Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund. Schloss Cappenberg [Reprint 2018 ed.] 9783110884241, 9783110000245


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German Pages 84 Year 1964

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Table of contents :
GESCHICHTE DER SAMMLUNG
GRÜNDUNG
SCHLOSS CAPPENBERG
DIE SAMMLUNG
STADTGESCHICHTE
KUNST DES MITTELALTERS
KUNST DES 16.-19. JAHRHUNDERTS
MALEREI DES 19. JAHRHUNDERTS
KUNSTHANDWERK 16.-20. JAHRHUNDERT
VOR- UND FRÜHGESCHICHTE
LITERATUR ÜBER KUNSTWERKE AUS DEM MUSEUM
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Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund. Schloss Cappenberg [Reprint 2018 ed.]
 9783110884241, 9783110000245

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MUSEUM FÜR KUNST UND KULTURGESCHICHTE DER STADT DORTMUND

KULTURGESCHICHTLICHE MUSEEN IN DEUTSCHLAND HERAUSGEGEBEN VON GERHARD WIETEK BAND IV

ROLF FRITZ

MUSEUM FÜR KUNST UND KULTURGESCHICHTE DER STADT DORTMUND

VERLAG CRAM, DE GRUYTER & CO • HAMBURG

Photographien:

Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund (Ursula Haustein)

Zeichnungen:

Max Aurich, B D G , Dortmund

Gesamtgestaltung:

Herausgeber und Verlag

Das Erscheinen dieses Bandes wurde durch einen Druckkostenzuschuß der Stadtverwaltung Dortmund gefördert

© Copyright 1964 by Cram, de Gruyter & Co., Hamburg 13 Gesamtherstellung: Graph. Betrieb Gebr. Rasch & Co., Bramsche/Osnabrück Klischees: Alexander & Weinert, Hamburg

Printed in Germany

GESCHICHTE DER SAMMLUNG

D o r t m u n d ist eine sehr alte Stadt. Weit über die ältesten Zeugen des Gemeinwesens, die Münzen des 11. Jahrhunderts, zurück reichen sichere Beweise für eine größere Ansiedlung des 4. Jahrhunderts. Aus der Folgezeit bis zur Blüte der Reichsstadt haben sich in ihren Kirchen und den Dorfkirchen im heutigen Stadtgebiet Werke der bildenden Kunst von höchstem Rang erhalten. Jede der alten Kirchen bewahrt einen monumentalen Altar, und man muß nur die Namen CONRAD VON SOEST und D E R I C K BAEGERT nennen, um eine Vorstellung vom künstlerischen Reichtum dieser Ausstattung zu geben. Am Ende des 15. Jahrhunderts erreicht auch die Bildhauerkunst eine bemerkenswerte Höhe, und das Kunsthandwerk, besonders das der Goldschmiede, steht ihr nicht nach. Um so jäher ist das Ende, denn nach dem 1. Viertel des 16. Jahrhunderts versiegt jede künstlerische Tätigkeit in der Stadt. Die folgenden Jahrhunderte des durch Kriege und die Verlagerung der politischen Akzente von der Reichsstadt zu den Territorialfürsten bedingten Niederganges haben dazu geführt, daß die Stadt bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts kaum mehr als ein Landstädtchen mit ein paar Tausend Einwohnern war. Diese Zahl hatte sich im Jahre 1871 um das Zehnfache und schon 1894 um das 25-fache vermehrt. Diese Steigerungen, hinter denen der Kundige die wirtschaftlichen Voraussetzungen spürt, die die riesig angewachsene Industrie geschaffen hatte, sind der Hintergrund, vor dem sich die erste Entwicklung des Dortmunder Museums abspielt, ja sie sind indirekt die Ursache für seine Gründung gewesen. Das Bewußtsein, in einer alten Stadt mit bedeutender geschichtlicher Vergangenheit zu leben, ist selbst im schnellen Wachstum der Industriegemeinde nicht ganz verloren gegangen. Stand doch am Markt - wenn auch arg verwahrlost das alte Rathaus, das sich rühmte, das älteste aus Stein gebaute in ganz Deutschland zu sein, und in ihm fanden sich die gotischen Urkundenschränke und Dokumententruhen mit reichem Inhalt an Urkunden, Siegeln und anderen Zeichen der vergangenen Reichsstadtzeit. So ist es kein Wunder, daß die ersten Regungen historischen Denkens in der Stadt an diese noch sichtbaren Zeugen anknüpften. Trotzdem war der Anlaß zu deren Sammlung rein zufällig. Als nämlich im Frühjahr des Jahres 1866 in Cappenberg ein stattlicher Fund Dortmunder Münzen des 15. Jahrhunderts gehoben wurde, wies der Oberbürgermeister den Magistrat am 24. Februar 1866 darauf hin: 5

„Die Stadtverordneten-Versammlung machen wir auf eine Mittheilung der Westfälischen Zeitung vom 8. Februar er. über Dortmunder Münzen aufmerksam. Wenn man überhaupt dazu übergehen will, die Alterthümer unserer Stadt zu sammeln, wie sich das für eine große, alte Stadt wohl ziemte, dann würde hier eine Gelegenheit sein, den Anfang mit dem Ankaufe eines Theils der ausgebotenen Dortmunder Münzen zu machen." Nach Erteilung der Zustimmung kaufte er zum Preise von 32 Talern und 5 Silbergroschen 78 Dortmunder Münzen an, denen im Jahre 1871 weitere Erwerbungen folgten. Zugleich wandte man sich aber auch an die Öffentlichkeit mit folgender Bekanntmachung: „Nachdem der Anfang gemacht ist, eine städtische Sammlung alter Dortmunder Münzen anzulegen, werden diejenigen Besitzer solcher Stücke, die den Wunsch haben, selbige auch der Zukunft aufzubewahren und jedermann zugänglich zu machen, gebeten, solche der Stadt entweder geschenks- oder verkaufsweise zu überlassen." Diese Sammlung wurde weiterhin vermehrt und erhielt im Jahre 1878 einen Dezernenten, der ihre Ordnung dem Gymnasiallehrer Dr. EDUARD ROESE übertrug. Mit diesem Mann war viel mehr gewonnen worden, als ein an Münzen interessierter Oberlehrer. Roese war Historiker aus innerer Berufung. 1855 in Elze in Hannover geboren, kam er nach dem Studium der klassischen Philologie und der Germanistik in Göttingen im Jahre 1878 nach Dortmund, wo er bis 1890 am Gymnasium wirkte. Sichtbare Zeichen seiner wissenschaftlichen Studien sind seine 1884 verfaßte Tübinger Dissertation über eine kritische Ausgabe der „Cronica Tremoniensium" des Dominikaners JOHANN NEDERHOFF, seine Arbeit als Mitherausgeber des 2. Bandes des Dortmunder Urkundenbuches (1890) sowie der geschichtlichen Einleitung zu den Bänden „Dortmund-Stadt" und „Dortmund-Land" der „Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen", Münster 1894 und 1895. Er hat ferner eine große Zahl von Aufsätzen über alte Dortmunder Kunstdenkmäler in den Zeitungen veröffentlicht, die noch heute eine schätzbare Quelle sind. Als er im Jahre 1878 aus Anlaß der Entdeckung eines Münzschatzes in Dortmund die Besorgnis ausspricht, daß bei seinem Verlust „die Wissenschaft um eine vielleicht wertvolle Entdeckung betrogen werde", kennzeichnet dies erste Wort bereits seine Tätigkeit der folgenden Jahre, in denen er außer seiner Arbeit in der Münzsammlung sich allen alten Kunstdenkmälern in der Stadt zuwandte. Bei den Aufnahmen in den Dortmunder Kirchen muß der Historiker Dr. Roese empfunden haben, mit welch erschreckender Geschwindigkeit die Denkmäler der alten Zeit dem raschen Wachstum der Stadt und der Industrie zum Opfer fielen. Um das von der Vernichtung Bedrohte zu retten, wandte er sich an den Magistrat und hatte im Jahre 1882 einen ersten Erfolg: „Auf die von Herrn Dr. Röse gegebene Anregung wegen Errichtung eines städtischen Museums hat Magistrat zur Erörterung der Sache eine Kommission eingesetzt." 6

Die Dinge gingen rasch voran und fanden verständnisvolle Förderer, so daß 1883 ein erster Aufruf erscheinen konnte: „Wir haben beschlossen, eine öffentliche Sammelstelle für historische, künstlerisch oder kunstgewerblich bemerkenswerte Gegenstände, die zu der Stadt Dortmund nebst Umgegend und ihrer Geschichte in Beziehung stehen, einzurichten, um diese Gegenstände größeren Kreisen für die Forschung oder Nachbildung zugänglich zu machen. Wir ersuchen unsere Mitbürger, welche im Besitze derartiger Gegenstände, wie Schriften, Bücher, Bilder, Münzen, Geräte aller Art etc. sind, und welche zugleich bereit sind, dies gemeinnützige Vorhaben durch schenkungs- oder leihweise Zuwendungen zu unterstützen, diese Gegenstände auf dem Bureau des Stadtbauamts abzugeben oder anzumelden. Über sämmtliche Gegenstände wird Quittung ausgestellt, bei Wertgegenständen kann das Eigentumsrecht vorbehalten werden. Die weitere Entwicklung und Organisation unseres Unternehmens wird von dem Maße der Beteiligung und des Wohlwollens abhängen, das ihm von der Bürgerschaft entgegengebracht wird. Über den Ort der Ausstellung, Zeit und Bedingungen des Besuches behalten wir uns vor, weitere Bekanntmachung zu erlassen." Dieser hatte ein so erfreuliches Ergebnis, daß ihm bald ein Antrag an die Stadtverordnetensammlung folgen konnte: „Der Stadtverordneten-Versammlung wird aus den Tagesblättern bekannt geworden sein, daß wir beschlossen haben, eine Sammelstelle anzulegen, in welcher die in der Stadt noch vorfindlichen Gegenstände von historischem, künstlerischem oder kunstgewerblichem Interesse vereinigt dem Publikum zur wissenschaftlichen Benutzung zugänglich gemacht werden sollen. Unser zu diesem Zwecke erlassener Aufruf hat einen fast über Erwarten günstigen Anfang gehabt, indeß ist uns seitens der Kirchengemeinden und von unseren Mitbürgern bereits eine so große Anzahl interessanter Gegenstände, teils leihweise, teils durch Schenkung zugewiesen worden, daß wir unserem Unternehmen eine gute Zukunft versprechen können. Die Gegenstände sind einstweilen in disponiblen Zimmern der höheren Mädchenschule zweckmäßig untergebracht, sie müssen aber geordnet, aufgestellt, gereinigt und teilweise renoviert werden, es sind Tische und Glaskasten zu beschaffen, um die Sammlung benutzbar zu machen. Die zu diesem Behufe zusammengetretene Commission veranschlagt die erforderlichen Mittel auf 1000 Mark, und wir ersuchen die Stadtverordneten-Versammlung ergebenst, die Verwendung dieser Summe aus extraordinären Mitteln genehmigen zu wollen." GRÜNDUNG

Die Stadtverordneten-Versammlung stimmte am 25. Juni 1883 zu. Damit war das städtische Museum gegründet und sein Leiter und Gründer, Dr. Eduard Roese, konnte das erfolgreich begonnene Werk fortsetzen. In zwei Zimmern der höheren Mädchenschule wurde das Gesammelte aufgestellt, fand auch zu7

nächst Interesse, das aber rasch erlahmte, so daß schon 1884 der Besuch als „sehr sporadisch" bezeichnet werden mußte. Roese erreichte auch nicht die Unterstützung, die er brauchte - sein Jahresetat betrug 500 Mark, später 1000 Mark so daß er verärgert sich zurückgezogen hätte, wäre nicht die Bitte des Magistrats an ihn ergangen, „die geschätzte Tätigkeit fortzusetzen". Für den wachsenden Raumbedarf waren die 14 kleinen und schlecht beleuchteten Zimmer im Hause Potgasse 7 zwar nur eine Notlösung, aber sie konnten doch als „Städtische Alterthumssammlung" bei freiem Eintritt sonn- und feiertags von 11-13 Uhr zugänglich gemacht werden. Wie es scheint, hat man das Museum schon damals mit einigem Stolz auswärtigen Gästen gezeigt, besichtigten doch die Delegierten des 14. Westfälischen Städtetages 1890 die Sammlungen, freilich in einem Programm mit der Badeanstalt, einer Brauerei und einer Fabrik. Als Roese 1890 Dortmund verließ, konnte er dem Magistrat melden, daß die Sammlungen einen Wert von 25000 Mark besäßen, und er hinterließ außer dem Münzkatalog ein in sorgfältiger Kleinarbeit angelegtes Inventarverzeichnis. Er versichert, daß er die Sammlung „die ich mich freue ins Leben gerufen zu haben und freiwillig übernommen und fortgeführt habe" auch aus seinem neuen Wohnsitz fördern werde. Und er fügt hinzu, daß „zu einer gedeihlichen ferneren Entwicklung des Museums es - abgesehen von der richtigen Auswahl bei Ankäufen und bei der Annahme von Geschenken - einer unausgesetzten Instandhaltung der Gegenstände bedarf". Roese ist nach erfolgreichem Wirken an vielen Schulen des Reiches im Jahre 1918 in Halle a. d. Saale gestorben. Das Dortmunder Museum sieht in ihm den verdienten Mann, der es mit bescheidenem Stolze als seine Gründung bezeichnen durfte. Ihm folgte auf seinen Vorschlag der Oberlehrer Dr. SCHÖNE, der das Amt jedoch nur bis 1892 innehatte. Als am 25. Oktober 1892 der Magistrat dem Zeichenlehrer der städtischen Gewerbeschule und der gewerblichen Fortbildungsschule, ALBERT BAUM, das Amt des Museumsverwalters übertrug, begann eine Periode, in der durch den rastlosen Fleiß eines einzelnen Mannes das Museum aus vorhandenen Anfängen auf eine Höhe geführt werden sollte, von der MAX GEISBERG in seinem Nachruf auf Albert Baum 1934 sagen konnte, daß er „eine für Westfalen unvergeßliche Tat" geleistet habe, und er fügte hinzu, daß Baum „ausgestattet mit einem ungewöhnlichen Spürsinn und einem leidenschaftlichen Sammeleifer, das Museum zu einer der bedeutendsten westdeutschen Sammlungen alter Kunst und Kultur vor allem der westfälischen Heimat" erhoben hat. Albert Baum, geboren 1862 in Wildemann im Harz, gestorben 1934 in Dortmund, stammte aus einer Bergmannsfamilie und wurde Lehrer, später Zeichenlehrer und kam als solcher 1891 nach Dortmund. Als er nach der kurzen Tätigkeit von Dr. Schöne das Museum übernahm, begann er seine Arbeit mit einem erstaunlichen Entschluß. Der Schulmann Baum versuchte Museum und Schule zu verbinden, ein Bemühen, das, wie später zu zeigen sein wird, entwicklungs8

