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German Pages 84 Year 1969
KULTURGESCHICHTLICHE MUSEEN IN DEUTSCHLAND HERAUSGEGEBEN VON GERHARD WIETEK BAND XI
DAS BERGISCHE MUSEUM
J. CHRISTOF ROSELT
DAS BERGISCHE MUSEUM SCHLOSS BURG AN DER "WUPPER
VERLAG CRAM, DE GRUYTER & CO • HAMBURG
Fotografien:
Alle außer Nr. 2 und 47: Erich Bürger in Fa. Loose-Durach, Remscheid Nr. 2: Aero-Foto A. Schwarzer, Mönchengladbach (freigeg. Reg.-Präs. Düsseldorf Nr. 06 / 243 / 04) Nr. 47: Carlfred Halbach, Ratingen Die Vorlagen zu den Strichätzungen fertigte die Fa. Loose-Durach, Remscheid
Gesamtgestaltung:
Herausgeber und Verlag
Das Erscheinen dieses Bandes wurde durch Druckkostenzuschüsse des Schloßbauvereins Burg an der Wupper e. V. und des Landschaftsverbandes Rheinland, Köln-Deutz, ermöglicht.
© Copyright 1969 by Cram, de Gruyter & Co., Hamburg IJ Gesamtherstellung: Graph. Betrieb Gebr. Rasch & Co., Bramsche/ Osnabrück Printed in Germany
Grabentorgebäude Schildmauer
Engelbertturm
s
0
Kapellen bau Bergfried
s
ehem.
Eingang
Wehrgänge
Pferdestall. gebäude
Palas Diebsturm
Schloßtor Schematischef Grundriß von Schloß'Bufg in der Ebene der Haupt-Museumsräume (SchraSiert: Gebäudeteile mit Museumsräumen)
SCHLOSS BURG
Man kann nicht vom Bergischen Museum berichten, ohne dem Leser zunächst eine Vorstellung von der Geschichte und dem besonderen Charakter des Gebäudes zu vermitteln, das dem Museum Heimstatt ist. Denn mit diesem Bauwerk steht es in innerer Wechselbeziehung, und ohne seine Existenz bestünde auch das Museum nicht. Dort, wo die Wupper nach Durchwindung des engen Tales zwischen Remscheid und Solingen einen scharfen Knick gen Westen in Richtung auf den Rhein zu macht, erhebt sich auf vorgeschobener Bergkuppe die gewaltige Anlage, die unter dem Namen Schloß Burg weithin bekannt ist. Sie ist eingebettet in die vielgestaltige bergische Landschaft, von waldreichen Abhängen umgeben und unmittelbar umsäumt von den charakteristischen bergischen Fachwerk- und Schieferhäuschen der Ortschaft Burg (Abb. 2). Dem heutigen Besucher bietet sich freilich weder eine unberührte noch eine später nur umgebaute oder in Teilen ergänzte mittelalterliche Anlage dar, sondern ein weitgehender Wiederaufbau aus dem Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Der architektonisch interessierte Kenner und Freund mittelalterlicher Wehrbauten, der streng nach originaler Bausubstanz sucht, kommt daher nur bedingt auf seine Kosten. Eines jedoch kann nicht geleugnet werden: es ist historischer Boden, eine geschichtsträchtige Stätte, die der Besucher hier betritt. 5
Nachdem die Herren und Grafen von Berg aus dem Dunkel der Geschichtslosigkeit herausgetreten waren und sich im Laufe des 11. Jahrhunderts ihre Vormachtstellung gegenüber anderen Machthabern erkämpft hatten, erbaute in den Jahren um 1130 Graf Adolf I. eine Burg auf dem »Neuen Berge« an der Wupper. (1133 übergab er die älteste Stammburg des bergischen Grafengeschlechts, die »Alte Burg« an der Dhünn, einem Zisterzienserkonvent und legte mit dieser Schenkung die Grundlage des späteren Klosters Altenberg). Die neue Burg an der Wupper bestand in der Hauptsache aus einer starken, ringförmigen Umfassungsmauer, die sich nach der gefährdeten Ostseite zur Schildmauer verstärkte, dem Bergfried und einem an die Ringmauer angelehnten kleinen Herrenhaus samt Wirtschaftsgebäude. Der mächtige und baulustige Engelbert II., Graf von Berg, Erzbischof von Köln und Verweser des Reiches unter dem seit 1220 ständig im fernen Südreich residierenden Staufenkaiser Friedrich II., baute in der kurzen Zeit seiner Herrschaft (1218— 1225) die Anlage zur geräumigen Hofburg um. Nachdem der weitläufige äußere Mauerring stark befestigt worden war, ließ er einen Teil des inneren Berings (im Südwesten) niederlegen und errichtete an dieser Stelle den zweigeschossigen Palas mit unmittelbar sich anschließendem Kemenatenbau im Stile der rheinischen Frühgotik. In dieser Zeit entstand auch der Kapellenbau, der sich an den Palas im rechten Winkel anschloß und offenbar eine frühere Burgkapelle des hl. Pankratius (erwähnt 1160) ersetzte. In der Folgezeit blieb die Burg bevorzugte Residenz der Grafen und späteren Herzöge von Berg. Die Bautätigkeit lebte in der Zeit der Spätgotik und Frührenaissance wieder auf und zielte vor allem auf eine Erweiterung und Umgestaltung des Palas, der mit reichen Fachwer kaufbauten versehen wurde. Vom beginnenden 16. Jahrhundert an war die Burg nur noch gelegentlicher Aufenthaltsort der Herzöge, Stätte höfischer Feste und Jagdquartier. Nach der weitgehenden Zerstörung von Teilen der Anlage am Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde der Hauptbau nach 1700 teilweise wieder instandgesetzt. Bis 1807 blieb er Sitz herzoglicher Rentmeister und Richter, und im Verlaufe der folgenden Jahrzehnte diente er nur noch als Deckenfabrik, Roßmühle und Wollspinnerei. Im Jahre 1849, als sich an anderen Orten der romantische Wille zur Bewahrung mittelalterlicher Bauten bereits kräftig regte, wurde auf Veranlassung des preußischen Fiskus das mit 75 Talern bewertete Eisen- und Holzwerk vom Dach des Palas abgerissen, um beim Bau des Landgerichtes in Elberfeld Verwendung zu finden! Der weitere Verfall von Schloß Burg schritt unaufhaltsam fort (Abb. 1). Eine Schilderung des Zustandes der Burgruine nach 1880 verdanken wir einem der Hauptinitiatoren der späteren Museumsgründung: »Noch stand ein großer Teil der Mauern des vom Erzbischof Engelbert erbauten Palas, das Thorhaus, zwar ohne Bedachung, im Innern einem großen Kirschbaum und Hollundersträuchen durch den aufgehäuften Schutt Nahrung gebend, und die schön von Epheu eingerankte hohe Mauer vom Thorhaus
ADOLF WERTH,
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GESCHICHTE UND WIEDERAUFBAU
Monogtammist IAG, Beschießung und Erstürmung einer Burg, Kupferstich, 1564, aus L. Fronsperger, »Von Kayserlichen Kriegßrechten . . .«, Frankfurt/M., 1565
zum kleinen Eckturm (gemeint ist der sog. Diebsturm, d. V.). Die eigentlichen Burgmauern boten dagegen nur noch niedrige Trümmer, doch war die dicke Schildmauer an der Hauptstelle so viel erhalten, daß die charakteristischen Stellen der in derselben enthaltenen Treppenaufgänge deutlich zu erkennen waren. Von dem einst in der Mitte des Schloßhofes sich erhebenden Bergfried stand nur noch der untere Stumpf, von ungeheuren Schuttmassen so überlagert, daß derselbe unkenntlich als ein kleiner Hügel erschien, der als Garten nutzbar gemacht war . . .« In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts regte sich im Bergischen Land der Wunsch nach dem Wiederaufbau der Burgruine. Man wollte die alte, mit historischen Erinnerungen reich verknüpfte Stammburg des altbergischen Grafenhauses zu neuem Leben erwecken und zugleich ein Denkmal der heimi-
sehen Geschichte schaffen. Auf Initiative des Wermelskirchener Fabrikanten wurde 1887 ein »Verein zur Erhaltung der Schloßruine Burg an der Wupper« (1897 umbenannt in »Schloßbauverein Burg an der Wupper e. V.«) gegründet, der die schwierigen ideellen und materiellen Voraussetzungen für die Wiederherstellung schuf. Schon in den Jahren von 1890 bis 1894 konnten unter der Leitung des Architekten GUSTAV A D O L F F I S C H E R , Barmen, die in Resten erhalten gebliebenen Hauptteile der Burg - der Palas mit nördlich daran anschließendem Torbau und Wehrgang bis zum Diebsturm (Abb. 3) sowie der Kemenaten- und Kapellenbau - wiederhergestellt werden. Noch vor 1900 folgten Schildmauer mit Wachhaus, Bergfried und innerer Torbau südlich des Palas. Die Jahre bis 1915 sahen vor allem die Neuerrichtung des Stallgebäudes, des äußeren Grabentorbaues und des beide verbindenden, schieferverkleideten Wohnhauses sowie den Wiederaufbau des runden Batterieturmes, der durch eine vom Zwingertor durchbrochene Mauer mit dem Palas verbunden wurde. Der Schloßbrand des Jahres 1920, dem vor allem die oberen Bauteile des Palas und des Kemenatenbaues zum Opfer fielen, machte in den folgenden Jahren einen erneuten, und zwar abgeänderten und zweckmäßigeren, Wiederaufbau der betroffenen Teile erforderlich. 1925, zum siebenhundertsten Todestage Engelberts, wurde nicht nur sein von P A U L W Y N A N D geschaffenes Reiterstandbild vor dem Palas, sondern auch der nach ihm genannte Turm innerhalb der Wehrmauer errichtet. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden innerhalb des Burgkomplexes neue Anbauten, so 1954 der Glockenturm für drei Glocken aus Königsberg und Breslau als Teil der Gedenkstätte des deutschen Ostens, die im Batterieturm eingerichtet worden war. JULIUS SCHUMACHER
Die Festsäle im Hauptgeschoß der Burg wurden einige Jahre nach Vollendung des Wiederaufbaus von den damals angesehensten Meistern der Düsseldorfer Kunstakademie mit Freskomalereien ausgeschmückt, um das Werk zu vollenden und zugleich dem Volke seine Geschichte lebendig vor Augen zu führen. In Düsseldorf stand damals noch die konventionelle Historien- und Genremalerei in hoher Blüte, der es um die detailgetreue Schilderung geschichtlicher Ereignisse und um die stimmungsvolle Wiedergabe von Szenen aus dem täglichen Leben ging. In der ersten Phase, von 1899 bis 1901, wurde der R i t t e r s a a l von Prof. CLAUS M E Y E R unter anfänglicher Mitwirkung von H. HUISKEN ausgemalt (Abb. 4). In einem rechts des Einganges beginnenden, umlaufenden Fries sind die Hauptereignisse aus der Geschichte der Burg und des bergischen Landes dargestellt. Die Folge beginnt mit der Erbauung der Burg und führt über den Auszug Adolfs III. zum Kreuzzug 1217, die Ermordung Engelberts II. 1225, die Schlacht bei Worringen 1288, die Gefangenschaft Herzog Wilhelms auf der Burg 1403/04 und die berühmte Fürstenkinderverlobung 1496 bis zur Teilzerstörung der Burg 1648. Das abschließende Bild schildert den Auszug 8
FESTSÄLE UND KAPELLE
Güldensporenschlacht bei Courtrai 1302. Französisch (Paris?) 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Miniatur auf Pergament. 22,8 x 17,1 cm
bergischer Freiwilliger in die Befreiungskriege. Gleichzeitig mit dem Rittersaal erhielt die K a p e l l e ihren malerischen Schmuck von Prof. W I L L Y SPATZ. Der Künstler war bemüht, in allegorischen Szenen die Grundlegung des Christentums in der menschlichen Seele, deren Drang nach der göttlichen Weisheit und des Christen himmlischen Lohn darzustellen. Sowohl hinsichtlich ihrer formalen Gestaltung als auch in der Häufung von Allegorie, Symbolik und abstrakter Gedanklichkeit sind diese Fresken die einzigen in Schloß Burg, die von des Künstlers Auseinandersetzungen mit den neuen Kunstanschauungen der Jahrhundertwende zeugen, die wir als Jugendstil neu zu bewerten im Begriffe sind. Einige Jahre später, von 1905 bis 1907, wurde die K e m e n a t e mit Fresken von Prof. PETER JANSSEN ausgeschmückt, der in jahrzehntelanger Tätigkeit an der Akademie die monumentale Historienmalerei gepflegt hatte; der Bilderzyklus auf Schloß Burg ist sein letztes Werk. Entsprechend der einstigen Bedeutung der Kemenate als heizbarem Hauptwohnraum und Frauengemach der Burg kreisen die Bildthemen um das mittelalterliche Burgleben, in dessen Mittelpunkt die Burgherrin steht (Abb. 5). Auf den drei Hauptgemälden ist dargestellt, wie sie den Sieger nach dem Turnier ehrt, an einer wildbewegten Hetzjagd teilnimmt und Brot an die Armen verteilt. Etwa gleichzeitig, von 1906 bis 1908, wurde der A h n e n s a a l durch Prof. A D O L F S C H I L L ausgemalt. Die verwirrende Geschlechterfolge der bergischen Landesherren ist als umlaufender Stammbaum dargestellt: von den altbergischen Grafen geht es über die Herzöge von Limburg, Jülich und Kleve-Mark bis hin zu den Kurfürsten von der Pfalz und zum Hause Wittelsbach einerseits und den Kurfürsten von Brandenburg und den Hohenzollern andererseits. Der Stammbaum beginnt sinnigerweise mit Adam und Eva und endet mit Kaiser Wilhelm II., der in Lebensgröße stolz vor dem Bug eines Schlachtschiffes steht.
