Moderne Vergütung im Verkauf: Leistungsorientiert entlohnen mit Deckungsbeiträgen und Zielprämien [3 ed.] 9783896444721, 9783896734723

Entlohnungssysteme entscheiden in hohem Maß über die Effizienz der Vertriebsmannschaft. Moderne Vergütungssysteme sind z

107 79 1MB

German Pages 168 [169] Year 2008

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Moderne Vergütung im Verkauf: Leistungsorientiert entlohnen mit Deckungsbeiträgen und Zielprämien [3 ed.]
 9783896444721, 9783896734723

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

RKW Edition

Heinz-Peter Kieser

Moderne Vergütung im Verkauf

3. Auflage

Leistungsorientiert entlohnen mit Deckungsbeiträgen und Zielprämien

Verlag Wissenschaft & Praxis

RKW-Edition

Heinz-Peter Kieser

Moderne Vergütung im Verkauf Leistungsorientiert entlohnen mit Deckungsbeiträgen und Zielprämien

3. Auflage

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-472-3 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2008 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Vorwort Wer erwartet, in diesem Buch simple „Tricks“ zur Motivation von Mitarbeitern zu finden, wird enttäuscht werden: Die gibt es nämlich nicht. Motivation beginnt dort, wo Unternehmen klare Vorstellungen kommunizieren können über das, wofür sie stehen und welches ihre Ziele sind. Ein wesentlicher Baustein für den Erfolg von Unternehmen ist demnach das Vorhandensein von Zielen und die Fähigkeit, diese Ziele bis zum einzelnen Mitarbeiter herunterzubrechen, d. h. die Mitarbeiter in die Interessen des Unternehmens einzubeziehen. Unternehmenserfolg dokumentiert sich also im Grad der Zielerreichung. Führen mit Zielen wird somit zu einem ganz entscheidenden Erfolgsfaktor für die weitere Unternehmensentwicklung. Moderne Vergütungssysteme haben diesen Gedanken aufzugreifen. Nicht umsonst erfährt die zielorientierte Vergütung im Vertrieb derzeitig eine so nachhaltige Verbreitung: Die Vergütung entwickelt sich immer mehr als Instrument der Führung und Steuerung der Mitarbeiter zur Durchsetzung der Interessen und Ziele des Unternehmens. Traditionelle Vergütungssysteme, die meist provisionsorientiert sind und vornehmlich am Umsatz des Unternehmens anbinden, versagen angesichts der gestiegenen Anforderungen und der wachsenden Komplexität der Märkte. Die wirtschaftliche Umwelt der Unternehmen hat sich dramatisch verändert, die Instrumente der Führung und Vergütung der Mitarbeiter sind aber im Wesentlichen noch die gleichen wie vor Jahren. So liegen die Hauptdefizite der tradierten Vergütungssysteme darin, dass sie wesentliche Erfolgsgrößen des Unternehmens (wie z. B. Ertrag) außer Acht lassen, „langweilige“ Einkommensperspektiven liefern, oft ungerecht sind, bestimmte Mitarbeiterkreise (wie z. B. Innendienstmitarbeiter) von der leistungsorientierten Vergütung ausschließen und generell die vorhandenen Vertriebs- und Marketingstrukturen zementieren. Sie basieren auf überkommenen Führungsstrukturen und verhindern Flexibilität, Selbststeuerung und Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter. Sie ignorieren die Tatsache, dass die Aufgaben im Vertrieb neu verteilt werden, dass sich die Rollen von Außendienstmitarbeitern und Innendienstmitarbeitern neu mischen. Wenn Vergütung im Verkauf einen nennenswerten Motivationsfaktor darstellt, was kaum zu leugnen ist, stellt sich die Aufgabe der Optimierung vertrieblicher Vergütungssysteme, um die Chancen zu nutzen, die darin verborgen sind. 5

Dieses Buch stellt ein Plädoyer für „gut gemachte“ variable, leistungsorientierte Vergütungskonzepte dar. Solche schaffen Anziehungskraft für leistungsbezogene und unternehmerisch denkende Mitarbeiter. Unterbleibt die erwähnte Optimierung, wird „Sattheitsverhalten“ und Sicherheitsdenken kultiviert, Kundennähe nicht ausreichend belohnt.

6

Inhalt 1.

2.

3.

4.

5.

Die Bedeutung des Motivators Geld....................................................... 9 1.1

Äußere und innere Motivatoren ..................................................... 9

1.2

Vergütung als Element der Führung und Steuerung...................... 11

Die Abkehr von herkömmlichen Vergütungsansätzen.......................... 15 2.1

Veränderungen im Marktumfeld .................................................. 15

2.2

Sinkende Effizienz der klassischen Vertriebs- und Vergütungsstrukturen ................................................................... 18

2.3

Neue Rollen für Außen- und Innendienst..................................... 20

2.4

Defizite traditioneller Vergütungssysteme .................................... 24

Die aktuelle Entwicklung der Vergütung im Verkauf ........................... 31 3.1

Vertriebsvergütung im Wandel .................................................... 31

3.2

Anforderungen an leistungsorientierte Vergütungskonzepte......... 39

3.3

Drei Gestaltungskriterien der Vergütung ...................................... 42

3.4

Die Höhe des variablen Einkommensanteils ................................ 42

Der Profit-Center-Ansatz in der modernen Vergütung ......................... 47 4.1

Die Profit-Center-Philosophie ...................................................... 47

4.2

Der stufenweise Deckungsbeitrag im Profit-Center ...................... 53

4.3

Außendienst- und Innendienst-Profit-Center................................. 59

4.4

Weitere Profit-Center im Unternehmen........................................ 62

4.5

Die Mitarbeitersteuerung über Profit-Center................................. 64

4.6

Vorteile der ertragsorientierten Vergütung ................................... 69

4.7

Vom Profit-Center zum Leistungszentrum .................................... 70

Die Vergütung mit Zielprämien............................................................ 73 5.1

Führen mit Zielen ........................................................................ 73

5.2

Ableitung von Zielen im Unternehmen........................................ 88

5.3

Die klassische Zielprämie ............................................................ 95 7

5.4

Alternative Gestaltung der Einkommenskurve.............................. 98

5.5

Feinsteuerung über verschiedene Ziele...................................... 102

5.6

Unterjährige Zielkontrolle und Abschlagszahlungen.................. 106

5.7

Alternative Zielgestaltungen....................................................... 109

5.8

Das Konzept der freien Zielwahl................................................ 112

5.9

Typische Struktur eines Außendiensteinkommens...................... 116

5.10 Die Einbeziehung des Innendienstes in die variable Vergütung . 120 5.11 Moderne Vergütung von Handelsvertretern ............................... 124 5.12 Das System des Zieleinkommens für Vertriebsführungskräfte..... 128 6.

7.

8.

8

Die Flexible Ausgestaltung der Vergütungsstrukturen........................ 133 6.1

Das Konzept der „Risikowahl“ ................................................... 133

6.2

Die Verknüpfung der Vergütung mit Kollektivergebnissen ......... 135

6.3

Cafeteria-Ansätze ....................................................................... 139

Die Vergütung von Verkaufs-Teams ................................................... 145 7.1

Das Team-Konzept im Verkauf .................................................. 145

7.2

Die Vergütung von Team- und Individualkriterien ..................... 152

Die Umstellung auf ein neues Vergütungssystem ............................... 159 8.1

Rechtliche Aspekte .................................................................... 159

8.2

Umwandlung fixer Einkommensbestandteile ............................. 163

8.3

Was aus psychologischer Sicht zu beachten ist .......................... 165

1.

Die Bedeutung des Motivators Geld

1.1

Äußere und innere Motivatoren

Die Bedeutung des Faktors Einkommen für die Mitarbeitermotivation wird derzeitig sehr kontrovers diskutiert. Während in den USA kaum ein Unternehmen mehr ohne variable, leistungsorientierte Vergütung vorstellbar ist, wird in Deutschland der Effekt einer solchen Entlohnung für die Motivation immer wieder angezweifelt. Die Phalanx der Kritiker geht von „wenig Einfluss auf die Motivation“ bis hin zur entschiedenen Ablehnung jedweder leistungsorientierten Vergütung zu Motivationszwecken mit der Begründung, dass jedes bewusst gestaltete Instrument zur Motivierung langfristig versagt, ja sogar zur Demotivation führt1. Gleichzeitig steigt auch in Deutschland die Zahl der Unternehmen, die variable Vergütungssysteme einführen. Darüber hinaus ist ein deutliches Interesse in der Unternehmenslandschaft festzustellen, immer mehr Mitarbeiterbereiche in die variable Vergütung einzubeziehen. Die Befürworter der leistungsorientierten Vergütung gehen teilweise so weit, den Motivator Geld als einzigen wirklich tauglichen Motivator zu betrachten. Solche Positionen finden sich sehr häufig bei Vertriebsführungskräften. Wie löst sich dieser scheinbare Konflikt? Zunächst ist festzustellen, dass die Motivation eines Mitarbeiters nicht von einem Kriterium alleine abhängt: Es bedarf einer größeren Anzahl von Motivatoren, die einen motivierten Mitarbeiter ausmachen. Die moderne Motivationspsychologie unterscheidet dabei zwischen äußeren und inneren Motivatoren. Während die äußeren Motivatoren beim Mitarbeiter eine Druck- oder Sogwirkung erzielen wollen, entspricht die innere Motivation der Einstellung bzw. der Bereitschaft des Mitarbeiters, was mit dem Begriff „Engagement“ bezeichnet werden kann.

1

vgl. Sprenger, Reinhard K.: Mythos Motivation, 13. Auflage, Frankfurt/Main, New York: Campus 1997

9

Äußere Motivation Druck/Sog

Ziel

Innere Motivation

Ziel

Abbildung 1: Äußere und innere Motivatoren

Beide Formen der Motivation sind bedeutsam und beide Arten der Motivation lassen sich durch das Unternehmen beeinflussen. Organisation, Zielsetzungen und Vergütung zählen sicherlich zu den äußeren Motivatoren, obwohl sie indirekten Einfluss auch auf die innere Motivation ausüben. Unternehmenskultur, Betriebsklima, Führungsstil etc. haben dagegen direkten Einfluss auf die innere Motivation des Mitarbeiters. Die Frage nach dem Motivator „Einkommen“ relativiert sich also auf den Aspekt: Wenn Geld nicht den einzigen Motivator darstellt, welche Bedeutung kommt ihm dann zu? Oder anders ausgedrückt: Welchen Rang nimmt „Einkommen“ in der Prioritätenskala der Motivatoren ein? Aus der Verhaltensforschung ist bekannt, dass Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen auf Geld als Motivator verschieden reagieren: Während für Menschen in sozialen Berufen der Motivator Einkommen durchweg keine vorrangige Bedeutung hat, nimmt die Bedeutung des Motivators Geld in kaufmännisch geprägten Berufsbildern zu. Eine geradezu herausragende Bedeutung erhält der Motivator Geld in typisch verkäuferischen Berufen. Nicht selten geben Außendienstmitarbeiter zu erkennen, dass Geld die primäre Antriebskraft ihres beruflichen Handelns ist und die Tatsache, dass Außendienstmitarbeiter heute meist über ein höheres Einkommen verfügen als Innendienstmitarbeiter mit vergleichbarer Verantwortung, war nicht selten maßgeblich für die Berufswahl der Außendienstmitarbeiter. Immerhin können die meisten Außendienstmitarbeiter die Höhe ihres Einkommens zu einem guten Teil selbst bestimmen, da sie über einen variablen, leistungsorientierten Einkommensanteil verfügen. Daraus resultiert folgende Überlegung: Wenn Einkommen für die Mitarbeiter im Verkauf einen bedeutenden Motivator darstellt, muss das Vergütungskonzept optimiert werden, um die Chancen zu nutzen, die darin verborgen sind. Die meisten heute üblichen Vergütungssysteme im Verkauf nutzen diese Chancen nicht oder zu wenig. 10

1.2 Vergütung als Element der Führung und Steuerung Die zentrale Frage lautet also: „Wie gewährleisten wir Erfolg und wie kann ein gut gestaltetes Vergütungssystem dabei behilflich sein?“ Ein wesentliches Defizit herkömmlicher Vergütungsansätze besteht darin, dass sie als Führungsersatz missverstanden werden: Variable Vergütung wird in diesen Unternehmen installiert, um ohne wesentliche weitere Anstrengungen der Führungsebene dennoch motivierte Mitarbeiter zu haben. Man verzichtet auf Leistungsvereinbarungen (= Zielvereinbarungen) mit den Mitarbeitern und teilt ihnen nicht mit, welche Leistungen von ihnen erwartet werden. Oft wird darauf verzichtet, den Mitarbeitern aufzuzeigen, wie anspruchvolle Leistungen erzielt werden können. Man hat ja ein variables, „leistungsbezogenes“ Vergütungssystem und kann sich beruhigt zurücklehnen! Hier setzt (berechtigterweise) die Kritik derer an, die variable Vergütung prinzipiell ablehnen. Derartige „Vergütungskonzepte“ sind untauglich und gleichen bestenfalls der Mohrrübe, die man dem Esel vorhängt, damit er den Karren zieht. Taugliche variable Vergütungskonzepte verstehen sich als Unterstützung der Führungsaufgabe. Die leistungsbezogene Vergütung soll die Selbststeuerung der Mitarbeiter sicherstellen, die notwendig ist, um die Unternehmensziele zu erreichen. Führung soll und muss heute „an der langen Leine“ erfolgen, um die notwendige Flexibilität des Unternehmens auf den Märkten zu gewährleisten. Mit den Mitarbeitern muss das „Was“ (die Leistung) vereinbart werden und nicht das „Wie“ (den Weg dorthin). Den Weg gilt es situativ zu entscheiden. Hierfür muss der Mitarbeiter in klare Leistungsvereinbarungen eingebunden werden, ebenso in ein Steuerungssystem, das ihn (im Sinne eines SelfControlling) zu den Leistungszielen führt. Das Vergütungskonzept hat diese Führungs- und Steuerungsidee zu einem guten Teil zu übernehmen: In die Vergütung sollen die Leistungskriterien und Ziele eingehen, die der Mitarbeiter realisieren soll. Gute Vergütungskonzepte unterstützen damit das Führungs- und Steuerungssystem und sie schaffen beim Mitarbeiter das Interesse (die Motivation), die gesteckten Ziele zu erreichen. Intention muss also sein, intelligente Vergütungssysteme zu gestalten, die dieses leisten.

11

Vergütungskonzept Steuerungs- und Controllingsystem Führung durch Ziele Operative Ziele Strategie

Abbildung 2: Vergütung als Unterstützer der Unternehmensziele

Vergütungskonzepte stellen in diesem Sinne gewissermaßen die „Speerspitze“ für die Umsetzung der Strategien und Ziele dar, die das Unternehmen verfolgt. Unternehmen, die variable, leistungsorientierte Vergütung auf diese Weise umsetzen, werden attraktiv für Mitarbeiter, die leistungsbezogen und unternehmerisch denken. Oder umgekehrt: Unternehmen, die nur fixe Einkommen vergüten, sind attraktiv für risikoscheue und sicherheitsbewusste Mitarbeiter bzw. sie fördern eine solche Einstellung bei ihren Mitarbeitern. Die Forderung nach Freiräumen für Mitarbeiter wird heute allseits gestellt, um dem Unternehmen die nötige Flexibilität zu gewährleisten. Im Verkauf muss heute fast immer mit großen Freiräumen gearbeitet werden. Eine rein fixe Vergütung ist in dieser Situation leichtfertig und verpasst Chancen. Verschlechtert sich dann die Marktposition des Unternehmens, ist die Neigung bei den Führungskräften ausgeprägt, ein variables Vergütungssystem einzuführen, „um die Risiken zu teilen“. Zu diesem Zeitpunkt ist aber die Möglichkeit zur Einführung eines leistungsbezogenen Vergütungssystems oft schon verspielt. Moderne Vergütung im Verkauf steht ganz eindeutig für Leistungsorientierung. Der fixe Einkommensanteil versteht sich als Ausdruck der Aufgabe und der Kompetenz des Mitarbeiters. Der variable Einkommensanteil repräsentiert seine Leistung (im Sinne von Ergebnis). 12

Aufgabe Kompetenz

fixes Einkommen

Leistung Ergebnis

variables Einkommen

Abbildung 3: Variables Einkommen steht für Leistungsorientierung

Nun wird seitens der Unternehmen oft die zu geringe Bereitschaft der Mitarbeiter für eine variable, leistungsbezogene Vergütung beklagt. Mitarbeiter seien risikoscheu und würden eine rein fixe Vergütung bevorzugen. Zweifelsohne übernimmt niemand gerne Risiken. Deshalb sollten die Chancen in leistungsorientierten Vergütungssystemen größer gestaltet sein als die Risiken (Unternehmen führen variable Vergütungssysteme nicht ein, um Mitarbeiter zu bedrohen, sondern um sie zu guten Leistungen zu führen). Darüber hinaus müssen dem Mitarbeiter die Chancen verdeutlicht werden, die im neuen Vergütungssystem stecken. Diese Chancen aufzuzeigen und zu konkretisieren, ist Teil der Führungsaufgabe der Vorgesetzten. Variable Vergütungssysteme aus Risikoüberlegungen zu vermeiden, beinhaltet in Wirklichkeit das größte Risiko: Das der Erfolglosigkeit und des Rückschritts des gesamten Unternehmens. Gut konzipierte Vergütungssysteme beinhalten Anziehungskraft für erfolgreiche Mitarbeiter, fördern unternehmerisches Denken und Leistungsorientierung. Sie fördern Teamdenken (weil sie z. B. den Teamerfolg berücksichtigen) und machen Erfolg lohnenswert. Sie werden unter Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter eingeführt, wobei Übergangsregelungen dafür sorgen, dass sich der Mitarbeiter angstfrei mit dem neuen Vergütungssystem vertraut machen kann (vgl. hierzu auch Kapitel 8). So verstanden sind variable Vergütungssysteme ein wesentlicher Baustein für den Unternehmenserfolg. Dabei wird deutlich, dass leistungsorientierte Vergütungssysteme von der konkreten Leistung des Mitarbeiters bzw. des Teams auszugehen haben. Beteiligungsmodelle, die eine Ausschüttung am Jahresende in Abhängigkeit vom Unternehmensergebnis vorsehen, verfahren nach dem „Gießkannenprinzip“ und spiegeln nicht die tatsächliche Leistung wider, die der einzelne Mitarbeiter erbracht hat. Wirklich motivierende Vergütungssysteme (mit dem Anspruch auf Steuerungseffekte) machen an Leistungskriterien aus dem unmittelbaren Leistungsumfeld des Mitarbeiters oder des engeren Teams fest. 13

2. Die Abkehr von herkömmlichen Vergütungsansätzen Ca. 75 % aller Unternehmen wenden noch traditionelle Vergütungssysteme an wie z. B. die Umsatzprovision. Derartige Vergütungsinstrumente sind Relikte aus Zeiten, in denen die Märkte ungleich einfacher waren als heute und bei weitem nicht die Komplexität aufwiesen, die für heutige Marktsituationen typisch ist. Einfache Vergütungssysteme bewähren sich in einfachen Märkten, die durch maßvollen Wettbewerb, differente Produkte, akzeptable Preiskalkulationen und Wachstum gekennzeichnet sind. Wenn nahezu jeder Umsatz auch Ertrag mit sich brachte, weshalb sollte dann ein Vergütungssystem zum Einsatz kommen, welches an Erträgen festmacht? Wenn Wachstum „kaum zu verhindern“ war, weshalb sollten dann Vergütungssystem angewandt werden, die auf Unternehmenswachstum abzielen? Die heutige Marktsituation ist gänzlich anders und weist eine viel höhere Komplexität auf. Die Mitarbeiterführungs-, -steuerungs- und -vergütungssysteme sind aber bei der überwiegenden Mehrheit aller Unternehmen noch die gleichen wie vor Jahren und müssen in Anbetracht der gestiegenen Anforderungen an solche Systeme versagen. Die komplexeren Märkte führen gegenwärtig zu einem Paradigmenwechsel in der Vertriebsvergütung, der sich in den USA schon längst vollzogen hat: Dort wird fast ausschließlich auf der Basis von Zielprämien vergütet, wobei diese Vergütungssysteme mit der Führung und dem Coaching der Mitarbeiter zu tun haben, mit der Sicherstellung der Unternehmensstrategie und der Absicherung von Marktpositionen.

2.1

Veränderungen im Marktumfeld

Wenn von zunehmender Komplexität der Märkte die Rede ist, auf die sich unsere Steuerungs- und Vergütungssysteme einzustellen haben, geht es im Wesentlichen um Folgendes: 1. Früher konnten sich die Unternehmen über ihre Produkte vom Wettbewerb differenzieren. Es ist geradezu typisch für „reife“ Märkte, in denen sich heute die meisten Unternehmen befinden, dass Produkte und Leistungen austauschbar geworden sind (man spricht von der Homogenität der Produkte und Leistungen). Damit werden aber die Wettbewerber ebenfalls austauschbar, es sei denn, es gelingt, sich über andere Felder zu differenzieren. Mit anderen Worten: Der Wettbewerb verlagert sich vom 15

Produkt auf die Unternehmensstrategie. Wettbewerbsüberlegenheit resultiert heute aus strategischen Positionen und der Schlagkraft der Organisation. Dies haben gut konzipierte Vergütungssysteme aufzugreifen. 2. Das Geschäft wandelt sich demnach vom Produktverkauf in ein ganzheitliches Systemgeschäft. Dies beinhaltet die Bedienung der Kunden weit über das bloße Produkt hinaus, Systemlösungen sind gefordert. Dabei wird es für die Unternehmen immer notwendiger, sich auf Ihre Kernkompetenzen zu besinnen, um wirklich versierte Systemlösungen bieten zu können. 3. Nicht ohne Grund ist heute vom „Hyperwettbewerb“ die Rede. Bei allen Kunden ist eine sinkende Tendenz, Preise zu akzeptieren feststellbar sowie eine ebenso sinkende Tendenz bezüglich der Markentreue. Die Bereitschaft zum Wechsel angestammter Lieferanten nimmt zu. Neue Maßnahmen zur Ertragssicherstellung im Unternehmen werden erforderlich. 4. Unsere Märkte sind einem Wandel unterworfen, der in dieser Geschwindigkeit noch nie festzustellen war. Durch neue Technologien entsteht ein enormer Anpassungsdruck für die Unternehmen mit gewaltig gestiegenen Anforderungen, das rasant wachsende Know How zu managen. Dies drängt Unternehmen zur Flexibilisierung: Strukturen müssen aufgebaut werden, die rasche Anpassungsfähigkeit gewährleisten. Dies gilt natürlich auch für Vergütungssysteme: Morgen gelten andere Ziele und Unternehmensinteressen als heute. 5. Die Globalisierung der Märkte ist begleitet von einem gewaltigen Verdichtungsprozess der Kunden und Lieferanten. Derartige Konzentrationen auf Kunden- und Lieferantenseite schaffen neue Spielregeln im Markt: Einerseits ballt sich eine große Marktmacht in wenigen Händen zusammen, andererseits eröffnen sich neue Möglichkeiten bzgl. bisher unerreichter Marktregionen, die darüber hinaus in viele Ansprechpartner zersplittert waren. 6. Im Rahmen der Globalisierung der Märkte internationalisiert sich der Einkauf und wird professioneller und damit härter. Neue, bislang nicht relevante Wettbewerber treten auf und fordern entsprechende Reaktionen von Seiten des Unternehmens.

16

Zunehmende Konzentration im Wettbewerbsumfeld. Steigende Wettbewerbsintensität

Professionalisierung und Internationalisierung im Einkauf

Zurückgehende Differenzierung über das Produkt. Wettbewerb der Organisationen und Strategien

Neben das Produktgeschäft tritt zunehmend das Systemgeschäft

Steigerung von Effizienz und Schlagkraft im Vertrieb

Konzentration bei wesentlichen Kunden und Lieferanten

Abnehmende Markenloyalität und Preisbereitschaft

Technologiegetriebene Veränderungen im Marktumfeld. Transparenz, Geschwindigkeit, Know-HowManagement

Abbildung 4: Veränderungen im Marktumfeld

7. Die härter gewordenen Märkte führen zur Konzentration im Wettbewerbsumfeld. Die Zahl der Wettbewerber nimmt ab bei gleichzeitig wachsender Wettbewerbsintensität, weil die Unternehmen, die überlebt haben, entsprechende Kompetenzen aufweisen. Die „Bandagen“, mit denen gekämpft wird, werden zunehmend härter, die Märkte zunehmend schwieriger. 8. Um in einem derartigen Marktumfeld überleben zu können, muss das Unternehmen Positionen aufbauen, die eine gewisse Überlegenheit schaffen. Insbesondere muss überlegt werden, wie Effizienz und Schlagkraft im Vertrieb gestärkt werden können. Hierzu zählt mit Sicherheit der Aufbau von Führungs-, Steuerungs- und Vergütungssystemen, die strategische wie operative Ziele des Unternehmens sicherstellen helfen. Herkömmliche Vergütungssysteme wie z. B. die Umsatzprovision sind bei weitem nicht mehr in der Lage, diese Aufgaben zu erfüllen.

17

2.2

Sinkende Effizienz der klassischen Vertriebs- und Vergütungsstrukturen

Die Lücke zwischen den gestiegenen Anforderungen des Marktes an die Unternehmen einerseits und die Effizienz der Vertriebsarbeit der meisten Unternehmen andererseits ist bemerkenswert. Die Diskrepanz konzentriert sich im Wesentlichen auf 3 Aspekte: • Ineffiziente Vertriebskonzeptionen • Einseitige Orientierung auf Umsatz • Defizitäre Vergütungssysteme. Die ineffizienten Vertriebskonzeptionen werden deutlich in der klassischen Ausrichtung der meisten Unternehmen am „Einzelkämfer“-Konzept der Mitarbeiter: Außendienstmitarbeiter und Innendienstmitarbeiter arbeiten meist getrennt, echte Teams sind eher die Seltenheit. Der teure Außendienst hat aber nur noch ca. 20 % seiner Zeit für das eigentliche Kundengespräch übrig, womit sich die Kosten eines Kundenbesuchs in bislang unerwartete Höhen entwickeln. Das Problem wird umso größer, wenn man genauer betrachtet, wie der Außendienstmitarbeiter seine teure Zeit einsetzt: Der typische „Einzelkämpfer“ im Außendienst arbeitet Routine ab, erfüllt Tourenpläne und hat für die strategisch wichtigen Anliegen des Unternehmens zu wenig Zeit (z. B. Ausbau strategischer Kunden). Der Innendienstmitarbeiter dagegen wird meist noch als administrativer Sachbearbeiter eingesetzt, gewissermaßen als „Erfüllungsgehilfe“ im Verkauf mit hauptsächlich passiven Arbeitsanteilen. „Kästchendenken“ dominiert das Verhalten der Mitarbeiter, Kundennähe bleibt auf der Strecke. Die Kunden werden nicht optimal betreut und haben im Innendienst meist zahlreiche Ansprechpartner, von denen allerdings keiner den Kunden und dessen Bedürfnisse wirklich kennt. Wenn Teams aus Außendienstmitarbeitern und Innendienstmitarbeitern installiert sind, handelt es sich oft eher um „Gruppen“ anstelle von echten Teams: Es ist keine wirklich neue Aufgabenverteilung zwischen Innendienst und Außendienst erfolgt, jeder Teil des Teams übt dieselben Funktionen wie vorher aus, allerdings gerichtet auf die gleichen Kunden. Selbst solche Lösungen sind bestenfalls als suboptimal zu bezeichnen. Was die einseitige Orientierung auf Umsatz anbetrifft, so wird dies an der Tatsache deutlich, dass die meisten Unternehmen nach wie vor ihre Verkäufer umsatzabhängig vergüten. Die Daten, mit denen Verkauf und Verkäufer geführt werden, bestehen meist aus Umsatz- und Absatzzahlen. Ein Control18

ling (im Sinne der Ertragssicherstellung) findet damit nicht statt. Nicht selten haben Inhaber von Unternehmen und Vorgesetzte ein Problem damit, Erträge von Produkten, Kunden, Marktsegmenten etc. offen zu legen und im Unternehmen transparent zu machen. Deckungsbeitragsdiskussionen beschränken sich auf den engsten Führungskreis, wobei die Mitarbeiter von diesen Informationen sehr oft ausgeschlossen sind. Diese Unternehmensposition erinnert stark an überkommene Traditionen der Unternehmensführung, nach der sich die Mitarbeiter „an der Front“ um Umsätze zu kümmern haben und die Gewinne dann im Rechnungswesen entstehen! Kein Wunder, dass Erträge auf diese Weise „auf der Strecke“ bleiben. Der zeitgemäße Ansatz in der Mitarbeiterführung und -vergütung geht davon aus, dass man mit wissenden Mitarbeitern erfolgreicher sein kann als mit unwissenden. Erträge müssen „an der Front“ sichergestellt werden, um im Rechnungswesen „aufgeschrieben“ werden zu können. Also müssen die Mitarbeiter in ein entsprechendes Denken und Handeln eingebracht werden. Es müssen Steuerungs- und Vergütungsstrukturen geschaffen werden, in denen Interessengleichheit von Unternehmen und Mitarbeitern sichergestellt ist. Weitere Defizite traditioneller Vergütungssysteme sind festzustellen: Die gewählten Vergütungsinstrumente sind meist „langweilig“ und nicht wirklich motivierend. Die Leistung, die in der Vergangenheit aufgebaut wurde, wird jedes Jahr aufs Neue entlohnt, anstelle die Vergütungsressourcen auf die Leistung zu konzentrieren, die im laufenden Jahr in Frage steht. So kommen flach verlaufende Vergütungskurven zur Anwendung, die keine wirklichen Anreize für anspruchsvolle Leistungen bieten. Darüber hinaus führen herkömmliche Vergütungssysteme oft zu ungerechten Vergütungen. Zufälligkeiten wie Gebietspotenzial und Kundenstruktur bestimmen das Mitarbeitereinkommen (und nicht die eigentliche Leistung des Mitarbeiters). Die Innendienstmitarbeiter sind meist von der erfolgsorientierten Vergütung ausgeschlossen. Dies unterstreicht die passive Rolle, in der sich die meisten Innendienstmitarbeiter heute noch befinden. Bestehende Schnittstellen zwischen Außendienst und Innendienst werden auf diese Weise verstärkt, statt sie zu überwinden. Durch die rein fixe Vergütung der meisten Innendienstmitarbeiter wird der zum Teil deutliche Einkommensabstand zum Außendienst zementiert. Der Innendienst fühlt sich gegenüber dem Außendienst benachteiligt, da er einerseits von Erfolgserlebnissen ausgeschlossen wird, andererseits von Einkommensmöglichkeiten. 19

Nicht zuletzt deswegen führen tradierte Formen der Vergütung zu einer Erstarrung der Vertriebsstrukturen. Notwendige Gebietsanpassungen werden häufig durch unflexible Vergütungssysteme verhindert, innerbetriebliche Neustrukturierungen scheitern an althergebrachten Vergütungsansprüchen. Geringe Motivation, Forcierung der falschen Unternehmensziele, zu geringe Kundennähe und suboptimale Mitarbeiterleistungen sind die logische Folge derartiger struktureller Probleme und ziehen eine sinkende Vertriebseffizienz nach sich.

2.3

Neue Rollen für Außen- und Innendienst

Die teilweise dramatischen Veränderungen im Marktumfeld führen zwangsläufig zu einem Ausbrechen tradierter Vertriebs- und Vergütungsstrukturen. Dabei werden die Aufgaben und Funktionen im Verkauf neu verteilt. Das Verständnis von der Aufgabe des Außendienstmitarbeiters wandelt sich. War er vor Jahren noch ausschließlich der Produkt- und Leistungs-Verkäufer mit hoher Überzeugungskraft und der Kompetenz, Kundenbeziehungen aufzubauen bzw. zu unterhalten, gesellen sich jetzt eine ganze Reihe neuer Verantwortlichkeiten hinzu. Die Anforderungen an die Qualität bzw. Qualifikation der Außendienstmitarbeiter sind gestiegen. Er wandelt sich vom bloßen Verkäufer zum bewusst agierenden Bezirksmanager, der • selektiv vorgeht, • die im Sinne des Unternehmens wichtigen Kunden und Produkte forciert, • Marktanteile ausbaut, • Ertragspotenziale ausschöpft.

Verkäufer

Bezirksmanager

Marketingmanager

Abbildung 5: Die neuen Aufgaben im Außendienst

20

Der Bezirksmanager im Außendienst stellt nicht mehr einfach nur Umsätze sicher, wo immer er sie antrifft, sondern er geht selektiv vor. Er widmet sich den Kunden, die eine strategisch wichtige Bedeutung für das Unternehmen haben und bemüht sich, Bedürfnisse dieser Kunden zu erfüllen. Er stellt Marktanteile (und nicht bloß Umsätze) sicher, da diese für die Überlebensfähigkeit des Unternehmens eine ausschlaggebende Bedeutung haben 2. Zu seinen ganz wesentlichen Aufgaben zählt die Sicherstellung von Ertragspotenzialen in seinem Kundenkreis. Diese Kompetenz richtet sich auf den Ausbau ertragsstarker Kunden, die Forcierung ertragsstarker Produkte und Leistungen, auf die Durchsetzung eines existenzsichernden Preisniveaus sowie auf ein gezieltes Management der Kosten seines Verantwortungsbereichs. Die Rolle des Marketingmanagers hebt nochmals deutlicher auf den Außendienstmitarbeiter als „Strategieumsetzer“ des Unternehmens ab: Als solcher ist er bewusst agierender Teil des Marketingkonzepts des Unternehmens. Über das Führungs-, Steuerungs- und Vergütungssystem ist er eingebunden in die strategischen Ziele des Unternehmens und leistet entsprechend seiner Marktkompetenz aktives Feedback zur Verbesserung der Unternehmensstrategie. Ein Bezirks- bzw. Marketingmanager hat Transparenz über die Ertragsstruktur im Produktbereich und Kundenkreis, um mit entsprechender Flexibilität vor Ort die richtigen Unternehmensentscheidungen durchzusetzen. In diesem Zusammenhang ist auch die Rolle des Innendienstmitarbeiters in einem dramatischen Veränderungsprozess: Wurde er bislang als administrativer Sachbearbeiter verstanden, mutiert er zusehends zum aktiven Verkäufer. Voraussetzung hierfür ist die klare Zuordnung von Kunden zum Innendienstverkäufer. Dieser ist permanenter Ansprechpartner des Kunden und füllt die Freiräume aus, die der Außendienstmitarbeiter offen lässt, da dieser Routineaufgaben von außen nach innen abgibt. Intern können sie kostengünstiger bearbeitet werden als vom Außendienstmitarbeiter. Natürlich eignen sich nicht alle derzeitig vorhandenen Innendienstmitarbeiter für die Rolle des aktiven Innendienstverkäufers. Einige dieser Mitarbeiter weisen sicherlich die Voraussetzungen hierfür auf. Andere wiederum werden sich zukünftig ausschließlich administrativen Aufgaben zuwenden.

2)

vgl. Buzzell, Robert D.; Gale, Bradley T.: Das Pims-Programm, Strategien und Unternehmenserfolg, Wiesbaden: Gabler 1989, S. 65 ff.

21

Sachbearbeiter

Innendienstverkäufer

aktiver Teil eines Verkaufs-Teams

Abbildung 6: Der Rollenwandel im Innendienst

Durch regelmäßige (aktive und passive) telefonische Kontakte des Innendienstverkäufers zum Kunden wird dieser meist intensiver betreut als vorher. Der Innendienstverkäufer entwickelt sich so zum C- und D-Kundenbetreuer, wobei diese Kunden vorher vom Außendienst oft nur sporadisch besucht wurden. Aufgrund der regelmäßigen Betreuung dieser Kunden durch den Innendienst entsteht eine engere Kundenbindung, was sich meist in positiven Umsatz- und Ertragsentwicklungen niederschlägt. Die Chancen dieser Innendienst-Außendienst-Strukturen bestehen in einer stärkeren Kundenorientierung: Die Kontaktfrequenz zum Kunden steigt nicht nur, entscheidend ist, dass sie qualifizierter wird. Darin liegt evtl. sogar die Möglichkeit, einen gewissen Teil der (teuren) Außendienstmitarbeiter abzubauen und durch Aussortierung der weniger qualifizierten Außendienstmitarbeiter die gesamte Qualität der Kundenbetreuung zu steigern. Dies verhilft zu verbesserten Wettbewerbspositionen. Die eigentlich anzustrebende Strukturverbesserung im Verkauf liegt aber in der Bildung von Verkaufs-Teams. In einem derartigen Team sind sämtliche Teammitglieder gemeinsam verantwortlich für die Realisierung der gesteckten Marktziele, die im Verantwortungsbereich des Teams liegen. Für die Mitarbeiter im Team gilt Folgendes: • Neue Aufgaben- und Rollenverteilung unter den Teammitgliedern, • Einbindung in Unternehmensziele, • Wechselseitige Ergänzung der Teammitglieder bzgl. des Know Hows und der sozialen Kompetenzen, • durch engere Kooperation entstehen Synergieeffekte, • Verantwortung wird gemeinsam getragen, • die Vergütung der Teammitglieder erfolgt leistungsorientiert und auf der Basis gemeinsamer Ziele.

22

Kunden

IDMTeam 1

Kunden

IDMTeam 2

ADM 1

IDM 1

ADM 2

ADM 1

IDM 2

ADM 2

IDM

Abbildung 7: Innendienst-Markt-Formationen

Dabei sind unterschiedlichste Teamformationen denkbar. Üblich ist das Außendienst- Innendienst-Team. Dabei wird z. B. davon ausgegangen, dass ein Außendienstmitarbeiter und ein Innendienstmitarbeiter ein Verkaufs-Team bilden. Weiterhin ist denkbar, dass ein Innendienstmitarbeiter und mehrere Außendienstmitarbeiter in ein Team integriert sind bzw. umgekehrt. Auch ist denkbar, dass mehrere Innendienstmitarbeiter zu Teams zusammengefasst werden, die direkt bestimmte Kunden oder Zielgruppen betreuen. In derartigen Teams ist der Innendienstverkäufer nicht einfach C-Kundenbetreuer, sondern er wird zum verbindenden Element zwischen Kunde, Außendienst und Unternehmen. Er operiert gewissermaßen als „Counterpart“ des Außendienstmitarbeiters und übernimmt einen Großteil dessen bisheriger Aufgaben. So fällt dem Innendienstverkäufer nicht selten die Aufgabe des „Steuermanns“ im Team zu, der aufgrund seiner hohen Kontaktfrequenz zum Kunden über eine enorme Transparenz verfügt und den Außendienstmitarbeiter gezielt auf konkrete Kundenbedürfnisse ausrichten kann. Ziel solcher Teams ist eine ganzheitliche Kundenbearbeitung. Verkaufs-Teams verfügen über ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbststeuerung. Sie werden an der „langen Leine“ geführt und können auf diese Weise schnell und flexibel auf Kundenwünsche reagieren. Verkaufs-Teams entsprechen so der Forderung nach flachen, prozessorientierten Strukturen, die alle Voraussetzungen dafür aufweisen, schlank („lean“), effizient, schnell und kundennah zu sein (vgl. hierzu ausführlicher Kapitel 7.1). Natürlich sind Teams leistungsorientiert und motivierend zu vergüten. Auch hier taugen die traditionellen Vergütungssysteme nicht, um adäquate Lösungen anzubieten. Gute Vergütungssysteme für Teams müssen der Tatsache gerecht werden, dass Teams einerseits große Freiräume und Selbstverantwortung haben, andererseits müssen sie in klare Leistungsziele eingebunden werden. Die Ziele müssen die Unternehmensinteressen widerspiegeln und zu 23

einer hohen Motivation der Teammitglieder führen. Und natürlich sollten Teams ertragsorientiert vergütet werden. Unabhängig davon, in welcher Formation Außendienstmitarbeiter und Innendienstmitarbeiter zusammenarbeiten, ob getrennt oder im Team, eine wesentliche Rollenveränderung lässt sich festhalten: Verkaufsmitarbeiter müssen zukünftig stärker • eigenverantwortlich und selbststeuernd agieren, um der notwendigen Flexibilität durch Handlungsfähigkeit „vor Ort“ Rechnung zu tragen, • sie erhalten mehr Transparenz über strategische Ziele und Ertragsstrukturen im Markt, • sie sind einbezogen in klare Leistungsziele. Einen adäquaten Rahmen hierfür bildet der Profit-Center-Ansatz, auf den in Kapitel 4 ausführlich eingegangen wird. Dieses Konzept versteht den einzelnen Außendienstmitarbeiter, den Innendienstmitarbeiter oder das Team als Profit-Center, wobei der Ertrag zählt, den das Profit-Center erwirtschaftet. Der Ertrag wird so zur bestimmenden Handlungsgröße des Mitarbeiters und soll auf diese Weise die Rendite des Unternehmens sicherstellen.

2.4

Defizite traditioneller Vergütungssysteme

Forcierung der falschen Unternehmensziele Weiter oben wurde bereits festgestellt, dass die klassische variable Vergütung im Verkauf umsatzorientiert ist. Nun sollte man annehmen, dass ein umsatzgesteuerter Verkäufer einen repräsentativen Querschnitt über alle Produkte bzw. Kunden sicherstellt: Er sollte eigentlich die ertragsstarken Produkte und Kunden ebenso forcieren, wie die ertragsschwachen. Also würde sich aufgrund seiner Bemühungen eine durchschnittliche Rendite ergeben. Der typisch umsatzorientierte Verkäufer agiert gänzlich anders: Er legt eher einen fatalen Hang zu den ertragsschwachen Produkten und Kunden an den Tag: Um den Umsatz zu steigern, muss er sich auf diejenigen Produkte und Kunden konzentrieren, hinter denen große Mengen stehen. Damit konzentriert er sich erfahrungsgemäß auf die Segmente, die im Wettbewerb am stärksten umkämpft sind. Es geht nach dem Motto: „Masse schlägt Klasse“. Wenn Quantität ausschlaggebend ist, bleibt Qualität meist auf der Strecke. Das 24

Wachstum dieser Unternehmen erfolgt deshalb meist mit unterdurchschnittlich rentablen Produkten und Kunden (mit allen negativen Folgen für Umsatzrendite und Eigenkapitalquote). Aber nicht nur das Produkt-Mix und das Kunden-Mix entwickeln sich tendenziell falsch, auch der Preisverfall wird gefördert: Ein Preisnachlass von 10 % stellt vielleicht einen Umsatz von 90 % sicher, hat die Rendite (den Deckungsbeitrag) aus diesem Auftrag aber evtl. halbiert. Einen rein umsatzorientierten Verkäufer tangiert dies wenig: Er hat „seinen“ Umsatz sichergestellt und wenn es darauf ankommt, „um jeden Preis“. Ein weiteres Defizit weist die rein umsatzorientierte Vergütung auf: Die Vertriebskosten erhalten zu wenig Aufmerksamkeit, da sie nicht Element der Mitarbeitervergütung sind. Seitens der Verkaufsmitarbeiter werden nicht selten Vertriebs- und Marketingleistungen vom Unternehmen abverlangt, die in keinem Verhältnis zu den getätigten Umsätzen und schon gar nicht zu den getätigten Deckungsbeiträgen stehen. Ertragsorientierte Vergütungskonzepte gehen stets von den Erträgen aus, die nach Abzug aller Kosten anfallen, auf die der Mitarbeiter Einfluss hat. Nun soll nicht einer Vergütung das Wort geredet werden, die nur noch am Deckungsbeitrag festmacht und den Umsatz, den Marktanteil oder die Potenzialausschöpfung völlig vernachlässigt. Der Ersatz eines einseitigen Vergütungsinstrumentes durch ein anderes einseitiges Vergütungsinstrument kann nicht die Lösung sein. Die Beachtung mehrerer Aspekte muss als Ziel eines guten Vergütungskonzepts betrachtet werden. Damit wird bereits ein typisches Charakteristikum moderner Vergütungssysteme deutlich: Die Vergütung mehrerer Leistungskriterien gleichzeitig. Leistungskriterien des Mitarbeiters stehen für wichtige Unternehmensziele und -interessen. Nun verfolgt kein Unternehmen nur ein Ziel allein. Neben dem Ertrag sind strategische Ziele wichtig, wie z. B. Neukunden, Ausbau strategisch wichtiger Kunden, Verbesserung der Kundenstruktur etc. Eindimensionale Vergütungssysteme sind defizitär, leistungsstarke Vergütungssysteme dagegen sind stets durch mehrere Dimensionen (Vergütungskriterien) gekennzeichnet.