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Das Museumsgebäude von 1904-1910

fähig war und zu schönen Erfolgen führen sollte. Er benutzte die „gesammelten kunstgewerblichen Gegenstände" im Zeichenunterricht der Realschule und den Handwerkerklassen der Fortbildungsschule und gewann damit dem Museum neue Freunde und vor allem das Interesse der Behörden. Der Geist der historisierenden künstlerischen Restauration des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in dem Baum seine Ausbildung erhalten hatte, hat seine Vorstellungen, auch von den Aufgaben eines Museums von Anfang an bestimmt. Der junge Zeichenlehrer entwirft in diesem Sinne die Adresse der Stadt an den Fürsten BISMARCK und seine ersten Schritte zum Ausbau des Dortmunder Museums sind von dem Gedanken geleitet, das Formengut der Vergangenheit, das ihm Schule und Akademie vermittelt hatten, den Besuchern des Museums weiterzugeben. Er konnte den Erfolg verzeichnen, bald in einem eigenen Hause in der Kleppingstraße am 17. 1. 1898 eine Bibliothek mit Vorbildersammlung zu eröffnen, die kurz darauf in das Moversche Haus in der Wißstraße, schließlich in das Pottgiessersche Haus Markt 12 übersiedelte. Diese Vorbildersammlung enthielt in 17 Abteilungen Tafeln mit Vorlagen für alle Aufgaben des Kunsthandwerkers, nach Materialien in 54 Kästen geordnet. Diese in den Anfängen lebhaft benützte Sammlung hat, später durch den grundlegenden Wandel der künstlerischen Auffassungen überholt und vergessen, bis zum Jahre 1934 bestanden. Im Sinne dieser Vorbildersammlung war es auch, wenn die „Beschaffung von guten kunstgewerblichen Originalen" gewünscht wurde. Einen Anfang machte die Erwerbung von „Doubletten 9

aus dem Bestände des Museums des Central- Gewerbevereins von Rheinland und Westfalen in Düsseldorf", für die die Stadt 3000 Mark bereitstellte. Diese Proben von Stoffen - von koptischen Webereien bis ins 19. Jahrhundert reichend - wurden ebenfalls als Vorbilder empfunden und im Museumsgebäude am Königswall im Jahre 1908 zusammen mit diesen zugänglich gemacht. Aber „nicht nur die kunstgewerbliche Seite wurde betont, auch die kulturhistorische gelangte zu ihrem Recht", schreibt Baum im gleichen Jahre. Er meint damit den Beginn seiner Ausgrabungen, die, 1893 begonnen und bis etwa 1914 fortgesetzt, seiner Dynamik ein reiches Feld der Betätigung boten. In Habinghorst im Landkreis Dortmund fanden 1893 die ersten Grabungen statt, 1895 konnte in vielen Orten des Lippegebietes gegraben werden, und die Namen Lünen, Haltern, Lüdinghausen, Werne, Hamm, Lipporg und Lippstadt bezeichnen hier eine Tätigkeit, die zahllose Grabhügel öffnete und Kultstätten, Wohnplätze und Festungen feststellte. Mag sein, daß vom Standpunkt der heutigen Vorgeschichtsforschung und ihrer verfeinerten Methoden jene Grabungen Baums modernen Anforderungen nicht genügten, aber man muß sich immer vor Augen halten, daß ohne sie in jenen Zeiten der großen Sandabbaggerungen überhaupt nichts erhalten geblieben wäre. Schließlich reichte der Bezirk der Grabungen Baums von Steinfurt im Norden und Veltheim an der Weser (1909) im Westen bis zu den Höhlen des Hönnetales im Süden, und noch 1907 wurden Untersuchungen im Möhnetal und bei Geseke begonnen. Die gemachten Funde wurden im Jahre 1899 in der großen Halle im Erdgeschoß des von F R I E D R I C H K U L L R I C H restaurierten alten Rathauses aufgestellt. Nach Flußläufen und Fundstätten geordnet und von Baum selbst restauriert und ergänzt, dazu mit erklärenden Karten und Plänen versehen, wurden sie in großen Vitrinen von gotisierender Formgebung untergebracht. Der Stolz des Entdeckers und Ausgräbers hat die Gleichförmigkeit der schwarzen Vitrinenreihen, die dicht gefüllt die weite Tuchhalle einnahmen, gewiß nicht empfunden. Dagegen hatte Roese schon 1888 geschrieben: „Nichts Ermüdenderes gibt es für das Auge des unbefangenen Besuchers, als derartige Gefäße mit ihrer glänz- und farblosen Eintönigkeit auf den Gestellen des Museums aufgespeichert zu sehen". Zu diesen Ausgrabungen vorgeschichtlicher Wohnplätze und Grabhügel traten seit 1906 die aus dem Römerlager in Oberaden. In dem von Pfarrer O T T O P R E I N entdeckten Lagergelände begann Baum mit Grabungen, die, nachdem die Stadt den Direktor der Römisch-Germanischen Kommission, H . D R A G E N D O R F F , und seinen Vertreter, G. K R O P A T S C H E C K , mit der Leitung beauftragt hatte, bis 1914 fortgeführt und erst 1937 wieder aufgenommen wurden. Im Jahre 1911 konnte noch das Uferkastell in Beckinghausen an der Lippe in die Untersuchungen einbezogen werden, und 1912-1914 fanden auch dort Ausgrabungen statt. Die große Bedeutung dieser Ausgrabungen liegt in den reichen Funden an Keramik, Sigillaten, Waffen und Inschriften und den Er10

kenntnissen eines Legionslagers augusteischer Zeit, die auf eine sehr kurze Zeitspanne fest datierbar sind. Von der Publikation dieser Funde wird später die Rede sein. Trotz dieser Grabungen, die Baums Anwesenheit an vielen Orten erforderlich machten, ging der Ausbau der Sammlungen in allen Abteilungen großzügig weiter. Es zeichnet sich deutlich ab, wie Baum bemüht war, „gute kunstgewerbliche Stücke zu gewinnen", um in den allzu sehr ins Breite gehenden Sammlungen Schwerpunkte zu bilden. So konnte er aus der Sammlung THEWALT, Köln (1903) und BOURGEOIS, Köln (1904) bedeutendes Kunsthandwerk der deutschen und italienischen Renaissance erwerben. Zahlreiche Schenkungen kamen hinzu: die Kunstschmiedearbeiten der Sammlung BRUNCK, die Fliesensammlung FORRER (Straßburg), ein Geschenk des Kommerzienrates CREMER, der prachtvolle westfälische Bauernschmuck der Sammlung JOSTES (Geschenk RUHFUS) und andere. Diesem Zustrom von Kunstwerken waren die vorhandenen Räume nicht gewachsen. Die Stadt stellte deshalb im Jahre 1904 das ehemalige Gebäude der Reichsbank am Königs wall 12 zur Verfügung, das am 18. April 1905 als Museum eröffnet wurde. Albert Baum, der seit 1903 den Titel „Städtischer Museumsdirektor" führte - später auch Professor - , wurde die Leitung des „Städtischen Kunst- und Gewerbemuseums" übertragen. In den folgenden Jahren setzte er seine Sammeltätigkeit eifrig fort, und bald war es nötig, für die Schenkungen von Barockmobiliar und Bauernstuben - Geschenkgeber WISKOTT, STERNAU, BÖMCKE, KRUPP, ZENTINI - neue Räume zu schaffen, die in dem Hause Silberstraße 6 gefunden wurden. Führungen in diesen Sammlungen und Vorträge in den historisch interessierten Vereinen gewannen dem Museum auch in dieser Stufe seiner Entwicklung neue Freunde. Diese haben auch nach der Feier des 25-jährigen Bestehens am 24. Juni 1908 das Museum tatkräftig gefördert. Es gelang, die Kupferstichsammlung des Malers ENGELBERT SEIBERTZ in Arnsberg (1813-1905) als Schenkung WISKOTT ZU erwerben, und im Jahre 1911 hat HEINRICH G. LEMPERTZ ein Verzeichnis der Bestände als „Katalog der Kupferstichsammlung des Städtischen Kunst- und Gewerbemuseums zu Dortmund" veröffentlicht. Für die frühgeschichtliche Abteilung wurde durch die Schenkung KIRCKHEFER die Sammlung römischer Gläser BEGER (Köln) erworben. Bald erwies es sich, daß die Unterbringung der immer weiter wachsenden Sammlungen in drei getrennten Häusern auf die Dauer nicht möglich war, und es gelang Baum im Jahre 1910 das alte Gebäude des Oberbergamtes am Ostwall 7 für das Museum zu erhalten. Der ein wenig düstere rote Ziegelbau in den strengen Formen der späten Schinkel-Schule kurz vor 1875 errichtet, bot, was sein Äußeres kaum erwarten ließ, nach dem geschickten Umbau durch FRIEDRICH KULLRICH im Inneren reichlich Platz. Ein weiträumiger heller Lichthof mit Nebenräumen und Galerien war für wechselnde Ausstellungen bestimmt. Ihn umschlossen in vier Stockwerken über 70 Ausstellungsräume. Bibliothek, Verwaltung und Hausmeisterwohnung befanden sich im Erdgell

schoß. Eine Kapelle in gotischen Formen wurde in den Garten hinausgebaut, in dem auch Reste der Heiliggeistkapelle und ein Lapidarium Platz fanden. Die Keller dienten zur Einrichtung alter und neuer Werkstätten. Trotz beträchtlicher Aufwendungen, die die Stadt für den Umbau machte, wußte Baum sich weitere Wünsche zu erfüllen, indem er zusätzliche Mittel aus Stiftungen gewann, so für den Ausbau des Bauernhauses, (Schenkung H O E S C H und C R Ü W E L L ) , der Fliesen- und Gobelinsammlung (Schenkung C R E M E R und MÜSER). Mit den bedeutenden Schatzfunden - dem großen Dortmunder Goldschatz und dem Fröndenberger Denarfund - beide von K U R T R E G L I N G 1908 und 1912 publiziert - erhielt diese Periode der Dortmunder Museumsarbeit einen glänzenden Abschluß. Als das neue Haus am 16. Dezember 1911 feierlich eröffnet wurde, durfte sich Baum mit Recht sagen, daß diese Sammlungen, die nunmehr 70 Räume füllten, aufbauend auf der Gründung von Eduard Roese, in 15 Jahren von ihm geschaffen worden waren. An Stelle der 2 Klassenzimmer, mit denen Roese begann und anstatt der Puppenstübchen im Winkel an der Potgasse war jetzt ein repräsentatives Haus vorhanden. Im Erdgeschoß enthielt es 11 Ausstellungsräume für die Vor- und Frühgeschichte, davon 6 für die vorgeschichtlichen Ausgrabungen, deren Ordnung nach Flußgebieten beibehalten wurde. Die „Römischen Denkmäler" konnten, gemeinsam mit den Münzfunden, ebenfalls in 6 Sälen gezeigt werden. Ferner befanden sich im Erdgeschoß eine romanische, eine gotische und eine Renaissancekapelle, die aus der Zusammenziehung von Kellern und Erdgeschoßräumen entstanden und gewölbt wurden. Sie enthielten die im wesentlichen von Eduard Roese gesammelten Kunstwerke aus den Dortmunder Kirchen mit späteren Erwerbungen. Im ersten Stockwerk war genügend Raum für die Aufstellung der stattlichen Sammlung von Möbeln von der Gotik bis zum Biedermeier, vermehrt um Teile der kunstgewerblichen Sammlungen. Der Einbau von Kaminen, Fenstern, Türen und alten Fußböden versuchte in vorsichtiger Form, Anklänge an die Raumgestaltung der einzelnen Epochen zu geben. Das geräumige Kupferstichkabinett auf der Empore über dem Lichthof schloß den Rundgang ab. Im 2. Stockwerk war in 20 Räumen die „Bäuerliche Kunst in Westfalen des 17.-19. Jahrhunderts" aufgestellt. Den Auftakt bildete ein Bauernhaus aus Lintel, dem ein Hofraum aus dem Ravensberger Land vorangestellt war. Hier fand man hinter dem geflochtenen Zaun eine festgestampfte Lehmtenne, an deren Rand auf grüner Rasenimitation Ackergeräte standen. Hinter diesen war auf mächtigen Leinwänden die Umgebung des Hofes gemalt, die in die als Himmel leuchtend blau gefärbte Decke überging. Dieses Prinzip einer naturalistischen, täuschend genauen Nachahmung der Verhältnisse wurde in allen Räumen angewandt. Die alten, getönten Fenster, die alten Fußböden und Türen erzeugten, gemeinsam mit den aufgestellten Trachtenpuppen aus Wachs, vollendet jene stimmungsvolle Atmosphäre, die erreicht werden sollte. In diesen „Bauernstuben", die sich großer Beliebtheit erfreuten, war der ganze 12

