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German Pages [366] Year 2004
Adel und Moderne
Adel und Moderne Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert
Herausgegeben von Eckart Conze und Monika Wienfort
i 2004
BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der Gerda-Henkel-Stiftung
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Figurine aus bemaltem Biskuitporzellan aus dem frühen 19. Jahrhundert (Privatbesitz) Θ 2004 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 913 90-0, Fax (0221) 913 90-11 i [email protected] Alle Rechte vorbehalten Druck und Bindung: MVR Druck GmbH, Brühl Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier. Printed in Germany ISBN 3-412-18603-1
Inhalt
Einleitung. Themen und Perspektiven historischer Adelsforschung zum 19. und 20. Jahrhundert "Eckart Con^e / Monika Wienfort
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TEIL I - HERRSCHAFTSPRAXIS UND SOZIALES K A P I T A L
Dynastische Adelspolitik und gesellschaftlicher Wandel im Italien des Risorgimento. Der toskanische Adel in der bürokratischen Monarchie (1800-1860) Thomas Kroll The Fall and Rise of the British Aristocracy Peter Mandler
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Das Verlangen nach Adel und Standeskultur im nachrevolutionären Frankreich Claude-Isabelle Grelot
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The Transmission of Elite Positions among the Dutch Nobility during the 20th Century Jaap Dronkers / Huibert Shijft
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TEIL II -
ELITEKONZEPTE
„Landbürger". Elitenkonzepte des polnischen Adels im 19. Jahrhundert Michael G. Müller Höfische Intrige als Machtstrategie in der Weimarer Republik Paul v. Hindenburgs Kandidatur zur Reichspräsidentschaft 1925 Raffael Scheck
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Inhaltsverzeichnis
Die Reihen fest geschlossen? Adelige im Führerkorps der SA bis 1934 Stephan Malinomki / Sven Reicbardt Adel unter dem Totenkopf. Die Idee eines Neuadels in den Gesellschaftsvorstellungen der SS
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Eckart Cornee TEIL I I I - A S P E K T E VON ADELIGKEIT
Gesellschaftsdamen, Gutsfrauen1890-1939 und Rebellinnen. Adelige Frauen in Deutschland Monika Wienfort
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Vom Höfling zum soldatischen Mann. Varianten und Umwandlungen adeliger Männlichkeit zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus.. 205 Marcus Funck Der durchschossene Hut des Freiherrn v. Friesen. Zur Institutionalisierung von Adeligkeit Josef Matzerath
237
Das Unbeschreibliche. Zur Sozialsemiotik adeligen Körperverhaltens im 18. und 19. Jahrhundert 247 Angelika Unke T E I L I V - ADELSGESCHICHTE ALS ERFAHRUNGSGESCHICHTE
Adelige Lebensweise in entsicherter Ständegesellschaft. Erfahrungen der Brüder Alexander und Ludwig v. d. Marwitz Ewald Frie
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Der deutsche Zusammenbruch 1918 in den Selbstzeugnissen adeliger preußischer Offiziere Wencke Meteling
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Zwischen Aktion und Reaktion. Die süddeutschen Standesherren 1914-1919 Karina Urbach
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Autorenverzeichnis
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ECKART CONZE / MONIKA WIENFORT
Einleitung Themen und Perspektiven historischer Adelsforschung zum 19. und 20. Jahrhundert
Historische Adelsforschung in Deutschland — das bedeutete bis vor kurzem ganz überwiegend Forschung zur Adelsgeschichte in der Vormoderne. Über die Bedeutung des Gegenstands muß man dort nicht streiten. Für die Adelsgeschichte in der Moderne, im 19. und 20. Jahrhundert, liegen die Dinge dagegen anders, auch wenn Adelshistoriker mit diesem Zeitraum heute nicht mehr jene terra incognita betreten, von der Hans-Ulrich Wehler 1990 noch völlig zu Recht sprechen konnte.1 Schon die Sprache der Untersuchungen weist darauf hin: Da ist einerseits von Niedergang, Abstieg und Verlustgeschichte (Bedeutungsverlust, Verlusterfahrung) die Rede. Andererseits jedoch geht es um Beharrungskraft, um Selbstbehauptung und um „Obenbleiben" (Werner Sombart) im Zeitalter der Demokratisierung.2 Relationale Begriffe also überwiegen in der Analyse. Offensichtlich geht es um Positionsbestimmungen einer sozialen Gruppe unter den veränderten und sich permanent und beschleunigt weiter verändernden Bedingungen der Moderne. Einem säkularen Verlust der politischen Führungsrolle des Adels steht eine vornehmlich kulturell zu verstehende Identitätsund Stabilitätsbehauptung gegenüber, und in diesem Zusammenhang ist die Relevanz des Adels als Forschungsgegenstand zu begründen. Der deutsche Adel erscheint im europäischen Vergleich besonders vielfältig und segmentiert. Nationale Adelsgeschichte zu schreiben, ist daher — zumindest derzeit — weder möglich noch angemessen. Statt dessen kommen sowohl für das 19. als auch für das 20. Jahrhundert primär Untersuchungen unterschiedlicher Adelsregionen oder unterschiedlicher Adelsgruppen (Standesherren, Militäradel, Adelsverbände usw.) in Betracht. Gerade für den regionalen Zugriff gilt es, sich bewußt zu halten, daß die Anzahl adeliger Personen und der Anteil des Adels an der Gesamtbevölkerung von Südwesten nach Nordosten ganz erheblich divergierten. Im Süden und Westen lebten nur wenige hundert Adelsfamilien, für das ostelbische Preußen geht man hingegen für die erste Hälfte des 20. Hans-Ulrich WEHLER, Einleitung, in: ders. (Hg.), Europäischer Adel 1750-1950, Göttingen 1990, S. 9-18, hier S. 11. Ein vollständiger Forschungsüberblick ist hier nicht beabsichtigt. Vgl. dazu Heinz REIF, Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999. Die Frage nach dem „Obenbleiben" schließt immer wieder an an Rudolf BRAUN, Konzeptionelle Bemerkungen zum „Obenbleiben". Adel im 19. Jahrhundert, in: Wehler, Europäischer Adel, S. 87-95.
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Eckart Conze / Monika Wienfort
Jahrhunderts von etwa 20.000 - vielfach wenig begüterten - Familien aus. Während dieser 2ahlreiche preußische Adel, oftmals als Junker bezeichnet, für das 19. Jahrhundert noch als Gewinner des politischen Kampfes um die Macht charakterisiert wurde, verlor der Adel im Süden und Westen an politischem Einfluß. Der etatistischen Reformpolitik des frühen 19. Jahrhunderts in Baden, Württemberg und Bayern gelang es, dem Adel zahlreiche Privilegien zu entziehen und ihn unter den Gleichheitsvorbehalt des Staatsbürgertums zu stellen. An Reichtum allerdings übertrafen süddeutsche Familien, vor allem die Standesherren, ihre preußischen Standesgenossen vielfach erheblich.3 Adelsforschung als Junkerforschung — gegen die Ausschließlichkeit eines Ansatzes, der die Bedeutung des Adels für das 19. Jahrhundert immer nur in Preußen suchte, bemühte sich vor allem die Geschichtsschreibung zur Reformpolitik des rheinbündischen Deutschland um ein Gegengewicht. Der Adel Bayerns und Badens, die süddeutschen Standesherrschaften und die reichsritterlichen Geschlechter wurden in ihrer Rolle für die staatliche Integration der süddeutschen Staaten betrachtet. Die Adelsforschung zu Sachsen trug im übrigen zur Erneuerung landesgeschichtlicher Forschung bei. Adelige Persönlichkeiten und Korporationen, Rittergüter, Dörfer, Städte und Regionen wurden in dieser Perspektive vor allem als mit dem Staat interagierende soziale Räume wahrgenommen.4 Adelsforschung für das 19. und 20. Jahrhundert erbt von der Vormoderne. Beinahe sämtliche Forschungen zur Adelsgeschichte teilten im Grunde bis vor kurzem eine Prämisse: die des Primats der Politik. Damit ist nicht gemeint, daß die Adelsforschung sich stets ausschließlich mit dem Regierungshandeln von Monarchen und adeligen Ministern oder Diplomaten beschäftigt hätte. Aber der politische Machtwille des Adels als „Kamarilla" Friedrich Wilhelms IV., im Freundeskreis Kaiser Wilhelms II. oder schließlich im Umfeld Hindenburgs während der letzten Jahre der Weimarer Republik stand doch deutlich im Vor-
AIs Beispiele: Andreas DORNHEIM, Adel in der bürgerlich-industrialisierten Gesellschaft. Eine sozialwissenschaftlich-historische Fallstudie über die Familie Waldburg-Zeil, Frankfurt a.M. 1993; Elisabeth FEHRENBACH (Hg.), Adel und Bürgertum in Deutschland 17701848, München 1994. Noch nicht ersetzt: Heinz GOLLWITZER, Die Standesherren 18251 9 1 8 , Stuttgart 1957. Vgl. aber die jüngere Studie von Martin FURTWÄNGLER, Die Standesherren in Baden (1806-1848). Politische und soziale Verhaltensweise einer bedrängten Elite, Frankfurt a.M. 1996. Vgl. Elisabeth FEHRENBACH, Das Erbe der Rheinbundzeit. Macht- und Privilegienschwund des badischen Adels zwischen Restauration und Vormärz, in: Archiv für Sozialgeschichte 23 (1983), S. 99-122; Walter DEMEL, Der bayerische Adel von 1750 bis 1 8 7 1 , in: Wehler, Europäischer Adel, S. 126-143; Gregory W. PEDLOW, The Survival of the Hessian Nobility 1770-1870, Princeton 1988; Katrin KELLER/Josef MATZERATH (Hg.), Geschichte des sächsischen Adels, Köln 1997; Silke MARBURG/Josef MATZERATH (Hg.), Der Schritt in die Moderne. Sächsischer Adel zwischen 1763 und 1 9 1 8 , Köln 2001.
Einleitung
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dergrund des Forschungsinteresses.5 Sozialgeschichtliche Analysen wie die des westfälischen Adels vom späten 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts blieben hervorgehobene Einzelfälle.6 Statt dessen interessierte zumeist das Bemühen, vor allem die Beharrungskraft des preußischen Adels und seine Rolle in der Politik als Modernisierungs- und Parlamentarisierungsverhinderer in den Mittelpunkt zu stellen. Dafür gab es gute Gründe. Nicht zuletzt angesichts des Interpretaments vom „deutschen Sonderweg", das die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in den besonderen Bedingungen des preußischdeutschen Militärstaats und seiner adeligen Eliten wurzeln sah, griff man auf solche Argumente verstärkt zurück. Die Geschichte des Preußischen Herrenhauses als politischer Ort des grundbesitzenden Adels, in dem das Bürgertum über eine Statistenrolle im Grunde nicht hinauskam, kann beispielsweise in diesem Zusammenhang gesehen werden.7 Für die deutsche Adelsforschung zum 20. Jahrhundert ließ sich bis vor kurzem von zwei komplementären Schwerpunkten sprechen. Den ersten Schwerpunkt bildete — wiederum primär auf die Sphäre der Regierungs- und Parteipolitik bezogen — die Beteiligung des Adels am Scheitern, ja an der Zerstörung der Weimarer Republik. Die Rolle des Adels, insbesondere des ostelbischen, in Parteien und Verbänden (vor allem in Agrarverbänden) und die Republikfeindschaft der Hindenburgschen Kamarilla, die Raffael Scheck in diesem Band noch einmal neu in den Blick nimmt, standen im Zentrum des Interesses. Elard v. Oldenburg-Januschau (1855-1937) galt als der typische Adelsvertreter schlechthin. Die Parallelen zur historiographischen Stilisierung Friedrich August Ludwig v. d. Marwitz' (1777-1837), mit dem sich der Aufsatz von Ewald Fne befaßt, sind auffällig. Gegen die Tendenz zur Personifizierung von Adelsmythen wenden sich indes jüngere Arbeiten, die den Adel als regionale Führungsgruppe untersuchen. Jenseits des im engeren Sinne politischen Handelns findet die Wirkung adeliger Praktiken oder von Praktiken von Adeligen in der Existenzkrise der deutschen Republik verstärkte Aufmerksamkeit.8 Vgl. Iris V. HOYNINGEN-HUENE, Adel in der Weimarer Republik. Die rechtlich-soziale Situation des reichsdeutschen Adels 1918-1933, Limburg 1992; s. auch verschiedene Beiträge in: Heinz REIF (Hg.), Adel und Bürgertum in Deutschland I. Entwicklungslinien und Wendepunkte im 19. Jahrhundert, Berlin 2000; ders. (Hg.), Adel und Bürgertum in Deutschland II. Entwicklungslinien und Wendepunkte im 20. Jahrhundert, Berlin 2001. Heinz REIF, Westfälischer Adel 1770-1860. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite, Göttingen 1979. Vgl. allgemein Francis L. CARSTEN, Geschichte der preußischen Junker, Frankfurt a.M. 1988. Zum Herrenhaus: Hartwin SPENKUCH, Das Preußische Herrenhaus. Adel und Bürgertum in der Ersten Kammer des Landtages 1854-1918, Düsseldorf 1998. Zur Stilisierung v. d. Marwitz' vgl. Ewald FRIE, Friedrich August Ludwig von der Marwitz 1777-1837. Biographien eines Preußen, Paderborn 2001. Als Beispiel für die Verschränkung der Perspektiven von Region, nationaler Politik und Religion: Shelley BARANOWSKI, The Sanctity of Rural Life. Nobility, Protestantism, and Nazism in Weimar Prussia, New York/Oxford 1995; Wolfgang ZOLLITSCH, Adel und adelige Machteliten in der
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Den zweiten Schwerpunkt und gleichsam die ideologiegeschichtliche Kehrseite zum Anteil des Adels an der Zerstörung der Weimarer Republik bildete die Geschichte des 20. Juli 1944. Bekanntlich war ein Drittel der in diesem Zusammenhang hingerichteten Gegner des Nationalsozialismus adelig. Die Aufarbeitung des adeligen Widerstands gegen Hider in der Bundesrepublik — auch und gerade in viel gelesenen Adelsmemoiren - fungierte nicht zuletzt als Legitimation adeliger Lebensstile und Werthorizonte ex post. Die mentale Ankunft des Adels in der Bundesrepublik verdankt sich damit auch einer standesbezogenen Geschichtspolitik, die einen als adelig definierten Tugendkanon mit der Bereitschaft zum aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Verbindung brachte.9 Erst seit kurzem wird nicht bloß die Republikfeindschaft von Adeligen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, sondern die adelige Annäherung an den Nationalsozialismus genauer analysiert. Dabei kommt Adelsorganisationen, insbesondere der „Deutschen Adelsgenossenschaft" (DAG) als wichtigster und mitgliederstärkster Adelsvereinigung, die den protestantischen Kleinadel Nordostdeutschlands organisierte, besonders große Bedeutung zu. Erste Ansätze aus der Zeit des Kaiserreichs aufnehmend, identifizierte sich die Führung der Adelsgenossenschaft nach 1918 immer stärker mit einem auf der Kategorie „Rasse" aufgebauten Elitekonzept, das dem Adel Vorteile in einem nationalsozialistisch dominierten Herrschaftssystem zu versprechen schien. Damit läßt sich die Anziehungskraft des Nationalsozialismus auf große Teile des Adels auch sozialpsychologisch in Abstiegsängsten, Verlusterfahrungen und in der Suche nach Status und Bedeutung in einer modernen Gesellschaft erklären.10 In Endphase der Weimarer Republik. Standespolitik und agrarische Interessen, in: Heinrich A. Winkler (Hg.), Die deutsche Staatskrise 1930-1933. Handlungsspielräume und Alternativen, München 1992, S. 239-256; ders., Orientierungskrise und Zerfall des autoritären Konsenses. Adel und Bürgertum zwischen autoritärem Parlamentarismus, konservativer Revolution und nationalsozialistischem Führeradel 1928-1933, in: Reif, Adel und Bürgertum II, S. 213-233. 9
Vgl. Marion Gräfin DÖNHOFF, Um der Ehre willen. Erinnerungen an die Freunde vom 20. Juli, Berlin 1994; dazu auch: Eckart CONZE, Aufstand des preußischen Adels. Marion Gräfin Dönhoff und das Bild des Widerstands gegen den Nationalsozialismus in der Bundesrepublik Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 51 (2003), S. 483508. Des weiteren u.a. Dedef Graf v. SCHWERIN, „Dann sind's die besten Köpfe, die man henkt". Die junge Generation im deutschen Widerstand, München 1994; Ulrich HEINEMANN, Ein konservativer Rebell. Fritz-Diedof Graf von der Schulenburg und der 20. Juli, Berlin 1990. Zum Geflecht von adeliger Anpassung und Widerstand im Medium der Familiengeschichte s. Eckart CONZE, Von deutschem Adel. Die Grafen von Bernstorff im 20. Jahrhundert, Stuttgart/München 2000; ders., Adel und Adeligkeit im Widerstand des 20. Juli 1944, in: Reif, Adel und Bürgertum II, S. 269-295.
