelhaus ausgebildet. Im ersten Stock befanden sich zwei Küchen und zwei gleich große Stuben. Die Einrichtung der Stuben wurde der Besitzergeschichte des Hauses entsprechend beim Wiederaufbau bewußt schlicht gehalten. Vertreter eines Fördervereins stießen sich jedoch an der „primitiven" Einrichtung. Mehrmalige, hartnäckige Vorstöße, begleitet von entsprechendem politischen Druck, führten dazu, daß 1983 durch verschiedene Eingriffe der ursprüngliche Charakter des Hauses weitgehend zerstört wurde. Neben dem Einbau eines viel zu vornehmen, harthölzernen Stubenbüffets mit Liegebett, ist der Wanddurchbruch zwi218
sehen den beiden Stuben und das Umfunktionieren des einen Wohnraumes in eine Schlafkammer besonders bedauerlich. Wir sind uns bewußt, im Freilichtmuseum keine naturgetreue, sondern eine wissenschaftlich rekonstruierte Wirklichkeit wiederzugeben. Jeder Versuch, die Häuser zu beleben, müßte gezwungenermaßen scheitern. Ihre angestammte Lebendigkeit mit all den über Jahrhunderte erfolgten Veränderungen behalten die Gebäude nur an ihrem ursprünglichen Standort, in ihrer angestammten Umgebung. Es bleibt unsere Aufgabe, die manchmal etwas morbide museale Atmosphäre — wobei wir wieder beim Stichwort Friedhof angelangt wären — nach Möglichkeit zu durchbrechen, ohne in Jubel-Trubel-Heiterkeit-Stimmung auf die Ebene eines Europaparkes oder Disneylands abzugleiten, die sich kommerziell wohl durchaus auszahlen würde.
Literaturbeispiele
zum Thema Gefahren:
Gschwend Max, Kommerzialisierung im Museum? In: Tagungsbericht 1980 des „Verband europäischer Freilichtmuseen". Oslo 1982, S. 127 Mehl Heinrich, Auf dem Weg nach Disneyland. Zur Entwicklung der Freilichtmuseen im Jahre 100 nach Sbansen. In: Festschrift für Heinz Spielmann zum 60. Geburtstag. Münster 1990, S. 1 6 5 - 198. Zippelius Adalhart, Zur notwendigen Selbstkritik der Freilichtmuseen. Volkskunde 79, 1978, N r . 2/3, S. 119 - 124. Zippelius Adalhart, Tendenzen zur Kommerzialisierung in Freilichtmuseen. In: Das Rheinische Freilichtmuseum und Landesmuseum für Volkskunde in Kommern. Geschichte und Ausblick. Köln 1981, S. 9 5 - 1 9 7 Zippelius Adalhart, Der Aufgabenkatalog der Freilichtmuseen im Zugriff der Freizeitgestalter. In: Museumsblatt, Mitteilungen aus dem Museumswesen BadenWürttembergs, N r . 1, Stuttgart 1990, S. 1 6 - 2 2 .
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HELMUT KEIM
Historische ländliche Gebäude oder in-situ-Erhaltung?
Musealisierung
Zur Präzisierung des Themas sei vorausgeschickt, daß mit „Musealisierung" hier die Transferierung in ein Freilichtmuseum gemeint ist, denn bei der Musealisierung in situ sind bisher die konservatorischen und organisatorischen Probleme (z.B. Personal, Besucherbetrieb) sowie die Fragen der dauerhaften wissenschaftlichen Betreuung nicht befriedigend lösbar. Einleitend möchte ich kurz auf die Arbeitsmethoden der zentralen Freilichtmuseen eingehen: In den vergangenen 10 Jahren wurde die Untersuchungs- und Transferierungsqualität laufend verbessert und verfeinert, so daß heute die Freilichtmuseumsobjekte die am besten restaurierten, erforschten und dokumentierten Gebäude der Volksarchitektur sind. Im einzelnen soll das am Beispiel der abbaubegleitenden Untersuchungen erläutert werden: Die Technik der verformungsgerechten Aufmaßzeichnung wurde zwar in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege zu einem allgemein gültigen Standard entwickelt, die restauratorische und materialhistorische Befunduntersuchung durch spezialisierte Restauratoren übertrifft jedoch in Qualität und Ausführlichkeit bei weitem das, was bei in-situ-Renovierungen ländlicher Bauten üblich und finanziell möglich ist. Hierzu gehört auch die Abnahme von originalen Putzflächen oder die Bergung von Pflasterböden im Ganzen einschließlich ihrer Verformung durch die Abnutzung. Eine archäologische Grabung ist heute bei den meisten Objekten üblich geworden. Beim Zerlegen von verputztem Mauerwerk werden die einzelnen Umbauphasen in den wichtigsten Bereichen herausgearbeitet (Kernbefund). Historisch wertvolle Teile werden heute jedoch im Ganzen transferiert, die Abmessungen sind nur noch durch den Straßentransport begrenzt. Komplette Fachwerkwände und -giebel, zum Teil sogar ganze Gebäude — wurden bereits mit Erfolg übertragen. Die begleitenden hauskundlichen Untersuchungen umfassen die Befragung noch lebender Gewährspersonen und die Erforschung der Archivalien. Die Dendrochronology ermöglicht die Datierung der einzelnen Bauphasen. Eine umfangreiche Dokumentation anhand schriftlicher Protokolle, Zeichnungen und Hunderten von Fotos hält alle bei Untersuchung und Abbau gemachten Beobachtungen fest, ebenso alle Befragungs- und Forschungsergebnisse — jederzeit abrufbar bei der wissenschaftlichen Bearbeitung, beim Wiederaufbau oder der späteren Publikation. Die Kosten für diese wissenschaftlichen Arbeiten (Aufmaß, Befunduntersuchung, Dendrodatierung und begleitende Forschung) lie220
gen heute je nach Objekt derzeit bei ca. DM 40.000,- bis DM 90.000, ein Betrag, der bei in situ renovierten Objekten der Volksarchitektur für Forschung und Dokumentation nicht zur Verfügung steht! Freilichtmuseen sind also Forschungsstätten, ihr Wissensstand wird anhand der Transferierungen laufend verbessert; hierzu ist es nicht nur notwendig, über alle zum Abbruch freigegebenen Objekte informiert zu werden, sondern auch über andere wertvolle Gebäude, die in situ restauriert werden, damit diese vorher erforscht und dokumentiert werden können. Dazu bedarf es jedoch der aktiven Unterstützung durch die Denkmalschutzbehörden; die Zusammenarbeit sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, sie funktioniert in Bayern jedoch leider immer noch nicht so, wie es angesichts unserer historischen Aufgabe notwenig wäre.
Probleme und Differenzen mit Heimat- und
Denkmalpflege
1. Die Museumsarbeit wird von der Denkmalpflege nicht ernst genommen. Äußerungen wie „ . . . Das Objekt ist zu schade für das Freilichtmuseum" seitens der Heimat- und Denkmalpflege zeigen, daß man hier über die Arbeitsmethoden und Chancen der Freilichtmuseen nicht informiert ist. Die Konsequenz ist oft, daß bedeutende Objekte verlorengehen, ohne daß die Freilichtmuseen davon erfahren. 2. Fehlender Ortsbezug als Gegenargument. Immer wieder bekommt man zu hören: „Dieses Gebäude paßt doch nicht ins Freilichtmuseum, es gehört in seine ursprüngliche Umgebung". Die Problematik des fehlenden Ortsbezugs ist bekannt und gilt für jedes zentrale Freilichtmuseum. Durch entsprechende didaktische Hilfsmitel (historische Fotos, Zeichnungen, Modell), läßt sich dies aber im Museum kompensieren, oft sogar besser als in situ, wo meist der historische Ortsbezug (neben Tankstelle oder Supermarkt) ebenfalls verloren gegangen ist. 3. Problem der Mauerwerkstransferierung. Ein weiteres Argument, auch von seiten der amtlichen Denkmalpflege ist „Mauerwerk kann man nicht transferieren, also verliert das Haus seine Denkmaleigenschaft " (Zitat aus einem Gutachten). Gegen diese Argumentation spricht u.a.: a) Die Freilichtmuseen haben vorgeführt, daß man Mauerwerk ganz oder in Teilen durchaus transferieren kann. b) Bei privaten Versetzungen im Landkreis oder bei in-situ-renovierten Gebäuden geht meist viel mehr originales Mauerwerk verloren als bei der Museumstransferierung - allerdings ohne, daß diese Bauteile so gewissenhaft untersucht und dokumentiert werden. Trotzdem wird die Denkmaleigenschaft nicht angezweifelt! 221
Abb. 1: Soweit notwendig und finanziell vertretbar, läßt sich Mauerwerk durchaus transferieren — entweder durch Zerlegen, wie beim abgebildeten Beispiel, oder durch Transferieren ganzer Mauerwerksteile bzw. Gebäude. Diese Methode wird seit Jahren von zahlreichen Freilichtmuseen praktiziert.
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c) Bei den ersten 15 Objekten im Freilichtmuseum an der Glentleiten wurde das Mauerwerk aus völlig neuem Material (Lochziegel, Betonsteine, Stahlbeton) errichtet - trotzdem wurden diese Gebäude für würdig befunden, nachträglich in die Denkmalliste aufgenommen zu werden. Bei der Mauerwerktransferierung ist Authentizität wichtiger als absolute Originalität! Aus 1 - 3 folgt: Ob ein Objekt ins Freilichtmuseum paßt oder ob es transferierungsgeeignet ist, kann und muß ausschließlich der zuständige Museumsleiter beurteilen, dessen Entscheidung auf eigenen Erfahrungswerten und dem Urteil von Fachkollegen, z.B. auch der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, basiert. 4. Konkurrenzangst. „Die Freilichtmuseen plündern unsere Dörfer aus" oder „Die Denkmalbesitzer wollen nicht mehr renovieren, sondern ihr Objekt ans Freilichtmuseum loswerden". Solche Klagen von Seiten der Heimat- und Denkmalpflege sind völlig unbegründet und lassen sich allein schon durch die Zahlen entkräften: in ganz Bayern können vielleicht insgesamt 300 — 400 Objekte in das Freilichtmuseum unterkommen — weniger als 1 % der ländlichen Baudenkmäler! Außerdem waren fast alle Freilichtmuseumsobjekte in situ ohnehin nicht mehr zu halten und zum Abbruch freigegeben. Zur Frage. In-situ-Erhaltung oder Transferierung,f Nicht entweder/oder, sondern sowohl/als auch ! Rein zahlenmäßig wird immer die denkmalpflegerische Erhaltung im Vordergrund stehen und die Transferierung in ein Freilichtmuseum die Ausnahme bleiben — also Majorität, nicht aber Priorität! Im Hinblick auf das Ziel, bedeutende Geschichtszeugnisse zu erhalten, ist die bisherige Praxis nicht mehr vertretbar, Prioritäten prinzipieller Art zu setzen, also ohne Wissen und Erforschung, ohne Konsequenzen von Restaurierungszielen und -methoden, einer in-situ-Erhaltung grundsätzlich den Vorrang zu geben, nach dem Motto: „Nur wenn ein Objekt in situ nicht mehr zu halten ist, darf es ins Freilichtmuseum transferiert werden". Es ist kulturpolitisch nicht zu verantworten, mit öffentlichen Geldern in Millionenhöhe zweit- und drittrangige Gebäude als historische Zeugnisse für die Zukunft zu konservieren, während erstrangige in situ verfallen oder bei der Renovierung den größten Teil ihrer Originalsubstanz und geschichtlichen Aussage verlieren. Eine prinzipielle Bevorzugung der in-situ-Erhaltung wäre geschichts- und verantwortungslos, denn sie läßt das entscheidende Kriterium außer acht: die Beurteilung des geschichtlichen Werts eines Gebäudes. Anstelle einer Grundsatzentscheidung ist zunächst (objektiv und mit wissenschaftlichen Methoden) der geschichtliche Wert eines bestimmten Objekts festzustellen und dann realistisch abzuwägen, was davon bei einer geplanten Maßnahme in situ wirklich übrigbleibt — häufig nur die Fassade und einige alte Bauteile im Inneren, oft nicht einmal das! Trotzdem bleiben diese Objekte Denkmäler im Sinne des Gesetzes! 223
Einige Beipiele aus unserem Gebiet. Beispiel 1 — Werdenfelser H o f : Bisher fehlt auf der Glentleiten ein typischer Werdenfelser H o f . Bereits Ende der 70er Jahre wurde uns ein Objekt angeboten; sein historischer Wert: einer der letzten reinen Mittertennhöfe, also noch ohne Flur (Zugang zu Wohnteil und Stall durch die Tenne); Wohn- und Wirtschaftsteil waren komplett und unversehrt erhalten, Rauchküche, gemauerter Stubenofen noch original vorhanden, ferner zahlreiche Festeinbauten. Auf Bestreben von Heimat- und Denkmalpflege mußte das Objekt jedoch in situ bleiben — was ist vom historischen Wert nach der Renovierung übrig? Der Haustyp stimmt nicht mehr: die ehemalige Mittertenne ist optisch zur Seite verschoben; sämtliches Mauerwerk ist erneuert, die Bundwerkkonstruktion am Wirtschaftsteil fehlt, von der Fassade ist nur noch ca. ein Viertel original. Bis auf das Giebelbundwerk hat das Gebäude seinen historischen Wert völlig verloren. Das Original ist also in situ weitgehend zerstört, während das Freilichtmuseum diesen Haustyp zukünftigen Generationen nur noch in F o r m einer Kopie oder eines Modells zeigen kann.