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Das Museumsgebäude von i y 10-1943

Reichtum alter westfälischer Bauernkultur aufgestellt, den das entschlossene Zugreifen Baums vor der Vernichtung bewahrt hatte. Ähnlich wie bei seinen Ausgrabungen, mag man vom heutigen Standpunkt der volkskundlichen Forschung aus seine Methoden beklagen und Auf2eichnungen vermissen, die der Wissenschaft von großem Wert wären, - allein, ohne die Tatkraft Baums wären die Dinge ebenso verloren gegangen wie die Grabstätten an der Lippe. Was er erhalten hat, auf zahllosen Reisen durch Westfalen, aufmerksam gemacht und unterstützt durch viele Helfer, ist eine Leistung, die der Rettung der vorgeschichtlichen Altertümer gleichkommt und für immer mit dem Namen Albert Baum verbunden sein wird. Die Grafschaft Mark, das Herzogtum Westfalen, das Ober- und Niederbistum Münster, Osnabrück, Minden und Schaumburg-Lippe waren mit je einem Raum vertreten, besonders reich die Grafschaft Ravensberg mit vorzüglichen Arbeiten. Eine Apotheke des späten 18. Jahrhunderts aus Ahlen schloß die Abteilung ab. Im Obergeschoß waren in 17 Räumen kunstgewerbliche Sammlungen aller Art aufgestellt: Musikinstrumente, Waffen, Keramik mit den wichtigen Fliesen der Sammlung FORRER, Porzellan, Glas, Eisen, Bronzen, Uhren, Textilien, das Münzkabinett und anderes, nach Materialien geordnet. Diese Ubersicht über den Aufbau und die Gliederung der Sammlungen zeigt eine erstaunliche Vielfalt auf den Gebieten der Vor- und Frühgeschichte, der Volkskunst und allen Zweigen des Kunsthandwerkes. Sie macht aber auch deutlich, daß, abgesehen von den durch Roese in das Museum gelangten, zum Teil sehr bedeutenden Kunstwerken aus den Kirchen, Malerei und Bildhauerkunst so gut wie gar nicht vertreten waren. Zweifellos hat Baum dies auch empfunden, und er schlug deshalb dem am 29. Mai 1908 gegründeten Museums verein, später in Dortmunder Museumsgesellschaft umbenannt - der aus Kreisen des wohlhabenden Bürgertums die Arbeit 13

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Das Nebeahaus 1933-1943

des Museums fördern sollte - den Ankauf eines westfälischen Tafelbildes vor. Er drang jedoch mit diesem Wunsch nicht durch. Vielmehr erhielt das Museum als erstes Geschenk dieses Vereins - dem allerdings später sehr wertvolle Gaben folgen sollten - „als Grundstock zu einer Gemäldegalerie" eine Kopie des Gemäldes von H A N S HOLBEIN d.J., das Bildnis des Kaufmanns Georg Gisze aus der Berliner Galerie! Es muß beinahe wundernehmen, daß nach diesem Auftakt später doch die Erwerbung einiger kleinerer Tafelbilder gelang, während die Ankäufe von Werken lebender Künstler in Malerei, Plastik und Graphik, mehr oder weniger zufällig, kein klares Programm erkennen lassen. Dies war der Zustand des Museums im Jahre 1911, und er blieb es im wesentlichen bis 1934. Kurz nachdem Baum mit dem Einzug in das durch seine Energie gewonnene neue Haus die Krönung seines Fleißes gefunden hatte, setzte der Krieg von 1914—1918 seiner Ausgrabungs- und Sammeltätigkeit ein Ende, und die Inflation und die Unruhen der Nachkriegsjahre nahmen ihm den Kreis von Helfern aus dem wohlhabenden Bürgertum, den er so oft um Stiftungen gebeten hatte. Erst um die Mitte der 20 er Jahre wird ein stärkerer Zuwachs der Sammlungen bemerkbar, jetzt vor allem auf gutes Kunsthandwerk gerichtet. Daneben aber strömten eine Fülle von Dingen aller Art in das Museum, die, da es kein Magazin gab, irgendwie den Sammlungen eingefügt werden mußten. So füllten sich die Räume, nach ihnen Flure und Vestibüle mit Möbeln und Vitrinen, auf die Baum glaubte nicht verzichten zu dürfen, und schließlich wurde sogar der große Lichthof durch Scherwände in Kojen gegliedert, in denen Gemälde, Möbel und Bildwerke aus allen Perioden Platz finden mußten. Die Hin2unahme eines Nebenhauses Viktoriastraße 25 konnte ebensowenig 14

wie die Anstellung des Studienrates (Zeichenlehrers) dauernde Abhilfe schaffen.

HEINZ BAUM

(bis 1935)

So befand sich das Museum, als Albert Baum, bis zum letzten Tage an seinem Schreibtisch tätig, 1934 starb, praktisch in der Aufstellung, die er ihm im Jahre 1910 gegeben hatte, jedoch unglücklicherweise überlastet mit späteren Erwerbungen aller Art. Das hatte zur Folge, daß der Besuch des Museums erschrekkend gering war: 3800 Personen im Jahr in einer Großstadt von etwa einer halben Million Einwohnern. Nur das von Baum eingeführte System, die Schulklassen durch besonders ausgebildete Museumslehrer durch das Museum führen zu lassen, bewährte sich weiterhin, wenn auch durch die Überfüllung der Schausäle stark behindert. Der Reichtum der Dortmunder Sammlungen und die Fülle ihrer ungehobenen Schätze zog bald das Augenmerk der Forschung, und zwar der vorgeschichtlichen wie der kunsthistorischen auf das Museum. Allein vergeblich, denn die Stadtverwaltung, durch Baum einseitig orientiert, verweigerte die Erlaubnis zu Publikationen aus ihrem Besitz. Man wird hier die Tragik des Ausgräbers und Sammlers Baum verstehen können, der mit ansehen mußte, wie in Oberaden die Facharchäologen die Leitung der Ausgrabungen erhielten, erste Publikationen erscheinen ließen, wie R E G L I N G die Münzfunde, L E M P E R T Z das Kupferstichkabinett veröffentlichte, während er selbst nur einen populären Führer durch die Sammlungen (1908, 1911) verfaßt hat. Als Mann der Praxis der jungen Wissenschaft mit Mißtrauen begegnend, hat er schließlich doch sein Lebenswerk der Forschung zugänglich machen müssen, die seinen Namen als den des Ausgräbers und Sammlers ihren Veröffentlichungen in schuldigem Respekt voranstellt. Seit dem Jahre 1913 war immer wieder das Ersuchen an die Stadtverwaltung herangetragen worden, Publikationen aus ihrem Museum zu gestatten, und nach dem Tode Baums konnte und wollte sie der Forschung ihren Besitz nicht länger vorenthalten. Sie entschloß sich jetzt, das reiche Erbe Albert Baums für Bürgerschaft und Wissenschaft zu erschließen. Diese Aufgabe wurde dem Verfasser gestellt, als er 1934 als Kustos an das Museum berufen, im November 1934 die kommissarische und 1936 die endgültige Leitung übernahm. Es kam zunächst darauf an, der Bürgerschaft das Museum wieder ins Bewußtsein zu rufen und auf seine Schätze aufmerksam zu machen. Nach vierjähriger Arbeit stieg die Zahl der Museumsbesucher von 3800 im Jahre 1934 auf etwa 25000 an. Vorträge und Führungen in den Kirchen, regelmäßig im Museum, Ausstellungen aller Art und intensive Werbung für das Museum trugen zu einem Erfolg bei, der allerdings eine vollständige Neuordnung der Sammlungen nötig machte. Der leitende Gedanke dieser Neuaufstellung der Abteilungen „Mittelalterliche Kunst Westfalens", der Möbelsammlung und der „Westfälischen Volkskunst" war, das Wertvolle sichtbar zu machen, weniger Wichtiges zu entfernen, auf Überholtes zu verzichten und auf diese Weise Raum zu schaffen. Wanddurchbrüche ergaben einen großzügigen Zusammenhang der 15

Schausäle, und ein im Garten neu errichteter Vortragssaal mit 250 Plätzen war bei den sonntäglichen Veranstaltungen bis in die Kriegsjahre hinein bis auf den letzten Platz gefüllt. Nebenher ging die mühselige, aber notwendige Arbeit der Überprüfung der Inventarisation als Grundlage aller späteren wissenschaftlichen Tätigkeit. Mit ihr begann für die Abteilung für Vor- und Frühgeschichte der als Kustos 1 9 3 5 berufene Dr. C H R I S T O P H A L B R E C H T . Unter dem Titel: „Veröffentlichungen aus dem Städt. Kunst- und Gewerbemuseum zu Dortmund" erschien 1936 ein 1. Band: „Frühgeschichtliche Funde usw. usw". In ihm wurden mit zahlreichen Illustrationen vor allem die Funde aus Rünthe und Veltheim behandelt. Nachdem am 27. Mai 1937 die vorgeschichtliche Abteilang in dem zu diesem Zweck geräumten Hause Viktoriastr. 25 zu einem selbständigen Museum erhoben worden war, erschien von Christoph Albrecht, in Zusammenarbeit mit K U R T R E G L I N G und A U G U S T O X £ als Band I I , Heft 1 der „Veröffentlichungen aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte der Stadt Dortmund" 1938 „Das Römerlager in Oberaden und das Ufetkastell in Beckinghausen an der Lippe". Der Herausgeber dieser umfassenden Publikation stand vor einer schwierigen Aufgabe, da „Aufzeichnungen von A. Baum nicht auffindbar waren". Trotzdem konnte Heft 2 bereits 1942 erscheinen. E s enthielt die Veröffentlichung der römischen und belgischen Keramik und die Gegenstände aus Metall nach den Funden der Ausgrabungen von Albert Baum, bearbeitet von S I E G F R I E D L O E S C H C K E und Christoph Albrecht, Manuskripte, Zeichnungen und Klischees eines 3. Heftes, das die Berichte von O. P R E I N über seine Entdeckung des Lagers und die Ergebnisse der Ergänzungsgrabungen von 1 9 3 7 / 3 8 durch Christoph Albrecht enthalten sollte, gingen im Kriege verloren. Inzwischen waren auch illustrierte Führer durch die neuaufgestellten Abteilungen „Mittelalterliche Kunst Westfalens" und „Westfälische Volkskunst" erschienen, dazu erste Publikationen über Kunstwerke aus dem Museum, vor allem eine Studie über die Dortmunder Goldschmiede der Barockzeit und ihre Meistermarken. Eine mit sehr bescheidenen Mitteln begonnene Erwerbungstätigkeit konnte in den Kriegs jähren durch die Assistentin des Museums, Dr. L E O N I E R E Y G E R S , fortgesetzt werden und führte zum Ausbau der bestehenden Sammlung von Gemälden der Romantik vor allem durch den Ankauf eines bedeutenden Gemäldes von CASPAR D A V I D F R I E D R I C H . Sie leitete auch die Überführung der Sammlungen in vorbereitete Depots in den Schlössern Grafschaft, Hohenlimburg Hinnenburg, Vinsebeck und an anderen Orten. Was in Dortmund im Museum zurückgelassen wurde, ging mit sämtlichen Einbauten und dem gesamten Fundus zu Grunde. Vom Gebäude blieben nur wenige Räume in Erdgeschoß und Keller teilweise erhalten. Dagegen waren die Depots bis zum Ende des Krieges unbehelligt, wurden dann aber durch Plünderungen und Diebstähle erheblich beschädigt. Dabei gingen die Sammlungen westfälischer Volkstrachten vollständig und die Textilsammlung teilweise verloren, andere Abteilungen erlitten schwere Verluste und zahlreiche 16