Wiederaufbau des Batterieturmes, 1914 Zeichnung von Dombaumeister Arntz, Köln
So ist das Bauwerk als Ganzes, mit seinen Wandgemälden und den beiden Denkmälern vor der Burg, in gewisser Weise selbst schon ein »historisches Museum«; zumindest wird es eines Tages, wenn der innere Abstand zwischen Betrachter und Werk größer geworden sein wird, als solches mehr noch als heute anerkannt werden. Schloß Burg, so wie es sich präsentiert, ist eine der letzten Taten der rheinischen Romantik in der Reihe vieler anderer Burgenwiederherstellungen. Es kann nur aus der vom Historismus geprägten Vorstellungswelt der Jahrhundertwende, als Zeugnis für den Zeitgeist der wilhelminischen Ära verstanden und gewürdigt werden. Eine Restaurierung im Sinne der modernen wissenschaftlichen Denkmalpflege, eine Wiederherstellung unter möglichster Angleichung an den ursprünglichen Zustand in der Burgerneuerung sehen zu wollen, hieße einen verfehlten Maßstab anlegen. Aus der Situation des Bergischen Museums in einer so beschaffenen Burg und dem Charakter des Schloßbauvereins als Träger ergeben sich einige Besonderheiten, die es von anderen kulturgeschichtlichen Museen unterscheiden. Am 10
DAS
MUSEUM
Anfang seiner Geschichte stand nicht, wie anderenorts, ein altes Schloß- oder Rathausinventar, die allmählich gewachsene Sammlung eines Vereins, eine Stiftung oder das Vermächtnis eines Mäzens - kurz, ein Grundbestand, der nach einer Unterkunft verlangte. Es war umgekehrt: ein unter ganz anderen Gesichtspunkten wiederentstandenes Gebäude sollte durch historisches Gut bereichert werden, das erst zusammengetragen werden mußte. D E R SCHLOSSBAUVEREIN, D I E B U R G UND DAS MUSEUM
Der Träger des Museums ist von Anfang an bis heute ein zwar historisch orientierter Verein, der jedoch mit den Förderervereinen anderer Museen nicht zu vergleichen ist. Seine Zweckbestimmung lag in allererster Linie auf baulichem Gebiete: zunächst ging es um die Wiederherstellung, später um die Erhaltung und weitere äußere wie innere Ausgestaltung von Schloß Burg als »Kulturstätte des Bergischen Landes « i n einem allgemeineren Sinne. So fanden früher regelmäßig die beliebten Schloßhofspiele statt, während neuerdings Theater- und Konzertveranstaltungen im Rittersaal zur kulturellen Bereicherung beitragen. Man wurde Mitglied des Vereins nicht um des Museums willen, sondern mehr aus heimatlicher Verbundenheit mit Schloß Burg als romantischem Bauwerk und historischem Denkmal. Zu dessen Wiederaufbau und erster künstlerischer Ausstattung haben die alteingesessenen wohlhabenden Familien der umliegenden Städte außerordentlich viel beigetragen. Seit langem fließen die Mittel des Vereins nur noch zum allergeringsten Teile aus den Beiträgen seiner Mitglieder: den weitaus überwiegenden Anteil der Einnahmen bilden die Eintrittsgelder der Schloß- und Museumsbesucher, aus denen die Gesamtunterhaltung einschließlich der Personal- und Museumskosten bestritten werden muß. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, daß Schloß Burg eine beliebte Stätte für Festlichkeiten und Vergnügungen im Rahmen gesellschaftlicher Vereinigungen wie im familiären oder geschäftlichen Kreise ist. In den massiven Erdgeschoßräumen ist von Anfang an ein großräumiges Restaurant etabliert, und unter dem gleichen Dach stehen die Schloßkapelle für Trauungen, die Kemenate und der Rittersaal für gesellige Veranstaltungen zur Verfügung und werden gern genutzt. Sehr vieles wurde vom Schloßbauverein in den fünfziger Jahren getan, um den modernen Anforderungen Genüge zu tun, die an eine solche Stätte gestellt werden. Demgegenüber hat das Museum mit seinen meist verwinkelt im Dachgeschoß und auf unterschiedlichen Ebenen liegenden Räumen gerade im Bewußtsein der wirtschaftlich potenteren Kreise der umliegenden Städte wie auch vieler Vereinsmitglieder meist nur eine sekundäre, untergeordnete Rolle gespielt. Erst infolge des im letzten Jahrzehnt völlig veränderten Inhalts und Gesichts des Museums hat sich diesbezüglich ein Sinneswandel vollzogen. Diese seine jüngste Entwicklung, von der noch zu sprechen sein wird, war auch erst die Voraussetzung dafür, daß das Museum durch Verankerung seiner Aufgaben in der neuen Satzung des Vereins von 1967 in seinem Status gefestigt 11
worden ist; diese Satzung bringt außerdem erstmalig zum Ausdruck, daß die »wichtigste kulturelle Aufgabe des Schloßbauvereins die Unterhaltung und der Ausbau des Bergischen Museums Schloß Burg an der Wupper« ist. Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt gegenüber früher. Aber daß die gesamte fachliche Arbeit von einer einzigen Kraft bewältigt werden muß, die zugleich die vielfältigen museumsfremden Geschäfte des Vereins führt und nur über ganz minimale wissenschaftliche und technische Hilfsmittel verfügt - daran wird sich wohl auch in Zukunft kaum etwas ändern können. Ein ausgesprochenes Phänomen, das dem Museum ebenfalls eine Sonderstellung einräumt und woraus sich ganz besondere Wirkungsmöglichkeiten und Verpflichtungen im Sinne der vielzitierten Volksbildung ergeben, ist die Zahl der keineswegs »organisierten« Schloß- und Museumsbesucher. Sie lag in den Jahren um die Jahrhundertwende bei etwa 60000 pro Jahr, überschritt 1908 bereits 100000 und erreichte 1936/37 fast 180000. Anfang der fünfziger Jahre schnellte sie sprunghaft in die Höhe - 1 9 5 1 erlebte mit 385 000 einen einmaligen Rekord - , und in den sechziger Jahren hielt sie sich durchschnittlich bei etwa 250000. Etwa zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Buches wird die 6-Millionenzahl allein seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges überschritten werden! Schloß Burg als äußerer Rahmen für die Museumsexponate verstärkt nicht nur deren Strahlungskraft, sondern kommt auch dem neoromantischen Verlangen der oft in eine übermäßige technische oder bürokratische Apparatur eingespannten Menschen wesentlich entgegen. Die Anziehungskraft und Volkstümlichkeit der landschaftlich reizvoll gelegenen Burg, die im Ausflugsbereich mehrerer Großstädte, ja, des größten industriellen Ballungsraumes Westdeutschlands liegt und die an der nahegelegenen Autobahnausfahrt unübersehbar angezeigt ist, kommt dem Museum und seinem Anliegen außerordentlich zugute. Es hat dadurch wie kaum ein anderes in Westdeutschland die Möglichkeit, unendlich viele Besucher anzusprechen, darunter unzählige, die sonst gewiß niemals ein Museum betreten. Andererseits fehlt dem Bergischen Museum infolge dieser Situation und durch seine Lage »zwischen den Städten« ein festes, überschaubares »Stammpublikum«, jener aufgeschlossene und vielleicht nur in der Urbanität einer traditionsreichen Stadt mögliche Kreis von Freunden, Kunstliebhabern und ernsthaften Sammlern, die das Museum als das ihre betrachten, jede Neuerung, jede wichtige Erwerbung mit Interesse zur Kenntnis nehmen oder es auch zu fruchtbarem Gedankenaustausch konsultieren. Oder existieren sie doch, schrecken aber vor dem touristischen Getriebe um die Burg herum zurück und halten sich daher in der Anonymität? Gehören sie zu den nicht wenigen AußerSaison-Besuchern, die aufmerksam alles betrachten und sehr wohl wissen, was sich seit ihrem letzten Besuch verändert hat? Die Anfänge des Bergischen Museums reichen in den Beginn der neunziger Jahre zurück, als die Hauptteile der Burg gerade wiederaufgebaut wurden. Die 12
VON D E R G R Ü N D U N G DES MUSEUMS
1894 BIS 1920
Frage, wofür ein Teil der Räume in Zukunft zu verwenden sei, wurde schon bald dahingehend beantwortet, daß hier ein Museum mit Zeugnissen der berSag dite gischen Landesgeschichte und Kultur eingerichtet werden solle, um dem Bauwerk einen entsprechenden historischen Inhalt zu geben. Der schon seit 1863 i k g i f d i e ü e l t i T e R3 f d l f o g bestehende Bergische Geschichtsverein, aus dessen Reihen dem neu gegrünj«. deten Burger Verein in historisch-wissenschaftlichen Fragen wertvolle Hilfestellung geleistet wurde, ernannte in seiner Generalversammlung am 1. Dezem33urg ari öer î D u p p e r . ber 1893 eine »Kommission für Einrichtung, Fortführung und Aufsicht des Bergischen Landesmuseums «. Durch die Bemühungen dieses Gremiums, dessen treibende Kraft der schon genannte A D O L F W E R T H aus Barmen war, konnte das Museum bereits am 1. Juli 1894 anläßlich einer Festfahrt des Bergischen Geschichtsvereins provisorisch im noch freskenlosen Rittersaal eröffnet werjm den. Ein zu dieser Gelegenheit herausgegebenes, von Adolf Werth verfaßtes Itöftutäg to irrgifdwi fanlif^Piifrniiti Bändchen, das sich stolz »Festschrift« nennt, ist das erste gedruckte Zeugnis iti ©elisenitif ba über das Museum. Daraus geht hervor, daß damals nur »Anfänge der SammStjlfaljrt bei ©ctfliitftea ©efóiiÌjtóWKfo« lungen« vorhanden waren, und zwar vorwiegend Porträtstiche sämtlicher am I. an» Regenten des Bergischen Landes von Johann III. von Jülich-Kleve bis zur Gegenwart, also bis zu Kaiser Wilhelm II. Es sei, so erklärt Werth, »besonders bei dieser ersten Abteilung das Bestreben, durch Bild, Wort und Denkwürdigkeiten die Geschichte des Landes zu veranschaulichen, so daß dem bergischen Volke ein Eindruck seiner Landesgeschichte werde«. Des