25

Wenig motivierende Vergütungslösungen Die meisten der heute im Einsatz befindlichen Vergütungssysteme sind Provisionslösungen. Der Mitarbeiter wird z. B. mit einem festen Provisionssatz an einer Leistungsgröße (z. B. Umsatz) beteiligt. Meist startet die variable Vergütung von der ersten Einheit an, in der die Leistung ausgedrückt wird. Dabei kann ein Mitarbeiter auch mit mehreren Provisionen zugleich vergütet werden, z. B. mit einer Provision auf Umsatz, einer auf Neukunden-Umsätze, einer auf Umsätze mit bestimmten Produkten etc. Handelsvertreter erhalten natürlich nur die Provisionsvergütung, fixe Vergütungen entfallen.

Einkommen Provision

Fixum

Leistung Abbildung 8: Einkommensstruktur auf Provisionsbasis

Der Vorteil solcher Provisionslösungen besteht in ihrer Einfachheit und Transparenz. Ursprünglich hat sich die Provision für fest angestellte Mitarbeiter aus der Handelsvertretervergütung entwickelt: Variable Vergütung soll nur dann anfallen, wenn der Mitarbeiter auch wirklich Leistung erbringt. Ist die Leistung hoch, kann das Unternehmen auch höhere Kosten (der variablen Vergütung) verkraften. Ist die Leistung dagegen niedrig, erfährt das Unternehmen auch eine Kostenentlastung. Dabei wird nach dem Motto verfahren: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ (bzw. „geteiltes Glück ist doppeltes Glück“). Vergütungskonzepte sollten aber nicht das Ziel haben, „Glücks- und Leidensgemeinschaften“ zu schaffen, sondern zu anspruchvollen Leistungen zu motivieren. Genau hier liegt aber das Defizit von Provisionslösungen.

26

Einkommen

B A

C

D

Worst Case

Best Case

Leistung (z. B. Umsatz)

alte Leistung „Leistungskorridor“ Abbildung 9: Provisionssysteme motivieren zu wenig

Es sei unterstellt, dass der Mitarbeiter in einem bestimmten Jahr eine Leistung X („alte Leistung“) erreicht hat und sich die Führungskraft dieses Mitarbeiters Gedanken macht, wo die Mitarbeiterleistung im Folgejahr liegen könnte. Handelt es sich z. B. um eine Verkaufsregion, die bereits seit langer Zeit durch den Mitarbeiter des Unternehmens betreut wird, dürfte die Leistung des Mitarbeiters im neuen Jahr (in Anbetracht der Wachstumszahlen der meisten Märkte) bestenfalls knapp über der „alten Leistung“ liegen (z. B. 10 %) bzw. schlechtestenfalls knapp unter der „alten Leistung“ (z. B. 10 %). Man kann also von einem „Leistungskorridor“ ausgehen, der als realistisch betrachtet werden kann und der relativ eng um die „alte Leistung“ herum schwankt. Dieser „Leistungskorridor“ ist aber für die Gewinnsituation des Unternehmens von hoher Bedeutung: Würde die Leistung aller Mitarbeiter im Verkauf auf den „Worst Case“ sinken, könnte das Unternehmen erfahrungsgemäß keinen Gewinn mehr ausweisen (die Deckungsbeiträge der ersten 90 % des Umsatzes decken meist gerade die fixen Kosten des Unternehmens). Würden alle Mitarbeiter dagegen den „Best Case“ erreichen, könnte das Unternehmen Spitzengewinne verbuchen. Was leistet nun die Provision als Vergütungsinstrument, um den Mitarbeiter zur Bestleistung zu motivieren? Der Einkommenszuwachs im „Best Case“ (Fall A) ist im Verhältnis zum Gesamteinkommen des Mitarbeiters vernachlässigbar, der Einkommensrückgang im „Worst Case“ (Fall B) genauso. Liegt der 27

variable Einkommensanteil des Mitarbeiters bei 30 % des Gesamteinkommens (dies repräsentiert gegenwärtig den bundesdeutschen Durchschnitt), bedeutet die Erreichung der Spitzenleistung (= 10 % Steigerung) einen Einkommenszuwachs in Höhe von 3 %. Dies kann nicht gerade als besonders motivierend bezeichnet werden. Der eigentliche Grund hierfür besteht darin, dass 90 % der Provision (C) für eine Leistung (D) ausgegeben wird, die eigentlich niemand im Unternehmen in Frage stellt, selbst der betroffene Mitarbeiter nicht. Damit soll nicht gesagt sein, dass es sich um eine selbstverständliche Leistung handelt. Aber dennoch konzentriert sich das Denken und Planen im Unternehmen auf den eigentlichen „Leistungskorridor“. Genau dieser „Leistungskorridor“ wird aber bei der Vergütung mit Provisionen nur relativ gering bedacht, da die Provision ja auch auf die gesamten Leistungen gewährt wird, die außerhalb dieses „Leistungskorridors“ liegen und gewissermaßen die Leistungsbasis des Mitarbeiters darstellen. Letztlich wird bei diesem System die variable Vergütung auf die Gesamtheit der Leistung verteilt und spielt sich zu wenig in dem in Abbildung 9 dargestellten „Leistungskorridor“ des Mitarbeiters ab. Dies führt zu einem insgesamt relativ flachen Kurvenverlauf, der die Vergütung innerhalb des „Leistungskorridors“ des Mitarbeiters wenig „spannend“ macht. Nicht umsonst gelten Provisionen als „vergangenheitsorientierte“ Vergütungslösungen: Jedes Jahr werden aufs Neue die Leistungen vergangener Jahre vergütet, die im neuen Jahr aber gar nicht in Frage stehen. Provisionen konzentrieren den weitaus größeren Teil des variablen Vergütungsbetrags auf die Leistungen der Vergangenheit, so dass nur noch minimale Teile der variablen Vergütung übrig bleiben, um die Leistung zu vergüten, die im laufenden Jahr in Frage steht. Wenn Geld als Motivator für Mitarbeiter im Verkauf eine bedeutende Rolle spielt (vgl. hierzu Kapitel 1), dann sind mit Provisionen die besten Chancen zur Mitarbeitermotivation allerdings vertan: Der Anreiz zu anspruchsvoller Mitarbeiterleistung ist minimal. Sattheitsverhalten der Mitarbeiter wird geradezu vorprogrammiert. Provisionen haben darüber hinaus sehr wenig mit Mitarbeiterführung und -coaching zu tun: Dem Mitarbeiter wird nicht mitgeteilt, welche Leistung von ihm erwartet wird, es werden keine Leistungsziele vereinbart. Statt dessen hofft man auf die Motivationswirkung der Provision. Erbringt der Mitarbeiter am Jahresende eine unbefriedigende Leistung, wird er nachträglich kritisiert. Besser und vor allem effizienter wäre es gewesen, ihn a priori in ein klar definiertes Leistungskonzept einzubinden. 28

Gefahr von „Einkommensexplosionen“ So „langweilig“ Provisionssysteme sich in der kurzfristigen Betrachtung darstellen, so „explosionsgefährdet“ sind sie über lange Zeiträume hinweg. Meist binden sich Unternehmen in Provisionssystemen über einen festen Provisionssatz, der dem Mitarbeiter vertraglich garantiert wird. Ändern sich nun im Lauf langer Jahre Kunden-, Markt- und Umsatzstrukturen (im Sinne einer nachhaltigen Erhöhung), so „explodiert“ nicht selten das variable Mitarbeitereinkommen in völlig unbeabsichtigte Dimensionen hinein. Gute Produktideen, Patente, die Erschließung von Großkunden etc. haben Unternehmensumsätze nicht selten in vorher nicht geahnte Höhen katapultiert und variable Mitarbeitereinkommen ebenso. Dabei besteht die Gefahr, dass das Einkommensgefüge im Unternehmen gesprengt wird und sich z. B. ein nicht mehr vertretbares Einkommensgefälle gegenüber dem Innendienst entwickelt. Ungerechte Vergütungsrealitäten In klassischen Provisionssystemen werden üblicherweise alle Mitarbeiter mit gleichen Provisionssätzen vergütet. Allerdings sind die Voraussetzungen, die die Mitarbeiter in ihren Verantwortungsbereichen antreffen, völlig unterschiedlich. Im Außendienst sind meist erhebliche Unterschiede gegeben bzgl. • Gebietspotenzial, • Kundenstruktur, • Wettbewerbssituation, • Vorhandensein von Großkunden, • Zufallsaufträgen. Das variable Einkommen der Mitarbeiter ist in solchen Systemen demnach sehr stark von Zufälligkeiten geprägt und weniger von der eigenen Leistung. Genau diese soll aber in motivierenden Vergütungssystemen vergütet werden. Ungerechte Vergütungssysteme sind auf Dauer demotivierend, zumindest für diejenigen Mitarbeiter, die zufällig das „schlechtere Los gezogen“ haben.

29

Erstarrung der Vertriebs- und Marketingstrukturen Klassische provisionsorientierte Vergütungskonzepte führen meist zur Zementierung vorhandener Strukturen: Verkaufsbezirke müssten z. B. verkleinert werden, um eine bessere Ausschöpfung sicherzustellen. Da die Außendienstmitarbeiter aber per Provision vergütet werden, wäre eine Gebietsverkleinerung immer mit Einkommenseinbußen verbunden, was oftmals die notwenige Gebietsanpassung verhindert. Oder es werden Bezirkserweiterungen notwendig, wobei das Unternehmen die damit verbundene Einkommenserhöhung der Mitarbeiter scheut (Provisionssätze sind vertraglich vereinbart und erfahrungsgemäß schwer zu ändern). Jede Neuzuordnung von Kunden zu Außendienstmitarbeitern ist in Provisionssystemen mit Einkommensveränderungen verbunden, obwohl sich an der eigentlichen Leistung der Mitarbeiter nichts geändert hat. Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. In jedem Fall führen herkömmliche Vergütungsansätze zu Unflexibilität, was in Anbetracht der heute sich rasch ändernden Marktstrukturen zumindest sehr gefährlich ist. Sind provisionsorientierte Lösungen damit generell abzulehnen? Sie sind zweifelsohne nicht mehr das „Mittel der Wahl“, die mit ihnen verbundenen Nachteile sind zu offensichtlich. Unternehmen mit zunehmender Reife und erhöhten Ansprüchen wachsen erfahrungsgemäß aus Provisionslösungen heraus. Lediglich in wenigen Ausnahmefällen sind Provisionsansätze empfehlenswert, wenn z. B. Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern nur schwer getroffen werden können: In neu aufzubauenden Vertriebsbezirken, im Innendienst, bei unklaren oder schwer zu definierenden Leistungszielen etc. Provisionslösungen sollten aber eher als Übergangsregelungen betrachtet werden. Vertraglich sollte demnach immer eine Auflösungsmöglichkeit für die Provision vorgesehen sein, um die notwendige Flexibilität für das Unternehmen sicherzustellen.

30

3. Die aktuelle Entwicklung der Vergütung im Verkauf Im Folgenden sollen die Trends der zeitgemäßen Vergütung im Verkauf erläutert und begründet werden.

3.1

Vertriebsvergütung im Wandel

Zunahme der leistungsabhängigen Vergütung Immer mehr Unternehmen streben für ihre Mitarbeiter leistungs- und erfolgsbezogene Vergütungskomponenten an. Dabei lassen sich zwei parallele Trends feststellen: Die Zahl der Außendienstmitarbeiter, die ausschließlich per Fixum vergütet werden, sinkt deutlich. Zum anderen werden Mitarbeiter in Unternehmensbereichen, in denen bislang variable Vergütungen ausgesprochen unüblich waren (z. B. Einkauf, Marketing, Produktmanagement, Entwicklung, Produktionsleitung etc.) in eine leistungsbezogene Vergütung integriert. Unternehmensleistung findet nie losgelöst von Mitarbeitern statt, sondern ist immer die Summe der Leistungen aller Mitarbeiter. Leistungs- und ertragsorientierte Vergütung ist ein Teil unserer Leistungskultur und findet gesellschaftliche Akzeptanz. In einer wirtschaftlichen Umwelt, die heute leistungsbezogener denn je ist, wirkt eine Vergütung ausschließlich per Fixum anachronistisch. Orientierung an der konkreten Mitarbeiterleistung Der variable Einkommensanteil des Mitarbeiters macht zusehends an seiner konkreten Leistung oder der des Teams fest, in das er integriert ist. Die Beteiligung an allgemeinen Erfolgsgrößen (wie Unternehmensgewinn) wird tendenziell abgelöst durch Leistungskriterien des Mitarbeiters bzw. des Teams. Dennoch ist weiterhin vorstellbar, dass Teile der variablen Vergütung an Kollektivkriterien festmachen, um ein ganzheitliches Denken beim Mitarbeiter zu bewirken. Solche Einkommenskomponenten machen dann aber eher an solchen Kollektivergebnissen fest, auf die der Mitarbeiter noch einen gewissen Einfluss hat (z. B. Deckungsbeitrag der Verkaufsabteilung) und weniger am Unternehmensgewinn. 31

Für Führungskräfte im Verkauf dagegen ist die Beteiligung am Unternehmensergebnis fast üblich, allerdings auch hier nur wieder mit einem (üblicherweise kleineren) Teil des variablen Gesamteinkommens. Der größere Teil ergibt sich aus der konkreten Führungsverantwortung. Eine ausschließliche Anbindung der variablen Vergütung an ein Kollektivergebnis, welches der Mitarbeiter nur noch sehr indirekt beeinflussen kann, würde zu wenig Anreize bieten und letztlich nach dem „Gießkannenprinzip“ erfolgen. Unternehmen schätzen an diesem Vergütungselement, dass es mit den Belastungsmöglichkeiten im Unternehmen „atmet“ (Kostenentlastung in „schlechten“ Zeiten und tragbare Kostenbelastung in „guten“ Zeiten). Eine wesentliche Mitarbeitermotivation darf aber von solchen Vergütungsansätzen nicht erhofft werden. In diesem Zusammenhang sei auf die variable Vergütung per Aktienoptionen hingewiesen, die in amerikanischen Unternehmen sehr verbreitet sind und auch in Deutschland zusehends an Bedeutung gewinnen, umso mehr, als immer mehr mittelständische Unternehmen sich als AG formieren. Hier wird Mitarbeiterinteresse verknüpft mit dem Interesse von Aktionären an einer positiven Kursentwicklung. Für die AG ist diese Art von Vergütung deshalb interessant, da die Kosten der Options-Wertsteigerung (sofern sie eintritt) nicht vom Unternehmen getragen wird, sondern vom Aktienmarkt. Natürlich stellt auch die Vergütung des Mitarbeiters über Aktienoptionen eine Beteiligung an einem sehr allgemeinen Erfolgskriterium dar. Allzu hohe Motivationseffekte für den konkreten Leistungsbereich des Mitarbeiters sind nicht zu erwarten. Deshalb sollte die Aktienoption immer nur einen kleineren Teil der leistungsorientierten Vergütung des Mitarbeiters belegen. Eine ganze Reihe von Unternehmen gewähren ihren Mitarbeitern freie Erfolgsbeteiligungen. Nach Ermessen der/des Vorgesetzten wird hier dem Mitarbeiter eine variable Vergütung zuerkannt, geknüpft z. B. an eine pauschale Leistungsbeurteilung des Mitarbeiters, evtl. in Verbindung mit der Gesamtertragslage des Unternehmens. Solche Beteiligungen wandeln sich nicht selten in feste Besitzstände des Mitarbeiters, die nur noch „nach oben“ angepasst werden, jedoch nicht mehr „nach unten“. Derartige Vergütungen haben noch weniger als Provisionen mit der Idee der Mitarbeiterführung und des Mitarbeitercoaching zu tun. In derartigen Vergütungssystemen werden Mitarbeiter nicht systematisch an gute Leistungen herangeführt, die sie in Form vereinbarter Leistungsziele erbringen, sondern diese Vergütungsansätze erfüllen eher eine Alibi-Funktion. 32

Ertragsorientierung Die moderne Vergütung im Verkauf vergütet zu einem wesentlichen Teil Ertragskriterien. Dabei steht der vom Mitarbeiter oder vom Team erwirtschaftete Deckungsbeitrag des eigenen Profit-Centers im Mittelpunkt. Der Vertrieb des Unternehmens (und darüber hinaus weitere Funktionsbereiche) wird in zahlreiche Profit-Center strukturiert, wobei jedes Profit-Center wie ein Unternehmen im Unternehmen handeln soll. Der Unternehmensertrag soll auf diese Weise sichergestellt werden. Die Mitarbeiter sollen zu einem unternehmerischen Denken geführt werden. In den meisten Unternehmen ist das Ertragsdenken eine Domäne der Geschäftsleitung bzw. der Führungskräfte. So bleibt das Denken und Handeln in Erträgen oft auf dem Weg „an die Front“ des Unternehmens stecken. Der Profit-Center-Aspekt erhält in modernen Vergütungskonzepten einen so hohen Stellenwert, dass ihm das Kapitel 4 dieses Buches gewidmet ist. Vergütung mehrerer Leistungskriterien Geradezu typisch für moderne Vergütungssysteme im Verkauf ist die gleichzeitige Vergütung mehrerer unterschiedlicher Leistungskomponenten. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass im Unternehmen nicht nur ein Ziel verfolgt wird (z. B. Deckungsbeitrag), sondern mehrere Ziele verfolgt werden. Diese werden im Vergütungssystem abgebildet, um die Gewähr dafür zu haben, dass die Interessen des Unternehmens wahrgenommen werden. Typische Außendienstziele sind z. B.: • Deckungsbeitrag des persönlichen Profit-Centers, • Umsatz, • Marktanteil, • Neukunden, • Forcierung strategisch wichtiger Kunden und Marktsegmente, • Forcierung bestimmter Produkte, • Forcierung von Aktionen, • Verbesserung der Kundenstruktur, • Verbesserung der Sortimentsbreite beim Kunden, 33

• Erhöhung der Besuchsquote beim Kunden, • Erhöhung der Listungsbreite, • Erhöhung von Kundenzufriedenheit, • Verbesserung der Distribution, • Reduktion von Forderungsausfällen, • usw. Dabei handelt es sich ausschließlich um rein quantitative Leistungskriterien, d. h. die Leistung des Mitarbeiters kann objektiv gemessen werden. Solche Leistungskriterien werden überwiegend angewandt. Denkbar sind aber auch qualitative Leistungskriterien, die im Rahmen von Beurteilungssystemen3 bewertet werden. Dies wird gerade im Hinblick auf die Mitarbeiterentwicklung immer bedeutsamer. Zur Vergütung derartiger Kriterien eignen sich Aspekte wie z. B.: • Teamfähigkeit, • Know How bzw. Bereitschaft zur Weiterbildung, • Durchführung von Wettbewerbsanalysen. • Qualität des Berichtswesens, • usw. Derartige qualitative Leistungskriterien werden meist über Punktesysteme in variable Vergütung umgesetzt. Mit dem Mitarbeiter werden z. B. qualitative Leistungsziele vereinbart, die in Bewertungspunkten festgelegt sind und deren Erreichung eine entsprechende Vergütung auslöst. Zielprämien statt Provisionen Von „Zielprämien“ spricht man, wenn die Mitarbeiterleistung (das „Soll“) über ein Ziel definiert wird und die Vergütung an die Zielerreichung gebunden ist. Die Zielerreichung löst also einen bestimmten Vergütungsbetrag aus. Die Zielüberschreitung kann diesen Betrag erheblich steigen lassen, während bei Nicht-Zielerfüllung dieser Betrag entweder ganz entfällt oder zumindest deutlich reduziert wird. 3

34

vgl. Zander, Ernst; Knebel, Heinz: Praxis der Leistungsbeurteilung, Leistung – wieder gefragt, 3. Auflage, Heidelberg: Sauer 1993

Zielorientierte Vergütungskriterien sind ganz eindeutig „im Kommen“. In den USA sind fast keine anderen Vergütungsinstrumente mehr im Einsatz. In Deutschland werden zwischen 30 % und 40 % der Mitarbeiter im Verkauf bereits mit Zielprämien vergütet, teilweise werden dabei Zielprämien mit anderen Vergütungsinstrumenten (z. B. Provisionen) kombiniert. Diese Entwicklung hat ihre Gründe in der zunehmend zielorientierten Führung und Steuerung der Mitarbeiter: In den Mitarbeiterzielen spiegeln sich die Absichten des Unternehmens wider. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass Ziele vereinbart und nicht einfach vorgegeben werden. Ziele stehen gleichzeitig für Freiräume der Mitarbeiter, in denen sie vereinbarte Ergebnisse in Eigenverantwortlichkeit realisieren. In diesem Sinne wird die Zielvereinbarung zur Führung und Steuerung unverzichtbar. Ziele dienen somit der Selbststeuerung der Mitarbeiter. Mit Zielprämien sind eine ganze Reihe von Vorteilen verbunden: ⇒ Das Unternehmen erreicht

• mehr Möglichkeiten zur verbesserten Leistungssteuerung, • Einbindung der Mitarbeiter in Unternehmensinteressen, • höhere Identifikation der Mitarbeiter mit Unternehmenszielen, • bessere Möglichkeit der Erfolgskontrolle, • koordinierteres Zusammenwirken. ⇒ Die Führungskraft

• leistet weniger Kontrolle, • hat mehr Zeit für Führung und Coaching, • erfährt Entlastung durch Delegation von Aufgaben über Ziele. ⇒ Der Mitarbeiter erfährt

• eine stärkere Einbindung ins Unternehmen und in dessen Interessen, • größere Handlungsspielräume, • mehr Eigenverantwortung, • mehr und klare Transparenz über Erfolg und Misserfolg, ⇒ eine höhere Motivation, da Leistungsziele klar benannt sind.

Zielprämien haben gegenüber Provisionen den Vorteil, dass dem Unternehmen eine hohe Flexibilität für strukturelle Änderungen (der Organisations35

strukturen, Gebietsstrukturen etc.) erhalten bleibt, ohne dass diese Änderungen einkommenswirksam würden. Ziele werden nicht nur jährlich bzgl. der zu erreichenden Leistungswerte neu definiert („was ist machbar?“), sondern neue Zielinhalte können alte ersetzen, wenn letztere an Bedeutung verlieren. In Anbetracht des raschen Wandels der Unternehmensumwelt ist dies ein enormer Vorteil. Mit Zielprämien wird die eigentliche Leistung des Mitarbeiters vergütet und nicht Zufälligkeiten wie Gebietspotenzial, Kundenstruktur etc. Insofern dient die Vergütung mit Zielprämien der langfristig angelegten Performance-Entwicklung des Mitarbeiters. Das Arbeiten mit Zielen ist so typisch für moderne Vergütungssysteme im Verkauf, dass diesem Thema das Kapitel 5 dieses Buches gewidmet ist. Vorwärtsorientierte Vergütung Moderne Vergütungskonzepte konzentrieren die variable, leistungsorientierte Vergütung auf den eigentlichen Leistungskorridor des Mitarbeiters. Die Zielerreichung wird z. B. entlohnt, nicht (oder zumindest weniger) die Basisleistung bzw. Vergangenheitsleistung.

Einkommen

variable Vergütung Fixum

„Leistungskorridor“

Leistung

Abbildung 10: Vorwärtsgewandte Vergütung

Dies bedeutet z. B., dass die Leistung des aktuellen Jahres in den Mittelpunkt der variablen Vergütung gerückt wird. Damit gehen steil ansteigende Vergütungskurven einher. Die Leistungsspitze soll ein entsprechend hohes variables Einkommen erfahren, Schlechtleistungen deutliche Einkommenseinbußen. Insofern schaffen moderne Vergütungssysteme mehr Spannung und Motivati36

on (Leistung „macht sich bezahlt“), während klassische Vergütungssysteme eher „langweilig“ in der Vergangenheit stecken bleiben und keine Vergütungsphantasie entwickeln. Derartige steil ansteigende Vergütungskurven sind mit verschiedensten Vergütungsinstrumenten realisierbar. Die Zielprämie ist jedoch die heute am häufigsten angewandte Lösung. Verhaltene variable Anteile Steigen einerseits immer mehr Unternehmen auf leistungsbezogene Vergütungssysteme um und beziehen gleichzeitig immer mehr Mitarbeiterbereiche in diese Vergütungen ein, so ist andererseits die Höhe des variablen Einkommensanteils am Gesamteinkommen im Sinken begriffen. Galt vor ca. 10 Jahren für Außendienstmitarbeiter noch ein variabler Einkommensanteil von durchschnittlich 40 % als üblich, so ist er mittlerweile auf durchschnittlich 30 % gesunken. Dies liegt einerseits sicherlich am wachsenden Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter, andererseits daran, dass „spannend“ gestaltete variable Vergütungsinstrumente zu deutlichen Einkommensschwankungen führen, selbst bei kleineren Leistungsschwankungen. Ist der variable Einkommensanteil zu hoch, riskiert der Mitarbeiter evtl. einen zu hohen Teil seines Gesamteinkommens. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss: Moderne Vergütungskonzepte brauchen keine allzu hohen variablen Vergütungsanteile und können dennoch „spannend“ (d. h. motivierend) vergüten. In früheren Jahren versuchte man häufig, durch hohe variable Einkommensanteile mehr „Spannung“ in die Vergütung zu bringen. Bei extrem niedrigem Fixeinkommen und dadurch möglichen steilen variablen Vergütungskurven „spürt“ der Mitarbeiter Leistungsverbesserungen einkommensbezogen viel stärker. Abbildung 11 macht diesen Zusammenhang deutlich. Zunächst zum „Fixum 1“, welches mit einem herkömmlichen Vergütungsinstrument (z. B. Provision) kombiniert wird (mit „variabler Vergütung 1.1“ bezeichnet). Die variable Vergütungskurve beinhaltet einen ausgesprochen flachen Anstieg. Senkt man jetzt das Fixum auf das Niveau „Fixum 2“ und erhöht den variablen Einkommensanteil entsprechend („variable Vergütung 2.2“), so ergibt sich ein steilerer Verlauf der Einkommenskurve. Wie man aber deutlich erkennt, bringt die Kombination „Fixum 1“ mit der „variablen Vergütung 1.2“ den steilsten Kurvenanstieg und damit die motivierendste Vergütungslösung. Ein solcher Kurvenverlauf entspricht den Ansätzen der modernen Vergütung im Vertrieb. 37

Einkommen

Variable Vergütung 1.2

Variable Vergütung 2.2 Variable Vergütung 1.1 Fixum 1 Fixum 2

100%

Leistung

Abbildung 11: Die Wirkung hoher variabler Einkommensanteile

Einbeziehung möglichst vieler Mitarbeiter in die variable Vergütung Während es noch vor wenigen Jahren als üblich angesehen wurde, nur die Außendienstmitarbeiter variabel und leistungsorientiert zu vergüten, gehen heute immer mehr Unternehmen dazu über, möglichst alle Mitarbeiter im Verkauf in ein variables Vergütungssystem zu integrieren. Dabei endet die variable Vergütung aber keinesfalls beim Verkaufsinnendienst, sondern geht weit über die Grenzen des Verkaufs hinaus. Letztlich sollen möglichst alle Mitarbeiter leistungsbezogen vergütet werden, da sie alle Einfluss auf die Unternehmensleistung haben. Die Einbeziehung möglichst aller Mitarbeiter im Unternehmen in eine variable Vergütung zielt im Wesentlichen darauf ab, • mehr leistungsbezogenes Denken im Unternehmen zu verankern, • möglichst alle Mitarbeiter in die Ziele des Unternehmens einzubinden, • alle Mitarbeiter stärker auf die Bedürfnisse des Marktes hin zu orientieren und damit die Anliegen des Vertriebs zu unterstützen (im Sinne einer Teamorientierung). Dabei ist darauf zu achten, dass alle Mitarbeiter, die in eine variable Vergütung einbezogen werden, mit Leistungskriterien vergütet werden, die sie auch persönlich beeinflussen können. Ansonsten würden sich die Mitarbeiter durch die variablen Vergütungskomponenten nicht wirklich angesprochen fühlen, der Motivationseffekt ginge verloren.

38

Teamorientierte Vergütungskonzepte Weiter oben wurde bereits aufgezeigt, dass zahlreiche Unternehmen auf die Notwendigkeit zu mehr Kundennähe mit der Einrichtung von Verkaufs-Teams antworten. In echten Teams gilt nicht nur eine gemeinsame Verantwortung, sondern es gelten gemeinsam vereinbarte Ziele. Eine Vergütung in Abhängigkeit vom gemeinsam erwirtschafteten Erfolg ist die logische Konsequenz. Da im Team jedes Teammitglied spezifische Aufgaben wahrzunehmen hat, ist durchaus denkbar, die Mitarbeiter im Team • sowohl nach gemeinsamen Erfolgskriterien • als auch nach individuellen Erfolgskriterien zu vergüten. Letztere spiegeln die persönlichen Funktionen wider, die das einzelne Teammitglied ins Team einbringt. Jede Team-Vergütung steht im Spannungsverhältnis der Vergütung individueller bzw. gemeinsamer Leistungskriterien. Dem wichtigen und speziellen Thema der Team-Vergütung widmet sich Kapitel 7.2.

3.2 Anforderungen an leistungsorientierte Vergütungskonzepte Aus den in Kapitel 3.1 erörterten Trends der modernen Vertriebsvergütung lassen sich als wesentliche Anforderungen ableiten: ⇒ Die Vergütung muss gerecht sein, d. h. sie muss der tatsächlichen Leis-

tung des Mitarbeiters entsprechen und darf nicht auf Zufälligkeiten beruhen. Leistungsstarke Mitarbeiter müssen mehr verdienen als leistungsschwache. ⇒ Die Vergütung muss die eigentlichen Ziele und Interessen des Unter-

nehmens widerspiegeln und damit eine Selbststeuerung der Mitarbeiter gewährleisten. Sie muss dem Führungs- und Steuerungssystem des Unternehmens entsprechen. ⇒ Sie muss motivierend sein, d. h. Spannung erzeugen und zu guten Leis-

tungen „verlocken“. Das Vergütungskonzept hilft so, Sattheitserscheinungen zu vermeiden. ⇒ Es müssen sich marktgerechte Einkommen ergeben. Ein noch so „span-

nend“ gestaltetes Vergütungssystem wird nicht motivieren, wenn sich bei Zielerfüllung Einkommen ergeben, die spürbar unter der Marktnorm 39

liegen. Marktgerechtigkeit der Einkommen heißt aber andererseits, dass „Einkommensexplosionen“ vermieden werden, die das Einkommensgefüge im Unternehmen sprengen. Andererseits muss das Vergütungssystem berechtigte Sicherheitsbedürfnisse der Mitarbeiter erfüllen. ⇒ Das Prinzip der Nachvollziehbarkeit und Eindeutigkeit muss gewähr-

leistet sein. Dies betrifft zum einen die Leistungsgrößen, die vergütet werden, zum anderen betrifft dies die Errechnung der variablen Vergütung. Hierzu zählt auch, dass das variable Vergütungssystem nicht kompliziert, sondern einfach und überschaubar gestaltet wird. ⇒ Die zu vergütenden Leistungskriterien müssen vom Mitarbeiter beein-

flussbar sein. Die Vergütung von nicht beeinflussbaren Kriterien wäre nicht motivierend und würde der Mitarbeiter als willkürlich empfinden. ⇒ Die Leistungsziele müssen fair, d. h. erreichbar sein. Utopische Ziele

demotivieren eher. ⇒ Das Vergütungskonzept sollte für den Mitarbeiter mehr Chancen als Ri-

siken beinhalten. Dies erleichtert nicht nur den Umstieg auf ein neues Vergütungsmodell, sondern dokumentiert dem Mitarbeiter dauerhaft, dass es beim Vergütungskonzept weniger darum geht, ihn zu bedrohen, als darum, ihn zu guten Leistungen zu motivieren. • Während traditionelle Vergütungssysteme sehr auf Sicherheit setzen, bevorzugen moderne Vergütungskonzepte ausgeprägte ChancenAngebote.

variabel variabel

Chance

variabel

Risiko

Chance Zieleinkommen

Fixum

variabel

Risiko

Fixum

herkömmliche Vergütung

zeitgemäße Vergütung

Abbildung 12: Der Wandel der Vergütungsstrukturen

40

• Das Vergütungskonzept sollte möglichst alle Mitarbeiter im Unternehmen einbeziehen und mit vernetzten Erfolgskriterien arbeiten. Dies beinhaltet zwei Vorteile: Zum einen sind die Mitarbeiter in das leistungsorientierte Führungs- und Vergütungskonzept eingebunden, zum anderen stellen durchgängige Vergütungskriterien sicher, dass der Erfolg des einen Mitarbeiters gleichzeitig zum Erfolg des anderen Mitarbeiters beiträgt. ⇒ Vergütungssysteme, die von sich wechselseitig unterstürzenden Erfolgs-

kriterien ausgehen, tragen dazu bei, dass Abteilungsgrenzen und Bereichsegoismen überwunden werden. Z. B. hilft es dem Vertrieb, wenn die Leistungsträger in der Produktion nach Qualitätsstandards, Termineinhaltung und Produktionskosten vergütet werden. Genauso hilft es, den Einkauf nach Senkung von Einkaufspreisen, Warenbereitstellung und Qualität zu vergüten. Umgekehrt hilft es der Technik, der Konstruktion und der Produktion, in die Vergütung der Verkäufer Elemente wie z. B. „Klarheit und Eindeutigkeit des Kundenauftrags“ zu integrieren. ⇒ Das Vergütungskonzept sollte Flexibilität in mehrfacher Hinsicht auf-

weisen, so z. B. bzgl. • der Änderung von Organisations-, Vertriebs- und Kundenstrukturen, • der Anpassung von Vergütungskriterien (Zielen) an sich verändernde

Erfordernisse im Unternehmen, • der Integration weiterer Mitarbeiter ins Vergütungskonzept. ⇒ Die leistungsbezogene Vergütung sollte leicht handhabbar und EDV-

kompatibel sein. Komplizierte manuelle Ermittlungen zur Vergütung der Mitarbeiter sollten vermieden werden. ⇒ Sehr bedeutsam ist die zeitlich unmittelbare Wirkung. Erfolg/Misserfolg

und Vergütung müssen in einem zeitlich unmittelbaren Zusammenhang stehen. Der Mitarbeiter muss mittels seiner leistungsbezogenen Vergütung ein schnelles Feedback über seinen Leistungsgrad erhalten. Bei Zielprämien, die auf Jahreszielen aufbauen, werden z. B. monatliche leistungsbezogene Abschläge vergütet.

41

3.3

Drei Gestaltungskriterien der Vergütung

Die drei zentralen Gestaltungskriterien der leistungsbezogenen Vergütung sind: ⇒ Personenkreis (Wer soll vergütet werden?) ⇒ Vergütungsbasis (Was soll vergütet werden?) ⇒ Vergütungsinstrument (Wie soll vergütet werden?)

Die Frage nach dem Personenkreis wird heute ganzheitlich beantwortet: Nicht einzelne „Insellösungen“ werden angestrebt, sondern möglichst alle Mitarbeiter (über den Vertrieb hinaus) sollen in die variable Vergütung integriert werden. Die Frage nach der Vergütungsbasis spricht die Leistungskriterien an, die vergütet werden sollen. Diese werden sich von Mitarbeiterkreis zu Mitarbeiterkreis unterscheiden und sollten sich wechselseitig ergänzen. Sie spiegeln die Ziele des Unternehmens wider, die auf die einzelnen Mitarbeiter heruntergebrochen werden. Die Ziele entsprechen der komplexen Gemengelage von Interessen und Strategien, die das Unternehmen verfolgt. Ist im Unternehmen geklärt, welche Personen mit welchen Leistungskriterien vergütet werden sollen, stellt sich die entscheidende Frage nach dem Vergütungsinstrument. Würde ein Vergütungskonzept so aufgebaut, dass ein breiter Personenkreis mit den „richtigen“ Vergütungskriterien unter Anwendung eines „langweiligen“ Vergütungsinstruments entlohnt würde, wäre die variable Vergütung wirkungslos. Sämtliche drei Gestaltungskriterien müssen beachtet werden, um ein wirklich leistungsstarkes Vergütungssystem zu konzipieren.

3.4

Die Höhe des variablen Einkommensanteils

Die Aufteilung des Mitarbeitereinkommens in fixe und variable Teile richtet sich nach unterschiedlichsten Gesichtspunkten. Zunächst ist der Grad der Beeinflussbarkeit der Vergütungskriterien ausschlaggebend für die Höhe des variablen Einkommensanteils. Als Grundanforderung gilt natürlich, dass nur vom Mitarbeiter beeinflussbare Vergütungskriterien angesetzt werden sollen. Entscheidend für die Höhe des variablen Einkommensanteils ist nun das Maß des Mitarbeitereinflusses auf die Vergütungskriterien. Ist ein hoher Einfluss gegeben, darf der variable Vergütungsan42

teil hoch sein. Ist der Einfluss dagegen niedrig, muss der variable Einkommensanteil niedrig sein. Außendienstmitarbeiter, die üblicherweise einen hohen Einfluss auf die Leistungskriterien haben, erhalten variable Vergütungsanteile von bis zu 40 %. Innendienstmitarbeiter mit Sachbearbeiterstatus liegen dagegen häufig nur bei 5 % bis 10 %. Ein Innendienstverkaufsleiter dagegen liegt mit seinem variablen Einkommensanteil meist bei 15 % bis 20 % des Gesamteinkommens. Die Funktion und der Aufgabenbereich des Mitarbeiters sind weiterhin entscheidend für die Höhe des variablen Einkommensanteils. So werden im Innendienst (auch bei hoher Beeinflussbarkeit der Vergütungskriterien) grundsätzlich niedrigere variable Einkommensanteile vergütet als im Außendienst. Selbst Innendienstmitarbeiter mit rein verkäuferischer Tätigkeit (z. B. im aktiven Telefonverkauf) kommen selten über einen variablen Anteil von 20 % hinaus. Bei Außendienstmitarbeitern ist die Höhe des variablen Einkommensanteils darüber hinaus abhängig von der Volatilität des Marktes, in dem der Außendienstmitarbeiter tätig ist. Umsatz- und ertragsmäßig stark schwankende Geschäfte führen eher zu kleineren variablen Einkommensanteilen (z. B. 20 %), da sich diese Schwankungen natürlich auch auf das Einkommen des Mitarbeiters übertragen. Beispiele für solche Märkte finden sich im Objekt- bzw. Projektgeschäft (z. B. Maschinen- und Anlagenbau). Derartige Geschäfte weisen darüber hinaus eine hohe Beratungsintensität auf: Die Realisierung derartiger Objekte zieht sich in die Länge und erstreckt sich teilweise über mehrere Monate oder Jahre. Wenn vom Verkäufer im Laufe eines Jahres nur einige wenige derartiger Objekte akquiriert werden können, würde ein hoher variabler Einkommensanteil zu erheblichen Einkommensschwankungen beim Mitarbeiter führen. In derart volatilen Märkten sollte darüber hinaus die variable Einkommenskurve des Mitarbeiters relativ flach gestaltet werden, um ein Überschwappen von volatilen Marktbewegungen auf das Mitarbeitereinkommen zu vermeiden. Dies geschieht z. B. durch Festlegung größerer Bandbreiten im „Leistungskorridor“ des Mitarbeiters (vgl. die Ausführungen zu Zielprämien in Kapitel 3.1 sowie in den Kapiteln 5.3 und 5.4). Natürlich existieren auch branchenbedingte Unterschiede. In manchen Branchen sind relativ hohe variable Einkommensanteile beim Außendienst üblich (z. B. liegt der durchschnittliche variable Einkommensanteil in der IT-Branche bei ca. 45 %), andere Branchen dagegen weisen tendenziell eher niedrige 43

variable Einkommensanteile auf (z. B. liegt der variable Einkommensanteil in der Nahrungsmittelbranche durchschnittlich nur bei ca. 10 %). Darüber hinaus hängt die Höhe des variablen Einkommensanteils auch vom gewählten Vergütungsinstrument ab: Handelt es sich um ein „spannend“, motivierend gestaltetes Vergütungskonzept (mit einer steil verlaufenden variablen Einkommenskurve), so genügt ein relativ niedriger variabler Einkommensanteil. Verläuft die Kurve der variablen Vergütung dagegen relativ flach („langweilig“), so benötigt man höhere variable Einkommensanteile, um dem Mitarbeiter eine Einkommensveränderung bei Gut- oder Schlechtleistungen überhaupt mitzuteilen. Bei jeder Umstellung auf ein neues Vergütungssystem muss ferner berücksichtigt werden, welche variablen Einkommensanteile bislang im Unternehmen üblich waren bzw. an welche variablen Einkommen die Mitarbeiter gewöhnt sind. Wurde bislang vornehmlich per Fixum vergütet, würden die Mitarbeiter wahrscheinlich sogar relativ übliche variable Einkommensanteile als Zumutung empfinden. Hier ist es ratsam, zunächst mit relativ bescheidenen variablen Einkommensanteilen zu starten (z. B. 15 % beim Außendienstmitarbeiter und 5 % beim Innendienstmitarbeiter), diese aber im Lauf der Jahre auszubauen. So könnte man sich z. B. mit den Mitarbeitern darauf verständigen, dass in den nächsten 3 bis 5 Jahren das Fixum nicht mehr angehoben wird, dafür aber der variable Einkommensanteil überproportional. Die jährlich fällige Einkommensanpassung würde sich in diesem Fall also ausschließlich über den variablen Einkommensanteil vollziehen. So lässt sich ein 15 %iger variabler Einkommensanteil binnen weniger Jahre zu einem 30 %igen entwickeln, allerdings auf relativ „sanftem“ Weg. Darüber hinaus muss bei der Überarbeitung eines bestehenden Vergütungssystems bzw. bei der Neueinführung eines Vergütungssystems Rücksicht auf die Bereitschaft der Mitarbeiter für (oder gegen) variable Vergütungsanteile genommen werden. Ist bei den Mitarbeitern eine eher reservierte Haltung festzustellen, wäre es sicherlich unklug, die variablen Vergütungsanteile zu hoch auszulegen. Auch hier empfiehlt sich ein allmählicher Ausbau der variablen Vergütungsanteile. Die Höhe des variablen Einkommensanteils ist also sehr unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab. Übliche Bandbreiten lassen sich wie folgt darstellen:

44

Innendienst Sachbearbeiter

Außendienst 5 % bis 10 %

Außendienstmitarbeiter 25 % bis 40 %

Innendienstverkäufer 10 % bis 20 %

Außendienstservice

5 % bis 15 %

Gruppenleiter

10 % bis 20 %

Gebietsverkaufsleiter

20 % bis 30 %

Leiter Innendienst

15 % bis 25 %

Verkaufsleiter

20 % bis 40 %

Geschäftsführer Vertrieb 25 % bis 40 %

45

4.

Der Profit-Center-Ansatz in der modernen Vergütung

Weiter oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Vergütung nach Deckungsbeiträgen einer der stärksten Trends der modernen Vergütung im Verkauf darstellt. Dabei wird üblicherweise vom Profit-Center-Ansatz ausgegangen.