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Wichtige Forschungsansätze von Georg KLEINE, Adelsgenossenschaft und Nationalsozialismus, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 26 (1978), S. 100-143, sind erst jetzt in einer umfassenden Untersuchung von Stephan MALINOWSKI, Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiser-
Einleitung
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diese Richtung weist der Aufsatz von Stephan Malinowski und Sven Reichardt zur Rolle von Adeligen in der SA in diesem Band, während der Beitrag von Uckart Con^e die Ablösung des Adelsbegriffs vom historischen Adel in den Gesellschafts- und Elitevorstellungen der SS behandelt. Neben die Politik und soziopolitische Fragen trat das Forschungsinteresse an der adeligen (Guts-)Wirtschaft. Hier richtete sich der Blick der Historiker auf die ökonomische Basis der „Junker", auf die Gutsherrschaft, die freilich immer Herrschaft über Land und Menschen war, und insofern nie nur wirtschaftliche Aktivität. Auf der Grundlage der Gutsarchive sind nicht zuletzt durch die DDR-Agrargeschichtsschreibung unsere Kenntnisse über adelige Gutswirtschaft und Gutsherrschaft sowie über adeligen Landbesitz in den östlichen preußischen Provinzen erweitert worden. Im Westen und Süden Deutschlands konnte der Adel seinen Grundbesitz insgesamt halten — bei im Durchschnitt eher kleineren, allerdings ertragreicheren Besitzungen. In Preußen vollzog sich das Vordringen der bürgerlichen Rittergutsbesitzer, ehemaligen Domänen- und Rittergutspächtern vor allem, eher auf den kleineren Gütern. Je größer der Besitz, desto wahrscheinlicher blieb dieser bis zum Ende des Kaiserreichs in adeliger Hand. Der Reichtum des landreichen Adels wuchs bis zum Ende des Jahrhunderts eher noch an. Auf der anderen Seite nahm die Zahl der landlosen Adelsfamilien stetig zu. In wirtschaftlicher Hinsicht läßt sich also von einem „Obenbleiben" der besitzenden Adelsfamilien und von einem Abstieg des landarmen Adels sprechen, der sich mühsam in bürgerlichen Berufen zurechtfinden mußte. Damit verlor auch die Segmentierung des deutschen Adels nach Regionen, nach hohem und niedrigem Adel, nach Alter des Adels und nach Konfession am Ende des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Selbstverständliche Statusbehauptung konnte nur noch denjenigen Familien gelingen, die weiterhin über ausgedehnten Grundbesitz verfügten.11
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reich und NS-Staat, Berlin 2003, aufgegriffen worden. Vgl. auch ders., „Führertum" und „Neuer Adel". Die Deutsche Adelsgenossenschaft und der Deutsche Herrenclub in der Weimarer Republik, in: Reif, Adel und Bürgertum II, S. 173-211. Vgl. Hartmut HARNISCH, Die Herrschaft Boitzenburg, Weimar 1968; Ilona BUCHSTEINER, Großgrundbesitz in Pommern 1871-1914. Ökonomische, soziale und politische Transformation der Großgrundbesitzer, Berlin 1993; Heinz REIF (Hg.), Ostelbische Agrargesellschaft im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Agrarkrise, junkerliche Interessenpolitik, Modernisierungsstrategien, Berlin 1994; Klaus HEß, Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich. Landwirtschaftlicher Großbetrieb, Großgrundbesitz und Familienfideikommiß in Preußen (1867/71-1914), Stuttgart 1990; Ulrike HINDERS MANN, Der ritterschaftliche Adel im Königreich Hannover 1814-1866, Hannover 2001; René SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz. Ökonomische und soziale Transformationsprozesse der ländlichen Eliten in Brandenburg im 19. Jahrhundert, Berlin 2003; Axel FLÜGEL, Bürgerliche Rittergüter. Sozialer Wandel und politische Reform in Kursachsen 1680-1844, Göttingen 2000. Speziell zur Rechtsform des Großgrundbesitzes vgl. Jörn ECKERT, Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland. Studien zum Absterben eines Rechtsinstituts, Frankfürt a.M. 1992.
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Welches Selbstverständnis und welche Mentalität lagen adeligem Handeln zugrunde? Welches Bild von sich selbst hatte der Adel, und wie veränderte sich dieses Bild seit etwa 1800? Man muß nicht ein auf gesellschaftliche Strukturen und soziale Prozessen zielendes Erkenntnisinteresse aufgeben, um sich solchen Fragen zuwenden zu können. Im Gegenteil: Wenn man stärker als bisher das Selbstverständnis des Adels und sein von diesem Selbstverständnis geprägtes Handeln als soziale Praxis in den Blick nimmt, wird man besser als bisher die Möglichkeiten und Grenzen eines Gestalt- und Substanzwandels des Adels erfassen können — und damit zu einem nicht unerheblichen Grade eben auch die Möglichkeiten und Grenzen gesamtgesellschaftlicher politischer Entwicklung in Deutschland. Inwiefern bestimmte beispielsweise das Selbstverständnis des Adels sein soziopolitisches Blockade- und Obstruktionspotential? Inwiefern wirkte es sich aus auf die politische Koalitionsbildung des Adels, auf seine politischen Zielsetzungen nicht zuletzt mit Blick auf die Zerstörung der Weimarer Republik und den Aufstieg des Nationalsozialismus? Fragen nach dem adeligen Selbstbild oder nach den Formen und Zielen adeligen Handelns lassen sich freilich nur sehr eingeschränkt an den Adel als soziale Großgruppe stellen. Dazu ist die historisch gewachsene Heterogenität des Adels in Deutschland viel zu groß, auch wenn seit dem 19. Jahrhundert diese Heterogenität zunehmend in einem Spannungsverhältnis zu binnenadeligen Homogenisierungsprozessen stand. Dieses Spannungsverhältnis bedarf noch weiterer Analyse. In jedem Fall ist, wie bereits erwähnt, die Beschäftigung mit dem Adel einzelner Territorien, einzelner Regionen oder einzelner Adelslandschaften unabdingbar. Aber die Forschung darf auf dieser Ebene nicht haltmachen. Fragen nach adeliger Identität, nach adeligem Habitus und adeligem Handeln lassen sich nur präzise beantworten, wenn man auch die adelige Familie beziehungsweise den Familienverband und letztlich das einzelne adelige Individuum in den Blick nimmt. Das verleiht adelshistorischen Untersuchungen, gerade in diesem Kontext, Tiefenschärfe und hat nicht nur illustrierende Funktion. Adelsherrschaft war primär fast immer und fast überall lokale Herrschaft, vom Gut, vom Rittergut her ausgeübte Herrschaft; Adelswirtschaft war Gutswirtschaft; und seine kulturelle Hegemonie demonstrierte und exekutierte der Adel zunächst von seinen Schlössern oder Gutshäusern aus. Diese lokalen und familialen Lebenswelten mit ihrer sozialhistorischen Wirkung prägten dann auch adeliges Verhalten auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.12 Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang eröffnen Impulse der „neuen Kulturgeschichte" auch der Adelsforschung weitere Horizonte. Inszenierungen und Repräsentationen, Habitusformen und kulturelles Kapital bilden traditionelle Hierarchien und Modelle politisch-sozialer Ordnung nicht bloß ab, sondern stellen Gesellschaftsentwürfe dar, in denen sich der politisch-soziale Wandel 12
Als Beispiele vgl. CONZE, V o n deutschem Adel; DORNHEIM, Adel; Hannes STEKL/Marija WAKOUNIG, Windisch-Graetz. Ein Fürstenhaus im 19. und 20. Jahrhundert, Wien 1992.
Einleitung
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manifestiert. Bis weit in die Moderne hinein vereinigte der Adel als „Meister der Sichtbarkeit" (Heinz Reif) politische Macht und kulturelles Kapital. Für das 19. und 20. Jahrhundert scheint dabei die Veränderbarkeit adeliger Habitusformen und adeliger Selbststilisierung von besonderem Interesse. Aus den Kategorien „Anpassung" und „Obenbleiben", die die Geschichtswissenschaft bezogen auf den Adel gerne bemüht, werden in kulturalistischem Zugriff Strategien der Distinktion, die in der Massengesellschaft Wirkung entfalten können. Aus dieser Perspektive bieten einmal mehr die „Junker" einen lohnenden Forschungsgegenstand. Aus dem abschätzig gemeinten Kampfbegriff, mit dem der „Simplicissimus" Potsdamer Gardeoffiziere oder hinterpommersche Rittergutsbesitzer kennzeichnete, wurde im 20. Jahrhundert ein Synonym für preußischen Militarismus einerseits, Schmarotzertum und herrschaftliche Willkür von Großgrundbesitzern andererseits. Am Beispiel des Adels lassen sich — nicht zuletzt auf Grund der vergleichsweise günstigen Quellenlage - die Mechanismen, mit denen aus Eigenschaften von Individuen Stilisierungen gesellschaftlicher Gruppen werden, besonders gut untersuchen.13 Kulturgeschichtliche Ansätze ermöglichen Verbindungen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte. Herrscherinnen oder intellektuelle adelige Frauen, Hofdamen und Salondamen stehen im Mittelpunkt von Untersuchungen, welche die Handlungsspielräume von Frauen über die Verschiedenheit politischer Systeme hinweg erkunden. In den letzten Jahren mehrt sich auch das Interesse an adeligen Frauen in der Politik und im politischen Vereinswesen, vornehmlich an organisierten konservativen Frauen im späten Kaiserreich und in der Zwischenkriegszeit. Hier waren adelige Frauen auf der Führungsebene weit überproportional vertreten, zum Beispiel im Deutsch-Evangelischen Frauenbund, im Katholischen Frauenbund und in den Landwirtschaftlichen Hausfrauenvereinen. Adelige Frauen werden hier als selbstbewußte Akteurinnen in der Politik vorgestellt. Dabei geraten, das demonstriert der Aufsatz von Monika Wienfort, die Ambivalenz des politischen Denkens und Handelns von Frauen und die Abhängigkeit dieses Engagements von konfessionellen Milieus und traditionellen Entwürfen von Weiblichkeit besonders in den Blick.14 Auch „Männlichkeit" - als gesellschaftliche Konstruktion - hat in letzter Zeit in der Geschlechtergeschichte eine wachsende Rolle gespielt. Wie man das adelshisto13
Vgl. Marcus FUNCK/Stephan M A L I N O W S K I , Geschichte von oben. Autobiographien als Quelle einer Sozial- und Kulturgeschichte des deutschen Adels in Kaiserreich und Weimarer Republik, in: Historische Anthropologie 7 (1999), S. 236-270; Heinz REIF, Die Junker, in: Etienne François/Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, Bd. 1, München 2001, S. 520-536.
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Vgl. Christa DIEMEL, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert. Hofdamen, Stiftsdamen, Salondamen 1800-1870, Frankfurt a.M. 1998; Andrea S Ü C H T I N G - H ä N G E R , Das „Gewissen der Nation". Nationales Engagement und politisches Handeln konservativer Frauenorganisationen 1900 bis 1937, Düsseldorf 2002; Raffael SCHECK, Mothers of the Nation. Right-Wing Women in Weimar Germany, Oxford 2004.