weiteren waren im Torhause »die Ausgrabungen beim Schloßbau und die Erinnerungen und Bilder von Schloß Burg aufgestellt«, während dessen oberer Raum »in der sn£tssffiottsttL trttuibs et Oftefkib einen Hälfte die Einrichtung einer bergischen Stube zeigt (welche allerdings noch mancher Vervollständigung bedarf), auf der anderen Seite dagegen sind Titelblatt der Festschrift zur Museuxnseröfinung, 1894 Städte und landschaftliche Bilder des Landes angebracht, und in Glaskastentischen der Beginn der kulturhistorischen Sammlungen«. Als Ziel des weiteren Ausbaues wird deklariert, daß das Museum »in drei Abteilungen 1. die Landesgeschichte, 2. die Kulturgeschichte, 3. die Industriegeschichte des bergischen Landes vorführen« solle. Die Bestände des zunächst weiterhin vom Bergischen Geschichtsverein betreuten Museums wuchsen im Laufe der Jahre durch Stiftungen und Ankäufe zu ansehnlichem Umfange an. Es wurde nach der erfolgten Ausmalung der Säle in die über ihnen liegenden, für diesen Zweck ausgebauten Räume verlegt, von denen es im Jahre 1911 neun umfaßte. Was es in dieser seiner ersten Entwicklungsphase enthielt, wissen wir nur durch den bescheidenen »Führer und Katalog« aus dem Jahre 1908 (Neuauflage als »Katalog« 1911) von R U D O L F R O T H , des ersten, 1907 berufenen, nebenamtlichen Museumsleiters. Dem Katalog ist zu entnehmen, daß sich unter dem Museumsgut 150 Möbel und sonstige Gegenstände aus Holz befanden, ferner 35 Architekturteile altbergischer Häuser, 31 Paramente aus der katholischen Pfarrkirche zu Burg sowie Chorgestühl und Kronleuchter aus der evangelischen Kirche zu Lennep. Unter den 18 aufgeführten Holzskulpturen befanden sich allein zwölf Evange13
listen und Apostel vom ehemaligen Hochaltar des Altenberger Domes; daneben war der spätgotische Altar der alten lutherischen Kirche zu Solingen im Museum. Der Katalog verzeichnet rheinische Bartmannskrüge, Ofenplatten, Fürstenbildnisse sowie hunderte von Kupferstichen und anderen graphischen Blättern. Neben dem Wermelskirchen-Stolzenberger Münzfund (16./Anfang 17. Jahrhundert) und mittelalterlichen Tonplatten aus der Markuskapelle des Altenberger Domes waren auch Ausgrabungsfunde von Schloß Burg selbst wie spätromanische Kapitelle und Steinzeuggefäße des 15./16. Jahrhunderts im Museum zu sehen. Ferner zählt der Katalog auf: 164 Gegenstände aus Stein, Ton, Porzellan und Glas, 106 aus Metall, 120 Rüstungsteile, Waffen und Fahnen, 268 Münzen sowie kleinere Gruppen von Textilien, Kirchengeräten, Edelmetall- und Schmucksachen, Münzwaagen und Siegeln. Wie das Museum etwa in den beiden ersten Jahrzehnten seines Bestehens ausgesehen hat, schildert uns Rudolf Roth anschaulich aus der Sicht der zwanziger Jahre: »Damals regierte . . . noch der trockene Historiker, der nur Buchweisheit und Jahreszahlen kannte, dem aber jede praktische Anschauung fehlte, dem Kunst- und Kulturgeschichte unbekannt waren. Diese Dinge waren das Sondergebiet einzelner . . . Im Sinne dieser alten Geschichtsgelehrtheit, trocken und sachlich entwickelte sich auch dieses erste Burger Museum. Der endlose Anhängezettel mit historischen Daten war oft größer als der Gegenstand; allerlei konnte man da lesen, vom Gegenstand selbst aber nichts. Da war z.B. ein Bild Herzog Wilhelms IV. Der Anhängezettel erzählte den ganzen Lebenslauf dieses Herrn. Vom Bild keine Rede, Maler und Ursprung überflüssig. Das Bild aber hing inmitteln von allerlei Urkunden dieses Herzogs, an jeder hing wieder der endlose Erklärungszettel. Daß so ein Bild in natürlicher Weise aufgehängt im Verein mit Möbeln und sonstigen Dingen aus seiner Zeit ganz anders, viel herzlicher und verständlicher zum Beschauer spricht, daran dachte damals niemand. Nicht nur das erste Burger Museum sah so aus, so sahen sie alle aus, die Museen alten Stils; sie waren nur Magazine und erstarrten zu Leichenkammern der Vergangenheit«. Rudolf Roth, seines Zeichens Schriftsteller und Verleger, ein für die Museumsdinge außerordentlich aufgeschlossener Mann, sorgte für die Neuaufstellung der Bestände, die er durch Möbel und bäuerliches Gerät, Stiche und Archivalien bereicherte. Welch wertvolles Kulturgut konnte damals, vor dem ersten Kriege, noch für die 3000 Mark gekauft werden, die ein Krupp von Bohlen und Halbach dem Museum gestiftet hatte! Roth erkannte klar die besondere Aufgabe des Bergischen Landesmuseums, die nach seinen Worten darin bestand, »die Kunst und Geschichte der ehemaligen Länder Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg nebst Nachbargebieten in alten Originalgegenständen augenscheinlich darzustellen. Es kommen also Gegenstände in Betracht, welche in den vorgenannten Ländern verfertigt worden sind, oder auf die betr. Gebiete Bezug haben, Gegenstände rein geschichtlichen, kultur-und kunsthistorischen Charakters. Der engere bergische Bezirk findet in erster Linie Berücksichtigung «. 14
"Wäßelrn fierky lü Siüiü^Clev, \ wib 7>crg.
Wildgarten mit Lebensbrunnen. Flämisch (Tournai?). Tapisserie. 1. Drittel des 16. Jahrhunderts. 3 2 4 x 2 4 0 cm
Die Früchte der musealen Sammelarbeit eines Vierteljahrhunderts wurden beim Schloßbrand des Jahres 1920, der sämtliche Museumsräume des Obergeschosses in Schutt und Asche legte, ein Raub der Flammen. Praktisch das gesamte Museumsgut wurde dabei vernichtet. Heute können wir kaum mehr als ein halbes Dutzend Gegenstände aus dem Roth'schen Katalog nachweisen, die den Brand und die folgenden fünf Jahrzehnte überdauert haben: außer dem Lenneper Chorgestühl und Kronleuchter als Ausstattungsstücken der Schloßkapelle lediglich ein paar gußeiserne Ofenplatten des 16. Jahrhunderts sowie die Bildnisse zweier braunschweigischer Fürsten 1 Es war also ein absoluter Neubeginn der musealen Sammeltätigkeit notwendig. Aber infolge der finanziellen Belastung des Vereins durch die Wiederherstellung der abgebrannten Gebäudeteile ruhte die Museumsarbeit in den zwanziger Jahren zunächst völlig. Sie wurde neu belebt, als der in Burg ansässige Maler E R I C H H A S E N C L E V E R nebenamtlich die Leitung des Museums übernahm. Es wurde im Jahre 1927 in den über Rittersaal und Kemenate neu aufgebauten Räumen wieder eröffnet. Eine Folge altbergischer Wohnräume - durch unglücklich angelegte pseudogotische Spitzbogendurchgänge miteinander verbunden - bildete jetzt das Kernstück. Hasenclever erwarb dafür vor allem bäuerliche und bürgerliche Möbel in größerer Zahl, darunter das komplette Biedermeierzimmer mit Tafelklavier und Harfe (Abb. 44). Auch die Ausstattung eines Schlafzimmers, Hausrat aus Messing und bäuerliche Keramik sowie zahlreiche andere Gerätschaften für die ebenfalls eingerichtete Küche (Abb. 40) gehörten zu dem neuen Besitz des Museums. Damals war es noch möglich, mit verhältnismäßig geringen Mitteln aus dem Besitz der Bevölkerung der umliegenden Gegend wertvolle Erwerbungen zu machen. Neben der Wohnraumfolge gab es eine offenbar sehr kleine vorgeschichtliche Abteilung sowie den »Waffensaal«. Hasenclever war nicht nur die Wiedergeburt des Museums nach der verheerenden Brandkatastrophe zu danken, sondern auch eine Aufstellung, die die gestaltende Künstlerhand erkennen ließ und das Stimmungsmäßige stark einbezog. Die Jahre nach 1933 brachten zwar eine dem nationalsozialistischen Regime genehme Ausrichtung der kulturellen Arbeit des Schloßbauvereins, aber auch eine wesentliche Bereicherung der Bestände des Museums, das jetzt vom Burger Lehrer J A K O B H A M A C H E R betreut wurde. Nach 1935 wurde - begünstigt durch die massenweisen Funde beim Autobahnbau zwischen Leverkusen und Opladen - die Vorgeschichtssammlung um zahlreiche Stücke vermehrt. Besonderes Gewicht wurde ferner auf den Ankauf von Waffen gelegt: nicht nur Schußwaffen aus älterer und vorwiegend neuerer Zeit, sondern auch Schwerter und Degen des 16./17. Jahrhunderts - darunter wertvolle Solinger Klingen - wurden in großer Zahl zusammengetragen. Neben anderen Möbeln kam der prächtige eichene Barock-Glasschrank (Abb. 30) nach Burg, der heute eines der Hauptstücke der Abteilung Bergische Wohnkultur ist; er wurde damals jedoch nicht im Museum, sondern im Schloßrestaurant aufgestellt. 16
VOM MUSEUMSBRAND
1920
BIS IN D I E FÜNFZIGER J Ä H R E
Daneben wurden vor allem die Zinn- und die Münzsammlung weiter ausgebaut. Der Zweite Weltkrieg brachte dem Museum in seinen Beständen keine nennenswerten Verluste. In den Jahren danach wurde der an Erfahrungen reiche langjährige Remscheider Archiv- und Museumsdirektor, der Nestor des bergischen Museumswesens, Dr. W I L H E L M R E E S ( f 1969), für Schloß Burg gewonnen. E r hat sich um den Neubeginn auch der Burger Museumsarbeit nach dem Kriege und die Neuordnung des vorhandenen Materials sehr verdient gemacht. Seinem Plan entsprechend wurde unter Zuhilfenahme zahlreicher großformatiger grafischer Schautafeln und von Fotos ein Querschnitt durch die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des Bergischen Landes nach didaktischen Prinzipien gegeben. Nach seinem Ausscheiden im Jahre 1952 übernahm der Solinger Rektor i . R . A R T H U R M A R S C H A L L die ehrenamtliche Museumsleitung. E r baute vor allem die Vor- und Frühgeschichte aus und stellte die Waffensammlung im Bergfried neu auf. Nach seinem plötzlichen Tod (1954) blieb das Museum eine Zeitlang verwaist und wurde dann nur noch sporadisch von dem Geographen Prof. Dr. A D O L F S C H Ü T T L E R betreut. Die Mittel des Vereins wurden in jenen Jahren durch die großen Aufwendungen für mannigfaltige Baumaßnahmen innerhalb der Burganlage so gut wie völlig in Anspruch genommen. Sowohl der mehrfache, von Vakanzen unterbrochene Wechsel der ehrenamtlichen Leiter (deren jeder mit einer anderen Vorstellung ans Werk ging) als auch die eingeengte finanzielle Situation des Museums verhinderten eine planvolle, ergiebige Museumsarbeit, die auf längere Sicht hin hätte befriedigen und Bestand haben können. D I E NEUKONZEPTION AB