4.1

Die Profit-Center-Philosophie

Profit-Center entsprechen einem sehr zeitgemäßen Ansatz der Unternehmensstrukturierung und Mitarbeiterführung. Generell ausgedrückt sind ProfitCenter eigenständige Ertragsbereiche im Unternehmen. Profit-Center haben Einfluss auf Umsatz- und Kostengrößen, die Differenz zwischen Umsatz des Profit-Centers und seinen Kosten ergibt den Ertrag, der als „Deckungsbeitrag“ ausgewiesen wird. In diesem Sinne erwirtschaftet das Profit-Center keinen Gewinn, da „Gewinn“ die gesamtunternehmerische Ertragsgröße ausdrückt. Der Deckungsbeitrag des Profit-Centers ist eben nur ein „Beitrag“ zur Deckung von Kosten, die außerhalb des Profit-Centers stattfinden, und eben zur Deckung des Unternehmensgewinns. Die ersten Ansätze für Profit-Center gehen etwa 80 Jahre zurück. Damals wurden beim US-Großkonzern General Electrics Produktsparten als „Unternehmen im Unternehmen“ betrachtet und mit einer eigenen Erfolgsrechnung ausgestattet. Gleichzeitig sollten sich die Unternehmensteile selbstständig und eigenverantwortlich führen. Der Erfolg dieser Einheiten wurde in „Profit“ (Deckungsbeitrag) gemessen. Dies macht den entscheidenden Ansatz der Profit-Center-Philosophie deutlich: Das Unternehmen als Ganzes ist eine komplexe und schwer zu steuernde Einheit. Es ist unflexibel und nur teilweise zu kontrollieren. Dem steht der Gedanke gegenüber, das Unternehmen in zahlreiche kleinere Einheiten aufzusplitten und diese Einheiten „an der langen Leine“ zu führen, d. h. sie mit gewissen Entscheidungsfreiheiten auszustatten und marktnah operieren zu lassen. Dies geht andererseits nur, wenn diese Einheiten eingebunden werden in eine Struktur, in der klare Rechenschaft abgelegt wird über Erfolg und Misserfolg, ausgedrückt in Deckungsbeiträgen. Diese Einheiten sollen sich nach 47

dem ertragswirtschaftlichen Prinzip selbst führen, sie sind gewissermaßen „erfolgsverpflichtet“. Freiräume und Eigenverantwortlichkeit sind nur eine Seite der Medaille: Anbindung an das Unternehmen über Leistungsziele und Deckungsbeitragsvorgaben sind die Kehrseite dieser Medaille. Die Ziele, die mit diesem Konzept verbunden werden, sind vielseitig: Zum einen soll eine höhere Flexibilität des Unternehmens erreicht werden, indem kleinere, entscheidungsfähige Einheiten „vor Ort“ gebildet werden, die über Kompetenz verfügen. Dies geht nur, wenn die Mitarbeiter dieser Einheiten Transparenz darüber erhalten, in welchen Feldern Erträge erwirtschaftet werden und in welchen nicht. Da die diesbezügliche Unternehmensrealität äußerst komplex ist (ertragsstarke Produkte stehen ertragsschwachen gegenüber; ertragsstarke Kunden/Marktsegmente stehen ertragsschwachen gegenüber), kann die Sicherstellung des Unternehmensertrags heute wohl nur noch erfolgen, wenn möglichst viele Mitarbeiter „vor Ort“ in solche Profit-CenterKonzepte eingebunden sind. Die zweite Intention des Profit-Center-Ansatzes ist also die Gewinnabsicherung im Unternehmen. Der „Gewinnstrom“ des Unternehmens wird gewissermaßen aus den „Ertragsbächen“ der einzelnen Profit-Center gespeist. Gelingt es, über unternehmerische Strukturen im Unternehmen diese „Gewinnbäche“ üppiger fließen zu lassen, ist der „Gewinnstrom“ des Unternehmens stabilisiert. Der Ansatz des „Unternehmens im Unternehmen“ bzw. des „Unternehmers im Unternehmen“ entspricht einem tragenden Gedanken der modernen Unternehmensstrukturierung: Durch rekursive Strukturen soll Selbstähnlichkeit entstehen. Rekursive Strukturen entsprechen dem Modell der „russischen Puppen“: Wie das Ganze, so seine Teile. Durch selbstähnliche Strukturen werden Unternehmen leichter und besser führbar. Der tragende Gedanke des Gesamtunternehmens durchdringt alle seine Teile. Selbstähnliche Strukturen machen die „lange Leine“ genau genommen erst möglich. Auf diese Weise soll Unternehmenskomplexität (interne wie externe) handhabbar, d. h. „managebar“ gemacht werden. Welche Unternehmenseinheiten lassen sich nun als Profit-Center installieren? Die ersten Profit-Center waren relativ große Einheiten: Tochterunternehmen, Niederlassungen, Filialbetriebe, Geschäftsbereiche, Abteilungen. Der ProfitCenter-Ansatz geht heute bis zum einzelnen Mitarbeiter oder Team und definiert diesen/dieses als Profit-Center. So wird der Außendienstmitarbeiter bzw. der Innendienstmitarbeiter als „One-Man-Profit-Center“ verstanden oder z. B. das Team aus Außendienstmitarbeitern und Innendienstmitarbeitern. Natür48

lich sind Gebietsverkaufsleiter ebenso Profit-Center wie Projektleiter. Die gesamte Verkaufsabteilung ist ein Profit-Center. Ebenso sind die Produktmanager als Profit-Center zu betrachten. Das Marketing und auch Produktionsbereiche können als Profit-Center dargestellt werden. Nahezu sämtliche Unternehmensbereiche können so in den Profit-Center-Ansatz integriert werden, um Selbststeuerung und Erträge sicherzustellen. Neben diesen „Führungs-Profit-Centern“ oder „Organisations-Profit-Centern“ werden die sogenannten „Informations-Profit-Center“ unterschieden, die ausschließlich informativen Charakter besitzen und dem Vertriebscontrolling (im Sinne einer Statistik) dienen: Sie geben z. B. Auskunft über die Rentabilität bestimmter Produktgruppen und Kunden bzw. Kundengruppen/Marktsegmente. Insofern haben die Informations-Profit-Center eine hohe Bedeutung für die Organisations-Profit-Center: Sie geben den Organisations-ProfitCentern die Hinweise, durch Forcierung welcher Produkte und Kunden der Ausbau der Deckungsbeiträge am ehesten erfolgen kann. Profit-Center erfüllen im Wesentlichen zwei Aufgaben: • Als organisatorischer Ansatz helfen sie, Unternehmen flexibler und besser managebar zu machen: Kleine entscheidungsfähige Einheiten „vor Ort“ steuern sich selbst und helfen, Erträge sicherzustellen. • Sie geben Transparenz darüber, in welchen Unternehmensfeldern und bei welchen Mitarbeitern mehr oder weniger Ertrag (Deckungsbeitrag) erwirtschaftet wird und welche Unternehmensfelder ausgebaut werden sollen, bzw. wie die einzelnen Mitarbeiter mehr Ertrag sicherstellen können. Aufgabe der Informations-Profit-Center ist es, die Kunden- und Produktumsätze auf deren Ertragskraft zu analysieren. Aufgabe der Organisations-ProfitCenter ist es, die Mitarbeiter und Abteilungen in die Ertragssicherstellung einzubinden. Wenn dem Unternehmen an der Sicherstellung eines Gewinns liegt, müssen möglichst viele Mitarbeiter in den Profit-Center-Ansatz eingebunden werden. Das Ziel „Unternehmensgewinn“ wird so aufgespalten in Leistungsziele des einzelnen Mitarbeiters oder Teams. Die Mitarbeiter lösen so das Problem des Unternehmens und nicht umgekehrt. Man erkennt, dass der Profit-Center-Ansatz drei Funktionen sicherstellt: Führung

(die Führungsidee ist die des „Unternehmers im Unternehmen“),

Steuerung (im Sinne einer Selbststeuerung hin zu den „richtigen“ Zielen), Vergütung (als Brücke zwischen Leistung und Einkommen). 49

Nun sind erfahrungsgemäß mit dem Profit-Center-Ansatz eine ganze Reihe von Befürchtungen verbunden. Im Wesentlichen konzentrieren sich diese Befürchtungen auf folgende Aspekte: 1. Man betrachtet es als gefährlich, Mitarbeiter in Internas wie Produktionskosten, Einkaufspreise, Kundendeckungsbeiträge etc. einzuweihen, da die Mitarbeiter auf diese Weise eine zu große Transparenz erhielten. Es zeichnet entwickelte, reife Unternehmen geradezu aus, dass sie immer stärker versuchen, die Mitarbeiter in die eigentlichen Ziele des Unternehmens einzubinden. Unternehmen mit wissenden Mitarbeitern können sicherlich erfolgreicher sein als solche mit unwissenden Mitarbeitern. 2. Mitarbeiter, die Transparenz haben, könnten mit den Informationen Missbrauch begehen und sie zum Schaden des Unternehmens anwenden. Z. B. wird befürchtet, dass Produkte und Leistungen mit hohen Deckungsbeiträgen zukünftig billiger verkauft werden oder dass Deckungsbeitragsinformationen an den Wettbewerb fließen. Die Sorge vor Preisabstürzen ist deshalb unbegründet, da die Mitarbeiter zukünftig nach Deckungsbeiträgen vergütet werden und nicht etwa nach Umsätzen. Ein Mitarbeiter, der mit zusätzlichen Preisreduzierungen verkauft, würde seine Deckungsbeiträge nachhaltig schmälern und sich die Einkommensbasis geradezu entziehen. Gerade Preisnachlässe führen zu gewaltigen Deckungsbeitragseinbrüchen. Deckungsbeitragsorientierte Vergütungskonzepte führen im Gegenteil zu einer stärkeren Preisverteidigung durch den Mitarbeiter. Die Gefahr der Weitergabe von Deckungsbeitragsinformationen an den Wettbewerb wird meist überschätzt. Da die Unternehmen einer Branche meist sehr ähnliche Ertragsstrukturen bzgl. Produkten und Leistungen aufweisen (an bestimmten Produkten/Leistungen verdienen alle Unternehmen der Branche, an anderen verdient keines), haben derartige Informationsabflüsse meist nur geringen Informationswert für den Wettbewerber. Besteht jedoch ernsthafte und nachhaltige Gefahr von derartigen Informationsweitergaben, kann dies durch Ansatz von Verrechnungskosten in der Deckungsbeitragsrechnung verhindert werden: Die Deckungsbeiträge werden nicht auf Basis der tatsächlichen Produktkosten erstellt, sondern auf Basis von Verrechnungskosten, die z. B. entsprechende Aufschläge enthalten und zum Ausweis niedrigerer Deckungsbeiträge führen, ohne den Steuerungseffekt des Profit-Center-Ansatzes nachhaltig zu verfälschen. 50

3. Es besteht die Befürchtung, dass im Profit-Center-Ansatz Kunden und Produkte mit relativ niedrigen Deckungsbeiträgen vom Mitarbeiter vernachlässigt würden. Der Mitarbeiter würde sich z. B. nur auf ertragsstarke Kunden und Produkte konzentrieren, während die ertragsschwachen „auf der Strecke“ blieben. Auch dabei handelt es sich um ein Missverständnis, da ein Verzicht auf derartige Umsätze wiederum zu niedrigeren absoluten Deckungsbeiträgen führen würde. Auf der Basis dieser absoluten Deckungsbeiträge wird der Mitarbeiter aber vergütet. Natürlich geht es nicht darum, diese Umsätze zu eliminieren, da sie ja immerhin noch Deckungsbeiträge bringen (wenn auch nur kleine). Es geht vielmehr darum, unter Beibehaltung dieser Umsätze das weitere Wachstum mit den ertragreicheren Umsätzen zu suchen. Unterteilt man die Umsätze (des Unternehmens oder des Mitarbeiters) in drei Gruppen, nämlich in A-Umsätze (besonders ertragreiche Produkte bzw. Kunden), B-Umsätze (mittlere Ertragskraft von Produkten bzw. Kunden), C-Umsätze (ertragsschwache Produkte bzw. Kunden), so geht es generell darum, Kunden-Mix und Produkt-Mix im Lauf der Zeit zu verbessern. Dies geht über einen relativen Ausbau der A- und BBereiche. Die Umsatzstruktur vieler Unternehmen ist gekennzeichnet durch einen kleinen A-Bereich, durch einen mittleren B-Bereich und durch einen großen C-Bereich. Wird der Umsatz der nahen Zukunft zu einer Umsatzsäule führen, wie sie im rechten Teil der Abbildung 13 dargestellt ist, so besteht das Ziel darin, die C-Umsätze zwar nicht zu eliminieren, aber mit den CUmsätzen nicht das eigentliche Wachstum zu suchen. Das Wachstum sollte betont bei den A- und B-Umsätzen gesucht werden. Dies ist auch der Grund dafür, dass die absoluten Deckungsbeiträge im Mittelpunkt der Mitarbeitersteuerung und -entlohnung stehen müssen. Wird vom absoluten Deckungsbeitrag entlohnt, finden auch noch die CUmsätze eine entsprechende Würdigung. Allerdings wird die Aufmerksamkeit des Mitarbeiters vor allem darauf konzentriert sein, A- und BUmsätze zu forcieren.

51

A hoch rentierliche Umsätze rentierliche Umsätze niedrig rentierliche Umsätze

A

B

B

C

C

Umsatzstruktur derzeitig

Umsatzstruktur in 3 Jahren

Abbildung 13: Systematischer Ausbau der ertragreichen Umsätze

4. Es wird befürchtet, dass Profit-Center zu Abteilungsbarrieren führen und ein Arbeiten gegeneinander statt miteinander stattfindet. Weiter oben4 wurde bereits deutlich gemacht, dass moderne Vergütungskonzepte von vernetzten Erfolgskriterien auszugehen haben, die sich wechselseitig unterstützen. Zahlreiche Mitarbeiter sind in das Vergütungssystem eingebunden und werden auf der Basis von Erfolgskriterien vergütet, die auf gemeinsamen Interessen aufbauen. Produktmanager, Marketingfachleute, Produktionsmitarbeiter etc., die nach Deckungsbeiträgen vergütet werden, helfen auf diese Weise dem Vertrieb, Deckungsbeiträge sicherzustellen. Darüber hinaus beinhaltet der variable Einkommensanteil des Mitarbeiters häufig eine Team-Komponente. Neben dem individuellen Deckungsbeitrag des Mitarbeiters wird z. B. ein Gesamtdeckungsbeitrag des Vertriebs vergütet, um so das Entstehen von Egoismen zu verhindern. 5. Eine weitere Befürchtung richtet sich darauf, dass Mitarbeiter, die nach Deckungsbeiträgen vergütet werden, nur noch Deckungsbeiträge sicherstellen und andere Unternehmensziele vernachlässigen. Es wurde an anderer Stelle5 bereits darauf hingewiesen, dass moderne Vergütungskonzepte von mehreren Vergütungskriterien ausgehen, die gleich4

vgl. Kapitel 3.2

5

vgl. Kapitel 3.1

52

zeitig vergütet werden. Dabei kommt dem Deckungsbeitrag meist eine hervorgehobene Stellung zu. Gleichzeitig gilt es aber, weitere Ziele und Interessen des Unternehmens sicherzustellen, die dann auch ins Vergütungssystem integriert werden müssen. Nun wurde bereits angedeutet, dass möglichst viele Bereiche des Unternehmens als Profit-Center geführt werden sollen. Dabei stößt der Profit-CenterAnsatz an gewisse Grenzen: Typische Verwaltungsbereiche sind z. B. keine originären Profit-Center mehr (es sei denn, diese Bereiche würden ihre Leistungen innerhalb des Unternehmens zu Verrechnungspreisen „verkaufen“, so dass ihnen ein Umsatz zurechenbar wäre; dies ist ein theoretisch gangbarer Weg, der aber in seiner praktischen Umsetzung recht komplex ist). Das CostCenter ist die logische Fortsetzung des Profit-Center-Ansatzes: Wo ProfitCenter nicht mehr installiert werden können oder sollen, können Unternehmenseinheiten (und auch Mitarbeiter) als Cost-Center geführt werden (wobei „Cost-Center“ nicht einfach gleichzusetzen sind mit dem Begriff der „Kostenstelle“, der aus der Kostenrechnung stammt). Mitarbeiter in Cost-Centern können natürlich in Budgets eingebunden werden und helfen, Kostenziele zu erfüllen bzw. zu unterschreiten. So tragen auch sie zum Ertragsdenken im Unternehmen bei.

4.2

Der stufenweise Deckungsbeitrag im Profit-Center

Basis des Arbeitens im Profit-Center ist das Denken in Deckungsbeiträgen. Dieser Deckungsbeitrag soll Unternehmenskosten decken, die außerhalb des Profit-Centers anfallen und natürlich soll er darüber hinaus zum Unternehmensgewinn beitragen. Der Deckungsbeitrag des Profit-Centers errechnet sich wie folgt: ./. ./.

./.

Bruttoumsatz einer Periode (z. B. Monat, Jahr) Erlösschmälerungen (Skonti, Boni etc.) Nettoumsatz Produktkosten/Leistungskosten (Wareneinsatz, Fertigungslöhne, Transportkosten etc.) Deckungsbeitrag I (DB I) direkt zurechenbare Kosten des Profit-Centers y typische Kostenstellenkosten y in Anspruch genommene Kosten Deckungsbeitrag II (DB II) = Vergütungsbasis 53

Man geht also zunächst vom Bruttoumsatz aus, der einem Profit-Center entsprechend seiner Verantwortung in einem bestimmten Zeitraum zugerechnet werden kann. Von diesem Bruttoumsatz werden dann die Erlösschmälerungen in Abzug gebracht, die für die Bruttoumsätze anzusetzen sind. Skonti, Boni, Rabatte, Delkrederegebühren etc. dürfen genau genommen nicht mit Bruttoumsätzen kombiniert werden, die zeitlich nicht mit den Erlösschmälerungen übereinstimmen (z. B. wäre es falsch, die (vielleicht niedrigen) Umsätze des Monats Januar mit Erlösschmälerungen der Finanzbuchhaltung aus dem Januar zu kombinieren, da diese Erlösschmälerungen für (vielleicht hohe) Umsätze aus November und Dezember angefallen sind). Der ProfitCenter-entsprechende Ansatz besteht darin, den Bruttoumsätzen eines Monats die Erlösschmälerungen gegenüberzustellen, die für diese Umsätze zu erwarten sind (d. h. wahrscheinlich anfallen werden). Dabei wird EDV-seitig entweder auf Standardlösungen zurückgegriffen (indem z. B. durchschnittliche Erlösschmälerungen angesetzt werden), was aber zu relativ ungenauen Deckungsbeiträgen führt. Oder es werden kundenspezifische Erlösschmälerungen angesetzt, die z. B. dem Kundenstamm entnommen werden (was erfahrungsgemäß zu den genauesten Deckungsbeiträgen führt). Was die Produktkosten/Leistungskosten anbetrifft, so handelt es sich streng genommen um die kostenrechnerischen Grenzkosten bzw. die variablen Stückkosten der Leistungseinheit (Produkt oder Dienstleistung). Grenzkosten sind im Sinne des Controlling sämtliche Kosten, die bei der Erstellung eines Produkts/einer Leistungseinheit „verbraucht“6 werden. Man könnte auch von den „unmittelbaren“ Kosten des Produkts/der Leistung sprechen. Hierzu zählt der Materialeinsatz bzw. Wareneinsatz, es zählen hierzu die Energiekosten, die zur Herstellung des Produkts benötigt werden, und sämtliche Personalkosten, die mit der unmittelbaren Leistungserstellung verbunden sind. Auch Kommissionier- und Transportkosten zählen dazu, um nur einige Kostenarten zu erwähnen. In Unternehmen, in denen der Wareneinsatz/Materialeinsatz einen hohen Stellenwert einnimmt (z. B. Handelsunternehmen und Unternehmen, die hochwertigste Rohstoffe verarbeiten), ist es üblich, den Nettoumsatz nicht gleich um die gesamten Produktkosten/Leistungskosten zu bereinigen, sondern als Zwischenstufe den Rohertrag auszuweisen:

6

54

vgl. Deyhle, Albrecht: Controller-Praxis, 2 Bände, 13. Auflage, Gauting: Verlag für Controllingwissen 2000

./. ./.

Nettoumsatz Wareneinsatz (zu tatsächlichen Nettoeinkaufspreisen) Rohertrag sonstige Produktkosten/Leistungskosten Deckungsbeitrag I (DB I)

Daraus folgt, dass ein Rohertrag immer nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zum Deckungsbeitrag darstellt und nicht etwa mit dem DB I gleichgesetzt werden kann. Die Produktkosten/Leistungskosten sollten also auf Basis der Einkaufspreise, Grenzkosten bzw. variablen Kosten angesetzt werden, um „echte“ Deckungsbeiträge auszuweisen. Exakt so wird der Deckungsbeitrag definiert. Würde man Produktkosten/Leistungskosten um fixe Kostenbestandteile (z. B. Abschreibungen, Gehälter von Führungskräften der Produktion, Verwaltungskosten etc.) anreichern, würden streng genommen keine Deckungsbeiträge mehr entstehen (der Deckungsbeitrag soll die fixen Kosten ja decken und nicht bereits vorwegnehmen). Derartige Überschüsse werden in der Literatur (oft auch im Management) nicht als Deckungsbeiträge bezeichnet, sondern als „Gross-Profits“. Das Arbeiten mit derartigen Gross-Profits (anstelle von Deckungsbeiträgen) kann dann Sinn machen, wenn man im Unternehmen nicht die tatsächlichen Deckungsbeiträge ausweisen möchte bzw. mit entsprechend niedrigeren Gross-Profits arbeiten möchte. Mit Gross-Profits zu arbeiten ist auch dann nahe liegend, wenn innerhalb des Unternehmens eine Profit-Center-Struktur aufgebaut wird, in der das eine Profit-Center (z. B. Produktion) seine Leistung dem nächsten Profit-Center (z. B. Vertrieb) „verkauft“. Hier handelt es sich gewissermaßen um einen unternehmensinternen Markt (mit selbstregulierenden Marktkräften) auf der Basis von Verrechnungspreisen. Das „gebende“ Profit-Center muss seine gesamten Kosten aus dem Verrechnungspreis decken, die ihm vom „nehmenden“ Profit-Center bezahlt werden. Natürlich müssen diese Verrechnungspreise auch die fixen Kosten des gebenden Profit-Centers decken sowie einen Aufschlag für Profit beinhalten, den das gebende ProfitCenter einkalkulieren muss. Manche Unternehmen setzen in der Deckungsbeitragsrechnung der ProfitCenter nicht die reinen Grenzkosten bzw. variablen Kosten an, sondern reichern diese um einen „Korrekturfaktor“ an, der zweierlei bewirken soll:

55

• Verhinderung der völligen Transparenz über Produktkosten/Leistungskosten und Deckungsbeiträge • Eine zusätzliche Steuerung der Mitarbeiter, indem z. B. strategische Ziele des Unternehmens Eingang in den Korrekturfaktor finden (die Kosten der zu forcierenden Produkte erhalten eine geringere Beaufschlagung als die Kosten solcher Produkte, an deren Verkauf das Unternehmen nicht primär interessiert ist). Hier findet also eine „Deckungsbeitragsregulierung“ statt, um durch „Zulassung“ entsprechend hoher oder niedriger Deckungsbeiträge Verkaufsbemühungen zu kanalisieren. Durch Ermittlung des DB I wird also der Überschuss ausgewiesen, den das Profit-Center über Erlösschmälerungen und Produktkosten/Leistungskosten hinaus erwirtschaftet. So wäre z. B. denkbar, dass zwei Außendienstmitarbeiter denselben DB I erbringen: Außendienstmitarbeiter 1

Außendienstmitarbeiter 2

1.000.000,- €

1.150.000,- €

Produktkosten/Leistungskosten

600.000,- €

750.000,- €

DB I

400.000,- €

400.000,- €

40 %

34,8 %

Nettoumsatz

DB I %

Der Außendienstmitarbeiter 2 liefert zwar den höheren Umsatz ab, hat aber eindeutig die schlechtere Umsatzqualität (= relativer Deckungsbeitrag). Würde es sich um zwei potenzialgleiche Verkaufsbezirke handeln, hätte der Außendienstmitarbeiter 2 den höheren Marktanteil, jedoch die schlechtere Ergebnisqualität als Außendienstmitarbeiter 1. Auf die möglichen Gründe hierfür sowie auf die Ansätze zur Beeinflussung von Deckungsbeiträgen wird ausführlich in Kapitel 4.5 eingegangen. Soweit zum DB I. Dieser ist allerdings noch nicht die Basis der Mitarbeitervergütung, sondern diese wird erst durch den DB II gewährleistet. Jedes ProfitCenter verursacht bzw. beeinflusst nämlich Kosten im eigenen Profit-Center. Diese werden unter dem Begriff der „direkt zurechenbaren Kosten“ angesetzt. Zunächst verbraucht das Profit-Center seine ureigensten Kosten selbst, die typischerweise als Kostenstellenkosten anfallen. Bei einem Außendienstmitarbeiter würde es sich z. B. um folgende Kosten handeln: 56

• Gehalt (Fixum) • Folgekosten des Fixums (z. B. Jahresabschlussleistung, Urlaubsgeld) • Kfz-Kosten, Reisekosten • Kommunikationskosten (Telefon, Fax) • Bewirtungen • etc. Daneben können im Profit-Center die in Anspruch genommenen Kosten angesetzt werden. Dabei handelt es sich um Kosten anderer Profit-Center oder Unternehmensbereiche, die vom betrachteten Profit-Center genutzt werden (typische Support-Kosten). Bei einem Außendienstmitarbeiter könnte es sich z. B. um folgende Kosten handeln: • Musterkosten, • Präsente für Kunden, • Unterstützung durch interne Mitarbeiter (Technik, Produktmanagement) beim Kunden (z. B. Einsatz solcher Mitarbeiter beim Kunden), • Kosten für umfangreiche technische Angebote (z. B. Sonderkonstruktionen), • Forderungsausfälle, • etc. Beim Ansatz derartiger Kosten wird von dem Gedanken ausgegangen, dass Kostenmanagement „vor Ort“ stattfinden muss, um effizient zu sein. Die Mitarbeiter können selbst am besten beurteilen, welche Leistungen (= Kosten) notwendigerweise in Anspruch genommen werden müssen bzw. inwieweit derartige Kosten nur eingeschränkt zu nutzen sind. In diesen Kostenbereichen ergeben sich nach Einführung von Profit-Centern oft nachhaltige Kosteneinsparungen. Für den Ansatz dieser Kosten gelten zwei Forderungen: • Es dürfen nur solche Kosten angesetzt werden, auf die der Mitarbeiter wirklich Einfluss hat. • Es sollten dabei nur solche Kosten erfasst werden, die von Bedeutung sind (Kosten von nachrangiger Bedeutung bringen mehr Arbeit als Erfolg). In typischen Handelsvertreter-Profit-Centern fallen meist keine Kostenstellenkosten an, da diese vom Handelsvertreter selbst getragen werden. Wohl aber 57

fallen „in Anspruch genommene Kosten“ an. Auch ein Handelsvertreter-ProfitCenter wird also üblicherweise bis zu einem DB II geführt. Was hat es nun mit Kostenumlagen auf sich? Sollen Kosten, die außerhalb des Profit-Centers stattfinden (z. B. Verwaltungskosten, EDV-Kosten, Geschäftsleitungskosten) auf die Profit-Center „umgelegt“ (geschlüsselt) werden? Dies wäre geradezu widersinnig: Zwar nutzt das Profit-Center natürlich diese Unternehmenseinrichtungen, jedoch sind diese Nutzungen meist indirekt und lassen sich dem Verkaufs-Profit-Center nicht mehr exakt zurechnen. Man wäre auf Kostenschlüsselungen angewiesen, die natürlich immer Willkürcharakter haben. Der nachhaltigste Effekt, der erzielt würde, bestünde darin, dass sich die Mitarbeiter mit ihrem Profit-Center nicht mehr identifizieren würden, da umfangreiche Kosten in ihr Profit-Center hineingerechnet würden, die sie selbst nicht beeinflussen können. Das Ergebnis des Profit-Centers wäre in einem hohen Maß fremdbestimmt und zufallsorientiert. Das Profit-Center hat die Aufgabe, durch Erwirtschaftung von Deckungsbeiträgen solche Unternehmensfixkosten zu decken (und nicht etwa sie aufzunehmen). Eine gute Unternehmenssteuerung kann nicht dadurch gelingen, Unternehmensfixkosten willkürlich auf einige wenige Profit-Center umzulegen (wo sie nicht beeinflusst werden können), sondern sie gelingt dadurch, dass möglichst viele Profit-Center (und Cost-Center) im Unternehmen eingerichtet werden. Ist das gesamte Unternehmen in Profit-Center und Cost-Center gegliedert, sind alle Kosten des Unternehmens tatsächlich kostenrechnerisch „untergebracht“, allerdings dort, wo sie beeinflusst werden können. Der zentrale Begriff für die Zurechenbarkeit von Kosten ins Profit-Center ist der des „Verursachungsprinzips“: Das Profit-Center hat diejenigen Kosten aufzunehmen, die es unmittelbar verursacht oder beeinflusst. Das hier dargestellte Abrechnungsmodell für Profit-Center im Verkauf endet also mit dem DB II. Natürlich ist denkbar, weitere DeckungsbeitragsZwischenstufen auszuweisen, indem z. B. die Kosten des Profit-Centers in Etappen abgerechnet werden. So gelangt man z. B. zu einem DB III oder DB IV. Das Beispiel eines Verkaufsleiter-Profit-Centers soll dies verdeutlichen: ./. ./.

58

Bruttoumsatz der gesamten Verkaufsabteilung Erlösschmälerungen Nettoumsatz Produktkosten Deckungsbeitrag I (DB I)

./.

./. ./.

4.3

Kosten der Außendienstmitarbeiter und Innendienstmitarbeiter (Personal- und Sachkosten) Deckungsbeitrag II (DB II) Marketingkosten (Messen, Werbung etc.) Deckungsbeitrag III (DB III) Kosten des Verkaufsleiters Deckungsbeitrag IV (DB IV) = Vergütungsbasis des Verkaufsleiters

Außendienst- und Innendienst-Profit-Center

Profit-Center im Verkauf sind zunächst einmal die der Außendienstmitarbeiter. Dabei folgt die Profit-Center-Struktur der Organisationsstruktur im Vertrieb. Sind die Außendienstmitarbeiter als Individuen tätig, macht das ProfitCenter am einzelnen Mitarbeiter fest. Bearbeiten mehrere Außendienstmitarbeiter im Team einen bestimmten Kundenkreis, ist das Team ein Profit-Center. Sind Außendienstmitarbeiter und Innendienstmitarbeiter in Teams integriert, ist dies die Profit-Center-Struktur. Beispielhaft seien drei Außendienst-Profit-Center nebeneinandergestellt: Gesamt

ADM 1

ADM 2

ADM 3

usw.

Bruttoumsatz ./.Erlösschmälerungen

155.000.000,13.175.000,-

2.500.000,230.000,-

3.750.000,335.000,-

3.970.000,435.000,-

..,..,-

Nettoumsatz ./. Produktkosten/ Leistungskosten

141.825.000,-

2.270.000,-

3.415.000,-

3.535.000,-

..,-

78.004.000,-

1.203.000,-

1.946.500,-

2.121.000,-

..,-

DB I % Direkte Kosten

63.821.000,45 % 14.121.000,-

1.067.000,47 % 220.000,-

1.468.500,43 % 235.000,-

1.414.000,40 % 248.000,-

..,-

DB II %

49.700.000,35,0 %

847.000,37,3 %

1.233.500,36,1 %

1.166.000,33,0 %

..,-

..,-

Tabelle 1: Drei Profit-Center im Vergleich

59

Die Bruttoumsätze der Außendienstmitarbeiter entsprechen den Kundenzuordnungen zu den einzelnen Außendienstmitarbeitern7. Die Erlösschmälerungen entsprechen den Konditionen, die den Kunden eingeräumt wurden, und sind von Außendienstmitarbeiter zu Außendienstmitarbeiter meist unterschiedlich. Hier zeigt sich, inwieweit der einzelne Mitarbeiter in der Lage ist, die Konditionen des Unternehmens zu vertreten und im Markt durchzusetzen. Die Produktkosten/Leistungskosten des einzelnen Außendienstmitarbeiters stehen für die Kosten der Produkte und Leistungen, die er verkauft hat. EDVseitig sind diese Kosten abgespeichert (z. B. im Artikelstamm) und können entsprechend statistisch ausgewertet werden. Der DB I der Mitarbeiter spiegelt deren Ertragskraft (vor eigenen Kosten) wider. Bzgl. des absoluten Deckungsbeitrags weist der Außendienstmitarbeiter 2 das beste Ergebnis auf, während der Außendienstmitarbeiter 1 den schwächsten Ertrag abliefert. Unterstellt man, dass die Verkaufsbezirke zwar bzgl. des Umsatzpotenzials sehr unterschiedlich sind (Außendienstmitarbeiter 1 hat z. B. einen potenzialschwachen Bezirk), jedoch bzgl. ihrer Kunden- und Wettbewerbsstruktur vergleichbar sind, hilft der prozentuale DB I-Wert erheblich zur Analyse der erbrachten Leistungen: So wird deutlich, dass Außendienstmitarbeiter 1 die mit Abstand beste Umsatzqualität abliefert, der Außendienstmitarbeiter 3 die schlechteste. Zunächst könnte man zu der Annahme neigen, dass der Bezirk 3 besser ausgeschöpft wird, so dass sich zwangsläufig auch Umsätze zu niedrigeren Preisen und damit schlechteren Deckungsbeiträgen ergeben. Unterstellt man jedoch, dass Außendienstmitarbeiter 3 seine Umsätze aufgrund der hohen Potenzialstärke seines Bezirks erbringt, muss gleichzeitig festgestellt werden, dass seine Umsatzqualität deutlich unter dem Unternehmensdurchschnitt liegt, d. h. er „macht“ evtl. zu wenig aus seinem Bezirk. Gründe für derartige Abweichungen sind zweierlei: 7

60

In zahlreichen Unternehmen sind jeweils mehrere Außendienstmitarbeiter an einem Auftrag beteiligt: z. B. werden verschiedene Entscheider(Kunden) betreut, die über einen Objektauftrag befinden, jedoch in verschiedenen Außendienstbezirken ansässig sind. Alle Entscheider müssen jedoch von den jeweiligen Außendienstmitarbeitern betreut werden. In solchen Fällen wird der Umsatz (bzw. Deckungsbeitrag) unter den beteiligten Außendienstmitarbeitern (zu gleichen oder ungleichen Teilen) aufgeteilt. Ist eine derartige Aufteilung unmöglich (da z. B. das Engagement des einzelnen Außendienstmitarbeiters unbekannt ist), muss vom Gesamtumsatz bzw. vom gesamten Deckungsbeitrag des Außendienstteams ausgegangen werden. Hier müssen teamorientierte Vergütungsinstrumente Anwendung finden, wie sie z. B. in Kapitel 7.2 beschrieben werden.

⇒ Sie liegen zum einen in der Struktur der Gebiete (Kunden- und Wett-

bewerbsstruktur). ⇒ Zum anderen liegen sie in der Leistungsqualität der Mitarbeiter. Sie be-

einflussen den prozentualen DB I (= Umsatzqualität) über drei Kriterien: • Preis- und Konditionenniveau, • Produkt-Mix (die Forcierung der ertragsstarken Produkte/Leistungen), • Kunden-Mix (die Forcierung der ertragsstarken Kunden). Die Profit-Center der verschiedenen Mitarbeiter sind auf diese Weise zu analysieren, um Anhaltspunkte für eine Ertragsverbesserung zu finden. Mit Steuerungszahlen, die den Mitarbeitern helfen, ihre Deckungsbeiträge zu verbessern, befasst sich ausführlich Kapitel 4.5. Wird der Mitarbeiter nach Deckungsbeiträgen vergütet, entwickelt er erfahrungsgemäß ein hohes Interesse, die Deckungsbeitragsqualität anzuheben. Nun zu den direkten Kosten der Außendienstmitarbeiter des obigen Beispiels. Außendienstmitarbeiter 1 hat zwar die absolut niedrigsten Kosten, in Anbetracht seines Umsatzes weist er jedoch die relativ höchsten Kosten auf: Er hat nur unwesentlich niedrigere Kosten als die beiden anderen Außendienstmitarbeiter, obwohl sein Umsatzvolumen um rund ein Drittel niedriger ist. Evtl. sind diese Kosten aufgrund der Struktur seines Bezirks unvermeidbar. In jedem Fall ist zu analysieren, ob der Außendienstmitarbeiter 1 seine direkten Kosten senken kann. Auch hier soll durch die Vergütung des DB II bewirkt werden, dass sich der Mitarbeiter dieser Aufgabe annimmt. Der o.a. Vergleich dreier Außendienst-Profit-Center könnte gleichermaßen angestellt werden für drei Außendienst-Teams oder drei Gebietsverkaufsleiter, die ihrerseits wieder Außendienstmitarbeiter zu führen haben. Auch könnte er drei Innendienst-Teams betreffen oder einzelne Innendienstmitarbeiter, die für bestimmte Umsätze zuständig sind (Zuständigkeit z. B. für bestimmte Kunden- oder Produktbereiche). Dabei wird ein Grundprinzip der Profit-CenterStrukturierung im Verkauf deutlich: Profit-Center im Innendienst gehen meist von denselben Umsätzen und Deckungsbeiträgen aus wie die im Außendienst, da ja auch keine ausschließliche Verantwortung nur im Außendienst oder nur im Innendienst für diese Umsätze und Deckungsbeiträge vorliegt, sondern es handelt sich meist um eine gemeinsame Verantwortung. Beim Aufbau von Profit-Centern im Verkauf wird also gefragt, welcher Mitarbeiter bzw. welches Team bestimmte Umsätze und Deckungsbeiträge beeinflusst oder mitbeeinflusst. Diese Umsätze und Deckungsbeiträge werden 61

dann entsprechend zugerechnet, durchaus also mehrfach zugeordnet. So können zahlreiche Mitarbeiter nicht nur im Verkauf in Profit-Center einbezogen werden, sondern gleichermaßen auch in anderen Unternehmensbereichen.

Vertriebsleiter

GVL 1

Team 1

Team 2

Team n

GVL 2

Team 1

Team 2

GVL 3

GVL 4

GVL n

Team n

Abbildung 14: Hierarchisch gegliederte Profit-Center-Struktur

Profit-Center-Strukturen beziehen natürlich Mitarbeiter über verschiedene Hierarchieebenen ein. In Abbildung 14 ist das Verkaufsteam ein ProfitCenter, ebenso ist der Gebietsverkaufsleiter (mit seiner Umsatz- und Ertragsverantwortung für mehrere Teams) ein Profit-Center und natürlich auch der Vertriebsleiter im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für den Deckungsbeitrag des Vertriebs.

4.4

Weitere Profit-Center im Unternehmen

Profit-Center-Strukturen sind also vernetzte Strukturen. Sie können nicht nur im Verkauf aufgebaut werden, sondern gleichermaßen auch in anderen Unternehmensbereichen. Abbildung 15 stellt zunächst die Vertriebs-Profit-Center dar. Dabei handelt es sich zum einen um die reinen Informations-ProfitCenter, die Aussagen treffen zur Ertragskraft bestimmter Produktgruppen und Kundengruppen (zur Gestaltung von Produkt-Mix und Kunden-Mix). Zum anderen handelt es sich um die organisatorischen Profit-Center der VerkaufsTeams, der Verkäufer und Key-Account-Manager, der Niederlassungen und Filialen sowie der Verkaufsabteilung. Hinter der Analyse all dieser ProfitCenter steht die Frage, welche Umsatzbereiche bzw. Mitarbeiter mehr oder weniger zum Unternehmensertrag beitragen.

62

Aus Abbildung 15 wird allerdings deutlich, dass über den Verkauf hinaus weitere Profit-Center eingerichtet werden können, um z. B. eine stärkere Markt- und Ertragsorientierung dieser Unternehmensbereiche zu gewährleisten. Solche Profit-Center sind z. B.: • Das Produktmanagement bzw. einzelne Produktmanager, • die Marketingabteilung bzw. Marketingbereiche, • der Service bzw. Servicetechniker, • der Einkauf bzw. Einkäufer, • die Konstruktion bzw. der einzelne Konstrukteur, • die Entwicklung bzw. der einzelne Entwickler, • die Produktion bzw. bestimmte Produktionsbereiche, • etc. Gesamtgewinn einz. Verkäufer (ADM oder Key Accounter)

Produktgruppen

Kundengruppen

VerkaufsTeams

Filialen

interne Abteilungen

Produktgruppe 1

Kundengruppe 1

Team 1

Gebiet 1

Filiale 1

Produktgruppe 2

Kundengruppe 2

Team 2

Gebiet 2

Filiale 2

Einkauf

Produktgruppe 3

Kundengruppe 3

Team 3

Gebiet 3

Filiale 3

Produktmanagem.

Filiale 4

Produktion

Verkauf Marketing

Kundengruppe 4

etc. Informations-Profit-Center

Organisations-Profit-Center

Abbildung 15: Profit-Center-Strukturen im Unternehmen

63

Bei der Einbeziehung solcher Unternehmensbereiche in das Profit-CenterKonzept muss zunächst wieder gefragt werden, welche Umsätze und Deckungsbeiträge der jeweilige Bereich beeinflusst bzw. mitbeeinflusst, um hierüber den Einstieg in das Profit-Center zu finden. Die Produktmanager werden z. B. am Deckungsbeitrag ihrer Produktbereiche beteiligt, die Servicetechniker am Deckungsbeitrag ihrer Serviceumsätze, die Entwickler am Deckungsbeitrag mit neuen oder überarbeiteten Produkten etc. Auf diese Weise ergeben sich im Unternehmen vernetzte Profit-CenterStrukturen (und damit vernetzte Vergütungsstrukturen). Das Entstehen von Bereichsegoismen wird verhindert durch Einbeziehung der Mitarbeiter in wechselseitig abhängige Deckungsbeiträge.

4.5

Die Mitarbeitersteuerung über Profit-Center

Jedes Mitglied eines Verkaufs-Profit-Centers kann den Deckungsbeitrag durch fünf Ansatzpunkte steigern: ⇒ Umsatzerhöhung (möglichst mit renditestarken Produkten und Kunden) ⇒ Preisdurchsetzung und Konditionensteuerung (Festigkeit bei Preis- und

Konditionengesprächen) ⇒ Verbesserung des Produkt-Mix (Forcierung der ertragreichen Produkte

und Leistungen) ⇒ Verbesserung des Kunden-Mix (Ausbau bzw. Neuakquisition von er-

tragsstarken Kunden) ⇒ Senkung der eigenen Kosten (durch Kostenmanagement „vor Ort“)

Um diese Beeinflussungsfaktoren entsprechend handhaben zu können, sollten den Mitarbeitern im Verkauf bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt werden. Je nach Bereitschaft des Unternehmens, mehr oder weniger Transparenz zu gewähren, können diese Informationen auf Basis echter Deckungsbeiträge oder Gross-Profits8 erfolgen:

8

64

vgl. Kapitel 4.2

1. Mitteilung über die durchschnittliche Ertragskraft von Produkten und Leistungen: Diese Mitteilung basiert auf einer Auswertung der Informations-ProfitCenter und teilt dem Verkäufer mit, welche Produkte/Leistungen aus Ertragsgesichtspunkten ausgebaut werden sollten. Basis dieser Auswertung ist der prozentuale Deckungsbeitrag. 2. „Hitliste“ der Produkte: Einmal im Jahr sollte dem Mitarbeiter eine EDV-Liste ausgehändigt werden, die alle seine (z. B. im Vorjahr) verkauften Produkte (oder in verdichteter Form: Produktgruppen) in der Reihenfolge abfallender absoluter DB I auflistet. Der Mitarbeiter kann so erkennen, welche Produkte ihm den höchsten Deckungsbeitrag und welche Produkte nur einen relativ kleinen Deckungsbeitrag eingebracht haben. 3. „Hitliste“ der Kunden: Ebenfalls einmal im Jahr sollte der Verkäufer eine EDV-Liste erhalten, in der seine Kunden in der Reihenfolge abfallender absoluter DB I aufgelistet werden. Der Verkäufer erkennt z. B., mit welchen Kunden er einen unerwartet hohen Deckungsbeitrag erwirtschaftet hat. Diese Kunden kann er zukünftig in seinem Verkaufsgespräch noch forcieren und ausbauen. Diese Liste ist besonders wichtig, um das richtige „Kunden-Mix“ durch den Verkäufer zu gewährleisten. 4. Profit-Center-Abrechnung: Selbstverständlich muss der Mitarbeiter monatlich oder quartalsweise seine Profit-Center-Abrechnung erhalten, wie sie z. B. in Tabelle 1 des Kapitels 4.3 dargestellt wurde (natürlich erhält jeder Mitarbeiter nur seine persönliche Profit-Center-Abrechnung, nicht die der anderen Mitarbeiter). 5. Das Profit-Center des Verkäufers nach Produktgruppen: Tabelle 2 zeigt dem Mitarbeiter, wie die Ertragsstruktur seiner Produktgruppen/Leistungen aussieht (sein Produkt-Mix). Hier werden seine persönlichen Profit-Center-Zahlen differenziert nach einzelnen Produktgruppen dargelegt. 65

./. ./.

