Der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz [1 ed.] 9783428470549, 9783428070541


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German Pages 284 Year 1991

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Der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz [1 ed.]
 9783428470549, 9783428070541

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PETER ZIMMERMANN

Der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 6

Der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz

Von

Peter Zimmermann

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Zimmermann, Peter: Der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz / von Peter Zimmennann. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Europäischen Recht; Bd. 6) Z~gl.: Köln, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07054-2 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Gennany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-07054-2

Für Martin e

"Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten!" Matthäus 2, 13

Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 1990 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Doktorarbeit angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis zum September 1990 eingearbeitet werden. Insbesondere konnte auch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBI. I S. 1354) berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Peter Weides, der die Arbeit mit sehr viel Interesse betreut und begleitet hat. Während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität zu Köln ermöglichte er es mir, die Arbeit voranzubringen und mich mit der Materie des Ausländer- und Asylrechts über den Rahmen des Dissertationsthemas hinaus zu beschäftigen. Für die Aufnahme der Abhandlung in die Reihe "Schriften zum Europäischen Recht" des Verlages Duncker & Humblot gebührt mein Dank den Herausgebern, Herrn Professor Dr. Siegfried Magiera und Herrn Professor Dr. Dr. Detlef Merten, sowie dem Verleger, Herrn Rechtsanwalt Norbert Simon. Gleichfalls bedanken möchte ich mich bei der Hanns Martin Schleyer-Stiftung, die die Veröffentlichung durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß unterstützt hat. Meinen besonderen Dank möchte ich meiner Frau Martine aussprechen, die mit Geduld und Verständnis die Anfertigung dieser Arbeit gefördert hat. Gleiches gilt für meine Eltern, denen ich hiermit ebenfalls danken möchte. Köln, im September 1990

Peter Zimmermann

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ... ... ................. ................. ......................

16

Einleitung ............................................................................

21

1.

Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ..............................

21

2.

Bedeutung und Zulässigkeit eines Rechtsvergleichs mit der Schweiz

23

3.

Tatsächliche und rechtspolitische Ausgangslage ..........................

23

4.

Gang der Untersuchung

25

Erster Teil

Grundlagen

27

§ 1

Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts .......................... .

27

1. 1.1. 1.2.

Verfassungsrechtliche Asylgarantie ....................................... . Art. 16 11 2 GG als Individualrecht auf Asyl ............................ . Absoluter Charakter des Asylrechts ...................................... .

27 27

2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3.

Aus dem Inhalt des Asylrechts folgende Rechtsstellung der Asylberechtigten ........................................................................ . Verfolgungs- und Aufenthaltsschutz ...................................... . Verfassungsrechtliche Absicherung der Rechte im Asyl? ............... . Begrenzungen des Asylgrundrechts ....................................... . Verwirkung ................................................................. . Ausweisung ................................................................ . Abschiebung ............................................................... .

3. 3.1. 3.2. 3,2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4. 3.3.

Politische Verfolgung als Voraussetzung der Asylberechtigung ........ . Politischer Charakter der Verfolgung ..................................... . Verfolgungstatbestand ..................................................... . Staatliche Verfolgung ...................................................... . Eingriff ..................................................................... . Persönliche Betroffenheit .................................................. . Eingriffsintensität .......................................................... . Verfolgungsgefahr ......................................................... .

4. 4.1. 4.2.

Verfahrensabhängigkeit des Asylgrundrechts ............................ . Wirkung der Anerkennungsentscheidung ................................. . Rechtsstellung bis zur Anerkennung ...................................... .

29 29

30

31

33 33

33

34 36 37

39 40 40 41 41 44 44

45

46

8 § 2

Inhaltsverzeichnis

Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

47

1.

Verfassungsrechtliche Bezüge des Asylrechts

47

1.1.

Die Kompetenznonn des Art. 69ter BV .................................. .

48

1.2.

Kein subjektives Recht auf Asyl .......................................... .

49

1.3.

Asylgewährung als staatspolitische Maxime ............................. .

50

1.4.

Fehlende Gerichtsbarkeit in Asylsachen .................................. .

51

2.

Das Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 .................................... .

52

2.1.

Verfahrensmäßige Prüfung der Asylgesuche ............................. .

53

2.2.

Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens ........................... .

55

2.3.

Der Flüchtlingsbegriff ..................................................... .

57

2.4.

Asylverweigerungsgründe ................................................. .

59

2.4.1.

Aufnahme in einem Drittstaat, Art. 6 AsylG ............................. .

59

2.4.2.

Asylgewährung in Ausnahmesituationen, Art. 9 AsylG ................. .

61

3.

Rechtsstellung anerkannter Flüchtlinge ................................... .

3.1.

Anwendbare Rechtsvorschriften .......................................... .

62 62

3.2.

Aufenthaltsrecht ............................................................ .

63

3.3.

Ausweisungsschutz ........................................................ .

64

3.4.

Sonstige Rechte ............................................................ .

66

§ 3

Der Grundsatz der Familieneinheit im Verfassungs- und Ausländerrecht der Bundesrepublik Deutschland ................................ .

66

1.

Allgemeines ................................................................ .

66

1.1.

Themenbezogene Fragestellungen ........................................ .

67

1.2.

Defmition der Familieneinheit ............................................ .

67

1.2.1.

Umfassender Begriff ....................................................... .

68

1.2.2.

Einheit der Familie als Ausprägung des Grundrechtsschutzes .......... .

69

2.

Schutz der Familie durch Art. 6 GG ..................................... .

70

2.1.

Subjektiv-rechtlicher Schutzbereich ...................................... .

70

2.1.1.

Eingriffsverbot ............................................................. .

71

2.1.2.

Diskriminierungsverbot .................................................... .

71

2.2.

Objektiv-rechtlicher Gehalt ................................................ .

73

2.2.1.

Institutsgarantie ............................................................ .

74

2.2.2.

Schutzgebot und Förderungspflicht ....................................... .

75

3.

Bedeutung des Art. 6 GG für das allgemeine Ausländerrecht .......... .

76

3.1.

Menschenrechtsqualität des Art. 6 GG ................................... .

76

3.2.

Wiederherstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet ................ .

78

Inhaltsverzeichnis 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.3.1. 3.2.3.2. 3.2.3.3. 3.2.4. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.2.1. 3.3.2.2.

Aufenthaltsgewährung als staatliche Leistung Versagung des Familiennachzugs als mittelbarer Eingriff ............... Familiennachzug zu Asylberechtigten ..................................... Bedeutung des Bleiberechts Asylberechtigter für das Aufenthaltsrecht ihrer Familienangehörigen.................................................. Versagung des Familiennachzugs nur aus schwerwiegenden Gründen.. Ermessensschrumpfung auf Null, § 17 III und IV AuslG ................ Zusammenfassung......... ...... ... ........................................ Aufrechterhaltung der Familieneinheit im Bundesgebiet ................. Auswirkungen des Art. 6 GG auf den Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ................................................................. Verbleib von Familienangehörigen Asylberechtigter im Bundesgebiet.. Schutz vor Ausweisung in einen Drittstaat ................................ Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat des Asylberechtigten ...

9 78 80 81 81 83 84 86 86 86 87 88 90

§ 4

Der Grundsatz der Familieneinheit im schweizerischen Ausländer-, Verfassungs- und Völkervertragsrecht ..................................

92

1. 1.1. 1.2.

Allgemeines ................................................................. Relevanz der verschiedenen Rechtsquellen ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defmition der Familieneinheit .............................................

92 92 94

2.

Berücksichtigung der Familieneinheit im Ausländerrecht ................

95

2.1. 2.2. 2.3.

Grundsätze.................................................................. Abstufung nach Bewilligungsarten ........................................ Rechtsstellung der nachgezogenen Familienangehörigen .................

95 95 97

3. 3.1. 3.2.

Verfassungsrechtliche Grundlagen......................................... Der Familienschutzartikel, Art. 34 qq BV ................................ Garantie der Ehefreiheit, Art. 54 BV ......................................

97 97 99

4.

Achtung des Familienlebens, Art. 8 EMRK ..............................

100

§ 5

Bestrebungen zur Wahrung der Familieneinheit im Asylrecht auf internationaler Ebene ..................................................... 102

1. 1.1. 1.2.

Völkerrechtliche Rechtsquellen ............................................ Gewohnheitsrecht ........................................................... "Soft law" ...................................................................

103 103 103

2. 2.1. 2.2.

Bestrebungen im Bereich der Vereinten Nationen........ ................ Empfehlung B zur GFK ............ ............................. ........... Konferenz der VN über territoriales Asyl in Genf 1977 .................

104 104 105

2.3.

Beschlüsse des Exekutivkomitees für das Programm des UNHCR (EXCOM) ...................................................................

107

10 3. 3.1. 3.2. 4. 4.1. 4.2. 5. 5.1. 5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.2.3.

Inhaltsverzeichnis Bestrebungen auf europäischer Ebene........ .............. ............... Europäisches Übereinkommen über den Übergang der Verantwortlichkeit für Flüchtlinge von 1980 ................................................... Entschließung des Europäischen Parlaments zu Fragen des Asylrechts vom 12. März 1987 ......................................................... Durch Völkerrechtslehrer und wissenschaftliche Vereinigungen eingeleitete Bestrebungen ........................................................... Die Bestrebungen von Grahl-Madsen ........ .............. ............... Bestrebungen wissenschaftlicher Vereinigungen .......................... Zusammenfassende Würdigung ............................................ Konsensfähiger Familienbegriff ............................................ Rechtseinheit innerhalb der Familie eines Asylberechtigten als allgemeine Regel des Völkerrechts LS.d. Art. 25 GO? ............................... Universelles Völkergewohnheitsrecht? .................................... Regionales Völkergewohnheitsrecht? ................ .......... ............ "Soft law" ...................................................................

108 108 109 110 110 111 113 113 113 114 114 116

Zweiter Teil

Die Bedeutung des Grundsatzes der Familieneinheit für Familienangehörige von Asylberechtigten

117

§ 6

Auswirkungen auf die Anerkennungsentscheidung in der Bundesrepublik Deutschland .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

1. 1.1. 1.2.

Abgeleiteter Erwerb der Asylberechtigung ................................ Rechtsprechung. .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . .. .. . . . . . . .. . .. . . . . . . Rechtsdogmatische Einordnung.......... ..................................

119 119 121

2. 2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4.

Keine automatische Erstreckung der Anerkennungsentscheidung ....... Subsidiarität des Asylrechts.............. .......................... ........ Kritik am Subsidiaritätsprinzip ............................................. Eigene Stellungnahme........................ .............................. Erfordernis eigener Verfolgungsbetroffenheit ............................. Feststehende Rechtsprechung ................ .............................. Zustimmung in der Rechtslehre............................................ Kritik aus dem Schrifttum .................................................. Eigene Stellungnahme ......................................................

123 123 124 125 128 128 129 131 131

3. 3.1. 3.1.1. 3.1.2.

Erleichterte Voraussetzungen für den Erwerb eines eigenen Asylrechts Lehre von der Drittbetroffenheit ........................................... Durchschlagen der Verfolgungsmaßnahme ........ ............ ............ Verfolgungswille gegenüber Familienangehörigen ............ ...........

132 133 133 134

Inhaltsverzeichnis

11

3.1.2.1. Schwere und Folgen der Verfolgungsmaßnahmen .................. ......

134

3.1.2.2. Stellenwert der Familie ........ .............................. .... ...........

136

3.1.2.3. Allgemeine politische Verhältnisse im Verfolgerstaat .......... ... .......

136

3.1.3.

Verfolgungsgrund gegenüber Familienangehörigen.......................

137

3.1.4.

Abgrenzung der Drittbetroffenheit zur Reflexwirkung ...................

137

3.2.

Regelvermutung der persönlichen Verfolgungsbetroffenheit .............

139

3.2.1.

Systematische Einordnung .................................................

139

3.2.1.1. Beweisschwierigkeiten ......................................................

139

3.2.1.2. Funktionsweise einer Regelvermutung ....................................

141

3.2.2.

141

Familiäre Verbundenheit als Vermutungsbasis ............................

3.2.2.1. Frühere Rechtsprechung........................... .............. .... .......

141

3.2.2.2. Zustimmung im Schrifttum................................... ....... .......

143

3.2.2.3. Unterschied zum abgeleiteten Erwerb ............ ...... .............. .....

143

Zusätzliche Anforderungen an die Vermutungsbasis .......... .... .......

144

3.2.3.1. Vergleichbare Verfolgungsfälle ............................................

144

3.2.3.2. Individuelle Umstände......................................................

146

4.

Der zu berücksichtigende Personenkreis ..................................

148

4.1.

Durch einen abgeleiteten Asylrechtserwerb begünstigte Personen.......

148

4.1.1.

Mitglieder der Kleinfamilie ................................................

148

4.1.2.

Mitglieder der Familien- und Hausgemeinschaft ................... ......

151

4.1.3.

3.2.3.

Sonderfälle ..................................................................

154

4.1.3.1. Eheschließung im Zufluchtsland und Verlöbnis .................... ......

154

4.1.3.2. Nichteheliche Lebensgemeinschaft ........................................

156

4.1.3.3. Vererblichkeit .............. .................. ...............................

158

4.2.

Durch erleichterte. Anerkennungsvoraussetzungen begünstigte Personen

159

4.2.1.

Mitglieder der Kleinfamilie ................................................

159

4.2.2.

Mitglieder der Familien- und Hausgemeinschaft ............. ............

160

4.2.3.

Von Sippenhaft bedrohte Personen........................................

161

5.

Beendigung der Asylberechtigung . ............ ........ ....................

162

5.1.

Beendigungsgründe für einen abgeleiteten Asylrechtserwerb ............

162

5.1.1.

Wegfall des originären Rechts .............................................

163

5.1.2.

Auflösung der Familieneinheit .............................................

163

5.2.

Beendigung der durch erleichterte Anerkennungsvoraussetzungen erlangten Asylberechtigung .......................................................

164

5.2.1.

Beendigungsgründe nach §§ 15, 16 AsylVfG .................. ...........

165

5.2.2.

Auflösung der Familieneinheit .............................................

166

12

Inhaltsverzeichnis

6.

Ausdehnung der Asylberechtigung kraft Gesetzes... .............. .......

167

6.1.

Rechtsdogmatische Begründung

167

6.2.

Personeller Anwendungsbereich ........ ............................ .......

168

6.3.

Beendigung des Familienasyls .............................................

171

§ 7

Gesetzliche Ausdehnung der Anerkennungsentscheidung in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172

1.

Gesetzliche Regelung des Grundsatzes der Familieneinheit ..............

172

1.1.

Rechtslage und Entscheidungspraxis bis 1981 ............................

172

1.2.

Ratio legis des Art. 3

1.2.1.

Schutz der Familieneinheit .......................... .......................

174

1.2.2.

Generelle Vermutung der Mitbetroffenheit von der Verfolgung .........

175

m AsylG

...........................................

174

1.2.3.

Gesamtwürdigung ...........................................................

176

1.3.

Regelungsbereich des Art. 7 AsylG .... .................... ... ............

176

1.3.1.

Unterschied zu Art. 3 III AsylG ...........................................

177

1.3.2.

Grenzen des Anwendungsbereichs .............. ................ ...........

177

1.3.2.1. Familientrennung nicht durch die Flucht ..................................

177

1.3.2.2. Ausländerrechtliche Lösung ................................................

178

1.3.2.3. Art. 8 I EMRK als Anspruchsgrundlage ........................... .......

178

1.3.3.

Einschränkungen............................................................

180

1.4.

,,Besondere Umstände" im Sinne des Art. 3 III AsylG ......... .........

181

1.4.1.

Nachweislast ................................................................

181

1.4.2.

Andere Staatsangehörigkeit ................................................

182

1.4.3.

Freiwillige Schutzunterstellung ............................................

183

1.4.3.1. Inanspruchnahme der Auslandsvertretung.................................

183

1.4.3 .2. Besuchsreisen in das Herkunftsland .......................................

184

1.4.4.

Asylunwürdigkeit und Gefährdung der Staatssicherheit..................

185

1.4.5.

Sonstige Umstände ..........................................................

187

2.

Erweiterung des begünstigten Personenkreises ............................

188

2.1.

Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft .........................

188

2.1.1.

Berücksichtigung von Ehehindernissen.................... ................

188

2.1.2.

Beweis- und Mißbrauchsprobleme .........................................

189

2.2.

,,Andere nahe Angehörige" im Sinne von Art. 7 11 AsylG ..............

190

3.

Auswirkungen der Beendigungsgründe ....................................

192

3.1.

Individuelle Geltung des Widerrufs, Art. 41 III AsylG ..................

192

3.2.

Rückschiebungsschutz, Art. 45 I AsylG ......... ....... ...................

193

Inhaltsverzeichnis

13

§ 8

Exkurs: Richterrechtliche Ausdehnung der Anerkennungsentscheidung im französischen Asylrecht ........................................

193

1. 1.1.

Entwicklung der Rechtsprechung der Beschwerdekommission .......... Bedingungslose Erstreckung der Anerkennungsentscheidung ............

193 194

1.2.

Keine automatische Erstreckung bei bestehendem Schutz durch den Heimatstaat .................................................................. Automatische Ausdehung nur noch bei gleicher Staatsangehörigkeit ...

197 199

1.4.

Vermutung persönlicher Verfolgungsbetroffenheit aufgrund familiärer Beziehungen .................................................................

200

2.

Erweiterung des begünstigten Personenkreises ............................

200

2.1. 2.2.

Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ......................... Sonstige Familienangehörige.............................. .................

201 201

3.

Verlust des abgeleiteten Flüchtlingsstatus bei Auflösung der Familieneinheit .......................................................................

202

1.3.

Dritter Teil

Die Bedeutung des Grundsatzes der Familieneinheit für Asylsuchende und im Asylverfahren abgewiesene Ausländer

. 203

§ 9

Auswirkungen des Grundsatzes der Familieneinheit auf die RechtssteIlung der Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland .....

1.

Familieneinheit des Asylbewerbers mit nicht (mehr) asylsuchenden Angehörigen ......... .. . . . . . . . .. .. .. . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 203 Tatsächliche und rechtliche Rahmenbedingungen ........................ 203 Rechtsprechung. ... . . . . . . . . . ... . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. . . ... . . . . 205

1.1. 1.2. 1.3. 1.3.1.

203

Meinungsstand im Schrifttum .............................................. Weder genereller Ausschluß noch generelle Zulassung des Familiennachzugs .......................................................................... Familiennachzug als Ausnahme ............................................ Familiennachzug als Regelfall ............................................. Stellungnahme und Lösungsvorschlag .....................................

206

1.4.1. Art. 16 11 2 GG als Maßstab ............................................... 1.4.1.1. § 48 III AusiG als Anknüpfungspunkt .................................... 1.4.1.2. Privilegierung sogenannter "bona-fide" Flüchtlinge ......................

210 211 212

1.4.2.

Art. 6 I GG als Maßstab ...................................................

213

1.4.3. 1.5.

214

1.5.1.

Gesamtwürdigung ............... ............................................ Rechtliche Ausgestaltung des Aufenthalts der nicht asylsuchenden Familienmitglieder ........................................ ........................ Aufenthaltsgewährung nach allgemeinem Ausländerrecht ...............

1.5.2.

Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft? ........................

215

1.3.2. 1.3.3. 1.4.

206 207 208 210

215 215

14

Inhaltsverzeichnis

2.

Familieneinheit der sich gemeinsam im Asylverfahren befindenden Angehörigen ......................................................................

2.1.

Verfassungswidrigkeit einer Trennung asylsuchender Familienmitglieder 217

216

2.2.

Verteilung und Zuweisung .................................................

218

2.2.1.

Allgemeines.... .............................................................

218

2.2.2.

Erweiterung des in § 22 VI 1 AsylVfG genannten Personenkreises ....

219

2.2.2.1. Rechtsprechung .............................................................

219

2.2.2.2. Schrifttum ...................................................................

220

2.2.2.3. Verfassungsrechtliche Bewertung.......................... ................

220

2.2.3.

221

Problemfälle.................................................................

2.2.3.1. Nachträgliche Änderung der Sachlage .................................... . 221 2.2.3.2. Behandlung von Folgeantragstellern ...................................... . 222 2.3.

Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ............................ . 223

2.3.1.

Gewährung einer menschenwürdigen und familiengerechten Unterbringung .........................................................................

224

2.3.2.

Familiäre Beziehungen als Ausnahme im Sinne des § 23 I 1 AsylVfG ......

225

3.

Vereinbarkeit des § 7 a I und n AsylVfG mit dem Grundsatz der Familieneinheit ...................................................................

227

3.1.

Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens ......................................

227

3.1.1.

Bundesratsentwurf ..........................................................

227

3.1.2.

Stellungnahme der Bundesregierung .......................................

228

3.1.3.

Expertenanhörung ...........................................................

228

3.1.4.

Endgültige Gesetzesfassung ................................................

230

3.2.

Stellungnahme.. ... ........ ..................... ............. .... ...........

231

§ 10

Auswirkungen des Grundsatzes der Familieneinheit auf die RechtssteIlung der Asylbewerber in der Schweiz ..............................

232

1.

Familiennachzug während des Asylverfahrens ............................

233

1.1.

Versagung des Familiennachzugs als Regel...............................

233

1.2.

Ausnahmen ..................................................................

234

1.3.

Kritik..... .... . . . . . . . .. ..... . . . . . . . . . .. . .... ... . . . . . .. ....... . . . . . . .. . .. ... ..

235

1.3.1.

Ausstrahlungswirkungen des Art. 7 AsylG ............... .................

237

1.3.2.

Rechtscharakter der Ausstrahlungswirkungen .............................

238

2.

Verteilung und Unterbringung von asylsuchenden Familien.............

240

2.1.

Berücksichtigung des Grundsatzes der Familieneinheit bei der Verteilungsentscheidung, Art. 14 am AsylG ...................................

240

2.2.

Bevorzugte Unterbringung von asylsuchenden Familien in Aufnahmezentren .......................................................................

242

Inhaltsverzeichnis

15

§ 11

Schutz der Familieneinheit rechtskräftig abgwiesener Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland ..................................... 242

1.

1.2.1. 1.2.2.

Familiennachzug zu Ausländern, die trotz Ablehnung einer Asylberechtigung im Bundesgebiet verbleiben dürfen ................................. Familiennachzug zu abgewiesenen Asylbewerbern, die eine Aufenthaltsbefugnis innehaben ......................................................... Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ...................... Konsequenzen für den Familiennachzug .................................. Familiennachzug zu abgewiesenen Asylbewerbern, denen eine Duldung zusteht ....................................................................... Gründe für die Ausstellung einer Duldungsbescheinigung ............... Konsequenzen für den Familiennachzug ..................................

2.

Familiäre Bindungen als Grund für einen weiteren Aufenthalt ..........

§ 12

Schutz der Familieneinheit rechtskräftig abgewiesener Asylbewerber in der Schweiz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

1. 1.1. 1.2.

Möglichkeiten des Familiennachzugs ...................................... Erteilung einer regulären Aufenthaltsbewilligung ......................... Vorläufige Aufnahme und Internierung ...................................

250 250 251

2.

Erlangung eines Aufenthaltsrechts durch Eheschließung .................

253

1.1. 1.1.1. 1.1.2. 1.2.

243 244 244 245 246 246 247 248

Vierter Teil

Gegenüberstellung der erzielten Ergebnisse und rechtspolitischer Ausblick

256

§ 13

Gegenüberstellung der erzielten Ergebnisse ............................

256

1.

Begriffsbestimmung und Problemstellung .................................

256

2.

Asylrechtliche Grundlagen .................................................

256

3.

Grundlagen des Familienschutzes .. ........................................

258

4.

Völkerrechtliche Grundlagen der Familieneinheit im Asylrecht .........

259

5.

Rechtseinheit innerhalb einer Flüchtlingsfamilie ..........................

259

6.

Familieneinheit asylsuchender Ausländer .................................

263

7.

Familieneinheit rechtskräftig abgewiesener Asylbewerber ...............

264

§ 14

Rechtspolitischer Ausblick .......................................... .....

265

1.

Gründe für die Rechtseinheit innerhalb einer Flüchtlingsfamilie ........

265

2.

Familienasyl auch bei einer möglichen Abschaffung des Asylgrundrechts

266

Literaturverzeichnis ................................................................

268

Quellenverzeichnis ..................................................................