1959
So mußte es der Verfasser, als er das Museum im Jahre 1959 als erste hauptamtliche Kraft übernahm, als seine wichtigste Aufgabe ansehen, die gesamte 17
Konzeption neu zu durchdenken und dem Programm des Museums eine klare Richtung zu geben. Dabei war es zugleich von den Heimat- und Spezialmuseen des weiteren Umkreises deutlich abzugrenzen. Der übernommene Bestand, unter dem sich manch problematisches Stück und allerlei Gelegenheitsgeschenke recht zweifelhaften Wertes befanden, mußte zunächst kritisch gesichtet und - nach erfolgter baulicher Umgestaltung der Museumsräume in zeitgemäßer Weise neu zur Geltung gebracht werden. Gleichzeitig war die wichtige Frage zu stellen und zu beantworten, ob sich das in Schloß Burg als einstiger mittelalterlicher Landesfeste beheimatete Museum damit zufriedengeben dürfe, außer der bergischen Vor- und Frühgeschichte und einer allgemeinen Sammlung von Münzen und Waffen nur die bürgerliche und bäuerliche bergische Wohnkultur und den Hausrat des 18. und 19. Jahrhunderts zu zeigen. Mußte nicht gerade das Mittelalter und die Zeit bis zum Dreißigjährigen Krieg als wichtigste Epoche der Geschichte des Landes, der Landesherren und der Burg selbst durch angemessene museale Mittel lebendig gemacht werden? Dies war ja auch im ersten Burger Museum vor der Brandkatastrophe von 1920 der Fall gewesen. An gegenständlichem, originalem Museumsgut aus dem Mittelalter und der Renaissancezeit war jetzt jedoch nur ganz Weniges vorhanden: lediglich der 1952 gehobene Burger Münzfund und weitere Münzen, einfache mittelalterliche Gebrauchskeramik, einige eisenbeschlagene Truhen sowie Ofenplatten und ein Teil der Waffensammlung. Auf welche Weise aber war die große Lücke zu schließen - wie konnte dieser Zeitraum dargestellt werden? Das zerklüftete, nur von wenigen Durchgangswegen erschlossene und erst spät in historischer Zeit endgültig besiedelte Bergische Land lag stets irgendwie abseits der großen Verkehrs- und Kulturströme. Als anderswo - in Köln, in den benachbarten Landschaften des Niederrheins und Westfalens - bereits eine hohe Kultur blühte und große Kunst geschaffen wurde, gab es im Bergischen Land neben verstreuten Einzelhofsiedlungen zwar die ersten Städte und einige Kirchen und Klöster, die gewiß mit Kunstwerken ausgestattet waren. Jedoch: irgendwelche als Museumsgut in Betracht zu ziehende frühe Schöpfungen der hohen oder angewandten Kunst aus dem bergischen Raum sind heute nicht mehr greifbar. Was die gewerbliche Tätigkeit anbetrifft, so wissen wir, daß das Schwertschmiedehandwerk im Gebiet des heutigen Solingen schon im hohen Mittelalter ausgeübt wurde und daß im Remscheider Umkreis schon frühzeitig Wasserhämmer und Schleifkotten in Betrieb waren, während in Elberfeld und Barmen das Bleichergewerbe und der Garnhandel Haupterwerbsquelle waren. Nachweislich aus dieser Frühzeit stammende gewerbliche Erzeugnisse haben sich jedoch nicht erhalten - ausgenommen die in alle Welt verstreuten und auch in Burg vertretenen Arbeiten der Solinger Schwertschmiede des 16./17. Jahrhunderts. Der äußere Lebenszuschnitt des bergischen Menschen war immer einfach, die Einkommensverhältnisse haben kaum mehr als ein bescheidenes Fachwerkhäuschen zugelassen, von dessen gewiß spärli18
Fr. W. Staggemeier, Garnbleicher mit Watergüte auf den Wupperwiesen bei Wupperfeld (Oberbarmen), 1783 (Ausschnitt)
eher Einrichtung wir, soweit es den hier interessierenden Zeitraum betrifft, nichts wissen. Jedenfalls stand und steht dem Museum auch kein typisch bergisches oder aus bergischen Häusern stammendes Mobiliar oder Hausgerät 2ur Verfügung, das älter als höchstens dreihundert Jahre ist. Es war also nicht daran zu denken, bodenständiges Kulturgut oder gar Kunstwerke aus dem Mittelalter zu beschaffen und damit eine nur auf den regionalen Bereich bezogene Abteilung neu aufzubauen. So wurde der im Grunde recht naheliegende Gedanke geboren und nahm allmählich Gestalt an, daß die Orientierung des Museums für den Zeitraum vom 12. bis ins 17. Jahrhundert primär von der Örtlichkeit her zu erfolgen habe, von der Burg als Stätte einstigen ritterlich-höfischen Lebens. Daß heißt: die Sammlungen waren im Sinne eines kulturgeschichtlichen Burgmuseums auszubauen, dessen Aufgabe es sein sollte, die innere Einrichtung, die künstlerische Ausstattung und den Hausrat einer rheinischen, von der Spätromanik bis in die Renaissancezeit bedeutungsvollen Herrscherburg zu zeigen. Dies ist es, was der Besucher im Museum in einer Burg mit gutem Recht zu sehen erwartet; es macht ihm die Lebensgewohnheiten und Lebensbedürfnisse der Menschen jener vergangenen Zeit anschaulich und begreifbar. Für diese neue Konzeption war richtungsweisend, was Museumsdirektor i.R. Dr. H E I N R I C H KOHLHAUSSEN in einem Vortrag auf Schloß Burg 1962 als wichtige Erkenntnis aussprach: »Die eine unmittelbare, leider vernachlässigte Quelle, um Gehalt und Wesen des deutschen Rittertums zu prüfen und es in der Anschauung nachzuerleben, ist sein Hausrat. Denn die Gegenstände, die einen Menschen umgeben, die nach seinen persönlichen Bedürfnissen und Wünschen gestaltet wurden, spiegeln sein Wesen am vollkommensten. Aus verschiedenen Gründen sind wir heute unvollkommen in der Lage, diese Prüfung vorzunehmen, ist doch das bewegliche Gut aus den mittelalterlichen Burgen durch deren Plünderungen, Brände, bestenfalls durch Vernutzung, Überalterung in so ungeheurem Ausmaße vernichtet, die wenigen Reste auf Sammlungen des In- und Auslandes zerstreut, und selbst in dem kulturgeschichtlichen Fachschrifttum unvollständig bekannt«. Dem umrissenen Ziel konnte wegen des geringen vorhandenen Materials nur durch eine bewußte, planmäßige Ankaufstätigkeit nahegekommen werden. Der Schloßbauverein schuf dankenswerterweise die Möglichkeit dazu. Seit 1949 steht er unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dr. h. c. P A U L LUCHTENBERG, zeitweilig Nordrhein-Westfalens Kultusminister, der sich um die kulturelle Neuorientierung des Vereins außerordentliche Verdienste erworben hat und auch die musealen Belange tatkräftig förderte. Da mit dem zu erwerbenden Museumsgut die gegenständliche Kultur in möglichster Breite erfaßt werden sollte, mußte jede Einseitigkeit vermieden und konnte nicht nur nach wenigen qualitativen Spitzenstücken Ausschau gehalten werden. Was die Provenienz dieser Objekte anbetrifft, so war zu berücksichtigen, daß sich der Herrschaftsbereich aller bergischen Landesherren vom 13. Jahrhundert an weit über das 19
eigentliche Bergische Land hinaus erstreckte, so daß stets ein enger kultureller Zusammenhang insbesondere mit den benachbarten niederrheinischen Landschaften bis hin zu den Niederlanden bestand. Außerdem war bei der geistigkünstlerischen Frei2ügigkeit, der »Internationalität« des Mittelalters der Austausch von Kunst und kulturellen Sachgütern von Ort zu Ort, von Land zu Land durchaus nichts Ungewöhnliches. So umfaßt das Museum heute einerseits Kunst und Kultur aus dem Bereiche einer mittelalterlichen Burg, andererseits die vom Bürgertum vornehmlich des 18. Jahrhunderts getragene bergische Wohnkultur unter Einbeziehung sowohl des bäuerlich-volkskunsthaften als auch des höfischen Elements, das durch die pfälzischen Landesherren geprägt wurde. Daneben werden bestimmte Themen, die mehr sachkundlich-dokumentarischen Charakter haben, in einer besonderen Abteilung dargestellt. »Vom Typus des historischen Museums ausgehend, ist eine neue, neuartige Sammlung geschaffen worden, die zwei Aufgaben dient: Als Bergisches Museum enthält sie das für die Landschaft bezeichnende Sachgut, als Burgmuseum widmet sie sich den Zeugnissen der ritterlichen Kultur. Was hier bodenständig ist und was in ähnlicher Weise in dem längst verschollenen und verstreuten Hausrat der Burg einmal vorhanden gewesen sein mag, wird mit einer Fülle verschiedener Belege dargestellt . . . Diese Bildungsstätte . . . ist Museum der Landschaft in der Landschaft und Museum der Burg in der Burg . . .« (Prof. Dr. H E I N Z L A D E N D O R F 1965). J. Koelhofi, »Cronica von . . . Coelln«, Köln, 1499
Durch das wiedererstandene Bauwerk und die Wandgemälde der Festsäle ist dem Besucher bewußt geworden, daß er an historischer Stätte steht, die im Mittelalter von Bedeutung war und deren Alltag durch Krieg und Kampf, durch heimtückische Intrige und frohe Feste unterbrochen wurde. Im Museum erwarten ihn die originalen Zeugnisse aus jener Zeit.