./:

Gesamt

Produktgruppe 1

Produktgruppe 2

Produktgruppe 3

Tausend €

Tausend €

Tausend €

Tausend €

11600 2340

2900 590

4640 930

4060 820

9260

2310

3710

3240

6200

1390

2600

2210

DB I % direkte Fixkosten des ADM

3060 33,0

920 39,8

1110 29,9

1030 31,8

DB II %

2870 31,0

25 % 60 % 39,8 % 40 %

40 % 10 % 29,9 % 7%

Brutto-Umsatz Rabatte, Boni etc. Netto-Umsatz Wareneinsatz und sonst. variable Kosten

190

Steuerungszahlen: Umsatzanteil des Verkäufers Umsatzanteil Unternehmen DB I des Mitarbeiters DB I Unternehmen

100 % 100 % 33,0 % 31,0 %

35 % 30 % 31,8 % 21 %

Tabelle 2: Das Profit-Center des Verkäufers nach Produktgruppen

Anhand von Tabelle 2 kann man erkennen, dass dieser Verkäufer seinen größten Umsatz mit der Produktgruppe 2 erzielt, die ihm den schlechtesten prozentualen DB I einbringt (29,9 %). Seinen niedrigsten Umsatz tätigt er mit Produktgruppe 1, die ihm jedoch den höchsten prozentualen Deckungsbeitrag einbringt (39,8 %). Man erkennt hier ein deutliches Ungleichgewicht in der Produktstruktur des Mitarbeiters, der offenbar die wenig ertragreichen Produkte stärker forciert hat als die ertragreichen. Ein Blick in die „Steuerungszahlen“ am unteren Ende der Tabelle 2 zeigt, dass die Produktstruktur/Leistungsstruktur des betrachteten Mitarbeiters atypisch ist im Vergleich zu der des Unternehmens: Der Mitarbeiter tätigt z. B. mit der ertragreichen Produktgruppe 1 nur 25 % seines gesamten Umsatzes, während das Unternehmen damit 60 % seines Umsatzes abwickelt. Dagegen tätigt der betrachtete Mitarbeiter mit der ertragsschwachen Produktgruppe 2 genau 40 % seines Umsatzes, während das Unternehmen hier bei nur 10 % liegt. 66

Natürlich kann diese Abweichung gebietsbedingt sein und wäre dadurch evtl. nicht verbesserungsfähig. Andererseits wäre es aber auch möglich, dass der betrachtete Mitarbeiter ohne Kenntnis des Sachverhalts die falschen Produkte forciert und dadurch Ertrag „verschenkt“. Die nächsten Steuerungszahlen (DB I des Mitarbeiters/Unternehmens) verdeutlichen, welche prozentualen Deckungsbeiträge der Mitarbeiter pro Produktbereich/Leistungsbereich erwirtschaftet, und zwar im Vergleich zu den prozentualen Deckungsbeiträgen des Unternehmens. Man erkennt, dass der betrachtete Mitarbeiter in der Produktgruppe 1 leicht unterdurchschnittlich arbeitet, bei den Produktgruppen 2 und 3 aber deutlich über dem Durchschnitt des Unternehmens liegt. 6. Das Profit-Center des Verkäufers nach Kundengruppen: Um neben dem Produkt-Mix auch das Kunden-Mix zu optimieren, benötigt der Verkäufer einen Einblick in die Ertragsstruktur seiner Kundengruppen bzw. Branchen. Tabelle 3 zeigt, wie dieser Einblick in die Kundengruppenstruktur erfolgen kann. Auch hier wird dem einzelnen Verkäufer aufgezeigt, auf welche Kundengruppen sich seine Umsätze zu welchen Anteilen verteilen, ob diese Verteilung dem Unternehmensdurchschnitt entspricht oder ob seine persönliche Kundengruppenstruktur ertragreicher bzw. ertragsärmer ist als die seiner Kollegen. Ferner wird auch hier wieder aufgezeigt, welchen prozentualen Deckungsbeitrag der betrachtete Verkäufer pro Kundengruppe erwirtschaftet und wie sich dazu die Durchschnittswerte des Unternehmens verhalten. Hieraus kann der Mitarbeiter erkennen, wo er Ansatzpunkte findet, um seine Deckungsbeiträge zu verbessern.

67

./. ./.

. /.

Gesamt

Kundengruppe 1

Kundengruppe 2

Kundengruppe 3

Kundengruppe 4

Tausend €

Tausend €

Tausend €

Tausend €

Tausend €

11600 2340

6960 1400

3480 700

580 120

580 120

9260

5560

2780

460

460

6200

3530

1920

360

390

DB I % direkte Fixkosten des ADM

3060 33,0

2030 36,5

860 30,9

100 21,7

70 15,2

DB II %

2870 31,0

5% 5% 21,7 % 22,0 %

5% 30 % 15,2 % 24,0 %

Brutto-Umsatz Rabatte, Boni etc. Netto-Umsatz Wareneinsatz und sonst. variable Kosten

190

Steuerungszahlen Umsatzanteil Verkäufer Umsatzanteil Unternehmen DB I des Mitarbeiters DB I Unternehmen

100 % 100 % 33,0 % 31,0 %

60 % 55 % 36,5 % 35,5 %

30 % 10 % 30,9 % 28,7 %

Tabelle 3: Das Profit-Center des Verkäufers nach Kundengruppen

7. Planung und Soll/Ist-Vergleich: Natürlich lädt das Profit-Center im Verkauf dazu ein, bisherige Umsatzplanungen zukünftig zu Deckungsbeitragsplanungen auszubauen. Ziel ist z. B. ein bestimmter Deckungsbeitrag II, den es in der Planungsperiode zu erwirtschaften gilt. Dies stellt zweifelsohne eine anspruchsvollere Planungsarbeit dar als eine reine Umsatzplanung. Neben der Umsatzquantität muss jetzt auch die Umsatzqualität geplant werden, die sich z. B. aus dem Produkt-Mix und aus dem Kunden-Mix ergibt. Ferner müssen die eigenverursachten Kosten in der Planung berücksichtigt werden, um einen Deckungsbeitrag II zu errechnen. Dieser Ziel-DB II kann dann auf Monate oder Quartale heruntergebrochen werden (unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen), um auf der Basis von Soll/Ist-Vergleichen dem Mitarbeiter Auskunft darüber zu geben, inwieweit er seine „Etappenziele“ erreicht hat und was er noch tun muss, um sein Gesamtziel zu erreichen. 68

4.6

Vorteile der ertragsorientierten Vergütung

Der Abstand zwischen den prosperierenden Unternehmen einer Branche und den kränkelnden ist oft kleiner als vermutet: Sie liegen nur einige wenige Prozentpunkte Umsatzrendite auseinander. Dies gelingt den gesunden, ertragsstarken Unternehmen nicht dadurch, dass sie „alles anders und besser“ machen als die ertragsschwachen, sondern dadurch, dass sie einiges ein wenig besser machen als die anderen! In Profit-Center-gestützten Vertriebsstrukturen geht es nicht darum, dass die Mitarbeiter „morgen“ alles anders machen als „gestern“, sondern es geht um Nuancen, die in den heute typischerweise engen Märkten überlebenswichtig sind. Mitarbeiter im Verkauf, die auf der Basis von Deckungsbeiträgen vergütet werden, zeigen nach Einführung der Profit-Center erfahrungsgemäß Änderungen ihres Verhaltens im Arbeitsalltag. Sie sind in ein ertragsorientiertes Denken einbezogen, wobei der persönliche Erfolg des Mitarbeiters identisch ist mit dem Erfolg des Unternehmens. Folgende Resultate der ertragsorientierten Vergütung lassen sich feststellen: 1. Die Mitarbeiter zeigen mehr Konsequenz im Preisgebaren. Dies ist oft die erste Verhaltensänderung, die relativ rasch festzustellen ist. Unternehmen, die die ertragsorientierte Vergütung auf Profit-Center-Basis eingeführt haben, berichten einhellig, dass die Mitarbeiter (im Außendienst wie im Innendienst) fester hinter den Preisen des Unternehmens stehen. Verkäufe erfolgen nicht mehr „um jeden Preis“, der Ruf nach generellen Preisreduzierungen lässt nach. 2. Die Mitarbeiter bemühen sich um den Ausbau von ertragsstarken Produkten und Kunden. In vielen Märkten ist die Preissituation ausgesprochen eng: Die Wettbewerbssituation lässt kaum mehr Preisspielräume. Dennoch kann die Ertragssituation verbessert werden durch ein bewusst gestaltetes Produkt- und Kunden-Mix. 3. Aktives Kostenmanagement wird durch die Mitarbeiter betrieben. Marketing- und Vertriebsausgaben, die über viele Jahre hinweg bei den Mitarbeitern als „unerlässlich“ galten, deren Notwendigkeit von den Führungskräften aber oft angezweifelt wurde, werden nach Einführung der ertragsorientierten Vergütung durchaus in Frage gestellt. Die Mitarbeiter gehen sparsamer mit eigenen und in Anspruch genommenen Kosten um.

69

4. Die Mitarbeiter legen mehr Eigenverantwortlichkeit und Selbststeuerung an den Tag. Sie sind eingebunden in komplexere Zusammenhänge und erkennen Ursache und Wirkung. Solche Mitarbeiter können allmählich größere Entscheidungsspielräume erhalten und an der „langen Leine“ geführt werden. Mitarbeiterinteressen und Unternehmensinteressen divergieren nicht länger, sondern sind identisch. 5. Es findet eine bessere Kooperation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern statt. Beide Seiten kommunizieren auf ein und derselben Interessenebene, das Verständnis für Entscheidungen der Führungsebene wächst, da die Mitarbeiter über die nötige Transparenz verfügen. Viele Unternehmen empfanden die Einführung von Profit-Centern und der ertragsorientierten Vergütung als eine Art Quantensprung bzgl. Qualität und Effizienz ihrer vertrieblichen Leistungen. Mitarbeiter wachsen mit den an sie herangetragenen Aufgaben, der Profit-Center-Ansatz macht aus Mitarbeitern unternehmerisch handelnde Verantwortliche. Die Mitarbeiter sind sich sehr wohl ihrer gewachsenen Kompetenz bewusst und interessieren sich stärker für die Belange des Unternehmens.

4.7

Vom Profit-Center zum Leistungszentrum

Profit-Center wurden bislang dargestellt als modernes Instrument der Mitarbeiterführung und -steuerung sowie als adäquater Ansatz, um Unternehmen zu flexibilisieren, sie besser lenkbar zu machen und um ihnen eine neue Dynamik zu geben. Nun hebt der klassische Profit-Center-Ansatz ausschließlich auf den Deckungsbeitrag ab und geht zunächst davon aus, dass dies das eigentliche Unternehmensziel sei. Tatsächlich verfolgt jedes Unternehmen mehrere Ziele nebeneinander, wobei diese Ziele oft in Konkurrenz zueinander stehen: Marktanteil

Ertrag

Wachstum

Ertrag

Neukunden

Pflege strategisch wichtiger Altkunden

Forcierung neuer Produkte

Verkauf der gesamten Sortimentsbreite

Verbesserung der Kundenstruktur Entwicklung neuer Produkte

70

Marktanteil/Potenzialausschöpfung Ertrag, Ausschöpfung vorhandener Produkte

Das Management von Unternehmen wäre eine ungleich leichtere Aufgabe, wenn derartige Widersprüche nicht auszugleichen wären. Wenn es tatsächlich in der kurzfristigen Betrachtung nur um eine Optimierung des Ertrags ginge, würde der strategische Ertrag mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Strecke bleiben, weil z. B. versäumt würde, neue Märkte (zunächst unter Verlusten) zu erobern, strategisch wichtige Produkte (die zunächst evtl. keine Erträge bringen) in den Markt einzuführen, Neukunden aufzubauen (die zunächst evtl. mehr Kosten als Ertrag verursachen) etc. Kurzfristiger Ertrag und strategische Unternehmensinteressen müssen also gleichermaßen sichergestellt werden: Profit-Center der Mitarbeiter wandeln sich deshalb zu „Leistungszentren“, in denen die Mitarbeiterleistung nach unterschiedlichen Kriterien geplant und beurteilt wird. In derartigen Leistungszentren wird dem Deckungsbeitrag nach wie vor eine hohe Bedeutung zukommen. Zusätzlich nehmen aber weitere Leistungskriterien Raum ein und werden damit gleichzeitig zu Steuerungs- und Vergütungskriterien. Dabei sind diese zusätzlichen Vergütungskomponenten nicht auf „harte“ Kriterien wie Umsatz, Marktanteil, Neukunden etc. beschränkt, sondern „weiche“ Kriterien wie Know How, Engagement, Teamfähigkeit etc. gehen im Rahmen von Mitarbeiter-Beurteilungssystemen in das Leistungszentrum ein. „Harte“ wie „weiche“ Vergütungskriterien werden in modernen Vergütungssystemen über Ziele entlohnt. Hiermit befasst sich das nun folgende Kapitel.

71

5.

Die Vergütung mit Zielprämien

Dezentrale Strukturen im Unternehmen erfordern ergebnisorientierte Führung und Steuerung. Damit knüpft die Idee der zielorientierten Führung und Vergütung direkt am Konzept des Profit-Centers/Leistungszentrums an: Einerseits die „lange Leine“ und unternehmerisches Denken beim Mitarbeiter, andererseits Einbindung in klar definierte Leistungsziele.

5.1

Führen mit Zielen

Die zielorientierte Führung gilt heute mehr denn je als wirkungsvolles Managementinstrument. Sie beinhaltet die Ausrichtung von Aktivitäten Einzelner auf nachhaltige Absichten und Interessen („Ziele“) des Unternehmens. Führung in diesem Sinne konzentriert sich auf eine zielgerichtete Verhaltensbeeinflussung der Mitarbeiter. Ein Ziel ist dabei immer ein angestrebter zukünftiger Zustand bzw. ein angestrebtes Ergebnis, das bzgl. Inhalt, Zeit und Ausmaß exakt definiert ist. Ziele sollen festhalten, welche Leistung erbracht werden soll, wobei Ziele in bestimmten Zeitintervallen immer aufs Neue zu erarbeiten sind. Führung durch Ziele bindet den Mitarbeiter in den Zielfindungsprozess ein, wodurch Akzeptanz und Eigenmotivation gefördert werden sollen. Ziele werden also nicht „von oben“ diktiert, sondern sie werden in aller Regel vereinbart. Dabei gilt es, Ziele zu verabschieden, die einerseits anspruchsvoll (im Sinne des Unternehmens) sind, andererseits erreichbar (im Sinne des Mitarbeiters). Utopische Ziele führen zur Demotivierung. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass sich Zielvereinbarungen immer an dem orientieren, was für den jeweiligen Mitarbeiter bzw. das jeweilige Team als machbar erscheint. Ziele sind niemals pauschal zu formulieren (z. B. „alle Mitarbeiter im Außendienst erwirtschaften im kommenden Jahr 10 % mehr Deckungsbeitrag“), sondern Ziele machen an den Möglichkeiten des Mitarbeiters oder einzelnen Teams fest. Hinter dem Ziel steht die Frage: „Was wäre in diesem speziellen Fall eine gute Leistung?“ Ziele, mit denen Mitarbeiter geführt werden, sollten hierarchisch aufgebaut sein und ihre Verankerung in der Unternehmensstrategie finden. Strategische Ziele werden über mehrere Ebenen im Unternehmen bis zum einzelnen Mitarbeiter heruntergebrochen. Dabei werden Ziele immer operativer und maß73

nahmenorientierter. Auf diese Weise werden möglichst alle Führungskräfte und sonstigen Mitarbeiter in Einzelziele eingebunden, die zur Erreichung der Gesamtziele des Unternehmens beitragen9. Auf diese Weise werden Prioritäten für Arbeitsinhalte festgelegt und die Tätigkeiten im Unternehmen koordiniert10. Hieraus erfolgen Anstöße für Verbesserungen. Mitarbeiter erkennen dabei ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg, was motivierende Effekte beinhaltet. Bei der Führung mit Zielen gilt die Zielvereinbarung als maßgeblich, keineswegs die Vorgabe des Weges dorthin. Das „Was“ wird vereinbart, das „Wie“ ist Sache des Mitarbeiters. Verantwortung und Entscheidung werden zu einem großen Teil delegiert, die Eigenverantwortung der Mitarbeiter gestärkt. Führen mit Zielen steht dabei für unternehmerisch handelnde Mitarbeiter: „Führen durch Ziele ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein Prozess. Die Zielvereinbarung wird zur Führung und Steuerung unverzichtbar. Beide Gesprächspartner verhandeln über ihre Ansprüche, sprechen Leistungen und Termine ab und überprüfen ihre Arbeitsergebnisse. Wer dies ernst nimmt, weiß, dass dieser Austausch nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben funktionieren muss. Von derartigen wechselseitigen Erfahrungen profitiert jeder einzelne und das Unternehmen.“11 Ziele der verschiedenen Mitarbeiter und Unternehmensbereiche müssen dabei aufeinander abgestimmt und vernetzt sein, d. h. in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen. Das eine Ziel muss das andere unterstützen, um effizient zur Gesamtleistung beizutragen. Freiräume der Mitarbeiter dürfen nicht für auseinanderlaufende Aktivitäten genutzt werden. Die Rolle der Führungskraft gleicht dabei eher der eines Coachs12: Mitarbeiterleistung und dessen fachliche und soziale Kompetenz sollen gefördert werden. In diesem Sinne beinhaltet die Führung mit Zielen nicht nur den en9

vgl. hierzu insbesondere Kapitel 5.2 10 vgl. Wahren, Heinz-Kurt: Ziele vereinbaren mit Mitarbeitern und Gruppen, Eschborn: RKW 1999, S. 25 11 vgl. „Führen durch Ziele“, ein Leitfaden für Führungskräfte der Rheinmetall-Gruppe (internes Unternehmenspapier aus 1999) 12 vgl. Wahren, Heinz-Kurt: Ziele vereinbaren mit Mitarbeitern und Gruppen, Eschborn: RKW 1999, S. 18 ff.

74

geren Prozess der Zielvereinbarung, sondern die Analyse des Gewesenen (sind die Ziele der vorangegangenen Periode erreicht worden oder nicht?), das Abstecken des Möglichen, die eigentliche Zielvereinbarung sowie Unterstützung zur Zielerreichung. Die Führung mit Zielen beinhaltet, dass „Fernziele“ (z. B. Jahresziele) in „Nahziele“ (z. B. Monats- oder Quartals-Etappenziele) heruntergebrochen werden. Über Soll/Ist-Vergleiche und Abweichungsanalysen sollen entsprechende Prozesse in Gang gesetzt werden, die helfen, die gesetzten Ziele zu erreichen (oder sogar zu übertreffen). Dies wird nur in einem Klima gelingen, in dem sich der Mitarbeiter positiv entwickeln kann. Der „Vorgesetzte“ wandelt sich auf diese Weise zur „Führungskraft“: Aufgabe ist es, die Mitarbeiter kompetent dafür zu machen, sich selbst anspruchsvolle Ziele zu setzen und den Weg dorthin zu finden. Der „Vorgesetzte“ war dafür zuständig, exakte Vorschriften zu machen und den Weg zu Resultaten vorzugeben. Seine Schwerpunkte lagen in der Aufgabenorientierung. Die „Führungskraft“ als Coach verhilft dem Mitarbeiter zu Eigeninitiative und Selbstverantwortlichkeit, sie gibt Freiräume, stellt aber gleichzeitig sicher, dass der Mitarbeiter über die nötige „Fitness“ verfügt, um Resultate zu bewirken. Die Schwerpunkte verlagern sich zur Ergebnisorientierung. Führen mit Zielen propagiert den mündigen Mitarbeiter und ist Zeichen für fortentwickelte, reife Unternehmen. Resultate bedürfen der Analyse und des Vergleichs mit den Zielsetzungen. Erfolge werden sichtbar gemacht und stärken Selbstvertrauen und Motivation des Mitarbeiters. Misserfolge werden auf Ursachen hin untersucht und entsprechende Maßnahmen eingeleitet (liegt die Ursache im Umfeld des Mitarbeiters oder beim Mitarbeiter selbst? Helfen Fördermaßnahmen oder erscheinen diese am Ende gar nicht mehr sinnvoll?). Resultate können so einerseits zu neuen Definitionen von Aufgaben und Funktionen, andererseits zur Entwicklung neuer Mitarbeiterkompetenzen führen. Die Vergütung erfolgt in Abhängigkeit vom Erfolg (und damit vom gestellten Ziel) und wirkt als Katalysator zur Unterstützung positiver Resultate. Die Kontinuität des Prozesses wird dabei deutlich: Resultate sind der Einstieg zur Definition der Ziele für die folgende Periode. Das Lernen aus Ergebnissen befähigt und motiviert zu anspruchsvollen Folgezielen, die sich am Machbaren ausrichten.

75

Strategie

Ziele für Unternehmensbereiche

vorhandene und zu entwickelnde Mitarbeiterkompetenzen

Prozess der Zielvereinbarung mit Mitarbeitern Leistungsbeurteilung

Absteckung des Möglichen

Zielvereinbarung

Soll/Ist UnterVergleiche stützung (Abweichungsanalyse)

Aufgaben Funktionen Freiräume

Resultate

Vergütung in Abhängigkeit von Resultaten

Abbildung 16: Führen mit Zielen

Gründe für zielorientierte Führung Die Gründe für Führung mit Zielen sind demnach zahlreich: ⇒ Zielorientierte Führung bewirkt eine Koordination aller Bemühungen

im Unternehmen in Richtung auf die wesentlichen (strategischen) Anliegen und Interessen des Unternehmens. Die Ressource Mensch soll effizienter eingesetzt werden13, damit Verbesserungen in den Bereichen Umsatz, Kosten, Ertrag, Qualität, Schnelligkeit und Kundenorientierung erreicht werden. Durch Ziele soll Klarheit entstehen bzgl. des Wichtigen. Klare Prioritäten gewährleisten die Konzentration aufs „Richtige“, Leistung soll zielgerichtet gesteuert werden. ⇒ Zielorientierte Führung steht für Freiräume und Eigenverantwortlichkeit.

Mitarbeiter, die in Ziele eingebunden werden und diese auch akzeptieren, zeigen mehr Engagement, um die Ziele zu erfüllen. Selbstverpflich-

13

76

vgl. Wahren, Heinz-Kurt: Ziele vereinbaren mit Mitarbeitern und Gruppen, Eschborn: RKW 1999, S. 14

tung hilft, Freiräume zu intensivieren und bringt mehr Spaß an der Arbeit. ⇒ Zielgeführte Unternehmen sind lernende Organisationen. Das Feed-

back aus vergangenen Erfolgen und Misserfolgen schärft den Blick und führt zu konsequenten Verbesserungsprozessen. Die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Möglichen und Machbaren qualifiziert Mitarbeiter und motiviert zu anspruchsvoller Leistung. Die Analyse von Abweichungen führt zu Prozessverbesserungen und einer erhöhten Effizienz der geleisteten Arbeit. ⇒ Zielabsprachen motivieren mehr als Arbeitsanweisungen. Der Mitarbei-

ter bringt sich in Zielverhandlungen ein, lotet das Machbare aus und geht ein Commitment ein. Er zeigt erfahrungsgemäß eine höhere Identifikation sowohl mit seiner Aufgabe als auch mit dem Unternehmen. ⇒ Durch den zwangsläufig intellektuellen Austausch zwischen Führungs-

kraft und Mitarbeiter, zu dem es bei Zielvereinbarungen kommt, gestaltet sich das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter intensiver14. Durch Delegation von Verantwortung und Aufgaben erhält die Führungskraft Freiräume, die stärker für langfristige strategische Aufgaben genutzt werden können. ⇒ Durch Mitarbeiter, die sich im Rahmen von Zielvereinbarungen weit-

gehend selbst führen, erhöht sich die Leitungsspanne der Führungskraft. Dies geht mit der Forderung einher, Unternehmen zu verschlanken („Lean Management“) und Hierarchien abzubauen, um Kundennähe zu bewirken. Insofern enthält das Instrument der zielorientierten Führung eine ganz wesentliche strategische Überlebenskomponente für das Unternehmen. Anforderungen an Zielsysteme Gute Zielvereinbarungen weisen typische Charakteristika auf, wie z. B.: ⇒ Beeinflussbarkeit: Ziele/Leistungskriterien (= Vergütungskriterien) stam-

men aus dem Arbeitsumfeld des Mitarbeiters bzw. Teams. Der Mitarbeiter/das Team hat direkten Einfluss auf die Zielgröße. ⇒ Erfüllbarkeit: Ziele dürfen und müssen eine Herausforderung darstellen,

die Zielerreichung vermittelt ein Erfolgserlebnis. Utopische Ziele dage14

vgl. Wahren, Heinz-Kurt: Ziele vereinbaren mit Mitarbeitern und Gruppen, Eschborn: RKW 1999, S. 15

77

gen führen zur Demotivation. Dies bedingt andererseits, dass Zielvereinbarungen nicht losgelöst von den Ressourcen getroffen werden, die zu ihrer Erfüllung eingesetzt werden müssen („was sind wir bereit, an Unterstützung zu liefern?“). ⇒ Eindeutigkeit: Ziele müssen klar definiert sein bzgl. Inhalt, Ergebnis,

Zeit und Mitteleinsatz. Die Zielerreichung sollte unstrittig feststellbar sein. Quantitative Ziele sind messbar, qualitative Ziele und Projektziele bedürfen zwar einer Beurteilung, jedoch sollte sichergestellt sein, dass der Beurteilungsprozess Objektivierungsmechanismen durchläuft (vgl. weiter unten zu „Arten von Zielen“). Die Mitarbeitermotivation ist erfahrungsgemäß höher, wenn Ziele nicht interpretationsbedürftig sind. ⇒ Interdependenz: Die Ziele, nach denen Mitarbeiter und Teams geführt

und vergütet werden, sollten einerseits an den generellen Unternehmenszielen (Strategie) festmachen, andererseits sollten sich Ziele verschiedener Mitarbeiter/Teams wechselseitig unterstützen. Unternehmen sind arbeitsteilig, die Formulierung von Zielen, die einseitig auf Bereichsergebnisse schielen, fördern Bereichsegoismen, sind nicht prozessorientiert und verhindern Kundennähe. Die Vereinbarung von Kollektivzielen (z. B. Deckungsbeitrag des Teams/der Abteilung) soll die wechselseitige Abhängigkeit der Mitarbeiter, Teams und Funktionsbereiche bewusst machen. Individualziele können durch derartige Kollektivziele ergänzt werden. ⇒ Beständigkeit: Vereinbarte Ziele sollten Bestand haben, die Anpassung

von Zielen sollte der Ausnahmefall bleiben. ⇒ Beteiligung: Die Mitarbeiter sollten an der Zielfindung partizipieren.

Delegative Führung will Einbeziehung, um Identifikation des Mitarbeiters zu erhalten. ⇒ Freiräume: Führen mit Zielen will Selbstverantwortung und Eigenregie

fördern. Zielorientierte Führung wird sich dort am besten entfalten, wo Mitarbeiter über solche Freiräume verfügen und damit umzugehen verstehen. Ziele vereinbaren oder vorgeben? Die zielorientierte Führung versteht sich als kooperatives Führen. Damit sind mehrheitlich bessere Resultate zu erzielen als durch direktives Führen. Man weiß um die positive Wirkung der Partizipation: Sie ist die Basis der Motivation. 78

Aus diesen Gründen spricht alles dafür, Ziele zu vereinbaren und sie nicht vorzugeben: Menschen, die an der Formulierung von Zielen mitwirken können, sind ungleich eher bereit, sich für diese Ziele voll einzusetzen. Nun ist Partizipation aber kein Selbstzweck. Die eigentliche unternehmerische Aufgabe besteht in der Ausrichtung auf Ziele. Jeder, der im Management Verantwortung trägt, weiß um Situationen, in denen Kooperation und Partizipation nicht zu konkreten Ergebnissen (Zielen) geführt haben, weil der Mitarbeiter z. B. nicht bereit war, sich wirklich einzubringen und sich ernsthaft mit dem Machbaren auseinander zu setzen. Was dann? F. Malik sagt hierzu Folgendes15: „Vernünftige Zielvereinbarungen haben aber zwei Voraussetzungen, die

kumulativ erfüllt sein müssen: Gute Mitarbeiter und viel Zeit. Fehlt aber nur eine der beiden Bedingungen, wird es sehr schwierig, zu Vereinbarungen zu kommen, die mehr als Pseudokonsens sind. Wichtig ist jedenfalls, dass man das Vereinbaren von Zielen nicht zu einem Dogma macht. Es wird immer wieder Situationen geben, bei denen man sich irgendwann sagen muss: „Wir haben jetzt sechs Wochen über diese Ziele diskutiert und leider keinen Konsens gefunden, obwohl ich alles getan habe, was in meiner Kraft stand.“ Was nun? Dann ist genau jene Situation eingetreten, in der die Ziele als solche noch wichtiger sind als ihre Vereinbarung. Dann muss man sie vorgeben, auch wenn das als nicht besonders zeitgemäß gilt. Jedenfalls darf auf keinen Fall die Situation eintreten, keine Ziele zu haben, nur weil es nicht möglich war, sich auf etwas zu einigen.“ Arten von Zielen In Abhängigkeit von der Einbindung der Mitarbeiter in die Zielbeeinflussung lassen sich Individualziele, Teamziele, Kollektivziele unterscheiden. Individualziele stehen für typischerweise direkt beeinflussbare Leistungsgrößen des Mitarbeiters (z. B. Deckungsbeitrag des persönlichen 15

vgl. Malik, Fredmund: Führen, Leisten, Leben, 2. Auflage. Stuttgart, München: Deutsche Verlagsanstalt 2000, S. 188

79

Profit-Centers). Teamziele werden durch ein eng gefasstes Verkaufs-Team gemeinsam beeinflusst (z. B. Deckungsbeitrag des Team-Profit-Centers). Kollektivziele stehen für Leistungsgrößen, die von einer größeren Gruppe von Mitarbeitern beeinflusst werden (z. B. Deckungsbeitrag der Abteilung Verkauf, Deckungsbeitrag der Niederlassung, Unternehmensergebnis). Durch ein entsprechendes Mix von Zielen, nach denen der Mitarbeiter vergütet wird, soll die optimale Ausrichtung der eingesetzten Ressourcen erfolgen. In Abhängigkeit von den Zielinhalten lassen sich quantitative Ziele, qualitative Ziele, Projektziele unterscheiden. Quantitative Ziele sind präzise messbar (z. B. Deckungsbeitrag, Umsatz, Anzahl Neukunden, Marktanteil, Distributionsquote etc.). Sie sind bei Führungskräften und Mitarbeitern wegen der relativ unproblematischen Handhabung und ihrer einfachen Nachvollziehbarkeit beliebt. Sicherlich ist es hilfreich, wenn Ziele quantifizierbar sind. Qualitative Ziele sind aber oft unvermeidlich, wenn es darum geht, „weiche Faktoren“ einer Verbesserung zuzuführen (z. B. Kundenzufriedenheit, Mitarbeiter-Know-How, Engagement, Teamfähigkeit etc.). Derartige Kriterien lassen sich nur noch bedingt, teilweise überhaupt nicht mehr messen und dennoch sind sie bedeutsam für die Entwicklung des Unternehmens (Erfolgsgaranten von „übermorgen“). Qualitative Ziele dienen meist der Mitarbeiterentwicklung. Dabei soll Beurteilung qualifizieren und nicht disziplinieren16. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, einige wenige Beurteilungskriterien zu definieren, nach denen der Mitarbeiter beurteilt wird. Ein bis zwei Beurteilungsgespräche pro Jahr führen zu einer meist aus Punkten bestehenden Bewertung. Ziele werden definiert, der Zielerreichungsgrad per Beurteilung festgestellt. Der Mitarbeiter ist in diese Prozesse genauso involviert wie bei der Formulierung quantitativer Ziele17.

16 17

80

vgl. Wahren, Heinz-Kurt: Ziele vereinbaren mit Mitarbeitern und Gruppen, Eschborn: RKW 1999, S. 51 vgl. Zander, Ernst; Knebel, Heinz: Praxis der Leistungsbeurteilung, Leistung - wieder gefragt, 3. Auflage, Heidelberg: Sauer 1993, S. 181 ff

Zahlreiche Verfahren zur Mitarbeiterbeurteilung wurden bislang entwickelt18, einige davon werden in der Praxis sehr kritisch betrachtet. Der klassische Ansatz der Mitarbeiterbeurteilung ist die Beurteilung durch den Vorgesetzten. Bei der Parallelbeurteilung dagegen beurteilen sich Mitarbeiter und Vorgesetzte wechselseitig. Die „360°-Feedback-Methode“ beinhaltet eine RundumBeurteilung des Mitarbeiters durch Vorgesetzte, Kollegen und ihm unterstellte Mitarbeiter. Projektziele (z. B. „Einführung eines neuen Verfahrens bis zum ...“) beinhalten quantitative und qualitative Aspekte. Zunächst gelten Projektziele als „operativ“ (allen Beteiligten ist relativ klar, welche Leistung erbracht werden muss), auch sind Projektziele gewissermaßen „wohldefiniert“ und eindeutig. Die Projektziele sind jedoch interpretationsbedürftig: Wann gilt ein Projektziel als erfüllt? Ist das Ziel erfüllt, wenn der Termin eingehalten ist, die Ausführung aber dennoch als nicht befriedigend betrachtet wird? Sicherlich ist dann das Ziel nicht erreicht. Das Projektziel muss also nachträglich von der jeweiligen Führungskraft gewertet werden, um den Zielerreichungsgrad festzulegen. Dabei reicht die Bewertungsskala z. B. von „Ziel deutlich unterschritten“ (keine Prämie) bis „Ziel deutlich übererfüllt“ (doppelte Prämie). Eine solche Wertung durch den Vorgesetzten kann natürlich strittig sein: Der Mitarbeiter empfindet evtl. diese Wertungen als subjektiv und könnte befürchten, dass der Bewertung letztlich ein „Nasenfaktor“ zugrunde liegt. Deshalb sollte das Unternehmen daran interessiert sein, Projektziele von vornherein so operativ und „wohldefiniert“ wie möglich zu formulieren, um den Interpretationsbedarf weitestgehend zurückzuschrauben. So könnte z. B. festgehalten sein, dass jedes Projektziel bzgl. der Zielerfüllung nach drei Kriterien beurteilt wird: • Termineinhaltung • Ausführung • Kosten. Dabei wäre es hilfreich, die drei Leistungsaspekte zu gewichten, um das Ziel noch stärker zu konkretisieren. Z. B. könnte der Terminaspekt ein Gewicht von 40 % erhalten, der Ausführungsaspekt ebenfalls ein Gewicht von 40 % und der Kostenaspekt ein Gewicht von 20 %. Nun müsste bei der Beurteilung der Zielerfüllung (eine solche Beurteilung ist natürlich immer noch notwen18

vgl. den Überblick bei Wahren, Heinz-Kurt: Ziele vereinbaren mit Mitarbeitern und Gruppen, Eschborn: RKW 1999, S. 49 ff.

81

dig) festgehalten werden, welcher Leistungsgrad bzgl. der Terminerfüllung erreicht wurde, welcher Leistungsgrad bzgl. der Ausführung und welcher Leistungsgrad bzgl. der Kosten. Damit wäre das Vorgesetzten-Urteil für den Mitarbeiter nachvollziehbarer. Wäre z. B. das Terminziel (Gewichtung 40 %) zu 100 % erfüllt, das Leistungsziel (Gewichtung 40 %) aber nur zu 90 % erfüllt und das Kostenziel (Gewichtung 20 %) wiederum zu 100 % erfüllt, ergäbe sich ein Leistungsgrad von 96 % (100 x 0,4 + 90 x 0,4 + 100 x 0,2). Planungshorizont Für welchen Zeitraum sollen nun Ziele geplant werden? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht zuletzt abhängig von der Art der Leistung, die das Unternehmen erbringt. Üblicherweise werden Ziele für ein Jahr formuliert Dies gilt insbesondere dann, wenn das Unternehmen im Objekt- oder Projektgeschäft tätig ist, wobei die Jahresleistung des Vertriebsmitarbeiters aus einigen wenigen Objekten/Projekten bestehen kann. Hier wären kürzere Planungszeiträume sicherlich nicht sinnvoll, da derartige Projekte einen langen Vorlauf bis zu ihrer Realisierung aufweisen. Wie verhält es sich aber bei Unternehmen, deren Gesamtleistung pro Jahr aus zahlreichen relativ kleinen Einzelleistungen besteht (z. B. Konsumgüter), bzw. wie verhält es sich bei Unternehmen, deren wirtschaftliche Umwelt einem besonders raschen Wandel unterliegt (z. B. IT-Branche)? Hier haben sich Zielvereinbarungen für die Dauer eines Jahres häufig als untauglich erwiesen: Aufgrund der raschen Veränderungen, denen die Märkte heute unterliegen, können Jahresziele plötzlich unrealistisch (hoch oder niedrig) liegen. Aus diesem Grund neigen Mitarbeiter bei der Zielplanung häufig dazu, die Ziele tiefer als notwenig („auf der sicheren Seite“) anzusetzen. Hier liegt nahe, die Ziele für kürzere Zeiträume (z. B. Halbjahr oder Quartal) zu vereinbaren. Die Vorteile lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Genauere Zielplanung (Marktentwicklungen sind besser absehbar), • „mutigere“ Zielplanung (die Mitarbeiter stufen sich höher ein, wenn sie den Planungszeitraum besser abschätzen können), • flexiblere Zielplanung (da rascher auf Marktveränderungen reagiert werden kann). Unterjährige Ziele bedeuten nicht, dass auf eine Jahresplanung im Unternehmen verzichtet werden muss: Diese könnte z. B. unabhängig von den vereinbarten Halbjahreszielen als „umfassende Planung“ oder „Grobplanung“ verstanden werden, während verbindliche Ziele mit den Mitarbeitern nur für das 82

jeweilige Halbjahr gelten. Oder man führt die sogenannte „rollende“ Planung ein, bei der z. B. jedes Halbjahr ein neuer Zwölfmonatsplan erstellt wird. Der Zielvereinbarungsprozess In Abhängigkeit von der Planungsausrichtung unterscheidet man zwischen der Planung „von oben nach unten“ (top down) und der Planung „von unten nach oben“ (bottom up). Bei der Top-down-Planung „ergeben“ sich die Ziele der Führungskräfte und Mitarbeiter aus Vorgaben, die ihre Wurzel in der Planung der Geschäftsleitung haben. Die Ziele der obersten Ebene werden heruntergebrochen und besitzen Vorgabecharakter. Bei der Bottom-up-Planung erfolgt der Start auf den unteren Ebenen. Die Ziele werden auf der Basis der eigenen Sichtweisen der Mitarbeiter „vor Ort“ erarbeitet. Eine nennenswerte Beteiligung der Führungskräfte erfolgt nicht. Gute Planungsprozesse sind keine reinen Top-down- oder Bottom-upProzesse, sondern weisen sicherlich gleichgewichtige Anteile beider Elemente auf. Beide Seiten bringen ihre Vorstellungen ein und erarbeiten gemeinsam die Leistungsziele. Dabei ist zu erkennen, dass in Unternehmen mit hoher Planungskultur und langer Erfahrung mit Zielvereinbarungen der Planungsprozess stärkere Bottom-up-Elemente aufweist. Die Mitarbeiter kennen den Sinn der Planung, wissen um die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens und gehen mit dieser Planungsfreiheit meist sehr verantwortungsvoll um, indem herausfordernde Ziele genannt werden. Die zeitlichen Schritte der Zielvereinbarung sind in Abbildung 17 dargelegt. Aus der Unternehmensstrategie resultieren konkrete Zielsetzungen des Unternehmens, die jedoch noch keine Mitarbeiterziele darstellen. Die Aufgabe besteht darin, konkrete Mitarbeiterziele zu erarbeiten, die helfen, Unternehmensziele zu erreichen. Der Einstieg in die Zielvereinbarung erfolgt sinnvollerweise über ein Planungsgespräch: Hier informieren die Führungskräfte über die generellen Unternehmenszielsetzungen. Dabei werden Maßstäbe gesetzt bzgl. der erwarteten zukünftigen Umsatzentwicklung, Deckungsbeitragsentwicklung, Kostenentwicklung etc. Es werden Informationen gegeben über neue Produktentwicklungen, erwartete Veränderungen im Kunden-Mix, über Aktivitäten zur Eroberung neuer Marktsegmente und die notwendigen Ressourcen, die hierfür vom Unternehmen bereitgestellt werden. Dieses Planungsgespräch enthält natürlich noch keine spezifischen Planungsdaten des einzelnen Mitarbeiters, sondern befasst sich mit den Erwartungen und Zielen der Unternehmensleitung bzgl. der kommenden Planungsperiode. 83

Strategie

Unternehmenszielsetzungen

1.

Planungsgespräch

2.

Vorbereitung

3.

Zielvereinbarungsgespräch

4.

Erfolgssicherstellung

Resultate (Soll/Ist) Abbildung 17: Der Prozess der Zielvereinbarung

Das Planungsgespräch mit den Mitarbeitern, die in die Zielvereinbarung eingebunden sind, soll sicherstellen, dass die Planung nicht vergangenheitsorientiert durchgeführt wird, sondern sich mit Zukunftsaufgaben befasst. Das Planungsgespräch versteht sich als Richtungsweisung (top down) und gibt den „Ball“ gewissermaßen an die Mitarbeiter weiter. Das Planungsgeschehen wird nun auf der Mitarbeiterebene fortgesetzt. Der Mitarbeiter muss sich Gedanken zu seiner persönlichen Planung machen und versuchen, diese Planung in die Perspektiven einzupassen, die von den Führungskräften erläutert wurden. Hierzu dient der nächste Schritt, die Vorbereitung. „Vorbereitung“ bezieht sich auf Mitarbeiter und Führungskraft. Beide müssen sich unabhängig voneinander Gedanken zum Machbaren erarbeiten und Möglichkeiten ausloten. Wie stellt sich die Ausganglage (vor der kommenden „Zielrunde“) dar? Wie ist die Zielerfüllung der abgelaufenen Periode zu beurteilen? Welche neuen Leistungen wären anspruchsvoll aber noch erreichbar? Wo sind Verbesserungsmöglichkeiten? Welche Aktivitätenpläne sind zur Zielerreichung notwendig? Welche Ressourcen müssen bereitgestellt werden, um die angestrebten Ziele zu erreichen?