279

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. abI. Abs. a. E. AEMR

= andere(r) Ansicht

= am angegebenen Ort = ablehnend = Absatz

= am Ende = Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 = Arbeitserlaubnisverordnung (Verordnung über die ArbeitsAEVO erlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer) a. F. = alte Fassung = Arbeitsförderungsgesetz AFG = Alternativkommentar (zum Grundgesetz) AK AmtI. Bull. N (S) = Amtliches Bulletin der Bundesversammlung - National(Stände-)rat der schweizerischen Eidgenossenschaft ANAG = Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (SR 142.20) = Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG ANAV (SR 142.201) Anm. = Anmerkung AöR = Archiv des öffentlichen Rechts AS = Amtliche Sammlung der eidgenössischen Gesetze ASYL = Schweizerische Zeitschrift für Asylrechtspraktiker = Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 i. d. F. vom 20. Juni 1986 AsylG (SR 142.31) AsylV = Asylverordnung vom 25. November 1987 i. d. F. vom 3. Oktober 1988 (SR 142.311) = Asylverfahrensgesetz vom 16. Juli 1982 i. d. F. vom 9. Juli AsylVfG 1990 AufenthaltsG/EWG = Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft = Auflage Aufl. AuslG = Ausländergesetz vom 9. Juli 1990 AuslR = Ausländerrecht = Archiv des Völkerrechts AVR = Association for the Study of the World Refugee Problem (= AWR Forschungsgemeinschaft für das Weltflüchtlingsproblem) AWR-Bulletin = Vierteljahrsschrift für Flüchtlingsfragen der Forschungsgemeinschaft für das Weltflüchtlingsproblem Bad.-Württ. = Baden-Württemberg = Bundesamt für Polizei wesen (Schweiz) BAP

Abkürzungsverzeichnis Bay B/B/F/H BBI Bd. Bearb. BG BGB BGBL BGE BGer BK BR-Drs. BRep. Dtschld. BRV BSHG BT-Drs. BV BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BVFG bzw. ca. CC CE ders. d. h. dies. Diss. DFW DÖV DVBI. ElPD EJPD VO EKD EMRK Erl. 2 Zimmermann

= Bayern; bayrisch = Baumüller / Brunn / Fritz / Hillmann (Komm. zum AsylVfG) = Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft = Band = Bearbeiter = Bundesgesetz (Schweiz) = Bürgerliches Gesetzbuch = Bundesgestzblatt = Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung = Schweizerisches Bundesgericht = Bonner Kommentar (zum Grundgesetz) = Bundesratsdrucksache = Bundesrepublik Deutschland = Verordnung des Bundesrats vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer (SR 823.21) Bundessozialhilfegesetz = Bundestagsdrucksache = Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (SR 101) = Bundesverfassungsgericht = Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG = Bundesverwaltungsgericht = Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerwG = Bundesvertriebenengesetz = beziehungsweise = circa = Conseil Constitutionnel (französischer Verfassungsgerichtshof) = Conseil d'Etat (französischer Staatsrat) = derselbe = das heißt = dieselben = Dissertation = Delegierter für das Flüchtlingswesen (Schweiz) = Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) = Deutsches Verwaltungsblatt = Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement = Verordnung des EJPD vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (SR 823.21 = BRV) = Evangelische Kirche Deutschlands = Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 = Erläuterung

17

18 ESVGH EuGHM EuGRZ EWG EXCOM EZAR f. FamRZ

FAZ

ff. Fschr. Fußn. GABl. GG GFK GK GMBl. HAG Hbs. Hess. h.M. Hrsg. i. d. R. IGH InfAuslR insb. IntVO

i. S. d. (v.) i. V. m. JA JCRR JDI

J. O. JR

Jura JuS JZ Komm. krit. KStA

Abkürzungsverzeichnis = Amtliche Sammlung der Entscheidungen des hessischen und des baden-württembergischen VGH = Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte = Europäische Grundrechte - Zeitschrift = Europäische Wirtschaftsgemeinschaft = Exekutivkommitee für das Programm des UNHCR = Entscheidungssammlung zum Ausländer- und Asylrecht = folgende (r) (Seite, Paragraph u. a.) = Zeitschrift für das gesamte Familienrecht = Frankfurter Allgemeine Zeitung = folgende (Seiten, Paragraphen u. a.) = Festschrift = Fußnote = Gemeinsames Amtsblatt = Grundgesetz = Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951) = Gemeinschaftskommentar (zum AsylVfG) = Gemeinsames Ministerialblatt = Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 i. d. F. vom 9. Juli 1990 = Halbsatz = Hessen; hessisch = herrschende Meinung = Herausgeber = in der Regel = Internationaler Gerichtshof = Informationsbrief Ausländerrecht (Zeitschrift) = insbesondere = Verordnung über die vorläufige Aufnahme und Internierung von Ausländern vom 25. November 1987 (SR 142.281) = im Sinne des (von) = in Verbindung mit = Juristische Arbeitsblätter = Jurisprudence de la Commission des recours des refugies, Paris .1961 (Rechtsprechungssammlung der Beschwerdekommission für Flüchtlinge) = Journal de Droit international = Journal Officiel (Frankreich) = Juristische Rundschau = Juristische Ausbildung = Juristische Schulung = Juristenzeitung = Kommentar = kritisch = Kölner Stadt-Anzeiger

Abkürzungsverzeichnis lit. LG Ls. MB!. M/D/H/S m. w. Nachw. n. F. NJW Nr(n). NRW n. v. NVwZ NZZ OBS O.F.P.R.A. OG o. g. OVG Prot. qq RDAF Rdnr(n). Rspr. Rz. RzW

S.

SG SJZ SKöF sog. SR StAnZ StGB str. SZ

U.

u. a. UN UNHCR v. VBlBW VerwRspr. VG 2*

19

= litera = Landgericht

= Leitsatz = Ministerialblatt = Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (GG-Komm.) = mit weiteren Nachweisen = neue Fassung = Neue Juristische Wochenschrift = Nummer(n) = Nordrhein-Westfalen; nordrhein-westfälisch = nicht veröffentlicht = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht = Neue Züricher Zeitung = Otto-Benecke-Stiftung = Office fran ..ais de protection des refugies et apatrides = BG vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (SR 173.11 0) = oben genannt = Oberverwaltungsgericht = Protokoll = quinquies = Revue de Droit administratif et fiscal (Schweiz) = Randnummer(n) = Rechtsprechung = Randzeile = Rechtsprechung zum Wiedergutrnachungsgesetz (Zeitschrift) = Seite; Satz = Sozialgericht = Schweizerische Juristenzeitung = Schweizerische Konferenz für öffentliche Fürsorge = sogenannte(r) = Systematische Sammlung des schweizerischen Bundesrechts Staatsanzeiger Strafgesetzbuch vom 2. Januar 1975; schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0) streitig = Süddeutsche Zeitung = Urteil = unter anderen (m); und andere = United Nations = United Nations High Commissioner for Refugees = von (m) = Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg = Verwaltungsrechtsprechung (Zeitschrift) = Verwaltungsgericht

20

Abkürzungsverzeichnis

VGH vgl. Vol. VN Vorb. VR VVDStRL

= Verwaltungsgerichtshof

VwGO VwV VwVfG VwVG

= Verwaltungsgerichtsordnung

ZAR z. B. ZBJV ZBl. ZDWP ZfSH/SGB ZGB Ziff. zit. ZöF ZRP ZSR z. T. zust. 'ZZW

= vergleiche

= Volume

= Vereinte Nationen (Zeitschrift)

= Vorbemerkung(en) = Völkerrecht

= Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

= Verwaltungsvorschrift

= Verwaltungsverfahrensgesetz

= BG vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021) = Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik = zum Beispiel = Zeitschrift des Bemischen Juristenvereins = Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung = Zentrale Dokumentationsstelle der Freien Wohlfahrtspflege für Flüchtlinge = Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch = Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 220) = Ziffer = zitiert = Zeitschrift für öffentliche Fürsorge (Schweiz) = Zeitschrift für Rechtspolitik = Zeitschrift für schweizerisches Recht = zum Teil = zustimmend = Zeitschrift für Zivilstandswesen

Einleitung 1. Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit In einer der jüngsten wissenschaftlichen Untersuchungen, die die Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland umfassend behandelt, wird festgestellt, daß in der heutigen Zeit nicht mehr nur der politisch verfolgte Revolutionär, sondern auch "der Durchschnittsmensch, der unter die Mühlen der großen Politik geraten ist" sich auf die Flucht begibt I. Von diesem Flüchtlingstyp wird sodann zurecht behauptet, daß er oftmals zusammen mit seinen Familienangehörigen flieht oder diese zumindest so schnell als möglich nachziehen lassen möchte. Die durch die Fluchtsituation bedingten Anpassungsschwierigkeiten für solche Familien werden in den meisten Aufnahmestaaten dadurch erleichtert, daß den einzelnen Mitgliedern der gleiche Rechtsstatus eingeräumt wird 2 • Das Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland kannte eine derartige automatische Ausdehnung des Flüchtlingsstatus auf alle Familienangehörigen eines politisch Verfolgten bis zum 15. Oktober 1990 nicht. Das BVerwG wies wiederholt auf die daraus resultierenden Statusunterschiede innerhalb der Familie und die damit verbundenen Probleme hin 3 • Dieser für die Flüchtlingsfamilien unbefriedigende Rechtszustand veranlaßte Kimminich - einen der besten Kenner des bundesdeutschen und völkerrechtlichen Asylrechts 4 - zu der Feststellung, daß der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht nicht gelte 5 • Das BVerwG verlangte eine individuelle Verfolgungsbetroffenheit der Mitglieder einer Flüchtlingsfamilie, um deren Asylberechtigung zu bejahen. Dadurch war die Rechtseinheit innerhalb der Flüchtlingsfamilie nicht immer gewahrt. In der vorliegenden Abhandlung wird der Begriff der Familieneinheit aber nicht nur in diesem statusrechtlichen Sinne gebraucht, sondern unter Einheit der Familie soll auch das räumliche Zusammenleben der Mitglieder einer Flüchtlingsfamilie gefaßt werden. Diese räumliche Einheit konnte und kann oftmals nur durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen hergestellt werden, die ihre Grundlage im allgemeinen Ausländerrecht finden. Der asylrechtliche Bezug besteht darin, daß 1 2

Kötner I Nicolaus, Grundlagen, S. 247. Kötner I Nicolaus, Grundlagen, S. 248 f. m. w. Nachw. in Fußn. 354- 357.

BVerwGE 75, 304, 311; 65, 244, 248. Quaritsch, Recht auf Asyl, S.52 in Fußn. 101 nennt ihn den "Altmeister des Asylrechts". 5 Kimminich, JZ 1987,510,512. 3

4

22

Einleitung

zumindest einem Familienmitglied unter Berufung auf ihm drohende politische Verfolgung Zugang zum Staatsgebiet des Aufnahmelandes gewährt wurde. Diese rein aufenthaltsrechtliche Komponente der Problematik war eine Konsequenz des Rechtszustandes bis zum Inkrafttreten des neuen AuslG am 15. Oktober 1990. Die damit verknüpften Unzulänglichkeiten machten es notwenig, alle Familienangehörige statusrechtlich mit dem Asylberechtigten kraft Gesetzes gleichzustellen 6 • Dieser Notwendigkeit hat der Gesetzgeber Rechnung getragen. § 7 a III AsylVfG ordnet nunmehr an, daß die Rechtsstellung als Asylberechtigter automatisch auch dessen Ehegatten und minderjährigen Kindern zukommt. Um den Inhalt und die Reichweite dieses Familienasyls zu analysieren, wird die frühere Rechtsprechung herangezogen, die den Grundsatz der (statusrechtlichen) Familieneinheit im Asylrecht beachtete. Dieser Analyse dient auch ein ausführlicher Vergleich zu der gesetzlichen Regelung in der Schweiz. Durch das schweizerische AsylG ist bereits 1981 eine Rechtseinheit der Mitglieder einer Flüchtlingsfamilie bezüglich des staats- bzw. völkerrechtlichen Status herbeigeführt worden 7 • Aufgrund dieser vorbildlichen Vorschriften, deren Bedeutung für die Entwicklung des Asylrechts als weit über die Schweiz hinausreichend bezeichnet worden ist S, bietet sich ein Vergleich mit der deutschen Rechtslage an, da ein gesetzlich angeordnetes Familienasyl ein Novum in der deutschen Rechtsordnung ist 9 • In beiden Rechtsordnungen finden sich kaum gesetzliche Regelungen die den familiären Bindungen eines Flüchtlings gerecht werden, falls dessen Asylberechtigung entweder noch nicht oder endgültig als fehlend festgestellt worden ist. Insofern kann nur eine Einheit im räumlichen und nicht im statusrechtlichen Sinne erreicht werden, so daß die aufenthaltsrechtlichen Grundlagen der Familieneinheit einschlägig sind. Bevor aber der genaue Gang der Untersuchung geschildert wird, soll zunächst die Frage der Vergleichbarkeit der beiden Rechtsordnungen hinsichtlich der Asylrechtsproblematik kurz erörtert werden.

6 Eine entsprechende Forderung wurde u. a. bereits anläßlich einer Expertenanhörung vor dem Innenausschuß des deutschen Bundestags im März 1986 von mehreren Seiten erhoben, vgl. dazu: Innenausschuß, 10. Wahlperiode, Protokoll Nr. 106, Anlage 1, S. 20 (Stelkens); S.43 (Franz); Stenographische Aufzeichnung, S. 107 (Müller); S. 135 f. (Schuth). Vgl. auch den dahingehenden Antrag der Fraktion der SPD vom 4.10.1988 in BT-Drs. 11/3055. 7 BGer, U. v. 23.5.1986, - A 288/tr -, n. v., S. 10. S lahn, in: Beitz/Wollenschläger, Handbuch I, S. 167. 9 Vgl. allgemein zu einem solchen Vergleich: Metzger I Gramlich, ZRP 1985, 258262.

3. Tatsächliche und rechtspolitische Ausgangslage

23

.2. Bedeutung und Zulässigkeit eines Rechtsvergleichs mit der Schweiz Rechtsvergleichung ist nur dort möglich, wo sich dem Recht die gleichen Probleme stellen 10. Dies ist bei der allgemeinen Flüchtlingsproblematik aufgrund ihrer internationalen Dimension zweifelsohne der FalllI. In dieser Abhandlung wird nur ein Ausschnitt aus dem Gesamtproblem des Flüchtlingsrechts in seiner innerstaatlichen Umsetzung durch zwei westliche Demokratien behandelt. Die Gesamtheit der innerstaatlichen Asylrechtsvorschriften von der verfahrensrechtlich abgesicherten Bestimmung des begünstigten Personenkreises bis zur gesetzlichen Ausgestaltung der Rechtsstellung der Berechtigten wird nur insoweit gegenübergestellt, wie es für das Verständnis notwendig erscheint. Dabei eröffnen sich oftmals unüberbrückbare Differenzen, die etwa verfahrensrechtlich auf einer unterschiedlichen Gerichts- und Behördenstruktur beruhen 12. Die Beschränkung auf das Problem der Familieneinheit im Asylrecht hat demgegenüber einen großen Vorteil. Sie erlaubt es in stärkerem Maße, die in der Schweiz seit 1981 mit dem Rechtsinstitut der Familieneinheit im Asylrecht gemachten Erfahrungen und gefundenen Problemlösungen auf die entsprechende neue gesetzliche Regelung in der Bundesrepublik Deutschland zu übertragen. Der Vergleich selbst ist nämlich um so einfacher durchzuführen, je spezieller das zu vergleichende Problem umrissen wird 13.

3. Tatsächliche und rechtspolitische Ausgangslage Die Vergleichbarkeit der Problemstellungen kann durch einige Angaben zur tatsächlichen und rechtspolitischen Situation, in die das Asylrecht in den beiden Vergleichsländern eingebettet ist, veranschaulicht werden. An dieser Stelle soll nicht auf die Diskussion darüber eingegangen werden, ob die Aufnahme politisch verfolgter Ausländer mit der Integrationskraft einer Gesellschaft hinsichtlich des Gesamtanteils der Ausländer an der Wohnbevölkerung in Beziehung gesetzt werden kann 14. Trotzdem müssen die entsprechenden Zahlen erwähnt werden. Denn die Familienangehörigen politisch Verfolgter können sich nicht immer unmittelbar auf asylrechtliche Vergünstigungen stützen, um ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. In der Schweiz macht der prozentuale Anteil der ausländischen an der gesamten Wohnbevölkerung ca. 15,4% aus, was einer absoluten Zahl von etwa 1.000.000 Mössner, AöR 99 (1974), 193, 198; Tomuschat, EuGRZ 1979, 191, 197 Vgl. zu Lösungsansätzen auf internationaler Ebene unten § 5. 12 Kimminich, ZAR 1984,94,97 f. 13 Mössner, AöR 99 (1974), 193, 199. 14 Dies wird von Quaritsch, Recht auf Asyl, S. 55 f. bejaht und von Rothkegel, GKAsylVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 13 abgelehnt. 10

II

Einleitung

24

Ausländern entspricht l5 • Für die Bundesrepublik Deutschland ergab die Volkszählung von 1987 eine Zahl von 4,53 Millionen Ausländern, die somit etwa 6,8 % der Gesamtbevölkerung stellen 16. Die Diskrepanz hinsichtlich des prozentualen Ausländeranteils wird mit Blick auf die jeweiligen Integrationsschwierigkeiten dadurch relativiert, daß in der Schweiz ungefähr drei Viertel aller dort lebenden Ausländer einen gesicherten Rechtsstatus erlangt haben, der nur bei einer vollzogenen Einfügung in das gesellschaftliche Leben des Aufnahmelandes eingeräumt wird 17. Demgegenüber macht die entsprechende Vergleichsgruppe unter den im Bundesgebiet lebenden Ausländern lediglich ein knappes Drittel aus 18. Aufschlußreicher für die vorliegende Problematik sind die Zahlenangaben zu Asylbewerbern und -berechtigten in den beiden Ländern. Die Zahl der Asylbewerber im Jahre 1989 wird vom Bundesinnenministerium mit 121.318 beziffert l9 • Die Schweiz verzeichnete im gleichen Zeitraum 24.425 Asylgesuche 20 • Diese für beide Länder hohe Asylbewerberzahl muß im Zusammenhang mit der Anerkennungsquote gesehen werden, da sich nur bei Asylberechtigten die Frage nach einer statusrechtlichen Gleichstellung ihrer Familienangehörigen stellt. In der Bundesrepublik Deutschland betrug die Anerkennungsquote im Jahresdurchschnitt 1988 8,6% gegenüber 5,0% 1989 21 • In der Schweiz machte der Anteil der positiven Entscheide 1988 5,5 % und 19894,0% aus 22. Als Asylberechtigte werden von UNHCR für die Bundesrepublik mit Stichtag 1. Januar 1986 134.000 Personen = ca. 0,21 % der Gesamtbevölkerung und für die Schweiz 30.600 Personen = ca. 0,49% der Gesamtbevölkerung angegeben 23 • Familienangehörige von Asylberechtigten, über deren genaue Anzahl keine gesonderten Statistiken existieren, sind in dieser Zahl mit eingeschlossen 24 • Das Bundesinnenministerium gibt hingegen die Zahl der Asylberechtigten mit 64.800 an. Deren Familienailgehörige zählt es gesondert, indem es jedem AsylbeVgl. "L'Hebdo" (Lemagazine suissed'infonnation) vom 24.10.1988, Nr. 47, S. 11. ZAR 1989, S. 48. 17 Vgl. Haverland, S. 150. 18 BT-Drs. 10/2071, S. 9. 19 Der Bundesminister des Innern teilt mit (4.1.1990); im ersten Halbjahr 1990 stellten 79.141 Ausländer einen Asylantrag, vgl. Innenpolitik Nr. IV /1990, S. 16; 1988 betrug die AsylbewerberzahI103.076, vgl. Bulletin der Bundesregierung vom 14.1.1989, Nr. 4, S.28. 20 Vgl. ASYL 1990/1, S. 20; 1988 wurden 16.726 Asylgesuche registriert, vgl. ASYL, 1989/1, S. 16. 21 Der Bundesminister des Innern teilt mit (4.1.1990), S. 2, im ersten Halbjahr 1990 ist sie auf 3,3 % gesunken, vgl. Innenpolitik Nr. IV /1990, S. 16. 22 Vgl. ASYL 1990/1, S. 20. 23 Vgl. die Statistik in: Europäisches Parlament, Sitzungsdokumente, Bericht vom 23.2.1987, Dokument A2-227/86/B, S. 11. 24 Vgl. Innenausschuß, 10. Wahlperiode, Protokoll Nr. 106, Anlage 1, S.326 (UNHCR). 15 16

4. Gang der Untersuchung

25

rechtigten 2 Angehörige hinzurechnet, so daß deren Anzahl mit rund 129.000 beziffert wird 25 • Dieser pauschalen Zählweise wird entgegengehalten, daß dabei die Möglichkeit einer eigenen Asylberechtigung der Angehörigen außer acht gelassen werde, so daß es zu einer überhöhten Schätzzahl komme 26. Von einer Diskussion über die Richtigkeit der angegebenen Zahlen soll hier ebenso abgesehen werden, wie von der Beantwortung der Frage, ob es eine objektiv feststellbare Grenze der Belastbarkeit bei der Aufnahme politisch Verfolgter gibt und wann eine solche Grenze gegebenenfalls erreicht sein würde. Es kann in diesem Zusammenhang nur darauf hingewiesen werden, daß in der Schweiz die Bedenken, die Aufnahmekapazität eines kleinen Landes könne schnell erschöpft sein, dazu geführt haben, kein subjektives Recht eines Ausländers auf Asylgewährung einzuführen, wie es die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland kennt 27 • Auch in der Bundesrepublik wurde die Diskussion um die Abschaffung des grundrechtlichen Individualanspruchs auf Asyl in erster Linie durch das Ansteigen der Asylbewerberzahlen in Gang gesetzt 28 • Der Gesetzgeber reagierte in beiden Ländern auf die Zunahme Asylsuchender durch Gesetzesänderungen. Die schweizerischen Stimmbürger sprachen sich am 5. April 1987 mit einer zwei Drittel Mehrheit für eine Verschärfung des Asylrechts aus 29 , indem sie ein vom Stände- und Nationalrat am 20. Juni 1986 verabschiedetes Gesetzesvorhaben 30 annahmen. Damit erfuhr das am 1. Januar 1981 in Kraft getretene AsylG vom 5. Oktober 1979 eine einschneidende Veränderung, nachdem zuvor schon durch Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 Änderungen des AsylG und der AsylV vom 12. November 1980 vorgenommen worden waren 3!. Das bundesdeutsche AsylVfG vom 16. Juli 1982 32 ist zuletzt durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts 33 modifiziert worden.

4. Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung ist in vier Teile untergliedert. Der erste, mit Grundlagen überschriebene Teil, behandelt zunächst die Grundzüge des bundesdeutschen sowie des schweizerischen Asylrechts, deren Kenntnis unumgänglich Bulletin der Bundesregierung vom 29.7.1986, Nr. 90, S. 755. Vgl. nur: Innenausschuß, a. a. 0., S. 327 f., (UNHCR). 27 Botschaft, BBI 1977 III, Ziff. 124; vgl. dazu unten § 2, 1.2. 28 Vgl. etwa die Forderung des ehemaligen Bundesinnenministers Zimmermann nach einer entsprechenden Grundgesetzänderung, FAZ vom 8.1.1987, Nr. 6, S. 1. 29 Vgl. SZ vom 7.4.1987, Nr. 81, S. 4. 30 Vgl. dazu Schmid, ZAR 1986, 178-181. 3! Vgl. dazu unten § 2, 2.1. m. w. Nachw. Die dritte Revision wurde am 22.6.1990 beschlossen, vgl. Kälin / Stöckli, ASYL 1990/3,3-14. 32 BGBl. I, S. 946. 33 BGBl. 1990 I, S. 1354, 2170. 25

26

26

Einleitung

für das Verständnis des zweiten und dritten Teils der Abhandlung ist. Ebenfalls nicht verzichtet werden kann auf die Darstellung der jeweiligen Familienschutzinstrumente, insbesondere in ihrer Auswirkung auf das im allgemeinen Ausländerrecht der beiden Rechtsordnungen geregelte Aufenthaltsrecht. Der erste Teil wird abgerundet durch eine Betrachtung der völkerrechtlichen Rechtslage in bezug auf die Wahrung der Familieneinheit im Asylrecht. Der Hauptteil der Untersuchung behandelt die Rechtsstellung der Familienmitglieder von Asylberechtigten. Im bundesdeutschen Asylrecht wird die Asylberechtigung erst seit dem 15. Oktober 1990 auf alle Angehörigen eines politisch Verfolgten automatisch ausgedehnt. Dementsprechend gewinnen die gesetzliche Regelung und die Praxis im schweizerischen Asylrecht eine besondere Bedeutung, da dort das Familienasyl bereits 1981 durch das AsylG eingeführt worden ist. In Form eines Exkurses wird kurz auf die einschlägige französische Rechtslage eingegangen. Diese zeichnet sich dadurch aus, daß eine Ausdehnung des Flüchtlingsstatus auf nicht verfolgte Familienangehörige erfolgt, die auf Richterrecht basiert.

Der dritte Teil ist den Auswirkungen des Grundsatzes der Familieneinheit auf die Rechtsstellung asylsuchender sowie im Asylverfahren endgültig abgewiesener Ausländer gewidmet. Die unterschiedlichen Problemlösungen in den beiden Vergleichsländern sollen schließlich in der Zusammenfassung gegenübergestellt werden.

Erster Teil

Grundlagen § 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts Die Wahrung der räumlichen und statusrechtlichen Einheit der Familie eines politisch Verfolgten hängt in erster Linie davon ab, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form ein Zufluchtsland dem politisch verfolgten Ausländer selbst Schutz gewährt. Erst die Aufnahme eines politisch verfolgten Flüchtlings aufgrund einer innerstaatlichen Rechtsnorm bildet den Anknüpfungspunkt dafür, die familiären Bindungen des Aufgenommenen auch in rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen. In der Bundesrepublik Deutschland findet sich die Rechtsgrundlage für die Schutzgewährung an den politisch Verfolgten selbst in der Verfassung. Die denkbar knappe Formulierung des Art. 16 11 2 GG, in dem es schlicht heißt: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.", macht es notwendig, die damit für den Asylberechtigten und gegebenenfalls auch für seine Familie verbundenen Rechtsvergünstigungen sowie die Voraussetzungen für deren Erlangung näher zu betrachten.