Abb. 2: Einer der letzten reinrassig erhaltenen Werdenfelser Mittertennhöfe: Eingang zum Wohnteil über die Tenne; Rauchküche und Feuerstätten waren original erhalten. Das Freilichtmuseum war an diesem wertvollen Objekt sehr interessiert, auf Bestreben von Heimat- und Denkmalpflege mußte es gegen den Willen der Besitzer in situ bleiben.
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Beispiel 2 - Einfirsthof-Anlage: Aus dem nördlichen Oberbayern wurde eine typische, komplett erhaltene Einfirsthofanlage angeboten: Ihr besonderer historischer Wert bestand, neben der Putzgliederung der Fassade, vor allem in seiner Gesamtanlage: einer der letzten komplett erhaltenen Einfirsthöfe ohne wesentliche Modernisierung! Obwohl das Freilichtmuseum interessiert war, wurde dem Besitzer zunächst genehmigt, den gesamten Wirtschaftsteil abzubrechen und ein neues, zweistöckiges Wohnhaus zu bauen. Der alte Wohnteil hätte daneben als Torso erhalten werden müssen. Dadurch hätte die Anlage ihre Vollständigkeit, also das Wesentliche ihres historischen Werts, verloren. Der gesamte Hof konnte aber dann doch ins Freilichtmuseum transferiert werden - mit Recht, denn: wer nach der Maxime handelt „lieber ein halbes Haus im Landkreis, als ein Ganzes im Freilichtmuseum", ignoriert die kulturpolitische Aufgabe und die historische Chance des Freilichtmuseums. Beispiel 3 - Säge: Die letzte sog. Venezianer-Säge nördlich der Alpen war ein technisches Baudenkmal von ganz besonderem historischen Rang. Anfang der 70er Jahre war die Technik noch komplett, das Gebäude jedoch einsturzge-
Abb. 3: Zerstörung des historischen Wertes durch „in-situ-Erhaltung": Die charakteristische Mittenenne ist verschwunden, ebenso das Bundwerk am Wirtschaftsteil. Das Mauerwerk und die gesamte Innenausstattung sind in veränderter Form erneuert. Das Freilichtmuseum kann diesen Haustyp nur noch im Modell zeigen.
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fährdet. Seit 1973 verhandelten wir mit Besitzer und Behörden — ohne Erfolg; „Das Mühlenensemble in Nußdorf muß erhalten bleiben", heißt es in diversen Gutachten. Nach Jahren weiteren Verfalls wurde die Säge „saniert"; ihr Zustand seit 1985: nur das schlichte Gebäude selbst ist instandgesetzt, nicht die Technik. Wo sich die verschiedenen Zuleitungsrinnen mit den unterschlächtigen Wasserrädern für Gatter und Blockwagentransport befanden, dreht sich nun „malerisch" ein neues, aus Brettern zusammengenageltes, völlig funktionsloses Wasserrad; seine Achse ist innen blind auf einen neuen Betonsockel gelagert. Die gesamte historische Antriebstechnik — einmalig nördlich der Alpen — fehlt, verrottet zum Teil im Boden oder liegt im Schutt unbeachtet herum. Welcher Privatmann könnte es sich auch leisten, einen sechsstelligen Betrag in die cUuerhafte Sanierung einer Säge mit historischem Antrieb zu investieren, für die er keine Verwendung mehr hat? Beispiel 4 — Ölmühle: Von der letzten oberbayerischen Ölmühle waren Gebäude und technische Einrichtung noch komplett vorhanden, als sie uns 1980 angeboten wurde. Sie mußte jedoch auf amtlichen Wunsch ebenfalls „in situ erhalten bleiben". Zustand heute: das Gebäude ist seit Jahren an einen Privatmann vermietet, ein dubioser Umbau wurde begonnen und nicht weitergeführt.
A b b . 4 : Venezianersäge N u ß d o r f am Inn (Modell: Fachhochschule Rosenheim). Rekonstruktion der technischen Einrichtung, wie sie Ende der 60er Jahre noch komplett war.
V o n der technischen Einrichtung ist ein nur n o c h notdürftig abgedeckter H o l z haufen übrig — o h n e jegliche fachliche D o k u m e n t a t i o n , o h n e F o t o s und Zeichnungen v o m ursprünglichen Zustand. Ein weiteres, technisches D e n k m a l von einmaligem historischen Wert ist verloren und z w a r mit b e h ö r d l i c h e m Segen! D i e Reihe dieser traurigen Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Gegenbeispiel
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Wetzsteinmacherei im F r e i l i c h t m u s e u m : Ihr historischer
Wert: die letzte von ehemals 50 Schleifmühlen in U n t e r a m m e r g a u . D i e R u i n e mit Resten der T e c h n i k wurde ü b e r n o m m e n , was geschah weiter damit? 1. Wissenschaftliche E r f o r s c h u n g und D o k u m e n t a t i o n von T e c h n i k und Arbeitsmethoden sowie des gesamten sozial- und ortsgeschichtlichen Hintergrunds im Rahmen einer 2 J a h r e laufenden volkskundlichen Magisterarbeit. 2. U n t e r Verwend u n g der v o r h a n d e n e n Originalteile vollständige R e k o n s t r u k t i o n der historischen T e c h n i k mit H i l f e der letzten noch lebenden Wetzsteinmacher. 3. Inf o r m a t i o n einer breiten Öffentlichkeit durch didaktische Hilfsmittel ( F o t o s , Texte, Werkstücke, Vorführungen, Monografie). D a m i t ist die letzte Wetzsteinmacherei im F r e i l i c h t m u s e u m der N a c h w e l t erhalten. Wie wäre w o h l bei der ursprünglich von der G e m e i n d e geplanten in-situ-Erhaltung eine dauerhafte Sa-
A b b . 5: D i e R e s t e der Säge nach der „ S a n i e r u n g " : D a s G e b ä u d e ist n o t d ü r f t i g repariert; anstelle der h i s t o r i s c h e n A n t r i e b s t e c h n i k ein aus B r e t t e r n z u s a m m e n g e n a g e l t e s , völlig f u n k t i o n s l o s e s , neues „ W a s s e r r a d "
-
seine A c h s e endet innen b l i n d auf e i n e m Be-
tonsockel!
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nierung möglich gewesen, wie wären Forschung, Vermittlung und öffentliche Zugänglichkeit gewährleistet — abgesehen vom ständigen Bauunterhalt?
Chancen des
Freilichtmuseums
An diesem Beispiel wurden bereits einige Möglichkeiten des Freilichtmuseums für eine optimale Erhaltung und Vermittlung aufgezeigt: 1. Hervorragende konservatorische Voraussetzungen: Durch Neufundierung beim Wiederaufbau ist ein dauerhafter Schutz vor Bodenfeuchtigkeit und Setzungen möglich; das Zerlegen der Holzkonstruktion macht alle Einzelteile für Konservierung und Restaurierung zugänglich; die neuerdings praktizierte Temperierung der Freilichtmuseumsobjekte schafft optimale klimatische Voraussetzungen für eine dauerhafte Erhaltung: Feuchteschutz für Bausubstanz und Raumausstattung mithilfe von Wärme, wie er inzwischen für die Freilichtmuseen in Detmold und Hagen und für die bayerischen Freilichtmuseen selbstverständlich geworden ist. Gefährdete Fassadenteile oder große Offnungen werden im Winter durch wetterfeste Abdeckungen geschützt. Schließlich erfolgt keine weitere Beanspruchung durch den Gebrauch seitens der Bewohner, durch funktionsbedingte Veränderungen oder Umbauten, während in situ stets Zugeständnisse an die jeweilige Nutzung notwendig sind. Mit besonderen Maßnahmen (Absperrungen, Schutzbeläge) kann der Abnutzung durch die Museumsbesucher vorgebeugt werden. 2. Gebäude als Geschichtszeugnis. Im Freilichtmuseum wird ein Gebäude in einem exakt nachgewiesenen historischem Zustand rekonstruiert und genauestens dokumentiert, einschließlich seiner farbigen Ausstattung und originalen Einrichtung. Durch die Qualität der Arbeitsmethoden wird es zum authentischen baugeschichtlichen Dokument ersten Ranges, was in situ fast nie möglich — und auch nicht nötig ist — denn Geschichte bedeutet nun einmal Veränderung. Draußen geschieht Geschichte - im Museum ist sie anhand eines ausgewählten Objekts in einem bestimmten Stadium festgeschrieben. 3. Vermittlung. Dieser Zustand kann mit allen sozial- und baugeschichtlichen Hintergrundinformationen an eine breite Öffentlichkeit vermittelt werden, wofür in situ fast immer die Voraussetzungen fehlen. Die didaktischen Hilfsmittel reichen von Texten, Zeichnungen, historischen Fotos und Modellen bis zu Tonband- und Videovorführungen. 4. Werbung für den Denkmalpflege-Gedanken. Der Wiederaufbau von Gebäuden der Volksarchitektur und ihre Präsentation im guten Zustand macht dem Laien erst den kulturellen und ästhetischen Wert der Architektur bewußt, die ihn draußen umgibt, die unter dem Schleier von Verfall und störender Ver228
A b b . 6: Stube im Samerhäusl aus Schönau mit kompletter Originalausstattung. Durch die begleitende Forschungs- und Dokumentationsarbeit wird das Freilichtmuseumsobjekt zum authentischen bau- und sozialgeschichtlichen D o k u m e n t .
änderung jedoch meist nicht wahrgenommen, oft sogar als Schandfleck empfunden wird. Damit trägt die Transferierung eines Baudenkmals ins Freilichtmuseum sogar indirekt wieder zur in-situ-Erhaltung der noch verbliebenen Architektur bei, denn Denkmalpflege ist langfristig nur möglich, wenn sie von unten kommt, d.h. ihre Notwendigkeit von einer breiten Bevölkerungsschicht (einschließlich der Betroffenen) eingesehen wird. Bei der Entscheidung „in situ oder Transferierung?" muß also von Fall zu Fall gewissenhaft abgewogen werden, was in situ vom historischen Wert noch wirklich übrig bleibt - und zwar bei einer dauerhaften Sanierung, nicht etwa bei einer kurzfristigen Reparatur. Unser Ziel muß eine langfristige Erhaltung über Jahrzehnte sein, die jedoch auf privater Basis in den wenigsten Fällen gesichert ist.
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Zusammenfassung Der Maßstab für die Übernahme eines Gebäudes ins Freilichtmuseum darf nicht von zufälligen, äußeren Umständen abhängen, sondern muß sich ausschließlich an seinem historischen Wert orientieren. Dies erfordert ein objektives Abwägen aller Umstände nach fachlichen Kriterien ohne Prinzipienreiterei. Die häufig zu hörende Meinung „das ist das letzte Objekt im Landkreis, daher zu kostbar für eine Transferierung ins Freilichtmuseum; daher ist es in situ zu erhalten" muß aus dieser Sicht vielmehr umgekehrt lauten: „Wenn ein Gebäude einen besonderen geschichtlichen Wert hat, ist es für eine Erhaltung (und damit für Abnutzung und Veränderung) in situ zu kostbar und muß daher im Freilichtmuseum für die Zukunft konserviert werden". Wir haben die historische Verpflichtung gegenüber späteren Generationen, die allerletzten wertvollen, ländlichen Bauten als Geschichtszeugnisse optimal für spätere Generationen zu bewahren. Dazu ist eine enge und vorteilsfreie Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflege und Freilichtmuseum dringend geboten!