84

In Unternehmen mit hoher Planungskultur und Planungserfahrung ist es üblich, dass die Mitarbeiter auf der Basis dieser Vorbereitungen das Zielvereinbarungsgespräch eröffnen und ihre Vorschläge unterbreiten. Die nächste Phase ist die der Zielvereinbarung im engeren Sinne. Das Zielvereinbarungsgespräch19 ⇒ gibt Rückblick auf das Gewesene und ermöglicht der Führungskraft,

den Mitarbeiter darüber zu informieren, wie er dessen bisherige Leistung, sein Verhalten, seine Kooperation etc. einschätzt. Ebenso hat der Mitarbeiter die Gelegenheit, diese Einschätzung aus seiner Sicht vorzunehmen. ⇒ Durch Anerkennung positiver Leistungen des Mitarbeiters wird ein kon-

struktives Gesprächsklima geschaffen. Eine Verständigung über Erfolge und Misserfolge der vorangegangenen Periode schafft die Basis für die Absprache zukünftiger Maßnahmen und Leistungen. ⇒ Ziele werden schließlich vereinbart, wobei diese Ziele konkret messba-

re Größen betreffen können, ebenso kann es sich um Entwicklungsziele des Mitarbeiters handeln (Verhaltensziele, Weiterbildungsziele etc.). Die Anzahl der zu vereinbarenden Ziele sollte begrenzt sein (maximal 5 bis 6 Ziele). Die Eindeutigkeit der Ziele muss gewährleistet sein, ebenso ihre Realisierbarkeit. Der Zeitraum zur Zielerfüllung muss definiert sein, ebenso die Ressourcen, die der Mitarbeiter zur Erfüllung seiner Ziele nutzen kann. Die Zielvereinbarung sollte schriftlich festgehalten werden. Evtl. ist es sinnvoll, dass beide Seiten die Zielvereinbarung unterzeichnen. ⇒ Beide Seiten sollten Absprachen zur Verbesserung ihres Zusammenwir-

kens treffen. In der Phase der Erfolgssicherstellung ist die Führungskraft als Coach gefordert: Er begleitet den Mitarbeiter über den Zeitraum der Zielerfüllung, bespricht anhand von monatlichen (quartalsweisen) Soll/Ist-Vergleichen, was erreicht wurde, was noch zu tun ist und was korrigiert werden muss. Dabei werden Ziele auf monatliche (quartalsweise) „Etappenziele“ heruntergebrochen um „Meilensteine“ zu erarbeiten, die zielführend sind. Die Führungskraft muss gemeinsam mit dem Mitarbeiter mögliche Steuerungsmaßnahmen beschließen, die die Zielerfüllung sicherstellen. Auch positive Abweichungen müssen analysiert werden, um positive Trends noch zu verstärken. 19

vgl. Wahren, Heinz-Kurt: Ziele vereinbaren mit Mitarbeitern und Gruppen, Eschborn: RKW 1999, S. 76

85

Dieses Coaching der Führungskraft kann je nach Entwicklungsstand des Mitarbeiters enger oder weiter sein. In jedem Fall muss das Coaching dazu führen, dass der Mitarbeiter zunehmend Selbständigkeit in der Analyse der Abweichungen an den Tag legt und (Gegen-)Steuerungsmaßnahmen selbst einleitet. In diesem Zusammenhang muss die Frage erörtert werden, ob einmal vereinbarte Ziele im Laufe einer Periode verändert werden können, wenn z. B. Ereignisse eingetreten sind, die der Mitarbeiter nicht zu verantworten hat, die zum Zeitpunkt der Zielvereinbarung nicht gesehen wurden und die das vereinbarte Ziel plötzlich als zu hoch oder zu niedrig erscheinen lassen. Die Veränderung eines Ziels stellt so etwas wie den „Worst Case“ dar: Ziele müssen Gültigkeit besitzen und dürfen nicht „nach Belieben“ adaptiert werden. Andererseits sind z. B. unrealistisch hohe Ziele demotivierend. Die Unterlassung der Zielanpassung wäre schädlich für das Unternehmen und für den Mitarbeiter. Derartige Zielanpassungen sollten aber auf extreme Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Konträre Interessen Die bisherigen Ausführungen könnten den Eindruck erwecken, als ob Zielvereinbarungsgespräche konfliktfreie Räume wären. Dies ist natürlich keinesfalls so: Hier treffen unterschiedliche Blickwinkel aufeinander, unterschiedliche Interessen und Wahrnehmungen sowie unterschiedliche Beurteilungen von Leistungsmöglichkeiten und Ausgangslagen. Dazu kommen Machtspiele, Taktiken und Egoismen. Mitarbeiter wollen Ziele evtl. tiefer ansetzen als realistisch, um sich dadurch bessere Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen. So stellen sich Zielvereinbarungsgespräche keinesfalls als „einfache Angelegenheit“ dar. Dennoch sind beide Seiten zum Konsens „verdammt“ und dieser sollte nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner vollzogen werden. Wie kann dieser problematische Sachverhalt aufgelöst werden? Im Wesentlichen sind zwei Ansätze zu verfolgen: ⇒ Plausibilisierung: Zielvorstellungen der Führungskraft müssen plausibel

begründet werden. Pauschale Forderungen stoßen zwangsläufig auf Ablehnung. Dem Mitarbeiter muss rational unter Zuhilfenahme entsprechenden Zahlenmaterials und von Vergleichsrechnungen verdeutlicht werden, weshalb z. B. eine bestimmte Leistung keine Überforderung darstellt. In Kapitel 4.5 sind Beispiele bzgl. einer systematischen Aus86

wertung von Profit-Center-Daten enthalten. Über „Steuerungszahlen“ werden dort Leistungsvergleiche zwischen dem Mitarbeiter und seinen Kollegen bzw. dem Unternehmensdurchschnitt angestellt. Normen werden herangezogen und zum Maßstab gemacht. Durch entsprechend plausibel vorgetragene Vorstellungen der Führungskraft ist der Mitarbeiter gezwungen, entsprechend plausibel „dagegenzuhalten“. Hierdurch stellt sich ein rationales, sachbezogenes Gesprächsklima ein, welches erfahrungsgemäß zu realistischen Zielen führt. Plausibilisierung heißt aber nicht nur, Analysen und Vergleiche durchzuführen, sondern auch Handlungswege aufzuzeigen und Maßnahmen zu verdeutlichen. Eine derartige argumentative Vorgehensweise bindet den Mitarbeiter aktiv in die Zielfindung ein und verhindert ein pauschales „Abschmettern“ von Zielvorstellungen der Führungskraft. ⇒ Reduzierung hierarchischer Differenzen: Zielvereinbarungsgespräche

werden dann um so erfolgreicher sein, je mehr es gelingt, Offenheit und Vertrauen zwischen den Gesprächspartnern aufzubauen. Auch hier ist die Führungskraft in erster Linie gefordert: Sie muss sich zurücknehmen, den Mitarbeiter zu Wort kommen lassen, aktiv zuhören, das Gespräch keinesfalls dominieren und etwa gleiche Gesprächsanteile für den Mitarbeiter zulassen. Die Führungskraft sollte die bestehenden hierarchischen Differenzen im Gespräch verwischen lassen und z. B. auf Drohungen oder Zurechtweisungen verzichten. Das Gespräch wird umso konstruktiver verlaufen, wenn es tendenziell vom Gedanken der Gleichheit getragen ist und wechselseitiges Vertrauen bekundet wird. Die Führungskraft sollte das Gespräch nur sanft lenken und abwechselnde Gesprächsführung erlauben. Das Zielvereinbarungsgespräch sollte nicht unter unnötigen Zeitdruck gestellt werden und von Angstfreiheit getragen sein. Erfolgreiche Zielvereinbarungsgespräche haben demnach viel mit gutem Führungsstil zu tun und vor allem mit Führungskompetenz. Die Motivation der Mitarbeiter aus diesen Zielvereinbarungsgesprächen wird umso größer sein, je offener, vertrauensvoller und konstruktiver der Prozess der Zielvereinbarung abgelaufen ist.

87

5.2

Ableitung von Zielen im Unternehmen

Die finanziellen Mittel, die man im Unternehmen für die variable Vergütung aufwendet, werden oftmals nicht effektiv umgesetzt: ⇒ Die Mitarbeiter haben oft keinen direkten Einfluss auf die vergüteten

Leistungskriterien, da diese nicht aus dem unmittelbaren Leistungsumfeld des Mitarbeiters oder Teams stammen (z. B. Beteiligung am Unternehmensgewinn). ⇒ Die vergüteten Leistungskriterien (Ziele) sind im Unternehmen nicht

aufeinander abgestimmt. Jeder Bereich formuliert seine eigenen Ziele. Diese Ziele mögen pro Bereich logisch und in sich konsistent sein, die Ziele der verschiedenen Unternehmensbereiche ergänzen sich einander aber nicht, sondern sind oft widersprüchlich. ⇒ Die Ziele der einzelnen Bereiche sind nicht oder zu wenig an der Unternehmensstrategie ausgerichtet. Die Kette von der Unternehmensvision über die Strategie, Ziele und Maßnahmen ist nicht geschlossen. Die Vergütung führt gewissermaßen ein Eigenleben, ohne die zentralen Unternehmensziele zu stützen. Abbildung 18 verdeutlicht diesen Zusammenhang:

Abbildung 18: Widersprüchliche Ziele im Unternehmen

Unternehmen sind arbeitsteilige Organisationen, in denen bestimmten Funktionsbereichen Aufgaben und Verantwortungen zugewiesen sind, um Unternehmensergebnisse (Resultate) zu befördern. Um effektiv (im Sinne des Unternehmens) zu vergüten, ist es notwendig, die Verantwortung für Ergebnisse klar zu definieren, die jedem Funktionsbereich im Unternehmen zukommt. Diese Definition muss aber eingebunden sein in die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens. So ergeben sich strategiebezogene und sich wechselseitig unterstützende Ziele der verschiedenen Unternehmensbereiche: 88

Abbildung 19: Konforme Ziele im Unternehmen

Hierzu bedarf es eines Systems, Unternehmensvisionen und -strategien in Bereichsziele, Mitarbeiterziele und Einzelmaßnahmen zu überführen, die konkret und handlungsführend sind und sich damit für eine leistungsorientierte Vergütung eignen:

Vision +

Strategie Unternehmensziele

Ziele der Funktionsbereiche und Abteilungen

Ziele der Mitarbeiter/Teams

Führen mit Zielen

Maßnahmen, Etappenziele Soll/Ist-Vergleich, Abweichungsanalyse

Bonus für Zielerreichung

Abbildung 20: Integriertes Modell der strategiekonformen Führung und Vergütung

89

Das Herunterbrechen der Unternehmensstrategie in mitarbeiterbezogene Ziele und Maßnahmen ist Inhalt des Modells der „Balanced Scorecard“, das auf Norton und Kaplan zurückgeht20. „Scorecard“ ist ein Begriff aus dem Golfen: Golfer bezeichnen die Karte, auf die sie ihre Punkte eintragen, als „Scorecard“. Die Unternehmens-Scorecard hält gewissermaßen symbolisch „auf einem Blatt“ das gesamte Zielsystem des Unternehmens fest. Der Begriff „Balanced“ drückt aus, dass dieses Zielsystem ausgewogen ist, und zwar hinsichtlich • der Integration in die Unternehmensstrategie, • der wechselseitigen Unterstützung der Einzelziele, • der Unterstützung der Unternehmensinteressen aus allen Perspektiven. Klassische Zielsysteme leiden oft unter dem Defizit, dass nur eine Unternehmensperspektive angesprochen ist, z. B. die finanzwirtschaftliche. Ziele werden ausschließlich an Größen wie Umsatz, Gewinn, Deckungsbeitrag, Liquidität etc. festgemacht. Im Ansatz der Balanced Scorecard geht man dagegen von einem Zielsystem aus, das alle erfolgsrelevanten Aspekte sowie deren Wechselwirkungen berücksichtigt. Dabei wird das Unternehmen aus vier Perspektiven betrachtet: • Der Finanzperspektive, • der Kundenperspektive, • der Perspektive von Geschäftsprozessen, • der Perspektive des Lernens und der Innovation. Die beiden Perspektiven „Geschäftsprozesse“ und „Lernen/Innovation“ gelten als interne Perspektiven und sind den externen Perspektiven „Finanzwirtschaft“ und „Kunden“ zeitlich (in ihrer Auswirkung) vorgelagert.

20

90

vgl. Norton, David T.; Kaplan, Robert S.: Balanced Scorecard. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1987

Finanzperspektive

Perspektive Lernen und Innovation

Unternehmen

Kundenperspektive

Perspektive Geschäftsprozesse

Abbildung 21 :Die vier Unternehmensperspektiven im Modell der Balanced Scorecard

Die vier Perspektiven sind über Ursache-Wirkungszusammenhänge eng miteinander verknüpft: So korrespondieren z. B. neue Produkte (Innovationsperspektive) und Qualität (Prozessperspektive) mit Kundenzufriedenheit (Kundenperspektive) und dem Umsatz bzw. Ertrag (Finanzperspektive). Der Aufbau guter Marktanteile (Kundenperspektive) ist zunächst evtl. nur unter Gewinnverzicht realisierbar, hilft aber langfristig Deckungsbeiträge aufzubauen (Finanzperspektive) und bildet die Voraussetzung, neue Produkte im Markt rasch unterzubringen (Innovationsperspektive). Balanced Scorecard geht also von einer Wechselwirkung der Einflussgrößen aus, denn eine Verbesserung in einem bestimmten Bereich kann im Extremfall zu einer Verschlechterung in einem anderen Bereich führen. Dabei geht es im Rahmen der Balanced Scorecard darum, generelle (strategische) Ziele des Unternehmens herunterzubrechen in steuerungsrelevante Aussagen für Bereiche, Abteilungen, Teams und Mitarbeiter. So beinhaltet jede der vier Perspektiven • Erfolgsfaktoren (z. B. Marktanteilsverbesserung) • Messgrößen (z. B. Neukunden) • Kennziffern (Ziele: z. B. 5 Neukunden) • Aktivitäten (z. B. Akquisition im Rahmen von Aktionsangeboten). Dies lässt sich wie folgt darstellen: 91

FinanzFinanzperspektive perspektive

Perspektive Perspektive Lernenund und Lernen Innovation Innovation

Erfolgsfaktoren Messgrößen Kennziffern Aktivitäten

Erfolgsfaktoren Messgrößen Kennzifffern Aktivitäten

Unternehmensziele

Perspektive Perspektive GeschäftsGeschäftsprozesse prozesse

KundenKundenperspektive perspektive

Erfolgsfaktoren Messgrößen Kennziffern Aktivitäten

Erfolgsfaktoren Messgrößen Kennziffern Aktivitäten

Abbildung 22: Die vier Unternehmensperspektiven und ihre Ausprägungen

Der Aufbau einer Balanced Scorecard vollzieht sich dabei in folgenden Etappen: 1.

Strategie formulieren

2.

Schlüsselfaktoren für den Erfolg in jeder Unternehmensperspektive herausarbeiten (= Definition von kritischen Leistungstreibern)

3.

Messgrößen festlegen

4.

Ziele vereinbaren und Maßnahmenpakete schnüren

Abbildung 23: Die vier Etappen der Entwicklung einer Balanced Scorecard

92

Die kritische Stufe in diesem Modell ist zweifelsohne die zweite Etappe. Hier bedarf es eines großen Verständnisses für die Wirkungszusammenhänge im Unternehmen. Wie funktioniert eigentlich das Geschäft, in dem wir tätig sind? Welches sind die Schlüsselfaktoren für die vier Erfolgsperspektiven? Wie kann das gesamte Wirkungsgefüge heruntergebrochen werden auf die wesentlichen Leistungstreiber? Tabelle 4 verdeutlicht diese Zusammenhänge: Perspektive Finanzperspektive gemäß BSC Unternehmensziele

Schlüsselfaktoren für Erfolg (und ihre Wechselwirkung)

Wachstum Gewinn Kapitalverzinsung Liquidität Umsatzsteigerung

Kundenperspektive

Perspektive Geschäftsprozesse

Perspektive Lernen und Innovation

Marktdurchdringung Kundenzufriedenheit Kundenbindung Markenbindung

Verkaufseffizienz Qualität Produktionseffizienz

Produktinnovationen Mitarbeiterkompetenz

Ertragsstarke Produkte

Neukunden Lagerbestand

Lieferfähigkeit

Vertriebskosten Kunden-Mix Außenstände

Ertragsstarke Kunden

Auftragsabwicklung Kundenstruktur

Einrichtung von Verkaufs-Teams Verkaufsschulungen

Messgrößen

- Nettoumsatz - Deckungsbeitrag - ROI (Return on Investment) - Cashflow

- Marktanteil - Anzahl Neukunden - Kundenzufriedenheitsindex - Stammkundenquote

- Einhaltung Lieferzeiten - Anteil neuer - Erfolgsquote Angebote Produkte am Umsatz - Anzahl Kundenbesuche - Verbesserung - Zeitaufwand für Listungsbreite Auftragsabwicklung - Teamfähigkeit - Zeitaufwand für Reklamationserledigung - Qualitätskosten

Kennziffern (Ziele)

z.B. - 2 Mio. Umsatz - 0,8 Mio. Deckungsbeitrag

z.B. - 31% Marktanteil - 10 Neukunden

z.B. z.B. - Erfolgsquote Ange- 25% Neuproduktant. bote 48% - 5 verkaufte Produkt- Zeitbedarf für Reklamagruppen pro Kunde tionsbearb. 4 Arbeitstage (im Durchschnitt)

Tabelle 4: Herunterbrechen von Mitarbeiterzielen aus Unternehmenszielen

Ist das Zusammenwirken zwischen Unternehmenszielen und Erfolgsfaktoren veranschaulicht, werden die Messgrößen abgeleitet, die als Vergütungskriterien dienen. Die Darstellung der Tabelle 4 verbessert das Verständnis darüber, wie das Geschäft funktioniert, in dem die Interdependenzen zwischen Unternehmenszielen, Erfolgsfaktoren und Leistungsgrößen aufgezeigt werden. Mitarbeiter, die in den Prozess der Ableitung von Einzelzielen aus Unternehmenszielen involviert werden, entwickeln erfahrungsgemäß ein exzellen93

tes Verständnis für die Wirkungszusammenhänge im Unternehmen, für die Notwendigkeit, bestimmte Ziele zu verfolgen und für die Ansatzpunkte von Maßnahmen. In Kapitel 2.3 wurde dargestellt, dass sich die Mitarbeiter im Vertrieb zusehends zu „Strategieumsetzern“ des Unternehmens entwickeln. Die Beteiligung der Mitarbeiter an der Entwicklung einer Balanced Scorecard schafft wichtige Voraussetzungen hierfür. Die Entwicklung von Vergütungskriterien im Vertrieb entsprechend der Balanced Scorecard sei im Folgenden beispielhaft verdeutlicht (dabei wurden Vergütungskriterien entsprechend willkürlich angenommener Mitarbeiterverantwortungen entwickelt): Erfolgsfaktoren

Messgrößen

In Vergütung zu berücksichtigen bei Außen- InnenKey dienstdienst Account mitarbeit. mitarbeit. Manager

Finanzperspektive

- Umsatzsteigerung - Rendite - Liquidität

Kundenperspektive

- Potenzialausschöpfung - Neukunden - Aufbau neues Marktsegment

Perspektive Geschäftsprozesse

- Verkaufseffizienz - Lieferfähigkeit - Qualität der Erzeugnisse

Perspektive Lernen und Innovation

- Ausschöpfung Sortimentsbreite - Neue Produkte - Verbesserung MitarbeiterKompetenz

- Nettoumsatz - Deckungsbeitrag II - KonditionenVerbesserung - Cashflow

X X

- Marktanteil

X

X

- Deckungsbeitrag mit Neukunden - Anzahl Kundenbesuche

X X

X

X X X

andere Bereiche

X X X X (Fibu)

- Erfolgsquote Angebote - Einhaltung Lieferzeit - Qualitätskosten

- Durchschn. Anzahl Prod. b. Kunden - Verhältnis Neuproduktumsatz zu Gesamtumsatz - Teilnahme an Verkaufsschulungen

X

Verkaufs leiter

X

X X X (Produktion) X

X

X

X

X

X X (Entwicklung)

Tabelle 5: Die Entwicklung von Vergütungskriterien entsprechend der Balanced Scorecard

Der Ansatz der Balanced Scorecard geht also davon aus, dass Mitarbeiterziele aus Unternehmensstrategien abgeleitet werden. Die sich daraus ergebenden Ziele sind schlüssig, bei Einhaltung der Ziele unterstützen sich die Mitarbeiter 94

gegenseitig. Solche Zielkonzeptionen sind für den Mitarbeiter nachvollziehbar, transparent und verbessern sein Strategieverständnis. Sie fördern Motivation sowie das Engagement für Verbesserungsprozesse. Die Akzeptanz gegenüber einem neuen Vergütungssystem ist höher, wenn derartig vernetzte Ziel- und Vergütungskonzepte aufgebaut werden, da sich der einzelne Mitarbeiter in seiner Zielverfolgung unterstützt fühlen kann.

5.3

Die klassische Zielprämie

Wie sehen nun die Vergütungskonzepte aus, um Mitarbeiterziele entsprechend zu vergüten? Im Gegensatz zur Provision macht die Zielprämie an der Erreichung des (der) vereinbarten Ziels (Ziele) fest. Das Erreichen (der Ziele) löst also einen bestimmten Vergütungsbetrag aus (die Zielprämie). Die Zielprämie wird aber nicht allein auf diese Zielerreichung ausgelegt, sondern sie erhöht sich, wenn der Mitarbeiter eine Leistung erbringt, die über dem vereinbarten Ziel liegt bzw. sie ermäßig sich, wenn eine Leistung erbracht wird, die unter dem Ziel liegt. Die Vergütung per Zielprämie erstreckt sich allerdings nur auf den eigentlichen „Leistungskorridor“ des Mitarbeiters21. Die Zielprämie setzt also erst ab Erreichen einer Mindestleistung ein (z. B. 90 % Zielerfüllung) und steigt bis zu einem Zielübererfüllungsgrad (z. B. 120 %). Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Zielspreizung“. Eine Leistung unterhalb des „unteren Leistungspunkts“ wird nicht mehr vergütet, da eine derart niedrige Leistung keine variable Vergütung mehr auslösen sollte. Die Zielprämie endet beim „oberen Leistungspunkt“, da Leistungen oberhalb dieses Punktes „nach menschlichem Ermessen“ nicht mehr zu erbringen sind bzw. nur noch durch Zufälle (und nicht durch systematische Arbeit) erreicht werden. Die Bandbreite des „Leistungskorridors“ muss unternehmensspezifisch (und mitarbeiterspezifisch) definiert werden: Unternehmen mit einem sehr volatilen und schwer zu planenden Geschäftsverlauf (z. B. Projektgeschäft) definieren in aller Regel relativ breite „Leistungskorridore“ (z. B. 70 % bis 130 %). Unternehmen mit relativ planbaren Geschäftsverläufen (z. B. Massenkonsumgüter) definieren in aller Regel einen relativ engen „Leistungskorridor“ (z. B. 90 % bis 110 %).

21

vgl. Kapitel 3.1

95

Einkommen Zielprämie Fixum

90 %

100 %

120 %

Leistung

Abbildung 24: Die klassische Zielprämie

Der Verlauf der variablen Vergütungskurve ist dabei immer überproportional: Eine Mehrleistung von 10 % kann die Zielprämie z. B. schon um 50 % steigen lassen. Die Erreichung des „oberen Leistungspunkts“ ist nicht selten mit einer Verdoppelung der Zielprämie verbunden. Eine Leistung unterhalb des vereinbarten Ziels erfährt ebenfalls eine überproportionale Absenkung der Zielprämie. In diesem Zusammenhang spricht man von „Prämienspreizung“. Ein Zahlenbeispiel soll dies verdeutlichen: Ziel: Deckungsbeitrag II = 1,0 Mio. € Zielerreichung 90 %...

100 %...

110 %...

120 %

Zielprämie (€) 7.500,-…

15.000,-…

22.500,-…

30.000,-

Tabelle 6: Zielprämien entsprechend Abbildung 24

Liegt das Ziel bei einem Deckungsbeitrag in Höhe von 1,0 Mio. € (= 100 %), erhält der Mitarbeiter im obigen Beispiel eine Zielprämie in Höhe von 15.000,- €. Bei Erreichung eines Leistungsgrades von 120 % würde sich die Zielprämie verdoppeln, bei einem Leistungsgrad von 90 % halbieren (die Leistungszwischenstufen wurden im obigen Beispiel nicht ausgewiesen). Eine Leistung von 120 % würde dem Unternehmen einen zusätzlichen Deckungsbeitrag in Höhe von 200.000,- € liefern, der Mitarbeiter würde dafür zusätzliche 15.000,- € erhalten. Obwohl die Mehrvergütung des Mitarbeiters im obigen Beispiel nur 7,5 % vom Mehrertrag ausmachen würde, wäre damit doch ein hoher Leistungsanreiz verbunden. 96

Natürlich lassen sich auch sanftere (und steilere) Kurvenverläufe für die Zielprämie denken: Ein Anstieg der Vergütung beim „oberen Leistungspunkt“ um 2/3 der Zielprämie oder um 50 % der Zielprämie ist ebenso denkbar, verbunden mit entsprechend sanfteren Absenkungen beim „unteren Leistungspunkt“. Eine Anhebung der variablen Vergütungskurve um 200 % beim „oberen Leistungspunkt“ ist genauso vorstellbar, um die Motivationseffekte zu steigern. Diesbezüglich ist dem Unternehmen eine große Gestaltungsfreiheit gegeben. Allerdings sollte beim Zuschnitt der Vergütungskurve beachtet werden, dass Zielprämien ein hohes Maß an „Spannung“ für die Mitarbeiter bieten müssen. Der Verlauf der variablen Vergütungskurve ist natürlich auch durch die Breite des „Leistungskorridors“ vorgeben. Ein breiter „Leistungskorridor“ (= starke Zielspreizung) lässt die Vergütungskurve schwächer steigen als ein schmaler „Leistungskorridor“. Plädieren die Mitarbeiter also für möglichst breite „Leistungskorridore“ (um das Einkommensrisiko abzusenken), ist damit gleichzeitig ein sanfterer (und damit „langweiligerer“) Verlauf der Einkommenskurve verbunden. Vor allem von Seiten der Mitarbeiter, die zum ersten Mal mit Zielprämien konfrontiert werden, wird immer wieder gefragt, weshalb die variable Vergütungskurve beim „oberen Leistungspunkt“ abgeschnitten wird. Man vermutet, dass die Einkommensentwicklung aus Personalkosten-Gründen abgeschnitten werden soll (es wird von Vergütungs-“Deckelung“ gesprochen), mit dem Effekt, dass leistungsstarke Mitarbeiter bestraft würden. Diesbzgl. sei auf folgenden Zusammenhang verwiesen: Ziele sollen anspruchvoll und herausfordernd sein (gleichzeitig erreichbar). Wenn nun ein derartig anspruchsvolles Ziel vereinbart wurde, wie kann es dann um 30 % oder gar 50 % übertroffen werden? Wenn also ein solcher Leistungsgrad erreicht würde, könnte der Schluss nahe liegen, dass das Ziel eben nicht anspruchsvoll formuliert war. Oder es sind Zufallsaufträge zustande gekommen, hinter denen nicht die gewollte systematische Arbeit stand. Aufgrund dieser Überlegungen liegt es nahe, einen „oberen Leistungspunkt“ zu definieren. Dieser kann aber dann bewusst aufgehoben werden, wenn ein Mitarbeiter aufgrund einer echten Leistung einen Leistungsgrad erreicht hat, der oberhalb des „oberen Leistungspunkts“ liegt. Dieser Fall ereignet sich höchst selten. Die Führungskräfte sollten dann aber flexibel reagieren und eine entsprechende Vergütung ermöglichen. Die Vorteile der Zielprämie gegenüber klassischen Vergütungsinstrumenten (wie Provisionen) ergeben sich bereits aus den Ausführungen voranstehender Kapitel. Deshalb sei hier nur kurz zusammengefasst: 97

• Konzentration der variablen Vergütung auf den eigentlichen Leistungsbereich des Mitarbeiters (und nicht Vergeudung der Ressourcen für Leistungen, die nicht infrage gestellt werden), • Vergütung der eigentlichen Mitarbeiterleistung bzw. Vermeidung der Vergütung von Zufälligkeiten (konjunkturelle oder branchenbedingte Auf- oder Abschwünge können durch entsprechende Zielformulierungen weitgehend berücksichtigt werden), • höhere Motivation für anspruchsvolle Leistungen, • differenzierte Steuerung über verschiedene Ziele, die dem Unternehmen wichtig sind, • Vermeidung langfristiger „Einkommensexplosionen“, die das Einkommensgefüge im Unternehmen sprengen, • höhere Vergütungsgerechtigkeit durch individuelle Zielvereinbarungen (Berücksichtigung unterschiedlicher Voraussetzungen in den Verantwortungsbereichen der Mitarbeiter), • Flexibilität für strukturelle Veränderungen im Vertrieb, • Überschaubarkeit und Transparenz.

5.4

Alternative Gestaltung der Einkommenskurve

Einkommen Zielprämie Fixum

90 %

100 %

120 %

Leistung

Abbildung 25: Variante 1 der Zielprämienkurve

Der Prototyp der Zielprämie weist einen linearen Kurvenverlauf auf: Das variable Vergütungssystem bietet im Prinzip gleiche Chancen und Risiken. Dabei lassen sich zwei Varianten denken, die in Abbildung 25 und Abbildung 26 98

dargestellt sind. In Abbildung 25 startet die Zielprämie bei 90 % Zielerfüllung mit einem bestimmten Vergütungsbetrag und steigt kontinuierlich bis 120 % Zielerfüllung an (vgl. auch das rechnerische Beispiel im voranstehenden Kapitel). Eine Leistung unter 90 % wird nicht mehr variabel vergütet (nur noch per Fixum). Einkommen Zielprämie Fixum

80 %

100 %

120 % Leistung

Abbildung 26: Variante 2 der Zielprämienkurve

In Abbildung 26 läuft die Zielprämie, ähnlich einer Provision, „nach unten“ kontinuierlich aus. Der Start der Kurve liegt bei 80 % Zielerfüllung. Das Zahlenbeispiel zu dieser Kurvengestaltung könnte wie folgt aussehen:

Ziel: Deckungsbeitrag II = 1,0 Mio. € Zielerreichung 80 %...

90 %...

100 %...

110 %...

120 %

Zielprämie (€) 0,-… 7.500,-…

15.000,-…

22.500,-…

30.000,-

Tabelle 7: Zielprämien entsprechend Abbildung 26

Bei diesem Modell ist das Risiko des Mitarbeiters nach unten abgefedert: Es wird noch eine Leistung vergütet, die unter 90 % Zielerfüllung liegt.

99

Einkommen Zielprämie Fixum

80 %

100 %

120 % Leistung

Abbildung 27: Variante 3 der Zielprämienkurve

Eine Vergütungskurve, die heute sehr häufig eingesetzt wird, bietet dem Mitarbeiter höhere Einkommenschancen als -risiken. Dies ist erreichbar, indem man die Vergütungskurve zwischen 100 % Zielerreichung und dem „oberen Leistungspunkt“ steiler verlaufen lässt als zwischen dem „unteren Leistungspunkt“ und der 100 %-Zielerreichung. Die zahlenmäßige Darstellung dieser Kurve könnte z. B. wie folgt aussehen:

Ziel: Deckungsbeitrag II = 1,0 Mio. € Zielerreichung 80 %...

90 %...

100 %...

110 %...

Zielprämie (€) 7.500,-…

11.250,-…

15.000,-…

22.500,- … 30.000,-

120 %

Tabelle 8: Zielprämien entsprechend Abbildung 27

Eine solche Vergütungskurve teilt dem Mitarbeiter mit, dass es dem Unternehmen nicht darauf ankommt, ihn zu bedrohen, sondern eher, ihn zu verlocken, „nach vorne zu stürmen“. Wenn Mitarbeiter ein neues Vergütungssystem akzeptieren sollen, muss dieses attraktiv ausgestaltet sein. Hier lohnt sich aus Sicht des Mitarbeiters ein Umstieg, da das neue Vergütungssystem gute Chancen bei relativ geringen Risiken bietet (dennoch verläuft die Kurve zwischen dem „unteren Leistungspunkt“ und der 100 %-Zielerreichung steiler als z. B. bei einer klassischen Provision).

100

Einkommen Zielprämie Fixum

80 %

100 %

120 % Leistung

Abbildung 28: Variante 4 der Zielprämienkurve

Eine weitere Alternative bietet ein Zielprämien-Kurvenverlauf, der in einer Sförmigen Linie gestaltet ist. Hier wird z. B. eine gute Planbarkeit des Geschäftsverlaufs unterstellt, so dass ein engerer „Leistungskorridor“ (z. B. von 90 % bis 110 % Zielerreichung) innerhalb eines breiteren „Leistungskorridors“ (z. B. von 80 % bis 120 % Zielereichung) unterschieden wird. Ein Unternehmen mit einem derartigen Zielprämien-Kurvenverlauf möchte die eigentlichen Vergütungsressourcen auf den engeren „Leistungskorridor“ konzentrieren und vor bzw. nach diesem engeren „Leistungskorridor“ nur noch relativ kleine Anreize bieten. Natürlich lassen sich auch andere Vergütungsinstrumente mit der Zielprämie kombinieren. Abbildung 29 zeigt z. B. die Kombination einer Provision (z. B. auf Deckungsbeiträge) mit Zielprämien (z. B. für weitere Leistungskriterien wie Neukunden, Marktanteil etc.).

Einkommen Zielprämie Provision Fixum

80 %

100 %

120 % Leistung

Abbildung 29: Variante 5 der Zielprämienkurve

101

Bei diesem Konzept ist der variable Vergütungsanteil des Mitarbeiters also auf zwei Elemente verteilt. Die Provision stellt das „ruhige“ Element dar, das auf Leistungsschwankungen nur relativ gering reagiert, während die Zielprämie das „spannende“ Vergütungselement repräsentiert. Ein derartiges Vergütungssystem eignet sich z. B. für solche Mitarbeiter, die einen hohen variablen Vergütungsanteil besitzen, wobei die Schwankungen des variablen Einkommens bewußt im Zaum gehalten werden sollen. Einkommen Zielprämie Added-ValueProvision Fixum

Basisleistung

80 %

100 %

120 % Leistung

Abbildung 30: Variante 6 der Zielprämienkurve

Eine etwas spannendere Alternative bietet Abbildung 30. Hier wird die Zielprämie mit einer Added-Value-Provision kombiniert, einer Provision, die nicht bei „Null“ startet, sondern erst ab einem bestimmten Leistungsgrad. Hierdurch ergibt sich ein steilerer (motivierenderer) Anstieg der Provisionskurve. Eine bestimmte Basisleistung wird weder durch Provision noch durch Zielprämien vergütet (nur noch per Fixum). Dabei folgt der Verlauf der Provisionskurve dem Grundgedanken der Zielprämie. Die variable Vergütung sollte sich auf den Added Value des Mitarbeiters konzentrieren. Allerdings verläuft die Provisionskurve flacher als die Kurve der Zielprämie.

5.5

Feinsteuerung über verschiedene Ziele

In den voranstehenden Kapiteln wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass sowohl in die zielorientierte Mitarbeiterführung als auch in die moderne Vergütung stets mehrere Leistungskriterien (Ziele) einfließen, die Schlüsselfaktoren für den Unternehmenserfolg darstellen. Die Vergütung mit Zielprämien eignet sich in besonderem Maße für eine differenzierte Mitarbeitersteuerung auf der Basis verschiedener Vergütungskriterien. 102

Anknüpfend an das Modell der Balanced Scorecard22 könnten aus strategischen Zielsetzungen des Unternehmens über Erfolgsindikatoren Messgrößen für einzelne Mitarbeiter oder für Teams abgeleitet werden, die in Zielvereinbarungsgesprächen zu Zielen und Maßnahmen führen. In Anlehnung an Tabelle 5 könnten z. B. für einen Key Account Manager folgende fünf Leistungskriterien (Vergütungskriterien) erarbeitet worden sein: • Deckungsbeitrag II • Umsatz • Marktanteil • Konditionenverbesserung • Listungsbreite (durchschnittliche Anzahl verkaufter Produkte pro Kunde). Durch eine Gewichtung der Leistungskriterien kann das Unternehmen die Bedeutung des einzelnen Kriteriums deutlich machen. So kann das Gesamtgewicht von 100 % aufgeteilt werden auf die einzelnen Leistungskriterien, wie z. B.: Leistungskriterien Deckungsbeitrag II Umsatz Marktanteil Konditionen-Verbesserung Listungsbreite Summe

Gewichtung 40 % 20 % 20 % 10 % 10 % 100 %

Tabelle 9: Gewichtung von Leistungskriterien

Nun müssen Ziele vereinbart werden (Kennziffern im Sinne der Balanced Scorecard), und zwar im Rahmen eines Zielvereinbarungsgesprächs. Es sei unterstellt, dass sich folgende Ziele des Key Account Managers ergeben haben:

22

vgl. Kapitel 5.2

103

Leistungskriterien Deckungsbeitrag II Umsatz Marktanteil Konditionen-Verbesserung Leistungsbreite

Gewichtung

Ziele

40 % 20 % 20 % 10 % 10 %

1,0 Mio. € 2,9 Mio. € 32,5 % 1,2 %-Punkte 5 Produktgruppen pro Kunde

Tabelle 10: Erarbeitung der Zielvorgaben

Im nächsten Schritt wird nun die Zielspreizung (Leistungskorridor) erarbeitet, d. h. ein „unterer Leistungspunkt“ sowie ein „oberer Leistungspunkt“ wird festgelegt. Weiter oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Zielspreizung von Branche zu Branche, von Mitarbeiterbereich zu Mitarbeiterbereich, ja sogar von Ziel zu Ziel unterschiedlich ist. Bei guter Planbarkeit und geringer Volatilität des Geschäfts lassen sich relativ enge Zielspreizungen vereinbaren, bei volatilen Geschäftsverläufen sind diese dagegen breiter zu fassen. Für das hier entwickelte Beispiel eines Key Account Managers seien folgende Zielspreizungen angenommen: Leistungskriterien

Deckungsbeitrag II Umsatz Marktanteil Konditionen-Verbesserung Listungsbreite

Gewichtung

40 % 20 % 20 % 10 % 10 %

Ziele

1,0 Mio. € 2,9 Mio. € 32,5 % 1,2 % Punkte 5 Produktgruppen pro Kunde

Zielspreizung unterer oberer LeistungsLeistungspunkt punkt 80 % 80 % 90 % 90 % 80 %

Tabelle 11: Erarbeitung der Zielspreizung

104

100 % 100 % 100 % 100 % 100 %

120 % 120 % 110 % 110 % 120 %

Nun müssen im letzten Schritt die Einkommensaspekte (Zielprämien) geklärt werden. Angenommen der Mitarbeiter hat ein Jahres-Zieleinkommen von 75.000,- €. Hiervon sollen 30 % variabel (leistungsbezogen) vergütet werden (= 22.500,- €). Demnach würde sich dieses variable Einkommen auf die Leistungskriterien aufteilen entsprechend der Gewichtung der Leistungskriterien. Ferner sei unterstellt, dass sich die Zielprämie beim „oberen Leistungspunkt“ verdoppeln und beim „unteren Leistungspunkt“ halbieren soll (entsprechend Abbildung 27 bzw. Tabelle 8 in Kapitel 5.4). So ergäbe sich folgende Vergütungstabelle: Leistungskriterien

Deckungsbeitrag II Umsatz Marktanteil Konditionen-Verbesserung Listungsbreite

Gewichtung

40 % 20 % 20 % 10 % 10 %

100 %

Ziele

1,0 Mio. € 2,9 Mio. € 32,5 % 1,2%-Pkt. 5 Produktgruppen p. Kunde

Zielprämie bei Zielerfüllung (€) unterer oberer Leistungs100 % Leistungspunkt… punkt… 4.500,-… 2.250,-… 2.250,-… 1.125,-… 1.125,-…

9.000,-… 4.500,-… 4.500,-… 2.250,-… 2.250,-…

18.000,9.000,9.000,4.500,4.500,-

11.250,-

22.500,-

45.000,-

Tabelle 12: Beispiel einer Vergütung des Key Account Managers

Das variable Einkommen des Mitarbeiters ergibt sich nun je nach individueller Zielerreichung: Erreicht der Mitarbeiter beim Deckungsbeitrag II-Ziel eine 120 %-Leistung, so erhält er hierfür eine Zielprämie in Höhe von 18.000,- €. Erreicht der Mitarbeiter beim Umsatz die 100 %-Leistung, erhält er hierfür 4.500,- €. Erreicht er beim Marktanteil die 105 %-Leistung, so erhält er hierfür 6.750,- € Prämie usw. Auf diese Weise können die Mitarbeiter differenziert und zielführend vergütet werden. Das System der Zielprämie weist den Vorteil einer doppelten Flexibilität auf: ⇒ Zum einen können im Lauf der Jahre bestimmte Leistungskriterien ge-

gen neue Leistungskriterien ausgetauscht werden. Oder es werden weitere Leistungskriterien ergänzt (wobei möglichst nicht mehr als 5 bis 6 Leistungskriterien vergütet werden sollten, um die nötige Transparenz aufrechtzuerhalten). Die Leistungskriterien ergeben sich aus den jeweiligen Notwendigkeiten und strategischen Zielsetzungen des Unterneh105

mens (Balanced Scorecard). Ferner kann die Gewichtung der einzelnen Leistungskriterien verändert werden und natürlich werden neue Ziele vereinbart. Das Zielprämien-Vergütungsmodell bildet einen Rahmen, der mit dem Mitarbeiter vereinbart wird. Natürlich legt sich das Unternehmen bzgl. der zu vergütenden Zielprämien fest (im obigen Beispiel 22.500,- €), wobei dieser Betrag der allgemeinen Gehaltsentwicklung angepasst werden sollte. Die Ausgestaltung dieses Rahmens richtet sich allerdings nach den Notwendigkeiten des Unternehmens. So ist sichergestellt, dass das Unternehmen immer über ein aktuelles Vergütungssystem verfügt. ⇒ Zum anderen können nach diesem Konzept zahlreiche (alle?) Mitarbei-

ter im Unternehmen vergütet werden. Es kommt allerdings darauf an, entsprechende Leistungskriterien zu finden, die aus dem Leistungsumfeld des Mitarbeiters stammen und die er beeinflussen kann. Aus Sicht des Mitarbeiters ist mit einem derartigen Zielprämienkonzept, in dem mehrere Leistungskriterien vergütet werden, ebenfalls ein Vorteil verbunden: Sein Einkommensrisiko sinkt mit der zunehmenden Zahl von vergüteten Leistungskriterien. Er kann eine Schlechtleistung in einem Kriterium kompensieren durch eine Gutleistung in einem anderen Kriterium.

5.6

Unterjährige Zielkontrolle und Abschlagszahlungen

Im Rahmen der Führung mit Zielen nimmt die Erfolgssicherstellung einen wichtigen Raum ein: Hier begleitet die Führungskraft den Mitarbeiter über den Zeitraum der Zielerfüllung23. Controllingzahlen leisten dabei die nötige Unterstützung zur Zielerreichung. Hiermit sind z. B. monatliche (quartalsweise) Soll/Ist-Vergleiche angesprochen, ebenso die Abweichungsanalyse, die sicherstellen soll, dass der Mitarbeiter seine Ziele erreicht. Der Vergütung kommt dabei die Rolle zu, dem Mitarbeiter ein kurzfristiges Feedback über den eigenen Erfolg (oder Misserfolg) zu geben. Zielprämien sollten nicht am Ende der Planungsperiode vergütet werden, sondern in kürzeren Zeitabständen (z. B. monatlich). So wird auch gewährleistet, dass der Mitarbeiter über ein relativ gleichmäßiges Einkommen verfügt.