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lisch nutzbar machen kann, zeigt der Beitrag von Marcus Funck. Dabei stellt sich die Frage, welche Konsequenzen spezifisch adelige Konzepte von Männlichkeit für das Handeln in Politik, Militär und Familie, aber auch für die Selbst- und Fremdwahrnehmung gehabt haben. Der Zusammenhang von Männlichkeitsentwürfen und militärisch geprägten Sozialtypen scheint für eine mentalitätsgeschichtliche Debatte zur individuellen und kollektiven Bereitschaft zum Krieg bedeutungsvoll. Die These einer zunehmenden Militarisierung der deutschen Gesellschaft vom späten Kaiserreich bis in den Nationalsozialismus läßt sich am und im Adel — als dem traditionellen Kern des Militärs — besonders gut überprüfen.15 Für das 20. Jahrhundert — und insbesondere auch die Zeit nach 1945 — stellt sich für die historische Adelsforschung die Relevanzfrage noch einmal verschärft. Was kann die Erforschung des Adels zum Verständnis der modernen Massengesellschaft überhaupt beitragen? Sollte man die Berichterstattung über adeliges Leben und Leiden nicht besser der yellow press überlassen? Kulturalistisch inspiriert, interessiert sich die Geschichtswissenschaft in jüngster Zeit verstärkt für Rituale und Symbole, für Inszenierungen, auch für mediale Inszenierungen. Fürstliche Hochzeiten können als Medienereignisse ersten Ranges gelten, deren Analyse durch historische Perspektiven an Überzeugungskraft gewinnen kann. Die Adelsforschung für das 20. Jahrhundert thematisiert ihre adeligen Protagonisten nicht mehr ausschließlich als politische Entscheidungsträger. Statt dessen stellt sie andere soziale Räume, lokale Handlungszusammenhänge, familiale Strategien und die individuelle Verarbeitung von Erfahrungen in den Mittelpunkt. Dafür steht vergleichsweise reichhaltiges Quellenmaterial zur Verfügung. Besonders die Selbstzeugnisse — Tagebücher, Briefe und Memoiren vor allem - , die der Geschichtswissenschaft für viele Bevölkerungsgruppen so sehr fehlen, liegen für den Adel in großer Fülle vor. Aus diesen Dokumenten läßt sich die Janusköpfigkeit von adeligen Existenzen herauslesen, das Spannungsverhältnis zwischen dem Anpassungsdruck an bürgerliche oder zivilgesellschaftliche Normen einerseits und dem Anspruch auf Exklusivität andererseits. Nicht zuletzt die Perspektive kollektiver Biographien ermöglicht Aussagen zur Gewichtung einzelner Faktoren für den Erfolg adeliger Verhaltensweisen und Verhaltensstrategien. Entschieden letztlich ökonomische Faktoren oder gelang es adeligen Teilgruppen, sich durch ein exklusives Sozialprestige Geltung zu verschaffen beziehungsweise zu bewahren? Doch nicht bloß für die deutsche Geschichtswissenschaft und die deutsche Geschichte stellt der Adel ein zentrales Thema dar. Aufgrund seiner übernationalen und überstaatlichen Strukturen und Traditionen eignet er sich auch besonders für die Etablierung europäischer Perspektiven auf die Moderne. Der Adel als europäisches Phänomen ist in den letzten Jahren deutlicher ins Be-
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Vgl· Marcus FUNCK, Schock und Chance. Der preußische Militäradel in der Weimarer Republik zwischen Stand und Profession, in: Reif, Adel und Bürgertum II, S. 127-171.
Einleitung
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wußtsein von Wissenschaft und Öffentlichkeit gedrungen als vorher. Seine Erklärung findet das nicht 2uletzt in dem wachsenden Interesse an den Grundbeständen und Grundstrukturen europäischer Geschichte jenseits der nationalen Eigenwege und damit letztlich in dem Bemühen um eine Definition „Europas". Insbesondere Forschungen zum Mittelalter und zur Frühen Neuzeit haben herausgearbeitet, in welchem Maße das Gesicht Europas bis heute von der jahrhundertelangen Herrschaft des Adels geprägt ist und wie sehr die Wirkungen dieser Adelsgeschichte (vor allem auch im Sinne kultureller Hegemonie) zum gesamteuropäischen Erbe gehören. Für das 19. und 20. Jahrhundert markiert das Spannungsverhältnis zwischen europäischem Erbe und Prozessen der Nationalisierung ein nicht nur, aber auch adelsgeschichtlich relevantes Forschungsterrain. Hier liegen Ansätze für eine nationale Entgrenzung von Adelsgeschichte und für transnationale Adelsstudien vor allem auch vergleichenden Zuschnitts, die dem Adel - nicht nur dem Hochadel - als europäischer Erscheinung gerecht werden. Die Beiträge dieses Bandes zur Adelsgeschichte Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, der Niederlande und Polens sind als Ausgangspunkte für solche vergleichenden Studien im europäischen Kontext zu verstehen. Dabei wird eine Geschichte des Adels in Deutschland im 20. Jahrhundert einerseits von den Anregungen der ost- und ostmitteleuropäischen Adelsgeschichtsschreibung profitieren können, wie sie hier in dem Beitrag von Michael Müller vertreten ist, in der ebenfalls die Brüche in der ersten Jahrhunderthälfte die Kontinuitäten überwiegen. Andererseits ist eine verstärkte Rezeption der westeuropäischen Adelshistoriographie dringend geboten. Denn auch für Großbritannien, Frankreich, Italien oder die Niederlande geht es im Kern um die Frage des „Obenbleibens" adeliger Familien, um Dimensionen und Wege dieses „Obenbleibens".16 Das Habituskonzept Pierre Bourdieus und seine Unterscheidung von ökonomischem, sozialem und kulturell-symbolischem Kapital, die im übrigen an Überlegungen Joseph Schumpeters zum Kapitalbegriff anschließt, stellen einen begrifflich-theoretischen Rahmen dar, mit dessen Hilfe die Grundlagen adeliger
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Vgl. u.a. WEHLER, Europäischer Adel; Dominic LIEVEN, Abschied von Macht und Würden. Der europäische Adel 1815-1914, Frankfurt a.M. 1995; Peter MANDLER, The Fall and Rise of the Stately Home, New Haven/London 1997; David CANNADINE, The Decline and Fall of the British Aristocracy, New Haven 1990; Madeline BEARD, English Landed Society in the Twentieth Century, London 1989; Anthony L. CARDOZA, Aristocrats in Bourgeois Italy. The Piedmontese Nobility 1861-1930, Cambridge 1997; Thomas KROLL, Die Revolte des Patriziats. Der toskanische Adelsliberalismus im Risorgimento, Tübingen 1999; Jaap DRONKERS, Has the Dutch Nobility Retained Its Social Relevance during the 20 th Century?, in: European Sociological Review 19 (2003), S. 81-96; Claude Isabelle BRELOT, La noblesse réinventée. Nobles de Franche Comté de 1814 à 1870, 2 Bde., Besancon 1992; Natalie PETITEAU, Elites et mobilité. La noblesse d'Empire au XIXe siècle (1804-1914), Paris 1997; David HLGGS, Nobles in Nineteenth-Century France. The Practice of Inegalitarianism, Baltimore 1987.
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Rollenentwürfe in der Moderne differenziert betrachtet werden können.17 Wie kaum eine andere gesellschaftliche Gruppe ist der Adel geeignet, Mechanismen von sozialer Inklusion und Exklusion, von Selbst- und Fremdpositionierung im sozialen Raum sowie von Produktion und Reproduktion von Kapital beziehungsweise von Verrechnung und Tausch unterschiedlicher Kapitalsorten am konkreten historischen Beispiel zu studieren. Das verweist im übrigen auch darauf, wie problematisch eine allzu rigide Kleinteilung von Adelsgeschichte in politische, soziale und kulturelle Adelsgeschichte ist. In der Realität - und damit auch in der Analyse — beeinflussen sich diese Ebenen vielmehr wechselseitig, und gerade diese Interdependenz und diese Wechselbezüge bedürfen noch intensiverer Zuwendung. So ließ sich das Ansehen einer traditionellen Elite als soziales Kapital nutzbar machen. Die Einsatzmöglichkeiten für dieses Kapital aber, das erscheint besonders wichtig, unterschieden sich im europäischen Vergleich deutlich voneinander. Der britische Adel beanspruchte, wie Peter Mandler zeigt, im 20. Jahrhundert als Besitzer von Schlössern und Landhäusern für sich eine Rolle als Hüter des nationalen Erbes. Im Frankreich des 19. Jahrhunderts läßt sich das Zusammenwachsen des alten Adels mit einer Elite aus nobilitierten Bürgern beobachten (Isabelle Β reloi). Jaap Dronkers' und Huibert Scbijfs soziologische Analyse des niederländischen Adels macht deutlich, daß hier Elitepositionen in der Generationenfolge bis heute nicht individuell, sondern als Form der Vergesellschaftung, beispielsweise durch die Mitgliedschaft in einem Ritterorden, weitergegeben werden. Diese Beispiele zeigen im übrigen, in welchem Maße die historische Adelsforschung insgesamt theoretisch und methodisch von einer stärkeren europäischen Vernetzung profitieren könnte, wie sie dieser Band und die im zugrunde liegende Tagung nur in Ansätzen realisieren konnten. Adelsforschung steht seit langem in engem Zusammenhang mit der Erforschung von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Eliten, und eine Ursache des verstärkten Interesses der deutschen Geschichtswissenschaft am Adel und seiner Geschichte ist die im Zuge des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland seit 1989/90 wieder neu gestellte Frage nach der Rekrutierung, der Zusammensetzung und den Handlungsbedingungen von Eliten. Adelsgeschichte ist in diesem Sinne Elitengeschichte. Unter ganz unterschiedlichen, langfristig jedoch immer ungünstiger werdenden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sah sich der Adel spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts 17
Zum Kapitalbegriff Schumpeters s. insbesondere Joseph SCHUMPETER, Die sozialen Klassen im ethnisch homogenen Milieu, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 57 (1927), S. 1-67. Zu Bourdieus Kapitalbegriff und zu seinem Konzept der Kapitalsorten s. Pierre BOURDIEU, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheit, Göttingen 1983, S. 183-198. Für eine gegenwartsbezogene Anwendung der Kapitaltheorie Bourdieus auf den französischen Adel vgl. Monique DE SAINT MARTIN, Der Adel. Soziologie eines Standes, Konstanz 2003 (frz.: L'Espace de la Noblesse, Paris 1993).
Einleitung
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mit der Herausforderung konfrontiert, immer wieder neue Strategien des Statuserhalts zu entwickeln beziehungsweise alten, eingeübten Strategien des „Obenbleibens" zu neuer, größerer Wirksamkeit zu verhelfen. Die Charakteristika, die Ziele und Methoden des adeligen Abwehrkampfs gegen den Niedergang müssen für das 19., vor allem aber für das 20. Jahrhundert noch klarer herausgearbeitet werden, wobei das Spektrum der Handlungsweisen von adeligbürgerlichen Bestrebungen gemeinsamer Elitenbildung oder Elitenfusion bis hin zu adeligen Abschottungsversuchen, geleitet von einem auch kulturell bestimmten Exklusivitätsimperativ, reichte. Auch hier wird man, wie es Josef Matzerath in diesem Band tut, symbolischem Handeln, repräsentativem Verhalten und der Konstruktion von Adel und Adeligkeit noch mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Das ist nicht nur für sich genommen wichtig, sondern die Analyse des adeligen Verhaltens erlaubt auch Rückschlüsse auf die Eigenart des politischen und gesellschaftlichen Wandels in den letzten beiden Jahrhunderten, auf die Natur der politischen Systeme, auf die Veränderung der Sozialformation und, daraus sich ergebend, auf die Frage nach Kontinuität, Transformation und Wandel gesellschaftlicher Eliten. Für die deutsche Gesellschaftsgeschichte scheint dabei im Vergleich mit Westeuropa, vor allem mit Großbritannien und Frankreich, aber auch, wie der Beitrag von Thomas Kroll zeigt, mit Italien, charakteristisch, daß die Grenzen zwischen Adel und gehobenem Bürgertum im 19. Jahrhundert überaus starr blieben.18 Als zentraler Gegenstand einer Adelsforschung als Elitenforschung kann die Nobilitierungspraxis gelten. Heinz Reif hat jüngst festgestellt, daß es in Deutschland „nicht zu einer einheitlichen, auf neue Elitenbildung gerichteten Nobilitierungsstrategie" gekommen sei.19 Darüber hinaus verweigerte der Adel auch und gerade im Konnubium ein Zusammengehen mit den bürgerlichen Eliten. Ein zweiter Schwerpunkt einer Adelsforschung unter dem Gesichtspunkt der Elitenbildung liegt zweifellos in der Beschäftigung mit den vielfältigen Adelsreformprojekten, die im 19. und 20. Jahrhundert darauf zielten, die gesellschaftliche Rolle des Adels zu befestigen. Solche Reformprojekte gingen in der Regel von der Akzeptanz des politischen Herrschaftssystems aus, wenn nicht gar von dem erklärten Willen seiner Stabilisierung, und beschäftigten sich besonders mit einer zeitgemäßen Definition des Adels, der einerseits eine bedeutsame soziopolitische Rolle beanspruchte, sich andererseits aber mit den jeweiligen politischen Herrschaftsverhältnissen arrangieren mußte, um die Aussicht auf eine politische Umsetzung solcher Vorhaben nicht zu verlieren. In Anlehnung an das von der deutschen Bürgertumsforschung entwickelte Konzept der „Bürgerlichkeit" läßt sich mit Hilfe des Begriffs „Adeligkeit" nach
18
Für einen vergleichenden deutsch-britischen Blick auf Adelsgeschichte als Elitengeschichte siehe Franz BOSBACH u.a. (Hg.), Geburt oder Leistung? Elitenbildung im deutschbritischen Vergleich, München 2003.
19
REIF, Adel im 19. und 20. Jahrhundert, S. 34.
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spezifischen Handlungs- und Verhaltensmustern fragen, nach einem Habitus, der dem Adel Distinktion gegenüber anderen sozialen Gruppen ermöglichte. Das untersucht, aus sprachwissenschaftlicher Sicht, der Beitrag von Angelika Unke. Im Spiegel adeliger Selbstzeugnisse erscheint „Adeligkeit" als Konstruktion spezifischer Lebensentwürfe und Wertvorstellungen.20 Topoi im Kontext von Familie und Geschlecht, Tradition oder Geschichte schufen Homogenität, Schauplätze wie das Gut oder die Jagd, der Hofball oder das Herrenhaus wurden als Orte einer besonderen Berufung stilisiert. Das Konzept „Adeligkeit" fragt dabei nach den Modalitäten des Zusammengehörigkeitsgefühls einer Sozialformation, die sich stets als zahlenmäßig kleine, exklusive Gruppe innerhalb der gesamten nationalen Gesellschaft verstehen mußte. Adelsspezifische Stilisierungen lassen sich anhand von Schlüsselbegriffen wie Ehre, Haltung, Dienst, Pflicht, Opfer, Härte, Ritterlichkeit oder Anstand herausarbeiten. Es kann in diesem Zusammenhang allerdings nicht darum gehen, die Spanne zwischen Anspruch und Realität in bezug auf das Vorhandensein solcher Tugenden und Eigenschaften auszumessen. Adelstopoi sind vielmehr als sprachliche Stilisierungen zu verstehen, in denen sich die Gruppe diskursiv konstituierte und permanent rekonstituierte. Dabei scheint von besonderem Interesse, inwieweit es adeligen Protagonisten oder nichtadeligen Adelsbefürwortern gelang, dem Adel bestimmte Eigenschaften als exklusive Merkmale zuzuschreiben. Das Konzept der „Adeligkeit" hat Möglichkeiten geschaffen, die Entwicklung des Adels — ob man sie nun als Niedergang, als Erosion, als Auflösung oder als Gestaltwandel fassen will — präziser zu verfolgen und zu beschreiben. Und gewährt nicht ein Blick auf den Adel nach 1945 auch Einsichten in die Sozialkultur der Bundesrepublik? An der permanenten Produktion und Reproduktion von Adel wirkt nicht allein der Adel mit. Nicht nur der Adel glaubt an die Existenz von Adel. An der Konstruktion von Adel ist die ihn umgebende Gesellschaft entscheidend beteiligt. Und wenn man sich für diese Prozesse und Mechanismen interessiert, wird man auch das Jahr 1945 nicht als Endpunkt von Adelsgeschichte betrachten dürfen. Die Dekonstruktion der großen Geschichtserzählungen macht die Frage nach kollektiven Verarbeitungsmustern historischer Ereignisse und damit auch
20
Zum Thema „Bürgerlichkeit" als kulturelle Praxis s. insbesondere Wolfgang KASCHUBA, Deutsche Bürgerlichkeit nach 1800. Kultur als symbolische Praxis, in: Jürgen Kocka (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert, 3 Bde., Göttingen 1995, Bd. 2, S. 92-127, hier S. 9295 und 98-103; ferner auch Klaus TENFELDE, Stadt und Bürgertum im 20. Jahrhundert, in: ders./Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Wege zur Geschichte des Bürgertums, Göttingen 1994, S. 317-353. Zum Begriff der „Adeligkeit" vgl. u.a. MALINOWSKI, Vom König zum Führer, S. 40-42. Kritisch zu Konzept und Begriff der „Adeligkeit": Silke MARBURG/Josef MATZERATH, Vom Stand zur Erinnerungsgruppe. Zur Adelsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, in: diess., Schritt in die Moderne, S. 5-15.