1. Verfassungsrechtliche Asylgarantie Die Tatsache und die Art der verfassungsrechtlichen Verankerung des Asylrechts bringen für den zufluchtsuchenden politisch Verfolgten und zumindest mittelbar auch für seine Familienangehörigen einige rechtliche Besonderheiten mit sich, die eine Asylnachfrage in der Bundesrepublik Deutschland erheblich von dem Schutzersuchen gegenüber anderen Staaten unterscheidet I. 1.1. Art. 16 11 2 GG als Individualrecht auf Asyl Schon aus dem Wortlaut (" ... genießen Asylrecht") sowie aus der Stellung im Grundrechtsteil des GG (vgl. Art. 18 S. I GG) folgt, daß Art. 16 11 2 GG dem einzelnen politisch Verfolgten ein subjektiv-öffentliches Recht auf Asyl 1 Vgl. dazu und zu sonstigen Faktoren für die von Flüchtlingen bevorzugte Lage der Bundesrepublik: Kimminich, Grundprobleme, S. 46-56.

28

1. Teil: Grundlagen

einräumt 2. Mit Asyl ist dabei sowohl der Ort, der einem politisch verfolgten Ausländer Zuflucht bietet, als auch der Inhalt des Schutzes, der einer aufgenommenen Person an diesem Ort gewährt wird, gemeint 3 • Die sich aus dieser Begriffsbestimmung ergebenden Konsequenzen für die Rechtsstellung des Asylberechtigten werden bei der Feststellung des Inhalts des Asylrechts aufgezeigt. An dieser Stelle ist zunächst der Grundrechtscharakter des Asylrechts hervorzuheben, aus dem sich ergibt, daß Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung an die verfassungsrechtliche Asylverbürgung gebunden sind, Art. 1 III GG. Die Besonderheit der Ausgestaltung des Asylrechts als subjektives öffentliches Recht des einzelnen wird vor allem anhand eines Vergleichs mit dem völkerrechtlichen Asylrecht deutlich 4. Weder im Völkervertrags- noch im Völkergewohnheitsrecht hat sich bislang eine Rechtspflicht der Staaten zur Asylgewährung gegenüber dem politisch verfolgten Flüchtling herausbilden können; es besteht vielmehr nur ein Recht der einzelnen Staaten als Völkerrechtssubjekte, asylbegehrenden Ausländern Zuflucht einzuräumen, ohne daß der jeweilige Heimatstaat oder ein Drittstaat dies als völkerrechtswidrig betrachten darf 5• Über diesen völkerrechtlichen Rechtszustand, wie auch über denjenigen der meisten anderen Einzelstaaten 6 , geht Art. 1611 2 GG also zugunsten des politisch Verfolgten bei weitem hinaus 7 • Indem Art. 16 11 2 GG den potentiellen Grundrechtsträgern ein Recht auf Asyl verleiht, wird über Art. 19 IV GG der Rechtsweg zu den Gerichten gegenüber allen Akten der öffentlichen Gewalt eröffnet, in denen eine Verletzung dieser Rechtsposition liegen kann. Für einen asylsuchenden Ausländer hat dies vor allem zur Konsequenz, daß er die Vorenthaltung des Asylrechts von unabhängigen Gerichten überprüfen lassen kann 8 •

2 Ganz h. M., vgl. nur: BVerfGE 54, 341, 356; 74, 51, 57; Kimminich, BK, Art. 16, Rdnrn. 148-151; Randelzhojer, MI D IH I S, Art. 16, Rdnr. 17; von Pollern, Asylrecht, S. 266 f. m. w. Nachw. zu überholten abweichenden Meinungen in Fußn. 1 und 3 auf S. 358; vgl. im Unters9hied dazu die schweizerische Rechtslage unten § 2, 1.2. 3 Grüfzner, Auslieferungsverbot ürid Asyirecht, S. 574; Schaeffer, S. 1; Gusy, Rspr. des BVerfG, S. 20; vgl. allgemein zur Begriffsbestimmung: Wollenschläger, in: Beitzl Wollenschläger, Handbuch I, S. 55 - 57; Kimminich, Grundprobleme, S. 1- 6. 4 Vgl. BVerfGE 74,51,57. 5 Vgl. dazu ausführlich: Hailbronner, in: Beitz I Wollenschläger, Handbuch I, S. 73 ff. und S. 123 ff.; Kimminich, BK, Art. 16, Rdnrn. 133-147. 6 Vgl. zur Schweiz unten § 2, 1.2. sowie zu anderen Staaten die Überblicke bei von Pollern, Asylrecht, S. 49-91; lahn, in: Beitz I Wollenschläger, Handbuch I, S. 150-178. 7 Zur Zulässigkeit aus völkerrechtlicher Sicht: Kimminich, BK, Art. 16, Rdnrn. 151 f.; Randelzhojer, MIDIHIS, Art. 16, Rdnr. 19. 8 Schnapp, Jura 1987, 1, 2; vgl. zur fehlenden Gerichtsbarkeit im schweizerischen Asylrecht unten § 2, 1.4.

§ 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts

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1.2. Absoluter Charakter des Asylrechts ..... -.~

Eine solche Überprüfung müßte zugunsten eines tatsächlich politisch Verfolgten ausgehen, dem die Asylgewährung allein mit der Begründung verwehrt worden ist, seine politisch-weltanschauliche Ausrichtung oder die Art seiner politischen Aktivitäten im Verfolgungsland ließen seine Asylberechtigung nicht zu. Der unzweideutige Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Art. 16 II 2 GG verbieten eine Einschränkung des begünstigten Personenkreises nach den oben genannten Merkmalen 9 oder aufgrund von vorrangigen deutschen Sicherheitsinteressen 10. Auch ein Ausschluß politisch Verfolgter von der Asylberechtigung wegen einer möglichen Erschöpfung der Aufnahrnekapazitäten der Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund des absoluten Charakters der Asylrechtsverbürgung mit Art. 16 11 2 GG in seiner derzeit gültigen Fassung nicht zu vereinbaren 11. Als vorläufiges Fazit bietet sich also die Feststellung an, daß das Asylrecht in Art. 16 II 2 GG als vorbehaltloses und grundsätzlich unbeschränkbares Individualgrundrecht ausgestaltet ist 12. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, welchen Inhalt das nach Art. 1611 2 GG zu gewährende Asylrecht hat.

2. Aus dem Inhalt des Asylrechts folgende Rechtsstellung der Asylberechtigten Dem Bedeutungsinhalt des Wortes Asyl entsprechend, soll der politisch Verfolgte durch die Gewährung des Asylrechts dem Zugriff des Verfolgerstaates entzogen werden 13. Damit steht also die Einräumung von Verfolgungsschutz im Vordergrund. Die räumliche Komponente des Asylbegriffs behält dadurch ihre Bedeutung, daß der Zufluchtstaat effektiven Verfolgungsschutz nur auf dem Territorium gewährleisten kann, das er kraft der staatlichen Gebietshoheit beherrscht (sog. externes oder territoriales Asyl) 14. Aus dieser Gebietsbezogenheit des Asylrechts ergeben sich auch die Mindestanforderungen für dessen inhaltliche Ausgestaltung. 9 BVerfGE 54, 341, 356 f.; zu der damit angesprochenen ,,Neutralität" des Asylrechts, vgl. Randelzhojer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnm. 38 -40. 10 BVerwGE 67, 184, 192; Schaeffer, S. 5 f.; Kimminich, BK, Art. 16, Rdnrn. 186189; Zuleeg, AK-GG, Art. 16, Rdnr.53; Rothkegel, GK-AsylVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 115; Gusy, Asylrecht, S. 149 ff., S. 157; a. A. Randelzhojer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnr. 41; von Pollern, Asylrecht, S. 347-349, Quaritsch, DVBl. 1987, 1118-1120. 11 BVerwGE 39, 27, 31: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht ohne Rücksicht auf ihre Zahl."; Kilian, S. 76 f.; Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 13; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1080; a. A. Randelzhojer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnr. 108; Zuleeg, AK-GG, Art. 16, Rdnr. 52; Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnr. 1150. 12 Schnapp, Jura 1987, 1; vgl. zu Begrenzungsmöglichkeiten unten 3. 13 BVerfGE 56, 216, 236; Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 275. 14 Gusy, Asylrecht, S. 10.

1. Teil: Grundlagen

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2.1. Verfolgungs- und Aufenthaltsschutz Der unverzichtbare Kerngehalt des Asylrechts beinhaltet, daß der politisch verfolgte Flüchtling weder an der Grenze des Zufluchtstaates zurückgewiesen noch in einen möglichen Verfolgerstaat abgeschoben wird 15. Dieser Einreiseund Verfolgungsschutz entspricht dem als regionales Völkergewohnheitsrecht anerkannten Prinzip des non-refoulement im engeren Sinne 16. Die mit der Asylgewährung von der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem politisch Verfolgten übernommene Schutzpflicht kann nur wirksam erfüllt werden, wenn dem Flüchtling für die Dauer der politischen Verfolgung der Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht wird. Eine Verweisung auf einen Drittstaat, in dem der Ausländer keinerlei politischer Verfolgung ausgesetzt und auch vor Abschiebung in ein Verfolgerland sicher wäre, ist nicht mit Art. 1611 2 GG vereinbar 17. Aufgrund fehlender Hoheitsgewalt wäre es den deutschen Staatsorganen nicht möglich, den mit der Asylgewährung übernommenen effektiven Verfolgungsschutz in dem Drittstaat zu garantieren. Deshalb folgt aus dem in Art. 16 11 2 GG angelegten Territorialprinzip, daß mit der Asylgewährung automatisch ein Aufenthaltsrecht verbunden ist 18. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der einfache Gesetzgeber mit § 29 I AsylVfG umgesetzt. Danach steht den Asylberechtigten vom Zeitpunkt ihrer Anerkennung an ein unbefristetes Aufenthaltsrecht vorbehaltlich der in Absatz 2 vorgesehenen Ausnahmen zu. Obwohl das Aufenthaltsrecht verfassungsrechtlich abgesichert ist, kann das Asylgrundrecht unterschiedlich stark eingeschränkt werden, je nachdem, ob der als "unverzichtbarer Kerngehalt" des Art. 16 11 2 GG bezeichnete Verfolgungs schutz 19 oder der daraus resultierende Aufenthaltsschutz durch eine staatliche Maßnahme betroffen wird. Der Inhalt des Asylrechts läßt sich jedenfalls zunächst als das Verbot der Zurückweisung an der Grenze und das Recht auf Sicherheit vor Auslieferung, Ausweisung und Abschiebung umschreiben 20 •

BVerwGE 49, 202, 205 f. Vgl. dazu Art. 33 GFK sowie: Köfner I Nicolaus. Grundlagen, S. 128-136; Kälin, Non-refoulement, S. 47 ff., insb. S. 83 - 85 sowie zum Inhalt S. 86 ff. 17 Anders: BVerwGE 49, 202, 206 f.; vgl. aber auch BVerwGE 62, 206, 210 f. 18 Gusy, Asylrecht, S. 198 f.; ders., Rechtsprechung des BVerfG, S. 19 f.; Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 284; vgl. auch BVerfGE 49, 168, 183 f. 19 BVerwGE 49, 202, 205 f. 20 So schon Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, S. 595. 15

16

§ 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts

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2.2. Verfassungsrechtliche Absicherung der Rechte im Asyl? Diese Mindestinhalte der Asylgarantie können unmittelbar aus Art. 16 II 2 GG hergeleitet werden 21. Umstritten ist jedoch die rechtsdogmatische Einordnung der darüber hinausgehenden Rechte im Asyl. Dem BVerfG zufolge wird der Umfang des politischen Asyls wesentlich von der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmt 22 . Das BVerwG beschränk das Asylgrundrecht nicht auf den oben geschilderten Kernbereich, sondern es folgert aus der humanitären Konzeption des Grundgesetzes, "daß den im Bundesgebiet aufgenommenen politisch Verfolgten grundsätzlich die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben geschaffen werden sollen, wozu in erster Linie ein gesicherter Aufenthalt sowie die Möglichkeit zu beruflicher und persönlicher Entfaltung gehören."23 Angelehnt an diese Entscheidung nimmt die herrschende Meinung im Schrifttum an, daß die über den Kernbestand hinausgehenden Rechte im Asyl zwar auf Art. 16 II 2 GG gegründet sind, aber wegen dessen insofern mangelnder Bestimmtheit der Ausformung durch den Gesetzgeber bedürfen. Dementsprechend wird auch Art. 16 II 2 GG nicht als Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung dieser Rechte herangezogen. Dennoch sollen die aus den Rechten im Asyl folgenden Maßnahmen wie Aufnahme, Hilfeleistung und Unterbringung mit der gleichen Stärke durch Art. 16 II 2 GG abgesichert sein wie der den Kernbereich ausmachende reine Verfolgungsschutz. Das Asylgrundrecht wird dabei als positives Statusrecht qualifiziert 24. Nach RandelzhoJer stellt sogar die Zulassung von Einreise und Aufenthalt eine Leistung dar 25 . Demgegenüber mißt eine Mindermeinung dem Art. 16 II 2 GG einen rein abwehrrechtlichen Charakter bei. Das Asylgrundrecht beinhalte allein die zuvor als Kerngehalt bezeichneten Garantien, die in erster Linie ein staatliches Unterlassen gebieten. Abgesehen von dem Aufenthaltsrecht folgten die Rechte im Asyl nicht einmal mittelbar aus Art. 16 II 2 GG; vielmehr leiteten sie sich aus den einfachen Gesetzen, aus dem Völkerrecht, aus dem Sozialstaatsprinzip und aus dem grundrechtlichen Schutz der Menschenwürde ab 26. Auf die tatsächliche Gewährung der Rechte im Asyl wirkt sich der Meinungsstreit bei der derzeitigen Rechtslage nicht aus. § 3 AsylVfG verweist auf die 21 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 278. 22 BVerfGE 54,341,357; 56, 216, 235; vgl. dazu Rühmann, NVwZ 1982,609,610;

krit. gegenüber diesem Ansatz: Quaritsch, Recht auf Asyl, S. 67 - 70; vgl. aber die überzeugende Gegenkritik von Rothkegel, GK-Asy1VfG, Vorb. zu § I, Rdnr. 114. 23 BVerwGE 49,202,206. 24 Rühmann, NVwZ 1982,609 f.; Wollenschläger, in: Schiederrnair / Wollenschläger, Handbuch des Ausländerrechts, Erl. 3 E, Rdnr. 38 m. w. Nachw. in Fußn. 43 und 45. 25 Randelzhojer, M/D/H/S, Art. 16, Rdnr. 117. 26 Grundlegend: Franz, Diss., S. 55 ff., insb. S. 61; zust.: Baumüller, NVwZ 1982, 222; Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § I, Rdnrn. 90 f. und 130; Rottmann, Der Staat; 1984,337,346 f. m. w. Nachw. in Fußn. 34; Pieroth I Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1076.

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1. Teil: Grundlagen

Rechtsstellung nach der GFK und auf die noch darüber hinausgehenden innerstaatlichen Leistungsrechte. Dadurch wird eine nach allen Ansichten hinreichende Ausgestaltung der positiven Rechte des Asylberechtigten vorgenommen 27 . Die Einräumung der Rechte nach der GFK dient dazu, dem Flüchtling zu einer neuen Heimat zu verhelfen. Die ihm verliehene Rechtsstellung soll dazu beitragen, seine Eingliederung und Einbürgerung in den Aufnahmestaat vorzubereiten 28. Die Vergünstigungen in der GFK betreffen in erster Linie folgende Rechte: Religionsfreiheit, Art. 4 GFK; Gleichheit mit anderen Fremden z. B. im Wohnungswesen, Art. 21 GFK; Befreiung von der Gegenseitigkeit, Art. 7 GFK; Eigentumsrechte, Art. 13 GFK; Vereinigungsrechte, Art. 15 GFK; Bestimmung des Personalstatuts nach dem Recht des Aufenthaltsstaates, Art. 12 GFK sowie Inländergleichbehandlung in bestimmten Bereichen der öffentlichen Fürsorge, Art. 22 f. GFK29. Da die GFK nur einen Mindeststandard an Rechten für Flüchtlinge bereithält, sind die den Asylberechtigten im Unterschied zu den einfachen Konventionsflüchtlingen 30 zusätzlich eingeräumten Rechte, Art. 5 GFK, § 3 11 AsylVfG, von besonderem Interesse. Vor allem in den nachfolgenden Bereichen erfahren die Asylberechtigten eine solche Meistbegünstigung: Anspruch auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis, § 2 I Nr. 3 AEVO gegenüber Art. 17 11 GFK; Bewilligung von Ausbildungsförderung, § 8 I Nr. 3 BAFöG gegenüber Art. 22 11 GFK; Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfen durch die Bundesanstalt für Arbeit, § 40 11 2 AFG, wozu die GFK keine entsprechende Regelung enthält 3l . Anhand dieses kurzen Überblicks erweist sich die den Asylberechtigten eingeräumte Rechtsposition nicht nur in aufenthaltsrechtlicher, sondern auch in wirtschafts- und sozialrechtlicher Sicht als stark dem Rechtsstandard der Inländer angeglichen 32. Jedenfalls geht ihre privilegierte Rechtsstellung wesentlich über diejenige der meisten übrigen in der Bundesrepublik lebenden Ausländergruppen hinaus.

27

Rothkegel, GK-AsylVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 124.

28 BVerwGE 38, 87, 89; 49,44,47 f.; zust.: Kötner I Nicolaus, Grundlagen, S. 147;

Schaeffer, S. 133 in Fußn. 25; differenzierend: Kimminich, Fschr. BayVGH, S. 166. 29 Vgl. dazu: Kimminich, Rechtsstatus, S. 297 -320; Hambüchen, GK-AsylVfG, § 3, Rdnm. 10-19. 30 V gl. zu dieser Unterscheidung: Kötner I Nicolaus, Grundlagen, S. 224 ff., insb. S.237. 3l Vgl. zu diesem Überblick: Hambüchen, GK-AsylVfG, § 3, Rdnr. 20. 32 So auch: lsensee, VVDSTRL 32 (1974),49, 79 m. w.Nachw. in Fußn. 71; Schaeffer, S.133.

§ 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts

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2.3. Begrenzungen des Asylgrundrechts

2.3 .1. Verwirkung Ein Asylberechtigter, der das Asylrecht zum Kampf gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung der Bundesrepulik Deutschland mißbraucht, verwirkt dieses Grundrecht, Art. 18 S. 1 GG33. Das BVerfG hat allerdings noch nie eine Verwirkung des Asylgrundrechts ausgesprochen, Art. 18 S. 2 GG34. Fraglich ist jedoch, ob neben dieser sich aus dem Verfassungstext ergebenden Einschränkungsmöglichkeit noch andere Schranken des Asylrechts denkbar sind. 2.3.2. Ausweisung

Dies ist in der Literatur umstritten. Insbesondere wird diskutiert, ob die §§ 11 11, 14 I 2 AuslG a. F., die im wesentlichen den §§ 48 I Nr. 5, 51 IV AuslG n. F. entsprechen, verfassungsmäßig sind 35.

§ 11 11 AuslG a. F. (= § 48 I Nr. 5 AuslG n. F.) ermöglichte die Ausweisung eines Asylberechtigten unter Voraussetzungen, die wesentlich enger gefaßt sind als die gegenüber nicht asylberechtigten Ausländern geltenden Bedingungen, § 10 lAusIG a. F. (= §§ 46 f. AuslG n. F.). Die Rechtsprechung wendet gegenüber Asylberechtigten die gleichen Grundsätze an wie für den Ausweisungsschutz von Ausländern, die mit deutschen Staatsbürgern verheiratet sind 36 . Damit wird der grundrechtlichen Sonderstellung dieses Personenkreises Rechnung getragen 37 . Gleichwohl schränkt die Ausweisung das Asylgrundrecht ein 38 , weil die mit ihr verbundene Ausreisepflicht das asylrechtlich verbürgte Bleiberecht aufhebt 39. Allerdings ist mit der Ausreiseaufforderung noch nicht gesagt, daß der ausgewiesene Asylberechtigte sich in den Verfolgerstaat begeben muß. Es steht ihm frei, mit welchem Ziel er der Verlassenspflicht Folge leistet. Demnach ist es noch mit Art. 16 11 2 GG vereinbar, wenn der Asylberechtigte sich in ein Drittland begeben kann, in dem er in gleichem Maße Sicherheit vor politischer Verfolgung findet wie in der Bundesrepublik. Nur dieser Verfolgungsschutz

33 Vgl. nur Kimminich, Aufenthalt, S. 138 m. w. Nachw. zu nunmehr überholten abweichenden Meinungen in Fußn. 393; von Pollern, Asylrecht, S. 344 f. 34 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr.401; Köfner / Nicolaus, Grundlagen, S.432 m. w. Nachw. in Fußn. 318. 35 Deren Verfassungsmäßigkeit verneinen z. T.: Kimminich, BK, Art. 16, Rdnrn. 294300; Gusy, Asylrecht, S. 170 ff., insb. S. 184-197; sie wird bejaht von: Randelzhofer, M / D / H / s, Art. 16, Rdnrn. 100 ff., insb. 104-107; von Pollern, Asylrecht, S. 322 ff., insb. S. 327 - 344. 36 BVerwG, DÖV 1984, 980; vgl. auch Deibel, Aktuelle Probleme, S. 155 sowie allgemein zur Ausweisung und Art. 6 GG unten § 3, 3.3. 37 Kimminich, Aufenthalt, S. 143. 38 A. A. BVerwGE 49, 202, 207. 39 Vgl. dazu oben 2.1. 3 Zimmennann

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1. Teil: Grundlagen

macht den Kernbestand des Asylrechts aus, so daß ein Zurückweichen des asylrechtlichen Aufenthaltsschutzes gegenüber schwerer wiegenden Interessen im Sinne des § 11 11 AuslG a. F. (= § 48 lAusiG n. F.) dem Grundrechtsschutz nicht zuwiderläuft 4O • 2.3.3. Abschiebung

Die Ausreise in einen Drittstaat ist aber praktisch so gut wie nie möglich. Völkerrechtlich ist allein der Heimatstaat - und damit bei Asylberechtigten definitionsgemäß das Verfolgerland - zur Aufnahme des Ausgewiesenen verpflichtet 41 • Daher muß die Ausreise durch eine Abschiebung in das Heimatland zwangsweise durchgesetzt werden. Dies ist gegenüber Asylberechtigten nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 14 I 2 AuslG a. F. (= § 51 IV AuslG n. F.) zulässig. Das BVerwG hält diese Norm für noch mit Art. 1611 2 GG vereinbar, obwohl mit der Abschiebung des Asylberechtigten in das Verfolgerland das Grundrecht in seinem Kernbestand zerstört wird 42. Auch grundsätzlich uneinschränkbare Grundrechte wie das Asylrecht müßten bei einer Kollision mit Grundrechten Dritter oder mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtswerten nach einer Abwägung im Einzelfall zurücktreten. Im Hinblick auf die zu wahrende Einheit der Verfassung, die eine wertgebundene Ordnung konstituiert, könnten absolut schrankenlose Rechte nicht anerkannt werden 43. Mit Rücksicht auf die vollkommene Zerstörung des Asylrechts durch eine Abschiebung, die nur als ultima ratio in Betracht komme, hat das Gericht die Tatbestandsmerkmale des § 14 I 2 AuslG a. F. einengend ausgelegt. Danach muß festgestellt werden, daß der abzuschiebende Asylberechtigte tatsächlich eine schwerwiegende Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, § 14 I 2 1. Alt. AuslG a. F., bzw. es muß eine Wiederholungsgefahr für die mit der zweiten Alternative zu schützenden Allgemeininteressen aus dem Verhalten des Betreffenden erkennbar sein 44 • Dem BVerwG wird darin zugestimmt, daß auch von ihrem Wortlaut her schrankenlose Grundrechte unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung durch kollidierende Grundrechte Dritter oder andere Rechtswerte mit Verfas40 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 295; Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnr. 1454; Renner, NVwZ 1983, 649, 654 ffi. w. Nachw. ZUffi Streitstand in Fußn. 58; Brunn, GKAsylVfG, § 39, Rdnrn. 3 und 57 ffi. w. Nachw. zur Rspr. 41 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 296; zur völkerrechtlichen Situation: ders., Aufenthalt, S. 32-37; von Pollern, Asylrecht, S. 337. 42 BVerwGE 49, 202, 208 f. 43 Insoweit bestätigt durch BVerfGE 49, 24, 56 f. (Kontaktsperregesetz); so schon zuvor BVerfGE 28, 243, 261 (Recht auf Kriegsdienstverweigerung). 44 BVerwGE 49,202,209 f.; vgl. dazu Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnrn. 1468 f.; Schaeffer, S. 147 sowie VG Karlsruhe, InfAusIR 1985,206,208.