23

vgl. Kapitel 5.1

106

107

Tabelle 13: Erfolgssicherstellung über Etappenziele und Vergütungsabschläge

Vergütung und Erfolgssicherstellung gehen dabei Hand in Hand: Das eigentliche Ziel (z. B. Jahresziel oder Halbjahresziel) des Mitarbeiters wird in monatliche oder Quartals-Etappenziele („Meilensteine“) heruntergebrochen. Tabelle 13 zeigt dies auf der Basis von monatlichen Etappenzielen (in Weiterentwicklung der Tabelle 5). Diese werden unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen ermittelt. Das Etappenziel wird unter „Soll“ aufgeführt. Jeweils am Monatsende erfolgt ein Soll/Ist-Vergleich, aus dem ein (monatlicher) Zielerreichungsgrad (ZEG) des Mitarbeiters resultiert. Diese Vergleiche sollten auf der Basis von kumulierten Zahlen durchgeführten werden (z. B. Januar bis März). Der so ermittelte monatliche Zielerreichungsgrad des Mitarbeiters kann dann für die Errechnung der Abschlagszahlung herangezogen werden. Eine hohe Erfüllung der kumulierten Etappenziele führt zu entsprechend hohen Abschlagszahlungen, eine Untererfüllung führt zum Wegfall der Abschlagszahlung bzw. zu entsprechend niedrigen Abschlagszahlungen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Würde das Jahresziel bzgl. des Deckungsbeitrags II 1,5 Mio. € betragen, so könnte das Ziel per März saisonbereinigt bei 320.000,- € liegen (= Soll). Liegt die tatsächliche Leistung des Mitarbeiters (= Ist) bei 360.000,- €, wäre eine Zielerreichung per Ende Monat März von 112,5 % erreicht. Liegt die variable Vergütung für dieses Jahresziel bei 25.000,- € und wird gleichzeitig unterstellt, dass der „obere Leistungspunkt“ bei 120 % Zielerreichung liegt (bei Verdoppelung der Prämie), so muss die variable Vergütung des Mitarbeiters per Ende März (kumuliert) 10.156,25 € betragen. Die variablen Vergütungsbeträge, die in den Monaten Januar und Februar bereits ausgeschüttet wurden, müssen von diesem Betrag subtrahiert werden, um die Abschlagszahlung für den Mitarbeiter im Monat März zu ermitteln. Die Durchführung von pauschalen (d. h. nicht leistungsentsprechenden) Abschlagszahlungen hätte dagegen einerseits den Nachteil, dass der Mitarbeiter über sein laufendes Einkommen nicht erfahren würde, wie gut bzw. schlecht er bzgl. seiner Leistung liegt. Andererseits bestünde bei dieser Vorgehensweise die Gefahr von Überzahlungen (die Mitarbeiterleistung könnte z. B. unterhalb der Zielerfüllung liegen, auf die die pauschalen Abschlagszahlungen geleistet wurden). Auch bei leistungsentsprechenden Abschlagszahlungen muss am Ende der Planungsperiode eine Endabrechnung erfolgen. Vertraglich sollte festgehalten werden, dass Abschlagszahlungen nicht den Charakter eines festen Einkommensanspruchs des Mitarbeiters haben, sondern nur Vorschüsse auf zu ver108

dienende Zielprämien darstellen. Erst die Endabrechnung gibt Auskunft über den tatsächlichen Einkommensanspruch des Mitarbeiters. Tabelle 13, die Erfolgsanalyse und leistungsbezogene Vergütung miteinander verknüpft, beinhaltet außerdem noch die Spalte „Forecast“. Hier gibt der Mitarbeiter sich und der Führungskraft einen Ausblick zur erwarteten Zielerreichung bis zum Ende der Planungsperiode. Dies kann zusätzliche Maßnahmen auslösen, um die Zielerreichung sicherzustellen bzw. um zu einer entsprechenden Zielübererfüllung zu kommen.

5.7

Alternative Zielgestaltungen

In den bisherigen Ausführungen des Kapitels 5 wurde davon ausgegangen, dass mit den Mitarbeitern ein Ziel vereinbart wird, welches mit einem Leistungsgrad von 100 % identisch ist. Dies entspricht zweifelsohne dem Standardfall in der Praxis: Führungskraft und Mitarbeiter einigen sich auf eine bestimmte Leistung, die dem Zieleinkommen des Mitarbeiters entspricht. Die im Beispiel der Tabelle 14 genannten 25.000,- € Prämie sollen dem variablen „Normaleinkommen“ des Mitarbeiters entsprechen, welches für ihn konzipiert wurde. Die 25.000,- € werden geleistet für die Zielerreichung, wobei sich die Ziele von Planungsperiode zu Planungsperiode ändern können.

Ziel:

Deckungsbeitrag II = 1,5 Mio. €, variables Zieleinkommen: 25.000,- € Ziel

Zielerreichung: 80%...

90%...

…110%

…120%

Leistung (€): 1,2 Mio. … 1,35 Mio. …

1,5 Mio. …1,65 Mio.

…1,8 Mio.

Prämie (€) 12.500,-…

25.000,-

…50.000,-

18.850,-…

100%

…37.500,-

Tabelle 14: Ziel ist identisch mit 100 %-Leistung

109

Nun weiß man aus der Praxis der Führung mit Zielen, dass vereinbarte Ziele, die vom Mitarbeiter akzeptiert wurden, eine Herausforderung darstellen: Der Mitarbeiter identifiziert sich mit seinen Zielen und will sie erreichen. Vereinbarte Ziele werden erfahrungsgemäß mit hoher Wahrscheinlichkeit sichergestellt. In diesem Zusammenhang wäre es natürlich überlegenswert, die Zielvereinbarung an eine höhere Leistung (als 100 %) zu koppeln und gleichzeitig mit dem Mitarbeiter ein variables Zieleinkommen zu vereinbaren, welches höher als sein „Normaleinkommen“ liegt. Tabelle 15 veranschaulicht dies: Die 100 %-Leistung liegt nach wie vor bei 1,5 Mio. €, der ein variables Einkommen in Höhe von 25.000,- € gegenübersteht. Dennoch wurde mit dem Mitarbeiter ein besonders herausforderndes Ziel vereinbart (1,65 Mio. €), welchem ein variables Zieleinkommen in Höhe von 37.500,- € gegenübergestellt wird. Identifiziert sich der Mitarbeiter mit diesem Ziel und strebt er das höhere Einkommen an, steigt die Wahrscheinlichkeit, dieses anspruchsvolle Ziel auch zu erreichen. Mit anderen Worten: Die Leistung des Mitarbeiters wächst an den gesteckten Zielen. Die höhere Zielvereinbarung gereicht dem Mitarbeiter aber nicht zum Nachteil: Erreicht er das gesteckte Ziel von 1,65 Mio. € nicht, sondern „nur“ die 1,5 Mio. €, erhält er sein Normaleinkommen. Ziel:

Deckungsbeitrag II = 1,65 Mio. €, variables Zieleinkommen: 37.500,- € Ziel

Zielerreichung: 80 %...

90 %...

100 %...

110 %

…120 %

Leistung (€): 1,2 Mio. …

1,35 Mio. …

1,5 Mio. …

1,65 Mio.

…1,8 Mio.

Prämie (€): 12.500,-…

18.850,-…

25.000,-…

37.500,-

…50.000,-

Tabelle 15: Ziel ist höher als 100 %-Leistung

110

Ein weiterer Aspekt alternativer Zielgestaltungen sei hier erläutert: Ziele werden nicht zwischen Führungskraft und Mitarbeiter verhandelt, sondern ergeben sich aus Standards. D. h. als Ziel wird ein allgemeiner Leistungsstandard erhoben, der z. B. aus statistischen Quellen abgeleitet wird. Auf diese Weise können Interessenkonflikte bei der Zielvereinbarung umgangen werden24. Hinter diesem Konzept steckt folgender Gedanke: Der Mitarbeiter, der sich in der Zielverhandlung „gut verkauft“, d. h. möglichst niedrige Ziele erstreitet, hat bessere Einkommenschancen als der Mitarbeiter, der sich auf ein anspruchsvolles, aber realistisches Ziel eingelassen hat. Gerade wenn Einkommen mit Zielvereinbarungen verbunden wird, ist seitens der Mitarbeiter die Versuchung groß, die Ziele so niedrig wie möglich zu verhandeln. Weiter oben wurde allerdings bereits ausgeführt, dass durch plausible, zahlenmäßig fundierte Argumentation der Führungskraft ein derartiges „Mauern“ des Mitarbeiters außerordentlich erschwert wird. Dennoch ist nicht gänzlich auszuschließen, dass sich ein gewisses „Mauerverhalten“ einstellt. Auf der anderen Seite neigen Führungskräfte dazu, Mitarbeiterziele zu hoch anzusetzen und die Mitarbeiter dabei zu überfordern. Utopische Ziele sind aber sicher demotivierend. Diesem Dilemma könnte entgangen werden, indem sich Ziele nicht aus Verhandlungen ergeben, sondern aus den erwähnten Standards. Derartige Standards könnten sein: • Wachstum der Kundenmärkte, • Umsatzentwicklung der Branche, • durchschnittlicher Marktanteil des Unternehmens, • Vorjahres-Deckungsbeitrag des Mitarbeiters, • durchschnittlicher prozentualer Deckungsbeitrag des Unternehmens, • durchschnittliche Konditionen, die den Kunden des Unternehmens eingeräumt werden, • durchschnittliche Anzahl gewonnener Neukunden. Der Mitarbeiter erhält nun als Ziel (= 100 %-Leistung) die Erreichung des statistischen Standards. Soweit derartige Standards aus unternehmensinternen Daten abgeleitet werden, sind die Zahlen relativ leicht verfügbar. Soweit externe Daten betroffen sind, ist die Ermittlung meist mit gewissen Schwierigkei24

vgl. hierzu auch Lurse, Klaus: Richtige und falsche Zielvorgaben, in: Personalwirtschaft 9/97, S. 46 ff.

111

ten verbunden. Darüber hinaus taucht bei diesen Standards ein weiteres Problem auf: Für bestimmte Mitarbeiter treffen die Standards nicht zu, da sich z. B. die gegebene Situation im Verkaufsgebiet besser darstellt als im Durchschnitt des Unternehmens oder im Durchschnitt der Branche. Hier wären höhere Zielwerte als die der Standards angemessen. Das Arbeiten mit derartigen Standards ist also nicht frei von Problemen. Darüber hinaus ist es oft unmöglich, für die Ziele des Unternehmens, die auf dem Weg der Balanced Scorecard abgeleitet wurden, passende Standards zu finden. Ein anderer Ansatz, um das Problem fairer Zielsetzungen zu lösen, ist das Konzept der freien Zielwahl, das im folgenden Kapitel ausführlich erörtert wird.

5.8

Das Konzept der freien Zielwahl

Beim Konzept der freien Zielwahl gibt sich der Mitarbeiter sein Ziel selbst. Er wählt dabei aus einem „Zielangebot“ aus, das ihm die Führungskraft erarbeitet hat. Die Absichten, die mit diesem Konzept verfolgt werden, sind: • Faire Zielfindung, • Vermeidung jeglichen „Mauerverhaltens“ seitens des Mitarbeiters, • Belohnung von Planungsgenauigkeit. Dabei wird wie folgt vorgegangen: Die Führungskraft erarbeitet eine Zielvorgabe. Diese Zielvorgabe entspricht den Vorstellungen der Führungskraft von einem anspruchsvollen, aber für den Mitarbeiter erreichbaren Ziel. Gleichwohl erlaubt die Führungskraft, dass sich der Mitarbeiter von dieser Zielvorgabe abweichende Ziele auswählt, wobei die Abweichung unterhalb wie oberhalb der Zielvorgabe liegen kann. Der „erlaubte“ Auswahlbereich repräsentiert die Bandbreite der Zielmöglichkeiten aus Sicht der Führungskraft: Sie wird in dem Zielangebot an den Mitarbeiter von der Zielvorgabe „nach unten“ nur so weit abweichen, dass das niedrigste Ziel noch in Übereinstimmung mit dem Unternehmensinteresse steht. Das höchste Ziel (die höchste Abweichung von der Zielvorgabe „nach oben“) wird ein Ziel sein, das die Führungskraft zwar als sehr anspruchsvoll ansieht, welches aber vom Mitarbeiter noch erbracht werden kann (die höchste Abweichung „nach oben“ darf kein utopisches Ziel repräsentieren).

112

Zielerreichungsgrad bezogen auf Relation ZielvorMitarbeiterziel gabe zu Zielvorgabe

80%

90%

100%

110%

120%

0,8

800,800,-

1.600,-

3.200,-

4.800,-

6.400,-

0,9

400,-

3.200,3.200,-

4.800,-

6.400,-

8.800,-

1=Zielvorgabe

--

1.600,-

6.400,6.400,-

8.000,-

9.600,-

1,1

--

--

4.800,-

9.600,-

11.200,-

1,2

--

--

3.200,-

8.000,-

12.800,-

Tabelle 16: System der freien Zielwahl

Tabelle 16 macht diesen Zusammenhang deutlich: Die Führungskraft erarbeitet in diesem Beispiel eine Zielvorgabe (z. B. 1,5 Mio. € Deckungsbeitrag), die in der ersten Spalte der Tabelle 16 mit dem Wert „1“ gekennzeichnet ist. Der Mitarbeiter hat aber nun die Möglichkeit, als Ziel einen Wert auszuwählen, der bis zu 20 % unter der Zielvorgabe liegen kann (Wert 0,8) oder bis zu 20 % über der Zielvorgabe (Wert 1,2). Die oberste Zeile der Tabelle 16 gibt den Zielerreichungsgrad des Mitarbeiters wieder (bezogen auf die Zielvorgabe der Führungskraft). In der Tabelle selbst sind die Zielprämien aufgeführt, die mit bestimmten Zielen bzw. Zielerreichungsgraden verbunden werden und an den Mitarbeiter ausgeschüttet werden. Der Mitarbeiter wählt also seinen persönlichen Zielwert aus dem „Angebot“ aus, welches in der ersten Spalte der Tabelle 16 enthalten ist. Mit diesem Ziel identifiziert sich der Mitarbeiter, wobei die zu diesem Zielwert gehörende Zeile der Tabelle 16 die Zielprämien wiedergibt, die er bei verschiedenen Zielerreichungsgraden erhält. Das gewählte Ziel ist natürlich bindend und kann im Lauf der Planungsperiode nicht gegen einen anderen Zielwert ausgetauscht werden. Die grau unterlegten Prämienfelder geben die Übereinstimmung von Zielwert und Leistungswert wieder. Hat sich der Mitarbeiter z. B. für den Wert 0,9 entschieden und erreicht den Zielwert 90 % (bezogen auf die Zielvorgabe der Führungskraft), hat er sein persönliches Ziel voll erreicht (allerdings nur 90 % der Zielvorgabe). Hier würde der Mitarbeiter im Beispiel der Tabelle 16 eine Zielprämie in Höhe von 3.200,- € erhalten. Hätte er sich für den Zielwert 1 113

entschieden (= Zielvorgabe der Führungskraft) und würde dennoch nur die 90 % erreichen, würde seine Zielprämie nicht 3.200,- € betragen, sondern 1.600,- € (obwohl die gleiche Leistung erbracht ist), da der Mitarbeiter sein Ziel nicht erreicht hat. Mit anderen Worten: Die Prämientabelle ist so gestaffelt, dass die Zielprämie umso höher ausfällt, je höher das gewählte Mitarbeiterziel liegt (vgl. die grau unterlegten Felder). Der Mitarbeiter wird auf diesem Weg angespornt, sich ein möglichst anspruchsvolles Ziel zu geben. Der Mitarbeiter, der bei diesem System „mauert“, d. h. sein Ziel tiefer als nötig ansetzt, „bestraft“ sich selbst, da er seine Einkommenschancen mindert. Glaubt der Mitarbeiter z. B., die Zielvorgabe erreichen zu können, setzt sein Ziel aber trotzdem bei 0,9 fest, erreicht dann aber doch die 100 % (= Zielvorgabe), erhält er nur eine Prämie in Höhe von 4.800,- €. Hätte er den Wert 1 gewählt (den er sich eigentlich zugetraut hat), hätte er eine Prämie in Höhe von 6.400,- € erhalten. Andererseits soll der Mitarbeiter bei diesem System ebenfalls angehalten werden, sein persönliches Ziel im Lauf der Planungsperiode zu übertreffen. Hat er sich z. B. den Zielwert 1 gegeben und erreicht dann doch die 110 %, erhält er eine Prämie in Höhe von 8.000,- €. Hätte er sich gleich den Zielwert 1,1 gegeben, würde er für die gleiche Leistung 9.600,- € erhalten. Bei diesem System der freien Zielwahl verdient der Mitarbeiter dann das höchste Einkommen, wenn er sich das „richtige“ Ziel gegeben hat, d. h. das Ziel, das seinem Leistungsvermögen entspricht. Eine tiefere Einstufung als nötig „bestraft“ seine Einkommenschancen genauso wie eine überhöhte Einstufung. Die Vorteile dieses zweifelsohne sehr fortschrittlichen Konzepts sind wie folgt zu benennen: ⇒ Fairness der Zielfindung: Der Mitarbeiter gibt sich sein Ziel selbst, al-

lerdings entscheidet er sich in einem Rahmen, innerhalb dessen sich auch das Unternehmen arrangieren kann. Nicht umsonst wird das Modell der freien Zielwahl auch als „interaktives Entlohnungsdesign“25 bezeichnet. Der Entscheidungsprozess weist damit in hohem Maß demokratische Züge auf: Der Mitarbeiter wird nicht zur Wahl eines bestimmten Ziels gezwungen. Letztlich entscheidet derjenige über das Ziel, der „vor Ort“ die besten Kenntnisse über das Machbare in seinem

25

vgl. Fink, Dietmar H.; Meyer, Norbert: Ehrlich mehrt am Besten – ein interaktives Entlohnungsdesign für den Außendienst, in: Harvard Business Manager 1/96, S. 19 ff.

114

Profit-Center besitzt. Bei diesem System macht es keinen Sinn, seinen Verhandlungspartner zu manipulieren. ⇒ Ansporn für ein anspruchvolles Ziel: Das System baut einem „Mauer-

verhalten“ vor und belohnt eine realistische Zielplanung. Aus der Erfahrung mit diesem System ist bekannt, dass die Ziele, die sich die Mitarbeiter geben, meist anspruchsvoller sind als die Ziele, die im klassischen Verhandlungsprozess zustande kommen. ⇒ Zeitlich kurze Zielfindungsprozesse: Führungskräfte und Mitarbeiter,

die Erfahrung mit Zielvereinbarungen besitzen, wissen, dass diese Prozesse Zeit in Anspruch nehmen können: Nicht selten müssen mehrere „Planungsrunden“ durchlaufen werden, bis die Ziele feststehen. Das Konzept der freien Zielwahl kürzt erfahrungsgemäß den Prozess der Zielfindung nicht unerheblich ab, nicht zuletzt deshalb, weil er frei ist von jeglichem manipulativem „Geplänkel“. ⇒ Genauere Unternehmensplanung: Das dargestellte System der freien

Zielwahl belohnt Planungsgenauigkeit: Derjenige Mitarbeiter verdient bei diesem Konzept am meisten, bei dem Prognose und Leistung übereinstimmen (in Tabelle 16 die grau unterlegten Prämienfelder). Wird in der Prognose des Mitarbeiters (= Zielwahl) die spätere Leistung exakt bestimmt, fällt seine Prämie am höchsten aus. Um dem Mitarbeiter eine gute Prognose (= Zielwahl) zu ermöglichen, ist es oft sinnvoll, die Planungsperiode auf einen nicht zu langen Zeitraum auszudehnen (z. B. Jahr). Quartale/Halbjahre sind meist besser zu überblicken und die Zielwahl wird deshalb „mutiger“. Dies wird allerdings dann nicht möglich sein, wenn das Geschäft des Unternehmens im Verkauf von längerfristigen Objekten oder Projekten besteht. ⇒ Höhere Identifikation mit dem eigenen Ziel: Bei diesem System gibt

sich der Mitarbeiter sein Ziel selbst und erhält es von der Führungskraft nicht „aufgenötigt“. Die Motivationskraft von Zielen, mit denen sich ein Mitarbeiter identifiziert, ist unbestritten. Dies ist der vielleicht wichtigste positive Effekt des Konzepts der freien Zielwahl.

115

5.9

Typische Struktur eines Außendiensteinkommens

Bei der Strukturierung des Einkommens eines Außendienstmitarbeiters sind folgende Elemente zu bedenken: • Festlegung des Zieleinkommens, • Bestimmung des variablen Einkommensanteils, • Bestimmung des Chance-Risiko-Verhältnisses im variablen Bereich, • Auswahl bzw. Ableitung der Vergütungskriterien, • Gewichtung der Vergütungskriterien, • Festlegung der Vergütungsbandbreiten. Was das Zieleinkommen des Mitarbeiters anbetrifft, so hängt dieses bzgl. seiner absoluten Höhe ab von der Branche, dem Anspruchsniveau der Tätigkeit des Außendienstmitarbeiters, seiner Ausbildung, seiner verkäuferischen Erfahrung, seinem bisherigen Erfolg etc. Anfänger im Verkauf liegen bzgl. ihres Brutto-Gesamtjahreseinkommens zwischen ca. 30.000,- € und ca. 50.000,- €, arrivierte und sehr erfolgreiche Verkäufer verdienen zwischen ca. 50.000,- € und ca. 75.000,- €, der Einkommensstandard für den üblichen Verkäufer (Normalfall) liegt zwischen ca. 40.000,- € und ca. 60.000,- €. Kapitel 3.4 befasste sich ausführlich mit der Frage des variablen Einkommensanteils. Auch diesbzgl. gibt es zahlreiche Bestimmungsfaktoren, wie z. B. Volatilität des Geschäfts, in dem der Außendienstmitarbeiter tätig ist, die Branche, die Beeinflussbarkeit der Vergütungskriterien etc. Für zahlreiche Mitarbeiter im Außendienst liegt der variable Einkommensanteil heute bei einem Drittel des Gesamteinkommens.

variabel variabel

Chance Zieleinkommen Risiko

Fixum

Abbildung 31: Vergütung bietet höhere Chancen als Risken

116

Was das Chance-Risiko-Verhältnis innerhalb des variablen Einkommensanteils anbetrifft, werden heute Vergütungskonzepte oft so gestaltet, dass die Chancen auf Mehreinkommen höher sind als die Risiken für Mindereinkommen. Abbildung 31 macht dies deutlich. Das weiter unten entwickelte Beispiel (Tabelle 17) basiert ebenfalls auf einer derartigen Struktur des variablen Einkommens. Was die Ableitung der Vergütungskriterien (Messgrößen) anbetrifft, sei auf die Ausführungen des Kapitels 5.2 zur Balanced Scorecard verwiesen. Die zu vergütenden Ziele sollen einerseits die Interessen des Unternehmens widerspiegeln, andererseits das Tätigkeitsfeld des Mitarbeiters repräsentieren und nicht zu Bereichsegoismen führen. Aus diesem Grund werden Außendienstmitarbeiter nicht selten mit einer Mixtur aus Individualzielen, Team- und Kollektivzielen vergütet. So wäre vorstellbar, die Gewichtung der Vergütungskriterien wie folgt zu gestalten: ⇒ 75 % Individualziele wie z. B.

• Deckungsbeitrag II des persönlichen Profit-Centers • Umsatz/Absatz • Potenzialausschöpfung/Marktanteil • Forcierung bestimmter Produkte (z. B. Deckungsbeitrag mit neuen oder ertragsstarken Produkten) • Neukunden (z. B. Deckungsbeitrag mit Neukunden) • Verbesserung der Kundenstruktur (z. B. Forcierung der B-Kunden) • Verbesserung der verkauften Sortimentsbreite (z. B. Erhöhung der durchschnittlichen Anzahl verkaufter Produkte pro Kunde) • Verbesserung der Auftragsstruktur (z. B. Abbau von Kleinaufträgen) • Verkauf von Aktionen • qualitative Leistungskriterien wie Know How, Teamfähigkeit, Qualität der Wettbewerbsbeobachtung • etc. ⇒ 15 % Teamziele wie z. B.

• Deckungsbeitrag der Abteilung/des Teams • Umsatz der Abteilung/des Teams • Marktanteil der Abteilung/des Teams 117

• Neukunden der Abteilung/des Teams • etc. ⇒ 10 % Kollektivziele wie z. B.

• Unternehmensgewinn • Return on Investment (ROI) • Unternehmenswachstum • etc.

75 % Individualziele 15 % Teamziele 10 % Kollektivziel

variables Einkommen = 25.000,var. var.Einkommen Einkommen 17.500,% 17.500,-==32 32% Fixum Fixum 37.500,% 37.500,-==68 68%

oberer Leistungspunkt = 80.000,-€ Chance: 25.000,-€ Zieleinkommen = 55.000,-€ Risiko: 17.500,-€ unterer Leistungspunkt = 42.500,-€ Zielverfehlung

Abbildung 32: Beispiel eines typischen Außendiensteinkommens

Aus diesem Zielspektrum könnten z. B. die 5 wichtigsten Vergütungsziele ausgewählt werden. Nun müssen die Einkommensbandbreiten des Mitarbeiters festgelegt werden. In Abbildung 32 ist ein Beispiel dargestellt. Der Mitarbeiter verfügt über ein Jahres-Zieleinkommen in Höhe von 55.000,- €. Davon sind 17.500,- € variabel (= ca. 32 %) und 37.500,- € fix (= ca. 68 %). Der variable Teil wird mit Zielprämien ausgestaltet (z. B. 75 % Individualziele, 15 % Teamziele, 10 % Kollektivziele). Erfüllt der Mitarbeiter seine Ziele zu 100 %, erhält er sein Zieleinkommen (= 55.000,- €). Erreicht er dagegen bei allen Zielen den „oberen Leistungspunkt“, würde der variable Einkommensanteil auf 42.500,- € steigen (Gesamteinkommen in Höhe von 80.000,- €). Würde der Außendienstmitarbeiter bei sämtlichen Zielen unterhalb des „unteren Leistungspunkts“ liegen, wäre der variable Einkommensanteil verloren. Würde er bei allen Zielen jedoch den „unteren Leistungspunkt“ erreichen, so hängt die auszuschüttende Vergü118

tung davon ab, wie die Vergütungskurve unterhalb der 100 % Zielerfüllung gestaltet wurde. Tabelle 17 zeigt eine rechnerische Möglichkeit, die dem Mitarbeiter bei Sicherstellung des „unteren Leistungspunkts“ immerhin noch einen variablen Vergütungsbetrag von 5.000,- € lässt, so dass er hier über ein Gesamteinkommen in Höhe von 42.500,- € verfügen würde. Leistungskriterien

Gewichtung

Deckungsbeitrag II Neukunden-Deckungsbeitrag Forcierung best. Produkte Deckungsbeitrag III des Teams Unternehmensgewinn

Ziele

Zielprämie bei Zielerfüllung (€) unterer oberer Leistungs100 % Leistungspunkt… punkt…

55 % 10 % 10 %

1,5 Mio. € 0,3 Mio. € 0,4 Mio. €

2.750,-… 500,-… 500,-…

9.625,-… 1.750,-… 1.750,-…

23.375,4.250,4.250,-

15 % 10 %

6,8 Mio. € 20 Mio. €

750,-… 500,-…

2.625,-… 1.750,-…

6.375,4.250,-

5.000,-

17.500,-

42.500,-

100 %

Tabelle 17: Beispiel einer Prämienspreizung

Bei diesem Vergütungsbeispiel wurde das Risiko des Mitarbeiters in zweifacher Hinsicht gemildert: ⇒ Zum einen wurde der Risikoanteil der variablen Vergütung kleiner

gehalten als der Chancenanteil ⇒ Zum anderen wurde der Verlauf der Vergütungskurve unterhalb der

100 %-Zielerfüllung stark abgeflacht. Außendienstmitarbeiter, die ein neues Vergütungskonzept akzeptieren sollen, müssen mehr Chancen als Risiken erkennen. Formuliert man möglichst viele Vergütungskriterien in Form von Deckungsbeiträgen, befindet sich das Unternehmen auf der sicheren Seite: Gute Zielerfüllungen bzw. Zielübererfüllungen bleiben bezahlbar.

119

5.10 Die Einbeziehung des Innendienstes in die variable Vergütung Was die Einkommensstruktur der Innendienstmitarbeiter anbetrifft, gelten analog zu den Außendienstmitarbeitern folgende Kriterien: • Festlegung des Zieleinkommens, • Bestimmung des variablen Einkommensanteils, • Bestimmung des Chance-Risiko-Verhältnisses im variablen Bereich, • Auswahl bzw. Ableitung der Vergütungskriterien, • Gewichtung der Vergütungskriterien, • Festlegung der Vergütungsbandbreiten. Was die Höhe des Zieleinkommens des Innendienstmitarbeiters anbetrifft, so hängt diese in erster Linie davon ab, ob der Innendienstmitarbeiter eine typisch administrative Rolle wahrnimmt oder ob der Innendienstmitarbeiter stärker verkäuferisch eingesetzt wird (z. B. in einem Verkaufs-Team). Bei hoher verkäuferischer Kompetenz erhalten Innendienstmitarbeiter nicht selten ein Zieleinkommen, welches bei 75 % bis 80 % des vergleichbaren Außendiensteinkommens liegt. Im Fall einer rein administrativen Tätigkeit liegt das Gesamtjahreseinkommen des Innendienstmitarbeiters häufig nur bei 55 % bis 60 % des entsprechenden Außendienst-Einkommens. Der variable Einkommensanteil der Innendienstmitarbeiter ist gegenwärtig noch stark entwicklungsbedürftig: Nur ca. 15 % aller Innendienstmitarbeiter erhalten derzeitig einen variablen, leistungsbezogenen Einkommensanteil, wobei dieser, wo er vergütet wird, meist nicht einmal 10 % des Gesamteinkommens erreicht. Dagegen werden bereits über 20 % der Führungskräfte im Innendienst variabel vergütet, wobei die variablen Vergütungsanteile nicht selten bei 15 % bis 20 % vom Gesamteinkommen liegen. Natürlich richtet sich auch im Innendienst die Höhe des variablen Vergütungsanteils nach dem Einfluss, den der Mitarbeiter auf die Vergütungskriterien ausübt: Handelt es sich um kompetente Innendienstverkäufer (z. B. Mitglieder in Verkaufs-Teams mit nachhaltigem Einfluss auf die Leistungskriterien des Teams), ist ein variabler Einkommensanteil von 15 % bis 20 % durchaus gerechtfertigt (und kommt immer häufiger zur Anwendung). Auch im Innendienst wird das Chance-Risiko-Verhältnis im variablen Einkommensbereich häufig so gestaltet, dass mehr Chancen als Risiken gegeben werden: Insbesondere Innendienstmitarbeiter, die bislang vorwiegend mit 120

Fixgehältern vergütet wurden, müssen im neuen Vergütungsmodell Anreize erkennen, die zum Umsteigen verlocken.

var. Einkommen = 8.500,var. Einkommen 6.000,- = 15 %

oberer Leistungspunkt = 48.500,-€ Chance: 8.500,-€ Zieleinkommen = 40.000,-€ Risiko: 6.000,-€ unterer Leistungspunkt = 35.800,-€ Zielverfehlung

Fixum 34.000,- = 85 %

Abbildung 33: Beispiel eines typischen Innendienst-Einkommens

So könnte ein Einkommensmodell für den Innendienstmitarbeiter z. B. folgenden Zuschnitt haben: Der Mitarbeiter hat ein Jahreszieleinkommen in Höhe von 40.000,- €, davon sind 6.000,- € variabel (= 15 %) und 34.000,- € fix (= 85 %). Der variable Einkommensanteil wird wiederum mit Zielprämien ausgestaltet, so dass sich folgende Einkommensbandbreiten ergeben: Bei Erfüllung sämtlicher Ziele zu 100 % erhält der Mitarbeiter sein Zieleinkommen (= 40.000,- €). Erreicht er bei allen Zielen den „oberen Leistungspunkt“, erhöht sich sein Einkommen um 8.500,- € auf 48.500,- €. Würde er dagegen bei sämtlichen Zielen den „unteren Leistungspunkt“ verfehlen, hätte er nur noch sein Fixum (= 34.000,- €). Würde er den „unteren Leistungspunkt“ erreichen, könnte man (analog zum Außendienstmitarbeiter in Kapitel 5.9) noch eine variable Vergütung z. B. in Höhe von 1.800,- € ansetzen, so dass hier ein Gesamteinkommen in Höhe von 35.800,- € erreicht würde. Was die Auswahl bzw. Ableitung der Vergütungskriterien anbetrifft, so gilt wieder der Verweis auf die Ausführungen des Kapitels 5.2 zur Balanced Scorecard. Gerade in Bezug auf die Vergütung der Innendienstmitarbeiter werden in vielen Unternehmen bestenfalls suboptimale Lösungen erreicht, indem die Innendienstmitarbeiter an „beliebige“ Vergütungskriterien angebunden 121

werden, die sie bestenfalls nur indirekt beeinflussen können. Solche Lösungen sind natürlich nicht motivierend und haben eher eine Alibifunktion. Die Leistungskriterien, nach denen der Innendienstmitarbeiter vergütet wird, müssen genauso aus dem Leistungsumfeld dieses Mitarbeiters stammen wie beim Außendienstmitarbeiter. Allerdings ist die Identifikation dieser Leistungskriterien beim Innendienst oft ungleich schwieriger als beim Außendienst, zumal wenn die Tätigkeit der Innendienstmitarbeiter stark durch administrative Aufgaben geprägt ist. Oft sind darüber hinaus bei den Innendienstmitarbeitern nur relativ geringe Entscheidungsbefugnisse angesiedelt, um Resultate nachhaltig bewegen zu können. Ergebnisse, die der Innendienstmitarbeiter beeinflusst, werden dazu meist von anderen stark mitbeeinflusst, d. h. es ist eine hohe Interdependenz der Prozesse gegeben. Fehlende Klarheit und Eindeutigkeit bzgl. der Leistungskriterien im Innendienst legen aber oft Defizite in der Organisationsstruktur des Unternehmens offen: Das Fehlen eindeutiger Kundenverantwortung im Innendienst geht oft einher mit unklaren Kompetenzen der Innendienstmitarbeiter und einem Mangel an zweifelsfrei messbaren Erfolgskriterien. In Kapitel 7 wird deshalb ausführlicher auf das Thema der Verkaufs-Teams eingegangen, die einen Ansatz zu mehr Kundenverantwortung im Innendienst darstellen und damit zu mehr Kundennähe des Unternehmens. Das Unternehmen ist also gefordert, den Innendienst so zu strukturieren, dass zukünftig klarere Kompetenzen und Verantwortlichkeiten identifiziert werden können. So ergeben sich nicht nur mehr Schlagkraft und Effizienz im Vertrieb, sondern auch eine deutlichere Leistungsbezogenheit der Innendienstmitarbeiter. Die Frage, an welchen Leistungskriterien die Innendienstmitarbeiter bzgl. der Vergütung angebunden werden können, beantwortet sich damit meist von selbst. Unabhängig davon, in welcher Organisationsform Innendienstmitarbeiter geführt werden, gilt eine Anbindung der variablen Vergütung an das, was der Innendienstmitarbeiter beeinflussen kann. Also muss eine Bestandsaufnahme gemacht werden, welche Messgrößen (Ziele) für den Erfolg im Innendienst stehen. So ergeben sich je nach Verantwortlichkeit ⇒ Individualziele, wie z. B.

• Erfolgsquote Angebote (dem Innendienst obliegt z. B. die Verantwortung, schriftlichen Angeboten nachzufassen), • Durchführung von Kundenbefragungen (der Innendienst hat z. B. die Verantwortung für regelmäßige Kundenbefragungen), 122

• Deckungsbeitrag mit Aktionsverkäufen (der Innendienst hat z. B. die Verantwortung für Aktionsverkäufe), • Einhaltung Liefertermine (der Innendienst hat z. B. die Verantwortung für die Termindisposition), • Qualität der administrativen Tätigkeiten (z. B. korrekte Erfassung und Umsetzung von Kundenaufträgen; Messgröße ist die Zahl entsprechender Kundenreklamationen) • etc. ⇒ Teamziele, wie z. B.

• Deckungsbeitrag der Abteilung/des Teams • Umsatz der Abteilung/des Teams • Marktanteil der Abteilung/des Teams • etc. ⇒ Kollektivziele, wie z. B.

• Unternehmensgewinn • Return on Investment (ROI) • Umsatzwachstum • etc. Was die Gewichtung der Vergütungskriterien anbetrifft, so hat sie die Beeinflussungsmöglichkeiten des Innendienstmitarbeiters widerzuspiegeln. Je nach Alleinstellung des Innendienstmitarbeiters bzw. dessen Einbindung in ein Verkaufs-Team werden die Individualziele höher gewichtet werden oder die Teamziele, während die Kollektivziele nur begleitenden Charakter haben sollten (sofern sie überhaupt angesetzt werden). Ein Innendienstmitarbeiter mit klaren Kompetenzen könnte z. B. folgende Gewichtung seiner Vergütungskriterien erhalten (analog zur Kriteriengewichtung beim Außendienstmitarbeiter): 75 % Individualziele, 15 % Teamziele , 10 % Kollektivziele.

123

5.11 Moderne Vergütung von Handelsvertretern Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, auch ihre freien Handelsvertreter nach modernen Aspekten zu vergüten. Die meisten HandelsvertreterVerträge beinhalten heute als Vergütungslösung noch die klassische Umsatzprovision. Oftmals wird dies für ein „spannendes“ und motivierendes Vergütungsmodell erachtet, da der Handelsvertreter seine gesamte Vergütung leistungsorientiert, d. h. variabel erhält. Im Grunde weist dieser Vergütungsansatz die gleichen Defizite auf, wie sie schon für den fest angestellten Mitarbeiter aufgezeigt wurden (vgl. Kapitel 2.4): 1. Einseitige Betonung des Umsatzes: Ertrag und sonstige Ziele des Unternehmens bleiben auf der Strecke. 2. Langweilige, d. h. wenig motivierende Vergütungslösung: Zwar steigt die Einkommenskurve bei der Handelsvertreter-Vergütung steiler an, da kein Fixum vergütet wird, jedoch entfallen auch hier ca. 90 % der Vergütung auf eine in der Vergangenheit erarbeitete Basisleistung, nur ca. 10 % der Vergütung bleiben für die Entlohnung des eigentlichen „Leistungskorridors“ übrig, der im laufenden Jahr von Interesse ist. Daraus ergeben sich relativ niedrige Einkommensanstiege für die Erreichung einer exzellenten Leistung bzw. es ergeben sich genauso niedrige Einkommensverluste für extreme Schlechtleistungen. 3. Langfristig besteht Gefahr für Einkommensexplosionen, wenn z. B. über zehn oder zwanzig Jahre hinweg der Umsatz des Unternehmens „explodiert“ (z. B. aufgrund guter Produktinnovationen). 4. Ungerechtigkeit: Die Gebietspotenziale der Handelsvertreter sind meist sehr unterschiedlich. Bei gleichen Provisionssätzen entstehen bei gleicher Leistung höchst unterschiedliche Einkommen. Die Entwicklung der Einkommen hängt damit sehr von Zufälligkeiten ab. 5. Starre Vertriebsstrukturen: Provisionen führen auch bei Handelvertretern zur Erstarrung der Vertriebs- und Marketingstrukturen, da jegliche Veränderung von Gebietsgrenzen, Kundenzuordnungen etc. mit Einkommensveränderungen verbunden ist, die entweder der Handelsvertreter oder das Unternehmen scheuen. Wie können nun auch für Handelsvertreter Vergütungskonzepte entstehen, die • spannend und motivierend gestaltet sind, 124

• eine Ertragsortierung aufweisen und evtl. weitere Unternehmensziele berücksichtigen, • in die Zielplanung des Unternehmens eingebunden sind? Im Folgenden werden verschiedene Lösungen entwickelt, die sukzessive kompetentere Antworten auf diese Fragen geben.

Einkommen

Deckungsbeitrag II Abbildung 34: Klassische Provision auf den Deckungsbeitrag des Handelsvertreters

Ein erster Schritt in Richtung auf eine zeitgemäßere Vergütung der Handelsvertreter wäre eine klassische Provision auf den Deckungsbeitrag des Handelsvertreter-Profit-Centers. Natürlich lässt sich auch für den Handelsvertreter ein Profit-Center rechnen, wie dies weiter oben für fest angestellte Mitarbeiter dargestellt wurde. Damit wäre ein wichtiges Ziel der modernen Vergütung erreicht: Die Beteiligung am selbst erwirtschafteten Ertrag. Die Vergütung bleibt aber wenig „spannend“, da sie rückwärtsgewandt ist. Außerdem macht sie einseitig am Deckungsbeitrag fest und vernachlässigt andere wichtige Ziele des Unternehmens.

125

Einkommen

A

Basisleistung

L

Deckungsbeitrag II

Abbildung 35: Die Added-Value-Provision

Eine „spannendere“ Alternative stellt die Added-Value-Provision dar, die erst ab einer bestimmten Leistung startet und deshalb einen steileren Vergütungsverlauf nimmt. Eine Basisleistung wird nicht vergütet, vielmehr konzentriert sich die Vergütung auf den eigentlichen „Leistungskorridor“ des Handelsvertreters. Legt man die Kurve der Added-Value-Provision besitzstandswahrend durch den Punkt A in Abbildung 35 (=Vorjahreseinkommen bei Vorjahresleistung L), erkennt man, dass jeder Deckungsbeitrag, der über die alte Leistung (L) hinaus geht, deutlich höher vergütet wird. Andererseits werden Deckungsbeiträge unter der alten Leistung (L) deutlich niedriger vergütet. Der Startpunkt der Vergütungskurve sollte allerdings in bestimmten Zeitabständen neu festgelegt werden und mit einer steigenden Leistung „mitwandern“, da ansonsten die Gefahr von langfristigen „Einkommensexplosionen“ entstehen würde. Die Vergütungskurve der Added-Value-Provision verläuft zwar steiler, jedoch arrangieren sich Handelsvertreter oftmals nicht mit der Vorstellung, für eine Basisleistung keine Vergütung zu erhalten. Hier könnte eine Variante der Added-Value-Provision angeboten werden, die in Abbildung 36 dargestellt ist. Auch hier konzentriert sich die eigentliche Vergütung auf den „Leistungskorridor“ des Handelsvertreters und weist einen entsprechend höheren Anstiegswinkel auf, obwohl auch die Basisleistung in die Vergütung des Handelsvertreters einbezogen wurde. Der „Knickpunkt“ (K) der Vergütungskurve muss auch bei diesem Modell in bestimmten Zeitabständen neu festgelegt werden, da ansonsten die Gefahr langfristiger „Einkommensexplosionen“ bestünde.

126

Einkommen

A

K

Basisleistung

L

Deckungsbeitrag II

Abbildung 36: Variante der Added-Value-Provision

Nun wäre bei diesem Vergütungsmodell zwar eine motivierendere Provision erreicht, ebenso eine Beteiligung des Handelsvertreters am Deckungsbeitrag, allerdings fehlt auch bei diesem Modell noch die Einbindung des Handelsvertreters in die Unternehmensplanung bzw. die Vergütung nach verschiedenen Leistungskriterien. Dies könnte durch Kombination zweier Vergütungsinstrumente erreicht werden (vgl. Abbildung 37): Einerseits einer Provision (z. B. auf den Deckungsbeitrag) in Kombination mit Zielprämien für mehrere Leistungskriterien, die im Interesse des Unternehmens stehen und z. B. Messgrößen im Rahmen der Balanced Scorecard darstellen. Die Provision repräsentiert den ruhigen Einkommensanteil, der relativ wenig Bewegung ins Einkommen des Handelsvertreters bringt und quasi dem Fixum des angestellten Reisenden entspricht. Die Zielprämien repräsentieren den „spannenden“, d. h. motivierenden Teil der Vergütung. Zusammen ergeben sie das Einkommen des Handelsvertreters, welches er bislang z. B. aus Umsatzprovision bezogen hat. Auf diese Weise wäre eine optimale Anbindung der Handelsvertreter an die Vertriebsinteressen des Unternehmens gewährleistet. Um die Akzeptanz dieses Vergütungsmodells beim Handelsvertreter zu erreichen, wäre es sinnvoll, die Zielprämienkurve wie beim fest angestellten Mitarbeiter zu gestalten: Die Chancen für Mehreinkommen sollten größer sein als die Risiken für Mindereinkommen. Abbildung 37 zeigt dies: Die Zielprämienkurve steigt „rechts“ vom Zieleinkommen steiler an als sie („links“ vom Zieleinkommen) nach unten abfällt.