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die Frage nach Kontinuität und Wandel keineswegs überflüssig.21 Die Kategorie der Erfahrung, die in der jüngeren geschichtswissenschaftlichen Diskussion deutlich in den Vordergrund tritt, entzieht sich eindeutiger Definition. In unserem Zusammenhang wird es weniger um einen geschichtstheoretischen Erfahrungsbegriff gehen, der das empirische Wissen im Gegensatz zu spekulativer Erkenntnis meint. Eher handelt es sich um Erfahrung als Kategorie einer Alltags- und Kulturgeschichte, die das subjektive Erleben historischer Akteure und seine Wirkungen und Folgen in den Mittelpunkt stellt. Reinhart Koselleck hat Erfahrung als „gegenwärtige Vergangenheit, deren Ereignisse einverleibt worden sind und erinnert werden können", definiert.22 Er sieht in der Änderung des Verhältnisses von Erfahrung und Erwartung, in der Vergrößerung des Abstands zwischen beiden, eine primäre Ursache für die Wahrnehmung einer „neuen Zeit" als Neuzeit. Hier scheint dabei vornehmlich der Hinweis auf die Zeitlichkeit von Erfahrung bedeutungsvoll. Erfahrung als „gegenwärtige Vergangenheit" entsteht zwar aus der Vergangenheit, bildet selber aber Gegenwärtiges ab. Entsprechend können sich Erfahrungen mit dem zeitlichen Abstand vom Ereignis verändern. Im Prozeß der Historisierung werden Erfahrungen kontinuierlich mit neuen Funktionen für die Erinnerung versehen.23 Auch adelshistorisch ließe sich der Zusammenhang von Erwartung und Erfahrung gut korrelieren und konkretisieren: Kann man nicht die Verlusterfahrung, die der Erste Weltkrieg mit seinen Folgen für den Adel bedeutete, erst dann richtig einschätzen, wenn man Klarheit hat über die Erwartungen, die der Adel mit dem Großen Krieg verband? Kann man nicht adelshistorisch den 20. Juli 1944, um ein weiteres Beispiel zu nennen, mit einem Schema Erwartung — Erfahrung (im Hinblick auf den Nationalsozialismus) noch präziser fassen als bisher? Und liefern nicht Erwartung und Erfahrung auch einen weiterführenden Schlüssel, um die „Einhausung" (Thomas Nipperdey) des Adels in der Bundesrepublik Deutschland der Ära Adenauer zu erklären? Zwar vollzieht sich die Rezeption historischer Ereignisse stets individuell. Erfahrungsgeschichte in wissenssoziologischer Absicht geht aber davon aus, daß es überindividuelle Verarbeitungsweisen von Ereignissen oder Ereignisket21
Vgl. Reinhart KOSELLECK, Erinnerungsschleusen und Erfahrungsschichten. Der Einfluß der beiden Weltkriege auf das soziale Bewußtsein, in: ders., Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt a.M. 2000, S. 265-284, hier S. 271 (bezogen auf die beiden Weltkriege): „Diese Kriegsereignisse haben gemeinsame Strukturen, die ähnliche Erfahrungen initiiert haben. A u f diese Weise konnten sie Gemeinsamkeiten im Bewußtsein stiften." Vgl. auch Paul MÜNCH, Erfahrung als Kategorie der Frühneuzeitgeschichte, München 2001; Joan Wallach SCOTT, The Evidence of Experience, Ann Arbor 1996.
22
Reinhart KOSELLECK, „Erfahrungsraum" und „Erwartungshorizont". Zwei historische Kategorien, in: ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1979, S. 349-375, hier S. 354.
23
Vgl. Friedrich JÄGER, Erfahrung, in: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, hg. v. Stefan Jordan, Stuttgart 2002, S. 74-77; KOSELLECK, „Erfahrungsraum" und „Erwartungshorizont"; ders., Erinnerungsschleusen.
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ten gibt, Gemeinsamkeiten individuellen Erlebens, die sich als kollektive Mentalität deuten lassen. Individuelle Erfahrungen können in den Gemeinsamkeiten von Sprache, Weltanschauung, Staatsangehörigkeit, Nationalität und Ethnizität, Generation, Geschlecht oder Klasse zusammengefugt werden. Im Anschluß an die Überlegungen von Maurice Halbwachs zu den sprachlichen Strukturen der Erinnerung läßt sich auch für den Adel von einem milieubedingten Reservoir von Worten und Vorstellungen ausgehen, mit dem Identität behauptet und Erinnerung konserviert wurde und noch wird. „Produktion, Reproduktion und Veränderung sozialer Wissensbestände" konstituieren mithin einen Erfahrungsbegriff, dem es um die Historizität der Deutung von Wirklichkeit geht.24 Der gemeinsame Erfahrungsraum des Adels als politisch, wirtschaftlich und kulturell definiertem Herrschaftsstand ging in der Moderne sukzessive verloren, Gemeinsamkeiten mit anderen sozialen Gruppen nahmen tendenziell zu. Das gilt ganz besonders für die Phasen beschleunigten gesellschaftlichen Wandels. Müßten daher denn nicht gerade für den Adel die politischen Umbrüche und Zäsuren des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die Kernphasen soziopolitischen Wandels noch einmal erfahrungsgeschichtlich in den Blick genommen werden? Das richtet sich nicht nur — in auf das Individuum gewandter Perspektive — auf die Spannung zwischen lebensgeschichtlicher Rhythmik und politikhistorischer Chronologie, sondern auch auf die Verarbeitungsformen politischer und gesellschaftlicher Erfahrungen und deren Rückwirkungen. In unserem Zusammenhang sind hier zunächst die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zu nennen, als die Ordnungsprinzipien der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft sich in grundstürzender Weise aufzulösen begannen. Ewald Frie verfolgt das am Beispiel der Brüder Alexander und Ludwig v. d. Marwitz. Und wie sind in diesem Kontext beispielsweise die Revolutionen von 1848 und 1918 zu bewerten, wie die Nationalstaatsbildung, die nationalsozialistische Machtübernahme, und wie der Zweite Weltkrieg mit seiner Totalität von Niederlage und Zusammenbruch und mit seinen Folgen in Gestalt von Besatzungsherrschaft, Flucht und Vertreibung? Auf die Bedeutung des Ersten Weltkriegs und seiner Folgen als eine für den Adel in Deutschland besonders gravierenden Erfahrung historischer Diskontinuität verweisen an zwei unterschiedlichen Beispielen, den süddeut24
Klaus LATZEL, Vom Kriegserlebnis zur Kriegserfahrung. Theoretische und methodische Überlegungen zur erfahrungsgeschichtlichen Untersuchung von Feldpostbriefen, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 56 (1997), S. 1-30, hier S. 16. Vgl. allgemeiner Maurice HALBWACHS, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Frankfurt a.M. 1985, sowie Jan ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1999, S. 29-48. Weitere wichtige Hinweise zu erfahrungsgeschichtlichen Ansätzen und Konkretisierungen derselben, wenn auch nicht in adelshistorischer Perspektive, u.a. bei Anne LIPP, Meinungslenkung im Krieg. Kriegserfahrungen deutscher Soldaten und ihre Deutung 1914-1918, Göttingen 2003, S. 18-21, und bei Nikolaus BUSCHMANN/Horst CARL (Hg.), Die Erfahrung des Krieges. Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg, Paderborn 2001.
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sehen Standesherren und dem preußischen Militäradel, die Beiträge von Karina Urbach und Wencke Meteling. In welchem, sich wandelnden Verhältnis standen Verlust- und Abstiegserfahrungen einerseits und Erfahrungen erfolgreicher Stabilisierung und Selbstbehauptung andererseits? Hatten solche Erfahrungen innerhalb des Adels solidarisierende oder homogenisierende Wirkung oder förderten sie - im Gegenteil - die Fragmentierung des Adels und sein Aufgehen erst in der bürgerlichen Gesellschaft, später in der modernen Massengesellschaft? Oder war beides gleichzeitig der Fall? Zu fragen wäre auch danach, ob und inwiefern solche Erfahrungen die Beziehungen des Adels zu anderen gesellschaftlichen Gruppen und insbesondere zum Bürgertum beeinflußten. Waren Niedergangserfahrungen und der wachsende Druck auf den Adel Katalysatoren adelig-bürgerlicher Annäherung (beispielsweise in Gestalt von Elitenbildungsprojekten) oder führten sie zu verstärkten Abgrenzungsbemühungen und trotzigem Rückzug auf sich selbst? So richtet sich das Interesse dieses Bandes nicht nur auf den Adel selbst. Es richtet sich in unterschiedlichen Annäherungen auf den Ort des Adels innerhalb der ihn umgebenden Gesellschaft, aber darüber hinaus durch den analytischen Blick auf den Adel auch auf die Gesellschaft insgesamt in ihrem historischen Wandel. Besonders wichtig ist dabei die Beziehung zwischen Individuum und kleiner gesellschaftlicher Einheit (Familie, Gut, Dorf) einerseits und Gesamtgesellschaft andererseits. Diese Beziehung, ja Dialektik zu untersuchen, erfordert und ermöglicht eine kulturhistorisch sensible politische Sozialgeschichte. Denn die Erforschung dieser Dialektik ist nicht zu leisten, ohne subjektive Dimensionen wie Wahrnehmung und Erfahrung einzubeziehen und ohne das Denken, vor allem aber das Handeln konkreter Menschen zu berücksichtigen. So wirkt der Adel auch als Sonde für die Untersuchung einer Gesellschaft, ihrer Funktionsbedingungen und ihres Wandels, ohne rein strukturgeschichtlich den einzelnen Menschen auszublenden. Möglich wird dadurch die Analyse von Modernisierungsprozessen und von Reaktionen auf solche. Gerade für das 19. und 20. Jahrhundert mit seinen engen und komplexen Zusammenhängen von Fortschritt und Krise, von Modernismus und Antimodernismus ist das von Belang. Das demonstrieren die Beiträge dieses Bandes, die so in ihrer Gesamtheit unterstreichen, daß Adelsgeschichte alles andere ist als ein nur randständig-exotisches Thema. Denn dafür war die Bedeutung des Adels — politisch, gesellschaftlich und kulturell, in Deutschland und Europa, im 19. und 20. Jahrhundert — viel zu groß. Dieser Band geht zurück auf eine Tagung, die im März 2002 am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld stattgefunden hat. Dem ZiF ist nicht nur für die Organisation und Finanzierung dieser Tagung zu danken, sondern auch für ein Konferenzambiente, das den wissenschaftlichen Austausch stimulierte und ihn ertragreich werden ließ. Zu danken ist selbstverständlich allen Kolleginnen und Kollegen, die die Tagung in Bielefeld durch ihre Beiträge bereicherten und diese für die Publikation in diesem
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Band überarbeiteten. Auch den Kommentatoren und Moderatoren der Tagung, Elisabeth Fehrenbach, Martina Kessel, Christof Dipper, Heinz-Gerhard Haupt und Heinz Reif, sei noch einmal freundlich gedankt. Ohne einen großzügigen Druckkostenzuschuß wäre die Veröffentlichung der Tagungsergebnisse nicht möglich gewesen. Der Gerda-Henkel-Stiftung ist für diesen Zuschuß sehr zu danken. Dank gebührt des weiteren Dorothee Rheker-Wunsch vom BöhlauVerlag in Köln für die Aufnahme des Bandes in das Verlagsprogramm und die Kooperation in der Phase der Drucklegung. Für seine Mitarbeit bei der Redaktion der Beiträge ist schließlich Marcus Funck herzlich zu danken, für seine Hilfe bei der Vorbereitung der Drucklegung Jan Ole Wiechmann. Die Verantwortung für alle Mängel und Fehler liegt selbstverständlich allein bei den Herausgebern.