§ 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts

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sungsrang begrenzt werden können 45 • Unbestritten ist desweiteren, daß die mit Hilfe des § 14 I 2 AuslG a. F. zu wahrende Sicherheit des Staates und die vom Staat zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung solche Verfassungs werte ausmachen 46 • Fraglich ist aber, ob das Asylrecht wegen seiner Besonderheiten einer solchen Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern in der vom BVerwG vorgenommenen Weise zugänglich ist. Die dem BVerwG zustimmenden Autoren halten eine Abwägung, die im Einzelfall zur Zerstörung der Asylberechtigung aufgrund entgegenstehender Sicherheitsbelange führen kann, deshalb für gerechtfertigt, weil nur damit die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung garantiert werden könnten. Die Institution des Asylrechts setze den Bestand dieser verfassungsmäßigen Ordnung voraus. Daher trage die Vernichtung der Asylberechtigung im Einzelfall dazu bei, die Asylverbürgung für alle zukünftigen Bewerber aufrecht zu erhalten 47 • Die Kritiker der Entscheidung des BVerwG bestreiten, daß es zu einer Wertekollision zwischen dem Asylgrundrecht und den übrigen Verfassungsgütern kommen kann. Im Unterschied zu den in der Rechtsprechung des BVerfG zur Einschränkbarkeit grundsätzlich schrankenloser Grundrechte behandelten Fällen, setze der Asylberechtigte, der die Voraussetzungen des § 14 I 2 AuslG a. F. erfülle, nicht sein Asylgrundrecht final gegen etwaige höherrangige Rechtsgüter ein. Andere Verfassungswerte würden daher nicht aufgrund des Grundrechtsgebrauchs beeinträchtigt. Unerheblich sei, daß Art. 1611 2 GG dem Betreffenden erst die Möglichkeit zum Aufenthalt im Bundesgebiet eröffnet habe 48 • Nicht die Asylgewährung als solche, sondern der einzelne Asylberechtigte gefährde die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Daher sei es außerhalb des Rahmens von Art. 18 S. 1 GG nicht gerechtfertigt, den mit der Asylberechtigung intendierten Schutz vollkommen zu vernichten. Es genüge vielmehr, wenn dem Sicherheitsrisiko, das in den Fällen des § 14 I 2 AuslG a. F. gegeben sei, mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts entgegengetreten werde 49. Die zuletzt angesprochenen Ahndungs- und Repressionsmittel können zur Lösung der aufgeworfenen Problematik beitragen. Solange mit innerstaatlichen Mitteln, bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung, eine Sicherheitsgefahr in gleichem Maße eingedämmt werden kann wie durch Ab45 Randelzhojer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnr. 105 sowie allgemein zu dieser Problematik: Hesse, Verfassungsrecht, Rdnrn. 308 ff., insb. 317-319; Pierothl Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 359 ff., insb. 379 und 381. 46 So ausdrücklich BVerfGE 49,24, 56 f. 47 Randelzhojer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnr. 106; ähnlich: von Pollern, Asylrecht, S. 328 und 330. 48 Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 117; ausdrücklich a. A. Randelzhojer, M/D/H/S, Art. 16, Rdnr.105. 49 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnrn. 158 f. und 299; Gusy, Asylrecht, S. 184 f.; Wollenschläger, in: Schiedermair / Wollenschläger, Er!. 3 E, Rdnr. 89 m. w. Nachw. zum Streitstand in Fußn. 180.

3*

1. Teil: Grundlagen

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schiebung, ist die Zerstörung des Asylgrundrechts nicht das unbedingt eIforderliche Mittel, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Diese Anforderung hat das BVeIfG aber zurecht für Eingriffe in grundsätzlich schrankenlose Grundrechte aufgestellt 50. Deshalb daIf ein Asylberechtigter nur in das VeIfolgerland abgeschoben werden, falls die innerstaatlichen Sicherungsmiuel versagten 51. Dieser nahezu uneingeschränkte Abschiebungsschutz läßt sich zudem mit den unerträglichen Konsequenzen einer Rückschaffung in das VeIfolgerland rechtfertigen. Im Regelfall würde die mit einer Abschiebung verbundene politische VeIfolgung zur Verletzung fundamentaler Menschenrechte bis hin zu Folter und Tod des Opfers führen. Auch insofern tritt der Unterschied zu einer Abwägung bei anderen Güterkollisionen deutlich zu Tage, bei denen das zurückweichende Rechtsgut nur in dem unbedingt eIforderlichen Maße beeinträchtigt wird 52. Demgegenüber bedingt die Abschiebung Asylberechtigter in das VeIfolgerland nicht allein die absolute Zerstörung des Asylgrundrechts, sondern sie hat auch regelmäßig die Vernichtung der asylrechtlichen Schutzgüter Leib, Leben oder persönliche Freiheit zur Folge. Diese drohenden unmenschlichen Behandlungen stellen aber eine absolute Abschiebungsschranke dar 53, die allenfalls bei dem Versagen der sonstigen Sicherheitsmechanismen durchbrochen werden kann. Ein solches Versagen ist jedoch hypothetischer Natur und nur als Konsequenz einer Notlage denkbar, so daß praktisch von einem absoluten Abschiebungsschutz für Asylberechtigte auszugehen ist 54 •

3. Politische Verfolgung als Voraussetzung der Asylberechtigung Der von Art. 1611 2 GG begünstigte Personenkreis ist in dem Tatbestand mit dem Begriff "Politisch VeIfolgte" umschrieben. Aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinnzusammenhang geht eindeutig hervor, daß damit nur politisch veIfolgte Ausländer gemeint sein können, da Deutsche insofern einen ausreichenden Schutz aufgrund von Art. 11 I und Art. 1611 1 GG genießen 55. Dementsprechend meint der grundgesetzliche VeIfolgtenbegriff den internationalen Flüchtling, d. h. eine Person, die sich freiwillig oder gezwungenermaßen in einem fremden Land aufhält und den diplomatischen Schutz des Heimatstaates nicht in Anspruch nehmen kann oder will 56. BVerfGE 49,24,58; zust.: Hesse, Verfassungsrecht, Rdnm. 318 f. Renner, NVwZ 1983,649,654. 52 BVerfGE 28, 243, 261. 53 Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnr. 1473; Weides I Zimmermann, DVBl. 1988, 461,462. 54 Ähnlich: Renner, NVwZ 1983, 649, 654; Rottmann, Der Staat 1984, 337, 356; Zuleeg, AK-GG, Art. 16, Rdnm. 51 f. 55 Vgl. nur Weides, JuS 1986,530,533 m. w. Nachw. in Fußn. 49. 56 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnm. 180, 193, 195. 50

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§ 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts

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Diese Kriterien sind notwendige, aber keineswegs hinreichende Bestandteile der Definition des "Politisch Verfolgten". Das von Art. 16 11 2 GG gewährte Asylrecht steht nur internationalen Flüchtlingen zu, die politisch verfolgt werden. Es reicht also nicht aus, daß ein Asylsuchender lediglich aus weltanschaulichen Gründen nicht mit dem im Heimatland herrschenden Regime einverstanden ist (politischer Flüchtling), sondern er kann nur als politisch Verfolgter anerkannt werden, wenn ihm bei einer Rückkehr in den Heimatstaat Maßnahmen mit politischem Charakter drohen 57. Folglich ist der politische Charakter einer Verfolgung entscheidend für die Asylberechtigung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1611 2 GG sollen nachfolgend in knapper Form bestimmt werden, wobei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug genommen wird.

3.1. Politischer Charakter der Verfolgung Politische Verfolgung als Tatbestandsvoraussetzung des Art. 16 11 2 GG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der aufgrund seiner mangelnden Schärfe die Asylvoraussetzungen nur ansatzweise umschreibt 58. Die Zurückhaltung sowohl des Verfassungs- als auch des einfachen Gesetzgebers bei der Ausformung dieses Begriffs bedingen die überragende Bedeutung der Rechtsprechungsorgane bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen. Eine Leitfunktion kommt insoweit dem BVerwG zu, das unter der Kontrolle des BVerfG, § 31 I BVerfGG, bei der Bestimmung des materiellen Asylrechts seiner Aufgabe, eine Rechtsvereinheitlichung herbeizuführen, nachkommen muß 59. In der Rechtsprechung des BVerwG wird der grundgesetzliche Begriff des "Politisch Verfolgten" in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A Nr. 2 GFK interpretiert 60. ,,Asylrechtlichen Schutz genießt danach jeder, der wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt ist oder solche Verfolgungsmaßnahmen begründet befürchtet." 61 Dem BVerfG zufolge ist eine Verfolgung dann eine politische, "wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen."62 So schon Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, S. 601. Zu Vor- und Nachteilen einer solchen Regelung: Schaejfer, S. 11 f. 59 Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 37. 60 Vgl. nur BVerwGE 49, 202, 204 f.; zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise: Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 183; Säcker, Separatismus, S. 102; Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnm. 138-142. 61 BVerwGE 67, 184, 186. 62 BVerfGE 80, 315, 334 f.; vgl. dazu: Weides I Zimmermann, DVBl. 1990,410,411 f. 57

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1. Teil: Grundlagen

Beiden Ansätzen ist die Tendenz gemeinsam, zwischen den Begriffen des "Politischen" und der "Verfolgung" zu trennen 63 • Für den Tatbestand der Verfolgung ist die Art und Intensität des Eingriffs maßgeblich, während der politische Charakter einer Maßnahme aus dem Grund für diesen Eingriff folgt 64. Eine Verfolgung wird allein wegen ihrer Motivierung durch die in Art. 1 A Nr.2 GFK genannten persönlichen Eigenschaften und Überzeugungen zur politischen 65. Indem allein dem staatlichen Zugriff wegen dieser personellen Merkmale eine asylbegründende Wirkung beigemessen wird, kommt schon dem Begriffsmerkmal "politisch" ein finales Moment zu 66 • Demgemäß liegt keine politische Verfolgung vor, wenn ein Flüchtling durch unplanmäßiges, nicht zielgerichtetes staatliches Vorgehen in seinen asylrechtlich geschützen Eigenschaften oder Überzeugungen getroffen wird. Solche unabsichtlichen Beeinträchtigungen können jedoch durchaus auf seiten des Flüchtlings eine begründete Furcht - im Sinne eines subjektiven Empfindens - auslösen, politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Da in diesem Fall auch die objektiven Umstände für eine Begründetheit der Furcht vorliegen, wären entsprechend der nach der GFK gebotenen ,,Prüfung von subjektiven und objektiven Gesamtsachverhalten" die Voraussetzungen des Art. 1 A Nr. 2 GFK gegeben 67 • Daran wird deutlich, daß mit der Anlehnung an die GFK für die Bestimmung des Begriffs "Politisch Verfolgter" nach Art. 16 11 2 GG lediglich die allgemeinen Verfolgungsgründe, nicht jedoch der gesamte Flüchtlingsbegriff übernommen werden 68. Allein die staatliche Verfolgungsmotivation ist asylerheblich, weil das Kriterium des Politischen sich nicht auf die verfolgte Einzelperson, sondern auf die gegen sie gerichtete Vorgehensweise des Staates bezieht 69. Deshalb kommt es auch für die drohende Verfolgungsgefahr bei Art. 16 11 2 GG allein auf eine objektive Beurteilung an und nicht auf das subjektive Moment der Verfolgungsangst, auf das Art. 1 A Nr. 2 GFK zusätzlich abstellt 70. Auf den staatlichen Verfolgungswillen kommt es an, weil Asylschutz denjenigen Personen zustehen soll, deren Verhalten oder Eigenschaften Anlaß für staatliche Reaktionen bilden, die aufgrund einer Anknüpfung an unveräußerliche perso63 So ausdrücklich BVerwGE 67,184,193; vgl. dazu: Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 137. 64 Randelzhofer, M / D / H / s, Art. 16, Rdnr. 22. 65 BVerwGE 55, 82, 85; vgl. die w. Nachw. zur Rspr. bei: Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. l35. 66 BVerfGE 80, 315, 335; BVerwGE 67, 184, 188; vgl. aber auch: Rothkegel, GKAsylVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 152 m. w. Nachw.; Weides / Zimmermann, DVBI. 1990, 410,412 f. 67 Köfner / Nicolaus, Grundlagen, S. 164 f. 68 Köfner / Nicolaus, Grundlagen, S. 205 f.; Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnm. 147, 149, 153; Weides / Zimmermann, DVBI. 1990,410,411. 69 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 184. 70 BVerfGE 54, 341, 359.

§ 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts

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nelle Merkmale einem grundlegenden Toleranzgebot zuwiderlaufen 71. Dementsprechend begründet das BVerwG den politischen Charakter einer Verfolgung damit, "daß kein Staat das Recht hat, Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des einzelnen aus Gründen zu gefährden oder zu verletzen, die allein in seiner politischen Überzeugung oder religiösen Grundeinstellung oder in unverfügbaren, jedem Menschen von Geburt an anhaftenden Merkmalen liegen."72 Ein dritter Ansatz bestimmt den politischen Charakter einer Verfolgung nicht mittels der schwer determinierbaren subjektiven Zielrichtung des Staates, sondern anhand der objektiv feststellbaren Art und Weise seines Vorgehens. Eine an sich zulässige staatliche Abwehrmaßnahme ist demnach politisch, wenn sie wegen einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung (Folter, Todesstrafe etc.) unverhältnismäßig ist und gegen ein absolutes Rechtsverbot verstößt1 3 • Für diese Argumentation könnte sprechen, daß Voraussetzungen und Umfang des politischen Asyls wesentlich von der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmt sind 74. Die Anwendung von Folter ist zwar eine die Menschenwürde mißachtende Behandlung 75; aber das Menschenwürdegebot dient nur als Abgrenzungskriterium, um eine asylerhebliche Verfolgung von sonstigen Nachteilen zu unterscheiden. Aus der Unverletzlichkeit der Menschenwürde folgt lediglich, daß der Schutzbereich des Art. 16 11 2 GG nicht auf asylwürdige Rechtsgüter beschränkt ist 76 • Dementsprechend ist die Schwere einer staatlichen Maßnahme nicht allein ausschlaggebend für den politischen Charakter einer Verfolgung. Ansonsten wäre eine systematisch vorgegebene Trennung der beiden Tatbestandsmerkmale in Art. 16 11 2 GG nicht möglich 77.

3.2. Verfolgungstatbestand Diese notwendige begriffliche Trennung ist aber praktisch kaum durchführbar. Die beiden Bestandteile ,,Politisch" und "Verfolgung" hängen voneinander ab und gehören innerlich zusammen 78. Systematisch sind jedoch die Verfolgungsgründe einerseits, und die Verfolgungsmaßnahmen sowie die asylrechtlich geschützten Rechtsgüter andererseits, auseinander zu halten. Diese drei Begriffsmerkmale der politischen Verfolgung verhalten sich wie folgt zueinander: Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 181; Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnr. 1164. 72 BVerwGE 67, 184, 187. 73 Marx, Menschenrechtliche Begründung, S. 193-196. 74 BVerfGE 54, 341, 357; 56, 216, 235. 75 Vgl. nur: Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 408. 76 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 215; vgl. dazu nachfolgend 3.2.4. 77 BVerwGE 67,184,193 m. w. Nachw. zu abweichenden Meinungen; insofern zust. Kötner / Nicolaus, Grundlagen, S. 444. 78 BVerwGE 55, 82, 84; vgl. auch: Schaeffer, S. 76. 71

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1. Teil: Grundlagen

Die in Art. 1 A Nr. 2 GFK aufgeführten allgemeinen Verfolgungs gründe (Rasse, Religion etc.) bzw. die Ausübung und Betätigung dieser persönlichen Eigenschaften und Überzeugungen (spezielle Verfolgungsgründe) bilden den Anlaß für eine Verfolgungsmaßnahme, die wiederum zu einem Eingriff in Rechtsgüter des Verfolgten führt 79 • Die Merkmale einer Verfolgung als einer Einschränkung der Rechtsgüter des Verfolgten 80 sollen zunächst knapp skizziert werden.

3.2 .1. Staatliche Verfolgung Als Urheber asylrelevanter Verfolgungsmaßnahmen kommen entsprechend der Schutzrichtung des Asylrechts grundsätzlich nur staatliche Organe in Frage 81. Das Asyl soll es ermöglichen, "dem Mißbrauch des staatlichen Gewaltmonopols auszuweichen"82. Die unmittelbar durch den Staat verursachte politische Verfolgung ist also stets asylerheblich 83. Demgegenüber lassen sich Abgrenzungsfragen im Hinblick auf die dem Staat zurechenbaren Verfolgungsmaßnahmen, die von nicht-staatlichen Stellen durchgeführt werden, im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht erschöpfend abhandeln 84 . Das BVerfG erkennt jedenfalls Verfolgungen durch Private als asylerheblich an, wenn der jeweilige Staat zur Schutzgewährung gegenüber dem Betroffenen entweder nicht willig oder nicht fahig ist, es sei denn, die Schutzgewährung würde die Kräfte des jeweiligen Staates übersteigen 85. In der Literatur wird die Anerkennung staatlicher Schutzunfahigkeit als Asylgrund zumeist abgelehnt. Von dem Zeitpunkt an, in dem der Staat sein Gewaltmonopol eingebüßt hat, sei kein Grund für die asylrechtlich notwendige Zurechenbarkeit nicht-staatlicher Verfolgung mehr gegeben 86.

3.2.2. Eingriff Neben der Qualifizierung als staatliche, muß die Verfolgung eine Eingriffstendenz aufweisen. Diese zielgerichtete Komponente ergibt sich schon aus dem Wortsinn des Verfolgungsbegriffs. Die Finalität schließt rein reflexhafte Auswir79

Ausführlich dazu: Kötner / Nicolaus, Grundlagen, S. 442-464, insb. S. 442.

80 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 214. 81 BVerfGE 80, 315, 334; BVerwGE 67,317, 317f.; Randelzhoter, M/D/H/ S,

Art. 16, Rdnr. 59 m. w. Nachw. in Fußn. 133; Schwäble, DÖV 1987, 183, 184. 82 Rothkegel, GK-Asy1VfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 160. 83 Vgl. zu den dafür in Frage kommenden Formen: Kötner / N icolaus, Grundlagen, S.434-436. 84 Ausführlich: Rothkegel, GK-AsylVfG, Vorb. zu § 1, Rdnrn. 157-171 und 198206 m. w. Nachw. 85 BVerfGE 80, 315, 335 f. 86 Randelzhoter, M / D / H / s, Art. 16, Rdnr. 62; Quaritsch, Recht auf Asyl, S. 99 ff.; Schwäble, DÖV 1987, 183, 188, die vor allem Kritik an den Ausführungen in BVerwGE 67,317, 320f. üben. A. A. Kötner/ Nicolaus, Grundlagen, S. 439 f. m. w. Nachw. in Fußn. 15; Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 217,220.

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kungen staatlicher Maßnahmen, die bei den Betroffenen durchaus eine begründete Verfolgungsfurcht hervorrufen können, aus dem asylerheblichen Bereich aus 87 • Die Hauptbedeutung des Eingriffsmerkmals beruht darauf, daß anhand dieses Kriteriums die allgemein mit dem jeweils herrschenden politischen System Unzufriedenen oder die von generellen Unglücksfolgen betroffenen Staatsbürger von denjenigen unterschieden werden können, die politischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind 88 •

3.2.3. Persönliche Betroffenheit Eng zusammenhängend, aber nicht identisch mit dem Eingriffserfordernis, ist die Frage nach der subjektiven Betroffenheit des einzelnen von einer Maßnahme 89 • Die persönliche Betroffenheit durch Verfolgungshandlungen ist grundsätzlich notwendig für eine Asylgewährung. Das Asylrecht in Art. 16 11 2 GG ist, anders als nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz 90 , nicht im Hinblick auf Gruppen von Flüchtlingen, sondern für Einzelpersonen konzipiert 91 • Die Individualbezogenheit eines Eingriffs ist unproblematisch, wenn er zielgerichtet und individualisiert gegen den Asylbewerber gerichtet ist 92 • Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich bei der Verfolgung ganzer Gruppen von Menschen oder auch hinsichtlich der Auswirkungen, die ein staatlicher Zugriff auf ein Familienmitglied für die übrigen Angehörigen hat. Auf diese Thematik wird jedoch an späterer Stelle ausführlich eingegangen 93.

3.2.4. Eingriffsintensität Definiert man Verfolgung als Rechtsgutbeeinträchtigung, so ist zu fragen: welche Individualrechtsgüter weisen einen asylerheblichen Charakter auf und wie schwer muß der Eingriff in diese Schutzgüter wiegen? Eine Beschränkung auf bestimmte "asylwürdige" Rechtsgüter hat das BVerfG abgelehnt 94 • Es sieht vielmehr eine abgestufte Ordnung vor, nach der eine Verletzung der Elementarrechtsgüter Leib, Leben oder persönliche Freiheit immer eine Rothkegel, GK-AsylVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 153. Vgl. dazu: Schaeffer, S. 85 -88 sowie zur asylrechtlichen Unbeachtlichkeit allgemeiner Unglücksfolgen nunmehr § 11 I AsylVfG. 89 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 223. 90 Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.7.1980, BGBl. I, S. 1057; vgl. dazu Wollenschläger, in: Schiedermair / Wollenschläger, Erl. 3 E, Rdnm. 409-427 sowie ausführlich die Dissertation von Wiestner. 91 Köfner / Nicolaus, Grundlagen, S. 498. 92 Randelzhofer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnr. 53. 93 Zu der "Drittbetroffenheit" von Familienangehörigen vgl. unten § 6, 3.1. 94 BVerfGE 54, 341, 357 (Hervorhebung dort). 87

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1. Teil: Grundlagen

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asylerhebliche Rechtsgutbeeinträchtigung ausmacht. Als andere asylrechtlich geschützte Bereiche zählt das Gericht beispielhaft die freie Religionsausübung und die ungehinderte berufliche und wirtschaftliche Entfaltung auf. "Soweit nicht eine unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder persönliche Freiheit besteht, können Beeinträchtigungen der bezeichneten Rechtsgüter allerdings ein Asylrecht nur dann begründen, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatlandes aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben."95 Das Menschenwürdegebot und das den Betroffenen im Verhältnis zu anderen auferlegte "Sonderopfer" dienen als Maßstab, um die Asylerheblichkeit von Eingriffen zu bestimmen, die sonstige Rechtsgüter beeinträchtigen. Ein "Sonderopfer" liegt vor, wenn der Staat einer bestimmten Person ein Recht nicht einräumt, das den übrigen Staatsbürgern allgemein aufgrund des dort herrschenden Systems zusteht. Dies führt zu einer vergleichsweise schwereren Belastung dieser Person und damit zu einer asylerheblichen Eingriffsintensität 96 . Die neben dem "Sonderopfer" für die Asylerheblichkeit einer Rechtsgutverletzung notwendige Verletzung der Menschenwürde ruft weitere Abgrenzungsschwierigkeiten hervor. Der Begriff Menschenwürde kann allgemein unter Rückgriff auf die Wertordung des Grundgesetzes bestimmt werden. Alle speziell ausgewiesenen Freiheiten des Grundrechtskatalogs weisen einen Menschenwürdegehalt auf, der die absolute Wertgrenze eines jeden Einzelgrundrechts bildet 97 . Angewendet auf das vom BVerfG angeführte Beispiel der freien Religionsausübung, ist die absolute Wertgrenze des Art. 4 I GG folgendermaßen zu bestimmen: Die Abschaffung oder wesentliche Einschränkung der Rechte der Glaubensund Gewissensfreiheit oder des Rechts auf religiöse und weltanschauliche Bekenntnisfreiheit - etwa für eine bestimmte religiös orientierte Gruppe - stellt deshalb eine Verletzung der Menschenwürde der Betroffenen dar, weil damit das zum menschlichen Wesen gehörende "Denken und Reden des Menschen in weltanschaulichen Bereichen"98 in unangemessener Weise behindert wird. Der Kerngehalt der Einzelgrundrechte des Grundgesetzes kann herangezogen werden, um die asylerhebliche Eingriffsintensität zu bestimmen, ohne daß dadurch der bundesdeutsche Grundrechtsstandard auf die andersgeartete rechtliche und tatsächliche Situation im Herkunftsland des Asylsuchenden übertragen wird 99. Der Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sich auf 95 BVerfG, a. a. O.

Köfner I Nicolaus, Grundlagen, S. 467 -469, insb. 468, 508 f. 97 Grundlegend: Dürig, M / D / H / S, Art. 1, Rdnm. 73 ff., insb. 80 f. 98 Herzog, M / D / H / S, Art. 4, Rdnm. 11 f.; vgl. allgemein zur Beziehung der Glaubensfreiheit zum Menschenwürdegebot BVerfGE 32, 98, 108 sowie zum asylrechtlichen Bezug: BVerfGE 76, 143, 158 f.; BVerwGE 74, 31, 38 ff.; Köfner I Nicolaus, Grundlagen, S. 480 f. 96

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die definitorischen Erkenntnisse, die bei der innerstaatlichen Rechtsanwendung für die begriffliche Ausfüllung des Kriteriums Menschenwürde gewonnen worden sind. Der Begriff Menschenwürde an sich folgt nicht aus innerstaatlichen Wertvorstellungen und Definitionen, sondern er gehört zum Allgemeingut der Völkergemeinschaft 100. Der angesprochene Schutzbereich markiert eine vorstaatliche Zone, die der Disposition eines jeden Staates entzogen ist 101. Deshalb führt nicht erst eine innerstaatliche Positivierung der jeweiligen Freiheiten bei einem entsprechenden Eingriff zu einer asylerheblichen Rechtsgutverletzung. Nach dem hier vertretenen Verständnis von einem absoluten Menschenwürdebegriff verbietet es sich demnach, die Menschenwürde in verschiedenen Gesellschaften mit verschiedenen Inhalten zu interpretieren 102. Ein Eingriff in Rechtsgüter, die nicht zu dem absolut geschützten Bereich von Leib, Leben und persönlicher Freiheit gehören, weist also unter den folgenden Bedingungen eine asylerhebliche Intensität auf: Die staatlichen Maßnahmen müssen den Verfolgten über das allgemein in dem Herkunftsland hinzunehmende Maß hinaus beeinträchtigen und ihn in seiner Menschenwürde verletzen. Mit "und" ist gemeint, daß eine Sonderbehandlung allein nicht ausreicht, sondern eine Menschenwürdeverletzung hinzukommen muß. Umgekehrt bedeutet dies jedoch nicht, daß eine generell menschenverachtende staatliche Praxis wegen des fehlenden "Sonderopfers" die Asylerheblichkeit des Eingriffs ausschließt 103. Denn das Menschenwürdegebot stellt insofern eine absolute Schranke dar. Auch wenn der Staatsterror sich gegen die gesamte Bevölkerung richtet, haben nicht alle derart Betroffenen einen Asylanspruch. Denn die staatliche Vorgehensweise gegenüber dem einzelnen muß an asylerhebliche Merkmale anknüpfen 104. Daran zeigt sich einmal mehr, daß Art. 16 11 2 GG die Gruppe der politisch verfolgten Flüchtlinge aufgrund historischer Erfahrungen besonders privilegiert, ohne alle in ihrer Menschenwürde verletzten Personen in den Schutzbereich mit einzubeziehen 105.