Conrad von Soest, tätig in Dortmund um 1400 - 1420. Muttergottes mit Kind

Kunstwerke wurden beschädigt. Hier muß auch der Wunden gedacht werden, die dem Museum durch die Aktion gegen die „Entartete Kunst" zugefügt wurden. Zahlreiche Gemälde, unter anderem von ROHLFS und MOGNRFR, Bildwerke und mehrere hundert Blatt Graphik müssen als vernichtet betrachtet werden, bis auf einige Gemälde von Rohlfs, die durch einen glücklichen Zufall 1954 zurückerworben wurden. Die Situation des Museums schien im Jahre 1945 nach dem Ende des Krieges hoffnungslos: Das Museumsgebäude in Dortmund war zerstört, die alten Mitarbeiter zerstreut, die Sammlungen in weit entfernte Depots aufgeteilt, schlecht bewacht und dauernd gefährdet und beschädigt, dazu die wichtigeren materiellen Hilfsmittel so wenig vorhanden wie die finanziellen. Wenn der Besitz gerettet werden sollte, mußten die Sammlungen zunächst wieder vereinigt werden. Wir übergehen die in jener Zeit unendlichen Schwierigkeiten, ein Haus von ausreichender Größe zu finden, das ein Dach besaß und leer stand, und wir denken nur an die Transporte auf offenen Lastwagen und schlechten Straßen - kurz nur dies: es gelang, das Schloß Cappenberg in der Nähe von Lünen und damit knapp 20 Kilometer von Dortmund entfernt, zu mieten und die Sammlungen dort im Sommer 1946 in guten Depoträumen unterzubringen. Dieser Entschluß erwies sich in der Folgezeit - was in den trüben Jahren nach dem Krieg freilich niemand vorausahnen konnte - als eine äußerst glückliche Lösung, ja als bestimmend für die weitere Zukunft des Museums und eine Periode seiner Geschichte, die 1945 begann und 1964 noch nicht zu Ende ist. In Schloß Cappenberg stehen dem Museum der ausgedehnte Mitteltrakt, große Teile des Ostflügels und ausreichende Nebenräume zur Verfügung. In ihnen konnten die Sammlungen in trockenen und gut belichteten Depoträumen untergebracht werden, und es blieb hinreichend Platz für die notwendigen Werkstätten und Wohnungen. Vor allem konnten im Erdgeschoß eine Reihe von Sälen für Ausstellungszwecke freigehalten werden. Das Haus, das im Jahre 1946 auf etwa 20 Jahre die Heimat des Dortmunder Museums werden sollte, ist im Jahre 1708 erbaut worden. Es trat an die Stelle einer mittelalterlichen Burganlage der GRAFEN VON CAPPENBERG, die durch deren Schenkung seit der Mitte des 12. Jahrhunderts als Prämonstratenserstift diente. Der barocke Neubau, durch Erweiterungen um 1925 im Inneren verändert, enthielt einige große Säle, zahlreiche Zimmer und weiträumige Galerien, ferner durch seine Lage am Hang gute Kellergeschosse. Zu der prämonstratensischen Tradition, die vor allem in der schönen Kirche mit ihren bedeutenden Kunstschätzen noch sichtbar ist, trat die Erinnerung an den FREIHERRN VOM STEIN, der bis zu seinem Tode in Cappenberg gelebt hat. Sein Andenken wird in einem Archiv bewahrt, das außerdem die Urkunden der Klosterzeit enthält. In diesen Kreis ehrwürdiger historischer Überlieferung und pietätvoller Pflege alter Tradition und alter Kunst trat nun das Dortmunder Museum ein. Die 18

SCHLOSS CAPPENBERG

Schloß Cappenberg

geheimnisvolle Anziehungskraft, die Stätten geschichtlicher Vergangenheit innewohnt, sollte auch in Zukunft der Arbeit des Museums 2ugute kommen. Dies um so mehr, als sich der Besuch der historischen Stätten in Cappenberg für viele mit einem Ausflug in die reizvolle landschaftliche Umgebung des Schlosses verband. So setzte nach den Schreckensjahren des Krieges eine Wanderung nach Cappenberg ein von Menschen, die die Wiederbegegnung mit den großen Werken der geretteten Kunst in den gepflegten Räumen des schönen alten Hauses als ein Wunder und als ein Geschenk empfanden. Die Zahl der Besucher beträgt im Sommerhalbjahr 40-50000. Im Jahre 1946 stand das Museum im wesentlichen vor zwei Aufgaben: 1. die in Cappenberg geborgenen Sammlungen zu sichten, neu zu ordnen und wiederherzustellen und 2. sie dann in Ausstellungen wieder sichtbar zu machen. Unter der Hand bewährter Fachkräfte, die gewonnen werden konnten, vornehmlich des Restaurators H A U S T E I N , konnten die Schäden in vieljähriger Arbeit geheilt werden und nach und nach entstanden geordnete Depots in übersichtlicher Aufstellung. Sie waren die Voraussetzung für die künftigen Ausstellungen und die beginnende wissenschaftliche Tätigkeit. Bald sollte es sich zeigen, welche Bedeutung das neue Heim des Museums im ersten Jahr nach dem Kriege für Museumsarbeit und Denkmalpflege besaß. Der Titel der ersten Ausstellung „Kunstschätze aus zerstörten Kirchen Westfalens" macht dies deutlich. Die geretteten Werke wurden nach Cappenberg gebracht, sorgsam restauriert und in einer Ausstellung vereinigt, und es ist 19

nicht zuviel gesagt, daß keine Ausstellung dankbarere Besucher sah als dieser erste Versuch, in dem zerstörten Lande die uns gebliebenen Schätze zu zeigen. Die Sorge um die Erhaltung des Geborgenen führte in den folgenden Jahren fast alle großen Altarwerke Westfalens aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts in die Cappenberger Werkstätten, und der Gedanke lag nahe, aus diesem Anlaß eine Ausstellung zu veranstalten, die den Namen „ C O N R A D VON SOEST und sein Kreis" trug. In einer einmaligen und unvergeßlichen Vereinigung konnten die großen Altäre des Meisters aus Wildungen und Dortmund, dazu die seiner Zeitgenossen aus Bielefeld, Darup, Isselhorst, Warendorf und viele andere gezeigt werden. Der Katalog und die aus der Ausstellung hervorgegangenen Aufsätze ergaben für die Geschichte der westfälischen Tafelmalerei wichtige Erkenntnisse. Mit dieser Ausstellung war ein Weg begonnen worden, der den Stil der Cappenberger Ausstellungen für die Folgezeit bestimmte. Der Wunsch, aus eigener Arbeit zu Ausstellungen zu gelangen, die ein bisher unbekanntes Gebiet der kunstwissenschaftlichen Forschung zum ersten Mal darstellten, hat sich in den nächsten Jahren mehrmals erfüllen lassen. Vorerst schien es aber berechtigt zu sein, die günstigen Möglichkeiten auszunutzen, die ein gepflegtes Haus in schöner Lage in jenen Zeiten der Nachkriegsjahre bot. Man kann es heute kaum noch ermessen, was damals eine Ausstellung des Rijksmuseums Amsterdam und der kgl. Museen in Brüssel „REMBRANDT und seine Zeitgenossen (Handzeichnungen)" bedeutete. Der Zustrom zu diesen Ausstellungen war so stark, daß sich auch andere Museen, die nicht in der glücklichen Lage waren, ein unzerstörtes Haus zu besitzen, ermutigen ließen, ihre Schätze in Cappenberg auszustellen. Sie taten es in dem Gedanken, daß eine Ausstellung vor einem dankbaren und zahlreichen Publikum besser sei, als die Kunstwerke ungesehen in Depots ruhen zu lassen und daß eine solche Wirkung alter Kunst die Gefahren des Transportes wohl aufwiege. So stellte das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg eine Ausstellung zusammen, die unter dem Titel „Deutsche Kultur von der Spätgotik bis zum R o k o k o " 1951 in Cappenberg gezeigt werden konnte. Im nächsten Jahre folgten „Meisterwerke niederländischer Malerei aus der Alten Pinakothek München", und die Ergebnisse beider Ausstellungen haben das Wagnis der Transporte nachträglich gerechtfertigt und Zehntausenden nach dem Kriege eine erste Wiederbegegnung mit dem Kunstwerke geschenkt. In ähnlicher Lage wie die Kunstwerke in Kirchen und Museen befanden sich auch die Privatsammlungen im Lande. Auch hier haben die Restaurierungswerkstätten des Museums helfend eingreifen und anschließend die Sammlungen zur Ausstellung in Cappenberg gewinnen können. So erschienen die Sammlungen VON UND ZUR M Ü H L E N (Altwestfälische und altniederländische Malerei 1 9 5 1 ) , T H O M E E (Altena 1 9 5 3 ) , B U S C H E (Dortmund), vereinigte mit den Gemälden der Romantik aus dem Besitz des Museums unter dem Titel „Blick aus dem Fenster" ( 1 9 5 6 ) , die Bronzen der Sammlung J A N T Z E N (Bad Homburg) 1 9 6 0 , die Sammlungen G L Ä N T Z E R (Bielefeld) und K I R S C H (München) mit meister-

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lichem Zinn 1961. Von besonderer Wichtigkeit war eine Ausstellung „Meisterwerke alter Malerei" aus Dortmunder Privatbesitz (1954). Währenddessen wurden auch die Ausstellungen aus dem Besitz des Museums und vor allem die Forschungen auf unbekannten Gebieten fortgesetzt. Hier konnten Ergebnisse in einer Ausstellung vorgelegt werden, die „Das Ruhrgebiet vor 100 Jahren" zeigte. Das Bild der Landschaft vor der Industrialisierung, das hier sichtbar wurde, ist, von Cappenberg ausgehend, von mehreren anderen westfälischen und rheinischen Museen gern übernommen worden. Dem zu Unrecht vergessenen westfälischen Maler der Biedermeierzeit THEOBALD VON OER galt eine Gedächtnisausstellung im Jahre 1957. Einen ungleich weiteren Rahmen hatte sich die Ausstellung „Das Bild der deutschen Industrie 18001850" gesetzt, und ein illustrierter Katalog sowie die Entdeckung eines frühen Industriebildes von A L F R E D RETHEL dürfen als bleibendes Ergebnis verzeichnet werden. In dieser Reihe von Ausstellungen, die der Forschung zu dienen sich bemühten, kann auch „ H E I N R I C H ALDEGREVER als Maler" genannt werden. Hier wurde versucht, von der Restaurierung des Altares in der Wiesenkirche ausgehend, den Künstler als dessen Verfasser vorzustellen. Unter der Zahl der Ausstellungen und Kataloge, die das Museum in Cappenberg erscheinen ließ, müssen zwei besonders erwähnt werden. Es sind die Kataloge „Dortmunder Kunstbesitz" I und II, von denen der erste aus Anlaß des 75jährigen Bestehens des Museums im Jahre 1958, verbunden mit einer Ausstellung in Dortmund erschien, der zweite im Jahre 1963 zum 80jährigen Bestehen mit einer Ausstellung in Cappenberg. Beide Ausstellungen waren eine Art Rechenschaftsbericht über die Tätigkeit des Museums, denen jeweils eine Geschichte der Sammlung und eine vita ihrer Gründer Eduard Roese und Albert Baum vorangestellt wurde. Ausstellungen und Kataloge stellten die Erwerbungen für das Museum in den Jahren 1934 bis 1958 und 1958 bis 1963 zusammen. Auf ihren Inhalt wird in dem anschließenden Kapitel über die Sammlungen des Museums im einzelnen eingegangen werden. DIE SAMMLUNG

Die Geschichte des Museums ist auch die Geschichte seiner Sammlungen, ihrer Planung und ihres Wachstums. Dortmund, die alte Reichsstadt, war in den ersten beiden Jahrzehnten das Arbeitsfeld. Diese Beschränkung - mag sie auch durch mangelndes Verständnis der Verwaltung und fehlende Mittel erzwungen gewesen sein - hatte doch das Gute, daß ein Mann mit philologischer Schulung, wie es Dr. Eduard Roese war, sich gerade der von der Vernichtung bedrohten Dinge aus dem Stadtgebiet annehmen konnte. Es war eine vordringliche Aufgabe, und sie wurde zur rechten Zeit gelöst. Als Albert Baum 1892 das Museum übernahm, fand er die wichtigen Abteilungen Münzkabinett und Mittelalterliche Denkmäler aus den Dortmunder Kirchen so gut wie abgeschlossen vor. Hier war fast nichts mehr zu tun, da die Objekte fehlten. Baum erweiterte daher den Kreis, nahm die Vor- und Frühgeschichte hinzu, vor allem die westfälische Volkskunde. Besonders wichtig waren ihm, wie wir sahen, 21

Vorbildersammlung und Kunstgewerbe. An der Aufgabe, das Museum aus der Enge der lokalen Sammlung herauszuführen, hat er systematisch gearbeitet und sein Ziel war erreicht, als die Sammlung im Jahre 1905 den Titel „Städtisches Kunst- und Gewerbemuseum" erhielt. Freilich war dies vorläufig mehr Programm als Tatsache, denn die Bestände rechtfertigten damals kaum diesen Namen, dessen Anklang an Hamburg das große Vorbild JUSTUS BRINCKMANNS erkennen läßt. Erst mit dem Einzug in das neue Haus am Ostwall 1911 konnten die Sammlungen dem stolzen Titel gerecht werden. Allerdings machte sich der Mangel eines klaren Programmes bemerkbar, denn Dortmund war nicht Hamburg oder Frankfurt, und auf die Dauer reichten weder die finanziellen noch die personellen Möglichkeiten aus. Baum hatte die Erwerbstätigkeit in großer Breite geführt und vor allem das europäische Kunsthandwerk der Renaissance bevorzugt. Das Unternehmen mußte bald scheitern und kam über Ansätze nicht hinaus. Schließlich zog er die Breite der Darstellung der Erwerbung einiger weniger, aber vorzüglicher Werke vor und Versuche, hier später auszugleichen, schlugen fehl, wie wir oben sahen. Andererseits lagen die Dinge überall da, wo nach der Übung jener Zeit wissenschaftliche Vorbildung nicht unbedingt erforderlich schien, wesentlich günstiger. Die systematisch betriebene Ausgrabungstätigkeit und ihre Ergebnisse wurde oben beschrieben. Das gleiche gilt für die Volkskunst, die in schöner Vollständigkeit die westfälischen Landschaften darstellen kann. Was jedoch diesem Museum des Kunstgewerbes und des Gewerbes nach den Vorstellungen Baums so gut wie völlig fehlte, waren Werke der hohen Kunst. Bemühungen, diesen Mangel zu beheben, konnten nicht zum Erfolg führen, da gleichzeitig eine moderne Gemäldegalerie, eine Plastiksammlung und ein Kupferstichkabinett in Angriff genommen wurden. Auch Versuche auf dem Gebiet der alten Kunst kamen über Ansätze nicht hinaus. Nach dem Jahre 1934 war es klar, daß der Ausbau der Sammlungen nur dann sinnvoll weitergeführt werden konnte, wenn eine Straffung des Programms eintrat. Sie kam zunächst äußerlich in der Änderung des Namens in „Museum für Kunst und Kulturgeschichte" zum Ausdruck. Die Kunstgeschichte als Teil der Kulturgeschichte sollte in den Sammlungen zur Darstellung kommen. Nun aber nicht mehr in der ganzen Breite eines universalen Museums - denn auch die Völkerkunde und Ostasien hatte Baum, ebenso wie die technische Entwicklung, mit einbezogen sondern in bewußter Beschränkung auf Deutschland, besonders auf den nordwestdeutschen Raum und dessen kulturgeschichtliche Zusammenhänge mit den Niederlanden. Der Gedanke der nach Materialien geordneten kunstgewerblichen Sammlungen wurde aufgegeben. An seine Stelle tritt eine Zusammenschau aller in einer Epoche entstandenen Kunstwerke in gemeinsamer Aufstellung. Um in dieser Art der Aufstellung alle künstlerischen Äußerungen eines Zeitabschnittes darstellen zu können, war es notwendig, das Fehlende nach Möglichkeit zu ergänzen. Daß dies auf vielen Gebieten, vor allem aber bei der mittelalterlichen Tafelmalerei Westfalens nicht leicht war, trotzdem aber gelang, muß betont werden. Es 22

1. 2. 2. 4. $. 6. 7.