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Aus der Diskussion Herr Petzet: Sie sehen, es gibt eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflege und Freilicht-Museen in Bayern. Das Freilicht-Museum ist natürlich kein Allheilmittel, um die Reste der bäuerlichen Kultur zu retten. Denn es ist ein minimaler Bruchteil von dem, was erhalten werden kann, der ins Freilicht-Museum kommt, so daß eine Erhaltung in situ sich zwangsläufig anbietet. Auch im freien Raum der Denkmalpflege dokumentieren wir z.T. mit wesentlich größerem Aufwand. Ein Ensemble aus Denkmälern bäuerlicher Kultur an seinem Platz hat seine besonderen Werte, die einfach durch das Museum nicht zu ersetzen sind. Die Denkmalpfleger sind nicht gegen Transferierung. Wir sind natürlich froh, dieses Freilicht-Museum auf der Gentleiten zu haben. Aber man muß auch die Grenzen sehen. Kollege Keim kann ja auch das, was wir ihm anbieten, unmöglich alles übernehmen. Herr Schmidt: Herr Keim, Sie haben in Ihrem Vortrag immer dargestellt, daß es um den Streit um das Original ging. Man hätte vielleicht gleich anbieten können, daß man in situ eine Kopie herstellt und dafür das Original ins Museum gibt. Es ist sicherlich billiger als die völlige Zerstörung des letzten Stückes. Herr Keim: Wenn wir an Sandstein-Bauten denken mit Plastiken, die unter Smog leiden, so ist man dort schon seit langem dazu übergegangen, die Dinge ins Museum zu stellen und eine Replik an Ort und Stelle anzubieten. Und meiner Ansicht nach wäre das durchaus im Einzelfall eine diskussionsfähige Sache, gleich mit einer Replik an Ort und Stelle zu arbeiten. Manchmal bleibt bei einer ,,in-situ-Erhaltung" nicht vielmehr als ein Neubau mit einigen Originalteilen. Wir können nicht alles im Museum nehmen, aber wir sollten uns darin einig sein, daß wir eben Dinge nehmen, die auch würdig sind, für spätere Generationen erhalten zu werden. Herr Höhmann: Mir hat als Architekt von Ausbildung her ein Foto sehr gut gefallen, wo nämlich ein Blockbau in Holz mit Steinfundament auf einer BetonSockelplatte stand. Und ich könnte mir als formale Ubersteigerung auch vorstellen, daß man diesen Sockel einfach höher macht. Herr Petzet: Wir sind als Denkmalpfleger schon oft unglücklich, daß bei übertriebenen Trockenlegungen, z.B. etwa eine romanische Kirche letztlich auf einen Betonsockel gesetzt wird. Der Betonsockel macht uns auch da Sorge. Herr Keim: Denkbar wäre vielleicht auch ein Schacht, um zu dokumentieren, wie das Bauwerk fundiert ist. Nur die meisten Museumsbesucher interessiert das nicht. Und das Erhöhen des Sockels würde ich ablehnen. Herr Petzet: Der Denkmalpfleger glaubt auch an das, was man nicht sieht. Und ob es der Besucher sieht oder nicht, ist mir als Denkmalpfleger gleichgültig. 231
KLAUS SCHREINER
Konzept und aktuelle bauliche Probleme eines ostdeutschen Freilichtmuseums nach der Erlangung der deutschen Einheit Im Rahmen des angekündigten Vortrages „Freilandmuseen in Mecklenburg" möchte ich hier in der zur Verfügung stehenden knappen Zeit etwas zum Thema Konzept und aktuelle bauliche Probleme eines ostdeutschen Freilichtmuseums nach der Erlangung der deutschen Einheit sagen. Der gesellschaftliche Umbruch und Wandel in Ostdeutschland und Osteuropa in jüngster Zeit, die wichtigen Veränderungen der politischen Struktur dort, wirken sich auch erheblich auf das Museumswesen dieser Territorien aus. Der schnelle Anschluß der ehemaligen D D R an die westdeutsche Bundesrepublik führte wieder zu einem einheitlichen Deutschland, zur Beseitigung der trennenden deutschen Zweistaatlichkeit nach 41 Jahren. In der Freude an der Einigung sind die Menschen in Ostund Westdeutschland spontan und herzlich aufeinander zugegangen, so auch die Museumsmitarbeiter in Norddeutschland aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Dennoch ist es nur die halbe Wahrheit zu sagen, daß wir nun endlich sein können, was wir immer gewesen sind: Deutsche. Problematisch und schwierig wird das Zusammenleben in der Einheit dann, wenn nicht begriffen wird, daß wir alle unsere eigene Geschichte mit uns tragen, im Guten wie im Bösen. Mit dem Ende des Staates D D R wurde keineswegs automatisch von heute auf morgen in den Menschen eine andere, die bundesbürgerliche Staatsbürgerschaft ausgebildet 1 . Vier Jahrzehnte DDR-Regime, die — wie sich in wachsendem Maße herausstellte — durch Scheitern eines diktatursozialistischen Gesellschaftsweges, Unrecht und Freiheitseinschränkungen geprägt waren, aber auch manches an sozialer Sicherheit und kulturellen Möglichkeiten brachten, müssen auch museal aufgearbeitet und in den Konzepten der Museen in den neuen deutschen Bundesländern reflektiert werden - wahrlich keine leichte Aufgabe! Diese jüngste Geschichte einfach auslöschen und vergessen zu wollen geht nicht. Bundespräsident von Weizsäcker verwies darauf unmißverständlich bei seinem Besuch in Mecklenburg, als man ihm in Schwerin ein unbeschriebenes, leeres, neues Gästebuch für seine Eintragung vorlegte und er erstaunt nach dem alten, aufhebenswerten Gästebuch fragte und meinte: „Wir sollten das Auf und Ab in der Geschichte nicht verbergen, sondern erhalten" 2 . Die ostdeutschen Freilichtmuseen — wie andere historisch profilierte Museen dort auch — ringen gegenwärtig nach der Erlangung der deutschen Einheit einerseits um die Uberprüfung bisheriger Konzepte und die kritische Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit, andererseits oft um ihre nackte Existenz 232
auf G r u n d der schlimmen ökonomischen Situation, Massenarbeitslosigkeit und zunehmender sozialer Verunsicherung, verbunden mit massivem Personalabbau und finanziellen Einschränkungen bei den Museen. Im mecklenburgischen D o r f Alt Schwerin beispielsweise, wo sich das größte ostdeutsche agrarhistorische Freilichtmuseum befindet, beträgt die Arbeitslosigkeit fast 80 %, und der Stellenplan des Museums wurde von 42 Mitarbeitern auf 14 reduziert. Die Jahresbesucherzahl ging gegenüber 1989 um die Hälfte zurück. Zeitweilige Schließzeiten erfolgten. Mietschulden für durch das Museum genutzte Räume wachsen von Monat zu Monat. Neben den objektiven ökonomischen Zwängen blieb das Museum — wie übrigens sehr viele andere ostdeutsche Museen ebenfalls — von dirigistischen machtpolitischen Personalentscheidungen neuer Behörden zu Lasten fachlich qualifizierter Mitarbeiter nicht verschont. Eine neue Intoleranz und mangelnde Fachkompetenz verschlechtern die Museumssituation. Es wächst die Gefahr, daß bewährte profilierte Museumskonzepte nicht präzisiert und aufgearbeitet, sondern verwässert werden und verlorengehen. Ein wirksames Museumskonzept ist jedoch die Sinngebung unserer Museumsarbeit. Das mecklenburgische agrarhistorische Freilichtmuseum in Alt Schwerin wurde 1963 gegründet und schrittweise aufgebaut nach folgendem Konzept: Dieses Freilichtmuseum -
und darin besteht das Besondere — ist kein stillgeleg-
tes Museumsdorf, sondern ein normal bewohntes und sich entwickelndes lebendiges D o r f , das einzelne museal genutzte Teile und Gebäude des alten D o r fes enthält und so unmittelbar Vergangenheit und Gegenwart verbindet. Es veranschaulicht mit seiner zentralen Ausstellung zum T h e m a „Aus der Agrargeschichte Mecklenburgs von den Anfängen bis zur Gegenwart" und seinen mehr als 2 0 Außenteilen im Dorfbereich geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern. Das Museum zählte bisher über eine Million Besucher. Im Jahre 1989 wares es über 70.000. D i e zentrale Ausstellung gibt Einblicke in die Agrargeschichte des Territoriums von MecklenburgV o r p o m m e r n in 10 Ausstellungsräumen vom Beginn der agrargeschichtlichen Entwicklung vor 5000 Jahren seit der Jungsteinzeit und führt mit aussagekräftigen Museumsgegenständen, Abbildungen und D o k u m e n t e n bis hinein in unsere heutige Zeit. Dabei haben die Mitarbeiter in dieser 1988 museologisch und museumspädagogisch modern gestalteten Ausstellung auch bereits erste Neugestaltungen und Ergänzungen mit Materialien unter dem Aspekt der sich seit dem Herbst 1989 vollziehenden grundlegenden Veränderungen unserer gesellschaftlichen Verhältnisse vorgenommen. Museum und D o r f Alt Schwerin bilden eine Einheit. D i e verschiedenen Außenteile k ö n n e n in F o r m einer mehrstündigen Dorfwanderung besichtigt werden. Diese Außenobjekte sind durch die Besucher zweckmäßigerweise je nach Zeit und Neigung selbst auszuwählen und auszusuchen. Besondere Anziehungs-
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objekte sind: Gutstagelöhnerkate (2. Hälfte des 19. Jh.) mit Dokumentation; Landarbeiterkatenwohnung des Rittergutes (Anf. 20. Jh., 4 Räume, Originaleinrichtung); Katenzeile; Schnitterraum mit Dokumentation in der ehemaligen Schnitterkaserne des Gutes; Neubauerngehöft 1949/50 aus der Bodenreform (Originaleinrichtung mit Dokumentation); Gedenkstein zur LPG-Gründung; authentisch eingerichtete LPG-Bauernwohnung Anf. d. 60er Jahre (Studieneinrichtung mit Dokumentation); Holländer-Windmühle; Windturbine; Pfluglokomotive; Gutsschmiede (original eingerichtet) und alte Reifenschmiede; Ausstellungshalle alter landwirtschaftlicher Traktoren mit Dokumentation sowie Agrarflugzeuge für Düngung und Schädlingsbekämpfung; prunkvolles eisernes Eingangstor vor dem ehemaligen Wirtschaftshof des Gutes (erhielt 1893 auf der Weltausstellung in Chicago einen Sonderpreis); ritterschaftliche einklassige Dorfschule um 1910, original gestaltet mit Dokumentation; authentischer Unterrichtsraum der ehemaligen Polytechnischen Oberschule (1970) u.a. Das Dorf mit seinen historischen Gebäuden wurde unter Denkmalschutz gestellt. Museumswesen und Denkmalpflege bilden eine Einheit, sind Zwillinge. - Peter van Mensch, heute Chairman des ICOM-Komitees für Museologie, wertet in seinem Artikel „Museology and Museums" in den icom news3 das Konzept des Alt Schweriner Museums als ein Beispiel des modernen musealen Trends zu einem dezentralisierten Museumskonzept, d.h. ein Museum mit Außenstationen vergleichbar mit Antennen innerhalb eines ecomuseums 4 . Ist es nicht gerade auch aus heutiger Sicht interessant, notwendig und sinnvoll, bei der historischen musealen und denkmalpflegerischen Aufarbeitung und Dokumentation der Vergangenheit aus der realen Geschichte Deutschlands z.B. solche originalen Musealien und Denkmalobjekte zu bewahren wie ein Neubauernhaus aus der Bodenreformzeit, eine authentische Wohnung mit komplettem Inventar einer LPG-Bauernfamilie, eine Original-Dorfwohnung vor der Einheit vom Herbst 1990, ein komplett eingerichtetes Schulzimmer der 70er Jahre oder typische in der DDR-Landwirtschaft im Einsatz gewesene Traktoren und Agrarflugzeuge? Erste Erfahrungen besagen, daß gerade westdeutsche und ausländische Museumsbesucher an solchen authentischen anschaulichen Objekten der Entwicklung nach 1945 und der DDR-Zeit ein großes Interesse zeigen. — Was aktuelle bauliche Probleme eines ostdeutschen Freilichtmuseums betrifft, so vollzieht sich hier ein komplizierter Umbruch. Während früher im allgemeinen genügend staatliche Gelder als Werterhaltungsmittel zur Verfügung gestellt wurden, fehlte zum Verbrauch dieser Finanzmittel zumeist die erforderliche Baukapazität an Material und Arbeitskräften. Gerade im Bauwesen galt während der DDR-Zeit das geflügelte Wort: „Keine Leute, keine Leute, kein Material - oh Abenteuer Bau!" Wer ausnahmsweise eine eigene Bau- und Restaurierungsbri234
gade am Museum und Werkstätten schaffen konnte - wie z.B. das Alt Schweriner Museum — und mit List und Tücke wenigstens teilweise und unter großem Zeit- und Kräfteaufwand Material und Geräte organisierte, der war glücklich, wenigstens einen Teil des dringendsten baulichen Konservierungs- und Restaurierungsbedarfs abdecken zu können. Heute mangelt es in der Regel an Geld, um an Fremdfirmen unter marktwirtschaftlichen Aspekten Aufträge vergeben zu können. Sponsoren fehlen, Fördermittel sind rar. Von der am Alt Schweriner Freilichtmuseum früher bestehenden Restaurierungs- und Baubrigade in Stärke von 15 erfahrenen Fachkräften sind noch ganze 4 Handwerker übrig geblieben. Mittels Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Arbeitslose wird versucht zu retten, was möglich ist. Die Absicherung der notwendigsten baudenkmalpflegerischen und Restaurierungsarbeiten ist mehr als je zuvor nicht gewährleistet. Beim Nachdenken über das inhaltliche Konzept eines Freilichtmuseums finde ich die interessantesten Anregungen recht hilfreich, die Neil Postman (USA) im August 1989 in seinem stark beachteten Vortrag auf der 15. Generalkonferenz von I C O M in Den Haag zur Ausdehnung des Museumskonzeptes gegeben hat 5 . Für ihn ist jede Art eines Museums eine teilweise Antwort auf die fundamentale Frage: Was bedeutet es, ein menschliches Wesen zu sein? In diesem Sinne betrachtet er ein Museum als ein Instrument des gesellschaftlichen Uberlebens und des gesunden Verstandes. Er fordert Museen, die dokumentieren, was wir einmal waren und was sich als falsch herausgestellt hat, mit was wir sind und welche neuen Visionen und Alternativen möglich sind. Museen betrachtet er als echte Thermostaten der Kultur. Ihre vitalste Funktion ist, vorwärts weisende Alternativen und kritische Dialoge zu provozieren. Ein gutes Museum müßte auch aufmerksam machen auf das, was schwierig und sogar schmerzlich zu betrachten ist.