99 Vgl. zur Unzulässigkeit einer solchen Vorgehensweise: Baumüller, B / B / F / H, Vorb. zu § 1 AsylVfG, Rdnrn. 52 f.; Randelzhofer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnrn. 35, 47; Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 178; Schnapp, Jura 1987,1,2. 100 Köfner / Nicolaus, Grundlagen, S. 469 f. 101 Vgl. allgemein zu diesem Ansatz aus dem liberal-rechtsstaatlichen Grund- und Menschenrechtsverständnis heraus: Rottmann, Der Staat 1984, 337, 351; Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr.277. 102 A. A. Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 178 m. w. Nachw. 103 So auch: Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr. 177. 104 BVerfGE 80, 315, 333. 105 Vgl. dazu: Säcker, Separatismus, S. 103, 116; Rühmann, NVwZ 1982,609,610; Kilian, S. 79.

1. Teil: Grundlagen

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3.3. Verfolgungsgefahr Die Charakterisierung der Verfolgung als Eingriff in Rechtsgüter des Verfolgten macht deutlich, daß entsprechend der Schutzrichtung des Asylrechts nicht nur eine schon erlittene Verfolgung den Asylanspruch begründet. Soll Art. 16 11 2 GG seine umfassende Schutzfunktion erfüllen, so muß auch eine drohende politische Verfolgung die Asylberechtigung herbeiführen. Deshalb liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, wenn dem Asylsuchenden im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht 106 • Diese Prognose umfaßt den gegenwärtigen und den unmittelbar bevorstehenden Zeitraum im Hinblick auf die Entwicklung im Herkunftsland lO7 • Das BVerwG versteht beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne von überwiegender Wahrscheinlichkeit, so daß es aufgrund der tatsächlichen Feststellungen wahrscheinlicher sein muß, daß verfolgt werden wird, als daß keine Verfolgung bevorsteht 108.

4. Verfahrensabhängigkeit des Asylgrundrechts Das Asylgrundrecht steht unter einem Verfahrensvorbehalt, der den asylrechtlichen Schutzbereich nicht einschränkt. Er bewirkt jedoch, daß das Grundrecht als Status nicht vor der Anerkennung in vollem Umfang in Anspruch genommen werden kann 109. Das Asylrecht gelangt also erst durch ein Grundrechtsfeststellungsverfahren zu seiner vollen Wirkung. Ebenso wie bei dem Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung, Art. 4 III GG, dient das Verfahren der Abgrenzung des Personenkreises der Grundrechtsträger, so daß sich die Notwendigkeit der verfahrensrechtlichen Regelungen unmittelbar aus dem Grundrecht selbst ergibt 110. Auf einfachgesetzlicher Ebene verdeutlicht die Bindungswirkung der Anerkennungsentscheidung des Bundesamtes nach § 18 S. 1 AsylVfG, daß die Eigenschaft als Grundrechtsträger für alle relevanten Rechtsbereiche verbindlich festgestellt werden muß. Uneinigkeit herrscht zwischen den Vertretern der rein abwehrrechtlichen und denjenigen der leistungsrechtlichen Konzeption des Asylgrundrechts 111 hinsichtlieh der Grundsätze, nach denen das Anerkennungsverfahren auszugestalten ist 112. Vgl. nur BVerwGE 71, 175, 177 f. m. w. Nachw. Vgl. BVerwG, Buchholz, 402.25 Nr. 53 zu § 1 AsylVfG. 108 BVerwG, VBlBW 1986, 60 f. mit insofern krit. Anm. von Kimminich, ebenda S. 61 ff.; insoweit ebenfalls ablehnend: Schwäble, DÖV 1987, 183, 190. 109 BVerfGE 60, 253, 295, krit. zu dieser Einschränkung: Gusy, Rspr. des BVerfG, S. 35 f. 110 Rottmann, Der Staat 1984, 337, 345. 111 Vgl. dazu oben 2.2. 112 Rothkegel, GK-AsylVfG, Vorb. zu § 1, Rdnr.67 mit ausführlicher Darstellung der jeweiligen Unterschiede in Rdnrn. 68 - 89. 106 107

§ 1 Grundzüge des bundesdeutschen Asylrechts

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Auf die sich daraus ergebenden Unterschiede im Hinblick auf das Verfahren und die Rechtsstellung der Asylsuchenden soll nachfolgend insoweit eingegangen werden, als es für den weiteren Verlauf der Arbeit notwendig erscheint.

4.1. Wirkung der Anerkennungsentscheidung Das BVerfG mißt dem Anerkennungsakt eine "gleichsam konstitutive Wirkung" bei 113. Diese Charakterisierung wird wegen der rein formellen Bedeutung der Anerkennungsentscheidung entweder als zu eng angesehen 114, oder sie wird lediglich als Hinweis auf die Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts aufgefaßt 115. In der Tat ist aufgrund der materiellen Fassung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1611 2 GG schon derjenige Grundrechtsträger, der als politisch Verfolgter mit dem Ziel der Schutzsuche in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gelangt 116• Die Anerkennung hat somit hinsichtlich dieses Verfolgungs schutzes als dem Kernbereich des Asylgrundrechts nur eine deklaratorische Wirkung 117 •

Kimminich hat diesen Vorgang zutreffend so umschrieben, daß die Anerkennung den Rechtsstatus als Asylberechtigter nicht erst schaffe, sondern lediglich bestätige 118. Somit hat jeder tatsächlich politisch Verfolgte das Asylrecht von Anfang an inne, aber es entfaltet aufgrund des Verfahrensvorbehalts seine volle Wirkung erst nach positivem Ausgang des Anerkennungsverfahrens 119. Deshalb ist es gerechtfertigt, terminologisch zwischen Asylberechtigten und Asylbewerbern zu unterscheiden. "Asylberechtigte sind diejenigen politisch Verfolgten, die eine rechtskräftige Anerkennung besitzen; Asylbewerber sind diejenigen, deren Anerkennungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist." 120 Da die Anerkennung automatisch dazu führt, daß die positiven Leistungsrechte nach § 3 AsylVfG eingeräumt werden, weist die Entscheidung des Bundesamtes in diesem über den Kernbereich des Asylgrundrechts hinausgehenden Bereich einen konstitutiven Charakter auf l21 • Hinsichtlich dieser Rechte im Asyl, die der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit offenstehen, geht die Rechtsstellung der Asylberechtigten über diejenige der Asylbewerber zulässigerweise hinaus 122. 113 BVerfGE 60,253,295; vgl. dazu: Gusy, Rspr. des BVerfG, S. 32- 37 m. w. Nachw. zum Meinungsstand. 114 Randelzhojer, M f D f Hf s, Art. 16, Rdnr. 118 m. w. Nachw. in Fußn. 314. 115 Rothkegel, GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1 AsylVfG, Rdnr. 87. 116 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr.307; Randelzhojer, M f D f H f s, Art. 16, Rdnr. 118; Müller, in: Beitz f Wollenschläger, Handbuch II, S. 393. 117 H. M., vgl. nur: von Pollern, Asylrecht, S. 291 m. w. Nachw. in Fußn. 213 auf S. 374 f. 118 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 307. 119 Gusy, Asylrecht, S. 263. 120 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 356. 121 Rothkegel, ·GK-AsyIVfG, Vorb. zu § 1 AsylVfG, Rdnr. 89. 122 Randelzhojer, M f D f H f s, Art. 16, Rdnr. 118.

1. Teil: Grundlagen

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4.2. Rechtsstellung bis zur Anerkennung Die aufenthaltsrechtliche Stellung der Asylbewerber ist in §§ 19 ff. AsylVfG geregelt. Das Rechtsinstitut der Aufenthaltsgestattung, §§ 19 I, 20 I AsylVfG, zeichnet sich dadurch aus, daß das darin verbürgte Bleiberecht kraft Gesetzes mit der AsylantragsteIlung entsteht, und nicht wie eine ausländerrechtliche Aufenthaltserlaubnis von dem Erlaß eines Verwaltungsaktes abhängt l23 • Damit entspricht das einfache Recht dem Art. 1611 2 GG, aus dem ein vorläufiges Bleiberecht folgt, das den Antragsteller bis zum endgültigen Verfahrensabschluß vor zwangsweisen Entfernungen aus dem Bundesgebiet schützt 124. Dieser vorläufige Schutz ist notwendig, um den Vorfolgungsschutz als den Kernbestand des Asylgrundrechts zu garantieren 125. Da die Anerkennungsentscheidung insofern nur einen feststellenden Charakter aufweist, ist es ungenau, die Rechtsstellung der Asylbewerber lediglich als Vorwirkung des Asylgrundrechts zu bezeichnen 126. Die später anerkannten Asylberechtigten sind schon mit dem Betreten des Bundesgebietes Grundrechtsträger, während den rechtskräftig abgewiesenen Asylbewerbern das Asylrecht auch vor der Entscheidung nicht zustand. Demnach kann man allenfalls von einer Ausstrahlungswirkung des Art. 16 11 2 GG auf die Rechtsstellung im Verfahren spreehen 127. Aus dem Asylgrundrecht selbst ergibt sich für den Asylbewerber derjenige Schutz, der nötig ist, damit das ihm möglicherweise zustehende Asylrecht nicht gefahrdet oder vereitelt wird 128. Aus asylrechtlicher Sicht ist demnach allein der Verfolgungsschutz erforderlich, so daß das Aufenthaltsrecht des Asylbewerbers stärkeren Beschränkungen unterworfen werden kann als dasjenige des Asylberechtigten, §§ 2011,23 AsylVfG 129. Da das Asylgrundrecht erst mit der Anerkennungsentscheidung seine volle Wirksamkeit entfaltet, ist es zudem gerechtfertigt, die mit der Rechtsstellung nach § 3 AsylVfG verbundenen Vorteile den Asylbewerbern vorzuenthalten. Einige dieser Beschränkungen für Asylbewerber sind mit dem Gesetz vom 6. Januar 1987 130 für diejenigen Antragsteller entfallen, die in mindestens einer 123

Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr.291.

BVerfGE 56, 216 (Ls.), 242-244. Gusy, Rspr. des BVerfG, S. 48. 126 So aber: Hanisch, DVBI. 1983, 415; Hambüchen, GK-AsylVfG, § 3, Rdnr.22; vgl. auch: Weber, NJW 1983, 1225, 1228 m. w. Nachw. in Fußn. 39; Kilian, S.80 m. w. Nachw. in Fußn. 34. 127 Kimminich, BK, Art. 16, Rdnr. 30. 128 BVerfGE 67, 43, 59; BVerwGE 62, 206, 211; zust.: Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnr.1343. 129 Randelzhojer, M / D / H / S, Art. 16, Rdnr. 123. 130 BGBI. I, S. 89. 124

125

§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

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Instanz - wenn auch noch nicht rechtskräftig - als Asylberechtigte anerkannt worden sind. Von diesem Zeitpunkt an erlischt etwa die Pflicht zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft, § 23 11 AsylVfG, oder das regelmäßig fünf Jahre betragende Arbeitsverbot, § 19 I c AFG. Durch diese Neuregelung sollte die Rechtsstellung der sog. "bona-fide" Flüchtlinge verbessert werden 131. Der Vergleich zwischen der Rechtsstellung des Asylberechtigten 132 und derjenigen des Asylbewerbers ergibt somit, daß sich die Familienangehörigen der jeweiligen Personengruppen in unterschiedlich starkem Maße auf die Asylrechtsgarantie stützen können, wenn sie selbst kein Asylrecht beanspruchen (können). Denn für diese Familienmitglieder bildet das asylrechtlich verbürgte Bleiberecht ihres Angehörigen den entscheidenden Anknüpfungspunkt, um die Familieneinheit im Bundesgebiet verwirklichen zu können.

§ 2 Grundzüge des sCDweizerischen Asylrechts 1. Verfassungsrechtliche Bezüge des Asylrechts Im Gegensatz zum Grundgesetz enthält die schweizerische Bundesverfassung keine materiellen Regelungen zum Asylrecht. Trotzdem ist es zum besseren Verständnis der traditionell gewachsenen Asylrechtspraxis in der Schweiz unumgänglich, die einzige Bestimmung zum Asyl in der Verfassung, Art. 69ter I1lit. d, näher zu betrachten (Ziff. 1.1.). Hieraus erschließt sich unter anderem das Fehlen eines Individualanspruchs auf Asylgewährung (Ziff. 1.2.), das auch für den asylrechtlichen Schutz der gesamten Flüchtlingsfamilie bedeutsame Konsequenzen mit sich bringt.

Das Schweigen der Verfassung zu materiellen Asylrechtsgarantien wird zum Teil dadurch kompensiert, daß die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen eine staatspolitische Maxime ausmacht (Ziff. 1.3). Der dadurch hervorgehobene politische Charakter der Asylgewährung wird durch das Fehlen einer Gerichtsbarkeit in Asylsachen unterstrichen (Ziff. 1.4). Aufgrund der fehlenden Justiziabilität von Asylentscheiden können auch Familienangehörige eines anerkannten Flüchtlings ihr Verlangen, die Familieneinheit in der Schweiz herzustellen, nur eingeschränkt durchsetzen.

131 132

BT-Drs. 10/6416, S. 26. Vgl. dazu oben 2., insb. 2.2.

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1. Teil: Grundlagen

1.1. Die Kompetenznorm des Art. 69ter BV Obwohl die Schweiz auf eine jahrhundertealte Asyltradition zurückschauen kann 1, findet sich weder in der Bundesverfassung von 1848 noch in der von 1874 eine asylrechtliche Regelung. Erst im Jahre 1925 wurde im Rahmen der Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet des Fremdenpolizeirechts der Art. 69ter eingefügt 2 , der folgendermaßen lautet: 1. Die Gesetzgebung über Ein- und Ausreise, Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer steht dem Bunde zu. 2. Die Entscheidung über Aufenthalt und Niederlassung treffen nach Maßgabe des Bundesrechts die Kantone. Dem Bunde steht jedoch das endgültige Entscheidungsrecht zu gegenüber: ... d) Verweigerung des Asyls.

Der Gesetzeswortlaut läßt nur auf eine Kompetenz des Bundes schließen, wenn zuvor die Kantone das Asyl verweigert haben. Doch es war schon vor Inkrafttreten des Art. 69ter BV und es ist auch heute noch unbestritten, daß dem Bund in jedem Fall die Kompetenz zur Asylgewährung zukommP. Daraus folgt aber auch, daß der Bund die mit einer Aufnahme von Flüchtlingen verbundenen finanziellen Lasten tragen muß 4. Vor 1925 wurde diese Befugnis auf die aus Art. 85 Ziff.5 BV und Art. 102 Ziff. 8 BV folgende Zuständigkeit des Bundes in außenpolitischen Fragen gestützt 5 , die selbst heute noch als kompetenzbegründend angesehen wird 6 • Neben dieser außenpolitischen Tragweite der Asylgewährung ist eine verfassungsrechtlich abgesicherte Bundeskompetenz in Asylangelegenheiten notwendig, weil damit Fragen der inneren und äußeren Sicherheit verknüpft sind. Zudem führt eine bundesweit einheitliche Handhabung zu mehr 1 Vgl. dazu: Schüreh, ZBJV 1968, 241, 245 ff.; Furgler, S. 12 ff.; Caloz-Tschopp, S. 21 ff.; Botschaft, BBl1977 III, Ziff. 112; Kälin, Grundrechtsschutz, S. 164; von Pollern, Asylrecht, S. 58, m. w. Nachw. in Fußn. 175 auf S. 206; Moutinot, S. 150 f. 2 Schüreh, ZBN 1968,241, 248; Poncet I Neyroud, S. 61, Ziff. 118; Furgler, S. 14; Moor I Ho/stetter, S. 29; allgemein zur Entstehungsgeschichte des Art. 69ter BV: Kammermann, Familiennachzug, S. 60 ff.; Haverland, S. 147 f. 3 Schüreh, ZBJV 1968,241,248; Lieber, Entwicklung, S. 266 u. S. 309 in Fußn. 3; Haug, S. 264; Eckert, S. 58; Poncetl Neyroud, S. 61, Ziff. 118; Botschaft, BB11977 III, Ziff. 114.1; Furgler, S. 11 f.; Dutoit, S. 57 in Fußn. 9; Kälin, Non-refoulement, S. 264; ders., Grundrechtsschutz, S. 164 in Fußn. 9; allgemein zu Art. 69ter 11 BV: Kammermann, Familiennachzug, S. 84 m. w. Nachw. in Fußn. 112. 4 Lieber, Entwicklung, S. 266 bei Fußn. 24; Poncetl Neyroud, S. 61, Ziff. 118; Botschaft, BBlI977 III, Ziff. 124; vgl. heute: Art. 31 u. 33 AsylG u. dazu: Hess, ZöF 1984, 180. 5 Schüreh, ZBN 1968,241,248; Lieber, Entwicklung, S. 265 in Fußn. 20; Eckert, S.58; Poncet I Neyroud, S.61, Ziff. 118 sehen in dem Fehlen einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Regelung deshalb kein Hindernis für die Bundeskompetenz in Asylsachen, weil auch ein anderes staatspolitisches Prinzip - der Grundsatz der politischen Neutralität - nicht in der Verfassung festgeschrieben ist. Vgl. dazu auch: Kälin, Grundrechtsschutz, S. 165 m. w. Nachw. in Fußn. 17. 6 Kälin, Non-refoulement, S. 264.

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Rechtssicherheit für die Flüchtlinge 7. Schließlich entspricht allein diese Kompetenzaufteilung der in der Schweiz vorherrschenden Auffassung, daß das Asylrecht ein Recht des Staates gegenüber anderen Staaten 8 ist, so daß nur der Bund Träger des Asylrechts sein kann. Da es sich bei Art. 69ter 11 lit. d BV nur um eine Kompetenznorm handelt, die zudem eine Ausnahmebestimmung gegenüber der grundsätzlich kantonalen Zuständigkeit für die Anwendung des Ausländerrechts darstellt 9 , läßt sich daraus keinerlei materielle Aussage für die Regelung des Asylrechts entnehmen. Dies wird allgemein bedauert 10. Dennoch wurde in Art. 69ter II lit. d BV eine ausreichende Grundlage gesehen, um darauf gestützt eine umfassende gesetzliche Kodifizierung des Asylrechts vornehmen zu können. Ein solches Gesetzeswerk ist mit dem AsylG vom 5. Oktober 1979 verabschiedet worden 11. Gleichzeitig steckte der rein organisatorische Charakter dieser Verfassungsnorm aber die Grenzen für die Ausgestaltungsfreiheit in bezug auf das AsylG ab.

1.2. Kein subjektives Recbt auf Asyl Nach h. M. ergibt sich aus Art. 69ter 11 lit. d BV keine hinreichende Basis für die Einführung eines subjektiven öffentlichen Rechts des einzelnen auf Asylgewährung 12 wie sie von einigen Stimmen gefordert worden war 13. Damit ein als Individualrecht ausgestaltetes Asylrecht gleichberechtigt neben anderen Grundrechten bestehen könnte, hätte es einer verfassungsrechtlichen Verankerung als subjektives Recht bedurft 14. Eine solche Grundlage ist auch nicht in Art. 16 I des Verfassungsentwurfs vorgesehen, der von der Expertengruppe für die Vorbereitung einer Totalrevision Lieber, Entwicklung, S. 266. Schüreh, ZBN 1968, 241, 243, 247; Lieber, Entwicklung, S. 264; Haug, S. 263; Eckert, S. 38,45; Botschaft, BB11977 III, Ziff. 113 u. 124; Amt!. Bull. N v. 13.12.1978, S. 1831, Bundesrat Furgler; von Pollern, Asylrecht, S. 58 bei Fußn. 178; Furgler, S. 15; Hadorn, Asylgesetz, S. 96; Bersier, Droit d'asile, S. 17; ders., Statut juridique, S. 6; Eriksson, S. 171; Schmid-Winter, S. 31; krit.: Caloz-Tschopp, S. 65 f. 9 Metzger / Gramlieh, ZRP 1985, 258, 259. 10 Moser, ZSR 1967 11, 325, 448 in Fußn. 299; Schüreh, ZBJV 1968, 241, 248; Lieber, Entwicklung, S. 309 f. 11 Botschaft, BBl 1977 III, Ziff. 124; Furgler, S. 11 f.; Lieber, ZBI 1981, 49, 50; Wüthrich, S. 5, Ziff. 22. 12 Botschaft, BBl 1977 III, Ziff. 124; Lieber, Entwicklung, S.31O; ders., AWRBulletin 1980, 197, 198; ders., ZBI 1981, 49, 50; ders., ZAR 1983, 18, 19; Furgler, S. 15; Dutoit, S. 57; Kälin, Non-refoulement, S. 264 in Fußn. 3; Kaufmann, Asylbewerber, S. 10 m. w. Nachw. in Fußn. 42. 13 Lieber, Entwicklung, S. 310 f. m. w. Nachw. in Fußn. 8; vg!. ansonsten die w. Nachw. bei: von Pollern, Asylrecht, S. 59 bei Fußn. 190-193 u. Kaufmann, Asylbewerber, S. 11 bei Fußn. 47. 14 Lieber, Entwicklung, S. 310. 7

8

4 Zimmermann

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1. Teil: Grundlagen

der Bundesverfassung am 23. Februar 1978 vorgelegt worden ist l5 • In diesem Artikel heißt es vielmehr: ,,Flüchtlingen wird nach Gesetz Asyl gewährt." 16 Aus folgenden Gründen wird es abgelehnt, vorbehaltlos einen subjektiven Anspruch auf Asyl einzuräumen: Da die Aufnahmekapazität eines kleinen Landes wie der Schweiz schnell erschöpft sein könnte, sei es ein Gebot der "Verfassungsredlichkeit", nicht einen Rechtsanspruch zu verheißen, der vor allem in Krisenzeiten nicht erfüllt werden könne 17. Weiterhin wird befürchtet, daß ein Individualanspruch eine restriktivere Formulierung des Flüchtlingsbegriffs mit sich bringen müßte 18. Für die Flüchtlinge vorteilhaft sei insofern allein die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit, die aber zum Teil unüberwindbare praktische Schwierigkeiten mit sich bringe, wie die Rechtsanwendung in der Bundesrepublik Deutschland zeige 19. Auch referendumspolitische Bedenken führten mit zum Verzicht auf ein subjektives Asylrecht 20.

1.3. Asylgewährung als staatspolitische Maxime Obwohl es an einem Individualrecht auf Asyl fehlt, wird die schweizerische Asylpraxis als liberal bezeichnet 21 , da in der Schweiz die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen als staatspolitische Maxime gelte 22. Als staatspolitische Maxime 15 Vgl. dazu: Botschaft, BBl1977 m, Ziff. 124; Lieber, ZBl1981,49, 50; von Pollern, Asylrecht, S. 60; Kälin, Grundrechtsschutz, S. 164 in Fußn. 9; Kaufmann, Asylbewerber, S. 11 mit Hinweisen zu Art. 29 des von A. Kölz und J. P. Müller vorgelegten ,,Entwurfs für eine neue Bundesverfassung vom 16.5.1984", der für den Asylbereich ebenfalls nur eine Kompetenzregelung zugunsten des Bundes vorsieht. 16 Im Schlußbericht der Arbeitsgruppe von 1973, S. 89, waren noch folgende verfassungsrechtliche Regelungen des Asylrechts als möglich angesehen worden: - Gewährung des Asylrechts als Grundrecht des einzelnen politisch Verfolgten; - Gewährleistung des subjektiven Rechts auf der Verfassungsstufe, aber nach Maßgabe der Gesetzgebung; - Allgemeiner Gesetzgebungsauftrag an den Gesetzgeber zur Regelung des Asylrechts; - Bisherige Lösung, Asylgewährung als weitherzige Maxime schweizerischer Politik. 17 Botschaft, BBl1977 m, Ziff. 124; vgl. auch die Begründungen der Expertenkommission zu Art. 16 I des Verfassungsentwurfs, S.42; von Pollern, Asylrecht, S. 60 bei Fußn. 198; Kaufmann, Asylbewerber, S. 11 f. bei Fußn. 45; Lieber, ZBI 1981,49,50 in Fußn. 13; ders., AWR-Bulletin 1980, 197, 198 in Fußn. 11. Beide sehen damit aber nicht die "Verfassungsredlichkeit" gewahrt, da Art. 16 des Entwurfs in den Grundrechtsteil eingefügt ist. 18 Schüreh, ZBN 1968, 241, 245; Botschaft, BBI 1977 m, Ziff. 124; Lieber, ZBI 1981,49,51 bei Fußn. 20 unter Hinweis auf die Asylpraxis in den Ländern, die einen solchen Individualanspruch kennen, wie etwa die Bundesrepublik Deutschland. 19 Furgler, S. 16. 20 Lieber, ZBl1981, 49, 51; ders., AWR-Bulletin 1980, 197, 198; ders., ZAR 1983, 18, 19. 21 Haug, S.282; Poncet I Neyroud, S.64, Ziff. 122; Lieber, Entwicklung, S.311; Furgler, S. 15 f.; vgl. auch bei von Pollern, Asylrecht, S. 60 bei Fußn. 198. 22 Haug, S. 264; Kälin, Grundrechtsschutz, S. 164; Bethäuser, AWR-Bulletin, 1984, 113,116; ders., ZRP 1986, 129, 131.