Otto III. als König 983-996 Heinrich IV. als Kaiser (?) I Weißpfennig nach 1419 Ältester Goldgulden 15. Jahrhundert Reinoldialbus 15. Jahrhundert Dukat 1644 y t Stüber 1755

besteht keineswegs die Absicht, etwa den Sammlungen des Landesmuseums in Münster Gleichartiges auf dem Gebiet der alten Tafelmalerei aufzubauen. Die Malerei des westfälischen Mittelalters soll im Dortmunder Museum nicht in einer Galerie erscheinen, sondern in Zusammenklang mit dem Kunsthandwerk ihrer Zeit. Auf diesem Gebiet des Kunsthandwerks allerdings möchte das Museum sein eigenstes Arbeitsfeld erblicken und in wohlüberlegter Begrenzung der Ziele und der Möglichkeiten das Kunstgewerbemuseum in der Provinz Westfalen sein. Wenn im folgenden versucht werden soll, etwas über die Sammlung zu sagen, so ist das ein sehr schwieriges Unterfangen, denn die Bestände, die im alten Hause am Ostwall in Dortmund 70 Räume füllten, sind in Cappenberg magaziniert, zugänglich zwar, aber eben doch nicht aufgestellt, sondern in Depots eng untergebracht. Sehr viele und vor allem große Stücke, wie Architekturteile, Kamine, Täfelungen, Treppen, Emporen, große Einbaumöbel, zum Beispiel die Zopf-Apotheke aus Ahlen, sind auseinandergenommen gelagert und nur in der Photographie im Ganzen zu sehen. Das alles erschwert nicht nur die Museumsarbeit, sondern auch die Abfassung dieses Textes empfindlich, und es wird deshalb um Nachsicht gebeten. Ältester Taler von 1541

rS&fc Taler 163;

Der älteste Teil der Sammlungen des Dortmunder Museums ist das MÜNZKABINETT. Ausgehend von dem Cappenberger Fund Dortmunder Münzen, mit dem die Sammeltätigkeit der Stadt im Jahre 1866 begann, ist diese Arbeit dann durch den tüchtigen Numismatiker Eduard Roese fortgesetzt worden. Sie führte schon 1883 zu einer so stattlichen Sammlung, daß sie der Publikation von ADOLF MEYER zu Grunde gelegt werden konnte. Heute besitzt das Museum „die vollständigste Sammlung Dortmunder Münzen" (Berghaus). Sie beginnt im ausgehenden 10. Jahrhundert mit den Pfennigen OTTO III. und führt über die Sterlinge FRIEDRICH II. in fast lückenlosen Reihen bis in das 15. Jahrhundert und zu den Reinoldialbus des Cappenberger Schatzes. Der älteste Goldgulden tritt um 1420 auf, und die Dortmunder Goldmünzen sind bis in das 18. Jahrhundert hinein vorhanden. Der älteste Taler wurde im Jahre 1541 geschlagen, und auch die Reihe der Taler ist vollzählig, einschließlich einiger äußerst seltener Doppeltaler und Klippen. Die Beispiele der Münzverschlechterung des 18. Jahrhunderts illustrieren drastisch die sinkende Reichsstadt und ihre Münzmoral. Außer den Dortmunder Prägungen enthält die Sammlung bemerkenswerte Bestände von Münzen der westfälischen Territorien bis zum Königreich Westfalen. Eine vollständige Sammlung preußischer Taler (Schenkung H. KRÄMER) führt bis zu den nach 1815 in Dortmund umlaufenden Münzen. Unter den Schatzfunden sind zu nennen: Der 1907 gehobene Schatz von 430 römischen Goldmünzen im Westen der Stadt Dortmund, der Fund römischer Denare aus Fröndenberg, aus jüngerer Zeit der Lünener Goldfund, der 17 Goldmünzen enthält und der Fund von Breckerfeld. Mit dem Schatzfund vom Lindenhof, der 1894 gehoben wurde, kehren wir noch einmal 23

auf Dortmunder Boden zurück. Die kleine Sammlung von Medaillen, meist des 19. Jahrhunderts, ist mehr zufällig hinzugetreten und kann sich mit der Bedeutung der Münzbestände nicht vergleichen. Wichtig ist die goldene Medaille auf den Vertrag zu Dortmund 1609. Roese hatte auch dafür gesorgt, daß die Grundlagen zu einer stadtgeschichtliehen Sammlung vorhanden waren. Die Ansichten der alten Stadt mit dem für sie so wichtigen Plan des Dortmunder Historiographen D E T H M A R M Ü L H E R wurden ebenso gesammelt, wie die wenigen geschichtlichen Erinnerungsstücke, die sich im wesentlichen auf Typare, Schlösser von Stadttoren, Architekturteile längst verschwundener Häuser, Denkmäler des Zunftwesens, Folterwerkzeuge und ähnliches beschränkten, nachdem Urkunden an das Archiv und Dortmunder Frühdrucke an die Bibliothek abgegeben worden waren. Die Kunst der Dortmunder Goldschmiede des 18. Jahrhunderts ist durch gute Werke zahlreicher, auch namentlich bekannter Meister vertreten (Abb. 1) und eine bescheidene bürgerliche Kultur bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch Bildnisse und biedermeierliches Kunsthandwerk aus der Stadt belegt. Die Umwandlung der kleinen Reichsstadt zur Industriegroßstadt dokumentiert eine stattliche Sammlung alter Photographien und topographisch wichtiger Aquarelle und Zeichnungen von Künstlern des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart.

STADTGESCHICHTE

Wie die Münzensammlung, verdankt auch die Abteilung für Mittelalterliche Kunst ihr Entstehen und erste Hauptwerke der Initiative von Eduard Roese. Was er gesammelt hat, ist - abgesehen von den Leihgaben aus den Kirchen, die nach 80-j ähriger Pflegschaft durch das Museum wieder zurückgegeben werden mußten - wohl erhalten. Den Beginn machen drei mächtige Taufsteine, unter denen der aus Lütgendortmund mit der einfachen Arkadenreihe der älteste ist. Der mit Reliefs aus der Kindheit Christi, der Taufe und der Kreuzigung geschmückte Taufstein aus Aplerbeck stammt, wie eine Wiederholung in Bochum, sicher aus einer Werkstatt außerhalb Dortmunds. Dagegen kann der in eleganter Pokalform mit schöner Ornamentik gebildete Stein aus der Marienkirche sehr wohl in der Stadt entstanden sein. Hier sind zwei große Triumphkreuze anzuschließen, die aus Aplerbeck und Lünen stammend, den Typus des 14. Jahrhunderts für Westfalen sehr gut repräsentieren. Der gleichen Zeit gehören Skulpturen aus Kloster Himmelpforten an der Möhne und aus Buldern an (Abb. 2), die letztere, eine Muttergottes, durch alte Fassung ausgezeichnet. Sehr bedeutend ist eine kleine Muttergottes, die, aus der Gegend von Paderborn kommend, um 1380 in Köln entstanden ist und in die Werkstatt der Friesentormadonna gehört (Abb. 3). Ihre barocke Fassung in Gold und Silber dürfte sie von der Bildhauerin G E R T R U D G R Ö N I N G E R erhalten haben, die einen gleichgroßen und bemalten H L . J O S E P H für dieselbe Kapelle schuf. Das 15. Jahrhundert - für Dortmund eine Zeit künstlerischer Hochblüte

KUNST DES M I T T E L A L T E R S

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Taler 1647

Huldigungstaler 1742

durch die Künstlerpersönlichkeiten des CONRAD VON SOEST und des Architekten ROSEIR - ist durch eine Reihe von Skulpturen aus Dortmunder Kirchen im Museum vertreten. Unter ihnen nimmt die Gruppe aus der Propstei- (ehem. Dominikaner) kirche den wichtigsten Platz ein. Eine Holzfigur des H L . T H O M A S , am Lesepult arbeitend, gehört zum Besten westfälischer Plastik des ausgehenden 15. Jahrhunderts (Abb. 4), während die Steinskulpturen des PILATUS mit seiner Frau und andere bereits die Nähe der Beldensnider-Werkstatt erkennen lassen. Ein niederrheinischer Engel mit den Leidenswerkzeugen, eine bemalte und vergoldete Abendmahlszene, eine dem Haus Witten nahestehende V E R O NIKA (Abb. 5) und ein westfälisches Relief mit der Anbetung der Könige (Abb. 6) schließen die Gruppe mittelalterlicher Bildhauerkunst ab. Da sich unter den von Roese gesammelten alten Kunstwerken aus den Kirchen der Stadt keine Gemälde befanden und auch später diese Lücke nicht geschlossen wurde, war der Bestand an mittelalterlicher Tafelmalerei zunächst gering. Wenn heute das Museum „nach dem Landesmuseum in Münster die größte Sammlung westfälischer Tafelmalerei besitzt" (PIEPER), so ist das einer Reihe glücklicher Umstände zu danken. Ein von der Forschung übersehenes Muttergottesbild, in dem das älteste Halbfigurenbild und das Mittelbild des Fröndenberger Altares erkannt wurde (aus der Sammlung LOEB-CALDENHOF) (Abb. 7), repräsentiert jetzt gemeinsam mit einem ähnlichen Andachtsbild den großen Dortmunder Meister Conrad von Soest. Vom Meister VON LIESBORN konnten drei Tafeln, von JOHANN KOERBECKE zwei erworben werden. Hinzu kommen eine Verkündigung, westfälisch, Ende 15. Jahrhundert (Abb. 8), sowie mehrere Tafeln von D E R I C K BAEGERT und seinem Sohne JAN, dem Meister von Cappenberg. Ein großes Muttergottesbild von C O L I J N DE COTER darf hier angeschlossen werden (Abb. 9). Die kleine Gruppe von Handschriften, die auf Roese zurückgeht, wurde durch Miniaturen aus Kloster Paradies bei Soest, die graphische Sammlung durch Blätter von MECKENEM (Abb. 10) und vorzügliche Abdrucke der großen Bildnisstiche H E I N R I C H ALDEGREVERS ergänzt (Abb. 11). Das Kunsthandwerk des Mittelalters in Westfalen ist durch ein Bronzecrucifix, feuervergoldet, von der Meisterhand des ROGERUS VON HELMARSHAUSEN vorzüglich repräsentiert (Abb. 12), dem sich ein Löwen-Aquamanile, Magdeburg, Anfang 13. Jahrhundert anschließt (Abb. 13). Reliefs aus Elfenbein, Perlmutterschnitte und Limogesarbeiten sind gut vertreten. Unter den Goldschmiedearbeiten des 15. Jahrhunderts müssen ein Ostensorium (Möns, um 1450) (Abb. 14), eine Maserholzscheuer und der Messkelch des Kardinals TORRECREMATA (Abb. 15) (Florenz? um 1 4 5 0 ) hervorgehoben werden, dazu der älteste geschnitzte Kokosnußpokal mit dem Parisurteil (Köln (?) um 1500) (Abb. 16). Die Möbelbaukunst ist hervorragend vertreten: aus Dortmund stammt der prachtvolle Urkundenschrank (Abb. 17), der ebenso wie die Urkundenkästchen (Abb. 18) seinen Platz im alten Rathaus hatte. Unter dem zahlreichen und sehr qualitätvollen spätgotischen Mobiliar ist vor allem die 25