THOMAS KROLL
Dynastische Adelspolitik und gesellschaftlicher Wandel im Italien des Risorgimento Der toskanische Adel in der bürokratischen Monarchie 1800-1860
1. Einleitung Die gesellschaftliche Stellung des Adels wurde in Italien bereits in den politischen Debatten des Risorgimento immer wieder kritisch hinterfragt, und auch die Adeligen selbst diskutierten seit Beginn des 19. Jahrhunderts intensiv über den Wandel und das Schicksal ihres Standes in der modernen Gesellschaft.1 Als etwa der piemontesische Marchese Carlo Botta im Jahr 1832 dafür plädierte, dem Adel weiterhin eine rechtliche Sonderstellung einzuräumen, reagierte sein toskanischer Standesgenosse Gino Capponi darauf mit Unverständnis und kommentierte in scharfem Tonfall: „Er [Botta] ist davon überzeugt, daß es in der Welt noch immer einen Adel gibt, und daß man diesem in den Staatsverfassungen als solchem Rechnung tragen muß [...] und er versteht unter wahrem Adel nicht jene wandelbare Aristokratie, die sich im Laufe der Zeit erneuert und in Revolutionsepochen unabhängig von ihren Reichtümern vollkommen neue Gestalt annimmt."2 Mit dieser Einschätzung faßte der Florentiner Patrizier und Marchese Capponi treffend das Selbstverständnis seines Standes in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zusammen.3 Im Gegensatz zur piemontesischen Aristokratie, die sich durch Nähe zur savoyischen Dynastie und militärisches Dienstethos auszeichnete,4 war der toskanische Adel davon geprägt, daß er aus den Handel treibenden Patriziaten der mittelalterlichen Stadtrepubliken hervorgegangen war und erst seit dem 16. Jahrhundert umfangVgl. etwa den liberalen Marchese Massimo D'AZEGLIO, Dei nobili in Italia e delle opinioni italiane, in: ders., Scritti e discorsi politici, Florenz 1931, S. 191-212 oder den Demokraten Giuseppe FERRARI, De l'aristocratie italienne, in: Revue des deux mondes 16 (1846), S. 580-616. Zur Diskussion über den Adel im italienischen Königreich vgl. Gian Carlo JOCTEAU, Nobili e nobiltà nell'Italia unita, Bari 1997, S. 101-143. Vgl. Elsa FUNARO, I viaggi del giovane Capponi: itinerari verso il mondo moderno, in: Paolo Bagnoli (Hg.), Gino Capponi. Storia e progresso nell'Italia dell'Ottocento, Florenz 1994, S. 75-110, hier: S. 103. Vgl. dazu auch Gino CAPPONI, Storia della Repubblica di Firenze, La Spezia 1990 [1876]. Vgl. Walter BARBERIS, Continuité aristocratique et tradition militaire du Piémont de la dynastie de Savoie XVIe-XIXe siècles, in: Revue d'Histoire Moderne et Contemporaine 24 (1987), S. 353-403.
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reichen Grundbesitz erworben hatte. Über Privilegien ,feudalen' Zuschnitts verfugte das toskanische Patriziat niemals. Dennoch stellte es eine bevorrechtigte Elite dar, weil der Adel dank der kommunalen Verfassungsordnungen auch im Fürstentum der Medici die Regierungen der toskanischen Städte kontrollierte. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts, als die Toskana als Sekundogenitur an die Habsburger fiel, büßte der Adel die meisten seiner lokalen Privilegien und patrizischen Herrschaftsrechte ein. Weiter geschwächt wurde die Stellung des Patriziats durch das absolutistische Reformwerk des aufgeklärten Großherzogs Leopold I., der von 1765 bis 1790 eine Reihe von adelsfeindlichen Reformen durchführte.5 Diese Entwicklung kam zum Abschluß, als die Toskana in das französische Empire eingegliedert wurde (1808-1814) und das napoleonische Zivil- und Verwaltungsrecht die letzten Privilegien des Patriziats beseitigte.6 So stellte der toskanische Adel zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine großgrundbesitzende Elite dar, deren Mitglieder zwar über hohes Prestige und einen Adelstitel verfügten, rechtlich aber den übrigen Staatsbürgern gleichgestellt waren. Auch in den folgenden Jahrzehnten war der Adel in der Toskana, wie jener der anderen Regionen Italiens, einem weitreichenden Prozeß des Wandels ausgesetzt.7 Die Frage, welche Ursachen dafür auszumachen sind und zu welchen Ergebnissen diese Veränderungen auf lange Sicht führten, steht seit einigen Jahren im Zentrum der Adelsforschung.8 Bezieht man die historischen Studien zu den Adelsgruppen weiterer italienischer Regionen ein, lassen sich drei Forschungsrichtungen skizzieren, welche die Entwicklung des Adels jeweils sehr unterschiedlich bewerten. So vertritt Arno J. Mayer in einem mittlerweile .klassischen' Werk die These, der Adel sei in Italien bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die dominierende Kraft einer im Kern noch feudalistisch geprägten Vgl. Danilo MARRARA, Nobiltà civica e patriziato nella Toscana lorenese del Settecento, in: Clementina Rotondo (Hg.), I Lorena in Toscana, Florenz 1989, S. 45-54; Raymond Burr LITCHFIELD, Emergence of a Bureaucracy. The Florentine Patricians 1530-1790, Princeton 1986; Jean BOUTIER, Construction et anatomie d'une noblesse urbaine. Florence a l'époque moderne (XVIe-XVIIIe siècles), Paris: Thèse EHESS 1988. Vgl. Jean-Pierre FILIPPINI, Ralliement et opposition des notables toscans et l'Empire française, in: Annuario dell'Istituto Storico Italiano per l'Età Moderna e Contemporanea 13/14 (1971-1972), S. 331-354. Zum Adel von Lucca vgl. Pier Giorgio CAMAIANI, Il patriziato lucchese nell'età napoleonica, in: Il Principato napoleonico dei Bacciochi (18051814), Lucca 1986, S. 159-178. Vgl. dazu die komparative Studie von Luigi ROSSI, I ceti nobiliari europei nell'800, Neapel 1998, S. 125-180. Zur Toskana vgl. Pier Giorgio CAMAIANI, Dallo stato cittadino alla città bianca. La „Società cristiana" lucchese e la rivoluzione toscana, Florenz 1978; Carlo PAZZAGLI, Nobiltà civile e sangue blu. Il patriziato volterrano alla fine dell'età moderna, Florenz 1996; Andrea MORONI, Antica gente e subiti guadagni. Patrimoni aristocratici fiorentino nell'800, Florenz 1997; Thomas KROLL, Die Revolte des Patriziats. Der toskanische Adelsliberalismus im Risorgimento, Tübingen 1999.
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G e s e l l s c h a f t geblieben. 9 O b w o h l Mayers Studie der A d e l s f o r s c h u n g in Italien entscheidende I m p u l s e g e g e b e n hat, wurde seine T h e s e mit großen Vorbehalten a u f g e n o m m e n . 1 0 D i e s hängt v o r allem damit z u s a m m e n , daß v o n einer zweiten, wirtschaftsgeschichtlich orientierten F o r s c h u n g s r i c h t u n g a n g e n o m m e n wird, der A d e l sei n a c h einer „ V e r b ü r g e r l i c h u n g " der toskanischen G r u n d b e sitzverhältnisse in der napoleonischen Zeit in einer Schicht v o n N o t a b e i n aufgegangen. 1 1 I m Verlauf dieses ö k o n o m i s c h e n und sozialen V e r s c h m e l z u n g s p r o z e s s e s habe der A d e l z u n e h m e n d die K o n t u r e n einer eigenständigen Schicht verloren und habe sich z u einer „nobiltà b o r g h e s e " entwickelt. 1 2 E i n e Variante dieser T h e s e wird auch v o n R o m a n o P a o l o C o p p i n i vertreten, der aufgrund v o n U n t e r s u c h u n g e n des V e r m ö g e n s und des Investitionsverhaltens einiger Florentiner Adelsfamilien wie d e n Corsini oder Guicciardini z u d e m E r g e b n i s g e k o m m e n ist, daß sich das Florentiner Patriziat in d e n J a h r e n nach der italienischen Nationalstaatsbildung mit d e n reichsten bürgerlichen Bankiersfamilien der T o s k a n a zu einer „ g r u n d b e s i t z e n d e n Finanz-Aristokratie" amalgamiert habe. 1 3 A m weitesten in dieser Richtung geht die Interpretation v o n A l b e r t o M. Banti, der den A d e l als „hybride ,Schicht-Nicht-Schicht'" betrachtet u n d i h m für das 19. J a h r h u n d e r t allenfalls n o c h eine marginale Rolle zuschreibt. 1 4
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Arno J. MAYER, Adelsmacht und Bürgertum. Die Krisen der europäischen Gesellschaft 1848-1914, München 1988, S. 127. Zur italienischen Diskussion über Mayers Thesen vgl. Raffaele ROMANELLI, Nobiltà europee dell'Ottocento, in: Passato e Presente 11 (1986) 133-146; JOCTEAU, Nobili, S. VIIVIII. Vgl. dazu etwa Renato ZANGHERI, Gli anni francesi in Italia: le nuove condizioni della proprietà, in: Studi Storici 29 (1979), S. 5-26, hier: S. 26. Raffaele ROMANELLI, Famiglia e patrimonio nei comportamenti della nobiltà borghese dell'Ottocento, in: Lucia Fratarelli Fischer/Maria Teresa Lazzarini (Hg.), Il Palazzo De Larderei a Livorno, Pisa 1992, S. 9-27. Vgl. dazu Romano Paolo COPPINI, L'aristocrazia fondiario finanziaria nella Toscana dell'Ottocento. Note per una ricerca, in: Bollettino Storico Pisano 52 (1983), S. 43-90; ders., Aristocrazia e finanza in Toscana nel XIX secolo, in: Les noblesses européennes au XIX e siècle, Rom 1988, S. 297-232; ders., Piero Guicciardini, un campagnolo toscano: vicende del suo patrimonio, in: Rassegna Storica Toscana 35 (1989), S. 49-58. In eine ähnliche Richtung gehen die Studien zur Florentiner Adelsfamilie Corsini von Andrea MORONI, Antica gente sowie ders., Il patrimonio dei Corsini fra Granducato e Italia unita. Politica familiare e investimenti, in: Bollettino Storico Pisano 54 (1985), S. 79-106. Alberto Maria BANTI, Note sulle nobiltà nell'Italia dell'Ottocento, in: Meridiana 19 (1994), S. 13-27, S. 17. Vgl. ferner ders., I proprietari terrieri nell'Italia centro-settentrionale, in: Piero Bevilacqua (Hg.), Storia dell'agricoltura italiana in età contemporanea, Bd. 2, Venedig 1990, S. 45-103; ders., Ricchezze e potere. Le dinamiche patrimoniali nella società lucchese del XIX secolo, in: Quaderni Storici 56 (1984), S. 385-432; ders., Terra e denaro. Una borghesia padana nell'Ottocento, Venedig 1989; Raffaele ROMANELLI, Political Debate, Social History, and the Italian Borghesia: Changing Perspectives in Historical Research, in: Journal of Modem History 63 (1991), S. 717- 739.
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Allerdings kann weder die These von der uneingeschränkten Behauptung der Aristokratie, noch die Annahme, der Adel sei im 19. Jahrhundert als soziale Gruppe im Grunde nicht mehr greifbar gewesen, den Ergebnissen der jüngeren Forschung standhalten. Denn zunächst läßt sich kaum bestreiten, daß der toskanische Adel ebenso wie jener anderer Regionen Italiens langfristig an Bedeutung verlor.15 Dies läßt sich beispielsweise anhand seiner Präsenz in Staats- und Verfassungsinstitutionen beobachten. Hatte das toskanische Patriziat noch in den 1860er Jahren etwa mit dem Baron Bettino Ricasoli oder dem Patrizier Ubaldino Peruzzi italienische Ministerpräsidenten und Minister gestellt, fanden sich nach dem Ende der Herrschaft der liberalen .Historischen Rechten' im Jahr 1876 in den Regierungen des Königreichs, aber auch in dessen Diplomatie, Verwaltung und Parlamenten immer weniger Adelige.16 Von einem Niedergang des toskanischen Adels läßt sich gleichwohl nicht sprechen, denn in der napoleonischen Zeit profitierten die Familien des toskanischen Patriziats ebenso wie bürgerliche Aufsteiger ganz erheblich von den Verkäufen der Kirchengüter.17 Dieser Vorgang stellt keine Verbürgerlichung' des Adels dar, denn die patrizischen Familien hielten in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts mehrheitlich an den traditionellen Formen der Agrarwirtschaft fest, weil das in der Toskana verbreitete Halbpachtsystem (mezzadrìa) aufgrund seiner paternalistischen Strukturen die ländliche Machtbasis des Patriziats stützte und gleichzeitig sichere Gewinne abwarf.18 Diese nutzen die Adeligen, um ihren Stand symbolisch zu repräsentieren, etwa durch die aufwendige Gestaltung von Stadtpalästen und Villen oder indem sie als Mäzenaten von Künsdern oder Schriftstellern auftraten. Gleichzeitig investierten die Adeligen, einem ebenfalls traditionellen patrizischen Wirtschaftsverhalten entsprechend, mit beachtlichem Erfolg in Spekulations- und Bankgeschäfte oder in die im Großherzogtum in den 15
Vgl. etwa Anthony L. CARDOZA, Aristocrats in Bourgeois Italy. The Piedmontese Nobility, 1861-1930, Cambridge 1997; Giovanni MONTRONI, Gli uomini del Re. La nobiltà napoletana dell'Ottocento, Rom 1996 und zur Rolle des Adels in der Kommunalpolitik Roms nach der Einigung die vorzügliche Studie von Andrea ClAMPANl, Cattolici e liberali durante la trasformazione dei partiti. La questione di Roma' tra politica nazionale e progetti vaticani (1876-1883), Rom 2000.
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Vgl. den Überblick von Jens PETERSEN, Der italienische Adel von 1861 bis 1945, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Europäischer Adel 1750-1950, Göttingen 1990, S. 243-259.
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Maurizio BASSETTI, La vendita die beni nazionali in Toscana: il dipartimento dell'Arno, in: Ivan Tognarini (Hg.), La Toscana nell'età rivoluzionaria e napoleonica, Neapel 1985, S. 471-509.
18
Vgl. noch immer Carlo PAZZAGLI, L'agricoltura toscana nella prima metà dell'Ottocento, Florenz 1973. Zu Bettino Ricasolis letzlich gescheiterten Versuchen einer Reform der Landwirtschaft vgl. Zeffiro CLUFFOLETTL, Bettino Ricasoli fra high farming e mezzadria. La tenuta sperimentale di Barbanella in Maremma (1855-1859), in: Studi Storici 16 (1975), S. 495-522 und Giuliana BIAGIOLI, Dalla nobiltà assenteista al nobile-imprenditore in Toscana: le fattorie Ricasoli (1780-1880), in: Gauro Coppola (Hg.), Agricoltura e aziende a grarie nell'Italia centro-settentrionale (secoli XVI-XIX), Mailand 1983, S. 499-526.