DIE
Es sind erst wenige Stücke, die den wichtigsten ersten Zeitabschnitt verlebendigen, in dem die Burg erbaut wurde und Machtzentrum des Landes war, in dem das bergische Grafenhaus seine historisch größte Rolle spielte und mehrere Kölner Erzbischöfe hervorbrachte, darunter Engelbert II. als bedeutendste, einem tragischen Geschick entgegengehende Persönlichkeit. Das einzig Wertvolle, was aus dem Boden von Schloß Burg selbst zutage gefördert werden konnte, ist ein Münzschatzfund mit etwa fünfhundert meist Kölner Silbermünzen (Denaren) aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts, geprägt unter Erzbischof Philipp von Heinsberg (f 1191) und Kaiser Friedrich Barbarossa (Abb. 6a). Das einzige unmittelbare Zeugnis für Engelbert ist ein unter ihm als Erzbischof in Köln geprägter Denar mit seinem Abbild (Abb. 6b). Schmucklose rheinische K e r a m i k des 11. bis 13. Jahrhunderts - Becher vom sogenannten Pingsdorfer, Kugeltöpfe und Krüge vom ottonisch-romanischen Typ (Abb. 10) - waren, nach Scherbenfunden zu urteilen, auch auf der Stammburg des bergischen Grafengeschlechtes im Tale der Dhünn und auf Schloß Burg
BURGKULTUR DES MITTELALTERS
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SAMMLUNGEN
in dessen Frühzeit in Gebrauch. Diesem einheimischen Gut sind bewußt eine Reihe islamischer - persischer und syrischer - Keramikgefäße gegenübergestellt (Abb. 8), die deutlich machen sollen, daß mehrere der altbergischen Grafen an den Kreuzzügen des 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts teilnahmen und dabei mit dem islamischen Kulturkreis in Berührung kamen. Ebenfalls aus der frühen Zeit der Burg stammen einige Kleinkunstwerke aus Bronze, darunter ein in einer westfälischen Werkstatt (Minden) im 1. Drittel des 13. Jahrhunderts gefertigter Leuchter mit stilisierten Drachenornamenten (Abb. 7) und ein noch dem 12. Jahrhundert angehörender westdeutscher, an die Bronzekunst des Maasgebietes angelehnter Corpus Christi (Abb. 9). Reichhaltiger kommt die Zeit der Gotik, das 14./15. Jahrhundert, zu Wort, jene Zeit, in der Schloß Burg als Lieblingsresidenz der Landesherren noch von höfischem Leben erfüllt, aber nur noch bedingt historische Mitte des Landes war. Die Grafen und (ab 1380) Herzöge von Berg, jetzt aus dem Hause Jülich stammend, hatten Düsseldorf zur neuen Hauptstadt des Landes bestimmt. Die Burg, die 1403 den eigenen Landesherrn, Herzog Wilhelm, in ihren Kerkern sah, erlebte gegen Ende des Jahrhunderts einen neuen Auftrieb und wurde baulich erweitert. 1485 wurde hier die Hochzeit Herzog Wilhelms II. von Jülich-Berg mit Sibylle von Brandenburg und 1496 die berühmte Fürstenkinderverlobung zwischen der Erbtochter Wilhelms, der fünfjährigen Maria, und dem sechsjährigen Johann von Kleve-Mark gefeiert. Das Museum muß sich damit begnügen, etwas vom äußeren Rahmen des damaligen Lebens zu Zeigen.
Formen spätmittelalterlichen Bronzegerätes, 15. Jahrhundert
Eine mittelalterliche Burg ohne Waffenarsenal ist nicht denkbar. Dem Altbestand des Museums an Blankwaffen konnten einige Schwerter - ausschließlich Bodenfunde - aus dem 13. bis 15. Jahrhundert hinzugefügt werden (Abb. 11). Abgerundet wird das Bild mittelalterlichen Kriegswesens durch verschiedenes Kleingerät, ein Kettenhemd und einen seltenen Schweizer Fußknechtsschild, der aus mit Schweinsleder bezogenem Holz gefertigt und mit dem Wappen des St.-Georgs-Ritterbundes und dem der Stadt Winterthur bemalt ist (Abb. 11). Eine französische Miniatur, den Werken der Pariser Miniatorenschule der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts nahestehend, mit der Darstellung der Güldensporenschlacht bei Courtrai (1302) gibt für die Bewaffnung und kriegerische Ausrüstung jener Zeit wichtigen Aufschluß (Farbtafel 1). Zur Ausstattung der Räume gehören in erster Linie Möbel. Unter dem wenigen frühen Mobiliar ist eine im Innern in zwei ungleich große Abteile untergliederte und dementsprechend mit zwei Deckeln zu verschließende schmucklose Einbaumtruhe als Urtyp des Verwahrmöbels zu nennen. Den für ihre Zeit, die Spätgotik, charakteristischen geschnitzten Dekor besitzen ein mit Faltwerk geschmückter dreitüriger niederrheinischer Eichenholzschrank (Abb. 18) und eine für profanen Gebrauch bestimmte Doppelsitzbank mit Maßwerk an den Lehnen und Faltwerk am Unterteil. Neben Türbeschlägen und Schlössern mit spätgotischer Ornamentik finden sich eiserne Kassetten, die zum Verwahren 21
von Geld und kostbaren kleinen Dingen dienten, sowie Lederkästchen mit geschnittenem Dekor (Abb. 15), die zur größeren Gattung der Minnekästchen zu zählen sind. Einen Schwerpunkt innerhalb der neu geschaffenen Sammlung frühen Gerätes bilden die gotischen Bronzen: Mörser, mehrere Weihwasserkessel und zahlreiche Leuchter verschiedener Typen (Abb. 17,27), ein Glutbecken für den Tafelgebrauch, ein Kippkessel mit beiderseitigen, in Tierköpfe endigenden Ausgußröhren (Abb. 16), mehrere getriebene Schüsseln und einiges an figürlichem Gerät. Diese Stücke aus dem ausgehenden 14. bis in das 16. Jahrhundert hinein machen deutlich, welch gewichtigen Platz unter dem Hausrat auch einer Burg gegossene und getriebene Geräte aus dem damals kostbaren, edlen und dauerhaften Material einnahmen. Manches von dem Bronzegerät illustriert das unerschöpfliche, für ein Burgmuseum besonders interessante Thema »Essen und Trinken«. Dazu gehören auch die gotischen Messer mit ihren Bein- und gravierten Messinggriffen sowie - unter dem wenigen frühen Zinn - die seltene Schenkkanne in Feldflaschenform mit ihren charakteristischen, herzblatt- oder zungenförmigen Auflagen (Abb. 14). Auch Gefäße aus rheinischem, meist Siegburger Steinzeug der gotischen Zeit in ihren typischen Formen, darunter Trinkbecher unterschiedlicher Art und Krüge mit den ersten primitiven Gesichtsmasken (Abb. 10), lassen sich diesem Sondergebiet zuordnen. Auch an kirchlicher Kunst fehlte ein alter Bestand völlig; die Verluste durch den Brand von 1920 waren hier besonders schwerwiegend und unersetzlich. Zu den jetzt vorhandenen Objekten gehören das Fragment einer farbig gefaßten Kölner Madonna des bekannten Typs aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (Abb. 12) und die als Leihgabe zur Verfügung gestellte Folge von Blättern aus einem niederrheinischen Andacht- und Gebetbuch. Sie enthalten kostbare Miniaturen aus der Passion Christi (Abb. 13) sowie einige Schriftseiten mit kunstvollen Initialen und stehen in stilistischem Zusammenhang mit dem berühmten Darmstädter Gebetbuch der Kölner Werkstatt STEPHAN LOCHNERS v o n
1451.