wahrhaft monumentale Truhe mit reichstem Eisenbeschlag aus Iburg zu nennen. Während für die spätgotische Epoche, wie wir sahen, zahlreiche Kunstwerke aus Dortmund den Grundstock der Sammlung bilden konnten, ändert sich dies nach der Mitte des 16. Jahrhunderts. Zwar ist noch zahlreiches Mobiliar aus Westfalen aus dieser Zeit vorhanden, meist Truhen, seltener Schränke, aber um den Beginn des 17. Jahrhunderts treten in immer stärkerem Maße niederländische Möbel auf. Sie stammen, wie der schöne Stollenschrank mit Intarsien aus Perlmutt und Elfenbein (Abb. 19), oder wie der Kabinettschrank mit vielfältigen Malereien, aus Westfalen (Abb. 20), letzterer sogar aus der Sammlung LOEB-CALDENHOF, aber sie können ihren niederländischen Ursprung nicht verbergen. Zu ihnen fügen sich wenige Skulpturen aus dem Gröninger-Kreis und aus letzter Zeit einige Gemälde, die sich in Zukunft mit diesen Werken vereint darbieten sollen: Ein Vanitas-Stilleben, nordwestdeutsch um 1 5 7 0 , ein Frauenporträt von J A N VERMEIJEN, 1 5 5 0 , eine Winterlandschaft von JODOCUS DE MOMPER (Abb. 21) aus altem westfälischem Adelsbesitz, „Der Lohn des Dichters" von JACOB JORDAENS, der „Segen des Bergbaus" von MATTHÄUS GUNDELACH, eine Gesellschaftsscene von WOLFGANG HEIMBACH (Abb. 22), dem kurze Zeit in Coesfeld tätigen Hofmaler des Fürstbischofs CHRISTOPH BERNHARD VON GALEN und einige wenig bekannte westfälische Maler des späten 1 7 . Jahrhunderts wie HERMANN VELTMANN aus Coesfeld. In ähnlicher Weise wird auch das 18. Jahrhundert repräsentiert, nur daß jetzt der westfälische Möbelbau aus Warendorf, Münster und Dortmund stärker hervortritt, zum Teil mit farbig intarsierten Möbeln in der Art des DAVID ROENTGEN. Neben ihnen erscheinen französische Möbel, von denen das Museum vorzügliche Kommoden besitzt, unter anderem eine von CHALAMEL, Reims signierte. Außerdem, ebenfalls aus altem westfälischem Besitz stammend, treten Frankfurter Schränke auf, auch braunschweigischer (Abb. 23) und mittelrheinischer Möbelbau ist belegt (Abb. 24). Ein vollständiger Zopf-Salon stammt aus Haus SCHWICKERING bei Coesfeld. Unter den Bildwerken des 18. Jahrhunderts ist vor allem die fast lebensgroße Statue des Chronos (Abb. 25), der dem Amor die Flügel schneidet, zu nennen (Pappelholz, 1 7 1 3 ) , die aus dem Augustinerkloster Ewich stammt und ein für Westfalen ungewöhnliches Werk darstellt. Unter den Gemälden des 18. Jahrhunderts seien in kurzer Aufzählung genannt: JOHANN GEORG ZIESENIS, Bildnisse der Herzöge FERDINAND und CARL WILHELM FERDINAND von Braunschweig; JOHANN CONRAD SEEKATZ, der Bänkelsänger; JOHANN CHRISTIAN VOLLERDT: Landschaft; BALTHASAR DENNER, Bildnis einer alten Frau; ANTON G R A F F , Bildnis des Berghauptmanns von HEYNITZ (Abb. 26), ferner Gemälde von HACKERT, G. M. KRAUS und anderen. Zur Ausstattung dieser Räume, einer Folge von „Stilräumen", die Baum ge26

KUNST DES 16.-19. JAHRHUNDERTS

Farbig bemalte Tür Bückeburg, Mitte 18. Jahrhundert 27

schaffen hatte, gehörten - um nur einiges anzudeuten — eine Sammlung von Fayence-Öfen, zahlreiche Musikinstrumente, wie Harfen, Streichinstrumente, Cembali, Flügel, darunter einer von D A V I D RUCKERS und Klaviere. Außerdem eine Waffensammlung, die, im Kriege um eine umfangreiche Sammlung des 18. und 19. Jahrhunderts vermindert, doch in den älteren Abteilungen wertvolle Jagd- und Kriegswaffen des 16.-18. Jahrhunderts bewahrt hat. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts schließt die Sammlung der westfälischen, bzw. der aus dem Lande stammenden Möbel ab. Ein Biedermeierzimmer aus Dortmund bildet den Ausklang. Die Malerei des 19. Jahrhunderts ist durch eine zahlenmäßig nicht große, aber qualitativ recht gute Sammlung vertreten. Natürlich soll in ihr der Nachdruck auf den Düsseldorfer Malern liegen, und die frühen Bilder von ANDREAS

MALEREI DES 19. JAHRHUNDERTS

ACHENBACH, WILHELM SCHADOW, JOHANN WILHELM SCHIRMER u n d v o n d e m

bisher übersehenen Westfalen THEOBALD VON O E R müssen zuerst genannt werden. Ihnen folgen die Dresdener Romantiker mit schönen und bedeutsamen Bildern von Caspar David Friedrich (Winterlandschaft) (Abb. 27), C A R L GUSTAV CARUS (Der Junotempel von Agrigent) (Abb. 28), CLAUSEN DAHL, bis zu R A Y S K I und FRANZ DREBER. Unter den Heidelbergern sind ERNST und RUDOLF FRIES gut vertreten (Abb. 29), unter den Norddeutschen HASENPFLUG, GURLITT, OVERBECK, RAMBERG und WASMANN. Gemälde von H E I N RICH REINHOLD, JOHANN M A R T I N VON ROHDEN und CHARLES SCHUCH wären abschließend zu nennen, ferner Bilder von FEUERBACH, THOMA, LEISTIKOW. Die Gemälde des 20. Jahrhunderts, darunter Werke von CHRISTIAN ROHLFS, R I C H A R D SEEWALD und K A R L SCHMIDT-ROTTLUFF (1911) wurden zusammen mit Zeichnungen und Bildwerken von HERMANN BLUMENTHAL, BERNHARD HOETGER, E D W I N SCHARFF und anderen an das als moderne Galerie 1949 gegründete „Museum am Ostwall" in Dortmund abgegeben. Die

des Museums, deren Katalog HEINRICH G. LEM1911 verfaßte, ist von dem Maler ENGELBERT SEIBERTZ (1813-1905) zusammengebracht und als Schenkung WISKOTT Eigentum des Museums geworden. Sie umfaßt, mit späteren Hinzufügungen, über 1700 Blätter, davon etwa 320 italienische, über 800 niederländische, etwa 400 deutsche, der Rest englische und französiche Meister. Der Sammlung fehlen leider Kupferstiche des 15. Jahrhunderts völlig, (Meckenem und Aldegrever siehe oben) und die mit den Namen großer Meister versehenen Blätter halten der Kritik in vielen Fällen nicht stand. Dagegen ist die große Zahl mittlerer und kleinerer Meister mit guten Qualitäten vertreten, und der Themenkreis der Darstellungen fügt sich der Zielsetzung eines kulturgeschichtlichen Museums wohl ein. Ein kleiner Bestand an Zeichnungen des 19. Jahrhunderts entspricht der Sammlung von Gemälden der Romantik und enthält unter anderem Blätter von BLEULER, ENDER, FABER, IHLEE, KOBELL, KOLBE, NAHL, den Westfalen NADORP, THIER KUPFERSTICHSAMMLUNG

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28

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J/LH MEMOR1AMN. /¡ONVBNTIONI». TRE\ /MOKIAN/E ANNVENT^\ /DEO MEDIANTE MAVBITIOL ^LANDGRAVIO MASSIA AD CONSERVA« DAM PACEM ,PVBL> IN PRIMIS TITER I F A M I L I A S ELECTOREM \ E T P R I N C I P V M PALATIJ \ K O W H ET EPANDEJIEL/ \ FACTA MEMSE / \RTAIO 16 O Goldene Medaille auf den Vertrag zu Dortmund 1609

und VON OER - letzterer mit zahlreichen Zeichnungen und Aquarellen OEHME,

REINHART,

schließlich KUNSTHANDWERK 16.-20. JAHRHUNDERT

9

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Meistermarken Dortmunder Goldschmiede des 17. und 18. Jahrhunderts

RETHEL,

RICHTER,

FEUERBACH, MENZEL

SCHADOW,

(Abb. 30) und

SCHEUREN,

SPITZWEG,

THOMA.

Im Laufe der bisherigen Darstellung ist das Kunsthandwerk nur bis zum Ende des Mittelalters beschrieben worden, allein der Möbelbau wurde bis an den Anfang des 19. Jahrhunderts verfolgt. Es bleibt die Aufgabe, die umfangreichen kunstgewerblichen Sammlungen vorzustellen, die etwa von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis an den Anfang des 20. reichen. Um einen Überblick zu vermitteln, erscheint es zweckmäßig, nach Materialien zu ordnen und die Kunstwerke aus Metall, Keramik, Glas und Textil in Gruppen aufzuführen. Die Goldschmiedearbeiten der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts weisen eine Reihe vorzüglicher Arbeiten von Nürnberger Meistern auf. Zu nennen wäre eine Schenkkanne von A D A M VISCHER, ein Birnpokal von 1 5 4 0 (Abb. 31), ein silberner Blumenstrauß in einer Vase von RAIMUND LAMINIT, Augsburg, um 1 5 7 0 (Abb. 32), eine prächtige Doppelscheuer von EUSTACHIUS HOHMANN (Abb. 33), und einer der stattlichsten Akeleipokale von F R A N Z VISCHER. Schweizer Goldschmiedearbeiten sind aus Schaffhausen und Zofingen, andere süddeutsche, ein Nautiluspokal (Abb. 34) von CORNELIUS L I N K aus Straßburg und ein Elfenbeinhumpen (Abb. 35) von DANIEL MÄNNLICH aus Augsburg zu erwähnen. Auch ein Silberrelief mit einer Allegorie der Künste von JOHANN ANDREAS THELOT gehört nach Augsburg. Die Formen des schweren Barockhumpens sind durch einen figürlich behandelten Humpen aus Hamburg (Abb. 36) und einen des baltischen Typs vertreten. Besonderes Interesse gilt, wie schon erwähnt, den Dortmunder Goldschmieden der Barockzeit, aber auch den westfälischen Arbeiten etwa der Goldschmiede in Münster, Soest und Osnabrück, die in der Sammlung häufig erscheinen. Unter den Bronzen fehlt außerhalb des mittelalterlichen Bereiches das Figürliche vollständig. Dagegen sind Gefäße, auch datierte, in vielen Typen vorhanden. Die umfangreiche Sammlung von Mörsern umfaßt meist niederdeutsche und niederländische Stücke des 16. und überwiegend des 17. Jahrhunderts. Besonders zu nennen wäre ein Innsbrucker Mörser aus der Löffler Giesshütte. Aus einer Gruppe von Braunschweiger und Nürnberger BeckenschlägerSchüsseln ragt die mit der Darstellung der Kundschafter, die ehemals Taufschüssel der Kirche zu Ahlen war, durch Qualität und Größe hervor. Die Sammlung von Zinngeräten umfaßt in der Hauptsache Gebrauchszinn aus Westfalen, das bei dem Fehlen von Markentafeln nicht näher bestimmt werden kann. Erst jetzt gelang es, eine schöne Terrine und andere Gefäße sicher dem Dortmunder Zinngießer JUCKENACK zuzuweisen. Bergmännisches Zinn, meist auf die Bergakademie in Freiberg bezüglich, ist reichlich vorhanden. Aus der Menge heben sich eine süddeutsche Schleifkanne von 1666, eine Inschriftplatte von JOHANN D A V I D VON COPURG 1 7 0 2 und ein großes Crucifix, Dresden 1781, hervor. 29

Die Eisensammlung läßt noch am meisten den Charakter der alten Vorbildersammlung spüren, die in Gittern aller Art, Grabkreuzen, Brunnenkörben, Sammlungen von Schlüsseln und Schlössern, Beschlägen, Türgriffen, Gebrauchsgeräten bis hinab zum Hufeisen dem Handwerker Vorlagen liefern wollte. Besonders zu erwähnen wäre hier nur eine hübsche Sammlung von Eisenkunstguß und eine Gruppe tauschierter Kästchen süddeutscher und schweizer Herkunft. Der wenigen noch vorhandenen, aber guten Waffen, wurde oben gedacht. Die große Gruppe der Keramik hat ihre Anfänge wieder im Boden der alten Stadt Dortmund, der zahlreiche mittelalterliche Gefäße, meist sehr einfacher Form hergab. Schon früh hat man mit dem Sammeln rheinischen Steinzeuges begonnen und aus den Kölner Sammlungen T H E W A L T und BOURGOIS bedeutende Werke der Werkstätten von Siegburg, Raeren, Frechen und anderen erworben, darunter eine ganze Reihe von guten Meistern signierte und datierte Gefäße (Abb. 37). Eine Raerener Pilgerflasche mit Reliefs zur Aachener Heiligtumsfahrt, auf 1517 datierbar (Abb. 38), ragt hervor, ebenso einige Humpen in aufwendiger Silbermontierung. Auch die Kreussener Fabrikate sind mit Jagd-, Apostel- und Planetenkrügen und anderen sehr gut vertreten. Besonders zu erwähnen ist die Sammlung von Fliesen, die R. F O R R E R zusammengebracht und publiziert hat und die als Schenkung CREMER in das Museum gelangte. Sie umfaßt Fliesen vom 12. bis zum 20. Jahrhundert, darunter auch große Fliesengemälde. Vermehrt durch spätere Zutaten und vor allem durch mehrere wandgroße Jagdscenen (Hannoversch-Münden?) darf diese Sammlung als eine der umfassendsten ihrer Art gelten. Die Abteilung der Fayencen beginnt mit Majoliken aus Faenza, Urbino (Abb. 39), Castelli und Savona, meist aus den Sammlungen Thewalt und Bourgois, aus denen auch Palissy-Keramik und anderes stammt. Auch die Gruppe türkischer und persischer Fayencen erinnert an das Bemühen, ein umfassendes Kunstgewerbemuseum aufzubauen. Die deutschen Fayencen wurden in der Sammlung bevorzugt behandelt. Es sind fast alle deutschen Manufakturen vertreten, teils mit guten, teils mit durchschnittlichen Arbeiten, darunter auch mehreren großen Öfen verschiedener Herkunft. Besonderes Interesse galt der Westfalen benachbarten Manufaktur von Hannoversch-Münden. Hier sind neben zahlreichem Geschirr eine Reihe großer Netzvasen und Terrinen (Abb. 40) vorhanden, mehrere figürliche Fayencen und die von ZIMMERMANN 1 7 7 7 bemalte und bei RIESEBIETER abgebildete Schale mit der tafelnden Gesellschaft im Freien (Abb. 41). Unter den außerdeutschen Fayencen wurden die Fabrikate der Delfter Fabriken, die Westfalen beliefert haben, vor allem gesammelt, und die Einwirkung ihres Vorbildes kann auch an den Frankfurter, Hanauer und Potsdamer Fayencen der Sammlung gut verfolgt werden. Ähnlich der Fayencesammlung ist auch die Abteilung Porzellan breit angelegt und umfaßt Werke fast aller deutschen und einer Reihe ausländischer Manufak30