§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

51

umschreibt man die "außerrechtliche, politisch bedingte Bindung an eine Tradition, die als tief im Volksbewußtsein verankerter Ausfluß des schweizerischen Freiheitsgefühls gedeutet wird"23. Der rein außerrechtliche Charakter einer Asylgewährung kann aber spätestens seit Inkrafttreten des AsylG nicht mehr als allein maßgeblich angesehen werden 24, obwohl beim Asylentscheid politische Fragen weiterhin im Vordergrund stehen 25. Dementsprechend fällt es schwer, den Einfluß der staatspolitischen Maxime auf die rechtlichen Aspekte der Asylgewährung abzuklären, zumal der Begriff selbst im schweizerischen Asylrecht nicht genau umrissen ist. Kälin 26 hat dennoch folgenden Defmitionsversuch unternommen: "Staatspolitische Maximen stellen wichtige Grundprinzipien der Politik dar, die über längere historische Zeiträume hinweg - und weitgehend unabhängig von der in einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Verfassung - Leitlinien für staatliche Grundentscheidungen bilden und überdies durch ihre Appellwirkung an den Verfassungs- und Gesetzgeber eine gewisse normative Kraft entfalten." Als eine Auswirkung dieser staatspolitischen Maxime auf die Gesetzgebung gilt Art. 2 AsylG, der einen Anspruch auf gesetzeskonforme Prüfung und Erledigung des Asylgesuchs garantiert 27. Gleichzeitig ist die Behandlung des Asylrechts als staatspolitische Maxime auch ursächlich dafür, daß keine Gerichtsbarkeit in Asylstreitigkeiten eingeführt worden ist 28 .

1.4. Fehlende Gerichtsbarkeit in Asylsachen Gegen einen von der zuständigen Behörde, dem Amt des Delegierten für das Flüchtlingswesen (DFW), erlassenen negativen Asylentscheid, kann lediglich eine Beschwerde bei der Beschwerdekommission des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements (EJPD) eingelegt werden, Art. 11 11 Asy1G29. Der Aus23 Schüreh, ZBN 1968,241,247; Moser, ZSR 196711,325,448; Lieber, Entwicklung, S. 264; Haug, S.264; Furgler, S. 10; Kaufmann, Asylbewerber, S. 12; Botschaft, BBl 1983 III, Ziff. 112; Kälin, Grundrechtsschutz, S. 164 f. m. w. Nachw. in Fußn. 15 f. Im Schlußbericht der Arbeitsgruppe von 1973, S. 90, wird eine weitherzige Asylgewährung als Maxime (Leitsatz) der Außenpolitik und einer humanitären Politik der Schweiz bezeichnet. 24 Botschaft, BBI 1977 III, Ziff. 212; Dutoit, S. 57; vgl. unten 2.1. 25 Schüreh, ZBJV 1968, 241, 255; Kälin, Grundrechtsschutz, S. 165 m. w. Nachw. in Fußn. 18; Fleiner-Gerster, S. 247, Rdnr. 132; krit.: Lieber, Entwicklung, S. 310. 26 Kälin, Grundrechtsschutz, S. 165, der den Grundsatz der politischen Neutralität als weitere staatspolitische Maxime aufführt, vgl. dazu ebenda die w. Nachw. in Fußn. 17. 27 Botschaft, BBI 1977 m, Ziff.212; von Pollern, Asylrecht, S.61 bei Fußn. 205; Kälin, Grundrechtsschutz, S. 165 f.; vgl. zu Art. 2 AsylG unten 2.1. 28 Lieber, ZBI 1981, 49, 51; ders., ZAR 1983, 18, 19; Kälin, Grundrechtsschutz, S. 165; Schmid-Winter, S. 45. 29 Vor Einfügung des Art. 11 11 AsylG durch das BG v. 16.12.1983 - vgl. dazu: Botschaft, BBl1983 m, Ziff. 21, sowie Lieber, ZAR 1984,207,208 - konnte als letzte

4"

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1. Teil: Grundlagen

schluß jeglicher verwaltungs gerichtlicher Überprüfung 30 wird mit dem politischen Charakter der Asylentscheidung erklärt 31 • Da das Asylrecht nur als Recht des Staates definiert wird, und damit der Bundesrat die alleinige Verantwortung für die Asylpolitik zu tragen hat, stößt die Justiziabilität von Asylbescheiden auch aus Gründen der Gewaltentrennung auf Ablehnung 32 • Fest steht jedenfalls, daß mit der Einführung eines subjektiven Anspruchs auf Asylgewährung eine gerichtliche Durchsetzungsmöglichkeit hätte verbunden werden müssen 33 • Ob allerdings umgekehrt das Fehlen eines Individualanspruchs den Ausschluß der Gerichtsbarkeit zur Folge haben mußte 34, ist zweifelhaft. Eine gerichtliche Kontrolle hätte sich auch auf die Prüfung beschränken können, ob das objektive Recht richtig angewendet worden ist 35 • Eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demgegenüber bei einem Widerruf der Asylberechtigung möglich, Art. 52 11 AsylG, Art. 101 lit. d OG. Auf diese Rekursmöglichkeit einigte man sich im Gesetzgebungsverfahren, weil insofern der Entzug eines einmal gewährten Rechts in Rede steht 36.

2. Das Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 Am 1. Januar 1981 ist mit dem AsylG vom 5. Oktober 1979 37 ein Gesetzeswerk in Kraft getreten, mit dem eine klare, übersichtliche Fassung aller Bestimmungen des Asylwesens und eine bessere Verankerung und Ausgestaltung der Rechtsstellung der Flüchtlinge herbeigeführt werden sollte 38 • Dieser Kodifikation liegt auch in der Schweiz eine Umschreibung des Asylrechts als "die Gesamtheit der Regeln, die die Asylgewährung und den vom Zufluchtstaat gegenüber dem Flüchtling Instanz der Bundesrat als oberstes Exekutivorgan angerufen werden, vg!. Art. 103 BV. Dem DFV sind mit Beschluß vom 20.12.1985 die Aufgaben und Zuständigkeiten zugewiesen worden, die bis dahin aufgrund des Asylgesetzes dem Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) zustanden; vg!. dazu: Lieber, AWR-Bulletin 1986, 18. 30 Vg!. Art. 47 11 u. Art. 52 Ziff. 2 AsylG, Art. 100 lit. b Nr. 2 OG. 31 Schüreh, ZBJV 1968,241,255. 32 33

Furgler, S. 17. Lieber, Entwicklung, S. 314; Botschaft, BBI 1977 III, Ziff. 124.

34 So scheinbar: Botschaft, BBI 1983 III, Ziff. 21; Amt!. Bull. S v. 1.3.1978, S. 86, Berichterstatter Dillier. 35 Lieber, Entwicklung, S. 317; Eckert, S. 57. 36 Botschaft, BBl1977 III, Ziff. 262; vg!. auch: Bersier, Droit d'asile, S. 60; Furgler, S. 19; Lieber, AWR-Bulletin 1982, 181, 186; Schmid-Winter, S.45 m. w. Nachw. in Fußn. 4; BGer, U. v. 23.5.1986 - A 288/85/tr -, n. v., S. 4. 37 SR 142.31; vg!. zu den einzelnen Etappen der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes: von Pollern, Asylrecht, S. 60 ff. 38 Botschaft, BB11977 III, Ziff. 123; Amt!. Bull. S v. 1.3.1978, S. 76, Berichterstatter Dillier. Vgl auch Art. 1 AsylG, Zweck und Geltungsbereich, der lautet: "Dieses Gesetz regelt die Grundsätze der Asylgewährung und die Rechtsstellung der Flüchtlinge."

§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

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ausgeübten Schutz bestimmen" zugrunde 39 . Im Rahmen der vorliegenden Arbeit können nur einige Besonderheiten dieses Gesetzes aufgezeigt werden, die zudem für die Behandlung der Frage bedeutsam sind, inwiefern der Grundsatz der Familieneinheit im schweizerischen Asylrecht beachtet wird. So führt das Gebot der verfahrensmäßigen Prüfung von Asylgesuchen (Ziff. 2.1.) dazu, daß ein Asylbegehren nicht abgewiesen werden darf, ohne vorherige Überprüfung, ob materielle Asylgründe vorliegen. Davon kann eine Flüchtlingsfamilie in zweifacher Weise profitieren: Zum einen bedarf es ja zumindest der Anerkennung eines Familienmitglieds als Asylberechtigter, damit die übrigen Angehörigen überhaupt in den Genuß der Rechtsvorteile des Asyls gelangen können. Zum anderen ist damit auch sichergestellt, daß über den Antrag auf Familienvereinigung erst nach verfahrensgemäßer Prüfung entschieden wird. Die Frage nach der rechtlichen Ausgestaltung und Absicherung des Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens (Ziff. 2.2.) ist insoweit von Interesse, als die Möglichkeit des Familiennachzugs von der Dauerhaftigkeit und Festigkeit des Aufenthaltsrechts eines schon in der Schweiz anwesenden Familienmitglieds abhängt. Schließlich muß die FlüchtIingsdefinition (Ziff. 2.3.) behandelt werden, weil sie maßgeblich für die Anerkennung desjenigen Familienangehörigen ist, von dem die anderen Familienmitglieder unter Umständen ihre Asylberechtigung herleiten können. Für einegenauere Darstellung, insbesondere des Anerkennungsverfahrens, wird auf die einschlägige Literatur verwiesen 40 •

2.1. Verfahrensmäßige Prüfung der Asylgesuche Eine wesentliche Verbesserung der Rechtsstellung Asylsuchender gegenüber dem früheren Rechtszustand 41 bringt der auf Art. 2 AsylG42 gestützte Anspruch auf eine verfahrensrechtlich abgesicherte Prüfung des Gesuchs und dessen ge setzeskonforme Erledigung mit sich. Dadurch werden die für die Asylerteilung zuständigen Behörden zu gesetzlich normiertem Handeln verpflichtet 43 . Außerge39 Poncet I Neyroud, S. 61, Ziff. 117; zur Bestimmung des Begriffs ,,Asyl" in der Schweiz vgl. unten 3. 40 Lieber, AWR-Bulletin 1980, 197 ff.; ders., ZBI 1981,49 ff.; ders., ZAR 1983, 18 ff.; Furgler, S. 15 ff.; Hadorn, ZöF 1983, 6, 7 ff.; Dutoit, S. 57 ff.; Bersier, Droit d'asile, S. 26 ff.; ders., Statut juridique, S. 9 ff.; Kaufmann, Asylbewerber, S. 13 ff.; zu den Verfahrensgarantien: Kälin, Grundrechtsschutz, S. 167 ff.; International Helsinki Federation, S. 305 ff.; European Consultation, S. 333 ff.; zu den 1987 in Kraft getretenen Neuregelungen vgl. Schmid, ZAR 1986, 178 -181. 41 So das Urteil von Kälin, Grundrechtsschutz, S. 165; positiv auch: Lieber, ZBI 1981,

49,52.

42 Art. 2 AsylG, Asylgewährung, lautet: "Die Schweiz gewährt Flüchtlingen auf Gesuch hin nach diesem Gesetz Asyl." 43 Botschaft, BBi 1977 III, Ziff. 212; vgl. dazu: Furgler, S. 15; Dutoit, S. 57; Lieber, AWR-Bulletin 1980, 197, 199; ders., ZAR 1983, 18,20; Moutinot, S. 151.

54

1. Teil: Grundlagen

setzliehe Kriterien müssen bei der Asylentscheidung unberücksichtigt bleiben. Bei Vorliegen der materiellen Flüchtlingsvoraussetzungen kann von einem "defacto Anspruch" oder von einer ,,Anwartschaft" auf Asylgewährung gesprochen werden 44. Mit der zweiten Revision des AsylG vom 20. Juni 1986 45 , die in der Volksabstimmung vom 5. April 1987 gebilligt worden ist 46, ist das asylrechtliche Anerkennungsverfahren neu geordnet worden. Während zuvor eine Antragstellung im Landesinnem bei den kantonalen Fremdenpolizeibehörden möglich war, müssen die Asylbewerber nach dem neugefaßten Art. 13 I 1 AsylG ihr Gesuch schon an der Grenze einreichen 47 • Dort sollen die Asylsuchenden in sog. Empfangsstellen einer ersten Befragung unterzogen werden, bevor sie entsprechend einer Verteilungsentscheidung einem bestimmten Kanton zugewiesen werden 48 • Nach Art. 10 V AsylV steht dem DFW die Kompetenz zu, diese erste Befragung schon auf die Asylgründe des Gesuchstellers zu erstrecken 49 • Die materielle Entscheidungskompetenz liegt in jedem Fall allein bei dem sachlich qualifizierten DFW und nicht bei den kantonalen Fremdenpolizeibehörden 50, die eine weitere Befragung durchführen können. Dadurch sollen die mit einer Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf dezentrale Instanzen verbundenen Rechtsungleichheiten vermieden werden 51. Bis zum Inkrafttreten der zweiten Revision des AsylG mußten die Beamten des DFW zumindest im Falle der Ablehnung grundsätzlich eine persönliche Anhörung des Asylsuchenden durchführen, Art. 1611 AsylG a. F. Von diesem Grundsatz konnten allein auf der Grundlage von Art. 16 V und VI AsylG a. F. i. V. m. Art. 7 a AsylVa. F. bei Vorliegen offensichtlich unbegründeter Asylgesuche, die abschließend aufgezählt waren, Ausnahmen gemacht werden 52. Nach Art. 16 I AsylG n. F. können die Beamten des DFW nunmehr generell nach Aktenlage entscheiden 53. 44 Fisch, S. 1; Kaufmann, Asylbewerber, S. 12; Schmid-Winter, S. 12; vgl. auch: European Consultation, S. 332, Rdnr. 10 sowie Hegetschweiler, SJZ 1985, 189, 190. 45 Vgl. BBI 1986 11, S. 663 ff. 46 Vgl. SZ vom 7.4.1987, Nr. 81, S. 4. 47 Vgl. dazu Schmid, ZAR 1986, 178, 179. 48 Vgl. Schmid, ASYL 1987/2,5. 49 Vgl. dazu: ASYL 1987/2, S. 6; ASYL 1987/4,3. 50 Botschaft, BBI 1977 m, Ziff. 221; Lieber, AWR-Bulletin 1980, 197,202; ders., ZBI 1981, 49, 51; Hadorn, ZöF 1983, 6, 8; Kälin, Non-refoulement, S.298; ders., Grundrechtsschutz, S. 174; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 2.2.3., S. 5. 51 Kälin, Grundrechtsschutz, S. 175. 52 Diese Änderungen des AsylG und der AsylV sind eingefügt worden durch BG v. 16.12.1983, AS 1984, S. 532 ff.; zu der Einfügung der lit. f-m in Art. 7 a AsylV zum 1.1.1986 vgl.: Lieber, AWR-Bulletin 1986, 18 f.; Bethäuser, ZRP 1986, 129 ff. 53 Krit. zu dieser Neuregelung: SKöF, ZöF 1985, 178, 181, da sie zu einer uneinheitlichen Praxis und zu einer rechtsungleichen Behandlung führen könne.

§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

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Das Anerkennungsverfahren wird mit einer Entscheidung des DFW über die Asylgewährung oder -verweigerung abgeschlossen, Art. 11 I AsylG. Diese Entscheidung entfaltet über Art. 25 AsylG Rechtsverbindlichkeit gegenüber allen eidgenössischen und kantonalen Behörden. Auch insofern wurde mit dem AsylG ein Fortschritt an Rechtssicherheit und -klarheit gegenüber der früheren Rechtslage erreicht, unter der ein Anerkennungsverfahren im heutigen Sinne nicht vorgesehen war 54• Vielmehr wurde jeweils gesondert über die Aufnahme eines Flüchtlings, die Anerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft und die Regelung seines Anwesenheitsverhältnisses entschieden, ohne daß den einzelnen Entscheidungen ein allgemeinverbindlicher Charakter zugekommen wäre 55 •

2.2. Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens Art. 19 I 1 AsylG sieht im Grundsatz das Anwesenheitsrecht des Asylbewerbers während des laufenden Asylverfahrens vor, falls die AntragsteIlung in der Schweiz erfolgt ist oder die Einreise bewilligt wurde 56. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen, daß eine vor der behördlichen Entscheidung erfolgende Wegweisung (Ausweisung) zumeist einer faktischen Abweisung des Asylgesuchs gleichkäme 57. Demzufolge ist eine formlose Wegweisung, die ohne besonderes Verfahren von Gesetzes wegen zur Ausreisepflicht eines Ausländers führt, der keine Bewilligung zum Aufenthalt in der Schweiz hat 58 , während des Asylverfahrens nicht möglich 59. Nach Art. 19 I 2 AsylG ist aber eine förmliche Wegweisung 60 dann zulässig, wenn dem Asylbewerber die Weiterreise in einen Drittstaat möglich und zumutbar ist, in dem er sich vor der Einreise in die Schweiz einige Zeit aufgehalten hat. Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen eine Asylverweigerung nach Moser, ZSR 1967 n, 325, 453; Eckert, S. 53. Vgl. zu dem Verfahren vor Inkrafttreten des AsylG: Moser, ZSR 1967 n, 325, 450 ff.; Schürch, ZBJV 1968, 241, 253 ff.; Poncet I Neyroud, S. 64 ff., Ziff. 122 ff.; Lieber, Entwicklung, S. 301 ff.; Eckert, S. 51 ff.; vgl. auch Botschaft, BBl 1977 llI, Ziff.232. 56 Bersier, Droit d'asile, S. 38; ders., Statutjuridique, S. 12; Bucher, ZZW 1985,361, 363; von Pollern, Asylrecht, S.62; Hadorn, ZöF 1983, 6, 9 sieht in dem Bleiberecht mit einen Grund dafür, daß viele mißbräuchliche Asylanträge gestellt werden. 57 Botschaft, BBl 1977 1lI, 224.1.; Kälin, Non-refoulement, S. 300. 58 Art. 12 ANAG i. V. m. Art. 17 I ANAV, vgl. dazu: Moser, ZSR 1967 n, 325, 430 f.; Haverland, S. 177; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 3.2.5., S. 2 f.; Wüthrich, Ziff. 55, S. 13. 59 Kälin, Non-refoulement, S. 298 f.; ders., Grundrechtsschutz, S. 175; Lieber, ZBI 1981,49,56 in Fußn. 49; Bethäuser, AWR-Bulletin 1984, 113, 116. 60 Dabei handelt es sich um einen selbständigen Entscheid, der mit der Verwaltungsbeschwerde nach Art. 44 VwVG angreifbar ist, vgl. dazu: Botschaft, BBI 1977 llI, Ziff. 224.1.; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 3.2.5., S.3; Dutoit, S. 61. 54 55

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1. Teil: Grundlagen

Art. 6 AsylG möglich ist 61 , kann von dem Asylbewerber verlangt werden, daß er die Asylentscheidung in einem Drittstaat abwartet. Insofern ist die Einschränkung durch Art. 19 12 und 11 AsylG also nur folgerichtig 62 • Für die Wegweisung müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: Der Gesuchsteller muß in dem Drittstaat rechtmäßigerweise eine Aufenthaltserlaubnis erlangen können 63. In dem betreffenden Drittstaat darf der Asylbewerber nicht der Gefahr ausgesetzt sein, politisch verfolgt oder in ein potentielles Verfolgerland zurückgeschoben zu werden 64. Die Rückkehr in den Drittstaat ist vor allem dann zumutbar, wenn abzusehen ist, daß das Asylbegehren wegen mangelnder Flüchtlingseigenschaft erfolglos bleiben wird 65 • Doch selbst diese Aussichtslosigkeit rechtfertigt in keinem Fall die vorzeitige Rückschiebung in den Herkunftsstaat 66 • Art. 19 I 2 AsylG spricht nur von einer Wegweisung in einen "Drittstaat". Außerdem findet der Grundsatz der Nichtrück schiebung, Art. 45 I AsylG, wegen seiner überragenden Bedeutung für das Asylrecht auch auf Asylbewerber Anwendung 67. Diesem Grundsatz entsprechend darf niemand auf irgendeine Weise dazu gezwungen werden, sich in ein Land zu begeben, in dem ihm aus politischen Gründen, Art. 3 I AsylG, Gefahr für Leib, Leben oder persönliche Freiheit droht 68 • Neben diesen materiellen Garantien soll vor allem die alleinige Zuständigkeit des DFW, beziehungsweise im Rekursfalle des EJPD, Art. 1911 AsylG, für die Wahrung asylrechtlicher Belange bei der Wegweisungsentscheidung sorgen 69. Abgesehen von einer Wegweisung kommt ausnahmsweise die Internierung eines Asylbewerbers als Einschränkung des Anwesenheitsrechts in Frage 70. Grundsätz-

Botschaft, a. a. 0.; zu Art. 6 AsylG vgl. unten 2.4.1. von Pollern, Asylrecht, S. 62 f.; Lieber, ZBI 1981, 49, 59; ders., AWR-Bulletin 1980, 197, 203, der als Grund für die Beibehaltung dieser Regelung darauf hinweist, daß etwa bei nur befristeten Rückreisevisa eine Rückweisung des Gesuchstellers nach negativem Ausgang des Asylverfahrens faktisch oft nicht mehr möglich sei. 63 Botschaft, BBI1977 III, Ziff. 215; Kälin, SIZ 1982, 337, 339; Bersier, Droit d'asile, S.38. 64 Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 2.3.1., S.4; Kälin, Non-refoulement, S. 301; Hadorn, Asylgesetz, S. 96. 65 Bersier, Droit d'asile, S. 38 m. w. Nachw. in Fußn. 92. 66 Kälin, Non-refoulement, S.301; ders., Grundrechtsschutz, S. 178; Lieber, ZBI 1981,49,59; ders., AWR-Bulletin 1980, 197,203. 67 Botschaft, BBI1977 III, Ziff. 222.1. und Ziff. 254; Kälin, Non-refoulement, S. 274; Schmid-Winter, S. 17; Bucher, ZZW 1985, 361, 363. 68 Vgl. allgemein zur Berücksichtigung dieses non-refoulement Prinzips im schweizerischen Recht: Kälin, Non-refoulement, S. 262 ff.; ders .• Grundrechtsschutz, S. 168 f., 172 f., 175 f., 177 f.; vgl. auch unten § 7, 3.2 .. Eine Auslieferung in einen Drittstaat ist demgegenüber zulässig, weil im Auslieferungsverfahren die Garantien zum Schutz vor politischen Maßnahmen berücksichtigt werden müssen, Bersier. Droit d'asile, S. 38. 69 Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 2.3.2., S. 5; Kälin. Non-refoulement, S. 301; Hadorn. ZöF 1983,6, 8; Metzger / Gramlieh. ZRP 1985,259,260. 61

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§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

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lieh besteht aber für Asylbewerber, trotz der von Art. 14 a AsylG vorgesehenen Verteilung auf die Ortschaften und Kantone 7l , das Recht auf Freizügigkeit in der gesamten Schweiz 72. 2.3. Der FlüchtlingsbegrifT Mit der Begriffsbestimmung in Art. 3 I und 11 AsylG 73 ist eine Flüchtlingsdefinition gesetzlich normiert worden, die trotz verschiedener Abweichungen im Wortlaut in ihrem materiellen Gehalt dem Art. 1 A Nr. 2 GFK entspricht 74 • Wie in der GFK, so wird auch im AsylG ein materieller Flüchtlingsbegriff verwendet 75. Das heißt, daß für die Flüchtlingseigenschaft allein die materiellen Kriterien des Art. 3 I und 11 AsylG vorliegen müssen 76. Der formelle Akt der Anerkennung als Flüchtling stellt demgegenüber die notwendige Voraussetzung für die Asylgewährung dar, Art. 4 Satz 1, Art. 12 AsyIG77. Dementsprechend bezeichnet im weiteren Verlauf der Arbeit der Begriff ,,Asylberechtigter" denjenigen Flüchtling, dem nach schweizerischem Recht aufgrund der Anerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft das Asyl gewährt worden ist. Die gleiche Bedeutung kommt der Bezeichnung "anerkannter Flüchtling" zu, obwohl darin die Unterscheidung zwischen materieller Flüchtlingseigenschaft und Asyl70 Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 2.3.4., S. 7; Bersier, Droit d'asile, S. 38 m. w. Nachw. in Fußn. 91. 71 Nach Art. 20 der Neufassung ist die Zuweisung eines Aufenthaltsorts auch in einem Aufnahmezentrum möglich; vgl. dazu: Revision des AsylG aus der Sicht des SKöF, ZöF 1985, 178, 180. n Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, a. a. O. in Fußn. 70. 73 Art. 3 AsylG lautet: .. 1 Flüchtlinge sind Ausländer, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu sein. 2 Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. 3 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden ebenfalls als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen." Zu Abs. 3 vgl. unten § 7, 1.2. 74 Botschaft, BBl 1977 III, Ziff. 213; BBI 1983 III, Ziff. 113.2.; Lieber, ZBl 1981, 49,52 mit Gegenüberstellung der unterschiedlichen Formulierungen; ders., AWR-Bulletin 1980, 197, 199; ders., AWR-Bulletin 1982, 181, 182; ders., ZAR 1983, 18, 19; Dutoit, S.57; Hadorn, Asylgesetz, S. 96; Moutinot, S. 151; Bucher, ZZW 1985, 361, 365; Graf-Metghalchi" ASYL 1986/3, 2; Tellenbach, ASYL 1986/3, 9, 11. 75 Zur GFK: Grahl-Madsen, Status I, S. 340 f.; Eckert, S. 17,35; Kälin, Non-refoulement, S. 89; zum Art. 3 AsylG: ders., ebenda, S. 274; Bucher, ZZW 1985,361,365 f. 76 Dies folgt auch aus dem Wortlaut des Art. 3 I AsylG: ..Flüchtlinge sind Ausländer " 77 Art. 4 I AsylG lautet: ..Asyl ist der Schutz, der einem Ausländer aufgrund seiner Flüchtlingseigenschaft in der Schweiz gewährt wird. Es schließt das Recht auf Anwesenheit mit ein." Art. 12 AsylG lautet: ..Wer um Asyl ersucht, muß nachweisen oder zumindest glaubhaft machen, daß er ein Flüchtling ist."