Anmerkungen 1
Vgl. W. Stockfisch, Mecklenburger Kulturtage in Schwerin, 16. Nov. 90, Brosch. S. 32 2 Der Bundespräsident in Schwerin am 11. 12. 1990 3 icom news, Vol 41, No 3/1988, Paris, S. 7/8 4 Ebenda 5 ICOM, 89/CG. 23, August 1989, Fifteenth General Conference of ICOM, Extension of the Museum Concept, Neil Postman (USA), The Hague
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Aus der Diskussion Herr Petzet: Sie haben uns hier ein ganz anderes Konzept eines Freiland-Museums vorgestellt. Wir haben gehört von Kollegen Huwyler, der die gesamte Schweiz darstellen soll. Die Schweizer Nation möchte an einem Punkt ihre ganze Tradition des ländlichen Bauens versammelt haben. Auch der Kollege Keim hat Probleme, allein Oberbayern komplett darzustellen. Und hier das andere Modell: Man hat dieses Ensemble und dadurch eine Möglichkeit, ein breitgestreutes Museum mit langen Fußwegen, vielleicht sogar Fahrten als Konzept durchaus ins Auge zu fassen. Die Kombination eines Freilicht-Museums mit Außenstellen gibt es in verschiedenen Ländern. Herr Turin: Das erste Problem von Alt Schwerin ist: Es verkündet unzeitgemäße Wahrheiten. Die erste Wahrheit ist die Junkerherrschaft Ostelbiens und die zweite Wahrheit ist, daß es eine DDR gab. Das zweite Problem ist, dieses Museum muß den Dokumentationswert der Landschaft und des SiedlungsOrganismus als historische Erscheinung sichern. Das ist aber gar nicht möglich, weil ein Konflikt auftritt: Einerseits zwischen der Absicht, diese unzeitgemäßen Wahrheiten zu erhalten und andererseits der Notwendigkeit, Besucher anzuziehen. Eine Sache, die man nicht mehr sehen will, kann keine Besucher anziehen. Wenn hier Herr Schreiner sagt: „Museum und Dorf bilden eine Einheit", dann ist dieses Dorf kein übliches mehr, sondern ein ganz spezielles Dorf, in dem Museum und Dorf eine Einheit bilden sollen. Damit trägt das Museum selbst dazu bei, das Dorf zu verfälschen. Ein Dorf, wo die Leute im Museum arbeiten, ist auch nicht gerade das, was man sich als Dorf vorstellt. Dieses Museum hat viele Konflikte, die in seiner Konzeption liegen. Für das Freilichtmuseum an der Gentleiten wie für Alt Schwerin ist im Moment das dringlichste alle Kapazität auf die Dokumentation, auf die Erfassung dessen zu legen, was noch erhaltenswert ist. Herr Petzet: Wie ist es mit der zugehörigen LPG, wollen Sie die als Teil des dörflichen Ensembles aufrechterhalten? Herr Schreiner: Es kommt jetzt erst einmal in diesen Notzeiten darauf an, das Bestehende zu bewahren und nicht vernichten zu lassen. Zweifellos ist dem entgegengesetzt der behördliche Druck, finanzielle Auflagen erfüllen zu können, Besucher heranzulocken usw. Herr Hennies: Ich bin der Nachfolger vom Kollegen Schreiner. Wenn man 80 % Arbeitslosigkeit beklagt, dann verwechselt man aber Ursache und Wirkung. Nicht die Vereinigung ist Schuld an dieser Situation, sondern das, was vorher war. Und wenn Kollege Schreiner von sozialer Sicherheit und von kulturellen Errungenschaften spricht, dann darf man nicht vergessen, daß diese soziale Sicherheit mit Stacheldraht verbunden war. 236
Sie sagten: „Wir möchten gerne die LPG dort dokumentieren;" seit einem Jahr ist diese LPG in Konkurs und versucht natürlich so viel wie möglich [an] Geld herauszuholen. Wir haben aber kein Geld, um Stallkomplexe und andere Dinge zu kaufen, um sie dort in situ zu erhalten. Ich habe den Versuch jetzt gestartet, einen Schafstall zu kaufen - geschätzt ist er auf 250.000 — ich habe 100.000 geboten, mehr habe ich nicht. Das bedeutet aber zugleich, daß andere Dinge, die im Dorf dringend gemacht werden müßten an Museumsgebäuden, nicht passieren können. Zum Beispiel Dachdeckung: Da gibt es Gebäude, die sind schon seit 20 Jahren dem Verfall anheimgegeben, trotz dieser großen Baubrigade. Der Haushaltsplan sieht vor, daß ich über 100.00C Mark einnehmen soll, sonst krieg' ich die genannten Gelder vom Bund nicht und vom Land und vom Kreis. Ich weiß nicht, wie ich die 100.000 Mark einnehmen soll. Herr Petzet: Die Chancen für ein solches Objekt sind vielleicht gar nicht so schlecht. Ich könnte mir vorstellen, daß wahrscheinlich Mittel für reine Museumsarbeit äußerst knapp sind, daß aber unter dem Thema Denkmalpflege eine Finanzierung jedenfalls leichter zu bekommen ist als bei einem rein musealen Fall. Herr Keim: Es wurde angesprochen die Möglichkeit sich mit Außenstellen zu behelfen, wenn es Probleme gibt Objekte über weite Entfernungen zu versetzen. Jetzt hätte ich die Frage: „Wer kann mir sagen, wo diese Außenstellen wirklich funktionieren?" Wir haben eine Außenstelle „Amerang" und wir wissen, welche Probleme gelöst werden müssen. Wo gibt es Beispiele, wo mit diesen Außenstellen wirklich die Betreuung funktioniert. Herr Dannheimer: Im Bereich der staatlichen Zweigmuseen ist die Praxis so, daß man einen kommunalen Partner hat, der das Museum betreibt. Die wissenschaftliche Betreuung geht natürlich von der Zentrale aus. Und so etwas sollte doch bei einer Außenstelle bei einem unbedingt am Ort zu erhaltenden Objekt möglich sein. Wenn das Interesse am Ort so groß ist, daß man das Gebäude dort erhalten möchte, dann müßte ja auch die Bereitschaft da sein, es zu verwalten, zu bewachen, eben zu betreiben. Herr Hahn: Wir im Hohenloher Freilandmuseum haben mehrere Außenstellen und es ist mit der momentanen personellen Situation überhaupt nicht möglich, so etwas zu bewältigen. Wir haben eine Hammerschmiede in situ 40 km von uns entfernt. Diese Hammerschmiede ist uns durch ein politische Ränkespiel zugespielt worden. Wenn man nicht einen genügenden personellen Bestand hat, genügende finanzielle Mittel, um eine Dezentralisierung auch wirklich vor Ort zu leiten und zu lenken, ist es meiner Meinung nach nicht möglich. Neu bekommen haben wir eine Sä237
gemühle in der entgegengesetzten Richtung, wieder 20 km entfernt. Wobei man sagen muß, daß z.B. wir, ein großes regionales Freiland-Museum für den gesamten nordwürttembergischen Raum, bestehen seit 10 Jahren und haben uns kontinuierlich vergrößert,sind aber sogar im Personal geschrumpft. Die Stadt Schwäbisch Hall hat in einem neuen Studiengang den Ausbildungszweig eines „Museumstechnikers" versucht. Wir haben vier Jahre lang junge Leute ausgebildet und mußten sie dann leider auf die Straße setzen. Das Problem des Personals und der fehlenden finanziellen Mittel berührt also nicht nur die neuen Bundesländer. Es war ein Hammerschmied da mit den gesamten Erfahrungen und Kenntnissen. Dieser Mann ist gegangen. W o finden Sie heutzutage einen Mann, der ein so gigantisches Maschinerie-Getüm mit einem oberschlächtigen Wasserrad, drei Schwanzhämmern in der Lage ist, zu bewältigen? Und dann wissen wir, daß durch den Betrieb bewußt historische Substanz kaputt gemacht wird. Herr Roseneck: Ich halte es für sehr problematisch, daß diese immer mehr zunehmenden Ansätze nun vor Ort in der Landschaft selbst die Dinge zu erhalten, auf solche doch sehr vordergründige organisatorische Probleme abgeschoben werden. Und ich muß die Befürchtung äußern, daß diese Ansätze nicht so gern gesehen werden von den Museumsleuten. Man will Geschichte da zeigen, wo sie stattgefunden hat und nicht dort, wo man sie gern haben will. Und was machen Sie mit Objekten, die eben nicht transportabel sind? Da sind Sie sehr schnell an den Grenzen jetzt dieser Denkund Aktivitätsweise. Herr Petzet: Es gibt auch sehr individuelle Lösungen. Wir haben in Bayern einige Fälle eines Privatmuseums, das sich ein Landwirt leistet. Es gibt so viele Möglichkeiten auch einer in situ Erhaltung, daß wir diese Dinge nicht verschenken sollten nur aus organisatorischen oder finanziellen Gründen. Herr Kreilinger: Ohne Zweifel gibt es Probleme mit Außenstellen. Außenstellen müssen und können und sollen da sein, wo sie funktionieren. Doch hier wird das große Museum die Infrastruktur leisten müssen, um diese Dinge zu erhalten. Es geht hier um Millionen. Das heißt, wenn die Organisation nicht geklärt ist, wenn sie nicht auf Dauer geschaffen werden kann, kann man nichts in den Sand setzen. Das ist unverantwortlich. Große Museen sollen in der Lage sein, Außenstellen zu tragen. Die Frage wird immer sein, wo kann man es sich leisten und wo nicht. Die Außenstellen oder sagen wir „Exponate in situ", sind irgendwo. Sie sind nicht an diese Stellen gebaut worden, wo wir sie heute gern hätten. Und genau das ist der Tod oder ein stilles Dahinvegetieren solcher Außenstellen, weil der Kampf um den Besucher unglaublich groß sein muß und ist. Diese Bauernhof-Museen weisen relativ schlechte Besucherzahlen auf, Besucherzahlen, mit denen die Träger nicht zufrieden sein können. Das heißt, es 238
ist ein enormer Aufwand notwendig, um das „Museum in situ" tragen zu können. Das ist sicher [für] viele von Ihnen kein relevanter Punkt, aber für die Träger unglaublich wichtig. Sie müssen sich genau überlegen, wo Sie eine Außenstelle machen wollen. Die bestehenden Bauernhof-Museen, die in situ verblieben sind, sind die schlechtes! dokumentierten und restaurierten Objekte. Ich kenne nicht eine einzige Dokumentation in Bayern von einem in situ Museum, die den Nachweis erbringt, was übrig geblieben ist nach der Restaurierung. Dann brauchen Sie Infrastruktur am Ort selbst. Das heißt, wenn das Ding irgendwo im Wald steht, bringen Sie nur jemand hin, wenn auch ein Wirtshaus dort ist. Sie brauchen Toiletten, Sie brauchen eine kleine Werkstatt, ein kleines Büro usw. Sie brauchen Wechselausstellungsräume, damit Sie immer irgend etwas Interessantes anbieten können. Und in der Summe ist es kein Exponat mehr, sondern ein normales Baudenkmal, das eben auf die Nutzung als Museum eingehen mußte. Herr Petzet: Wir sind doch alle einer Meinung, wir müssen unsere Geschichtszeugnisse, unser kulturelles Erbe bewahren. O b dieses Kulturerbe heute von zehn Personen oder von einer Million besucht wird, das ist dem Denkmalpfleger zunächst einmal gleichgültig. Es geht um das Bewahren dieser Dinge an Ort und Stelle, auch diese Bauernhof-Museen. Herr Seiffert: Meine Erfahrungen über Jahrzehnte sind gegründet im Zusammenhang mit der Arbeit an den Klassiker-Gedenkstätten in Weimar. Dieses Goethe-Nationalmuseum ist eine Summe von etwa 30 Museen und Denkmalen. Dabei findet sich der zentrale Bereich natürlich in Weimar, aber etwa ein Drittel all dieser Objekte befindet sich außerhalb von Weimar; und es hat sich dort seit über 30 Jahren eine Organisationsform bewährt. Wir haben es mit Einzelobjekten zu tun, wie z.B. dem kleinen Fachwerk-Schillerhaus in Bauerbach oder mit dem Goethehaus in Stützerbach oder mit dem kleinen Jagdhaus in Gabelbach oben auf dem Ketelhain. In allen diesen Häusern ist auch alles drin, was für ein Funktionieren von der Kassierung bis zur Toilette und der Garderobe etc. notwendig ist. Diese Häuser außerhalb Weimars bringen uns sehr viele Besucher. Es ist sehr gut, daß die wissenschaftliche Betreuung dieser Häuser von der Zentrale in Weimar erfolgt. Wir haben immer die örtlichen Einrichtungen gewinnen können für die Betreibung, für die Pflege der Häuser. Herr Auer: Einen Satz kann ich nicht so ohne weiteres unwidersprochen hier stehen lassen. Wir haben vor neun Jahren im Rahmen unserer Symposien das Thema gehabt „Bewahren und Ausstellen". Das sind die beiden Grundaufgaben des Museums. Herr Petzet, Sie sagten eben: „Es kommt gar nicht so sehr darauf an, ob wir zehn oder eine Million Besucher haben. Es ist für die Denkmalpflege in erster Linie das Bewahren wichtig". Wozu eigentlich, wenn Sie 239