Der toskanische Adel in der bürokratischen Monarchie 1800-1860
23
1830er Jahren zunehmend aufkommenden Aktiengesellschaften (etwa im Bereich des Eisenbahnbaus).19 Auf diese Weise bildeten die patrizischen Familien bis zum Anschluß des Großherzogtums an das italienische Königreich (1860) gewissermaßen den ,Kern' des Wirtschaftslebens und die sozial vorherrschende Schicht der Toskana.20 Eine solche Mischung von ,modernen' und .traditionalen' Elementen läßt sich auch im politischen Verhalten des toskanischen Adels in der Epoche des Risorgimento wiederfinden, wie die Ergebnisse der dritten Forschungsrichtung gezeigt haben.21 Entsprechende Studien knüpfen methodisch an die Arbeiten von Marco Meriggi über den Konflikt von Adel und habsburgischer Administration in der Lombardei vor 1848 an22 und untersuchen, inwieweit die gesellschaftlichen Interventionen des .modernen Verwaltungsstaats' für die politischen Strategien und den gesellschaftlichen Wandel des Adels seit dem frühen 19. Jahrhundert verantwortlich sind.23 In der Toskana führte die zunehmende Bürokratisierung und Zentralisierung der Staatsverwaltung unter den absolutistisch regierenden Fürsten zu einer nahezu vollständigen Verdrängung von Patriziern aus der Verwaltungslaufbahn und zu einer weitreichenden Zerstörung informeller Mechanismen adeliger Einflußnahme in den Kommunen. Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, Schloß sich seit den 1830er Jahren eine breite Mehrheit der patrizischen Familien dem gemäßigten Liberalismus an. Da einige der traditionsreichsten Florentiner Patrizierfamilien auch das private Vereinswesen und die wissenschaftliche Akademien des Großherzogtums dominierten und durch Klientelbeziehungen zahlreiche der bürgerlichen Liberalen an ihre Häuser banden, gelang es dem Adel, dem politischen Programm des gemäßigten Liberalismus (moderatismo) seinen Stempel aufzudrücken. Die toskanischen Liberalen kämpften gegen das zentralistische Verwaltungssystem der .bürokratischen Monarchie' und strebten ein Verfassungsmodell an, das konzeptionell auf der lokalen Autonomie der grundbesitzenden Schichten beruhte und die republikanischen Traditionen des Adels an die Bedingungen der .postpatrizischen' Gesellschaft des 19. Jahrhunderts anpaßte. Als sich dieses Unterfangen nach der Revolution von 1848/49 aufgrund des Widerstands der toskanischen Großherzöge und einer österreichischen Militärintervention als aus19
Vgl. Rafaele ROMANELLI, Urban Patricians and .Bourgeois' Society: a Study of Wealthy Eûtes in Florence, 1862-1904, in: Journal of Modern Italian Studies 1 (1995), S. 3-21, S. 14. Zum Bankwesen der Toskana vgl. Alessandro VOLPI, Banchieri e mercato finanziario in Toscana (1801-1860), Florenz 1997.
20
MORONI, Antica Gente, S. 11 ff.
21
Vgl. dazu auch den Forschungsüberblick von Lucy RIALL, The Italian Risorgimento. State, society an national unification, London 1994. Vgl. Marco MERIGGI, Amministrazioni e classi sociali nel Lombardo-Veneto (1814-1848), Bologna 1983.
22
23
Für die Toskana vgl. KROLL, Revolte des Patriziats. Die Ergebnisse dieser Studie liegen im wesentlichen den folgenden Ausführungen zugrunde.
24
Thomas Kroll
sichtslos erwies, unterstützen die liberalen Adeligen die nationale Bewegung des Risorgimento, die schließlich 1859 zum Sturz der habsburg-lothringischen Dynastie und zum Anschluß der Toskana an das Königreich Italien führte. Das .moderne' politische Verhalten des Patriziats und seine soziale Vormachtstellung in der Bewegung des toskanischen moderatismo verweisen darauf, daß die konzeptionelle Dichotomie von absteigendem Adel und aufsteigendem Bürgertum nur wenig Aufschluß über die komplexen Transformationsprozesse des toskanischen Adels im 19. Jahrhundert gibt. Denn es waren nicht ökonomische Ursachen, sondern vor allem der monarchische Staat und seine Interventionen in die Gesellschaft, die zu den politischen Anpassungsstrategien des Patriziats führten. Eingriffe der Verwaltung und des Monarchen wirkten sich aber auch, wie im folgenden gezeigt werden soll, auf die Sozialgeschichte des Adels im engeren Sinne aus. Dessen .soziale Zusammensetzung' änderte sich vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Nationalstaatsbildung ganz erheblich. Um 1860 waren Patriziat und Adel anders als noch im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht mehr identisch.24 Dieser Prozeß einer zunehmenden Binnendifferenzierung, der bislang wenig Beachtung gefunden hat,25 vermag auch den Umstand zu erklären, daß die Familien des alten Patriziats — trotz Liberalismus und ökonomischer Behauptung — auf längere Sicht an Boden verloren. Eine entscheidende Ursache für diesen sozialen Wandlungsprozeß stellte die Adels- und Nobilitierungspolitik der toskanischen Großherzöge in der Epoche des Risorgimento dar. 2. Die Adels- und Nobilitierungspolitik der Habsburg-Lothringer Als die habsburg-lothringische Dynastie 1814 aus ihrem Wiener Exil in die Toskana zurückkehrte, restaurierte Ferdinand III. die toskanische Adelsgesetzgebung des 18. Jahrhunderts. Das Adelsgesetz von 1750 (Leggeper il regolamento della nobiltà e cittadinanza) stellte einen hart umkämpften Kompromiß zwischen den patrizischen Traditionen des toskanischen Adels und der absolutistischen Staats- und Verwaltungspolitik der Habsburg-Lothringer dar.26 Das Gesetz kodifizierte die lockeren und informellen sozialen Regeln, welche im überkommenen „patrizischen System" (Cesare Mozzarelli) den Zugang zum Adel bestimmt hatten, und verlangte von jenen Familien, die sich weiterhin als adelig (nobile) 24
Vgl. dazu die Überlegung von ROSSI, I ceti nobiliari europei, S. 159.
25
Eine Ausnahme bildet die Überblicksdarstellung von Marco MERIGGI, Società, istituzioni e ceti dirigenti, in: Giovanni Sabatucci u.a. (Hg.), Storia d'Italia. Le premesse dell'unità, Bari 1994, S. 119-228.
26
Vgl. dazu Marcello VERGA, Da .cittadini' a .nobili'. Lotta politica e riforma delle istituzioni nella Toscana di Francesco Stefano, Mailand 1990, S. 241ff.; LITCHFIELD, Emergence of a Bureaucracy, S. 52-54; Jean BOUTIER, I libri d'oro del Granducato di Toscana (17501860), in: Società e Storia 11 (1988), S. 953-966.
Der toskanische Adel in der bürokratischen Monarchie 1800-1860
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bezeichnen wollten, einen formellen Adelsnachweis. Neben den sehr wenigen Familien, die schon vor der Gründung der mittelalterlichen Kommunen zum Adel gehört oder sich zwecks Bewerbung um die Gründung einer Kommende im Stephansorden (Ordine di S. Stefano) bereits einer Adelsprobe unterzogen hatten, galten mit dem neuen Gesetz nur noch diejenigen Familien als nobile, die über das Bürgerrecht in den Stadtrepubliken verfügt und Mitglieder in deren regierende Räte oder später in den Senat des Medici-Fürstentums entsandt hatten. Reichte der Eintrag in eine entsprechende Amtsliste weiter als 200 Jahre zurück, wurden die betreffenden Familien in Florenz, Siena, Pisa, Pistoia, Arezzo und Cortona der Adelsklasse des patriziato zugerechnet. Datierte die Eintragung in eine Amtsliste solcher Adelsstädte {città nobili) weniger weit zurück, erfolgte eine Aufnahme in die Adelsklasse der nobiltà. In kleineren Adelsstädten, wie San Sepolcro, Montepulciano, Prato, Livorno, Pescia, Colle Val d'Elsa, San Miniato und Pontremoli, gab es ohnehin nur die Adelsklasse der nobiltà}1 Doch zählt es zu den fundamentalen Zügen der Sozialgeschichte des toskanischen Adels, daß auch die Oberschichten solcher Kleinstädte vollgültig zur nobiltà des Landes gezählt wurden. Da der toskanische Adel jedoch in keinem Fall als Titel im Namen geführt wurde, hatten sich viele der reichen Patrizierfamilien, die in den Prüfungsverfahren zwischen 1755 und 1784 die städtische nobiltà zuerkannt bekamen, seit dem 17. Jahrhundert auch einen Adelstitel des mitteleuropäischen Typs (meistens jenen des Conte oder Marchese) zugelegt, indem sie — in der Regel von den Medici oder den Päpsten - nominell feudale .Herrschaftsrechte' über entvölkerte Ortschaften kauften. Diese Titel brachten zwar einen Zuwachs an Prestige, der sich an den italienischen Höfen verwerten ließ, doch wirkten sie in der Toskana anders als die Mitgliedschaften in den republikanischen Räten prinzipiell nicht als adelnd. Daß der toskanische Adel bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ausgesprochen patrizisch geprägt blieb, wird ferner durch die Tatsache unterstrichen, daß Tätigkeiten im Bereich des Großhandels, der Banken, des Justizwesens und der Universitäten niemals als unvereinbar mit der nobiltà galten.28 Eine tiefgreifende Folge der Kodifizierung des Adelsrechts und der Schließung des toskanischen Adels ist darin zu sehen, daß die Patrizier die Aufnahme neuer Familien in ihre Reihen nicht mehr wie zuvor informell und relativ autonom regeln konnten. Das Recht auf Nobilitierung fiel laut Gesetz dem Großherzog zu, der davon im 18. Jahrhundert äußerst selten Gebrauch machte, weil dies den Einfluß des Adels in den Lokalverfassungen weiter schwächte.29 Den27 28
29
Vgl. Claudio DONATI, L'idea di nobiltà in Italia. Secoli XIV-XVIII, Bari 1988, S. 315-332. LITCHFIELD, Emergence, S. 36-37; BouTiER, Construction et anatomie d'une noblesse, S. 375-378 sowie Carlo VIVOLI, Una fonte per la storia del territorio della Toscana nel Settecento: le piante dei feudi, in: Istituzioni e società in Toscan nell'età moderna, Bd. 1, Florenz 1994, S. 337-364. Pietro Leopoldo, Relazioni sul governo della Toscana, a cura di Arnaldo Salvestrini, Bd. 1, Florenz 1969, S. 20-23.
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Thomas Kroll
noch konnte der Adel bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in beschränktem Maß die Nobilitierungsverfahren lenken. Denn eine aus zumeist Florentiner Patriziern besetzte Kommission (Deputatone sopra la nobiltà e cittadinans^) durfte Vorschläge zur Adelung unterbreiten und leitete auf diesem Weg Forderungen der lokalen Eliten an den Monarchen weiter. Als jedoch 1808 das französische Kaiserreich die Toskana annektierte, wurde das regionale Adelsrecht aufgehoben und selbst die Überreste der Mechanismen der autonomen Selbstrekrutierung des Patriziats beseitigt. Von weitaus größerer Bedeutung als die eigentliche Zahl der Nobilitierungen durch den französischen Monarchen, die in der Toskana sehr gering blieb und bis auf eine Ausnahme sogar den Familien des alten PatrÌ2Ìats zugute kam, war in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die napoleonische Adelspolitik den Verdienst um den Staat zum entscheidenden Kriterium für die Erhebung in den Adelsstand machte, die Nobilitierung als monarchischen Gnadenakt konzipierte und das entsprechende Verfahren einer Behörde in Paris übertrug.30 Diese Tendenzen zur .Bürokratisierung' der Nobilitierungsverfahren trieben die toskanischen Großherzöge nach der Restauration von 1814 gezielt voran.31 Obwohl Ferdinand III. das Adelsgesetz von 1750 formell wieder in Kraft setzte, übernahmen er und vor allem ab 1824 sein Sohn Leopold II. im Kern die meritokratischen Prinzipien der napoleonischen Adelspolitik und die entsprechend zentralistische Nobilitierungspraxis. Die Großherzöge führten in der Epoche des Risorgimento eine regelrechte Reorganisation des toskanischen Adelssystems durch. Zunächst schoben sie der Einflußnahme der lokalen Patriziate auf die Selektion der Kandidaten für eine Adelung endgültig einen Riegel vor, indem sie das Nobilitierungsverfahren zum Verwaltungsakt einer zentralen Florentiner Behörde machten. Die im Gesetz von 1750 vorgesehene Deputazione sopra la nobiltà e cittadinanza wurde zwar 1814 wieder ins Leben gerufen, doch wurden die ihr angehörenden Adeligen de facto nicht mehr an den Entscheidungsprozessen beteiligt. Das gesamte Verfahren kontrollierte ein Staatsbeamter, der nicht dem alten Patriziat angehörte und seine Schritte, wie entsprechende Briefwechsel zeigen, selbst im Detail mit den Großherzögen abstimmte.32 Im Unterschied zur habsburg-lothringischen Adelspolitik des 18. Jahrhunderts führten die Großherzöge in der Epoche des Risorgimento eine erstaunliche Zahl von Nobilitierungen durch. Um den Widerstand des alten Patriziats gegen die .massenhaften' Adelungen möglichst gering zu erhalten, erfolgten viele von ihnen in den 1820er Jahren in kleinen Adelstädten der Provinz wie 30
Vgl. Jean TULARD, Napoléon et la noblesse d'Empire, Paris 1979, S. 175-356.
31
Vgl. dazu auch Fabio B E R T I N I , Elites dirigenti e quardri burocratici nel passaggio dalla Toscana napoleonica alla Restaurazione, in: La Toscana die Lorena, Florenz 1989, S. 587603.
32
Vgl. beispielhaft Archivio di Stato di Firenze (fortan: ASF), Deputazione sopra la nobiltà e cittadinanza 130: Capitolino Muti an Leopold II., Firenze, 19.11.1838.
Der toskanische Adel in der bürokratischen Monarchie 1800-1860
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San Sepolcro oder Pontremoli. Doch am Beginn der 1830er Jahre nahm die Zahl der Adelsfamilien auch in den prestigereichen città nobili drastisch zu. In Florenz etwa gab es von 1814 bis 1859 einen Zuwachs von 36 Prozent, in Pisa und San Miniato verdoppelte sich die Zahl der Familien mit Adelsdiplom und in Livorno schließlich gerieten die alten gegenüber den nobilitierten Familien sogar deutlich in die Minderheit. Doch gingen die Großherzöge noch über diese Maßnahmen hinaus, indem sie seit Mitte der 1830er Jahre weitere Kleinstädte in den Rang einer atta nobile erhoben. So erhielten 1838 Modigliana und Fiesole, 1841 Pietrasanta und schließlich 1848 Fivizzano einen eigenen Stadtadel.33 Mit Hilfe dieser völlig neuen Adelsstädte fährte Leopold II., ohne Rücksicht auf ein traditionelles Patriziat nehmen zu müssen, eine außerordentlich große Zahl von Nobilitierungen durch.34 Allein in Fiesole, 1838 eine Stadt mit etwa 4.500 Einwohnern, wurden bis 1859 insgesamt 109 Familien in den Adelsstand gehoben. In den 1830er Jahren nahm die Zahl der Nobilitierungen dermaßen zu, daß man durchaus von einer Nobilitierungswelle sprechen kann, die etwa Mitte der 1840er Jahre ihren Höhepunkt erreichte. So wurden in den Adelsstädten zwischen 1814 und 1860, wie die Analyse des toskanischen Adelsverzeichnisse ergeben hat, etwa gut 500 bürgerliche Familien in einen Stadtadel aufgenommen.35 Neben dieser Form der Nobilitierung stellte der 1817 von Ferdinand III. gegründete Ordine del merito di S. Giuseppe ein weiteres Instrument der habsburglothringischen Adelspolitik dar.36 Der dynastische Verdienstorden sollte gemäß seiner eng an die napoleonischen Adelsdekrete von 1808 angelehnten Statuten solche Personen auszeichnen, die sich um den Monarchen und den Staat verdient gemacht hatten.37 Dieser meritokratischen Richtlinie folgend verlieh der Großherzog etwa 150 toskanischen Bürgerlichen einen Adelsrang. Mit der Verleihung des Titels Cavaliere, der das Gros der Nobilitierungen ausmachte, war der persönliche Adel verbunden. Oftmals erfolgte jedoch nach einigen Jahren die .Beförderung' in den Rang des Commendatore, der den erblichen Adel mit
33
Vgl. dazu Ildebrando Coccia URBANI, 1 libri d'oro di Toscana: Importanza delle genealogie e delle filze di giustificazione, in: Rivista Araldica (1972), S. 168-174.