Für die Geschichte von Schloß Burg bildet der Zeitraum vom Beginn des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts einen fest umreißbaren Anschnitt. Nachdem die Burg vor und nach 1500 ihrer veränderten Bestimmung und dem neuen Zeitgeschmack entsprechend erweitert und in ihrem äußeren Erscheinungsbild abgewandelt worden war, fanden zwei fürstliche Hochzeiten hier statt: die zur territorialen Vereinigung der Länder Jülich, Berg und Ravensberg mit Kleve und Mark führende Vermählung der Erbtochter Maria mit dem späteren Herzog Johann III. im Jahre 1510 und die Heirat der Sibylle von Kleve mit dem späteren Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen im Jahre 1526. Höfische Gesellschaften haben sich hier, inmitten der wald-, wild- und fischreichen Wupperlandschaft, zur Jagd zusammengefunden. Aktenkundig ist, daß das Schloß 1539 Witwensitz der Herzoginmutter Maria wurde. Im weiteren Ver22
I lemrich Aldcgrever, Sich umarmendes Paar, Kupferstich, 1538
BURGKULTUR DER RENAISSANCE
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laufe des 16. Jahrhunderts wurden offenbar noch Erweiterungsbauten ausgeführt. Während des Dreißigjährigen Krieges wechselten schwedische und kaiserliche Besatzungen, und an seinem Ende, beim Abzug der Kaiserlichen im Jahre 1648, wurden die Befestigungsanlagen und mehrere Nebengebäude weitgehend zerstört. Damit verlor Schloß Burg jegliche fortifikatorische oder höfische Bedeutung. Dieses historische Geschehen suchen die Sammlungsgegenstände aus dem 16. und 17. Jahrhundert lebendig zu machen. Zwei S k u l p t u r e n aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wollen in ihrem kulturgeschichtlichen Zusammenhang nicht in erster Linie als »reine Kunstwerke« gesehen werden: sie sind innerhalb der Sammlungen der Burg Prototypen des ritterlichen, zum Kampfe gerüsteten Mannes und der im häuslichen Bereich wirkenden Frau. Die eine Figur ist ein eichener, wohl niederländischer St. Adrianus in Ritterrüstung, mit dem Amboß in der Hand als Hauptattribut, der Schutzpatron der Schmiede (Abb. 20) - die andere eine recht weltlich aufgefaßte Heilige in schön drapiertem faltenreichem Mantel, in modischem Kleid und mit kunstvoll um den Kopf gelegten Haarflechten, mit dem Buch als einzigem Attribut (Abb. 21). Es war üblich, in Burgen und Schlössern bei vorübergehendem Aufenthalt ihrer Herren die sonst vielfach kahlen Wände mit W i r k t e p p i c h e n zu schmücken. Das Hauptobjekt des Raumes »Burgkultur der Renaissance« (Abb. 19) ist ein flandrischer, noch spätgotisch anmutender, aber schon in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts gehörender Bildteppich mit der Darstellung eines von zahlreichen Tieren belebten Wildgartens mit Lebensbrunnen, in dessen Hintergrund sich ummauerte, türme- und zinnenreiche Burg- und Stadtarchitekturen erheben (Farbtafel 2). Einer zweiten Tapisserie mit der Darstellung einer Stierhatz im Walde und der vier Sinne in der Bordüre aus der Brüsseler Werkstatt des CORNELIS MATTENS (um 1 6 0 0 ) schließen sich zwei montierte Jagdtrophäen an: bei der einen sitzt Bachus rittlings auf dem Nacken des geschnitzten Hirschkopfes und trinkt genüßlich aus einer Weinflasche (Abb. 22). Weitere wichtige Ausstattungsstücke sind auch hier M ö b e l : ein eichener Frührenaissance-Stollenschrank mit geschnitztem groteskem Rankenwerk auf der Schauseite sowie - als Beispiele für die Möbelkunst der Spätrenaissance - eine ringsum mit ornamentalen Einlegearbeiten im Beschlagwerkstil geschmückte Sitzbank und ein Überbauschrank mit eingelegten Blumenvasen und Vögeln in Kartaschen, alles von üppig quellenden Ranken umgeben (Abb. 24). Beide Stücke stammen aus der auf Intarsienschmuck spezialisierten, vom Ende des 16. bis in den Beginn des 17. Jahrhunderts arbeitenden Kölner Werkstatt des MELCHIOR VON REIDT. Gußeiserne Ofenplatten, meist Eifeler Herkunft, verdienen Beachtung nicht nur als Zeugnisse des Eisenkunstgusses der Renaissancezeit, sondern auch als Relikte der damaligen Raumbeheizung. Einige G l ä s e r - Humpen, Becher, Flaschen, Römer - und meist mit ornamentalen und figürlichen Reliefauflagen versehene Gefäße aus rheinischem 24
Franz Hogenberg, Tanz nach dem Hochzeitsbankett des Jungherzogs Johann Wilhelm in Düsseldorf, 1585f Kupferstich aus Graminäus, Köln, 1587
S t e i n z e u g veranschaulichen die Trinksitten des 16. und 17. Jahrhunderts. Kölner Bartmannskrüge, Siegburger Schnellen und Schnabelkannen (Abb. 26), braunglasierte Raerener und graublaue Westerwälder Schenkkannen bezeugen zugleich die hohe Kunstfertigkeit der Krugbäcker in den wichtigsten rheinischen Produktionsstätten. Einige dieser Gefäße sind in Silber gefaßt, ein Ausdruck ihrer damaligen Wertschätzung auch im Ausland. Zum Thema L a n d e s h e r r e n und h ö f i s c h e Feste konnte eine Reihe zum Teil kostbarer Kunstgegenstände vereinigt werden. Das Konterfei des Bräutigams der Fürstenhochzeit von 1526, Johann Friedrichs von Sachsen, erscheint auf einem minutiös in Kupfer gestochenen Blatt von G E O R G P E N C Z , auf zwei schweinsledernen Buchdeckeln und auf der Münze im Boden eines erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Augsburg gefertigten, fein gravierten Silberbechers (Abb. 46). An die in Düsseldorf 1585 unter größter Prachtentfaltung gefeierte Hochzeit des schon damals schwachsinnigen Jungherzogs Johann Wilhelm mit der Markgräfin Jacobe von Baden - die tagelangen Festlichkeiten sind auf Kupferstichen von F R A N Z H O G E N B E R G im Bilde festgehalten - wurde bei der Erwerbung eines besonders kostbaren Stückes der Goldschmiedekunst gedacht: des im Deckel 1581 datierten Kokusnußpokales mit seiner reichen, silbervergoldeten Fassung, die in bewußtem Kontrast zur edel gemaserten, polierten, aber sonst glatt belassenen Oberfläche der Nuß steht (Farbtafel 3). In die Zeit der Spätrenaissance, die das repräsentative Schaugerät außerordentlich liebte, gehört auch die große Prunkschüssel aus Reliefzinn in der Art der 25
Arbeiten des FRANÇOIS B R I O T mit der Darstellung des Sündenfalles, personifizierter Freier Künste und römischer Kaiser zu Pferde (Abb. 25). - Der durch Herzog Johann Wilhelms Tod ausgelöste Erbfolgestreit zwischen der Mark Brandenburg und der Pfalz führte 1614 zur Herrschaft der Pfälzer im Bergischen Land. Der Landesherr zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges war Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, der Schloß Burg im Jahre 1614 besetzte. An ihn erinnert nicht nur eine reich geätzte Prunkpartisane von 1615 mit seinem Wappen und seinen Initialen, sondern er ist auch durch sein Altersbildnis, eine gute zeitgenössische Replik nach dem Original des Düsseldorfer Hofmaler JOHANN SPIELBERG (jetzt im Kunstmuseum Düsseldorf) gegenwärtig (Abb. 28). Ein holländisches, aus 42 Einzelstücken bestehendes Fliesenbild, das den Müßiggang der Soldateska in einer »Wachstube« in der Art des D A V I D TENIERS d. J. schildert (Abb. 29), fängt vorzüglich das Milieu eines solchen mit Waffen ausgestatteten Raumes mit seinem festen, burgartigen Gemäuer ein. Diese bildliche Darstellung leitet über zu dem aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammenden Teil der W a f f e n s a m m l u n g des Museums. In rüstkammerartiger Anordnung sind hier Erzeugnisse der Waffenschmiedekunst aus der Zeit der Landsknechtsheere und des Dreißigjährigen Krieges vereint. Neben wenigen Lunten- und Radschloßmusketen, einem Reiterharnisch, einzelnen Rüstungsteilen und Helmen finden sich Stangenwaffen verschiedener Form. Am reichhaltigsten und vielfältigsten sind blanke Hieb- und Stichwaffen vertreten: Schlachtschwerter zu anderthalb Hand, überlange Zweihänder, Landsknechts- und Reiterschwerter sowie zahlreiche leichtere Degen mit schmalerer Klinge und meist kunstvollem Gefäß. Im Solinger Gebiet arbeiteten im 16. und 17. Jahrhundert berühmte Klingenschmiede, die viele europäische Fürsten und Kriegsherren belieferten. Von diesen Meistern sind M E V E S B E R N S , PETER
BUEGEL, PETER
WIRSBERG
(Abb.
23),
PETER
SCHIMMELBUSCH
• S RES MEA IN IjLO x s r • • '. ; • i O H A N N E . S E R I D E R I C V S DE.I W N H I M O S A X O N I A . D V X . • S A C R l R O M A N I IMPERI1 A R C H I M AR SCH ALC H V i ET I.LÎCTOR LAKOOR A V I V J T H VR INOl A... M A l t C H l O M t f N t i , .. ET B V R G G R A V l V S M A C j O i B V R C I ETO:«-" • "J?' ' V t R R V M DOMINI M A N L 1 IN A . T E K N Y M . & ' Ö
Georg Pencz, Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige von Sachsen, Kupferstich, 1543
und
andere durch signierte Arbeiten vertreten. Auf einer Burg, die einst Sitz herzoglicher Richter war, dürfen auch Richtschwerter nicht fehlen. An das bisher Dargebotene schließt sich fast nahtlos die Abteilung Bergische Wohnkultur an, die sich grundsätzlich auf den regionalen Bereich beschränkt: auf das Wuppergebiet im weiteren Sinne als das Kernstück des Bergischen Landes ohne Berücksichtigung früherer oder heutiger Verwaltungsgrenzen. Dabei können die mannigfaltigen Ausstrahlungen und Einwirkungen von außen, die kulturellen Beziehungen insbesondere zur Pfalz, zum Niederrhein, nach Holland und zum Westfälischen hin, nicht unbeachtet bleiben. Im Bergischen bildete sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts eine eigenständige Kultur heraus. Unter der Herrschaft der Landesherren aus pfälzischem Hause - insbesondere in der langen Regierungszeit Kurfürst Karl Theodors (1742-1799) entwickelte sich das wirtschaftliche Leben kräftig, und der Export der einheimischen Gewerbeerzeugnisse weitete sich aus. Dies führte zu einem wachsen26
BERGISCHE WOHNKULTUR
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Marke der Porzellanmanufaktur Frankeathal unter Karl Theodor, 1762-1793