Fliese ans der Sammlung Forrer

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Fliese aus der Sammlung Fofrer

turen. Sehr gut ist die Fabrik Meissen in allen Stadien, auch der Frühzeit, vertreten (Abb. 42). Die figürlichen Gruppen gehören meist der Marcolinizeit an, jedoch sind auch ältere vorhanden, unter denen das Hirtenpaar von K Ä N D LER auf feuervergoldeten Bronzesockeln hervorragt (Abb. 43). Auch die süddeutschen Manufakturen sind mit guten figürlichen Gruppen repräsentiert, unter denen vor allem Ludwigsburg und Frankenthal genannt werden müssen. Die Sammlungen der Geschirre reichen vom einfachen Gebrauchsstück bis zu vorzüglichen Qualitäten. Ähnlich wie bei den Fayencen das Gewicht auf Hannoversch-Münden lag, so bei den Porzellanen auf der Manufaktur Fürstenberg. Hier sind zahlreiche figürliche Gruppen, Vasen und elegante Gefäße zum Teil bei D U C R E T abgebildet - vorhanden, die einen Überblick über das Schaffen dieser Fabrik und ihrer Modelleure und Maler bis in die Biedermeierzeit gewähren. Mit einer Sammlung von Dammer Steingut-Figuren und einer Gruppe Wedgwood schließt die Porzellanabteilung ab. Unter den Einwirkungen des Krieges hat die Glassammlung am stärksten gelitten, vor allem den kleinen Bestand an mittelalterlichem Glas verloren. Ohnehin zu breit angelegt, fehlten ihr Gläser von einiger Bedeutung. Immerhin sind eine Gruppe von deutschen Emailgläsern des 17. Jahrhunderts vorhanden, einige gute Einzelstücke, eine Reihe venezianischer und niederländischer Flügelgläser und Erzeugnisse der brandenburgischen und schlesischen Hütten. Einige sehr schöne böhmische Zwischengoldgläser des 18. Jahrhunderts verdienen die Hervorhebung. Die Stoffsammlung - ebenfalls wie wir sahen aus dem Gedanken der Vorbildersammlung erwachsen - bewahrt in zum Teil kleinen, zum Teil aber auch stattlichen Proben Stoffe, die von koptischen Geweben bis zum Jugendstil reichen und eine Vorstellung von der Entwicklung der Textiltechnik geben. Eine Luccheser Seidenweberei mit der Darstellung der Verkündigung des 14. Jahrhunderts und eine Sammlung von Paramenten des 15.-18. Jahrhunderts muß erwähnt werden. Hierher gehören auch die Gobelins. Unter ihnen ist eine Gruppe von Landschafts-Gobelins, wohl aus der Manufaktur Oudenaerde, wegen ihrer Herkunft aus dem Pfarrhause in Levern interessant. Andere Gobelins flämischer und französischer Herkunft, zum Teil sehr großen Formates, sind ebenso vorhanden wie ein schöner Teppich der Brüsseler Manufaktur um 1620, die Werbung um Rebekka darstellend (Abb. 44). Die „ S A M M L U N G W E S T F Ä L I S C H E V O L K S K U N S T " gehört zweifellos zu den wichtigsten Abteilungen des Museums. Wir haben bereits dargestellt, wie es gerade diese Sammlung war, die der Tätigkeit Baums ihre Entstehung verdankte. Sie ist für Westfalen die bedeutendste ihrer Art. Um so mehr empfindet man es sehr schmerzlich, daß sie nur in gelegentlichen Ausstellungen gezeigt werden kann. Um eine Übersicht über ihren Reichtum zu geben, wird man am besten der Ordnung folgen, die die Aufstellungen im alten Museumsgebäude von 1910 und 1937 ihr gegeben hatten. Den Auftakt bildete ein Bauernhaus aus 31

dem Kreise Wiedenbrück, datiert 1644, das im Kriege verbrannt ist. Wenn man seine Diele durchschritten hatte, öffnete sich die Reihe der sehr volkstümlichen „Bauernstuben", die im wesentlichen Mobiliar aus einer bestimmten Landschaft zusammenstellten. Diese Möbel und die verhältnismäßig geringen Bestände an anderen Erzeugnissen der Volkskunst stammen aus den Jahren 1721 (Abb. 45) - dem frühesten datierten Ravensbergischen Schrank - und dem Jahr 1868, in dem ein buntbemalter Spiegel entstand. Aus der Grafschaft Mark, der die Reichsstadt Dortmund umgebenden preußischen Landschaft und aus den zur Stadt gehörenden Dörfern stammen Schränke und Anrichten in sehr typischer Form, eine mit dem geschnitzten Adler. Das kölnische Sauerland ist mit einer sehr originellen Stube vertreten, deren Möbel der Bauer des Panhofes in Rieflinghausen selbst geschnitzt haben soll. (1760-1795). Ein besonderer Schatz der Sammlung und wohl das Beste, was sich an westfälischer Volkskunst erhalten hat, sind die prachtvoll mit Ornamenten und gedrehten Säulen geschmückten schweren Eichenholzmöbel aus der Upkamer des Hofes M Ö N C K in Bardüttingdorf, die mit Ausnahme des 1837 datierten Bettes der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts angehören. Auch von dem Hofe REDECKER in Isingdorf bei Werther sind große Möbel, datiert 1824, in das Museum gelangt. Das Ravensberger Land ist zum dritten Mal mit Möbeln aus der Gegend von Jöllenbeck vertreten. In alter Farbenpracht erhaltene Betten (1802), Wiegen, Sitztruhen (1812) und Anrichten (aus Solterwiesen, 1822) (Abb. 46), eine besonders reich bemalte Tür mit Blumensträußen und Husaren (aus Bückeburg) geben in ihrer Einmaligkeit eine eindrucksvolle Vorstellung von der Gestaltungskraft dieses reichen Bauernlandes. Die Reihe der großen Bauernhöfe, deren Mobiliar sich jetzt in der Sammlung befindet, ließe sich noch fortsetzen. Man müßte auch der anderen Landschaften - des Münsterlandes, des Bistums Paderborn, des südlichen Oldenburger Landes (Niederbistum Münster) gedenken, wollte man den Reichtum dieser Sammlung auch nur andeuten. Eine Webstube aus dem Kreise Coesfeld mit dem 1670 datierten gewaltigen 32

Webstuhl sei erwähnt, dazu eine, wahrscheinlich einmalige Anlage, eine Blaudruck-Färberei aus Harsewinkel mit zwei riesigen Mangeln, datiert 1792, außerdem eine Fülle von Druckmodeln, auch figürlichen und Musterbüchern. Figürliche Darstellungen beschränken sich fast ganz auf die Wiedergabe der Gnadenbilder von Werl (Abb. 47), Telgte und Kevelaer in Malerei, Plastik und Gravierung. Hölzernes Gerät erscheint in den wuchtigen Kannen (Standund Hängetöten), zahlreichen Haubenschachteln, die ebenso wie die Schnapsflaschen süddeutscher Herkunft sind. Dagegen ist die Keramik bodenständig und umfaßt, ebenso wie die Glasmalerei der Fensterbierscheiben, eine stattliche Sammlung. Unter den Arbeiten aus Metall müssen die zum Teil figürlich ausgestatteten Waffeleisen (1632), die zahlreichen Bettpfannen, zum Teil von ansehnlicher Größe, und eine Sammlung der meist mit den Siegen FRIEDRICH DES GROSSEN gezierten Iserlohner Schnupftabakdosen genannt werden. Trotz des Verlustes der Trachtensammlung bleiben die nach Hunderten zählenden Häubchen und Kappen ein eindrucksvoller Bestand, der in der Mehrzahl aus der Sammlung JOSTES gekommen ist. Abschließend sei die schöne Sammlung westfälischen Bauernschmuckes (Schenkung RUHFUS) erwähnt. Außer reichlichem Filigranschmuck aller Art umfaßt sie wertvollen Goldschmuck und die viele Pfund schweren Bernsteinketten aus zahlreichen facettierten Perlen mit figürlich geschmückten Schlössern. VOR- UND FRÜHGESCHICHTE

Die Ergebnisse der von Albert Baum in vielen Landschaften Westfalens unternommenen Ausgrabungen haben den oben berichteten mehrfachen Wechsel des Domizils des Museums jeweils mitgemacht, wurden aber immer wieder, zuletzt auch im Hause Ostwall 7, nach dem gleichen Prinzip geordnet. Die Vitrinen - schwarze Holzleisten in gotisierenden Formen - faßten die Funde so zusammen, wie sie zu Tage getreten waren, also nach Fundorten und nach den Flußgebieten der Ruhr, vor allem der Lippe, der Vechte und anderer. Auf eine chronologische Anordnung wurde verzichtet. Dies änderte sich erst, als Christoph Albrecht die Sammlungen zunächst als Abteilung für Vor- und Frühgeschichte, dann als eigenes Museum, später unter dem Namen „Geschichtliches Museum" übernahm. Nach dem Kriege konnte er für die arg dezimierten Bestände den großen Hochbunker am Westpark in Dortmund gewinnen, der nach geschicktem Umbau ausreichend Platz bot. Hier wurde nach der schon früher von ihm eingeführten Ordnung die Sammlung chronologisch ausgebaut. Die Aufstellung geschah in der Weise, daß aus einer Verbindung von Originalfunden, Nachbildungen, Modellen, Schaubildern in Guckkastenform und graphischen Darstellungen ein Bild der Vorzeit entstand, das zwar den westfälischen Raum bevorzugte, aber doch außerdem die westeuropäische Entwicklung mit einbezog. Diese bewußt lehrhaft gehaltene Aufstellung besteht bis heute fort. Es kann hier nur auf die in ihr befindlichen Originalfundstücke hingewiesen werden. Die ältere Steinzeit wird durch reichlich vorhandene Werkzeuge, meist 33

Gravierte Friese von den Bronzekesseln aus Veltheim

Schaber, Klingen, Handspitzen und Bohrer vertreten, die zum größten Teil aus der Balver Höhle stammen. Die Funde aus der mittleren Steinzeit wurden in dem „Hohlen Stein" bei Kallenhardt gemacht, andere in Hailoh (Kr. Meschede) und bei Lünen. Für die jüngere Steinzeit erscheinen Funde aus der bandkeramischen Siedlung bei Bochum. Aus der uralten Kulturstätte bei Habinghorst, die von der jüngeren Steinzeit bis in römische Zeit bewohnt war, haben über 200 untersuchte Gräber wertvolle Funde aus der Bronzezeit geliefert, Urnen, verzierte Becher, Schalen, Bronzeschmuck, Waffen und Geräte. Urnen kamen auch aus den Friedhöfen von Welte (Kr. Coesfeld) und Elmenhorst (Kr. Recklinghausen) - um nur einige Namen von Fundorten zu nennen. Reiche Ergebnisse an Bron2eschmuck, Beilen und Rasiermessern gelangten aus Grabungen bei Rinteln in das Museum, ein prachtvolles Bronzeschwert aus dem rheinischen Urdingen. Eisenzeitliche Funde sind zahlreich vorhanden, besonders aus dem großen Gräberfeld von Rünthe. Aus römischer Zeit stammen die Funde vor allem aus dem von Baum ausgegrabenen Römerlager Oberaden an der Lippe, von deren Bedeutung für die Datierung provinzialrömischer Keramik augusteischer Zeit oben die Rede war. Durch die Veröffentlichungen von Christoph Albrecht sind sie weit bekannt geworden. Die schönen sigillata-Gefäße (Abb. 48) geben eine Vorstellung von römischer Kultur auf vorgeschobenem Posten. Die über 300 Holzwaffen, darunter 70 mit Centurien-Inschriften versehene pila muralia, sind sonst nur auf der Saalburg nachweisbar, wenn auch in geringer Anzahl. Die von Baum geborgenen Holzteile aus Oberaden und die zur Auskleidung von Brunnen verwendeten Fässer sind im Krieg verloren gegangen. Dagegen konnten die sehr schönen, ebenfalls von Albrecht publizierten Funde aus Veltheim, Bronzeeimer mit Gravierungen, bronzene Schalen und Näpfe gerettet werden. Sie leiten über zu den Funden aus fränkischer Zeit, meist aus Herne-Sodingen, die Keramik, Waffen, Geräte und auch tauschiertes Eisen enthalten. Eine besondere Gruppe bildet eine Sammlung römischer Gläser (Beger, Köln), die als Schenkung K I R C K H E F E R in das Museum gelangte. Sie enthält unter den zum Teil von dem Vorbesitzer in Köln ausgegrabenen Gläsern eine Reihe interessanter Typen, deren Publikation vorbereitet wird. Schließlich ist noch der vorgeschichtlichen Funde aus dem Dortmunder Stadtgebiet zu gedenken, die eine Besiedelung von der jüngeren Steinzeit an nachweisen und auch bronzezeitliche Urnen mit Beigefäßen geliefert haben. Eine schöne sigil34

lata-Schale aus Marten leitet über zu dem bedeutendsten F u n d römischer Goldmünzen, der je im freien Germanien gemacht worden ist. Seit der Publikation hat dieser durch Baums Aktivität für das Museum gewonnene Schatz v o n 4 4 4 Goldmünzen und einigen Goldreifen den N a m e n der Stadt D o r t m u n d in die Münzgeschichte eingeschrieben (Abb.