34
ASF, Deputazione sopra la nobiltà e cittadinanza 130: Amedeo Digerini Nuti an I^eopold II., Pietrasanta, 30.10.1846.
35
Die Angaben beruhen auf der Auswertung des zentralen Adelsregisters der Toskana im Florentiner Staatsarchiv und der Libri d'oro der toskanischen Adelsstädte. Nähere Angaben und die Liste des verwendeten prosopographischen Quellenmaterials finden sich bei
36
Vgl. dazu allgemein Giovanni C. BASCAPÉ, Gli ordini cavalleresche in Italia. Storia e diritto, Mailand 1972, S. 440f.
37
Regolamento o siano costituzioni dell'Ordine di merito sotto il titolo di S. Giuseppe, Florenz 1817.
KROLL, R e v o l t e d e s P a t r i z i a t s , S. 4 3 2 - 4 4 7 .
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sich brachte.38 Ein letztes Instrument der neuen Adelspolitik des Großherzogtums bildete der in Pisa angesiedelte, traditionsreiche Ordine di S. Stefano, der sich seit den 1820er Jahren ebenfalls zu einem dynastischen Verdienstorden entwickelte.39 So konnten etwa 250 Bürgerliche von der Stiftung der großherzoglichen Gnadenkommenden (commmende di graziò) profitieren.40 Mit dieser Einrichtung umging Leopold II. die für die Zulassung zum Orden und die Gründung einer Prioratskommende mit eigenem Kapital laut Reglement notwendigen Adelsnachweise {quattro quarti) und verlieh den von ihm insignierten Bürgerlichen zugleich den erblichen Adel. Mittels der drei skizzierten Wege zum toskanischen Adel, welche die Großherzöge relativ frei kombinierten, wurden zwischen 1814 und 1860 insgesamt etwa 700 bis 800 bürgerliche Familien nobiliüert. Da die Mehrzahl der Ernennungen in den 1830er und 1840er Jahren erfolgten, verdoppelte sich nahezu die Zahl der Adelsfamilien in weniger als zwei Jahrzehnten. Die Adelspolitik der Habsburg-Lothringer war ein fundamentaler Bestandteil ihres umfassenden und an die napoleonischen Reformen anknüpfenden Programms der Zentralisierung und Bürokratisierung der Staatsordnung. Dazu zählte namentlich die Schaffung eines loyalen Verwaltungspersonals, in das seit Mitte der 1820er Jahre tatsächlich Angehörige des alten patrizischen Adels nur noch äußerst selten Aufnahme fanden.41 Diese gegen das Patriziat gerichtete Politik spiegelte sich auch in der großherzoglichen Nobiltierungspraxis wider, denn sie zielte auf die Schaffung eines neuen und mit dem Patriziat konkurrierenden .Adels der Staatsdiener'. Dieser adelspolitischen Maxime entsprechend finden sich beispielsweise unter den Nobilitierten von Fiesole zwar durchaus zahlreiche grundbesitzende lokale Honoratioren, Bankiers oder Manufakturbesitzer, doch entfielen etwa 80 Prozent der Adelserhebungen auf Staatsbeamte. Auch wenn der Anteil der geadelten Staatsfunktionäre in anderen città nobili im Durchschnitt eher bei etwa 30-40 Prozent gelegen hat, repräsentierten die Zugänge des Adels aus der Beamtenschaft einen für die Toskana neuen Typus der nobiltà."'1 In den behördlichen Akten werden die Nobilitierungen der Staatsbeamten, die anders als die Patrizier allenfalls über kleinen Grundbesitz verfügten, 38
39
40
41
42
Die Zahlen beruhen auf einer prosopographischen Auswertung der entsprechenden Listen im Almanaco toscano von 1817 bis 1859 und der Adelsverzeichnisse des Großherzogtums Toskana. Vgl. Romano Paolo COPPINl, L'Ordine di S. Stefano nella Toscana di Leopoldo II, in: L'Ordine di S. Stefano nella Toscana die Lorena, Rom 1992, S. 70-87. Zu den Gnadenkommenden vgl. Gino GUARNIERI, L'Ordine di Santo Stefano nella sua organizzazione interna, Bd. 4, Pisa 1965, S. 4, 245-279 sowie Almanacco toscana 1857, S. 269-270. Eine detaillierte Analyse dieses Verdrängungsprozesses findet sich bei KROLL, Revolte des Patriziats, S. 20-37, 60-73. Die Zahlen zu Fiesole und Florenz beruhen auf einer prosopographischen Auswertung von Bruno CASINI, Libri d'oro della nobiltà fiorentina e fiesolana, Florenz 1993.
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allein mit den moralischen Qualitäten, dem persönlichen Talent, der Loyalität gegenüber dem Monarchen und vor allem mit treu ergebenen Diensten des Kandidaten in der Verwaltung begründet.43 Im Gegensatz zu den Grundprinzipien der patrizischen Staats- und Adelsauffassung stellte die Nobilitierung für die Beamten vor allem die Krönung ihrer Verwaltungslaufbahn dar. Dem Justizbeamten Cesare Capoquadri (1790-1871) zum Beispiel wurde 1837 der Adel von San Miniato zuerkannt, nachdem er ein Jahr zuvor mit einem der höchsten toskanischen richterlichen Ämter betraut worden war.44 Doch begnügte sich der Monarch nicht mit der Verleihung eines Titels an die Beamten, denn Leopold II. strebte systematisch danach, seinem Staatsadel gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen. Dementsprechend wurden die Beamten nach ihrer Nobilitierung in die Hofgesellschaft des Palazzo Pitti oder in andere Institutionen der Monarchie eingeführt, die bis dahin dem patrizischen Erbadel vorbehalten geblieben waren.
3. Soziale Konflikte im Adel: Das alte Patriziat und der neue Staatsadel Das alte Patriziat stand den nobilitierten Beamten allerdings äußerst feindlich gegenüber. Die „Religion der Staatsdiener", wie der 1838 nobilitierte Spitzenbeamte Giovanni Baldasseroni das Ethos seiner Standesgenossen charakterisierte,45 und die als unzivilisiert empfundenen Umgangsformen der Beamten stießen die Patrizier ab. So machte Giuseppe Vaj, der aus dem Adel von Prato stammte, Baldasseroni in einem Brief klar, daß ein toskanischer nobile ohne den patrizischen Stil der Lebensführung {vivere avilé) nicht zu denken sei.46 Die neuadeligen Beamten wurden, so eine Wendung des Florentiner Patriziers Mario Covoni Girolami, als Schwärm „ritterlicher Amtsdiener"47 verhöhnt, oder sie wurden - wie von Gino Capponi — als „bürokratische Henkersbrut"4* beschimpft. Gesellschaftliche Kontakte mit den geadelten Beamten am Hof zu
43
44
45 46 47
48
Dies gilt etwa für die Begründung der Nobilitierung des hohen Regierungsbeamten Francesco Cempini, der 1825 in die nobiltà von Pisa aufgenommen wurde. Vgl. ASF, Deputazione sopra la nobiltà e cittadinanza 81. ASF, Deputazione sopra la nobiltà e cittadinanza 95: Maurizio Alli Maccarini an die Deputazione, San Miniato, 2 0 . 2 . 1 8 3 7 . Zur Biographie von Capoquadri vgl. Marco TABARRINI, Ricordi della vita di Cesare Capoquadri, Florenz 1872. Giovanni BALDASSERONI, Memorie 1833-1859, Florenz 1959, S. l l f f . ASF, Prato, Archivio Vaj 180: Vaj an Baldasseroni, Prato, 26.1.1854. Mario Covoni GlROLAMI, Ricordi e memorie di un personaggio fiorentino, Florenz 1981, S. 83. Capponi an Giuseppe Pucci, Firenze, 10.4.1825, in: Lettere di Gino Capponi e di altri al lui, Bd.l, Firenze 1882, S. 197; Vgl. auch Gabinetto G.P. Vieusseux, Archivio Contemporaneo, Firenze, Carte Enrico Mayer 7: Carlo Torrigiani an Enrico Mayer, Firenze, 5.3.1845.
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Thomas Kroll
pflegen, wurde von vielen Patriziern als Zumutung empfunden, auch weil den Neulingen die vom Hofzeremoniell vorgeschriebenen Adelsproben der quattro quarti erlassen wurden. So befürchteten zahlreiche Patrizier, die Nobilitierungspolitik des Großherzogs könnte die Kriterien des patrizischen Adels .verwässern' und sein gesellschaftliches Ansehen schwächen. Alarmiert berichtete etwa Duca Ferdinando Strozzi 1856 einem belgischen Standesgenossen davon, daß die Würden des Ordine di S. Stefano nicht mehr adelig Geborenen vorbehalten seien, sondern wahllos an Mitglieder unterschiedlichster sozialer Gruppen vergeben würden: „Die Ritter sind Legion in allen Klassen. — Es gibt eine Kategorie, die man Gnadenkommende nennt und der alle Insignien des Ordens eignen, d. h. das Kreuz, die Uniform etc., eine mehr oder weniger große Rente, die der Großherzog ohne besonderes Verfahren an Staatsfunktionäre, an zivile und militärische Beamte vergibt, gleichgültig welcher Klasse sie angehören. So ist die Zahl der Ritter bei uns so groß geworden, daß der Stephansorden für den Adel als Auszeichnung keine Rolle mehr spielt."49
Beispielhaft illustrieren läßt sich der zähe Widerstand des Patriziats gegen den Beamtenadel und gegen das Vordringen nobilitierter Staatsfunktionäre in die patrizischen Verkehrskreise anhand der Geschichte des Florentiner Adelskasino, der Accademia del Casino dei Nobili. Das Kasino war 1814 von 50 Florentiner Patrizierfamilien als exklusive Aktiengesellschaft gegründet worden und galt bis in die 1850er Jahre als eines der Zentren adeliger Geselligkeit in der toskanischen Hauptstadt.50 Gemäß den Statuten des Kasino hatten nur „Männer von adeliger Geburt" (und ihre Begleitung) das Recht, den Salon und die Veranstaltungen des Kasino zu besuchen.51 Die Aufnahme von neuen Mitgliedern erfolgte durch Kooptation eines aus Patriziern gebildeten Verwaltungsgremiums, das allerdings unter der Aufsicht eines großherzoglichen Beamten aus dem Innenministerium stand. Über den Zugang zum Kasino kam es schon frühzeitig zum Konflikt zwischen den patrizischen Besitzern des Kasino und dem Fürsten, denn Ferdinand III. wollte in Florenz einen Verein, der eine exklusiv patrizische Geselligkeit kultivierte, nicht dulden. So forderte er bereits 1816, den Mitgliedern des Ordine del mento S. Giuseppe ebenfalls uneingeschränkten Zugang zu den Festlichkeiten des Adelskasino zu gewähren.52 Dieser Anspruch wurde von den Patriziern jedoch rigoros zurückgewiesen, denn wie der Marchese Pier Roberto Capponi hielten sie es in ihrer Mehrheit fur widersinnig, auf Geheiß 49 50
51
52
ASF, Carte Strozziane V, 1241: Strozzi an van den Straten, Firenze, April 1856. Raffaele ROMANELLI, Il casino, l'accademia e il circolo. Forme e tendenze dell'associazionismo d'élite nella Firenze dell'Ottocento, in: Paolo Macry/Angelo Massfra (Hg.), Fra storia e storiografia. Scritti in onore di Pasquale Villani, Bologna 1994, S. 809849, S. 813-819. Costituzione dell'Accademia del Casino dei Nobili della città di Firenze approvatene l'osservazione da S. Α. I. e R. Il serenissimo Ferdinando III, Firenze 1814. ASF, Casino dei Nobili 41: G.B. Nomi an den Regio Rappresentante, Firenze, 21.2.1816.
Der toskanische Adel in der bürokratischen Monarchie 1800-1860
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des Monarchen mit „Adeligen von nicht-adeliger Abkunft" gesellschaftlichen Umgang zu pflegen.53 Geradezu einen Sturm der Entrüstung löste wenige Monate später die Anweisung des Großherzogs aus, hohe Beamte allein aufgrund ihrer Stellung in der Staatsverwaltung in den Kreis der Kasinobesucher aufzunehmen.54 Im Streit zwischen patrizischem Verwaltungsgremium und dem Großherzog wurde schließlich 1821 ein vorläufiger Kompromiß gefunden, indem nobilitierten Personen Zugang zum Kasino gewährt wurde, sofern sie wenigstens den erblichen Adel erhalten hatten. Wie das Besucherbuch des Kasino zeigt, steckte hinter dem Widerstand der Adeligen keineswegs in erster Linie Standesdünkel gegenüber Aufsteigern, sondern vor allem ihre Ablehnung der nobilitierten Beamtenschaft. Denn die Patrizier nutzen die Regelung sehr gern zu dem Zweck, ihre eigenen nobilitierten Verwandten in den aristokratischen Kreis der Hauptstadt einzuführen.55 Der mühsam errungene Kompromiß zwischen der .bürokratischen Monarchie' und dem Patriziat hatte jedoch nicht lange Bestand.56 Schon Mitte der 1820er Jahre und massiv in den 1830er Jahren griff der Großherzog in die Selbstverwaltungsrechte des Kasino ein, um gegen den ausdrücklichen Willen des patrizischen Verwaltungsgremiums57 den Zutritt von nobilitierten Staatsbeamten zu erzwingen.58 Viele Patrizier gerade der jüngeren liberalen Generation wie Capponi, Ridolfi oder Ricasoli zogen sich deshalb bereits auf dem Höhepunkt der Nobilitierungswelle in den 1830er und 1840er Jahren aus dem Kasino zurück.59 Als der toskanische Innenminister Leonida Landucci schließlich 1856 verfügte, die letzte Entscheidung über die Zulassung zum Kasino dem großherzoglichen Aufsichtsbeamten zu übertragen, hatte sich das Patriziat ohnehin schon in eine andere Richtung orientiert.60
53
ASF, Casino dei Nobili 41: Pier Roberto Capponi an Emilio Pucci, Firenze, 21.2.1816.