keine Leute haben, die das in hundert oder noch mehr Jahren betrachten wollen oder können. Was heißt das „bewahren"? F ü r welche Zeit bewahren? Welche Maßnahmen müssen wir ergreifen, um diese Bewahrungs-Aufgabe zu erfüllen? Die Maßnahmen und zulässigen Belastungen bei fünfzig Jahren würden anders sein als bei fünfhundert Jahren oder ohne zeitliche Begrenzung. H i e r spielt die Problematik der weltweiten internationalen Ausstellung eine entscheidende Rolle. Kostbarste, einmalige Objekte, wie etwa die „Pieta" schickt man über die ganze Erde und setzt sie allen möglichen Risiken aus. Warum? Bei der Pieta könnte aufs äußerste passieren, daß das Schiff untergeht. Andere O b j e k t e , Gemälde, Textilien zum Beispiel, die brauchen gar nicht ganz verloren zu gehen: mit jedem Mal geht ein bißchen was an Lebenserwartung weg. W i r brauchen nur unsere Restauratoren zu fragen, wie sie das beurteilen, wenn sie nach einer großen Ausstellungstournee solche Gemälde oder Plastiken zurückbekommen und alle Kunstfertigkeit aufwenden müssen, um die Schäden zu restaurieren. Hier aber drängt eine andere wichtige Frage zur Entscheidung: das Problem Original oder Nachbildung. Dahinter steht dieser merkwürdige Begriff der „ A u r a " des Originals. Was ist das eigentlich? Warum empfinden wir eine Oberfläche, die mit Ölfarbe bedeckt ist, emotional nur im Original, wie es vor Jahrhunderten gemacht wurde. Aber wenn nun stark restauriert werden m u ß und von der ursprünglichen Bedeckung fast nichts mehr zu sehen ist, hat das dann noch mit Recht diese Aura? Das sind grundlegende Probleme, die vor allem auftreten, wenn man fordert, diese Kulturobjekte, diese Kulturschätze weiterhin der Menschheit weltweit darzubieten. M u ß denn das wirklich immer das Original sein - unter Gefahr und Risiko? Was allein an Versicherungsgeldern zu zahlen ist, wenn man Originale verschickt — mit diesem Geld könnte man soviel Forschung machen und Entwicklungen und neue Methoden erdenken, so daß man wirklich ohne wissenschaftliche Hilfsmittel das Original von der Replik nicht mehr unterscheiden kann. Das Original, unter optimalsten Konservierungsbedingungen aufbewahrt, bleibt der Menschheit unverändert erhalten. Ich hatte 1967 bei der Weltausstellung in Montreal den naturwissenschaftlichtechnischen Teil des Deutschen Pavillons zu bestreiten und den großen Teil aus Objekten des Deutschen Museums genommen. Aber ich habe nur zwei originale Objekte hingebracht, alles andere waren ausgezeichnete Nachbildungen. Z.B. haben wir die Halbkugeln von Guericke, diese schönen bronzenen Halbkugeln nach Kanada geschickt, die unsere tüchtigen Restauratoren v o m Original reproduziert hatten. Aber vorher habe ich das Original und die Nachbildung im Museum aufgestellt und eine Reihe von Besuchern sollte entscheiden, was ist das Original und was die künstliche Wiedergabe. Das Ergebnis streute immer um 50 %. Ich habe dann praktisch - abgesehen von zwei O b j e k t e n
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nur noch Nachbildungen drüben gehabt und viele Tausende von Besuchern ha-
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bcn befriedigt das kleine Schild links unten gelesen: „Original in the Deutsches Museum M u n i c h " . Herr Petzet: Wir, die Denkmalpfleger, sind ja bekanntlich furchtbare SubstanzFetischisten. Wir haben draußen in der Halle dieses Tagungsgebäudes in der Ausstellung, die sehr weit herumwandert, lauter Kopien. Ich meine, das Original hat schon auch seinen Sinn. Wenn übermorgen die Welt untergeht, möchte ich immer noch heute Denkmäler bewahren, denn in einer Welt, wo die gesamte Unterwelt ständig verändert wird, da muß es Möglichkeiten geben, noch etwas zu bewahren. Da soll man nicht immer nur fragen, ob das Personal oder das Geld da ist; ich glaube, wenn man will, kann man es auch durchsetzen.
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HARTWIG SCHMIDT
Ruinenstätten - Lehrpfade in die Vergangenheit? „Gestehen wir es jedoch, es ist ein saures und trauriges Geschäft, das alte R o m aus dem neuen herauszuklauben, aber man muß es denn doch tun und [kann] zuletzt [auf] eine unschätzbare Befriedigung hoffen. Man trifft Spuren einer Herrlichkeit und einer Zerstörung, die beide über unsere Begriffe gehen. . . .Wenn man so eine Existenz ansieht, die zweitausend Jahre und darüber alt ist, durch den Wechsel der Zeiten so mannigfaltig und von Grund auf verändert und doch noch derselbe Boden, derselbe Berg, ja oft diesselbe Säule und Mauer, und im Volke noch die Spuren des alten Charakters, so wird man ein Mitgenosse der großen Ratschlüsse des Schicksals, und so wird es dem Betrachter von Anfang an schwer, zu entwickeln wie Rom auf R o m folgt, und nicht allein das neue auf das alte, sondern die verschiedenen Epochen des alten und neuen selbst aufeinander", notiert Johann Wolfgang Goethe am 5. November 1786 in sein Tagebuch. Er ist zum ersten Mal und erst seit einer Woche in Rom. Doch um die Entwicklung der Stadt — ihre Geschichte - mit Hilfe der Ruinen erschließen zu können, würde allein die Anschauung nicht ausreichen, sondern man müsse sich mit Historie beschäftigen, denn, so vervollständigt er seinen Gedankengang, „seit dem 15. Jahrhundert bis auf unsere Tage haben sich treffliche Künstler und Gelehrte mit diesen Gegenständen ihr ganzes Leben durch beschäftigt" 1 . Das Phänomen, das Goethe beschreibt, ist jedem bekannt: die Ruinen geben ihre Geschichte nur durch sorgfältiges Studium preis. Oberflächlich betrachtet erzählen sie bloß allgemein von dem ihnen eigenen Alter. Den Ablauf der Geschichte an den originalen Bauwerken — den authentischen Zeugen der Vergangenheit — ablesen zu können und sich eingebunden fühlen in einem als unendlich begriffenen Geschichtsablauf ist sicher auch heute ein Antrieb für den Besuch antiker Stätten. Die Ruinen weisen den Weg in eine fremde Welt, die unserem Bewußtsein ohne diese Uberreste weitgehend verschlossen bleiben würde. Die Ruinen vermitteln Geschichte und sind Beleg für Geschichtsprozesse, die ansonsten zwischen den Seiten eines Buches ablaufen. Doch vermitteln sie sie wirklich? Die These, die ich ihnen vortragen möchte, lautet, daß die Ruinen wohl Geschichte vermitteln, doch den Besucher mehr durch ihre eigene, ganz spezifische ästhetische Qualität beeindrucken — und daß diese Eigenschaft hauptsächlich aus didaktischen Gründen, vorgeblich im Interesse der Besucher, von den für die Ruinenstätten Verantwortlichen zerstört wird. Statt Authentizität wird dem Besucher ein künstliches Präparat vorgesetzt. Der Massenerfolg aller Arten visualisierter Geschichte, man denke nur 242
an die großen Geschichtsausstellungen: Staufer, Wittelsbacher, Nofretete und Tutanch-amun, hat dazu geführt, daß dem Touristen aus didaktischen Gründen immer leichtere Kost vorgesetzt wird — die wiederaufgebaute künstliche Ruine. Auf den Grabungsstätten stehen sich zwei Vermittlungskonzepte unversöhnlich gegenüber: Auf der einen Seite die romantische Position, der es um die Erhaltung der Ruine als Erinnerungsstätte vergangener G r ö ß e geht, und auf der anderen Seite die wissenschaftlich-didaktische Position, der es neben des Zuwachses an wissenschaftlicher Erkenntnis auch um ein leichteres Verständnis und eine einfachere Vermittlung zu tun ist. Beide Ansprüche schließen sich jedoch aus, ist doch mit dem Wiederaufbau der Ruine zumeist auch die Zerstörung als authentisches Dokument verbunden. Der große Ansturm der Besucher aus aller Welt auf die Athener Akropolis hat sicherlich damit zu tun, daß die Bauten auf dem Burgberg sich auszeichnen durch ihre unvergleichliche G r ö ß e und Schönheit. Eine weniger bedeutende Ruinenstätte würde sicherlich nicht diese große Anzahl Besucher anziehen. Doch die Ruinen, die wir bewundern sind weitgehend modern, wiederaufgebaut in den Jahren 1885 - 1930 unter Leitung des Ingenieurs Nicolaos Balanos. Das Erechtheion wurde in den letzten Jahren noch einmal auseinandergenommen und zum zweiten Mal wiederaufgebaut. Das uns bekannte Bild ist unhistorisch und von Geschichte gereinigt. Es fehlen alle mittelalterlichen Einbauten und auch die Bauten aus türkischer Zeit, die wir nurmehr aus den Zeichnungen der Besucher des 18. Jahrhunderts kennen. Im Gegensatz zur Akropolis findet das nicht weit davon entfernte Dionysos-Theater nur wenige Besucher — doch noch für den humanistisch gebildeten Athenbesucher des 19. Jahrhundens war dieser O r t die bedeutendste Stätte -
hatten hier doch die klassischen Theaterstücke ihre
Aufführung erlebt. Der Besuch der Akropolis macht deutlich, daß mit dem Verlust an Geschichtskenntnissen die ästhetisch reizvollen Monumente in den Vordergrund des Interesses treten. Aussehen und G r ö ß e der Ruine werden zur Attraktion, weniger deren historische Bedeutung. Aber nicht nur die Bauten auf der Akropolis wurden von ihrer nichtklassischen Vergangenheit gereinigt und restauriert, sondern fast jeder Tempel. Erst in jüngster Zeit wurde die letzte Ruine, der Zeus-Tempel in Nemea, für einen Wiederaufbau auseinandergerissen. D e r Wiederaufbau kam nicht zustande und heute liegen die einzelnen Bauglieder ungeschützt, doch sortiert um die leere Tempelplattform. Doch diese künstlichen Ruinen, malerisch zusammengestellt aus originalen Baugliedern, werden von den Besuchern als Originale betrachtet -
kennen sie doch nicht den vorherigen Zustand. D e r Gedanke, daß mit dem
Wiederaufbau — der Verschönerung der Ruine — der Versuch gemacht wird, Geschichte rückgängig zu machen, zu verfälschen, wird von den Verantwortlichen nicht problematisiert.