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1. Teil: Grundlagen

gewährung nicht deutlich zu Tage tritt. Ist hingegen von einem "Flüchtling" die Rede, so kann damit auch derjenige Ausländer gemeint sein, der zwar die materiellen Flüchtlingskriterien erfüllt, ohne jedoch das Anerkennungsverfahren endgültig erfolgreich durchlaufen zu haben. Die sich noch im Anerkennungsverfahren befindlichen Ausländer werden als ,,Asylsuchende" oder als "Asylbewerber" bezeichnet, ohne daß damit ein Urteil über ihre Flüchtlingseigenschaft gefällt wird. Das AsylG geht lediglich hinsichtlich der Anerkennung des asylbegründenden Charakters von Maßnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken, über die GFK hinaus 78 • Mit dieser Ausweitung des Flüchtlingsbegriffs soll den veränderten Verfolgungsmethoden Rechnung getragen werden, die nicht mehr nur allein auf die physische Beeinträchtigung der Opfer ausgerichtet sind 79. Die gesetzliche Einbeziehung dieser psychischen Notlagen, die für den Flüchtling ein Verbleiben oder eine Rückkehr in den Herkunftsstaat unzumutbar machen, geht auf eine schon vor dem Inkrafttreten des AsylG geübte Praxis zurück, nach der eine "regimebedingte innere Zwangslage" für die Flüchtlingsanerkennung ausreichte 80. Genügt im Hinblick auf die Gefahrdung von Leib, Leben oder Freiheit die aus objektiven Umständen hergeleitete begründete Furcht, solchen Nachteilen ausgesetzt zu sein 81 , so müssen für die Annahme eines asylrechtlich relevanten psychischen Drucks konkrete Maßnahmen nachgewiesen werden, denen der Betroffene ausgesetzt war 82 • Dafür können z. B. schon Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit genügen, die den Asylbewerber nicht nur wirtschaftlich, sondern existentiell getroffen haben 83. Es ist nicht ein Ziel der vorliegenden Arbeit, die Einzelheiten der Flüchtlingsdefinition, wie etwa die Abgrenzung der politischen von der rein strafrechtlichen Verfolgung oder die Erheblichkeit von Verfolgungsmaßnahmen nichtstaatlicher 78 Lieber, AWR-Bulletin 1982,181,183; ders., ZAR 1983, 18, 19; Hadorn, Asylgesetz, S. 96; Dutoit, S. 57; Moutinot, S. 151; Schmid-Winter, S. 13; Eriksson, S. 21; von Pollern, Asylrecht, S. 61; Graf-Metghalchi" ASYL 1986/3,2,6; Furgler, S. 16 spricht deshalb von einer der liberalsten Flüchtlingsdefmitionen aller bekannten Gesetzgebungen; nach Kälin, Non-refoulement, S. 271 f. liegt insofern eine Besonderheit des schweizerischen Flüchtlingsrechts vor. 79 Botschaft, BBl 1977 III, Ziff. 213; BBI 1983 III, Ziff. 113.2.; Furgler, S. 15; Hadorn, Asylgesetz, S. 96; ders., ZöF 1983,6,8; Graf-Metghalchi" ASYL 1983/3,2,5 f. 80 V gl. dazu: Lieber, Entwicklung, S. 273 f.; Haug, S. 282; die gegenüber der früheren Fassung veränderte Formulierung in Art. 3 I AsylG erfolgte nur aus KlarstellungsgTÜnden, Botschaft, a. a. 0.; Lieber, ZBI 1981,49, 52 in Fußn. 27; ders., ZAR 1983, 18, 19 in Fußn.13. 81 Botschaft, a. a. 0.; Bersier, Droit d'asile, S. 20; Fisch, S. 9. 82 Botschaft, a. a. 0.; Hadorn, ZöF 1983,6,8; von Pollern, Asylrecht, S. 61; ungenau insofern: Köfner / Nicolaus, Grundlagen, S. 475 in Fußn. 105; krit. zu dieser Anforderung: Lieber, ZBI 1981,49,53; ders., AWR-Bulletin 1980, 197,200; ders., AWR-Bulletin 1982, 181, 182; Fisch, S. 6. 83 Lieber, ZAR 1983, 18, 19; Graf-Metghalchi" ASYL 1986/3,2,5.

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Stellen, abzuhandeln. Daher wird insofern auf die einschlägige Literatur verwiesen 84. 2.4. Asylverweigerungsgründe Die Asylverweigerungsgrunde sind für die übergeordnete ThemensteIlung von doppeltem Interesse: Einerseits stellen sie zum Teil eine Besonderheit des schweizerischen Asylrechts dar, da bei Eingreifen dieser Gründe der Asylschutz auch echten Flüchtlingen verweigert werden kann 85. Andererseits erstreckt sich ihre Wirkung, mit Ausnahme des Art. 8 AsylG, auf alle Mitglieder einer Flüchtlingsfamilie. Auf den Ausschlußgrund der Asylunwürdigkeit und der Gefährdung der Staatssicherheit, Art. 8 AsylG, ist im Zusammenhang mit Art. 3 III AsylG einzugehen 86, da dieser auf die Einzelperson abstellende Grund einen "besonderen Umstand" ausmacht, der die Ausdehnung der Flüchtlingseigenschaft auf einen engen Familienangehörigen eines Asylberechtigten verhindert. Demgegenüber ist die Möglichkeit, in Ausnahmesituationen kein Asyl zu gewähren, Art. 9 AsylG, auf allgemeine Umstände zugeschnitten. Insoweit werden alle Familienangehörigen gleichmäßig betroffen, so daß sich aus der Zugehörigkeit zu einer Flüchtlingsfamilie keine Besonderheit ergibt. Zunächst soll aber die Ausschlußregel des Art. 6 AsylG, Aufnahme in einem Drittstaat, betrachtet werden. Diese Vorschrift ist vor allem deshalb interessant, weil sie bei einer beabsichtigten Familienvereinigung in der Schweiz keine Anwendung findet, Art. 7 I 2 AsylG, so daß sich gerade daran die besonders vorteilhafte Stellung der Familien im schweizerischen Asylrecht ablesen läßt. 2.4.1. Aufnahme in einem Drittstaat, Art. 6 AsylG In Art. 6 AsylG87 kommt zum Ausdruck, daß sich die Schweiz grundsätzlich nicht verpflichtet fühlt, Flüchtlinge aufzunehmen, die effektiven Schutz vor Verfolgung in einem Staat finden können, zu dem sie aufgrund eines früheren 84 Bersier, Droit d'asile, S. 20 f.; ders., Statutjuridique, S. 7; Fisch, S. 2 ff.; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 2.2.1., S. 2 f.; GraJ-Metghalchi" ASYL, 1986/3, 2 ff. 85 Kälin, Non-refoulement, S. 272; ders., SJZ 1982,337; Lieber, AWR-Bulletin 1982, 181, 184. 86 Vgl. unten § 7, 1.4.4. 87 Art. 6 AsylG lautet: ,,1 Das Asylgesuch eines Ausländers, der sich in der Schweiz befindet, wird in der Regel abgelehnt, a. wenn er sich vor der Einreise einige Zeit in einem Drittstaat aufgehalten hat, in den er zurückkehren kann; b. wenn er in einen Drittstaat ausreisen kann, in dem nahe Angehörige oder andere Personen leben, zu denen er enge Beziehungen hat. 2 Das Asylgesuch eines Ausländers, der sich im Ausland befindet, kann auch abgelehnt werden, wenn es ihm zugemutet werden kann, sich in einem anderen Staat um Aufnahme zu bemühen."

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1. Teil: Grundlagen

Aufenthalts oder dort lebender Personen engere Beziehungen als zu anderen Staaten besitzen 88. Dies wird mit der beschränkten Aufnahmekapazität eines kleinen Landes und mit dem Fehlen eines subjektiven Anspruchs auf Asyl begründet 89 • Zudem wird auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen der Verfolgung bzw. Verfolgungs gefahr und der Zufluchtsuche abgestellt. Dieser Zusammenhang fehlt, wenn der Flüchtling zwischenzeitlich in einem Dri'ttstaat Aufnahme gefunden hat, anstatt auf mehr oder weniger direktem Wege in die Schweiz zu reisen 9O • Art. 6 I lit. a AsylG, der eine Zurückweisung des Asylgesuchs in das Ermessen der Entscheidungsbehörde stellt, setzt folgendes voraus: Der Flüchtling muß sich in einem Drittstaat - und nicht etwa in allen Durchreiseländern zusammen 91 - mindestens 20 Tage aufgehalten haben, Art. 2 AsylV. In dieses Land seines Zwischenaufenthalts muß der Asylsuchende rechtmäßigerweise zurückkehren und dort ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erlangen können 92 • Auch für Art. 6 I lit. b AsylG muß der Flüchtling in dem betreffenden Drittstaat effektiven Verfolgungsschutz genießen. Der Umstand, daß dort nahe Angehörige leben, ist demgegenüber nur insofern relevant, als deshalb auf den Zwischenaufenthalt verzichtet werden kann. Zudem ist eine bessere Integration in dem Drittstaat aufgrund der Anwesenheit von Bezugspersonen zu erwarten 93. Allerdings muß sichergestellt sein, daß die betreffenden Angehörigen in dem Drittstaat fest etabliert sind und nicht etwa, wie bei Asylbewerbern, nur ein vorübergehendes, zweckgerichtetes Aufenthaltsrecht innehaben 94. Problematisch ist aber, daß keine Vorschrift festlegt, wie eng die familiären oder sonstigen Beziehungen zu den dort lebenden Personen sein müssen. Insofern sollte man sich meines Erachtens von dem zusätzlich mit Art. 6 I lit. b AsylG intendierten Zweck der besseren Integrationsmöglichkeit leiten lassen. Demnach 88 Schüreh, ZBJV 1968, 241, 251; Lieber, Entwicklung, S. 272 f.; Kälin, SJZ 1982, 337,338; Bethäuser, ZRP 1986, 129, 131; vgl. zur Vereinbarkeit mit der GFK: Köfner / Nicolaus, Grundlagen, S. 391. 89 Dutoit, S. 58. 90 Furgler, S. 16, der zudem klarstellt, daß ein Flüchtling, der bereits in einem anderen Staat Schutz gefunden hat und dann aus Opportunitätsgründen doch noch in die Schweiz kommt, dort nicht mit der Asylgewährung rechnen könne, ähnlich: Kälin, SJZ 1982, 337,341; Lieber, ZAR 1983, 18, 19; vgl. allgemein zu dem Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Entstehung der Gefahrdung für den Ausländer, seiner Flucht und der Einreichung des Asylgesuchs: Graf-Metghalchi" ASYL 1986/3,2, 3. 91 Kälin, SJZ 1982,337,339; Lieber, ZBI 1981,49,54; Bethäuser, ZRP 1986, 129, 131; Bersier, Droit d'asile, S. 22. 92 Botschaft, BBi 1977 III, Ziff. 215; Lieber, ZBI 1981,49,54; Kälin, Non-refoulement, S.273; ders., SJZ 1982, 337, 339 f.; Bersier, Droit d'asile, S.23; Bethäuser, AWR-Bulletin 1984, 113, 118 f.; ders., ZRP 1986, 129, 130 mit einem Vergleich zu Art. 2 AsylVfG. 93 Kälin, SJZ 1982,337,340 f. 94 Bersier, Droit d'asile, S. 22.

§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

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muß zumindest ein vorläufiges Zusammenleben aufgrund der Intensität der Beziehungen zumutbar sein. Das Vorliegen der Beziehungen ist von der Behörde nachzuweisen. Dies kann aus der korrespondierenden Regelung des Art. 7 a lit. c AsylVa. F. gefolgert werden, die es ermöglichte, von der generellen Anhörungspflicht abzusehen, wenn "erwiesenermaßen enge Beziehungen" zu Personen in einem Drittstaat bestehen 95.

2.4.2. Asylgewährung in Ausnahmesituationen, Art. 9 AsylG Auf dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit der Asylpolitik während des Zweiten Weltkriegs, gewann die parlamentarische Debatte zu Art. 9 AsylG96 eine zentrale Bedeutung 97 . Mit der Einfügung dieser Bestimmung, die schlagwortartig als "Notrechtskompetenz für den Bundesrat" 98, als "Das Boot ist voll"-ArtikeI 99 oder als "Selbstschutzklausel" 1IJO umschrieben worden ist, sollte der faktischen Aufnahmegrenze der Schweiz als Zufluchtsland Rechnung getragen werden 101. Entgegen der damaligen Politik der vorsorglichen Grenzschließung, kommt nach Art. 9 AsylG eine Zurückweisung und Rückschiebung von Flüchtlingen nur als ultima ratio in Betracht, zumal auch das Asylrecht selbst zu den im Krisenfalle schützenswerten grundlegenden Staatsprinzipien der Schweiz gehört 102. Sollte es aber dennoch zu einem mach Art. 9 AsylG möglichen Ausschluß bestimmter Flüchtlingskategorien vom Asylschutz kommen 103, dann könnten 95 Vg!. zu Art. 7 a lit. c AsylVa. F. Bersier, Droit d'asile, S. 33 in Fußn. 71. 96 Art. 9 AsylG lautet: ,,1 In Zeiten erhöhter internationaler Spannungen oder bei Ausbruch eines bewaffneten Konflikts, an dem die Schweiz nicht beteiligt ist, gewährt sie Aüchtlingen so lange Asyl, als dies nach den Umständen möglich ist. 2 Der Bundesrat trifft die erforderlichen Maßnahmen. Er kann, in Abweichung vom Gesetz, die Voraussetzungen für die Asylgewährung und die Rechtsstellung der Aüchtlinge einschränkend regeln und besondere Verfahrensbestimmungen aufstellen. Er erstattet der Bundesversammlung über die von ihm getroffenen Abweichungen sofort Bericht. 3 Wenn die dauernde Beherbergung von Aüchtlingen die Möglichkeiten der Schweiz übersteigt, kann Asyl auch nur vorübergehend gewährt werden, bis die Aufgenommenen weiterreisen können. 4 Der Bundesrat bemüht sich um eine rasche internationale Zusammenarbeit bei der Verteilung von Aüchtlingsströmen, die auf die Schweiz zukommen." Mit dem Änderungsgesetz vom 20.6.1986, BBI 198611, S. 663, ist in Absatz 1 zusätzlich die Passag: eingefügt worden: " ... oder bei außerordentlich großem Zustrom in Friedenszeiten .... 97 Lieber, ZBI 1981,49,55; ders., AWR-Bulletin 1980,197,201. 98 Furgler, S. 16 99 Amt!. Bull. N 1978, 1849; Kälin, Non-refoulement, S. 284 m. w. Nachw. in Fußn. 1; Lieber, ZB11981, 49, 55; ders., AWR-Bulletin 1980, 197,201. 100 Metzger / Gramlieh, ZRP 1985, 258, 259. 101 Lieber, ZAR 1983, 18,20. 102 Botschaft, BB11977 III, Ziff. 218; Furgler, S. 16; Kälin, Non-refoulement, S. 286; Lieber, ZBI 1981,49,55 f.; ders., AWR-Bulletin 1980, 197,201 f.; ders., ZAR 1983, 18,20. 103 Furgler, S. 16; Kälin, Non-refoulement, S. 286; Bersier, Droit d'asile, S. 25.

1. Teil: Grundlagen

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davon auch Asylsuchende betroffen werden, die nach Art. 7 I AsylG eine Familienvereinigung in der Schweiz anstreben. Als absolute Schranke für die Zurückweisung solcher Personen wird aber Art. 3 EMRK angesehen. Danach ist eine Zurückweisung oder Rückschiebung in ein Land, in dem eine unmenschliche Behandlung, eine Ermordung oder Folter droht, nicht zulässig 104.

3. Rechtsstellung anerkannter Flüchtlinge An dieser Stelle soll kurz die vorteilhafte Rechtsstellung skizziert werden, die für einen Ausländer mit der" Asylberechtigung verbunden ist. Dabei wird an den entscheidenden Stellen auf die Unterschiede zum allgemeinen Ausländerrecht hingewiesen. Da Familienangehörige von anerkannten Flüchtlingen grundsätzlich in deren Asylberechtigung mit einbezogen werden, Art. 3 III, Art. 7 AsylG, ist für diese die Regelung des Aufenthalts nach allgemeinem Ausländerrecht nur dann interessant, wenn eine Ausnahme von dem Familienasyl vorliegt 105. 3.1. Anwendbare Rechtsvorschriften Das AsylG geht in seinem 3. Kapitel in den Art. 24 ff. auf die Ausgestaltung der Rechtsstellung anerkannter Flüchtlinge ein. In Art. 24 AsylG wird zudem die Anwendbarkeit anderer Rechtsquellen und deren Rangverhältnis untereinander angesprochen. Als von der Schweiz ratifizierter Staatsvertrag gilt die GFK automatisch im innerstaatlichen Landesrecht 106. Dies entspricht der schweizerischen Rechtsprechung und Lehre, wonach ein hinreichend konkretisierter Staatsvertrag ("selfexecuting treaty"), der von der Bundesversammlung genehmigt wurde, gleichzeitig mit Eintritt der völkerrechtlichen Verbindlichkeit zum Bestandteil des innerstaatlich anwendbaren Landesrechts wird 107. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichts geht Staatsvertragsrecht dem Landesrecht gar vor 108. Daraus ergeben sich aber für das Verhältnis der GFK zum AsylG keine Probleme. Denn das Kälin, Non-refoulement, S. 286 f. Vgl. zu diesen Ausnahmen, unten § 7, 1.3.2., 1.3.3. und 1.4. 106 Eckert, S. 16 f.; Kälin, Non-refoulement, S. 262 f.; Lieber, AWR-Bulletin 1982, 181, 182. Zur Ratifizierung der GFK, SR 0.142.30, von 1951, AS 1955,445, und des Zusatzprotokolls von 1967, AS 1968, 1188, durch die Schweiz, vgl.: Lieber, Entwicklung, S. 268; Wüthrich, Ziff. 165, S.4. 107 Vgl. allgemein: Häfelin I Haller, S. 309 f., Rdnr. 1049; Schmid, EMRK, S. 111 ff. m. w. Nachw. in Fußn. 3; Eriksson, S. 63 ff. m. w. Nachw. in Fußn. 27. 108 Häfelin I Haller, S.311, Rdnr.1054; Lieber, AWR-Bulletin 1982, 181, 182 f. m. w. Nachw. in Fußn. 4. 104

105

§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

63

AsylG ist über den in der GFK festgelegten Mindeststandard an Rechtsgarantien hinausgegangen, was nach Art. 5 GFK zulässig ist. Entsprechend seinem allgemeinen Charakter findet das auf viele verschiedene Vorschriften verstreute schweizerische Ausländerrecht nur subsidiär Anwendung, soweit die speziellen Regelungen der GFK und des AsylG keine Bestimmungen enhalten 109.

3.2. Aufenthaltsrecht Nach der Legaldefinition des Art. 4 AsylG beinhaltet der in der Schweiz einem Ausländer aufgrund seiner Flüchtlingseigenschaft gewährte Asylschutz ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz 110. Damit sollte die Rechtsunsicherheit beseitigt werden, die unter der früheren Rechtslage für den anerkannten Flüchtling darin bestand, daß die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Ermessen der Fremdenpolizeibehörden lag ill . Nunmehr schreibt Art. 26 AsylG zwingend vor, daß mit der Asylgewährung ein Anspruch auf Regelung des Anwesenheitsverhältnisses im jeweiligen Aufenthaltskanton verbunden ist. Dies entspricht dem Wesen des Asyls, das der Bundesrat folgendermaßen umschrieben hat: ,,Asyl bedeutet ... nicht nur faktischen Schutz in dem Sinn, daß der Flüchtling während der Dauer der Anwesenheit auf schweizerischem Territorium dem Zugriff des Verfolgerstaates zufolge der entgegenstehenden schweizerischen Gebietshoheit entzogen ist, sondern darüber hinaus die Einräumung eines besonderen Rechtsstatus, der das Verhältnis zur Schweiz als Asylstaat regelt, namentlich was die aufenthaltsrechtliche Stellung betrifft. Wichtigste Konsequenz der Asylgewährung ist das Recht, sich in der Schweiz autbalten zu dürfen und in diesem Recht geschützt zu werden." 112 In welcher Form die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist, läßt sich nicht aus dem AsylG ersehen, so daß auf das allgemeine Ausländerrecht zurückgegriffen werden muß. Danach erhalten anerkannte Flüchtlinge von der kantonalen Fremdenpolizeibehörde zunächst eine Aufenthaltsbewilligung nach Art. 5 I ANAG. Dabei handelt es sich um eine reguläre Bewilligungsart, die für solche Ausländer vorgesehen ist, die noch nicht die Voraussetzungen für eine unbefristete Bewilligung erfüllen 113. Diese regelmäßig zunächst auf ein Jahr befristete, aber für Flüchtlinge stets zu erneuernde Aufenthaltsbewilligung, kann mit Auflagen verse109

S.45.

Lieber,AWR-Bulletin 1982,181, 183; Schmid-Winter, S. 30; Bersier, Droitd'asile,

110 Vgl. dazu: Kälin, Non-refoulement, S. 10; Dutoit, S. 63; Lieber, ZBl 1981, 49, 54; ders., ZAR 1983, 18, 19; Eriksson, S. 170. 111 Botschaft, BBl1977 m, Ziff. 232; zum früheren Rechtszustand: Moser, ZSR 1967 11,325,454; Poncet / Neyroud, S. 68, Ziff. 130; Schürch, ZBJV 1968,241,256 f.; Eckert, S. 143 f. 112 Botschaft, BBl 1977 m, Ziff. 212. 113 Wüthrich, Ziff. 52, S. 11; Haverland, S. 158; Thürer, Festschrift Hegnauer, S. 585 in Fußn. 26.

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1. Teil: Grundlagen

hen werden, Art. 5 I 2 ANAG 114. Eine besondere Begünstigung für Flüchtlinge besteht darin, daß ihre Aufenthaltsbewilligung unabhängig von den arbeitsmarktrechtlichen Vorschriften erteilt werden kann 115. Damit wird ihre Aufnahme in dem betreffenden Kanton nicht der alljährlich neu zu bestimmenden Höchstzahl (Kontingent) an erstmalig erteilten Aufenthaltsbewilligungen hinzugezählt, Art. 2 lit. c BRV116. Nach fünfjährigem, nicht unbedingt ununterbrochenem Aufenthalt in der Schweiz 117, kann der Flüchtling eine Niederlassungsbewilligung beanspruchen, sofern kein Ausweisungsgrund vorliegt, Art. 28 AsylG. Diese günstigste ausländerrechtliche Bewilligungsart wird ohne Auflagen erteilt, Art. 6 I und 11 ANAG 118. Sie stellt den Ausländer, abgesehen von den politischen Rechten und der Militärdienstpflicht, den Schweizern gleich 119. Die gegenüber der nonnalen Wartezeit von 10 Jahren halbierte Frist für anerkannte Flüchtlinge, die schon der früheren Praxis entsprach 120, soll zu deren besserer Integration in die schweizerische Gesellschaft beitragen 121.