127

Einkommen

Zieleinkommen

unterer Leistungspunkt

100%

oberer Leistungspunkt

Leistung

Abbildung 37: Provision in Kombination mit Zielprämien

5.12 Das System des Zieleinkommens für Vertriebsführungskräfte Die Einbindung der Führungskräfte des Vertriebs in die leistungsbezogene Vergütung ist in modernen Vergütungskonzepten üblich. Dabei ist darauf zu achten, die Vergütung der Führungskräfte so auszulegen, dass Interessengleichheit über die verschiedenen hierarchischen Ebenen gewährleistet ist: In der Vergütung der Führungskräfte sollen Leistungskriterien aufgegriffen werden, die mit den Leistungs- bzw. Vergütungskriterien der Mitarbeiter koordiniert sind. Die Führungskraft muss – auch ein finanzielles – Interesse haben, die Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer Ziele zu unterstützen: Gute Leistungen der Mitarbeiter sollen sich auch für die Führungskraft auszahlen. Zunächst ist es natürlich nahe liegend, auch die Führungskräfte im Verkauf mit Zielprämien zu vergüten, die im Rahmen der Balanced Scorecard aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Ein Blick in die Vergütungspraxis zeigt allerdings, dass Führungskräfte in Unternehmen meist nicht auf der Basis mehrerer unterschiedlicher Leistungskriterien vergütet werden, sondern dass sich der variable, leistungsbezogene Vergütungsanteil auf nur eine Ertragsgröße bezieht. Der Geschäftsführer eines Unternehmens wird z. B. üblicherweise per Tantieme am Gewinn des Unternehmens beteiligt und wird nicht auf der Basis weiterer Leistungskriterien vergütet. 128

Dies hat seine Ursache einerseits in der größeren Transparenz der Führungskräfte über die Erfolgsfaktoren des Unternehmens (ist diese Transparenz nicht gegeben, muss mit mehreren Leistungskriterien gesteuert und vergütet werden, da z. B. eine Beteiligung des Mitarbeiters nur am (kurzfristigen) Deckungsbeitrag zu kontraproduktiven Effekten führen könnte). Zum anderen geht man bei Führungskräften von einer langfristigen Orientierung aus, die darauf bedacht ist, einen strategischen Ertrag sicherzustellen. Bei Führungskräften im Vertrieb wäre es also evtl. ausreichend, nur ein Leistungskriterium zu vergüten: Den Deckungsbeitrag des persönlichen Verantwortungsbereichs. Darüber hinaus ist ein weiterer Aspekt zu bedenken: Die bisher vorgestellten Vergütungskonzepte gingen davon aus, dass das Einkommensniveau des Mitarbeiters vom Vorgesetzten festgesetzt wird (z. B. Einkommen bei 100 % Zielerfüllung). Es ist dann Sache des Mitarbeiters, sich über gute Leistungen ein höheres Einkommensniveau zu erarbeiten. In diesem Vergütungsansatz ist allerdings nicht vorgesehen, den Mitarbeiter nach dessen Einkommensvorstellungen bzw.-wünschen zu befragen und diese Wünsche in die Einkommensstruktur einfließen zu lassen. Das Konzept des Zieleinkommens, das vornehmlich für Führungskräfte angewandt wird, sieht eine derartige Regelung vor: Einkommensvorstellungen des Mitarbeiters und Zielvorstellungen des Unternehmens sollen einvernehmlich in eine Gesamtlösung eingebunden werden. Das besondere Kennzeichen dieses Konzepts besteht darin, dass z. B. jährlich nicht nur das Leistungsziel der Führungskraft vereinbart wird (z. B. Deckungsbeitrag des Verantwortungsbereichs), sondern gleichzeitig wird eine Vereinbarung über das Gesamteinkommen der Führungskraft getroffen, wobei seitens des Unternehmens Wert darauf gelegt wird, dass dieses Einkommen von der Führungskraft als angemessen betrachtet wird. Gleichzeitig soll eine hohe Motivation aufgebaut werden, das vereinbarte Ziel zu erreichen bzw. zu übertreffen. Dieses Konzept geht von einem kooperativen Grundansatz aus: Einerseits soll der Führungskraft bzgl. ihrer Einkommensvorstellungen Rechnung getragen werden (diese sollen zu einem angemessenen Zieleinkommen führen), andererseits kann die Führungskraft nur dann ein Mehreinkommen erwarten, wenn entsprechend höhere Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden. Somit wird gleichzeitig den Unternehmensinteressen Rechnung getragen: Zum Zieleinkommen der Führungskraft wird ein „passender“ Deckungsbeitrag vereinbart. Bei diesem Vergütungskonzept wird im Rahmen der Zielplanung ein Einkommensgespräch mit der Führungskraft geführt. Hier hat der Mitarbeiter die 129

Möglichkeit, entsprechende Einkommensvorstellungen zu äußern, er weiß aber gleichzeitig, dass die Vereinbarung eines höheren Einkommens auch ein höheres Leistungsziel nach sich zieht. Z. B. könnten an 5.000,- € mehr Jahreseinkommen die Forderung nach 50.000,- € mehr Deckungsbeitrag des Verantwortungsbereichs geknüpft sein. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Fixum der Führungskraft feststeht und nur tariflichen oder ähnlichen Anpassungen unterliegt. Ein Mehreinkommen ergibt sich also ausschließlich über den variablen Einkommensanteil. Dieser besteht beim Konzept des Zieleinkommens aus einer AddedValue-Provision, wobei der Provisionssatz a priori feststeht. Lediglich der Startpunkt der Provisionskurve wird (aus Einkommensvorstellungen des Mitarbeiters und Zielvorstellungen des Unternehmens) errechnet. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Es sei unterstellt, dass die Führungskraft bisher ein Jahreseinkommen von 85.000,- € bezogen hat, wobei das Fixum 60.000,- € und der variable Einkommensanteil 25.000,- € betragen haben. Der Mitarbeiter hält nun ein um 5.000,- € höheres Einkommen für angemessen, was auch von Seiten des Unternehmens mitgetragen wird. Diese 5.000,€ werden dem variablen Einkommensanteil zugeschlagen, der auf 30.000,- € erhöht wird. Diesem Zieleinkommen wird allerdings ein Deckungsbeitragsziel in Höhe von 5 Mio. € gegenübergestellt, wobei dieses Ziel aufgrund der Einkommensvorstellung des Mitarbeiters um 50.000,- € erhöht wurde. Es sei unterstellt, dass sich Mitarbeiter und Unternehmen auf diese Werte geeinigt haben. Nun sei angenommen, dass der Mitarbeiter in seinem variablen Einkommen mit einer Added-Value-Provision vergütet wird, wobei der Provisionssatz (a priori) 2 % beträgt. Jetzt liegen sämtliche Rahmendaten fest, um den Startpunkt der Provisionskurve zu errechnen: Das variable Einkommen soll 30.000,- € bei einem Zieldeckungsbeitrag in Höhe von 5 Mio. € betragen. Die 30.000,- € variables Einkommen ergeben sich aus einem Provisionssatz von 2 %, also errechnet sich der zu vergütende Deckungsbeitrag wie folgt: 30.000,- € variables Einkommen 0,02 Provision

130

= 1,5 Mio. €

D. h. der Startpunkt der Added-Value-Provision liegt bei 3,5 Mio. € (5 Mio. 1,5 Mio.). Abbildung 38 macht dies deutlich: Einkommen Zieleinkommen variable

90.000,- € 30.000,- €

Fixum

60.000,- €

3,5

1,5

5 Mio.€ = Ziel

Deckungsbeitrag

Abbildung 38: Das Konzept des Zieleinkommens

Bei 3,5 Mio. € Deckungsbeitrag startet die Added-Value-Provision des Mitarbeiters, die bei Zielerreichung (5 Mio. €) das variable Zieleinkommen in Höhe von 30.000,- € sicherstellt (= Gesamt-Zieleinkommen in Höhe von 90.000,- €). Erreicht der Mitarbeiter seinen Zieldeckungsbeitrag nicht, kommt er auch nicht auf sein Zieleinkommen. Erreicht er in seinem Verantwortungsbereich jedoch höhere Deckungsbeiträge als 5 Mio. €, steigt sein Einkommen über das Zieleinkommen hinaus. Dieser Einkommensanstieg verläuft aufgrund der Tatsache, dass mit einer Added-Value-Provision vergütet wird, sehr steil und damit motivierend. Eine Führungskraft, die auf diese Weise vergütet wird, entwickelt erfahrungsgemäß ein hohes Interesse daran, die Mitarbeiter bei ihrer Zielerfüllung zu unterstützen. Das Konzept des Zieleinkommens überzeugt aufgrund seiner Ausgewogenheit: Den Interessen des Unternehmens wird gleichermaßen Rechnung getragen wie dem Interesse des Mitarbeiters. Das Konzept schafft eine maximale Integration der Führungskraft. Sein Einsatz zeugt von einer guten Kultur des Unternehmens im Umgang mit seinen Führungskräften: Das Thema der angemessenen Vergütung wird offen angesprochen und nicht verdrängt. Dabei wird den Führungskräften ein hohes Maß an Verantwortlichkeit bzgl. ihrer Selbsteinschätzung zuerkannt. In den Unternehmen, in denen dieses Konzept angewandt wird, führt es erfahrungsgemäß zu sehr realistischen (und keineswegs überhöhten) Einkommen. Andererseits ist eine hohe Identifikation der Führungskräfte mit diesem Vergütungsmodell festzustellen. 131

6.

Die Flexible Ausgestaltung der Vergütungsstrukturen

Vergütungskonzepte tendieren immer stärker zur Einräumung von Wahlrechten für die betroffenen Mitarbeiter. Dies betrifft insbesondere den Aspekt der Höhe des variablen Einkommensanteils.

6.1

Das Konzept der „Risikowahl“

In den bisherigen Ausführungen wurde stets davon ausgegangen, dass der Mitarbeiter auf die Struktur seines Einkommens (im Sinne des Verhältnisses der fixen zu den variablen Einkommensanteilen) keinen direkten Einfluss nehmen kann, d. h. er kann nicht selbst bestimmen, wie hoch sein variabler Einkommensanteil am Gesamteinkommen (bei 100 % Zielerfüllung) ausfällt. Lediglich durch entsprechende Gutleistungen (Zielübererfüllung) konnte er bislang den variablen Einkommensanteil erhöhen. Das Konzept der „Risikowahl“ geht jedoch davon aus, dass der Mitarbeiter innerhalb gewisser Grenzen, die vom Unternehmen vorgegeben werden, den variablen Anteil am Gesamteinkommen selbst bestimmen kann, wobei er in diesem Konzept Anreize für die Wahl eines höheren variablen Einkommensanteils (eines höheren Risikos) geboten bekommt. Dieses Konzept geht davon aus, dass der Mitarbeiter dann durch das Vergütungssystem am stärksten motiviert wird, wenn es auch bzgl. seiner Struktur zum Mitarbeiter „passt“: Ein Mitarbeiter, der den variablen Einkommensanteil als zu hoch ansieht, fühlt sich durch das Vergütungssystem evtl. bedroht bzw. andere Mitarbeiter präferieren gerade den hohen variablen Einkommensanteil, weil damit die Einkommenschancen bei Gutleistungen (Zielübererfüllung) erheblich steigen. Beim Konzept der „Risikowahl“ bekommt der Mitarbeiter (unabhängig von den vereinbarten Zielen) von der Führungskraft alternative Fixeinkommen/ Zielprämien-Kombinationen angeboten, wobei er sich eine Kombination auswählen kann. Es erfolgt also ein Angebot mit unterschiedlichen Risikoausprägungen. Allerdings wird es dem Mitarbeiter reizvoll gemacht, sich einen relativ hohen variablen Einkommensanteil auszuwählen, indem sein höheres Risiko mit „Zulagen“ beim variablen Einkommensanteil ausgeglichen wird.

133

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Der Mitarbeiter kann gemäß Tabelle 18 zwischen drei alternativen Risikostufen wählen, die für ihn einerseits mit steigenden Gesamteinkommen verbunden sind, aber auch mit zunehmendem Risiko. Entscheidet sich der Mitarbeiter z. B. für Risikostufe 1, kann er (bei 100 % Zielerreichung) nur maximal 50.000,- € Jahreseinkommen verdienen. Würde man bei Erreichung des „oberen Leistungspunkts“ die Zielprämie verdoppeln, wäre sein maximal vorstellbares Gesamteinkommen („Best Case“ in Tabelle 18) 55.000,- €. Andererseits könnte er im Falle der Nichterreichung des „unteren Leistungspunkts“ („Worst Case“ in Tabelle 18) auch nur auf 45.000,- € Jahreseinkommen (= Fixum) abfallen. Risikostufe

Jahresfixum (€)

Jahreszielprämie (€)

Jahresgesamteinkommen (€)

bei 100 % Zielerreichung Worst Case 100 % Zielerr. Best Case

1

45.000,-

5.000,-

45.000,-

50.000,-

55.000,-

2

40.000,-

15.000,-

40.000,-

55.000,-

70.000,-

3

35.000,-

25.000,-

35.000,-

60.000,-

85.000,-

Tabelle 18: Das Konzept der Risikowahl

Entscheidet er sich dagegen für Risikostufe 2, verdient er bei Erfüllung seiner Ziele zu 100 % ein Jahresgesamteinkommen in Höhe von 55.000,- €. Bei Verdoppelung der Zielprämie am „oberen Leistungspunkt“ läge sein maximal zu verdienendes Einkommen damit bei 70.000,- € („Best Case“). Andererseits kann er bei Nichterreichung des „unteren Leistungspunkts“ („Worst Case“) hier bereits auf 40.000,- € Jahreseinkommen abfallen. Der Mitarbeiter kann also seine Einkommensstruktur entsprechend seiner Risikopräferenz auswählen, er wird durch das System allerdings dazu angehalten, zugunsten der variablen Vergütung auf Festgehalt zu verzichten. Das Modell begünstigt also eine unternehmerische Grundeinstellung des Mitarbeiters. Allerdings steigt mit zunehmendem Risiko auch sein Leistungsdruck: Eine Untererfüllung der Ziele ist mit deutlichen Einkommenseinbußen verbunden. Natürlich lässt sich das Konzept der „Risikowahl“ gleichermaßen auch auf das in Kapitel 5.12 dargestellte System des Zieleinkommens anwenden. Hier verändert sich die Höhe des Provisionssatzes mit zunehmendem bzw. fallendem Risiko. 134

Auf Seiten der Mitarbeiter stößt dieses Konzept auf große Beliebtheit, da es Freiräume zur persönlichen Ausgestaltung des Einkommenssystems anbietet. Allerdings ist zu überlegen, in welchen zeitlichen Abständen man den Mitarbeitern die Möglichkeit geben sollte, sich eine neue Risikostufe auszuwählen. Eine jährliche Wahlmöglichkeit verleitet evtl. dazu, sich je nach Einschätzung der Realisierbarkeit der Zielvereinbarung eine höhere oder niedrigere Risikostufe auszuwählen. Das wird mit dem System aber nicht beabsichtigt, weshalb es durchaus als sinnvoll angesehen werden kann, die Möglichkeit zur „Risikowahl“ in längeren Zeitabständen (z. B. zwei oder drei Jahre) anzubieten.

6.2 Die Verknüpfung der Vergütung mit Kollektivergebnissen In den voranstehenden Kapiteln wurde darauf hingewiesen, dass es sinnvoll sein kann, die individuelle Vergütung des Mitarbeiters um solche Vergütungselemente anzureichern, die an einem Teamergebnis oder Kollektivergebnis (z. B. Abteilungsergebnis oder Unternehmenserfolg) festmachen. Dabei wurde vorgeschlagen, diese Vergütungselemente als zusätzliche Zielprämien in die Vergütung einzubringen. Nun ist gleichermaßen denkbar, die Verknüpfung der variablen Mitarbeitervergütung mit Team- oder Kollektiverfolgen nicht über zusätzliche Zielprämien vorzunehmen, sondern den variablen Vergütungsanteil, der sich zunächst ausschließlich aus Individualkriterien zusammensetzt, mit einem Multiplikationsfaktor zu belegen, dessen Höhe vom erreichten Team- oder Kollektivergebnis abhängt. Die variable Vergütung ergibt sich also zunächst aus der persönlichen Leistung des Mitarbeiters (z. B. würde der Mitarbeiter eine Zielprämie in Höhe von 20.000,- € erhalten). Dieser Betrag kommt aber so nicht zur Auszahlung, sondern wird auf- bzw. abgewertet, und zwar in Abhängigkeit vom Team- bzw. Kollektiverfolg. Tabelle 19 macht diesen Zusammenhang deutlich:

135

Kollektiverfolg 130 %

15.000,-

22.500,-

30.000,-

45.000,-

60.000,-

115 %

12.500,-

18.750,-

25.000,-

37.500,-

50.000,-

100 %

10.000,-

15.000,-

20.000,20.000,-

30.000,-

40.000,-

85 %

7.500,-

11.250,-

15.000,-

22.500,-

30.000,-

70 %

5.000,-

7.500,-

10.000,-

15.000,-

20.000,-

100 %

110 %

120 % Individualleistung

80 %

90 %

Tabelle 19: Verknüpfung von Individualerfolg und Kollektivergebnis

Die mittlere (stark umrandete) Zeile beinhaltet die variable Vergütung des Mitarbeiters, die zunächst für seine individuelle, persönliche Leistung ermittelt wird (je nach Zielerreichung). Diese Zielprämie kommt aber nur dann zur Auszahlung, wenn der Kollektiverfolg (z. B. Unternehmensgewinn oder Abteilungsergebnis) „im Plan“ liegt (100 % Zielerreichung). Wurde das geplante Kollektivergebnis allerdings nicht erreicht, wird die variable Vergütung des Mitarbeiters nur mit entsprechenden Abschlägen ausgeschüttet. Liegt das Kollektivergebnis aber „über Plan“, erfährt die variable Mitarbeitervergütung entsprechende Aufschläge. Die Multiplikationsfaktoren, die der Tabelle 19 zugrunde liegen, sind in Tabelle 20 enthalten (die Faktoren beziehen sich jeweils auf die Standardvergütung des Mitarbeiters bei 100 % Zielerreichung und 100 % Kollektivergebnis = grau unterlegtes Feld).

136

Kollektiverfolg 130 %

0,75

1,125

1,5

2,25

3,0

115 %

0,625

0,9375

1,25

1,875

2,5

100 %

0,5

0,75

1,0 1,0

1,5

2,0

85 %

0,375

0,5625

0,75

1,125

1,5

70 %

0,25

0,375

0,5

0,75

1,0

80 %

90 %

100 %

110 %

120 % Individualleistung

Tabelle 20: Gewichtungsfaktoren zu Tabelle 19

Der Vorteil einer solchen Verknüpfung von Individualvergütung und Kollektiverfolg liegt zunächst darin, dass die Vergütung des Mitarbeiters in einen größeren Kontex gestellt wird: Der Mitarbeiter wird dadurch aufgefordert, sich an der positiven Beeinflussung des Kollektivergebnisses zu beteiligen. Er soll sich als Teil des Ganzen empfinden. Darüber hinaus erfährt das Unternehmen eine Personalkostenentlastung, falls das Kollektivergebnis nicht im geplanten Umfang erreicht wird (bzw. kann das Unternehmen bei entsprechend gutem Kollektiverfolg eine zusätzliche Kostenbelastung hinnehmen). Diese Wirkungen würden sich allerdings auch dann erzielen lassen, wenn die Vergütung des Kollektivergebnisses über eine zusätzliche Zielprämie erfolgen würde. Allerdings wäre dann denkbar, dass der Mitarbeiter trotz einer schlechten Individualleistung eine ansehnliche variable Vergütung aus dem Kollektivergebnis erfahren würde. Dies ist beim hier dargestellten Modell der Gewichtung der Individualvergütung nicht möglich. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Tabelle 21 zeigt, dass der Mitarbeiter trotz einer schwachen Leistung im persönlichen Bereich (80 % Zielerreichung) noch eine stattliche variable Vergütung erhält, die aus dem Kollektivergebnis resultiert (130 % Zielerreichung).

137

Vergütung aus Individualleistung (80 % Zielerreichung) (Gewichtung 2/3)

80 %

100 %

120 %

10.000,-

20.000,-

40.000,-

Vergütung aus Kollektivergebnis (130 % Zielerreichung) (Gewichtung 1/3)

70%

100 %

130 %

5.000,-

10.000,-

20.000,20.000,-

variables Gesamteinkommen

10.000,- +

20.000,- =

30.000,-

Tabelle 21: Separate Vergütung des Kollektivergebnisses

Bei einer Vorgehensweise der Gewichtung des Individualergebnisses in Abhängigkeit vom Kollektiverfolg würde der Mitarbeiter dagegen eine deutlich niedrigere Gesamtvergütung erhalten, was seinen tatsächlichen Beeinflussungsmöglichkeiten auch eher entspricht (vgl. Tabelle 22).

Vergütung aus Individualleistung (80 % Zielerreichung) (Gewichtung 2/3)

80 %

100 %

120 %

10.000,-

20.000,-

40.000,-

Vergütung für Kollektivergebnis (Gewichtung 1/3) variables Gesamteinkommen

x 1,5 10.000,- x

1,5

= 15.000,-

Tabelle 22: Gewichtung der Individualvergütung mit dem Kollektivergebnis

Allerdings spricht aus Motivationsüberlegungen vieles dafür, die Gewichtungsfaktoren (zur Berücksichtigung des Kollektivergebnisses) so „zurückhaltend“ zu gestalten, dass der Kollektiverfolg in der Vergütung des Mitarbeiters nicht dominant wird. Die eigentliche variable Vergütung des Mitarbeiters sollte aus seinen persönlichen Leistungskriterien resultieren und nicht aus dem Kollektivergebnis. Sowohl in Tabelle 20 als auch in Tabelle 22 wurde dieser Forderung Rechnung getragen.

138

6.3

Cafeteria-Ansätze

Von Cafeteria-Vergütungsmodellen spricht man, wenn der Mitarbeiter unter verschiedenen Vergütungselementen auswählen kann. Z. B. wird ihm die Möglichkeit geboten, auf einen Teil seiner variablen Vergütung zu verzichten, wobei dieser Verzicht durch alternative Unternehmensleistungen wie (höherwertigerer) Firmenwagen, Direktversicherung, Alterssicherung, Aktienoptionen etc. kompensiert wird. Dabei stehen zwei Aspekte im Blickpunkt: 1. Durch freie Wahl der Vergütungselemente soll sich der Mitarbeiter eine aus seiner Sicht optimale Vergütungsstruktur zusammenstellen, so dass hierüber ein Maximum an Identifikation mit dem Vergütungskonzept erreicht wird. 2. Durch alternative Vergütungselemente sollen sich dem Mitarbeiter Steuervorteile erschließen. Mitarbeiter setzen bzgl. der Unternehmensleistungen, die sie erhalten, höchst unterschiedliche Präferenzen. Wird den Außendienstmitarbeitern z. B. ein durchschnittlicher Reisewagen (auch zur privaten Nutzung) zur Vergütung gestellt, hat ein spezifischer Mitarbeiter aber höhere Ansprüche an dieses Fahrzeug, kann im Rahmen von Cafeteria-Systemen auf variable Vergütungsanteile verzichtet werden zugunsten eines höherwertigen Reisewagens. Z. B. kann so der Außendienstmitarbeiter mit großer Familie auf die Unterhaltung eines zusätzlichen Privatfahrzeugs verzichten. Damit sind nicht unerhebliche Steuervorteile verbunden: Eine Auszahlung der variablen Vergütung in voller Höhe würde die gesamte Vergütung der Steuerlast unterwerfen. Von diesem Nettoeinkommen müsste der Mitarbeiter evtl. ein größeres oder höherwertigeres Privatfahrzeug finanzieren. Im Rahmen des Caferteria-Ansatzes trägt das Unternehmen die erhöhten Kosten für das Firmenfahrzeug, wobei diese Kosten durch Vergütungsverzicht des Mitarbeiters kompensiert werden. Der Mitarbeiter hat im Rahmen dieses Vergütungsverzichts eine geringere Steuerlast, was ihm insgesamt einen nicht unerheblichen Vorteil einbringt. Lediglich die Pauschalversteuerung von monatlich 1 % des Anschaffungswerts des Firmenwagens muss vom Mitarbeiter getragen werden. Eine besondere Bedeutung kommt zukünftig sicher den Ansätzen der Deferred Compensation zu. Dabei handelt es sich um eine vom Arbeitnehmer finanzierte betriebliche Altersversorgung. Hier werden z. B. Anteile der variablen Vergütung des Mitarbeiters vor ihrer Versteuerung in Ansprüche zur Altersversorgung des Mitarbeiters umgewandelt. Die Gesamtvergütung des 139

Mitarbeiters wird gewissermaßen beibehalten, allerdings verzichtet der Mitarbeiter auf die sofortige Auszahlung eines Teils seiner Vergütung zugunsten des Aufbaus zukünftiger Versorgungsleistungen. Mitarbeiter, die an der Deferred Compensation teilnehmen, verfolgen im Wesentlichen drei Ziele: 1. Eine Verbessung der Versorgungssituation im Alter: In Anbetracht des rückläufigen Rentenniveaus in der Sozialversicherung wird dieser Aspekt zukünftig ein größeres Gewicht erhalten. 2. Steuersparende Finanzierung der Altersvorsorge: Teile des gegenwärtigen Mitarbeitereinkommens sollen erst zu einem späteren Zeitpunkt zufließen (z. B. nach Erreichen des Pensionsalters) und dann einer spürbar niedrigeren Steuerlast unterworfen werden. Die „aufgeschobenen“ Einkommensanteile aus Tätigkeitsvergütung würden einer hohen Besteuerung unterliegen, wenn sie sofort ausgezahlt würden. Fließen diese Einkommensanteile jedoch erst im Pensionsalter zu, unterliegen sie zu diesem Zeitpunkt erwartungsgemäß einer deutlich niedrigeren Steuerlast. Ein wesentlicher Vorteil der Deferred Compensation besteht also darin, dass Teile der Tätigkeitsvergütung der relativ hohen Steuerbelastung entzogen werden. 3. Renditevorteil: Würde der Mitarbeiter eine private Altersvorsorge leisten (z. B. über den Kauf von Wertpapieren, Lebensversicherungen, Immobilien etc.), ließe sich dies nur aus dem versteuerten Nettoeinkommen finanzieren. Die Verzinsung des in die betriebliche Altersversorgung eingebrachten Vergütungsanteils erfolgt aber vom Bruttoeinkommen (also vor Steuern) und erbringt eine voraussichtlich deutlich höhere Rendite. Damit werden die Ziele der Deferred Compensation deutlich: Teile der Tätigkeitsvergütung des Mitarbeiters (aus Fixum oder variablen Einkommensanteilen) werden für spätere Versorgungszwecke reserviert und damit der unmittelbaren Verfügbarkeit entzogen. Dies verbessert die Versorgungssituation des Mitarbeiters im Alter. Der Mitarbeiter erhält als Kompensation für seinen Einkommensverzicht einen Versorgungsanspruch. Die Auszahlung der zurückgestellten (und entsprechend verzinsten) Einkommensanteile erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. mit Beginn des Rentenalters). Lohnsteuer fällt erst nach Eintritt des Versorgungsfalls (z. B. Rentenalter) an, wobei die Steuerbelastung dieses Einkommens in aller Regel deutlich geringer ist als die Steuerbelastung aus Tätigkeitsvergütung. Die Rentabilität dieses Versorgungsmodells profitiert vom Bruttoanlage-Effekt: Die Anlage (Verzinsung) der aufgeschobenen Einkommensanteile erfolgt vor Steuern und gewährleistet damit eine vergleichsweise hohe Rendite. 140

In Anbetracht der Tatsache, dass erstens die Beiträge der gesetzlichen Rentenversicherung bei sinkendem Rentenniveau hoch bleiben werden und zweitens immer weniger Unternehmen bereit sind, Modelle der klassischen betrieblichen Altersversorgung (als freiwillige Zusatzleistung) zu finanzieren, muss der Mitarbeiter selbst eine immer höhere Last der Altersversorgung schultern. Geschieht dies vom versteuerten Einkommen, sind die Möglichkeiten und die Ertragsaussichten für die Mitarbeiter relativ gering. Um so interessanter wird das Modell der Deferred Compensation. Der übliche Weg zur Praktizierung einer Deferred Compensation ist die klassische Pensionszusage. Hierbei erfolgt die Versorgungszusage direkt durch den Arbeitgeber, wobei das Unternehmen entsprechende Pensionsrückstellungen bildet. Die späteren Renten fließen aus Mitteln des Unternehmens. In diesem Zusammenhang ist Folgendes zu beachten: ⇒ Es müssen zukünftige Entgeldansprüche des Mitarbeiters umgewandelt werden. Die Vereinbarung bzgl. der Deferred Compensation darf sich also nicht auf schon entstandene Entgeldansprüche beziehen. Die Vereinbarung muss sich z. B. auf Vergütungsansprüche (aus fixen oder variablen Einkommensanteilen) des kommenden Monats oder Jahres beziehen (bei Monatsbezügen, wie z. B. Gehalt, vor Beginn des Montas, bei Jahreszielprämien vor Beginn des Jahres). ⇒ Anders als z. B. bei einer Lebensversicherung legt sich der Mitarbeiter im Rahmen der Deferred Compensation jedes Jahr neu fest, ob und in welcher Höhe er Gehaltsanteile in Versorgungsansprüche umwandelt. Üblicherweise erfolgt eine Festlegung des Mitarbeiters von Jahr zu Jahr und in unterschiedlichen Beträgen. Dabei ist denkbar, dass seitens des Unternehmens ein Mindestbetrag (z. B. 2.500,- €) und ein Höchstbetrag (z. B. 25.000,- €) festgelegt wird, wobei sich der Mitarbeiter innerhalb dieser Grenzen entscheiden kann. ⇒ Die spätere Auszahlung der Versorgungsleistung kann sowohl in Form

einer laufenden Rente erfolgen als auch in Form eines Kapitalbetrages. Dabei wird der durch Einkommensverzicht des Mitarbeiters in einen Versorgungsanspruch umgewandelte Betrag zum Zeitpunkt der Umwandlung in ein versicherungsmathematisch wertgleiches Versorgungskapital umgerechnet. Maßgeblich für die spätere Höhe der Versorgungsleistungen ist einerseits das vertraglich abgedeckte Risiko (z. B. Alter, Tod, Invalidität) und andererseits die Verzinsung des umgewandelten Einkommensanteils. Das schließlich bei Erreichung der Altersgrenze durch das Unternehmen an den Mitarbeiter auszuzahlende Ka141

pital bzw. die auszuzahlende Rente beinhaltet eine angemessene Verzinsung des Einkommensverzichts (z. B. 7 % oder 6 %, jedoch nicht unter 5,5 %26). ⇒ Der im Rahmen der Pensionszusage dem Mitarbeiter eingeräumte Versorgungsanspruch ist unverfallbar. D. h. der Mitarbeiter behält seinen Versorgungsanspruch, auch wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles (z. B. Pensionsalter, Tod oder Invalidität) beendet wird. Der Gesetzgeber macht bzgl. der klassischen, auf freiwilliger Basis des Unternehmens eingeräumten Pensionszusagen diesbzgl. bestimmte Einschränkungen. Allerdings sind Entgeldumwandlungszusagen sofort mit einer Unverfallbarkeitsklausel zu versehen27. ⇒ Die umgewandelten Einkommensansprüche (Versorgungsanwartschaften) des Mitarbeiters als auch laufende betriebliche Versorgungsleistungen bzw. ein zu zahlender Kapitalbetrag sind vom Unternehmen gegen Insolvenz zu sichern. Der Insolvenzschutz erfolgt im Rahmen des Pensionssicherungsvereins (PSV), an den das Unternehmen zur Absicherung der Mitarbeiteransprüche Beiträge entrichtet. Im Fall der Insolvenz des Unternehmens kann der Mitarbeiter seine Ansprüche also gegenüber dem PSV geltend machen. Allerdings unterliegt die Sicherungspflicht seitens des PSV durch gesetzgeberische Richtlinien bestimmten Einschränkungen, so dass für den Mitarbeiter gewisse Restrisiken bleiben. Diese können beseitigt werden, indem das Unternehmen (auf freiwilliger Basis) eine Rückdeckungsversicherung abschließt. Hierbei leitet das Unternehmen die umgewandelten Einkommensbestandteile an eine Lebensversicherung weiter. Der Mitarbeiter erhält ein Pfandrecht an der Rückdeckungsversicherung. Auf diese Weise kann ein Insolvenzschutz in voller Höhe geboten werden. ⇒ Das Unternehmen kann die umgewandelten Einkommensbeträge des Mitarbeiters vollumfänglich als Betriebsausgaben geltend machen, so dass diesbzgl. Kostenneutralität für das Unternehmen besteht. ⇒ Die umgewandelten Einkommensbeträge des Mitarbeiters unterliegen nicht der Sozialversicherung. Insofern ergibt sich für das Unternehmen sogar ein gewisser Kostenvorteil.

26 27

vgl. Höfer, Reinhold: Entgeltumwandlungszusagen im novellierten Betriebsrentengesetz, in: Der Betrieb, Heft 45 vom 6.11.98, S. 2266 bis 2269 vgl. Höfer, Reinhold: Entgeltumwandlungszusagen im novellierten Betriebsrentengesetz, in: Der Betrieb, Heft 45 vom 6.11.98, S. 2266 bis 2269

142

Soweit zur Handhabung der Deferred Compensation im Rahmen der Pensionszusage. Auch lässt sich das Modell der Deferred Compensation in Kombination mit der Direktversicherung realisieren. Allerdings ist hier der steuerliche Vorteil für den Mitarbeiter geringer. Bei der Direktversicherung schließt das Unternehmen auf das Leben eines Mitarbeiters bzw. einer Gruppe von Mitarbeitern einen Lebensversicherungsvertrag ab. Bezugsberechtigt ist/sind der/die Mitarbeiter bzw. die Hinterbliebenen. Der Arbeitgeber ist Versicherungsnehmer, Träger der Versorgung ist das Versicherungsunternehmen. Der Einkommensverzicht des Mitarbeiters wird umgewandelt („kompensiert“) in eine Versorgungszusage des Arbeitgebers auf Leistungen aus der Direktversicherung. Allerdings werden seitens des Gesetzgebers die Beträge wie Arbeitslohn behandelt und unterliegen der Lohnsteuer. Ein steuerlicher Anreiz ist im Wesentlichen nur dann gegeben, wenn die Beiträge zur Direktversicherung so niedrig sind, dass sie der Pauschalversteuerung (in Höhe von 20 %) unterliegen. Dabei darf ein jährlicher Höchstbetrag von 1.752,- € nicht überschritten werden. Allerdings erhält der Mitarbeiter bei Erreichung des Pensionsalters die Versicherungssumme steuerfrei. Darüber hinaus lässt sich das Konzept der Deferred Compensation auch über die Unterstützungskasse bzw. über die Pensionskasse realisieren. Beide Ansätze besitzen aber eine deutlich geringere steuerliche Attraktivität als z. B. die Pensionszusage (bei beiden Ansätzen unterliegen die umgewandelten Einkommensbeträge der Steuerlast, wenn auch bestimmte steuerliche Vergünstigungen für eine gewisse Attraktivität sorgen). Die Vorteile des Mitarbeiters aus der Deferred Compensation wurden ausführlich erörtert. Wo liegen aber die Vorteile für das Unternehmen? Der wesentliche Vorteil liegt zweifelsohne darin, dass ein Unternehmen, welches seinen Mitarbeitern Leistungen gemäß der Deferred Compensation anbietet, erheblich attraktiver ist gegenüber solchen Unternehmen, die dieses nicht leisten. In Anbetracht der Bedeutung, die die private Altersvorsorge in naher Zukunft erhalten wird, ist dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Unter gewissen gestalterischen Voraussetzungen des Vertragswerks zur Deferred Compensation kann das Unternehmen darüber hinaus seine Finanzierung verbessern. Die Liquidität der umgewandelten Einkommensansprüche der Mitarbeiter kann dem Unternehmen zunächst erhalten bleiben und fließt nicht an die Mitarbeiter. Das Unternehmen ist in der Lage, mit diesen Mitteln zu wirtschaften. Die umgewandelten Einkommensansprüche der Mitarbeiter unterliegen darüber hinaus nicht der Sozialversicherung, wenn die Deferred Compensation im Zusammenhang mit der Pensionszusage (Direktzusage) realisiert wird. 143

7.

Die Vergütung von Verkaufs-Teams

Die Einrichtung von Verkaufs-Teams ist unternehmensseitig gegenwärtig eines der dominanten Vertriebsthemen. Dabei handelt es sich in erster Linie um eine Frage der Optimierung der Vertriebsstrukturen. Ist diese Frage beantwortet, stellt sich die Frage nach der Vergütung der Teammitglieder.

7.1 Das Team-Konzept im Verkauf Zwei Gründe lassen sich für die Einrichtung von Verkaufs-Teams differenzieren: 1. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen: Dahinter steht die Frage, ob und wie sich durch Teams die Schlagkraft und Wirkung im Verkauf erhöhen lässt (= bei gleichen Kosten mehr Effizienz). 2. Überlegungen zur Steigerung der Kundennähe: Dies betrifft die Frage, ob und wie durch Teams eine größere mentale Nähe zum Kunden hergestellt werden kann, wie sich Flexibilität und Schnelligkeit steigern lassen und wie eine höhere Chance für kundenindividuelle Produkt-/Problemlösungen hergestellt werden kann („Customizing“). Zunächst zum Aspekt der Wirtschaftlichkeit: In zahlreichen Unternehmen herrscht noch eine Vertriebsstruktur vor, in der die Außendienstmitarbeiter als „Einzelkämpfer“ verstanden werden und die Innendienstmitarbeiter als „Auftragsabwickler“ mit vornehmlich administrativen Aufgaben. Die Außendienstmitarbeiter dominieren im Verkauf, alle wesentlichen Verkaufsaufgaben werden vom Außendienstmitarbeiter wahrgenommen, während der Innendienst mehr als „Erfüllungsgehilfe“ verstanden wird, der im eigentlichen Sinne nicht verkäuferisch (aktiv) tätig wird, sondern „passiv“ auf Kundenanrufe „wartet“. Ein Außendienstmitarbeiter, der praktisch sämtliche verkäuferischen Funktionen übernimmt, leistet zwangsläufig viel Routinearbeit: Routinebesuche machen nicht selten 60 % bis 70 % des Tourenplans aus, der „abgearbeitet“ wird. Bedenkt man, dass ein Kundenbesuch eines Außendienstmitarbeiters zwischen 100,- € und 300,- € liegt (je nach Gesamtkosten des Außendienstmitarbeiters und Anzahl Kundenbesuchen pro Tag), stellt man sehr schnell fest, dass Außendienstmitarbeiter für die Erledigung von Routinearbeiten zu teuer sind.

145

Die Wirtschaftlichkeitsüberlegung gründet nun darauf, dass in einem interaktiven Verkaufs-Team der Routineanteil an der Verkaufstätigkeit „von außen nach innen“ verlagert wird. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass die Innendienstmitarbeiter in eine aktive verkäuferische Rolle eingebracht werden, um offensiv in Sachen Vertrieb und Verkauf tätig zu werden. Nicht alle Innendienstmitarbeiter werden sich hierfür eignen, weshalb in diesem Bereich oft separiert werden muss zwischen einem verkaufsaktiven Innendienst und einem rein administrativen, der sich ausschließlich der Aufgabe der Auftragsbearbeitung widmet. Andererseits werden die Außendienstmitarbeiter in solchen Teams für die eigentlich wichtigen Aufgaben ihres Bezirks frei: Ausbau und Neuakquisition strategisch wichtiger Kunden, Kundenberatung zur Verbesserung der kundeninternen Prozesse usw. Die Wirtschaftlichkeitsüberlegung gründet also entweder auf der Absicht, bei gleichen Kosten mehr vertriebliche Effizienz zu bewirken, oder alternativ: Die gleiche Effizienz aufrecht zu erhalten bei geringeren (Personal-) Kosten. Die wesentlichen Gründe zur Einrichtung von Verkaufs-Teams sind aber im Zusammenhang mit der Schaffung von mehr Kundennähe zu sehen. Die höheren Anforderungen im Marktumfeld28 bewirken eine Zunahme der Komplexität der Kundenprozesse und eine Notwendigkeit für innovative Problemlösungen. Mitarbeiter unterschiedlicher Funktionsbereiche (Innendienst, Konstruktion, Service, Produktmanagement) müssen oftmals zur Lösungserstellung zusammengebunden werden, weshalb dieser Teamansatz weit über die bloße Vernetzung von klassischem Außendienst und Vertriebsinnendienst hinausgeht und Mitarbeiter weiterer Unternehmensbereiche integriert. In derartigen Teams sind verschiedene Kompetenzen von Mitarbeitern gefordert, um den Kundenkreis, für den das Team ganzheitlich Verantwortung trägt, optimal zu betreuen. Die Schaffung derartiger Teamstrukturen bedeutet immer einen Einschnitt in die bestehende Organisationsstruktur des Unternehmens. Die überwiegende Anzahl von Unternehmen hält nach wie vor an funktionalen Strukturen fest: Die Aufbauorganisation des Unternehmens unterscheidet zwischen verschiedenen, klar getrennten Funktionsbereichen wie Verkauf, Marketing, Einkauf, Produktion, Logistik, Rechnungswesen etc.