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Die Ruinen der Romantik in den Landschaftsgärten des ausgehenden 18. Jahrhunderts waren als Vanitas-Symbole gedacht und Ausgangspunkt für allgemeine geschichts- und moralphilosophische Reflexionen. Sie sollten den Betrachter an den Kreislauf von Werden und Vergehen mahnen, an Größe und Verfall von Macht und Bedeutung. Die beiden Ruinen im Schwetzinger Schloßgarten sind mit viel Liebe zum Detail erbaut worden, doch deutlich als künstliche Ruinen innerhalb der ihnen fremden Umgebung zu erkennen. Ganz anders die Ruinen inmitten des minoischen Palastes in Knossos. Sie ragen aus einer deutlich als Ruinenstätte erkennbaren Umgebung weit über den originalen Baubestand hinaus und könnten originale Teile der Ruine sein. In Wirklichkeit sind es farbig gestrichene Betonkonstruktionen, die von dem Ausgräber, Sir Arthur Evans, in den 20er Jahren errichtet wurden. Diese Rekonstruktionen — direkt auf dem originalen Bestand erbaut — sind den aufgefundenen Wandgemälden soweit wie möglich nachempfunden, doch können sie weder einen wissenschaftlichen oder historischen Wert beanspruchen. Für den auf didaktische Sehhilfe angewiesenen Besucher sind sie jedoch ohne Zweifel anschauliche Beispiele minoischer Architektur — und repräsentieren diese für ihn. Die antiken Ruinen werden jährlich von Millionen Touristen besucht. Sie lösen Staunen, Bewunderung, Faszination und Wißbegierde aus, doch ist im Gegensatz zum 18. Jahrhundert unser Verhältnis zu ihnen so distanziert, daß sie unser Selbstverständnis kaum noch berühren, geschweige denn Erschütterung hervorrufen. Wir sind wohl erstaunt über die Macht des Erdbebens, das z.B. die Säulen des Zeustempels in Olympia umgeworfen hat, deren Trommeln noch immer als Zeichen dieser Katastrophe an Ort und Stelle liegen. Doch diese Bewunderung ist einer physischen Kraft zugeeignet, keiner psychologischen. Erkennt man in den umgeworfenen Säulen noch die Macht der Naturkräfte, so vermitteln ein paar sorgfältig zusammengelegte Bauglieder oder die von den Ausgräbern unaufgeräumt verlassenen Grabungsfelder weder Staunen noch Bewunderung, sondern nur Langeweile — und sind noch nicht einmal ein Foto wert. Ab einem gewissen Maß der Zerstörung verliert die Ruine ihre Anziehungskraft für den Touristen. Der Grabungsplatz verliert an Bedeutung! Die Konsequenz aus dieser Überlegung war ein Wiederaufbauboom in den letzten Jahrzehnten auf den bedeutenden Grabungsplätzen hauptsächlich der Türkei: Ephesos, Pergamon, Sardes, Aphrodisias. Es war wie ein Wettlauf um den schönsten Wiederaufbau, die attraktivste Ruine — vergleichbar dem Wettlauf zwischen New York und Chicago um den höchsten Wolkenkratzer. Begonnen hatte dieser ungestüme Wiederaufbau bereits in der Nachkriegszeit mit der Rekonstruktion der Attalos-Stoa auf der Athener Agora. Für den Wiederaufbau, der heute als Grabungsmuseum dient, verwendete man die antiken Materialen, die in der Umgebung Athens noch heute gebrochen werden, doch die 244
Geschoßdecken sind aus Stahlbeton. Der Zuwachs an Gestaltquaiität gegenüber der originalen Ruine ist unbestritten, doch dominiert der Neubau den Grabungsplatz in unzulässiger Weise. Die niedrigen originalen Ruinen, obwohl von großer historischer Bedeutung, werden für den Besucher optisch uninteressant. Die Wertskala ist durch den Neubau vertauscht worden. Wurde die Attalos-Stoa hauptsächlich aus modernem Baumaterial errichtet, so entstand die Celsus-Bibliothek in Ephesos weitgehend aus dem originalen antiken Material, doch unter Zuhilfenahmen von modernen Materialien und Konstruktionen. Durch den fehlenden rückwärtigen Bau erinnert die Fassade an eine Filmkulisse, doch eingebunden in eine Umgebung mit Ruinen wird auch sie als originale Ruine begriffen. Diese Wiederaufbauten haben nicht nur bei den Besuchern Begehrlichkeiten geweckt, die in Zukunft nicht so schnell zu .befriedigen sein werden. Der Wunsch, daß die nicht mehr vorhandenen Bauwerke der Vergangenheit wieder Gestalt annehmen möchten, war auch der Ausgangspunkt für den Wiederaufbau des Kastells Saalburg im Taunus. Die Ausgrabung hatte nur geringe Mauerreste freigelegt, die der Bedeutung, die man der Ruine beimaß, nicht entsprachen. Unter dem Protektorat Kaiser Wilhelm II. entstand in den Jahren 1898-1907 ein römisches Kastell. Was man derzeit noch nicht gelernt hatte, war die Methode, die Reste von Holzbauten an den Verfärbungen im Boden zu identifizieren. U n d so entstand das Kastell als reiner Steinbau mit einer parkähnlichen Innenfläche — dort, wo die Holzbauten gestanden hatten. Auch die enge Zinnenstellung ist mittelalterlich, nicht römisch. Hier irrte Majestät, der den Entwurf des Ausgräbers korrigierte. Das Beispiel Saalburg macht deutlich, daß die Rekonstruktion von Geschichte über den Wiederaufbau weniger das ehemalige Bauwerk wiederentstehen läßt, als die Vorstellung der Zeit von diesem Bauwerk, daß aber der überbaute Befund unwiederbringlich damit verloren gegangen ist. Für die Fiktion wird das Original aufgegeben. Noch deutlicher wird der zeitgenössische Einschlag der Rekonstruktion am Beispiel der Pfahlbauten in Unteruhldingen am Bodensee. Hier tritt uns die Vorstellung von den über dem Wasser lebenden Germanen entgegen, eine gebaute Lehrmeinung, die sich als falsch erwiesen hat. Doch immer noch ist Unteruhldingen eine große Touristenattraktion, die jährlich Tausende von Besuchern anzieht. Die Ruine wird zum Freizeitvergnügen und der Begriff „Archäologischer Park", wie er z.B. für die Wiederaufbauten in Xanten Verwendung findet, weist dem Typus nach auf den Freizeitpark hin, in dem es nicht um original oder nicht original geht, sondern um Versinnlichung von Geschichte durch Kopien. Dies ist legitim und der Spaß wird noch größer, wenn die Bauten sich mit den Menschen der Vergangenheit füllen, wenn z.B. die Römer aufmarschieren und zeigen, wie ihre Waffen funktionierten, wie hier in der römischen Villa von Fishbourne in England. 245
Neben der neuzeitlichen Rekonstruktion auf den originalen Mauerzügen wurde von Vor- und Frühgeschichtlern bereits in den 50er Jahren die Idee der „Experimentellen Archäologie" entwickelt, eine Methode, bei der die Interpretation der ausgegrabenen Befunde durch die Rekonstruktion der Arbeitsvorgänge abgesichert werden soll. Nicht das rekonstruierte Objekt, sondern der Prozeß, durch den es hergestellt wird, ist dabei entscheidend. Bekannt für seine Arbeiten auf diesem Gebiet ist das 1964 gegründete Historisch-archäologische Forschungszentrum in Lejre bei Roskilde mit stein- und eisenzeitlichen Dorfanlagen. Hier wurde von verschiedenen Grabungsbefunden ausgehend in historischen Techniken und Materialien rekonstruiert und die Rekonstruktion als Grundlage für die Durchführung historischer Lebens- und Arbeitsweisen benutzt. Dadurch blieb das Experimentelle der Maßnahme deutlicher als bei einem Wiederaufbau an originaler Stelle, deren Authentizität vom Besucher leicht als Wahrheitsbeweis für die Rekonstruktion mißverstanden werden kann. Eine der jüngsten und sicherlich die derzeit interessanteste ,Archäologie-Show' ist das 1984 eröffnete »Jorvik Viking Centre« in York (GB). Bei den Ausschachtungsarbeiten für ein neues Kaufhaus in der Innenstadt von York stieß man auf die Reste einer Wikinger-Siedlung. In den Jahren 1976 bis 1981 wurden vier Hauszeilen und bedeutende Reste der ehemaligen Besiedlung ausgegraben, die sich in dem feuchten Untergrund hervorragend erhalten hatten. Die Bedeutung der Funde sowie das große Interesse der Bevölkerung ließen den Wunsch nach einer Konservierung der Ausgrabung laut werden. Es wurde ein Museumskonzept entwickelt, das die Rekonstruktion der wikingerzeitlichen Siedlung wie die Konservierung des Befundes berücksichtigt. Unter dem neu erbauten Kaufhaus wurden zwei Reihen der Häuser rekonstruiert und realitätsnah mit wikingerzeitlichem Leben erfüllt. Zwei Reihen wurden so hergerichtet, wie sie ausgegraben wurden. Die Besucher gleiten in elektronisch gesteuerten sog. „timecars" rückwärts durch die Zeit bis zu einem „späten Oktobertag im Jahre 948 im wikingerzeitlichen Yorvik, in dem die Bewohner ihrem täglichen Geschäft nachgehen". Das „time-car" dreht und fährt den Besucher an der Reihe niedriger strohgedeckter Häuser vorbei, in denen er die lebensgroßen Figuren bei Handel und Handwerk beobachten kann. Die sehr detailreiche Einrichtung der Häuser, die vielen Geräusche und Gerüche helfen dabei, den Eindruck von einer belebten Wikingersiedlung zu verstärken. An diese historische Rekonstruktion schließt sich die rekonstruierte Ausgrabung an mit Archäologen und Vermessern. Hautnah erlebt man den weichen, schmierigen Boden, in dem die Ausgrabung stattfand. Doch auch dieser Bereich ist nicht der originale Zustand, sondern die Hölzer sind herausgenommen, konserviert und dann wieder eingebaut worden. Auch die Ausgrabung ist Fiktion. Daß mit der Ausgrabung archäologische Forschung nicht beendet ist, lernt der 246
Besucher anschließend im Laboratorium, w o er sieht, wie die Befunde naturwissenschaftlich untersucht werden. Auf der nicht länger als eine halbe Stunde dauernden Fahrt erlebt er anschaulich, daß R e k o n s t r u k t i o n e n Fiktionen sind, die von den Wissenschaftlern nach den Grabungsbefunden e n t w o r f e n werden. Diese E r f a h r u n g wird das ihm vermittelte Bild nicht verändern, doch dessen Wahrheitsgehalt relativieren. Der nicht abreißende Besucherstrom (jährlich 900.000 Besucher) zeigt das große Interesse an Geschichte, aber auch an dieser Art der Präsentation und Vermittlung, die nicht bei Teilrekonstruktionen u n d Häusern ohne Ausstattung stehen bleibt. Lassen Sie mich zusammenfassen: Rekonstruktionen sind, salopp gesagt, eine Mischung von Wissenschaft und Willkür. Unter didaktischem Aspekt sind sie wichtige Hilfsmittel, die G r ö ß e und Aussehen erfahrbar machen. W i r d , wie in York, gleichzeitig auch die Rekonstruktion des dazugehörigen Lebens geboten, ist die Illusion perfekt. A n z u m e r k e n hierzu wäre aber, daß beim U m g a n g mit archäologischen Uberresten berücksichtigt werden sollte, daß die Ruine, der archäologische Befund, ein unwiederbringliches D o k u m e n t ist, das es f ü r die Z u k u n f t zu bewahren gilt - auch in Hinblick auf unsere beschränkten Forschungsmethoden u n d wissenschaftlichen Fragestellungen. Ein Wiederaufbau auf dem originalen Bestand zerstört weitgehend die verbliebenen Reste und kann aus wissenschaftlichen und konservatorischen G r ü n d e n eigentlich nicht akzeptiert werden. F ü r den archäologischen Freizeitpark m ü ß t e sich außerhalb des Grabungsbereiches ein Platz finden lassen. D o r t bietet sich die Möglichkeit einer von den Zwängen der Vergangenheit uneingeschränkten Gestaltung, die die Interessen der Besucher und die Organisation des Besucherstromes adäquat mit berücksichtigen kann — und die Originale bleiben der Wissenschaft erhalten. Die Archäologie-Show läßt sich auch dort inszenieren, w o der originale Befund nicht zerstört wird.
Anmerkung 1
J. Golz (Hrsg.). Johann Wolfgang Goethe. Italienische Reise. Berlin 1976, S. 116. Tagebuch-Eintragung Rom, 5. November 1786.
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Literatur Experimentelle Archäologie in Deutschland (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland. Beiheft 4) Oldenburg 1990. - Ahrens Claus, Wiederaufgebaute Vorzeit. Archäologische Freilichtmuseen in Europa. Neumünster 1990. - Brachen Thomas, Die Reise nach Arkadien. Eine Kritik archäologischer Wiedererrichtungen. In: Zs f. Kunsttechnologie und Konservierung 2,1988, 315 — 328. Eder Walter, Unsichtbares sichtbar machen — Überlegungen zum Nutzen und Schaden des Wiederaufbaus antiker Denkmäler. Denkmalpflege und Tourismus I (= Vorträge und Diskussionsergebnisse des 1. Internationalen Symposiums vom 2 6 . - 2 9 . 11. 1986 in Trier). Trier 1987, 38-58. - Schmidt Hartwig, Die ruinierte Ruine. Probleme der archäologischen Denkmalpflege. In: Koldewey-Gesellschaft. Bericht über die 32. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung 1982, 40 - 44. - Ulbert Günter - Gerhard Weber (Hrsg.), Konservierte Geschichte? Antike Bauten und ihre Erhaltung. Stuttgart 1985.