49).

In den letzten Jahren sind aus den Ausgrabungen, die Christoph Albrecht in der Reinoldikirche und in der Peterskirche zu Hohensysburg veranstaltete, Funde geborgen worden, die, stadtgeschichtlich interessant, sich in Zukunft mit den übrigen Zeugen mittelalterlicher Kunst und Kultur aus D o r t m u n d verbinden werden, um jene Abteilung zu bilden, v o n der das Museum v o r mehr als 80 Jahren seinen Ausgang nahm, - v o n der Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund.

L I T E R A T U R Ü B E R K U N S T W E R K E AUS D E M M U S E U M (im Auszug) Baum, Albert: Führer durch die Sammlungen des Stadt. Kunst- und Gewerbemuseums zu Dortmund. Dortmund 1908 Lempertz, Heinrich G.: Katalog der Kupferstichsammlung des Stadt. Kunst- und Gewerbemuseums zu Dortmund. Dortmund 1911 Regling, Kurt: Der Dortmunder Fund römischer Goldmünzen, Dortmund 1908 Der römische Denarfund von Fröndenberg, Berlin 1912 Meier, Burkhard: Drei Kapitel Dortmunder Plastik. In „Monatshefte für Kunstwissenschaft", VI, 1913, Seite 62 ff. Albrecht, Christoph: Veröffentlichungen aus dem Stadt. Kunst- und Gewerbemuseums bzw. dem Stadt. Museum für Vor- und Frühgeschichte Dortmund Bd. I Frühgeschichtliche Funde aus Westfalen, Dortmund 1937 Bd. II Das Römerlager in Oberaden und das Uferkastell in Beckinghausen an der Lippe Heft 1 und 2, Dortmund 1938 und 1942 Berghaus, Peter: Münzgeschichte der Stadt Dortmund, Dortmund 1958

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Fritz, Rolf: Dortmunder Kirchen und ihre Kunstschätze. Dortmund o. J. (1934) - Dortmunder Goldschmiede des 17. und 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zu ihrer Kenntnis. In: Westfalen 22 (1937) S. 139 ff. Erweitert auch in Berghaus, Münzgeschichte s. oben. - Drei unbekannte romanische Bronzeleuchter aus Westfalen. In: Westfalen 24 (1939) S. 98 - Kerkelijke kunst uit het Rijnland en Westfalen. In: Maandblad voor beeidende Künsten 25 (1949) S. 140ff. - Das Mittelbild des Fröndenberger Altares. In: Westfalen 28 (1950) S. 134ff. - Ein Tafelbild als Reliquienträger. In: Die Weltkunst XXI (1951) Heft 4, S. 7 Das Halbfigurenbild in der westdeutschen Tafelmalerei um 1400. Ein Versuch über Herkunft und Deutung. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, V, 1951, S. 161 ff. - Neuerwerbungen des Dortmunder Museums 1947-1951. In: Kunstchronik V (1952) S. 36f. - Das Ruhrgebiet vor 100 Jahren. Dortmund 1956, 3. erweiterte Auflage 1963 - Das deutsche Industriebild 1800-1850. In: Tradition, Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmerbiographie 2 (1957) S. 333 ff. - Lorenz Ritter, Das Innere des Domes zu Münster. In: Westfalen 35 (1957) S. 172ff. - Dortmund, Bilder aus vier Jahrhunderten. Dortmund 1958, 2. Aufl. 1963 - Die goldene Medaille auf den Vertrag zu Dortmund. In: Berghaus, Münzgeschichte, s. oben - Berichte über Neuerwerbungen des Museums. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch seit XX (1958) jährlich - Eine kölnische Muttergottes im Dortmunder Museum. In: Wallraf Richartz Jahrbuch XXI (1959) S. 221 - Zwei Bildtafeln des 17. Jahrhunderts aus Geseke. In: Alte und neue Kunst im Erzbistum Paderborn. 9 (1959) S. 45ff. - Eine spätgotische Pilgerflasche zur Aachener Heiligtumsfahrt. In: Aachener Kunstblätter 22 (1961) S. 75ff. und Keramos 14/61 S. 3ff. - Christian Zucchi, ein Maler in Kamen um 1850. In: Westfalen 40 (1962) S. 219ff. - Wandmalereien des 14. und 15. Jh. in Dortmund. In: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark LVIII (1962) S. 115ff. - Theobald Reinhold Freiherr von Oer, Katalog seiner Aquarelle und Zeichnungen im Dortmunder Museum. In: Festgruß für Eduard Trautscholdt Köln 1964. - Wolfgang Heimbach, Hofmaler Christoph Bernhards von Galen. In: Westfalen 40 (1962) S. 315 ff. - Ein Kokosnußpokal der Spätgotik und andere Kölner Kokosnußpokale. In: Festschrift für Hermann Schnitzler, Köln 1965 Kataloge von Ausstellungen des Museums (im Auszug) Westfälische Kunst des Mittelalters. Kleine Führer 1, Dortmund o. J. (1937) - Westfälische Volkskunst ebda 1938 - Japanische Holzschnitte aus einer Dortmunder Sammlung 1938 Kunstschätze aus zerstörten Kirchen Westfalens 1948 - Rembrandt und seine Zeitgenossen 1949 - Westfälische Volkskunst 1949 - Conrad von Soest und sein Kreis 1950 - Altwestfälische und niederländische Gemälde aus einer westfäl. Sammlung. 1951 - Deutsche Kultur von der Spätgotik bis zum Rokoko. Ausstellung des German. Nationalmuseums Nürnberg. 1951. Text Peter Metz - Aus sechs Jahrhunderten (Neuerwerbungen) 1952 - Meisterwerke niederländischer Malerei aus der alten Pinakothek München. 1952 - Aus Dortmunder Kunstbesitz 1953 - Sammlung Thomie, Altena. Mit Einleitung: Zur Geschichte der privaten Kunstsammlungen in Westfalen. 1953 - Meisterwerke alter Malerei 1954 - Das Ruhrgebiet vor 100 Jahren. 1955 - Blick aus dem Fenster. 1956 - Theobald Reinhold Freiherr von Oer, 1857-1885. 1957 - 200 Jahre Freiherr vom Stein. Text: Wilhelm Schulze Marmeling. 1957 - Das Bild der deutschen Industrie 1800-1850. 1958 - Dortmunder Kunstbesitz I, Erwerbungen 1934-1958. Mit Einleitung: Geschichte des Museums. Zum 75 jähr. Bestehen. 1958 - Heinrich Aldegrever als Maler. Dortmund 1959 (zur Ausstellung des Museums) - Deutsche Bronzen des Mittelalters und der Renaissance, Medaillen und Goldschmiedearbeiten. 1960 - Zinn 1961 - Westfälische Volkskunst. Text Ulrich Fliess. 1962 - Dortmunder Kunstbesitz II. Erwerbungen 1959-1963. 1963

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i. Werke Dortmunder Goldschmiede 18. Jahrhundert. Kanne 31,5 cm hoch

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2. Muttergottes mit Christkind Westfälisch um 1330 Nußbaumholz mit alter Fassung 78 cm hoch

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3. Muttergottes mit Christkind Kölnisch um 1380 Nußbaumholz mit barocker Fassung 40 cm hoch

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4- Heiliger Thomas von Aquin Westfälisch um 1480 Eichenholz mit alter Fassung 140 cm hoch

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5. K o p f der heiligen V e r o n i k a Hans Witten zugeschrieben, um 1500 Birnbaumholz mit alter Fassung, 100 cm hoch 41

6. Anbetung der heiligen drei Könige Nordwestfälisch um 1500. Sandstein, 40 cm hoch, 60 cm breit 42

7. Conrad von Soest zugeschrieben. Muttergottes mit Kind V o m Fröndenberger Altar um 1400. Tempera auf Eichenholz, 67 x 45 cm 43

8. Westfälischer Meister um 1500 Verkündigung. Tempera auf Eichenholz 91 x 66 cm

44

9. Colijn de Coter tätig 1493-15 39 Muttergottes mit Kind Tempera auf Eichenholz 1 3 1 x 93 cm

io. Israhel van Meckenem, um 1450-1503 Geburt der Maria. Kupferstich (L 51), 267 x 190 mm 46

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G O T T E S - AVAGFIT ÍST-AVYN-

CRACHT-

II. Heinrich Aldegrever 1502-1561 Jan van Leiden. Kupferstich (B 182), Fol.

47

12. Rogerus von Helmarshausen, i. Hälfte 12. Jahrhundert Crucifixus. Bronze, feuervergoldet, 18 cm hoch 48

13. Aquamanile Magdeburg, Anfang 13. Jahrhundert. Bronze, 22,4 cm hoch

i ; . Kelch des Cardinals Torrecremata Italien, Mitte des 15. Jahrhunderts. Silber, vergoldet und emailliert, 23 cm hoch

51

i6. Kokosnußbecher in silberner Montierung, Köln (?) um 1500, 9,5 cm hoch 52

17- Urkunden-Schrank. Westfälisch, E n d e des 15. Jahrhunderts Eichenholz, mehrfarbig bemalt und mit Eisen beschlagen, 175 cm hoch, 180 cm breit 53

18. Kassette „ R o s a " . Westfälisch 14. Jahrhundert. Pappelholz mit Eisenbeschlag, 15 cm hoch, 39 cm breit 54

19- Stollenschrank. Holländisch 18. Jahrhundert. Eichenholz mit Intarsien, 222 cm hoch 55

2o. Kabinettschrank. Antwerpen und Augsburg 17. und 18. Jahrhundert. Eichenholz, Boulle, 167 cm hoch 56

2i. Joos de Momper 1564-1635 Dorf im Winter. Öl auf Eichenholz, 49,5 x 73 cm 57

22. W o l f g a n g Heimbach 1 6 1 5 - 1 6 7 8 Gesellschaftsszene. Öl auf K u p f e r , 26,3 x 38,6 cm

58

23. Dielenschrank. Braunschweig (?) A n f a n g 18. Jahrhundert. Weichholz mit Intarsien, 230 cm hoch 59

24. Schränkchen. Mittelrheinisch (?) 1709 Eichenholz, Nußbaum fourniert mit Intarsien und Emails, 6 1 , 4 cm hoch, 51 cm breit 60

25. Chronos Westfälisch 1735- Pappelholz, 216 cm hoch 61

26. Anton Graff 1 7 3 6 - 1 8 1 3 Berghauptmann von Heynitz. Ol auf Leinwand, 71 x 55,5 cm

62

ZJ. Caspar D a v i d Friedrich 1 7 7 4 - 1 8 4 0 Winterlandschaft. Öl auf Leinwand, 33 x 45 cm

63

28. Carl Gustav Carus 1789-1869 Junotempel von Agrigent. Ol auf Leinwand, 53,5 x 71,5 cm 64

zy. Ernst Fries 1 8 0 1 - 1 8 3 3 Eingang in den Park Chigi. Öl auf Leinwand, 49,5 x 61 cm 65

30. Adolph Menzel 1 8 1 5 - 1 9 0 5 Bildnis. 1890. Kreide auf Papier, 40,5 x 28 cm 66

31. Birnpokal. Meister mit dem Kleeblatt Nürnberg, um 1548. Silber, 24,8 cm hoch

32. Blumenstrauß. Raimund Laminit Augsburg um 15 70. Silber vergoldet, Höhe 33 cm

3 3- Doppelscheuer. Eustachius Hohmann, Nürnberg 1 5 8 5 - 1 6 1 2 . Silber, graviert und vergoldet, 54 cm hoch

34- Nautiluspokal Cornelius Link, Straßburg um 1650. Silber, 40 cm hoch

3 5 • Elfenbeinhumpen in der Art des Frans Duquesnoy Fassung Daniel Männlich, Augsburg um 1650. Elfenbein, Silber vergoldet, 26,5 cm hoch 71

36. Deckelhumpen Hamburg, um 1650. Silber getrieben, 21,5 cm hoch 72

73

39- Schale Urbino. Mitte 16. Jahrhundert. Fayence, Durchmesser 30 cm 74

4o. Terrine mit Wappen der Familie von Hanstein Hannoversch-Münden um 1770. Fayence, mehrfarbig bemalt, 29 cm hoch 75

4 i . Schüssel mit Gesellschaft im Freien Zimmermann, Hannoversch-Münden 1777 Fayence, blau bemalt, Durchmesser 34 cm 76

42. Hausmalerkrug mit Silberdeckel Meissen, Mitte 18. Jahrhundert. 19,5 cm hoch 77

43- Hirtenpaar. Modell von Kaendler Meissen, Mitte 18. Jahrhundert. Porzellan auf Bronzemontierung, 32 cm hoch 78

44- Wandteppich Werbung um Rebekka. Brüssel um 1620, 2,75 x 5,05 79

45. Schrank Ravensberg 1 7 2 1 , Eichenholz, farbig bemalt, 193 cm hoch 80

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46. Anrichte Solterwiesen 1822. Eichenholz, farbig bemalt, 204 cm hoch

47• Muttergottes mit Christkind Westfälisch, 18. Jahrhundert Weichholz, bemalt und vergoldet 34 cm hoch

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48. Römische Sigillatabecher Aus dem Lager Oberaden. Augusteisch 83