den Wohlstand bürgerlicher Familien, der vor allem auf dem Gebiete der häuslichen Kultur zum Ausdruck kam. Im Hausbau trat neben den einfachen reinen Fachwerkbau mit schwarzem Gebälk das typische bergische Bürgerhaus mit Verschleierung und geschnitztem Dekor, der sich in der Regel auf das Portal mit seinem Oberlicht und den Hausgiebel beschränkt und die herrschenden Stilformen vom Spätbarock an widerspiegelt. Erst jetzt legte man besonderen Wert auf eine künstlerische Gestaltung von Diele und Treppenaufgang zum Obergeschoß, der Wohnräume und der Möbel. Die Veränderungen auf dem Gebiete der häuslichen Kultur sind Ausdruck eines neuen, kultivierteren Lebensstiles, der auch das Geistige mehr und mehr einbezog. Dichterkreise und Lesegesellschaften, pietistisches Schwärmertum und reformiertes Sektenwesen, aber auch die aufklärerische pädagogische Wirksamkeit von Pfarrern und Schulmännern kennzeichnen die damalige geistige Situation. Was von den kulturellen Leistungen des Bergischen museal erfaßbar und darstellbar ist, wird in der Abteilung Bergische Kultur in möglichst charakteristischen Beispielen präsentiert. Dem hier breit gelagerten Altbestand des Museums mußten weitere Bausteine hinzugefügt, bestimmte »Glanzlichter« aufgesetzt werden. Das Hauptaugenmerk hat den M ö b e l n zu gelten, sind sie es doch, die den Ruf der Kunstfertigkeit bergischer Handwerker vor allem begründet haben, und innerhalb des volkstümlichen deutschen Spätbarockmöbels bilden sie eine Gattung durchaus eigenen Gepräges. Wie für den gesamten Niederrhein und Westfalen, so ist auch für das bergische Gebiet das voll aus Eichenholz gefertigte Mobiliar kennzeichnend. Der künstlerische Schmuck besteht hier vorwiegend aus Flachschnitzerei, in geringerem Maße aus eckig gebrochenem und reich verkröpftem Profilrahmenwerk, selten aus Einlegearbeit. Die beliebtesten Motive der Schnitzerei sind oft an Ranken hängende Weintrauben, Blütengehänge und -rosetten; auch treten Holzschuppenmuster und fortlaufend gewundene, sich überkreuzende Wellenband- und Blumenrankendekore auf. Der ernsteren und nüchternen Art des bergischen Menschen und seiner weniger aufwendigen Lebenshaltung entsprechen die vergleichsweise schlichten, aber kraftvoll gestalteten Möbel, die Zeugnisse einer tief im Volkstum verwurzelten, konservativen Handwerkskunst sind. Dies gilt in besonderem Maße für die streng kastenförmige Truhe (Abb. 39), aber auch für die Kleider- und Wäscheschränke, die geschlossenen oder verglasten Wandschränkchen, die halbhohen sogenannten Milchschränke sowie Tische und Stühle. Die Dielenoder Küchenschränke (Schapps) mit ihrem aufgesetzten offenen Tellerbord weisen noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Züge auf, die letztlich vom Stilempfinden der Renaissance geprägt sind (Abb. 30). Eine besondere bergische Spezialität war die Standuhr, von der mehrere Exemplare aus Solingen und Radevormwald vorhanden sind (Abb. 38). Der Uhrmacher stellte in der Regel außer dem Werk nur den Gangwerkkasten her - Zifferblätter bezog er oft aus den Fayencemanufakturen des Maingebietes - , während es dem Abnehmer überlassen blieb, sich den Pendelkasten selbst anfertigen zu lassen. 27
Bergische Truhe, 18. Jahrhundert
Zu einer künstlerischen Weiterentwicklung kam es außer bei der Standuhr im Grunde nur beim G l a s s c h r a n k , der in seinem Schnitzwerk allmählich die neuen Formelemente des Rokoko und später des Klassizismus aufnahm. Die wesentlichsten Merkmale unseres eichenen Exemplares sind reiche Rankenund Muschelornamente, verglaste und von gebogenem Stabwerk durchgitterte Türen am Oberteil und ein kräftig geschweiftes, bekrönendes Gesims mit eingesetztem Kopfstück (Abb. 30). Das wertvollste Objekt unter den Möbeln sowie der gesamten Bergischen Abteilung ist ein ungewöhnlich großer, kostbar in sorgfältig ausgesuchtem Nußbaum furnierter und polierter Glasschrank mit kunstvoller Einlegearbeit in hellem Ahornholz; sein Kopfstück in Gestalt eines von Akanthusblattwerk und Rocaillen umgebenen Raubvogels ist meisterhaft geschnitzt (Abb. 34,35). Dieser Schrank, der aus dem Rahmen des übrigen bergischen Mobiliars völlig herausfällt, wurde für eine wohlhabende Remscheider Kaufmannsfamilie um 1760/70 angefertigt und konnte vor kurzem von deren Nachkommen erworben werden. Den meist einzeln aufgestellten künstlerisch anspruchsvolleren Möbeln schließen sich ergänzend drei vollständig eingerichtete Räume an: zwei S c h l a f z i m m e r und eine K ü c h e (Abb. 40) mit offener Feuerstelle, einem Schrank mit einfacher Einlegearbeit und mannigfaltigem Gerät aus Eisen, Messing und niederrheinischer Töpferware. Hier stehen vorwiegend bäuerliche bergische, aber auch solche Möbel, die eher an einen niederrheinischen oder westfälischen Ursprung denken lassen. Unter dem Hausrat der Zeit steht das Z i n n an erster Stelle. Die Sammlung 28
Marke des bergischen Zinngießers J. A. Lucas, Elberfeld, 18./19. Jahrhundert
umfaßt neben einigen Trink- und Schenkgefäßen Kölner, Nürnberger, Schweizer und anderer Herkunft vorwiegend bergische Stücke des 18. und 19. Jahrhunderts. Das Zinn bürgerte sich hier im Haushalt, der allgemeinen kulturellen Spätentwicklung entsprechend, erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein und wurde auch erst seit dieser Zeit in einheimischen Werkstätten, vor allem in Elberfeld, Barmen und Solingen, gefertigt. Typisch für die bergische Kaffeetafel war die aus Holland übernommene Kranenkanne, die sogenannte »Dröppelmina«, deren Formwandel vom Barock zum Klassizismus gut belegt wird. Die alten Formen mit der alten Stempelung sind bis in unsere Tage immer wieder verwendet worden. Zur Auflockerung und Abrundung sind der bergischen Dröppelmina ein holländisches Exemplar mit Chinoiseriedekor auf rotem Lackgrund (Abb. 41), eine Kranenkanne aus japanischem Porzellan sowie niederrheinische Stücke aus Messing gegenübergestellt. An künstlerisch anspruchsvollerem Hausrat des 18. Jahrhunderts entstand in bewußter Beschränkung eine kleine Sammlung von Delfter Fayencen, die damals in reicher Zahl zum Niederrhein und in die angrenzenden Gebiete exportiert wurden. Etwas vom Fluidum der h ö f i s c h e n K u l t u r , ihrer Jagdleidenschaft und ihren galanten Allüren vermitteln die kunstvoll verzierten Gewehre - darunter Arbeiten des kaiserlichen Büchsenmachers J O S E P H H A M E R L in Wien und des Salzburgers F R A N Z X A V E R Z E L L N E R (Abb. 32) - , eine Reihe teils doppelläufiger Pistolen sowie elegante Stoß- und Galadegen. Von den pfälzischen, teilweise noch in Düsseldorf residierenden L a n d e s h e r r e n sind Kurfürst Johann Wilhelm durch sein Wappen auf einem gläsernen Deckelpokal (Abb. 31), Karl Theodor durch ein Ölbild und sein Porträtrelief in Porzellan (Abb. 33) vertreten. Aus der pfälzischen Manufaktur Frankenthal, die ihre Porzellane mit den Initialen ihres kurfürstlichen Herrn, CT, zeichnete, wurden Geschirre mit hervorragender Blumen- und Vogelmalerei aus der Zeit von etwa 1760 bis nach 1780 erworben. Die beiden Porträts der Braunschweiger Herzöge Ferdinand und Karl Wilhelm Ferdinand aus der ZIESENIS-Werkstatt stammen noch aus dem ältesten Burger Museumsinventar.
Formen bcrgischen Zinns des 18. und 19, Jahrhunderts
Nur zwei b i l d e n d e K ü n s t l e r von Rang hat das arbeitsam-nüchterne Bergische Land in der Vergangenheit hervorgebracht; sie genossen schon zu ihren Lebzeiten weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus hohe Anerkennung und großen Ruhm. Es sind J O H A N N P E T E R M E L C H I O R (geb. 1747 zu Lintorf bei Mettmann) und J O H A N N P E T E R H A S E N C L E V E R (geb. 1810 zu RemscheidMorsbach). Sowohl der naiv-empfindsame kurmainzische Hofbildhauer und Porzellanmodelleur in Höchst, Frankenthal und Nymphenburg als auch der in Düsseldorf ausgebildete und dort wirkende Hauptvertreter der rheinischen vormärzlichen Genre- und Gesellschaftsmalerei werden neuerdings im Museum durch wenige, aber vorzügliche Arbeiten repräsentiert: Melchior durch das bekannte »Mädchen als Sultanin«, das Figurenpaar »Der kleine Schmied« und »Der kleine Böttcher« (Abb. 36) sowie eine Porträtplakette 29
seines Landesherrn Karl Theodor (Abb. 33) - Hasenclever durch das von köstlichem Humor erfüllte Gemälde »Die Schachpartie« (1844) (Farbtafel 4) und das lange Zeit als verschollen gegoltene Werk »Arbeiter und Stadtrat« (1848/49), eine realistische, fein ironisierende, aber doch von Sympathie für die Aufbegehrenden zeugende Darstellung aus der rheinischen Revolution (Abb. 42). Daß sich nach 1800, unabhängig vom Fortbestehen der traditionsgebundenen bergischen Möbelkunst, in den zu Wohlstand und Ansehen gelangten bürgerlichen Kreisen der Wunsch regte, sich in der Einrichtung dem modernen Zeitgeschmack anzupassen, macht das M u s i k z i m m e r des Museums deutlich (Abb. 44). Es ist mit biedermeierlichen Kirschbaummöbeln mit vergoldetem plastischem Zierrat klassizistischen Gepräges ausgestattet. Eine große zweihenklige, reich vergoldete Prunkvase aus der Berliner Porzellanmanufaktur wurde 1834 als Widmungsgeschenk im Auftrage einer Lenneper Familie mit der Ansicht dieses heute in Remscheid aufgegangenen Städtchens bemalt (Abb. 43). Zwei ovale Bildnisse von 1847 und 1848, die ein Elberfelder Ehepaar darstellen, stammen von dem weitgereisten, von der eleganten Welt der Zeit vielbeschäftigten JOHANN H E R M A N N KRETZSCHMER (Abb. 45). Unter den Musikinstrumenten verdienen die Pedalharfe aus den berühmten Pariser Werkstätten der E R A R D S (um 1810) und ein etwa gleichzeitiges Tafelklavier von P A P E (Paris-London) besondere Beachtung. Die Fahne der Liedertafel Dhünn wurde auf einem Kölner Sängerwettstreit 1846 errungen. Dem Betrachter mag hier deutlich werden, daß sich im Bergischen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ein reges musikalisches Leben entfaltete.
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Maiken auf Fayence-Zifferblättern bergischer Standuhren, Hanau und Flörsheim/Main, 18. Jahrhundert
Die bisher beschriebenen Sammlungen versuchen nach Möglichkeit mit Objekten von künstlerischer Aussagekraft bestimmte Zusammenhänge und Entwicklungen vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein deutlich zu machen: vom Beginn des Lebens auf der Burg bis zum Absterben der handwerklichen Kultur im Zeitalter der Industrialisierung. Es schließt sich eine räumlich getrennte, über die Wehrgänge zu erreichende, im Jahre 1969 neu ausgebaute Abteilung an. In ihr werden, unabhängig von der bisher eingehaltenen chronologischen Abfolge, einzelne Sonderthemen zur bergischen Kulturentwicklung und Historie dargeboten. Es sind hier vorwiegend Dinge vereint, bei denen der archäologische, dokumentarische, sachkundliche Wert im Vordergrund des Interesses steht. Sie sagen Wichtiges über die bergische Eigenart aus.