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Aus der Diskussion Herr Petzet: Ich glaube es war gut, daß wir gerade Ihren Vortrag an den Schluß gestellt hatten, weil Sie doch noch einmal ein gewisses Panorama ausgebreitet haben. Auch für unsere denkmalpflegerische Zunft ist ja im Grunde die Frage der Ruine, die eng mit dem Alterswert zusammenhängt sehr wichtig; sie steht ja eigentlich am Anfang einer modernen Denkmalpflege mit dem Streit um den Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses. Auch die ganzen Fragen der Anastylose ( = Wiederherstellung, ohne das Vorhandene zu verändern), die Sie nur angedeutet haben, könnte man sehr lange diskutieren. Die Carta von Venedig, die ja sehr eng auch mit ICOMOS verbunden ist, besagt „keine Rekonstruktion", was dann immer heißt „Denkmalpflege = keine Rekonstruktion". Das bezieht sich eben nur auf den archäologischen Bereich. Da heißt es: „Nur die Anastylose sei erlaubt". Manches geht sehr weit, die Attalos Stoa ist eben ein Neubau, der als Museum eine wichtige Funktion hat. Herr Rebernik: Ich möchte nur zu York sagen, das ist ein sehr erfolgreiches Museum, insofern als die Besucher hier wirklich bessere Vorstellungen bekommen. Geleitet von Archäologen ist es wissenschaftlich und eine nette Sache. Weil sie das so gut machen, machen sie auch einen Gewinn von 1,2 Millionen Pfund jährlich. Sie machen also Geld damit, daß sie Besuchern ihr Wissen zeigen, damit sie mehr Wissen bekommen. Herr Schmidt: Ich denke das Beispiel von York ist ein sehr interessantes Beispiel, weil es zeigt, daß man mit der Vermarktung von Archäologie Geld verdienen kann. Daneben bemüht man sich die Originale zu erhalten. Die Authentizität des Ortes ist das, was die Leute natürlich auch dahin zieht. Und das mit den ,Time Cars' ist Amerika. In Amerika gibt es eine ganze Reihe von Museen, die diese Art der Präsentation vorgemacht haben. Man sollte dabei jedoch immer unterscheiden, daß es zwei verschiedene Sachen sind: Das Original, was unwiederbringlich ist, und das, was ich den Leuten zeigen möchte. Und das eine sollte das andere nicht zerstören. Herr Petzet: Man muß auch sehen, daß natürlich manche falsche Rekonstruktionen etwa aus der kaiserlichen Zeit nach hundert Jahren bereits ein interessantes Zeitdokument darstellen. Genau so wie diese Bauten [von Evans] in Kreta, die wirklich wichtig sind auch in Hinblick z.B. Beziehung zum Jugendstil. Als Denkmalpfleger wird man solche Dinge auch bereits wieder zu erhalten versuchen. Aber wir sind uns wohl alle einig, daß die Rekonstruktion aus didaktischen Gründen nicht die [originalen] Befunde zerstören soll. Wenn man am Limes einen Turm errichten will, dann nicht da wo er noch vorhanden ist — auch wenn nicht sichtbar, aber als Spur im Boden, sondern an einer anderen 249
Stelle. Das gilt auch für manches R ö m e r k a s t e l l oder für M a n c h i n g . D i e Leute wollen endlich in Manching zeigen, daß es nicht nur in der Prähistorischen Staatssammlung B o d e n f u n d e davon gibt, sondern daß diese riesige Keltenstadt eben dort war. U n d wenn man nun dem nähertritt, daß man eines der T o r e rekonstruiert, dann m ü ß t e man das an einer Stelle tun, w o nicht originale Befunde zerstört werden. U n d überhaupt als Denkmalpfleger m u ß ich sagen, wenn man eine Ausgrabung verhindern kann, dann soll man sie verhindern! W i r machen n u r das, w o z u wir gezwungen sind, weil auch ein Ausgraben und Erforschen ein Zerstören von D e n k m ä l e r n bedeutet. M a n m u ß sich klar darüber sein, daß man etwas unwiederbringlich zerstört.
Mitteilung der Redaktion V o n einigen in Lindau gehaltenen V o r t r ä g e n sind keine Manuskripte eingegangen; es handelt sich u m : A r n e EFFENBERGER, D i e Berliner Museumsinsel als Baudenkmal. — M a x KUNZE, P r o b l e m e im U m g a n g mit dem „Gesamtkunstw e r k M u s e u m " am Beispiel des A l t e n und N e u e n Museums in Berlin. H e i n z PRIESE, Neues Museum und Museumsinsel Berlin.
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Karl-
Teilnehmerverzeichnis Dr. A C K E R M A N N Hans Christoph, Präsident des Schweizerischen ICOMNationalkomitees, Direktor der Abegg-Stiftung, CH-30132 Riggisberg Prof. Dr. A U E R Hermann, Präsident des Deutschen ICOM-Nationalkomitees, Deutsches Museum, 8000 München 26 B A C H Bernhard, Kirchenverwaltungsdirektor, Evang.-Luth. Landeskirchenamt, Meiserstr. 11-13, 8000 München 2 Dr. B A C H E R Ernst, Univ.-Dozent, Präsident des Osterreichischen Nationalkomitees von ICOMOS, Bundesdenkmalamt, Wien B A L T E N S P E R G E R Marianne, Landesmuseum Zürich, Kanzleistr. 105, CH-8004 Zürich Dipl.Ing. B A U M A N N Eugen, Stadtbildpfleger, Bauamt der Stadt Lindau, Postfach 1780, 8990 Lindau Dr. B A U M S T A R K Reinhold, Generaldirektor, Bayerisches Nationalmuseum, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. BEITL Klaus, Direktor, Osterr. Museum für Volkskunde, Laudongasse 1 5 - 1 9 , A-1080 Wien Dr. B E S C H Ulrike, Redaktion Restauro, Callwey-Verlag, Streitfeldstr. 35, 8000 München 80 Dr. B I E R S C H E N K Monika, Direktor des Potsdam-Museums, Milinowskistr. 27, 1000 Berlin 37 B R A U N Helmut M.A., Kunsthistoriker, Mörikeweg 6, 8501 Schwaig 2 Prof. Dr. B R E U E R Tilmann, Landeskonservator, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4, 8000 München 1 B R Ü N I N G H A U S - K N U B E L Cornelia, Museumspädagogin, Wilhelm-Lembruck-Museum, Düsseldorfer Str. 51, 4100 Duisburg Dr. B Ü T T N E R Eva, wissenschaftl. Mitarbeiterin, Clemens-Sels-Museum, 4040 Neuss Dr. B U R S C H E Stefan, Oberkustos, Kunstgewerbemuseum Berlin, Tiergartenstr. 6, 1000 Berlin 30 Prof. Dr. B U S S M A N N Klaus, Museumsdirektor, Westfäl. Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Domplatz 10, 4400 Münster C H R I S T E N Gabriela, lic.phil., Schweizer. Landesmuseum. Afolternstr. 140, CH-8050 Zürich Prof. Dr. C O B L E N Z Werner, Geystr. 6, 0-8020 Dresden Dr. C Z E R A N N O W S K I Barbara, Museumsleiterin, Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar, Bergtal 19, 3380 Goslar 251
D A L L M E I E R Lutz MA., Stadtarchäologe, Denkmalschutzbehörde Regensburg, Hemauerstr. 1 a, 8400 Regensburg Dr. D A N N H E I M E R Hermann, Ltd. Sammlungsdirektor, Prähistorische Staatssammlung, Postfach, 8000 München 22 Dr. DAVIS Frank D., Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 D E N N E R T Dorothee, Museumspädagogin, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Buschstr. 6 1 - 6 3 , 5300 Bonn 1 Prof. Dr. E D E R Franz X., Technische Universität München, Halmstr. 15 A, 8000 München 70 Dr. E F F E N B E R G E R Arne, Frühchristlich-Byzantinische Sammlung, Staatl. Museen zu Berlin, Bodestr. 1-3, 0 - 1 0 2 0 Berlin Dr. EISEL Franz, Institut für Museumskunde, O-Berlin Prof. Dr. F A T H Manfred, Leiter, Städt. Kunsthalle, Moltkestr. 9, 6800 Mannheim 1 Dr. Ing. F E H L E M A N N Waltraud, Landesoberbaurätin a.D., früher Rhein. Amt f. Denkmalpflege, Am Breil 19, 4005 Meerbusch 1 Dr. F R Ö H L I C H Martin, Dipl.Arch., Referent, Denkmalpfleger der bundeseigenen Bauten, Amt für Bundesbauten, CH-3003 Bern Dr. F U G E R Walter, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. G A N Z Jürgen, Denkmalpfleger, Ruigstr. 16, CH-8500 Frauenfeld G E I E R Martin, Stuttgarter Zeitung, 7000 Stuttgart Dr. Ing. G L A S E R Gerhard, Sächs. Landesamt für Denkmalpflege, Dresden G L O C K N E R Dietmar, Vorstand, Deutsche Gesellschaft zum Schutz von Kunst und Kulturgut, Sitz Berlin, Suemondstr. 44, 0 - 1 0 9 2 Berlin G L O C K N E R Hannelore, freie Mitarbeiterin, Deutsche Gesellschaft zum Schutz von Kunst und Kulturgut, Sitz Berlin, Sektion Schwerin, Hegelstr. 1 3 , 0 - 2 7 9 4 Schwerin G O B L I R S C H - B U R K E R T Gisela M.A., Journalistin, Kunsthistorikerin, Schwanenweg 32, 8000 München 82 Prof. G O T T M A N N Günther, Direktor, Museum für Verkehr und Technik, Trebbinerstr. 9, 1000 Berlin 62 Dr. G R E I P L Egon Johannes, Leiter der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. GRIBL Albrecht, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 G R O S S E S C H M I D T Henning, Restaurator, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22
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Dr. GRZESIAK Angela, Direktor, Museum des Kunsthandwerks, Grassimuseum, Johannisplatz 5/11, 0-7010 Leipzig Dr. HANSEL Volker, Landesmuseum Joanneum, Abteilung Schloß Trautenfels, A-8951 Trautenfels Dr. HAFTLMEIER-SEIFERT Renate, wissenschaftl. Angestellte, Historisches Nähmaschinenmuseum, Postfach 12 13 09, 8000 München 12 H A H N Elmar, Kustos, Hohenloher Freilandmuseum, 7170 Schwäbisch HallWackershofen Dipl.Ing. H A N R E I C H Georg, MinR., Bundesdenkmalamt/Museumsabteilung, Hofburg/Säulenstiege, A-1010 Wien HASPEL Jörg, Oberkustos, Kulturbehörde Hamburg, Hamburger Str. 45, 2000 Hamburg 76 Dr. H E I L M A N N Angela, Leiterin des Kulturamtes, Seeheim 4, 8990 Lindau Dr. HELMBERGER Werner, Konservator, Bayer. Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen, Schloß Nymphenburg, 8000 München 19 Dr. HENNIES Wolfram, Direktor, Agrarhistorisches Museum Alt Schwerin, Heinrich-Heine-Str. 42 G, 0-2910 Perleberg H E U S M A N N Marie-Luise M.A., Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. HILGERS Werner, Abteilungsdirektor, Rheinisches Landesmuseum Bonn, Colmantstr. 14 - 16, 5300 Bonn 1 Prof. Dr. HIMMELEIN Volker, Museumsdirektor, Württembergisches Landesmuseum, Altes Schloß, 7000 Stuttgart 1 Dipl.Ing. H Ö H M A N N Rolf, Technische Hochschule, Wilhelm-Leuschner-Str. 23, 6701 Darmstadt H O R M A N N Barbara M.A., Museumsleiterin, Deutsches Hirtenmuseum, Eisenhüttlein 7, 8562 Hersbruck Dr. H O J E R Gerhard, Direktor, Bayer. Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen, Schloß Nymphenburg, 8000 München 19 HLTWYLER Edwin, lic.phil. I, Leiter Abt. Wissenschaft, Freilichtmuseum Ballenberg, CH-3855 Brienz IFFERT Heike, Bauoberrätin, Bundesbaudirektion Berlin, Fasanenstr. 87, 1000 Berlin 12 Dr. J A C O B Wenzel, Geschäftsführer, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Friedrich-Ebert-Allee 4, 5300 Bonn 1 Dr. JENDERKO-SICHELSCHMIDT Ingrid, Museumsdirektorin, Städtische Museen Aschaffenburg, Schloßplatz 4, 8750 Aschaffenburg Dr. KARGE Wolf, stellvertr. Direktor, Kulturhistorisches Museum, KJosterhof, 0 - 2 5 0 0 Rostock
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KARST Nina, Restauratorin, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. Ing. KEIM Helmut, Museumsdirektor, Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern, 8119 Großweil Dr. KLEINERT Christian, Privatdozent, Oberkustos, Westfäl. Freilichtmuseum, Mäckingerbach, 5800 Hagen Dr. KNOERLE Liselotte, Unertlstr. 40/11, 8000 München 40 KRANZ Hans-Joachim, Vorstandsmitglied Museumsverein Kappeln e.V., SchleiMuseum, Mittelstr., 2340 Kappeln Dr. KREILINGER Kilian, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 KRIESCH Elli, Historikerin/Journalistin, Ruffinistr. 24, 8000 München 19 Dr. Ing. KRUGER Hermann, Stadtkonservator, Denkmalschutzamt, ElsaFenske-Str. 11/13, 0-8010 Dresden Dr. KUGLER Lieselotte, Museumsleiterin, Regionalgeschichtliches Museum, Schloßplatz 15, 6600 Saarbrücken Dr. KUNZ-OTT Hannelore, Konservatorin, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. KUNZE Max, Direktor, Pergamonmuseum, Bodestr. 1-3, 0-1020 Berlin Prof. KUPF Martin, Akad. Restaurator, OR, Osterr. Museum für Volkskunde, Laudongasse 19, A-1080 Wien Dr. LEINWEBER Ulf, Oberkustos, Staatl. Kunstsammlungen Kassel, Hessisches Landesmuseum, Brüder-Grimm-Platz 5, 3500 Kassel Dr. LIPPS-KANT Barbara, Kunsthistorikerin, Hartmeyerstr. 58,7400 Tübingen LUDESCHER Inge, Museumsreferentin, Kulturamt, 4790 Paderborn Dr. MACHAT Christoph, Rheinisches Amt für Denkmalpflege, Ehrenfriedstr. 19, 5024 Puhlheim 2 MACKOWIAK Reinhild MA., Museen der Stadt Aschaffenburg, Mühlbergstr. 4, 8752 Johannesberg Dr. MAISAK Petra, Leiterin der Museumsabteilung Freies Deutsches Hochstift, Frankfurter Goethe-Museum, Großer Hirschgraben 23 — 25, 6000 Frankfurt 1 Dr. MARTIN Dieter, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4, 8000 München 1 Dipl.Ing. MARTIN Petra Μ., M.A., Denkmalschutzbehörde Stadt Kassel, Rathaus, 3500 Kassel Dr. MATHIEU Kai R., Direktor, Verwaltung der Staatl. Schlösser und Gärten, Schloß, 6380 Bad Homburg v.d. Höhe Dr. MAYR Vincent, Oberkonservator, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4, 8000 München 1 254