3.3. Ausweisungsschutz Sozusagen als negative Komponente beinhaltet das Aufenthaltsrecht den Schutz vor Entfernungsmaßnahmen, der jedoch nicht absolut gilt 122. Auch für den anerkannten Flüchtling kommen alle drei dem schweizerischen Recht bekann114. Vgl. in bezug auf Flüchtlinge: Bersier, Droit d'asile, S. 46; ders., Statut juridique, S. 14; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 1.2.3., S. 8 sowie allgemein: Moser, ZSR 1967 II, 325, 396 ff.; Haverland, S. 158; Eriksson, S. 154 ff. 115 Eine Besonderheit des schweizerischen Ausländerrechts ergibt sich daraus, daß Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in einem Bescheid verbunden sind, vgl.: Moser, ZSR 1967 II, 325, 371; Moor / Ho/stetter, S. 34; Haverland, S. 156. 116 Poncet / Neyroud, S.68, Ziff. 130; Bersier, Droit d'asile, S.46; Lieber, AWRBulletin 1982, 181, 184; ders., ZAR 1983, 18,21; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 1.2.2., S. 6; Haverland, S. 167; Eriksson, S. 167; Moor / Ho/steUer, S. 32; Mach, RDAF 1982, 153, 158. 117 Lieber, ZBl1981, 49,61 sieht kurze Unterbrechungen als unschädlich an; ebenso: Wüthrich, S. 16, Ziff. 711.3; anders, aber ohne nähere Begründung: Bersier, Droit d'asile, S.46 " ... sejour ininterrompu ...". 118 Lieber, AWR-Bulletin 1982, 181, 184 in Fußn. 13; Bersier, Droit d'asile, S. 46; Haverland, S. 161. 119 Thürer, Festschrift Hegnauer, S. 580; International Helsinki Federation, 327; zurückhaltender, wegen der fortbestehenden Ausweisungsmöglichkeit: Eriksson, S. 165 f. 120 Poncetl Neyroud, S.68, Ziff. 130 m. w. Nachw. in Fußn. 143; Lieber, AWRBulletin 1982, 181, 185 weist darauf hin, daß zuvor darauf aber kein Anspruch bestand. 121 Dutoit, S. 63; Eriksson, S. 165; Parallelen lassen sich zu einem ausländischen Ehemann einer Schweizerbürgerin ziehen, dessen Aufenthaltszeit im Hinblick auf die Erlangung einer Niederlassungsbewilligung doppelt gezählt wird, vgl. dazu: Eriksson, a. a. 0., m. w. Nachw. in Fußn. 172; Thürer, Festschrift Hegnauer, S. 582, m. w. Nachw. in Fußn. 21. 122 Kälin, Non-refoulement, S. 10.

§ 2 Grundzüge des schweizerischen Asylrechts

65

ten Ausweisungsarten, die jeweils auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen basieren und auch verfahrensrechtlich differieren, in Frage. Die Ausweisung enthält dabei jeweils das Gebot, das Territorium der Schweiz zu verlassen und das Verbot, dorthin zurückzukehren 123. Zunächst ist die auf Art. 70 BV gestützte Möglichkeit für den Bundesrat zu nennen, Personen, die die Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, auszuweisen 124. Die zweite Administrativausweisung kann auf der Grundlage des Art. 10 ANAG durch die kantonalen Fremdenpolizeibehörden erfolgen. Diese Ausweisungsart setzt zumeist eine gerichtliche Bestrafung wegen eines Verbrechens oder Vergehens voraus 125. Davon unabhängig sieht Art. 55 StGB die Möglichkeit einer Landesverweisung als Nebenstrafe vor 126 • Bei der Ausweisung eines Flüchtlings ist hinsichtlich aller in Frage kommenden Entfemungsmaßnahrnen die Spezialvorschrift des Art. 43 AsylG 127 zu beachten. Dies gilt auch bei der auf höherrangiges Recht gestützten Ausweisung nach Art. 70 BV, da in Art. 43 AsylG die vorrangige völkerrechtliche Vorschrift des Art. 32 GFK ihren Niederschlag gefunden hat 128. Gleiches gilt für den an Art. 33 GFK angelehnten Art. 45 Asy1G129, der den Grundsatz der Nichtrückschiebung in das Verfolgerland enthält. Sollte aufgrund der Ausnahmebestimmungen in Art. 4511 AsylG bzw. in Art. 33 11 GFK dennoch eine Rückschiebung in Frage kommen, so bleibt Art. 3 EMRK als absolute Schranke zu beachten 130. 123 Hofmann, SJZ 1971,285,288; Lieber, Entwicklung, S. 288; Kälin, Non-refoulement, S. 305 f.; Haverland, S. 178; Wüthrich, Ziff. 55, S. 13. 124 Vgl. dazu: Haverland, S. 181; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 3.2.2., S. 1; Kälin, Non-refoulement, S. 306, der in Fußn. 4 darauf hinweist, daß diese Ausweisung heute praktisch selten vorkommt. 125 Lieber, Entwicklung, S. 288 f.; Moser, ZSR 1967 11, 325, 433 ff.; Hofmann, SJZ 1971,285,288 ff.; Kälin, Non-refoulement, S. 307 f.; Haverland, S. 179 ff.; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 3.3.3., S. 5 f. 126 Vgl. zur Landesverweisung: Moser, ZSR 196711, 325, 440; Haverland, S. 190. 127 Art. 43 AsylG lautet: ,,1 Ein Flüchtling, dem die Schweiz Asyl gewährt hat, darf nur ausgewiesen werden, wenn er die innere oder äußere Sicherheit der Schweiz gefährdet oder die öffentliche Ordnung in schwerwiegender Weise verletzt hat. 2 Das Asyl erlischt mit dem Vollzug der Ausweisung oder der gerichtlichen Landesverweisung." Nach Kälin, Non-refoulement, S. 310 sind diese Begriffe restriktiv auszulegen. 128 Kälin, Non-refoulement, S. 313. 129 Art. 45 AsylG lautet: ,,1 Niemand darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem sein Leib, sein Leben oder seine Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Absatz 1 gefährdet sind oder in dem die Gefahr besteht, daß er zur Ausreise in ein solches Land gezwungen wird. 2 Auf diese Bestimmung kann sich eine Person nicht berufen, wenn erhebliche Gründe dafür vorliegen, daß sie die Sicherheit der Schweiz gefährdet, oder wenn sie als gemeingefährlich gelten muß, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist." 130 Kälin, Non-refoulement, S. 310 u. 314, sowie grundlegend zu Art. 3 EMRK: ebenda S. 158 ff., insb. S. 185 ff.; vgl. auch: Botschaft, BB11977 III, Ziff. 253; Furgler, S. 18 f.

5 Zimmennann

66

1. Teil: Grundlagen

3.4. Sonstige Rechte

Hinsichtlich der Möglichkeit, von Anfang an einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, sieht Art. 27 AsylG eine liberale Regelung vor, die wegen der fehlenden zeitlichen Schranke über Art. 17 GFK hinausgeht und zudem selbständige wie auch unselbständige Tätigkeiten zuläßt 131. Im Sozialversicherungsrecht sind die Flüchtlinge entsprechend der Forderung des Art. 24 GFK den Schweizerbürgern nahezu gleichgestellt 132. Im Hinblick auf die einzelnen in der GFK festgelegten Rechte der Flüchtlinge bezüglich Personalstatut, Eigentum, Zugang zu den Gerichten, Erziehung, öffentliche Fürsorge, Ausstellung von Reisedokumenten etc. und hinsichtlich der Einbindung dieser Rechte in die schweizerische Rechtsordnung wird auf die einschlägige Literatur verwiesen 133.

Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die Rechtsstellung der Flüchtlinge im schweizerischen Recht wesentlich günstiger ausgestaltet ist als die der anderen dort lebenden Ausländer 134.

§ 3 Der Grundsatz der Familieneinheit im Verfassungs-

und Ausländerrecht der Bundesrebublik Deutschland 1. Allgemeines

Neben der Asylrechtsgarantie des Art. 1611 2 GG kann für einen asylsuchenden oder -berechtigten Ausländer und für seine Familienangehörigen Art. 6 I GG von besonderer Bedeutung sein. Der grundrechtliche Schutz für Ehe und Familie wirkt über Art. 1 III GG auf die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Rechtsstellung einer Flüchtlingsfamilie ein.

131 Lieber, ZBI 1981,49,61; ders., AWR-Bulletin 1982, 181, 184; Dutoit, S.63; Bersier, Droit d'asile, S. 46; Hadorn, Asylgesetz, S. 97. 132 Bersier, Droit d'asile, S. 47 f.; Dutoit, S. 63; Hadorn, Asylgesetz, S. 97; Handbuch des Asyl- und Ausländerrechts, Ziff. 11.8 u. 9, S. 8 f.; vgl. ausführlich dazu die Dissertation von Schmid-Winter. 133 Eckert, S. 107 ff.; Schmid-Winter, S. 35 ff.; European Consultation, S. 336 ff.; Bersier, Droit d'asile, S. 45 ff.; insb. zu Art. 12 und 16 GFK: Bucher, ZSR 1982 I, 1, 27, 10-16. 134 Kälin, Non-refoulement, S. 10; Schmid-Winter, S. 33 u. 48; Eriksson, S. 170; Hadorn, Asylgesetz, S. 97; BGer, U. v. 23.5.1986, - A 288/85/tr - , n. v., S. 4.

§ 3 Familieneinheit im bundesdeutschen Recht

67

1.1 Themenbezogene Fragestellungen Die der gesamten Untersuchung zugrunde liegende Fragestellung läßt sich vorläufig wie folgt zusammenfassen: Wie wirkt sich der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 I GG auf die familiären Beziehungen eines Ausländers aus, der sich als Asylberechtigter oder als - gegebenenfalls abgewiesener - Asylbewerber im Bundesgebiet aufhält? In erster Linie geht es also um die Frage, ob den Familienangehörigen, die sich selbst nicht unmittelbar auf Art. 1611 2 GG berufen (können), ein Aufenthaltsrecht zusteht und wie dieses Recht gegebenenfalls ausgestaltet ist. Folgenden Einzelfragen ist dabei nachzugehen: -

Hat der sich asylbedingt im Bundesgebiet aufhaltende Ausländer ein Recht darauf, daß seine Familienangehörigen dorthin nachziehen bzw. dort verbleiben dürfen?

-

Besteht ein korrespondierendes oder abgeleitetes Einreise- bzw. Verbleiberecht dieser Familienmitglieder?

-

Folgt aus der staatlichen Familienschutzpflicht, daß die Rechtsposition der Familienangehörigen in genau der gleichen Weise auszugestalten ist, wie die Rechtsstellung des Asylberechtigten?

1.2. Definition der Familieneinheit Unabhängig von dem jeweils behandelten Rechtsgebiet, umschreibt der Begriff Familieneinheit das Zusammenleben von Personen, die untereinander durch familiäre Beziehungen verbunden sind, in einer Hausgemeinschaft. Die genaue Bestimmung des erfaßten Personenkreises hängt allerdings von dem jeweiligen Anwendungsbereich des Begriffs ab. So geben etwa § 11 I Nr. 1 StGB und § 20 V VwVfG eine sehr weit gefaßte Definition des "Angehörigen", die nicht unbesehen auf die Familieneinheit im Asylrecht übertragen werden kann. Dies gilt umso mehr, als in den genannten Bestimmungen auch verwandtschaftliche Beziehungen Berücksichtigung finden, die regelmäßig nicht in einer häuslichen Gemeinschaft praktiziert werden 1. Das BVerfG versteht unter Familie i. S. d. Art. 6 I GG grundsätzlich die "in der Hausgemeinschaft geeinigte, engere Familie" 2. Wie weit dieser Kreis im einzelnen zu ziehen ist, soll im Zusammenhang mit den asylspezifischen Fragen 1 VgJ. etwa § 20 V Nr. 6 VwVfG: ,,Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten". 2 BVerfGE 48, 327, 339; 76, 1,42 f.

5*

68

1. Teil: Grundlagen

abgeklärt werden. Aus Gründen der begrifflichen Klarheit wird aber nachfolgend die Zusammenfassung der in Art. 6 I GG angesprochenen Institute Ehe und Familie unter dem übergeordneten Begriff der Familieneinheit in dem hier gebrauchten Sinne erläutert. 1.2.1. Umfassender Begriff

Im Verlauf der gesamten Arbeit wird der Begriff Familieneinheit auch verwendet, wenn lediglich von einem Ehepaar ohne Kinder die Rede ist. Dies ist nicht selbstverständlich, denn eine Ehe ohne Kinder wird nicht als Familie i. S. v. Art. 6 I GG angesehen 3. Dafür spricht schon der Wortlaut (" ... Ehe und Familie ..."). Dennoch verbietet es sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht, auch bei dem Zusammenleben eines kinderlosen Ehepaares von einer Familieneinheit zu sprechen 4 • Für Art. 8 I und Art. 12 I EMRK sieht der EuGHM in der Heirat bereits die Gründung einer Familie 5 • Diese Wortwahl hat den Vorteil, daß der Begriff der Familie offener ist als derjenige der Ehe, der durch die Strukturprinzipien der Einehe, der Geschlechtsverschiedenheit der Partner und der grundsätzlichen Unauflöslichkeit vorgeprägt ist 6 • Mit dieser Begriffswahl soll jedoch nicht aus dem Blickfeld geraten, daß durch das Aufkommen neuer, vielfältiger Formen partnerschaftlichen und familiären Zusammenlebens in tatsächlicher Hinsicht eine ,,Entkoppelung" der Ehe von der Familie stattgefunden hat, der im Verfassungsrecht durch die Trennung des Eheschutzes vom Familienschutz Rechnung getragen werden muß? Auf diese Unterscheidung wird dann zurückzukommen sein, wenn z. B. der Eheschutz allein weniger stark sein sollte als der Schutz von Ehe und Familie. So verstärkt etwa das Vorhandensein eines gemeinsamen Kindes den Ausweisungsschutz für Ausländer, da nicht nur die Ehe-, sondern auch die Familiengemeinschaft zu berücksichtigen ist 8 • Eine solche Intensivierung des staatlichen Schutzes ergibt sich auch aus Art. 6 11 GG, der das Eltern-Kind-Verhältnis erfaßt 9 • Die Heranziehung des umfassenMaunz, M / D / H / S, Art. 6, Rdnr. 16. Gusy, DÖV 1986, 321, 326 f.; ders., JA 1986, 183, 187 gebraucht die Begriffe eheliche Gemeinschaft und Familieneinheit synonym; vgl. auch: von Campenhausen, VVDStRL 45 (1987), 8, 21 f. 5 EuGHM, EuGRZ 1985, 567, 569 in Rz. 62; ähnlich: Frowein / Peukert, EMRKKomm., Art. 12, Rdnr. 6. 6 Friauj, NJW 1986, 2595, 2601. ? Friauj, NJW 1986, 2595, 2598, 2602; E. M. von Münch, in: von Münch, GGKomm., Art. 6, Rdnr.2 a; Zuleeg, NVwZ 1986,800,806. 8 BVerfGE 51, 386, 398; BVerwGE 48,299,303; vgl. dazu auch: Pirson, BK, Art. 6, Rdnr. 65; Schwerdtfeger, Gutachten, S. 35; Huber, Ausländer- und Asylrecht, Rdnr. 70; ders., InfAuslR 1982, 1,2; Zuleeg, Familiennachzug, S. 156 f.; Weides, JuS 1986,697, 699. 3

4

§ 3 Familieneinheit im bundesdeutschen Recht

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den Begriffs der Familieneinheit läßt sich zudem damit rechtfertigen, daß trotz vielfältiger Auflösungserscheinungen der hergebrachten Lebensmuster die "Ehe in ihrer rechtlichen Ausprägung als Tatbestandsvoraussetzung der Familie" angesehen werden kann, wie es von der Systematik des Art. 6 I GG vorgegeben ist 10. Auf einzelne Ausnahmen von dieser Systematik, wie etwa die Erfassung des Verhältnisses eines nichtehelichen Vaters zu seinem Kind von dem verfassungsrechtlichen Familienbegriff 11 , wird im jeweiligen Zusammenhang genauer eingegangen. 1.2.2. Einheit der Familie als Ausprägung des Grundrechtsschutzes

Das BVerfG sieht es als Verpflichtung des Staates an, die ,,Einheit und Selbstverantwortlichkeit der Familie zu respektieren und zu fördern" 12. Versteht man unter Einheit das Zusammenleben in der familiären Gemeinschaft, so findet sich auf einfachgesetzlicher Ebene gar eine Pflicht für Ehepartner, die eheliche Gemeinschaft zu praktizieren, § 1353 BGB. Gusy hat zurecht darauf hingewiesen, daß mit dieser zivilrechtlichen Pflicht ein grundgesetzlich verbürgtes Recht der Beteiligten korrespondiere. Für das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern, sieht er Art. 6 11 GG als unmittelbare Rechtsgrundlage für die Familieneinheit an 13. Im Schrifttum finden sich weitere Umschreibungen dafür, daß die Familieneinheit als Ausprägung des Grundrechtsschutzes betrachtet wird. Pirson erblickt in der ehelichen Lebensgemeinschaft ein "vom verfassungsrechtlichen Schutz umfaßtes Wesensmerkmal der Ehe" 14. Nach Kuper ist auch die "Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft schon vom Schutzbereich des Art. 6 I GG umfaßt" 15. Richter sieht in Art. 6 I GG die "Gewährleistung des Zusammenlebens der Familie als Grundrecht" 16 und Schwerdtner macht "im gemeinsamen Leben von Eltern und Kindern das Leitbild des Art. 6 I GG" aus 17. Huber bezeichnet das "Recht auf ein gemeinsames Familienleben als den Kernbereich des Art. 6 I GG" 18. Schließlich ist auch dem Hinweis von Tomuschat zuzustimmen, daß 9 BVerfGE 51, 386, 398; BVerwGE 48,299,303; Huber, InfAuslR 1982,1,2; Kuper, ZAR 1984, 186, 188; I. von Münch, Staatsrecht, Rdnr. 319; Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnr.616. 10 Gusy, JA 1986, 183, 185; ähnlich: Zippelius, OÖV 1986, 805, 809; von Campenhausen, VOStRL 45 (1987), 8, 22. 11 BVerfGE 45, 104, 123; 56, 363, 382; BVerwGE 60, 75, 80. 12 BVerfGE 51, 386, 398 m. w. Nachw.; BVerfGE 76, 1,49. 13 Gusy, OÖV 1986, 321, 327. 14 Pirson, NVwZ 1985, 321, 322 unter Hinweis auf BVerfGE 62, 323, 330; vgl. allgemein zur Familieneinheit: ders., BK, Art. 6, Rdnm. 47 ff., insb. 55. 15 Kuper, ZAR 1984, 186, 188 m. w. Nachw. in Fußn. 35. 16 Richter, AK-GG, Art. 6, Rdnr. 25. 17 Schwerdtner, VBlBW 1985,41. 18 Huber, InfAuslR 1982, 1, 2.

1. Teil: Grundlagen

70

das "Recht auf Zusammenleben innerhalb der Familie einen konstitutiven Bestandteil des Rechts auf Schutz der Familie i. S. d. Art. 6 I GG bildet" 19. Damit kann es als einmütig festgestellt gelten, daß die Familieneinheit vom Schutzbereich des Art. 6 I GG umfaßt wird. Dies ist vor allem unter dem Aspekt der verfassungsrechtlich vorgesehenen Grundfunktion der Familie verständlich. In der Familie soll nämlich den einzelnen Mitgliedern die Vermittlung gegenseitiger Lebenshilfe ermöglicht werden, die bei einem Leben in großer räumlicher Entfernung zwangsläufig unterbleiben muß20. Fällt also die Familieneinheit in den Anwendungsbereich des Art. 6 I GG, so ist damit noch nicht gesagt, auf welche Weise der Schutz des Zusammenlebens innerhalb der Familie zu erfolgen hat. Dafür ist eine genauere Betrachtung der Funktionsbereiche des Grundrechtsartikels notwendig.

2. Schutz der Familieneinheit durch Art. 6. HG Nach der Interpretation des BVerfG beinhaltet Art. 6 I GG "sowohl ein klassisches Grundrecht auf Schutz vor Eingriffen des Staates wie eine Institutsgarantie wie auch eine wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Ehe- und Familienrecht"21. Diese verschiedenen Gewährleistungsdimensionen der Grundgesetznorm sollen nachfolgend näher betrachtet werden, wobei getrennt nach den unterschiedlichen Zielrichtungen vorgegangen wird.

2.1. Subjektiv-rechtlicher Schutzbereich Die Grundrechte enthalten ". . . nach ihrer Geschichte und ihrem heutigen Inhalt ... in erster Linie individuelle Rechte ... , die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben."22 Diese Funktion eines klassischen Grundrechts ist trotz seines objektiven Wortlauts auch dem Art. 6 I GG immanent 23. Der Umfang, in dem Art. 6 I GG als staatsgerichtetes Abwehrrecht fungiert, ist nunmehr näher zu bestimmen.

Tomuschat, EuGRZ 1979, 191, 198. Pirson, BK, Art. 6, Rdnr.66; Kuper, ZAR 1984, 186, 188; Rübsaamen, S.59; Diefenbach, ZAR 1983,70,71; vgl. zum Angewiesensein auf die familiäre Lebenshilfe auch BVerfG, NJW 1982, 2730; BVerfGE 76, 1, 51. 21 Vgl. nur BVerfGE 31, 58, 67; 62, 323, 329. 22 BVerfGE 50, 290, 337 (Mitbestimmungsurteil). 23 Zuleeg, NVwZ 1986, 800, 801; ders., Familiennachzug, S. 126. 19

20

§ 3 Familieneinheit im bundesdeutschen Recht

71

2.1.1. Eingriffsverbot

In seiner abwehrrechtlichen Funktion schützt das Grundrecht den einzelnen vor störenden Eingriffen des Staates in die Privatsphäre von Ehe und Familie 24 • Dieser abwehrrechtliche Schutzbereich erstreckt sich von der Gründung einer Ehe oder Familie über das eheliche bzw. familiäre Zusammenleben bis hin zu der Beendigung der Ehe 25 • Da auch das familiäre Zusammenleben dem abwehrrechtlichen Schutzbereich unterfällt 26 , ergibt sich daraus ein Verbot von staatlichen Eingriffen in die Familieneinheit, d. h. "der Staat darf eine bestehende Einheit nicht zerstören, indem er den Beteiligten unmöglich macht, die Einheit fortzusetzen oder wiederherzustellen" 27. Im Sinne eines klassischen Freiheitsrechts gewährt Art. 6 I GG den einzelnen Grundrechtsträgem ein Recht auf Selbstbestimmung über die Art und Weise der ehelichen und familiären Lebensführung, soweit sie sich innerhalb des Schutzbereichs der Grundrechtsnorm bewegen 28. Die daraus resultierende Gestaltungsfreiheit umfaßt grundsätzlich auch die freie Wahl des gemeinsamen Aufenthaltsortes für die Familienmitglieder 29 • Diese Grundentscheidungen der familiären Beziehungen unterliegen somit dem Eingriffsverbot.

Aus dieser recht unbestimmten Festlegung des vor Eingriffen geschützten Lebensbereichs läßt sich zwar einerseits ersehen, daß nur die äußersten Grenzen des Familienschutzes aus der Verfassung selbst ableitbar sind 30 • Andererseits ist aber im Auge zu behalten, daß der so umrissene Freiheitsbereich nur aufgrund von benennbaren Schranken mit Verfassungsrang eingeschränkt werden kann 31 • 2.1.2. Diskriminierungsverbot

Das BVerfG hat in seiner grundlegenden Entscheidung zum Ehe- und Familienschutz aus dem Jahre 1957 dem Art. 6 I GG das an den Staat selbst gerichtete 24 E. M. von Münch, in: von Münch, GG-Komm., Art. 6, Rdnr. 8; Franz, NJW 1984, 530, 532; Stange, S.61 m. w. Nachw. in Fußn. 76. 25 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnm. 724, 727; I. von Münch, Staatsrecht, Rdnr.320. 26 BVerfGE 76, 1,42; Richter, AK-GG, Art. 6, Rdnr. 25; Zuleeg, Familiennachzug, S. 128; Rübsaamen, S. 24 f. 27 Gusy, DÖV 1986, 321, 327. 28 BVerfGE 61, 319, 347; Friauj, NJW 1986, 2595, 2600; von Campenhausen, VVDStRL 45 (1987), 8, 30; Steiger, VVDStRL 45 (1987), 56, 59. 29 BVerwGE 42, 133, 136 f.; 42, 141, 142; Zuleeg, NVwZ 1986, 800, 804; ders., Familiennachzug, S. 128 f.; Huber, InfAuslR 1982,1,2; Meyer-Teschendorj, ZRP 1987, 149, 151 f.; a. A. Rübsaamen, S. 25 unter Berufung auf eine Unterordnung des subjektivrechtlichen Charakters unter die Institutsgarantie; dagegen zutreffend: Friauj, NJW 1986, 2595, 2600 f. 30 Hailbronner, NJW 1983, 2105, 2108; Rübsaamen, S. 32. 31 Zuleeg, NVwZ 1986, 800, 802; Steiger, VVDStRL 45 (1987), 56, 82.

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1. Teil: Grundlagen

Verbot entnommen, "die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen"32. Als eine Beeinträchtigung ist es auch anzusehen, wenn verheiratete gegenüber unverheirateten Personen in gleicher Lage benachteiligt werden. Demnach folgt aus Art. 6 I GG das Verbot der Schlechterstellung von Familien gegenüber getrennt lebenden oder unverheirateten Gemeinschaften, soweit kein besonderer Rechtfertigungsgrund vorhanden isP3. Es ist unstreitig, daß sich aus diesem Benachteiligungsverbot eine entsprechende staatliche Unterlassungspflicht ergibt 34. Fraglich ist jedoch die systematische Einordnung dieses Diskriminierungsverbotes. Ein Teil des Schrifttums sieht in dem Verbot, einen rechtlichen Nachteil allein an die Familienzugehörigkeit zu knüpfen, eine Ausprägung des Art. 6 I GG als wertentscheidende Grundsatznorm 35. Das Benachteiligungsverbot wird auf eine rein objektiv-rechtliche Pflicht des Staates beschränkt, weil eine Diskriminierung von Familien in erster Linie im Bereich staatlicher Leistungen vorkomme. Dieser Bereich unterf