28

vgl. hierzu Kapitel 2.1

146

Abbildung 39: Klassische funktionale Unternehmensstruktur

Letztlich geht diese Form der Unternehmensstruktur auf frühindustrielle Formen des Organisierens zurück, die von F. W. Taylor geprägt wurden. Die Grundidee war die der Arbeitsteilung: Je arbeitsteiliger die gesamte Leistungserstellung des Unternehmens aufgebaut ist, desto rationeller kann sie abgewickelt werden, da bestimmte Menschen im Unternehmen immer für gleiche Teile des Gesamtprozesses verantwortlich sind und diese Teile damit in höchstmöglicher Routine und Geschwindigkeit abwickeln können. Der Gesamtprozess (z. B. Erledigung einer Kundenanfrage bzgl. Angebot eines neuen, kundenspezifischen Produkts) wird damit in zahllose Einzelschritte aufgelöst. Die arbeitsteilige Grundstruktur des Organigramms führt zwangsläufig zu zahlreichen Schnittstellen (ganzheitliche Prozesse werden so „zerschnitten“). Kundenanforderungen werden eher „verwaltet“ als bearbeitet, ein hoher interner Abstimmungsaufwand ist erforderlich. Die beteiligten Mitarbeiter wissen umso weniger vom Kundenwunsch, je weiter sie bzgl. ihrer Funktion vom Markt abgekoppelt sind (z. B. Konstruktion, Entwicklung). In solchen Organisationsformen leidet nicht nur die Qualität der entwickelten Kundenlösungen, sondern erfahrungsgemäß dauern sie lange und verursachen dazu noch hohe Kosten. „Trotz der gigantischen technologischen Fortschritte haben sich nur die Werkzeuge unserer Arbeit geändert, nicht aber die grundlegende Art und Weise, wie wir Arbeit organisieren und Organisationen managen.“29 In diesen traditionellen Organisationsformen gleichen die Menschen eher „Rädchen im Getriebe“, die Unternehmen selbst gleichen großen Maschinen, 29

vgl. Becker, Robert: Focus Kunde - wie sich Unternehmen marktorientiert erneuern. Wiesbaden: Gabler 1997, S.19

147

„in denen versucht wird, menschliche Unzulänglichkeiten durch mechanistische Prozesse auszuschalten“30. Standardisierte Arbeitsabläufe sollen Arbeit rationell bewältigen helfen, allerdings auf Kosten der Kreativität, Schnelligkeit und Flexibilität. Oder anders formuliert: Früher waren Märkte und Kundenbeziehungen viel weniger komplex, als sie es heute sind, nur haben wir offenbar noch nicht die richtigen (strukturbezogenen) Antworten auf diese Veränderungen gefunden. Dazu kommt, dass in funktionalen Organisationen eher ein „Nebeneinander“ als ein „Miteinander“ gepflegt wird, die einzelnen Unternehmens- und Funktionsbereiche entwickeln nicht selten ihre eigene „Denke“, eigene Zielsetzungen und eigene Kulturen. Durch Spezialisierung der einzelnen Bereiche geht der Blick für das Ganzheitliche, den Markt und die Kunden verloren. Nicht selten lässt sich sogar eine interne Konkurrenz der einzelnen Bereiche beobachten. Bereichsegoismen verhindern aber den Blick für die „gemeinsame Sache“. Verkaufsaktivitäten bleiben durch „zerstückelte“ Kompetenzen meist unkoordiniert. In einem komplexen Marktumfeld erweist sich eine derartige funktionale Organisationsform eher als hinderlich für die Entwicklung und das Überleben des Unternehmens: „In Zeiten einer sich verschärfenden Wettbewerbsintensität, in der eine möglichst optimale Kundenorientierung und eine hohe Wandlungs- und Erneuerungsfähigkeit über den Markterfolg entscheiden, werden streng funktional gebaute und hierarchisch geführte Organisationen mehr und mehr ins Hintertreffen geraten“31. Dabei wird deutlich, dass die heute so viel geforderte „Kundennähe“ kein Problem der bloßen Denkhaltung ist, von der ein Unternehmen geprägt oder eben nicht geprägt ist, sondern das Entstehen von Kundennähe ist in erster Linie ein strukturelles Problem: Es müssen die notwendigen strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, damit mentale Kundenorientierung bei den Mitarbeitern überhaupt eine Chance erhält. Solange nur einige wenige Mitarbeiter im Unternehmen in unmittelbarem Kundenkontakt bzw. in direkter Kundenverantwortung stehen, werden solche Unternehmen immer im Hinter30 31

vgl. Becker, Robert: Focus Kunde - wie sich Unternehmen marktorientiert erneuern. Wiesbaden: Gabler 1997, S.20 vgl. Becker, Robert: Focus Kunde - wie sich Unternehmen marktorientiert erneuern. Wiesbaden: Gabler 1997, S.23

148

treffen gegenüber solchen Unternehmen bleiben, die verbesserte strukturelle Voraussetzungen geschaffen haben. Hier setzt der Teamgedanke ein: Derartige Teams sind weit mehr als das bloße Zusammenwürfeln von Außendienstmitarbeitern und Innendienstmitarbeitern, wobei beide im Wesentlichen noch dasselbe tun wie vorher. Hinter dem zukunftsträchtigen Teamansatz steht die Frage: „Mit welcher Organisationsstruktur gelingt es uns am besten, unsere strategischen Kundenziele durchzusetzen?“ Weiterhin steht folgende Frage im Hintergrund: „Welche maßgeblichen Prozesse können identifiziert werden, „um die herum“ wir unsere Struktur bauen?“ Nicht mehr die einzelnen Funktionsbereiche stehen im Mittelpunkt dieses Strukturierungsansatzes, sondern es werden Unternehmensstrukturen an spezifischen Kundenkreisen und deren Bedürfnissen angebunden. Dies führt zu neuen organisatorischen Ansätzen, die heute als „Netzwerkstrukturen“ bezeichnet werden: Größere oder kleinere, auf spezifische Kunden ausgerichtete Einheiten/Teams sind für nahezu sämtliche Belange ihrer Kunden zuständig, die die Geschäftsverbindung mit sich bringt. Die Größe und die Zusammensetzung der Teams wird von den jeweiligen Bedürfnissen der Kunden bestimmt, für die sie als Ansprechpartner fungieren. In solchen Teams können sich demnach Mitarbeiter unterschiedlichster Funktionsbereiche finden. Teams können dabei installiert werden für Kunden einer bestimmten Region, Kunden einer bestimmten Zielgruppe (eines Marktsegments), für bestimmte Produktbereiche usw. Abbildung 41 zeigt diese Zusammenhänge: Im äußeren Ring sind die Inhalte/Zweckbestimmungen für derartige Teams dargestellt, während in der Bildmitte Mitarbeiter typischer Funktionsbereiche genannt sind, aus denen sich die Teams rekrutieren können.

149

K

K

K

Abbildung 40: Kundenorientierte Einheiten (Teams) als strukturelle Elemente im Unternehmen

Regionen

Mitarbeiter aus Bereichen Zielgruppen

Projekte Außendienst

Innendienst

Key Account

Produktbereiche

technische Auftragsbearbeitung

Planung/ Konstruktion

Produktmanagement

Marketing

technischer Service usw.

Absatzkanäle

Abbildung 41: Kriterien zur Bildung von Verkaufsteams

150

Technologien

Ein solches Team kennt „seine“ Kunden, nicht nur der jeweilige Außendienstmitarbeiter. Es herrscht ein Verständnis der Kundenprobleme vor, Lösungen können schneller, flexibler und innovativer erarbeitet werden. Im Team sind Mitarbeiter aus unterschiedlichen Know-How-Bereichen zusammengebunden, so dass eine „Rundum-Betreuung“ des Kunden gewährleistet ist. Organisatorisch sind diese Teams in aller Regel dem Vertrieb eingegliedert, die Leiter der verschiedenen Funktionsbereiche haben nur noch fachliche Weisungskompetenz, keine disziplinarische mehr. So werden Schnittstellen vermieden, es findet eine Orientierung auf gemeinsame Kunden- und Marktziele statt, die Kommunikation im Team führt zu Synergien und steigert die Effizienz. Kundenprozesse werden ganzheitlich erledigt, die Teams haben einen hohen Grad an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung. Selbstverständlich findet sich die gemeinsame Verantwortung der Teammitglieder in der Tatsache wieder, dass das Team als Profit-Center geführt wird. Hinter diesen Ansätzen steht ein neues Muster von Mitarbeiterverhalten und Mitarbeiterverantwortung: Alte Paradigma

Neue Paradigma

• arbeitsteilig, nur geringe Kenntnisse der Gesamtzusammenhänge, hoher Wiederholungsgrad der täglichen Arbeit

• ganzheitlich operierend, eingebunden in Unternehmensziele, Gruppendynamik

• bürokratisch, Kontrolle „von oben“, Mitarbeiter als Weisungsempfänger

• selbststeuernd, eigenverantwortlich, flexibel • kundenorientiert

• mechanisch • nach innen orientiert • Orientierung an Leistung Einzelner

• marktnah • gemeinsame Ziele, ergebnisorientiert, Team-Profit-Center

Abbildung 42: Der Wandel in den Verhaltensmustern

In derartigen Verkaufs-Teams ist zwangsläufig eine hohe Vernetzung der Teammitglieder gegeben. Es findet eine neue Aufgaben- und Rollenverteilung statt, die den unterschiedlichen, sich ergänzenden Kompetenzen der Teammitglieder entspricht. Der Aufgabenbereich des ursprünglichen Innendienstmitarbeiters wird bereiter und facettenreicher. Dieser Mitarbeiter entwickelt sich (aufgrund der hohen Kontaktfrequenz zum Kunden und der damit ver151

bundenen Transparenz) häufig zum „Steuermann“ des Teams, der den Einsatz der einzelnen Teammitglieder optimiert. Die Teams sollen sich weitestgehend selbst steuern. Hierzu müssen sie über die notwendigen Fähigkeiten verfügen und zur Selbststeuerung ermächtigt werden. Beides (Befähigung und Ermächtigung) wird häufig unter dem facettenreichen Begriff des „Empowerment“ zusammengefasst. Aspekte dieses Begriffs macht Abbildung 43 deutlich: Qualifizierung

Ziele

ControllingKnow-how Information

„lange Leine“

Konfliktmanagement Vergütung

Abbildung 43: Aspekte des Team-Empowerment

So liegt im Teamansatz eine ganze Reihe von Chancen für das Unternehmen: • Höhere Qualität in der Kundenbetreuung (schneller, flexibler, kundennäher), • höhere Effizienz (rationellere Aufteilung der Team-Ressourcen), • höhere Motivation (durch Gruppendynamik), • Zielkongruenz der Teammitglieder (wechselseitige Unterstützung). Diese möglichen positiven Folgen von Teams können sicherlich durch entsprechende Team-Vergütungskonzepte gestützt und verstärkt werden.

7.2

Die Vergütung von Team- und Individualkriterien

Die Vergütung von Teams bringt eine Reihe zusätzlicher Aspekte und Fragestellungen mit sich. Zweifelsohne ist das Team von gemeinsamen Zielsetzungen getragen und hat eine gemeinsame Verantwortung für die Erreichung der Ziele. Allerdings kann im Team die Verantwortung unterschiedlich verteilt sein und auch die Leistungen der Teammitglieder können sich in ihrer Quali152

tät unterscheiden. Soll hierauf in der Vergütung Rücksicht genommen werden oder nicht? Das Spannungsverhältnis zwischen Team- und Individualvergütung wird in Abbildung 44 deutlich:

Gleiche Vergütung für alle Teammitglieder?

unterschiedliche Verantwortung unterschiedliche Fähigkeiten unterschiedliche Leistungsbeiträge Individualziele (neben Teamzielen)

Abbildung 44: Spannungsverhältnis zwischen Team- und Individualvergütung

Auf diese Fragestellungen kann keine allgemeingültige Antwort gegeben werden: Es wird vom Einzelfall abhängen, ob gleiche oder ungleiche Vergütungen ausgeschüttet werden sollen, ob Individualziele gesondert vergütet werden sollen etc. Die Antwort resultiert aus der jeweiligen Teamstruktur, aus den gleichen oder differenten „Skills“ der Teammitglieder, aus der Frage, ob neben den gemeinsamen Teamzielen zusätzliche Individualziele definiert wurden etc. Im Folgenden sollen beispielhaft alternative Lösungsansätze aufgezeigt werden: 1. Die einfachste Lösung bestünde darin, für das Team mehrere Ziele festzulegen, wobei davon ausgegangen wird, dass alle Teammitglieder gleichermaßen zu den Zielen beitragen können (einheitliche Ziele). Außerdem soll unterstellt werden, dass nicht zwischen unterschiedlichen Leistungsbeiträgen der Teammitglieder unterschieden werden soll. In diesem Fall könnte verfahren werden, wie bereits in Kapitel 5.5 (für die Individualvergütung) dargestellt: • Leistungskriterien werden festgelegt, nach denen sämtliche Teammitglieder vergütet werden, • es erfolgt die Gewichtung der Leistungskriterien, • Ziele werden vereinbart (mit dem gesamten Team), • die Ziele werden gespreizt (der „Leistungskorridor“ wird bestimmt), • die Zielprämien für jedes Teammitglied werden ermittelt (in Abhängigkeit vom erreichten Leistungsgrad des Teams).

153

Dabei ist vorstellbar, dass alle Teammitglieder gleiche Zielprämien erhalten. Dies entspricht aber aufgrund der wahrscheinlich unterschiedlichen Einkommensniveaus der Teammitglieder eher einem Sonderfall. Vielmehr ist zu erwarten, dass unterschiedliche Teammitglieder unterschiedlich hohe Zielprämien erhalten. Eine Zielerfüllung von 100 % löst beim Außendienstmitarbeiter z. B. eine Zielprämie in Höhe von 22.500,- € aus, während der Innendienstmitarbeiter im Team z. B. 10.000,- € erhält (aufgrund eines niedrigeren Gesamteinkommens und eines niedrigeren variablen Einkommensanteils). 2. Es wird unterstellt, dass alle Teammitglieder zwar gleiche Ziele haben (Teamziele), dass aber der unterschiedliche Leistungsbeitrag der einzelnen Teammitglieder gewertet werden soll. Dies wäre z. B. möglich über die Schaffung eines Vergütungs-“Topfs“, aus dem die variablen Einkommen der einzelnen Teammitglieder verteilt werden. Gewertet werden dabei zwei Aspekte: • Das variable Zieleinkommen des einzelnen Teammitglieds (dieses kann je nach Einkommensniveau und prozentualem variablem Einkommensanteil von Teammitglied zu Teammitglied unterschiedlich sein), • der Leistungsbeitrag des einzelnen Teammitglieds (dieser Leistungsbeitrag kann von der Führungskraft geschätzt werden oder es ergibt sich eine Messzahl aufgrund einer persönlichen Leistungsbeurteilung32 durch die Führungskraft bzw. die Teammitglieder legen diese Messzahl untereinander selbst fest). Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Es sei angenommen, dass das Team aus drei Mitarbeitern besteht. Aufgrund der unterschiedlichen Einkommenshöhen und prozentualen variablen Einkommensanteile ergeben sich folgende variable Zieleinkommen (bei 100 % Zielerfüllung) pro Jahr: Mitarbeiter 1:

3.000,- €

Mitarbeiter 2:

7.000,- €

Mitarbeiter 3:

5.000,- €

Summe

15.000,- €

Der zu verteilende „Topf“ beläuft sich (bei 100 % Zielerfüllung) auf 15.000,- €. Es sei allerdings angenommen, dass das Team eine Zielerrei32

vgl. hierzu „Arten von Zielen“ in Kapitel 5.1

154

chung von 110 % zu verbuchen hat, so dass sich der „Topf“ auf 20.000,- € erhöhen soll. Die persönliche Messzahl der Teammitglieder (aufgrund des jeweiligen Leistungsbeitrags) beläuft sich auf: Mitarbeiter 1:

30 Punkte

Mitarbeiter 2:

10 Punkte

Mitarbeiter 3:

50 Punkte

Summe

90 Punkte

Die variable Vergütung („Ausschüttung“) für das einzelne Teammitglied ergibt sich aus Tabelle 23: Mitarbeiter

variables Zieleinkommen

Teamleistung

a

b

c

1

3.000,-

2

7.000,-

3

5.000,15.000,-

persönliche Faktor Messzahl (b x d)

110 %

20.000,-

d

e

in % vom Gesamt

Ausschüttung

f

g

30 Pkt.

9.000,-

22 %

4.400,-

10 Pkt.

7.000,-

17 %

3.400,-

50 Pkt.

25.000,-

61 %

12.200,-

90 Pkt.

41.000,-

100 %

20.000,-

Tabelle 23: Verteilung des Vergütungs-“Topfs“ auf die Teammitglieder unter Beachtung des persönlichen Leistungsbeitrags

3. Es wird unterstellt, dass neben den Teamzielen Individualziele der einzelnen Teammitglieder vergütet werden sollen. Dabei geht man von folgender Annahme aus: Neben Teamzielen, die gemeinsam von allen Teammitgliedern beeinflusst werden können, wie z. B.: • Deckungsbeitrag, • Umsatz, • Forcierung bestimmter Produkte, • Forcierung bestimmter Kunden, existieren zusätzliche Individualziele, die nur vom einzelnen Teammitglied je nach dessen Kompetenz und Funktion beeinflusst werden können. Beim Außendienstmitarbeiter könnten dies z. B. sein: 155

• Neukundenakquisition, • Veränderung der Rahmenkonditionen bei einer bestimmten Kundengruppe. Beim Innendienstmitarbeiter könnten die Individualziele lauten: • Erfolgsquote Angebote, • Anzahl abgeschlossener Wartungsverträge, • durchgeführte Kundenbefragungen, • Einhaltung Liefertermine. Die Vergütung des einzelnen Teammitglieds ergibt sich aus der jeweiligen Zielerfüllung im Team zzgl. der persönlichen Erfüllung der Individualziele. So könnte sich für einen Innendienstmitarbeiter im Team z. B. folgende Vergütungstabelle ergeben: Leistungskriterien

Individualziele

Teamziele

Gewichtung

Ziele

Zielprämie bei Zielerreichung (€) unterer Leis- 100 %..oberer Leistungspunkt… tungspunkt

Erfolgsquote Angebote

20 %

42%

700,-…

1.400,-…

2.800,-

Anzahl abgeschlossener Wartungsverträge

20 %

15

700,-…

1.400,-…

2.800,-

Durchgeführte Kundenbefragungen

10 %

3

350,-…

700,-…

1.400,-

Deckungsbeitrag II

30 %

1,0 Mio. €

1.050,-…

2.100,-…

4.200,-

Forcierung Produktgruppe X (Umsatz)

20 %

0,4 Mio. €

700,-…

1.400,-…

2.800,-

3.500,-…

7.000,-…

14.000,-

100 %

Tabelle 24: Vergütung von Team- und Individualzielen am Beispiel des Innendienstmitarbeiters

Hier werden also 50 % des variablen Einkommens an Teamzielen orientiert und 50 % an Individualzielen. Die Ausschüttung der Zielprämien erfolgt nicht über einen „Topf“, sondern der einzelne Mitarbeiter im Team ist einkommensmäßig direkt an die jeweilige Zielerreichung angebunden. 4. Es wird wiederum unterstellt, dass neben Teamzielen Individualziele vergütet werden (wie in Fall 3). Die Höhe der Vergütung der Teamziele ist

156

jedoch abhängig vom Leistungsgrad, der bei den Individualzielen erreicht wurde. Dahinter steckt folgender Gedanke: Ein Teammitglied, das sich leistungsmäßig nicht ausreichend ins Team einbringt und auch eine niedrige Leistung bei den Individualzielen aufweist, würde ungerechtfertigt von einer guten Team-Gesamtleistung profitieren, wenn der Teamerfolg unabhängig vom Individualerfolg vergütet würde. Statt dessen sollen bei diesem Modell die Teamziele nur in dem Maß zur Auszahlung kommen, in dem die Individualziele realisiert wurden. Es findet eine Verknüpfung des Individualerfolgs mit dem Kollektivergebnis statt, wie es bereits in Kapitel 6.2 aufgezeigt wurde. Würde man (gemäß Fall 3) so vorgehen, dass Individualerfolg und Kollektiverfolg unabhängig voneinander vergütet würden, könnte sich z. B. folgende Konstellation ergeben: Leistungskriterien

Individualziele

Teamziele

Gewichtung

Ziele

Zielprämie bei Zielerreichung (€) unterer Leis- 100 %..oberer Leistungspunkt… tungspunkt

Erfolgsquote Angebote

20 %

42 %

700,-… 700,-…

1.400,-…

2.800,-

Anzahl abgeschlossener Wartungsverträge

20 %

15

700,-… 700,-…

1.400,-…

2.800,-

Durchgeführte Kundenbefragungen

10 %

3

350,-… 350,-…

700,-…

1.400,-

Deckungsbeitrag II

30 %

1,0 Mio. €

1.050,-…

2.100,-…

4.200,-

Forcierung Produktgruppe X (Umsatz)

20 %

0,4 Mio. €

700,-…

1.400,-…

2.800,-

3.500,-…

7.000,-…

14.000,-

100%

Tabelle 25: Separate Vergütung von Individualerfolg und Teamerfolg

Der Mitarbeiter hat seine Individualziele nur zum jeweiligen Mindestmaß („unterer Leistungspunkt“) erfüllt, während im Team der „obere Leistungspunkt“ erreicht wurde. Der Mitarbeiter würde eine Auszahlung von 8.750,€ erhalten. Würde man statt dessen die Vergütung des Kollektivergebnisses mit der Vergütung des Individualergebnisses verquicken, würde sich folgende Tabelle ergeben: 157

Leistungskriterien

Individualziele

Gewichtung

Ziele

Erfolgsquote Angebote

20 %

42%

700,-…

1.400,-… 2.800,-

Anzahl abgeschlossener Wartungsverträge

20 %

15

700,-…

1.400,-… 2.800,-

Durchgeführte Kundenbefragungen

10 %

3

350,-…

700,-… 1.400,-

Deckungsbeitrag II Teamziele

Zielprämie bei Zielerreichung (€) unterer Leis- 100 %..oberer Leistungspunkt… tungspunkt

1,0 Mio € 50 %

Forcierung Produktgruppe X (Umsatz)

x2 0,4 Mio €

100 %

Tabelle 26: Verquickung von Individualerfolg und Teamerfolg

In diesem Fall würden nur noch 3.500,- € an den Mitarbeiter zur Auszahlung kommen.

158

8.

Die Umstellung auf ein neues Vergütungssystem

Die Umstellung von einem praktizierten auf ein neues Vergütungskonzept ist zweifelsohne ein sehr sensibles Thema. Eine unsensible Vorgehensweise, ein Start mit einem fehlerhaften System, das Nachbesserungen nötig macht bzw. die Nichtbeachtung vorhandener Besitzstände führt in aller Regel zum Scheitern des Projekts. Dasselbe gilt für einen Übergang auf das neue System ohne Absicherung der Mitarbeiter bzw. eine Nichtbeachtung rechtlicher Bedingungen. Die Sensibilität des Themas steigt, wenn feste Vergütungsformen in variable umgewandelt werden sollen.

8.1

Rechtliche Aspekte

Prinzipiell gibt es aus rechtlicher Perspektive drei Möglichkeiten, ein neues Vergütungssystem einzuführen: • Im gegenseitigen Einvernehmen werden bestehende Vergütungsanteile (fixe oder variable) in neue variable Anteile umgewandelt, • freiwillige Leistungen werden per Unternehmensentscheidung in eine neue leistungsorientierte Vergütung umgewandelt, • das Unternehmen zahlt die leistungsorientierte Vergütung zusätzlich zur bestehenden Vergütung (als freiwillige Leistung). Da an die Einführung eines neuen Vergütungssystems in aller Regel die Forderung nach Kostenneutralität gestellt wird (keine zusätzlichen Kosten durch das neue Vergütungssystem), scheidet erfahrungsgemäß die Zusatzvergütung aus. Erhält der Mitarbeiter freiwillige Leistungen, die seitens des Unternehmens rechtswirksam als jederzeit widerrufbar deklariert wurden, können diese kraft einer Unternehmensentscheidung in eine neue leistungsorientierte Vergütung umgewandelt werden. Der Vorbehalt der Freiwilligkeit bzw. des jederzeitigen Widerrufs muss mit jeder Zahlung dieser Leistungen verbunden worden sein. Wurde dies versäumt, sind diese Leistungen zur betrieblichen Übung geworden und können nicht mehr einfach umgewandelt werden. Der übliche Weg der Vergütungsumstellung ist demnach der des gegenseitigen Einvernehmens, wobei bestehende (fixe oder variable) Vergütungsanteile 159

umgewandelt werden. Dabei ist natürlich zu beachten, dass Mitarbeiter, die in ein neues Vergütungssystem übernommen werden sollen, erfahrungsgemäß ein Misstrauen gegenüber den neuen Vergütungsregelungen hegen. Dieses Misstrauen gilt es, im Dialog abzubauen. Mitarbeiter, die in ein neues Vergütungskonzept eingebracht werden sollen, müssen bedachtsam und klug an das Thema herangeführt werden. Möglichst sollten Teile des neuen Vergütungskonzepts gemeinsam mit den Mitarbeitern per Workshop erarbeitet werden (vgl. Kapitel 8.3). Die Akzeptanz des neuen Vergütungssystems durch die Mitarbeiter sollte den Schlusspunkt eines gemeinsamen Weges darstellen. Von Seiten der Unternehmen wird oft vermutet, dass ein neues Vergütungskonzept vornehmlich per Änderungskündigung einzuführen sei. Dabei handelt es sich aus zwei Gründen um ein völlig untaugliches Vorgehen: • Änderungskündigungen im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Vergütungskonzepts sind arbeitsrechtlich in aller Regel nicht durchsetzbar. Arbeitsrichter sehen die Einführung eines neuen Vergütungssystems nicht als ausreichenden Grund für eine Änderungskündigung an. • Die Vorgehensweise der Änderungskündigung wäre außerdem viel zu unsensibel in Anbetracht der Sensibilität des Themas. Sie würde das Misstrauen der Mitarbeiter gegen das neue Vergütungssystem noch verstärken, statt es abzubauen. Alles spricht also für die Herstellung eines gegenseitigen Einvernehmens. Dabei könnte argumentiert werden, dass auch hier eine gewisse Unsicherheit bzgl. der Akzeptanz gegeben ist. Evtl. übernehmen nicht alle Mitarbeiter „auf Anhieb“ das neue Vergütungskonzept. Üblicherweise wird die Akzeptanzproblematik überschätzt: Zahlreiche Unternehmen, die ein neues, zukunftsträchtiges Vergütungskonzept einführen wollen, schrecken vor der Vorstellung zurück, dass viele oder gar die meisten Mitarbeiter das neue System ablehnen könnten. Es wurde aus den bisherigen Ausführungen allerdings bereits deutlich, dass in diesem Zusammenhang weniger die rechtlichen Aspekte zählen als die psychologischen. Kapitel 8.3 zeigt deshalb eine empfohlene Vorgehensweise auf, die erfahrungsgemäß zu einer breiten Akzeptanz des neuen Vergütungssystems führt. Was tun, wenn dennoch der eine oder andere Mitarbeiter die Akzeptanz verweigert? In aller Regel handelt es sich dabei um Mitarbeiter, die eine über-

160

durchschnittliche Furcht vor Einkommenseinbrüchen hegen, und zwar trotz aller Absicherungen und Übergangsregelungen33. Hier wird empfohlen, zunächst die Mitarbeiter im alten Vergütungssystem zu belassen und keinen Zwang auszuüben. Natürlich kann das Unternehmen auf Dauer nicht innerhalb des gleichen Mitarbeiterkreises mit verschiedenen Vergütungssystemen arbeiten. Deshalb wird ebenfalls empfohlen, diese Mitarbeiter nach Ablauf einiger Zeit (z. B. nach einem halben Jahr oder Jahr) nochmals mit der Thematik zu konfrontieren. Erkennen die Mitarbeiter, dass das durchschnittliche Einkommen nach dem neuen System bei ihren Kollegen nicht gesunken ist (evtl. sogar gestiegen ist), sind erfahrungsgemäß die Akzeptanzbarrieren beseitigt. Bei dauerhafter Verweigerungshaltung des Mitarbeiters kann evtl. beschlossen werden, ihn von weiteren Einkommensanhebungen auszuschließen (sofern nicht tarifliche Verpflichtungen dagegenstehen). Die Rechte des Betriebsrats sind in jedem Fall zu wahren (§ 87 BetrVG). Dies bedeutet, dass der Betriebsrat bereits über die Absicht der Einführung eines neuen Vergütungssystems zu informieren ist. Das neue Vergütungskonzept ist dem Betriebsrat vorzulegen und zu erläutern. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann das neue Vergütungskonzept nur bei den Mitarbeitern eingeführt werden, die zum Kreis der Leitenden Angestellten zählen. In jedem Fall empfiehlt sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung, in der das neue Vergütungskonzept geregelt wird. Ähnlich der Akzeptanz durch den Mitarbeiter ist die Akzeptanz des neuen Vergütungssystems durch den Betriebsrat eher ein psychologisches als ein juristisches Thema. Der Betriebsrat stimmt einem neuen Vergütungssystem erfahrungsgemäß dann zu, wenn die betroffenen Mitarbeiter mehrheitlich das neue Vergütungssystem akzeptieren. Deshalb wird eine parallele Vorgehensweise vorgeschlagen: Gespräche mit dem Betriebsrat sollten parallel zu denen laufen, die mit den Mitarbeitern geführt werden. Erst wenn die Akzeptanz bei der überwiegenden Mehrheit der Mitarbeiter hergestellt ist, sollte der Betriebsrat aufgefordert werden, die Betriebsvereinbarung abzuschießen, die ihm allerdings rechtzeitig als Entwurf zugeleitet wurde. In jedem Fall ist der Abschluss eines Ergänzungsvertrags mit dem Mitarbeiter unerlässlich, der die Regelungen des neuen Vergütungskonzepts eindeutig beinhaltet, so dass zukünftige Rechtsstreitigkeiten möglichst ausgeschlossen sind. Nun kann die Betriebsvereinbarung so differenziert ausgestaltet werden, dass im Individualvertrag mit dem Mitarbeiter ein Hinweis auf die Betriebs33

vgl. Kapitel 8.3

161

vereinbarung genügt. Dies bringt Vorteile bzgl. zukünftiger Vertragsänderungen mit sich: Individualverträge müssen einzeln (mit jedem Mitarbeiter) geändert werden, während Kollektivregelungen nur einer einmaligen Änderung unterzogen werden. Inhalte dieses Ergänzungsvertrags (bzw. der Kollektivregelung über die Betriebsvereinbarung) sind z. B.: • Aufhebung der bisherigen Vergütungsregelung, • Beschreibung des neuen Vergütungssystems (z. B. Zielprämie) bzgl. Einkommensstruktur, variablem Anteil, Prozess der Zielvereinbarung, Zielspreizung, Leistungsgrade und Prämienaufteilung, Begrenzung der variablen Vergütung beim „oberen Leistungspunkt“ etc., • unstrittige Definition dauerhafter Vergütungskriterien wie z. B. Deckungsbeitrag II (welche Umsätze, welche Produktkosten/Leistungskosten, welche direkt zurechenbaren Fixkosten?), • Erläuterung von Übergangsregelungen auf das neue Vergütungssystem (vgl. hierzu Kapitel 8.3), • Abgeltungsregelung für Austritt des Mitarbeiters im laufenden Jahr (in diesem Fall kann z. B. eine Ermittlung des Zielerreichungsgrades des Mitarbeiters nicht stattfinden, sofern Jahresziele vereinbart wurden), • Regelung der monatlichen Abschlagszahlungen, • Vorbehalt möglicher zukünftiger Änderungen bzgl. neuer Leistungskriterien, die vergütet werden sollen, der Gewichtung dieser Leistungskriterien etc., • Regelung für eine unterjährige Tätigkeitsänderung des Mitarbeiters (Anpassung der Ziele, Vereinbarung neuer Ziele etc.). Es empfiehlt sich, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass eine Zielvereinbarung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft nicht zustande kommt. Hier könnte z. B. festgelegt werden, dass der Zielvereinbarungsprozess auf der nächst höheren Unternehmensebene mit dem Mitarbeiter durchgeführt wird oder es wird für solche Fälle ein „paritätisch“ besetztes Gremium eingesetzt, welches sich z. B. aus zwei Führungskräften, dem Mitarbeiter und einem weiteren Mitarbeiter (Kollegen) zusammensetzt. In keinem Fall darf gegen rechtlich bindende Tarifverträge verstoßen werden. So darf z. B. durch Schwankungen im variablen Einkommensanteil nicht das

162

(monatliche) Tarifeinkommen des Mitarbeiters unterschritten werden. Mit diesem Aspekt setzt sich das folgende Kapitel differenzierter auseinander.

8.2

Umwandlung fixer Einkommensbestandteile

Aus Sicht des Unternehmens erfolgt die Umstellung eines vorhandenen Vergütungssystems auf ein neues in aller Regel kostenneutral. D. h. das neue System darf bei gleicher Mitarbeiterleistung auch nur die gleichen Kosten verursachen, höhere Personalkosten dürfen nur bei entsprechend besseren Leistungen entstehen. Oft wird von Seiten der Unternehmen vermutet, die Mitarbeiter würden das neue Vergütungssystem nur dann akzeptieren, wenn es a priori mit Einkommensverbesserungen (ohne Leistungsverbesserungen) verbunden sei. Dies ist jedoch zumindest nicht der übliche Weg der Umstellung von Vergütungssystemen. Bei kostenneutraler Umstellung sollten aber Übergangsregelungen eingehalten werden, mit denen sich Kapitel 8.3 ausführlich auseinandersetzt. Da heute nur noch relativ wenige Außendienstmitarbeiter ausschließlich per Fixum vergütet werden, können bei Vergütungsumstellungen meist vorhandene variable Einkommensteile genutzt werden: Diese werden umgewandelt, indem sie auf neue Bezugsgrößen (Leistungskriterien) abgestellt werden, indem neue Vergütungsinstrumente (z. B. Zielprämien) zum Einsatz kommen etc. Dabei ist denkbar, dass der zukünftige variable Einkommensanteil größer oder kleiner ausfällt als bisher, so dass der fixe Einkommensanteil entsprechend angepasst werden muss. Allerdings gilt auch hier, tarifliche Einkommensuntergrenzen zu beachten. Die Umstellung von rein fixen Vergütungen auf Systeme mit fixen und variablen Einkommensteilen findet also seltener im Außendienst statt, vor allem jedoch im Innendienst, wo gegenwärtig nur sehr wenige Mitarbeiter variabel vergütet werden. Da diese Mitarbeiter häufig tariflich vergütet werden, muss nach Möglichkeiten zur Umwandlung fixer Einkommensbestandteile in variable gesucht werden. Hierfür bieten sich an: • Die übertarifliche Zulage, • freiwillige Sonderleistungen des Unternehmens, • tarifliche Höherstufung des Mitarbeiters (es wurde freiwillig eine höhere tarifliche Eingruppierung als nötig vorgenommen), • pauschale Überstundenvergütung. 163

Diese Leistungen können im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Mitarbeiter in ein neues variables Vergütungskonzept umgewandelt werden. Soweit es sich um freiwillige Unternehmensleistungen handelt, die unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gezahlt wurden, können sie auch einseitig (d. h. ohne Einverständnis des Mitarbeiters) umgewandelt werden. Im Einzelfall muss überprüft werden, ob eine gegenwärtig gewährte tarifliche Leistungszulage für eine Variabilisierung herangezogen werden kann. Sofern der Tarifvertrag diesbzgl. Gestaltungsfreiheit lässt, ist dies denkbar. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Beschränkung des Unternehmens auf obige Gestaltungsgrößen nur dann besteht, wenn Tarife verbindlich anzuwenden sind. Wo tariffreie Räume gegeben sind, können natürlich auch Teile des Gehalts umgewandelt werden. Oder es bieten sich die Jahresabschlussleistung bzw. das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld an, wenn das Gehalt des Mitarbeiters im Rahmen der Vergütungsumstellung nicht angegriffen werden soll. Das Grundprinzip der modernen Vergütungsumstellung verdeutlicht Abbildung 45:

variabel

Zieleinkommen

derz. var. Vergütung JAL/WG freiw. üt. Zulage Leistungszulage derzeitiges Fixum

variables Zieleinkommen

variabel

Fixum

Fixum

Abbildung 45: Umwandlung fixer in variable Einkommensanteile

164

Chance

Risiko

Aus gegenwärtig relativ kleinen variablen Einkommensanteilen und fixen Einkommensanteilen (wie Jahresabschlussleistung/Weihnachtsgeld, freiwillige übertarifliche Zulagen, Leistungszulagen etc.) soll ein variables Zieleinkommen in einer Größenordnung entstehen, das dem Mitarbeiter Erfolg und Misserfolg „spürbar“ mitteilt. Das variable Zieleinkommen steht für die Zielerreichung von 100 %. Zielerreichungen über 100 % sollen dabei mit größeren Einkommenschancen belohnt werden als Risiken für Zielerfüllungen unter 100 % angesetzt werden (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 5.9 und 5.10).

8.3

Was aus psychologischer Sicht zu beachten ist

Weiter oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass jede Vergütungsumstellung für den Mitarbeiter ein hoch sensibles Thema darstellt. Deshalb sind die psychologischen Aspekte meist bedeutsamer als die rechtlichen. Dabei gilt z. B.: ⇒ Das neu eingesetzte Vergütungssystem muss frei von Fehlern sein, d. h.

der „erste Anlauf“ muss „passen“. Nachbesserungen schaffen Misstrauen und führen erfahrungsgemäß zur Ablehnung des Systems. ⇒ Das Vergütungssystem sollte einkommensneutral umgestellt werden,

d. h. es sollte den vorhandenen Einkommensanspruch des Mitarbeiters wahren. Das Einkommensniveau sollte nicht angetastet werden. Der Mitarbeiter sollte alleine durch die Tatsache der Vergütungsumstellung nicht weniger aber auch nicht mehr verdienen. Einkommensminderungen bzw. -erhöhungen ergeben sich ausschließlich aus der Leistung des Mitarbeiters. ⇒ Es sollte ein Risikoausschluss für eine Übergangszeit erfolgen. Dieser

könnte so aussehen, dass der Mitarbeiter ab dem Umstellungszeitpunkt sein Einkommen zwar nach dem neuen Vergütungssystem erhält, das Einkommen, das sich nach dem abgelösten Vergütungssystem ergeben hätte, wird aber als Minimumeinkommen garantiert. Das alte Vergütungssystem (z. B. Fixum zzgl. Umsatzprovision oder ausschließlich Fixum, falls keine variable Vergütung gewährt wurde) wird also parallel neben dem neuen Vergütungssystem weitergeführt, obwohl der Mitarbeiter bereits nach dem neuen System vergütet wird. Daraus folgt: Der Mitarbeiter kann zunächst nach der Umstellung nur mehr verdienen, jedoch nicht weniger als ihm das alte System gebracht

165

hätte. Ein derartiger Risikoausschluss könnte z. B. für ein Jahr gewährt werden. Damit wird dem Mitarbeiter gegenüber signalisiert, dass das neue Vergütungskonzept nicht entwickelt wurde, um sein zukünftiges Einkommen zu beschneiden. Vielmehr wird deutlich, dass es eigentlich darum geht, sein Einkommen zu verbessern, und zwar durch entsprechende Leistungssteigerungen bzgl. Deckungsbeitrag und weiterer Leistungskriterien. Es verdeutlicht sich also die positive Grundhaltung der Vergütungsumstellung: Der Blick wird „nach vorne“ gerichtet, indem Sicherheit vermittelt wird. Der Mitarbeiter kann frei von Ängsten das neue Vergütungssystem akzeptieren. Er hat ausreichend Zeit, sich im neuen Vergütungssystem zurechtzufinden, sich mit den neuen Leistungskriterien (z. B. Deckungsbeitrag) und Vergütungsinstrumenten (z. B. Zielprämien) vertraut zu machen. Fehler, die ihm anfänglich unterlaufen, wirken sich aufgrund der Garantie des alten Einkommenssystems nicht auf sein tatsächliches Einkommensniveau aus. Eine derartige Risikominimierung hilft zur raschen Akzeptanz und zum Umdenken beim Mitarbeiter. Sie beseitigt erfahrungsgemäß psychologische Angstschwellen im Zusammenhang mit dem neuen Vergütungskonzept. Auch Betriebsräte sind erfahrungsgemäß aufgeschlossener, wenn derartige Übergangsregelungen gewährt werden. Andererseits stellt ein derartiges Vorgehen für das Unternehmen kein Risiko dar: Würde das neue Vergütungssystem von den Mitarbeitern nicht akzeptiert, müsste das alte System sowieso aufrechterhalten werden. Ebenso entstehen im Rahmen dieser Übergangsregelung nur dann Mehreinkommen über das neue Vergütungssystem, wenn die installierten Leistungskriterien (wie z. B. Deckungsbeitrag) ausgebaut werden. Dieser Personalkostenanstieg wird vom Unternehmen aber geradezu „gewünscht“, da ja immer nur ein Teil des erwirtschafteten MehrDeckungsbeitrags an den Mitarbeiter ausgeschüttet wird. Die Grundidee der Vergütungsumstellung wird damit deutlich: Der Mitarbeiter wird einkommensneutral (und damit kostenneutral aus Sicht des Unternehmens) auf ein neues Vergütungssystem umgestellt. Mehreinkommen ergeben sich nur aufgrund der vom Unternehmen gewünschten (und beabsichtigten) Leistungssteigerungen. Zur rascheren

166

Akzeptanz (beim Mitarbeiter und Betriebsrat) wird eine Übergangsregelung in der dargestellten Weise eingerichtet. ⇒ Die Akzeptanz wird gefördert durch Schaffung von Wahlfreiheiten z. B.

bzgl. der Höhe des variablen Einkommensanteils (vgl. Kapitel 6.1) oder bzgl. der Einkommensstruktur (vgl. Kapitel 6.3). Ein Mitarbeiter, der über solche Wahlfreiheiten verfügt, kann das neue Vergütungssystem auf seine persönlichen Belange und Risikoneigungen einrichten. ⇒ Im Rahmen der Umstellung auf das neue Vergütungskonzept ist eine

Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter (und evtl. auch der Betriebsräte) zu einem möglichst frühen Zeitpunkt empfehlenswert. Das neue Vergütungssystem sollte im Einklang mit den Mitarbeitern (und dem Betriebsrat) entwickelt werden. Sobald sich das Unternehmen klare Vorstellungen über die Grundzüge des neuen Vergütungskonzepts gebildet hat, sollte ein Workshop mit den maßgeblich betroffenen Mitarbeitern und evtl. auch Betriebsräten installiert werden. Die Möglichkeit zur konkreten Mitgestaltung erhöht erfahrungsgemäß die Akzeptanz bei den Betroffenen. Muss die Zahl der Wokshop-Teilnehmer, um dessen Effektivität zu gewährleisten, begrenzt werden, ist großer Wert darauf zu legen, den Mitarbeitern, die nicht Teilnehmer des Workshops waren, im Rahmen einer ausführlichen Präsentation das neue Vergütungskonzept nahe zu bringen. ⇒ Das neue Vergütungssystem muss individuell auf das Unternehmen

und seine Mitarbeiter zugeschnitten sein. Aus der Vielzahl von möglichen Leistungskriterien und Vergütungsinstrumenten muss diejenige Kombination ausgewählt werden, die wie ein Maßanzug „passt“. Die Leistungskriterien, die zur Vergütung anstehen, müssen die tatsächlichen Ziele und Interessen des Unternehmens widerspiegeln, ebenso müssen sich die Mitarbeiter mit ihren Interessen im Vergütungssystem wiederfinden. ⇒ Das neue Vergütungssystem sollte mehr Chancen als Risiken bieten:

Die Möglichkeiten zur Einkommenssteigerung bei Gut- und Bestleistungen sollten ausgeprägter sein als die Gefahr der Einkommensreduzierung bei Schlechtleistung (vgl. hierzu die Kapitel 5.4 sowie 5.9 und 5.10). Auch dies ist ein wichtiger Aspekt für die Akzeptanz des neuen Vergütungskonzepts durch Mitarbeiter und Betriebsräte. ⇒ Transparenz und Nachvollziehbarkeit ist eine der wichtigsten Eigen-

schaften des neuen Vergütungskonzepts. Es muss einfach sein, um Akzeptanz zu finden. Wird es mit zu vielen Leistungskriterien betrieben, 167

wird es zu komplex ausgestaltet oder ist es für die verschiedenen Mitarbeiter nicht „wie aus einem Guss“ geschaffen, wird die Akzeptanz leiden. ⇒ Die zukünftige Entwicklung des variablen Einkommensanteils sollte si-

chergestellt sein: Erhöhungen des fixen Einkommensanteils (z. B. tarifliche Erhöhung) sollten gleichermaßen auf den variablen Einkommensanteil gewährt werden. Ansonsten würde sich das Verhältnis von fixen zu variablen Einkommensanteilen im Lauf der Zeit zugunsten der fixen Anteile verschieben. ⇒ Die Zielvorgaben sollten realistisch und nicht etwa zu anspruchsvoll

sein. Gerade der letztere Aspekt ist nicht nur für die erstmalige, sondern für die dauernde Akzeptanz des neuen Vergütungskonzepts wichtig. Mitarbeiter verlieren die positive Einstellung für ein Vergütungssystem, wenn dieses sie tendenziell überfordert und den Eindruck erweckt, als diene es zur Einsparung von Mitarbeitereinkommen. Ziele dürfen anspruchsvoll sein, sie müssen gleichzeitig erreichbar bleiben. Dies ist zweifelsohne der Kern eines auf Fairness ausgelegten Vergütungssystems: Es muss gute Chancen beinhalten, einmal vereinbarte Ziele nicht nur zu erfüllen, sondern sie auch überzuerfüllen. Führen mit Zielen – das erkennen immer mehr Unternehmen – ist heute zu einem entscheidenden Faktor für den Erfolg und die weitere Entwicklung des Unternehmens geworden. Variable Vergütung mit Zielprämien steht in diesem Zusammenhang für die erfolgreiche Umsetzung dieses Führungskonzepts. Wenn Ziele und Mitarbeiterführung mit Zielen für den Unternehmenserfolg aber eine so entscheidende Rolle spielen, wird die zielorientierte Vergütung unerlässlich. Dabei ist wichtig, dass bei dem Streben nach anspruchsvollen Zielvereinbarungen nicht ein Großteil der Wirkung zunichte gemacht wird, die zielorientierte Führung und Vergütung bewirken können. Auf Dauer werden nur solche Vergütungskonzepte dem Unternehmen wie dem Mitarbeiter positive Ergebnisse bescheren, die von dem Gedanken der Kooperation und der Fairness getragen sind.

168