MOSER Regina, Innenarchitektin, Schweizerisches Landesmuseum, Museumstr. 2, CH-3001 Zürich N O R T H Gottfried, Postdirektor a.D., früher Bundespostmuseum Frankfurt, Ebelstr. 17, 6300 Gießen N O T H D U R F T Walter, städt. Denkmalpfleger Stadt Hildesheim, Rathaus, 3200 Hildesheim Dipl.Ing. PEER Johann, Bundesdenkmalamt (Vorarlberg), Amtsplatz 1, A-6900 Bregenz PERSAU Ralf, Restaurator, Atelier Ralf Persau, Anglerstr. 3, 8000 München 2 Dipl.Ing. PETZSCH, Architekt, Denkmalamt Dresden Prof. Dr. P E T Z E T Michael, Präsident des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Postfach 10 02 03, 8000 München 1 Dipl.Ing. P O L E N Z Serafim, Chefkonservator i.R., früher Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg/Vorpommern, Obotritenring 239, 0-2754 Schwerin Dr. PRIESE Karl-Heinz, Direktor, Ägyptisches Museum/Papyrussammlung, Staatl. Museen zu Berlin, Bodestr. 1 - 3 , 0-1020 Berlin P U T T I N G E R Hannelore, Sachbearbeiterin, Deutsches Nationalkomitee von ICOMOS, c / o Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4,8000 München 22 RASS Franz Josef, Wallerfanger Str. 17, 6630 Saarlouis Prof. Dr. R A U N I G Walter, Ltd. Museumsdirektor, Staatl. Museum f. Völkerkunde, Maximilianstr. 42, 8000 München 22 REBERNIK Peter, Direktor, Technisches Museum Wien, Mariahilfer Str. 213, A-1230 Wien REGEZ Annemarie lic.phil., Datenbank Schweizerischer Kulturgüter, Postfach 5857, CH-3001 Bern Dr. R E I M A N N Dorit, Konservatorin, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4, 8000 München 1 Dr. REINHECKEL Günter, Museum für Kunsthandwerk, Schloß Pillnitz, Wasserpalais, 0-8057 Dresden Dr. R E N T S C H Dietrich, Hauptkonservator a.D., ehem. Bad. Landesmuseum Karlsruhe, Friedrichstr. 42, 7600 Offenburg R E U T E R Brigitte M.A., Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Heilbronner Str. 129, 7000 Stuttgart 1 Prof. Dr. RIETSCHEL Siegfried, Direktor, Staatl. Museum f. Naturkunde, Erbprinzenstr. 13, 7500 Karlsruhe 1, Präsident des Deutschen Museumsbundes Dr. von R O D A Burkard, stellvertr. Direktor, Historisches Museum Basel, Steinenberg 4, CH-4051 Basel
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R Ö S C H A R D Birgit, ICOM-Sekretärin, Historisches Museum Basel, Steinenberg 4, CH-4051 Basel Dr. R O H D E Horst, geol. Oberkustos, Niedersächs. Landesmuseum, Am Maschpark 5, 3000 Hannover 1 Dr. R O S E N E C K Reinhard, Bezirkskonservator, Institut für Denkmalpflege Braunschweig, Postfach 41 80, 3300 Braunschweig Dr. R O U S S E L O T Jean-Loup, Konservator d. Abt. Nordamerika, Staatl. Museum f. Völkerkunde, Maximilianstr. 42, 8000 München 22 Dr. R U T I S H A U S E R Hans, Präsident des Schweizerischen Nationalkomitees von I C O M O S , Kantonale Denkmalpflege Graubünden, Steinbruchstr. 16, CH-7011 Chur Dr. SCHIFFMANN-BAUR Rene, Museumsleiter, Nidwaldner Museum, Marktgasse 3, CH-6370 Stans Dr. S C H I N D L E R Margot, wissenschaftl. Rat, Oster. Museum für Volkskunde, Laudongasse 1 5 - 1 9 , A-1080 Wien Dr. SCHMIDT Hartwig, Universität Karlsruhe, SFB 315, Parkstr. 17,7500 Karlsruhe 1 Dr. S C H M O O K Reinhard, Oderlandmuseum, Uchtenhagenstr. 2, O-1310 Bad Freienwalde (Oder) Dr. S C H R E I N E R Klaus, O M u R i.R. Dr. S C H R E I N E R Manfred, Univ-Doz., Institut für Farbenchemie, Akademie der Bildenden Künste, Schillerplatz 3, A-1010 Wien S E D L A C E K Carola, wissenschaftl. Mitarb./Museumsp., Goethe-Nationalmuseum, Abt. Besucherbetreuung, Frauentorstr. 4, 0 - 5 3 0 0 Weimar S E E G E R - H E L M B E R G E R Ingrid M.A., wissenschaftl. Angestellte, Museen der Stadt Kempten, Schützenstr. 7, 8960 Kempten (Allgäu) SEIB-GIERSBERG Eva, Am Leonhardsbrunn 8, 6000 Frankfurt a.M. 90 Dr. S E I F E R T Jürgen, Referent, Thür. Ministerium f. Wissenschaft u. Kunst, Werner-Seelenbinder-Str. 1, 0 - 5 0 7 1 Erfurt Prof. Dr. SPERLICH Martin, ehem. Direktor der Staatl. Schlösser und Gärten, Berlin, Bismarckstr. 69, 1000 Berlin 39 Prof. von S T A D E N Rudolf, Fachhochschule Frankfurt, Schloßplatz 1, 8762 Amorbach Dr. S T A B L E R Wolfgang, wissenschaftl. Angestellter, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 S T A U D I N G E R Renate M.A., Kunsthistorikerin, Denkmalschutzbehörde Regensburg, Hemauerstr. 1 a, 8400 Regensburg Dr. S T E I N E R Peter, Diözesan-Museum, 8050 Freising STUMPF Heinrich, St.-Dir., I C O M O S München, Haimhauserstr. 2, 8000 München 40 256
Dr. SWOZILEK Helmut, Direktor, Vorarlberger Landesmuseum, Kornmarkt 1, A-6900 Bregenz Dr. S Y D O W Helmut, Oberkustos, Amt Landesmuseumsdirektor SchleswigHolstein, Schloß Gottorf, 2380 Schleswig Dr. T A U C H Max, Geschäftsführender Direktor, Clemens-Sels-Museum, Am Obertor, 4040 Neuss T1MPE Stefan M.A., wissenschaftl. Mitarb., Kath. Kirchenpflege SchwäbischGmünd, Münsterplatz 3, 7070 Schwäbisch-Gmünd Dr. TREFF Hans-AIbert, Leiter des Museums Mensch und Natur, Maria-WardStr. 1 b, 8000 München 19 Dr. T U N N Manfred, Lehrer im Hochschuldienst, Humboldt-Universität zu Berlin, Leninallee 132, 0-1156 Berlin V O G T Manfred, Direktor, Museumspädagogisches Zentrum München, Aldringenstr. 10, 8000 München 19 Prof. Dr. V O N B A N K Elmar, Hofrat, Landesmuseumsdirektor i.R., Matte 22, A-6900 Bregenz Dr. WEIS Markus, Gebietsreferent, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4, Postfach 10 02 03, 8000 München 1 Dr. WEISS Evelyn, stellvertr. Direktorin, Museum Ludwig, Bischofsgartenstr. 1, 5000 Köln 1 W E R N E R Rudolf, Innenarchitekt der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. W E R N E R Thomas, Direktor, Deutsches Postmuseum, Postfach 70 02 63, 6000 Frankfurt a.M. 70 Dipl.Ing. WETZEL Johannes, Fr. Architekt BDA, Fraubronnstr. 15, 7000 Stuttgart 70 W O L L K O P F Peter M.A., Konservator, Rosgartenmuseum, Rosgartenstr. 3, 7750 Konstanz WIESSMANN Alexander M.A., Restaurator, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Prinzregentenstr. 3, 8000 München 22 Dr. W U T H R I C H Lucas, Konservator, Schweizerisches Landesmuseum, Postfach 67 89, CH-8023Zürich Dr. ZEMMER-PLANK Liselotte, Univ.-Doz., Kustos, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Museumstr. 15, A-6020 Innsbruck Dipl.phil. ZIESSLER Rudolf, Landeskonservator, Thür. Ministerium f. Wissenschaft und Kunst, Werner-Seelenbinder-Str. 1, 0-5071 Erfurt Dr. ZIPPELIUS Adelhart, Museumsdirektor i.R., Zingsheimer Tal 9, 5353 Mechernich-Kommern
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Dictionarium Museologicum Herausgegeben von ICOM - International Committee for Documentation 1988. 774 Seiten. Gebunden. DM 240.ISBN 3-598-07530-8 Das Dictionarium Museologicum ist das erste umfassende mehrsprachige SpezialWörterbuch fur das Museumswesen. Es bietet eine Zusammenstellung der wichtigsten in den Museen verwendeten Termini in mehrsprachigen Wortlisten sowie einige Ausdrücke aus Nachbargebieten. Der erste Teil enthält 1.632 alphabetisch geordnete Einträge in englisch«· Sprache. Jeder Begriff ist in 19 weiteren Sprachen (Französisch, Spanisch, Russisch, Deutsch, Bulgarisch, Tschechisch, Dänisch, Esperanto, Finnisch, Ungarisch, Italienisch, Niederländisch, Norwegisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Serbokroatisch, Slowakisch, Schwedisch) zu finden. Der zweite Teil enthält ein alphabetisches Schlagwortverzeichnis in ebenfalls zwanzig Sprachen. Dieses Buch stellt einen wichtigen Beitrag zur besseren Kommunikation der Museumsfachleute im internationalen Bereich dar. Gleichzeitig ist es ein erst«- und wichtiger Schritt zur Verwirklichung der auf der 12. ICOM-Generalversammlung in Moskau angenommenen Resolution Nr. 7. Für Museen, Bibliotheken, kulturelle Institutionen, wissenschaftliche Institutionen, Museumsfachleute, Ausstellungsdesigner und Übersetzer ist dieses Werk ein nützliches und wichtiges Arbeitsmittel. K*C*Saur Nünchen*Leipzl9*London»New Y o r k * P a r i s A Reed Reference Publishing Company
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Museums of the World Herausgegeben von Bettina Bartz, Helmut Opitz und Elisabeth Richter 4. Ausgabe 1992. IX, 642 Seiten. Gebunden. DM 598,ISBN 3-598-20533-3 (Handbuch der Internationalen Information und Dokumentation, Band 16) Die neue, vollständig überarbeitete Ausgabe dieses Handbuchs verzeichnet ca. 26.000 Museen aus über 170 Ländern und vermittelt damit in breiter Übersicht historische, geographische und ethnologische Zusammenhänge. Die Eintragungen enthalten • • • • •
Name des Museums Adresse mit Telefon- und Faxnummer Museumsdirektor Museumstyp und Gründungsjahr Sammlungen und Einrichtungen
Die Museen sind nach Ländern, innerhalb der Länder nach dem Standort verzeichnet Ein Register nach Museumsnamen sowie ein Personenund ein Sachregister erleichtern den Zugang zu den Informationen. Diese einzigartige, umfassende Dokumentation über die Museen der Welt ist fur den Kunsthandel, für Museen, kulturwissenschaftliche Institute und für Bibliotheken unentbehrlich. K*G*Saur Nünchen*Leipzig*London*New Yorli*Pards A Reed Reference Publishing Company
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Museologie. Neue Wege - Neue Ziele Bericht über ein internationales Symposium, veranstaltet von den ICOM-Nationalkomitees der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz vom 11. bis 14. Mai 1988 in Lindau (Bodensee) Herausgegeben von Hermann Auer, Deutsches Nationalkomitee des Internationalen Museumsrates ICOM 1989.289 Seiten, 28 Abb. Broschur. DM 36,(Für ICOM-Mitgl. DM 23,40 bei Bestellung über das deutsche Nationalkomitee) ISBN 3-598-10809-5 Das Buch Museologie. Neue Wege - Neue Ziele protokolliert die 35 Beiträge und die anschließenden Diskussionen des Symposiums, das 1988 am Bodensee abgehalten wurde. Diese internationale Veranstaltung stellte die Museumssituation von 1988 derjenigen von 1971 gegenüber. Behandelt wurden folgende aktuelle Fragen der Museumskunde: • Die Verantwortung der Museen für das Kultur- und Naturerbe • Die Entwicklung der Museologie zur eigenständigen Wissenschaft • Die Wandlungen des gesellschaftlichen Umfelds der Museen • Neue Methoden und Technologien für die Forschungsund Bewahrungsfunktion • Neue Wege der Präsentation, Interpretation und Vermittlung • Entwicklung zu neuen Museums- und Ausstellungstypen K*C*Saur Hünchen*Leipzig*London*New Y o r l e P a r i s A Reed Reference Publishing Company
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