SONDERTHEMEN
Die vor- und frühgeschichtliche Sammlung bestätigt die bereits getroffene Feststellung, daß das innere, eigentliche Bergische Land infolge seiner geographischen Struktur seit den ältesten Zeiten abseits aller wichtigen Verkehrsund Kulturströme lag. Immerhin ist aus dem Boden der Landschaft eines der wichtigsten Dokumente der Anthropologie, der Schädel des sogenannten
VOR- UND FRÜHGESCHICHTE
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Neandertaler Urmenschen nebst 2ugehörigen Werkzeugen, zutage gefördert worden. Damit ist belegt, daß an der einstmals felsigen Düsseischlucht bereits in der älteren S t e i n z e i t , vor etwa 100000 bis 80000 Jahren, Menschen vorübergehend ansässig waren, die sich von der Jagd und wild wachsenden Früchten ernährten, in Höhlen wohnten und ihre Gerätschaften - Faustkeile, Spitzen und Schaber - primitiv aus Feuerstein anfertigten. Zwar kann der im Rheinischen Landesmuseum Bonn als Kostbarkeit gehütete Schädel des Neandertalers nur als Nachbildung gezeigt werden, doch weist die Spitze eines Fäustels aus graublauem Feuerstein, die 1927 auf der dem berühmten Skelettfundplatz gegenüberliegenden Seite des Neandertales gefunden wurde, etwa das gleiche Alter auf. - Dann bezeugen erst wieder aus der Endphase der mittleren Steinzeit (etwa 5000 bis 3000 v. Chr.) stammende, in der Hildener Heide gefundene winzig kleine Feuersteingeräte, sogenannte Mikrolithen, das Vorhandensein durchziehender Jäger- und Sammlerstämme. Erst in der jüngeren Steinzeit, etwa dem dritten vorchristlichen Jahrtausend, wurden Menschen auch im Inneren des Bergischen Landes bis hin nach Hückeswagen und Radevormwald seßhaft; sie begannen mit der Rodung und dem Bau fester Siedlungen und betrieben Ackerbau und Viehzucht. Ihre Steinbeile und -äxte, von denen das Museum eine ganze Reihe besitzt, sind jetzt erstmals sorgfältig geschliffen und zum Teil durchbohrt. Eine stärkere Besiedlung kann erst wieder für das Ende der B r o n z e z e i t belegt werden; sie beschränkte sich für sehr lange auf die westbergische Dünen- und Heidelandschaft. Aus verhältnismäßig später Zeit, etwa dem 8. bis 7. vorchristlichen Jahrhundert, stammt der kleine Hortfund von Leverkusen-Manfort mit seinem Armring und den zwei Tüllenbeilen aus Bronze (Abb. 48). In die ältere E i s e n z e i t , die sogenannte Hallstattperiode (etwa 8. bis 4. Jahrhundert v.Chr.), gehören zahlreiche sehr einfache Leichenbrandurnen aus den großen Flach- und Hügelgräberfeldern im Bereich der heutigen Stadt Leverkusen. Sie künden von einer dichteren Besiedlung wiederum nur dieser dem Rheine zugewandten bergischen Randzone. Nur wenige Gefäße aus dem gleichen Siedlungsgebiet, teilweise mit Beigaben kleinen Eisengerätes, lassen sich der jüngeren Eisenzeit (Spatlaténe) zuweisen, ein einziges der römischen Kaiserzeit (1. bis 3. Jahrhundert n.Chr.). In dieser Periode tauchen germanische Stämme erstmals im bergischen Randgebiet auf und nehmen es allmählich in Besitz. Zu einer echten, dauerhaften Besiedlung und Landeserschließung des Innerbergischen kam es erst im f r ü h e n M i t t e l a l t e r , etwa vom 9. bis 10. Jahrhundert an, wie die stützpunktartig angelegten Ring- und Abschnittswälle - etwa die Eifgenburg bei Burscheid und die Galapa bei Burg - belegen. Im Museum sind die spärlichen Reste der ältesten Eisenschmelzen aus (Wuppertal-) Cronenberg und aus der Gegend von Hückeswagen sowie wenige mit ihnen zusammen gefundene Keramikscherben die einzigen Sachzeugen für diese noch immer tief in das Dunkel der Geschichte gehüllte Zeit. 31
Innerhalb der M ü n z s a m m l u n g sind die ältesten Stücke jene in großen Mengen geprägten Kölner Silberpfennige (Denare) mit dem Bildnis des Erzbischofs, die auch im Burger Münzfund so reichhaltig vertreten sind. Sie waren während des 12. und 13. Jahrhunderts auch im Bergischen Land das meistgebrauchte Zahlungsmittel. Vom 14. bis zum beginnenden 16. Jahrhundert, der Zeit der bergischen Grafen aus dem Hause Jülich bis zur Vereinigung der niederrheinischen Herzogtümer, sind Turnosen, Weißpfennige, Gulden und Bauschen in Ausprägungen der wichtigsten bergischen Münzstätten Wipperfürth und Mülheim vorhanden. Vom 16. bis in das beginnende 19. Jahrhundert, von der Zeit der vereinigten Herzogtümer über den Erbfolgestreit und die Regierung der Pfälzer bis zum Großherzogtum Berg unter Joachim Murat und dem Anschluß an Preußen, enthält die Sammlung Prägungen der wichtigsten bergischen Landesherren. Meist sind es Taler oder Gulden und deren Teilwerte mit dem porträtnahen, künstlerisch gestalteten Bildnis des Herrschers auf der Vorderseite (Abb. 47) und dessen Wappen auf der Rückseite, zum Teil auch nur Albus-, Schilling- und Stüberstücke. Neben diesen bergischen Münzen finden sich Prägungen rheinischer und anderer deutscher Territorien, vor allem aus Köln (Stadt und Erzbischof), Brandenburg, Sachsen, Bayern und den Hansestädten, ferner Münzen des Deutschen Reiches wie auch außerdeutscher Staaten, der Niederlande, Frankreichs und Spaniens. - Der Münzsammlung zugeordnet sind bergische Münzwaagen, die zusammen mit ihren meist quadratischen Messinggewichten in schmucklosen Holzetuis verwahrt sind; die kleineren Taschenwaagen wurden von den Kaufleuten mit auf Reisen genommen. Sie wurden in Lennep, Elberfeld, Barmen und Solingen angefertigt und in großer Zahl weithin exportiert. Ein besonderes Problem war die museale Einbeziehung von wichtigen Urkunden zur bergischen Geschichte, landesherrlichen und anderen Siegeln, Bildnissen bergischer Persönlichkeiten, die auf den verschiedenen Gebieten Bedeutung erlangt haben, von Ansichten gewerblicher Produktionsstätten, einer Vielzahl von Erlassen oder von Titelblättern wichtigen bergischen Schrifttums. Diese D o k u m e n t e vermögen wesentliche Aussagen über historisch-politische, wirtschaftliche und kulturelle Daten und Gegebenheiten zu machen. Das meiste davon ist jedoch reines Archiv- oder Bibliotheksgut und entzieht sich als solches einer dauernden Ausstellung im Museum, und Bildnisse, auf die es ankam, waren im Original nicht vorhanden. So konnte dieses gesamte Material praktisch nur in fotografischen oder anderen »papierenen« Nachbildungen beschafft werden. Eine repräsentative Auswahl daraus wurde so untergebracht, daß sie für interessierte Besucher stets gegenwärtig und zur Einsichtnahme bereit ist: im sogenannten »Bergischen Ehrenschrein«, einer Art Archivschrank mit zahlreichen extrem flachen, oben verglasten Schubfächern. Ihm ist eine Auswahl von Abgüssen wichtiger Siegel der bergischen Landesherren, Städte, Klöster und Konvente vom Mittelalter an zugeordnet. 32
MÜNZEN UND DOKUMENTE
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Johann Peter Hasenclever (1810-1853): Die Schachpartie, 1844. Öl auf Leinwand. 77 x 104 cm
Ein Überblick über einige charakteristische bergische Gewerbeerzeugnisse und damit ein Einblick in die Arbeitswelt erschließt eines der Hauptwesensmerkmale des Bergischen Landes. Bei der musealen Darbietung konnte nur die neuere Zeit Berücksichtigung finden, da das gegenständliche Material, wenn überhaupt, nur aus dem 18. und 19. Jahrhundert vorhanden oder zu beschaffen war. Eine nur andeutungsweise, knappe Auswahl rechtfertigte sich aber auch insofern, als die Museen der umliegenden Städte - Solingens, Remscheids, Wuppertals und Velberts - das dort erzeugte Werkgut ausführlich zur Schau stellen. Zur Verlebendigung des oft spröden Materials tragen nicht nur graphische Blätter, sondern auch solche Objekte des Kunstgewerbes bei, die für unseren Bereich charakteristische handwerklich-gewerbliche Verrichtungen oder Erzeugnisse zum Darstellungsinhalt haben (Abb. 36, 37). Im Remscheider Gebiet entwickelte sich vom 17. Jahrhundert an eine wachsende Kleineisenindustrie. Hergestellt und weithin exportiert wurden die verschiedensten Arten von Werkzeugen wie Feilen, Bohrer, Sägeblätter, Hämmer, Beile und Zangen, aber auch Waagen, Schlittschuhe und andere Gerätschaften, durchweg schlichtes, schmuckloses Gebrauchsgut. Als die einst weithin berühmten Solinger Schwert- und Degenklingen durch die neue Kriegstechnik des 18. Jahrhunderts mehr und mehr verdrängt wurden, verlagerte sich die Klingenindustrie auf die Erzeugung der verschiedensten Messerarten, von Bestecken, Scheren und Zuckerzangen, aber auch von Galadegen, Säbeln, Fechtklingen und Seitengewehren. In der Freiheit Burg an der Wupper wurden bis ins 18. Jahrhundert glatte und gezogene Gewehrläufe geschmiedet und in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in der im Schloßgemäuer eingerichteten »Schaazenfabrik« buntfarbige wollene Decken hergestellt. Von all dem führt das Museum Beispiele vor. Der zweite große Gewerbezweig des Bergischen Landes, die Garnbearbeitung und Textilerzeugung, hat schon in früher Zeit das Gesicht der heutigen Stadt Wuppertal geprägt. Die wirtschaftliche Entwicklung nahm hier ihren Ausgang von der Garnbleicherei auf den weiten Wupperwiesen; ursprüngliche Nebengewerbe wie das Weben, Wirken und Färben wurden bald zu neuen, selbständigen Erwerbsquellen. Die stetig wechselnde Zeitmode gab im 18. und 19. Jahrhundert der Herstellung von farbig gemusterten Bändern und Litzen, von Posamenten und Spitzen den sogenannten Barmer Artikeln - großen Auftrieb. Eine Sammlung von Bandmustern steht stellvertretend für diese vielfältige Produktion. Einen gravierenden Einschnitt in das wirtschaftliche wie politische Leben des Landes brachte die sogenannte Franzosenzeit mit sich. Sie begann mit der Abtretung Bergs durch den zum König ernannten Maximilian I. Joseph von Bayern an Napoleon, der 1806 das Großherzogtum Berg für seinen Schwager, Joachim Murat, bildete; später unterstellte er es seiner direkten kaiserlichen Herrschaft. Die französische Schutzzollpolitik und der Verlust der bisherigen Absatzmärkte verursachten den Niedergang aller Wirtschaftszweige in jenen Jahren. Den Befreiungskriegen und dem in ihrem Verlaufe geschaffenen Gene34
GEWERBEERZEUGNISSE
Formen bergischen Werkzeuges des 19. Jahrhunderts
ralgouvernement unter Justus Gruner folgte 1815 die Angliederung des Landes Berg an P r e u ß e n , und erst die Folgezeit brachte, der allgemeinen Entwicklung entsprechend, einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufstieg. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kristallisierten sich große Unternehmen, teilweise von weltweitem Ruf, heraus, neben denen die mittelständischen, gewerblichen Betriebe weiter lebensfähig blieben. Diese Entwicklung zu veranschaulichen, kann nicht Aufgabe eines kulturgeschichtlich orientierten, auf einer Burg beheimateten Museums sein.
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NAPOLÉON. É D I T I O N S EITLE O F F I C I E L L E P O C K L E C I U N D - D C C H É DE BEAC.
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