54
ASF, Casino dei Nobili 41: Filippo Strozzi an Francesco Cempini, Firenze, 25.11.1816.
55
ASF, Casino dei Nobili 69: Libro di Presentazioni. Repertorio dei ammessi al Casino dei Nobili 1816-1853 sowie ebenda 64: Registro di ammissioni al di primo maggio 1856 a tutto il di 16 gennajo 1859.
56
ASF, Casino dei Nobili 56: Bettino Ricasoli an Gateano Stacchini Durazzo, Brolio, 16.9.1835.
57
Biblioteca Nazionale Centrale Firenze, Carte Cambray Digny, Appendice XI, 79: Cosimo Ridolfi an Luigi De Cambray Digny, Meleto, 21.10.1833.
58
ASF, Casino dei Nobili 61: Cav. Luigi Minucci an Orazio Rucellaj, Di casa, 19.1.1836.
59
ASF, Casino dei Nobili 46: Accettazioni e rifiuti di cariche dal 1 8 1 3 al 1852 sowie 134: Note delle Giunte di Governo (1852-1859).
60
ASF, Casino dei Nobili 63: Leonida Landucci an Ferdinando Strozzi, 26.3.1856.
Thomas Kroll
32 4. Die soziale Öffnung des Patriziats
Der von der Verwaltungs- und Adelspolitik der Habsburg-Lothringer ausgelöste Konflikt von Monarchie und Patriziat trug ganz entscheidend dazu bei, daß der patrizische Adel in der Epoche des Risorgimento ein neues politisches und soziales Selbstverständnis entwickelte. So schlossen sich in den 1830er Jahren zahlreiche Familien des alten Adels der liberalen Verfassungsbewegung des Großherzogtums an und ließen in der Revolution von 1848/49 ihre Sprößlinge als Abgeordnete in das toskanische Parlament wählen. Gleichzeitig öffneten sie vorsichtig ihre sozialen Verkehrskreise für nobilitierte und sogar für bürgerliche Aufsteiger, vor allem reiche Grundbesitzer, Kaufleute und Bankiers. Typisch für diese Tendenz ist ein Vorschlag des Florentiner Patriziers Marchese Carlo Torrigiani zur Reform des Adelskasino, das seit Anfang der 1850er Jahre mehr und mehr in finanzielle Bedrängnis geraten war, weil die patrizischen Besucher ausblieben. So regte Torrigiani 1856 an, das Kasino nicht mehr prinzipiell dem Adel vorzubehalten, sondern es auch für Bürgerliche zu öffnen, die einen „ehrbaren Beruf" ausübten und keine Beamte waren.61 Zwar erreichte Torrigiani keine Änderung der Statuten des Kasino,62 doch konnte er mit Hilfe des Marchese Neri Corsini eine Reihe seiner Ziele durchsetzen. Das Verwaltungsgremium zeigte sich nämlich bereit, erwünschte Bürgerliche auf ,informellem' Wege zuzulassen und das Kasino in einen attraktiven modernen Club bürgerlichen Typs mit Billardsaal und Raucherzimmer umzubauen.63 Eine ähnliche Form der gesellschaftlichen Öffnung, die sehr behutsam und unter patrizischer Kontrolle erfolgte, kennzeichnet auch einen großen Teil des übrigen Vereinswesens der Toskana. So waren es Adelige wie Capponi, Ridolfi und Serristori, die in den 1820er Jahren Schulvereine gründeten, um sie dann schrittweise für bürgerliche Interessenten zu öffnen. Ahnliches gilt für die Wissenschaftsakademien des Großherzogtums, etwa die Accademia dei Georgofili. Deren Führungsgremium bestand bis zum Ende des Großherzogtums zu einem hohen Anteil aus gebildeten Patriziern, welche die Kooptation von wissenschaftlich .qualifizierten' Bürgerlichen geschickt lenkten. Selbst die Gründung einer ganzen Reihe von Aktiengesellschaften und Banken, wie etwa der Cassa di Risparmio di Firenze, geht auf die Initiative eines patrizischen Kerns von Geldgebern zurück, der sich langsam um bürgerliche Investoren erweiterte.64 Dieser Umgang mit dem modernen Vereinswesen geht auf eine neuartige Konzeption des Adels zurück, die eine Antwort des Patriziats auf den Verlust 61
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Archivio Torrigiani, Montecastello, 617: Carlo Torrigiani, Progetto Casino dei Nobili (1856). Leggi dell'I, e R. Accademia dei Nobili in Firenze approvate da Sua Altezza Imperiale, e Reale Leopoldo Secondo, Florenz 1856. ASF, Casino dei Nobili 134.23: Relazione di Neri Corsini, Carlo Guicciardini, Alessandro Martelli, Componenti I. e R. Accademia dei Nobili in Firenze, Firenze, 12.4.1859. Vgl. dazu KROLL, Revolte des Patriziats, S. 148-172.
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der lokalen Herrschaftsrechte darstellte und sich seit den 1820er Jahren scharf gegen die zentralistische Verwaltungspolitik der Großherzöge und das Aufkommen des fürstlichen Beamtenadels richtete. Eine ganze Reihe von Patriziern, die sich der liberalen Bewegung anschlossen, kamen schon früh zum Ergebnis, daß sich der Adel in der ,postnapoleonischen' Gesellschaft dem Wandel keinesfalls widersetzen dürfe und die von den Verwaltungsreformen ausgelösten Veränderungen nicht mehr rückgängig zu machen waren. Diese Sichtweise brachte Conte Luigi Serristori auf den Punkt, als er 1818 anläßlich einer Rede vor den Schülern eines Adelsinternates betonte: „Der Adel ist in der bürgerlichen Gesellschaft keine abgeschlossene Schicht mehr, die sich nur aus ihren eigenen Reihen rekrutiert und deren Existenz durch Sonderrechte garantiert und von Privilegien geschützt würde."65 Auch Gino Capponi vertrat die Auffassung, der Adel müsse sich dem Wandel aussetzen, wenn er sich nicht selbst dem Untergang weihen wolle, und notierte in den 1830er Jahren in sein Tagebuch: „Die Aristokratie ist wie das Wasser: furchteinflößend und gewaltig im Sturm, im Stillstand verdirbt sie. Sie muß sich bewegen und oftmals wandeln."66 Die Patrizier sollten „Parteigänger des Fortschritts" sein und ihre nobiltà, so verlangte Carlo Torrigiani, durch Aktivitäten und Verdienste im öffentlichen Leben beweisen.67 Zusammen mit Nobilitierten oder Bürgerlichen, die sich politisch durch die Ablehnung der Bürokratie und sozial aufgrund von Reichtum dazu als würdig erwiesen, könnten die progressiven Adeligen die „wahre und natürliche Aristokratie" der Toskana bilden.68 Auch wenn die Patrizier mit einer solchen Adelskonzeption einige Topoi der liberalen Fortschrittsideologie des 19. Jahrhunderts übernahmen, sollte darin kein Plädoyer für eine .Verbürgerlichung' des Adels gesehen werden, denn moderne und traditionale Elemente hielten sich in einem spannungsgeladenen Verhältnis die Waage. Während Capponi etwa für die soziale Öffnung und den Wandel des Adels eintrat, idealisierte er in zahlreichen seiner Schriften die Tradition der republikanischen Patriziate und zeigte freimütig seinen Stolz, aus einer Familie von Kaufleuten hervorgegangen zu sein, welche die republikanische Freiheit der Kommune gegen die Feudalherren erkämpft hatte.69 Ähnlich wie der Marchese ließen Adelige, 65 66
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ASF, Archivio Serristori 580: Luigi Serristori, Collegi convitti di giovani nobili (1818). Gino CAPPONI, Pensieri sparsi, in: Guglielmo Macchia (Hg.), Scritti inediti di Gino Capponi, Florenz 1957, S. 235-239, S. 235. Carlo TORRIGIANI, Omaggio alla Memoria del Conte Stefano Bertolini, Florenz 1845, S.
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Vgl. zur bürokratiefeindlichen Adelsideologie des Patriziats KROLL, Revolte des Patriziats, S. 105-122. Gino Capponi an Niccolò Tommaseo, Firenze, 4.11.1836, in: Carteggio inedito di Niccolò Tommaseo e Gino Capponi, Bd. 1, Bologna 1911, S. 501; Biblioteca Labronica, Livorno, Fondo Bastogi 44.503: Luigi Passerini an Giorgio Giovanni Vernon-Venobles, Firenze, 19.4.1851. Vgl. dazu auch Thomas KROLL, Gino Capponi nel 1830. Progresso civile e autoamministrazione locale, in: Paolo Bagnoli, Gino Capponi. Storia e progresso nell'Italia dell'Ottocento, Florenz 1994, S. 243-262.
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die sich im Vereinswesen engagierten und den aristokratischen „Müßiggang" ablehnten,70 umfangreiche Genealogien und Geschichten ihrer Familien verfassen, um diese — von den Anfängen der Stadtrepubliken ausgehend — als „kontinuierliche Abfolge von berühmten Persönlichkeiten" zu präsentieren, die sich um den Fortschritt, die Wissenschaft und das Vaterland verdient gemacht hatten.71 Sich selbst sahen die Adeligen nur als letztes Glied einer solchen generationellen Kette von vorkämpferischen, gebildeten Patriziern. Völlig aus der Luft gegriffen war dies nicht, denn die jüngeren Patrizier beherrschten oftmals mehrere Fremdsprachen, sie verkehrten in den Salons ihrer Stadtpaläste mit den herausragenden Intellektuellen der Zeit, viele hatten in Pisa, Siena oder auch in Paris ein Studium der Rechte abgeschlossen oder wie Torrigiani, der mit Alexis de Tocqueville über das moderne Gefängniswesen korrespondierte, zu zentralen Fragen der „sozialen Wissenschaften" Publikationen vorgelegt.72 Zugleich aber pflegten sie einen „perfekten aristokratischen Stil",73 zu dem der Florentiner Stadtpalast am Lungarno und patriarchalische Besuche der Landgüter in der Sommerfrische74 ebenso zählten wie die Leidenschaft für das Spiel und die Jagd. 75 Diese Aspekte der adeligen Lebensführung zählten ebenso wie ihre .fortschrittlichen' Komponenten zu einer geschickten symbolischen Repräsentation des Patriziats, und gerade in ihrer Kombination waren sie Ausdruck von dessen gewandeltem Selbstverständnis im 19. Jahrhundert. Die auf dieser Mischung von traditionalen und modernen Elementen beruhende Tendenz zur sozialen Öffnung war für die zunehmende Binnendifferenzierung des Adels von zentraler Bedeutung. Denn die gegen das Vordringen des großherzoglichen Dienstadels gerichtete neue Adelskonzeption war die Grundlage für eine weitreichende Veränderung der patrizischen Heiratsstrategien in der Epoche des Risorgimento. Nachzeichnen läßt sich dieser Prozeß anhand einer prosopographischen Untersuchung der etwa 150 Familien, die einen Abgeordneten in die toskanischen Parlamente von 1848/49 oder 1859/60 entsandten.76 Zu etwa zwei Dritteln stammten die Deputierten aus alten patrizischen, die übrigen aus im 19. Jahrhundert nobilitierten Familien. Zwischen die70
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BNCF, Carte Cambray Digny, App VII, 51: Guglielmo Cambray Digny an A. Quattrini, Paris 3.9.1838. Luigi PASSERINI, Sommario storico delle famiglie celebri toscane, compilato da Demostene Tiribilli-Giuliani di Pisa, Florenz 1855, S. 4. Vgl. dazu auch Roberto BIZZOCHI, L'immagine della nazione nelle Famiglie Celebri di Pompeo Litta, in: Alberto Maria Banti/Roberto Bizzochi (Hg.), Immagini della nazione nell'Italia del Risorgimento, Rom 2002, S. 45-68, hier S. 48-50. Carlo TORRIGIANI, Tre dissertazioni lette all'Accademia dei Georgofili, Florenz 1841. Archivio Torrigiani, Montecastello, 616b: Carlo an Pietro Torrigiani, Manchester, 14.6.1842. Vgl. dazu Fritz DÖRRENHAUS, Villa und Villeggiatura in der Toskana, Wiesbaden 1976. BNCF, Carte Cambray Digny, App. II, 6: Ferdinando Bartolommei an Guglielmo de Cambray Digny, La Spezia, 2.10.1854. Vgl. zum folgenden KROLL, Revolte des Patriziats, S. 123-148,431.
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sen beiden Gruppen bestanden enge Verwandtschaftsverhältnisse aufgrund von Heiratsbeziehungen. Neben dieser relativen Offenheit der Heiratskreise lassen sich in zwei anderen Richtungen Tendenzen zur Schließung feststellen. Die erste betrifft die Heiraten innerhalb des alten Adels, für die seit den 1820er Jahren zunehmend politische Kriterien relevant wurden. So vermieden die liberalen Patrizier Eheverbindungen zur kleinen Gruppen der Familien des „schwarzen Adels", welche die .fortschrittliche' Orientierung ihrer Standesgenossen ablehnten, ein enges Bündnis mit der habsburg-lothringischen Dynastie eingingen und extrem legitimistische Positionen vertraten.77 Die zweite Richtung der Schließung stellt eine unmittelbare Reaktion der Patrizier auf die Adelspolitik der Großherzöge dar, denn unter den Abgeordneten des alten Adels lassen sich äußerst wenige Heiraten mit Frauen aus den Familien nobilitierter Staatsfunktionäre nachweisen. Im Gegensatz dazu existierten zahlreiche Heiratsverbindungen von Familien des alten Adels zu aufsteigenden Bankiers- und Kaufmannsfamilien. Zwischen diesen Familien hatten zumeist schon lange vor den Heiraten enge Geschäftsbeziehungen bestanden. Wurden die reichen Wirtschaftsbürger nobilitiert, konnten sie schnell - wie Torrigiani es formulierte - mittels der „süßen Bande der Verwandtschaft" in den engeren Kreis der alten Adelsfamilien aufgenommen werden.78 Doch auch hier handelte es sich um vorsichtige Öffnung des Patriziats, denn die Nachkommen der Magnatenfamilien gingen in der Heiratspolitik arbeitsteilig vor. Die erstgeborenen Söhne der reichen Florentiner, Sieneser oder Pisaner Patrizierfamilien fanden ihre Ehepartner zumeist im Kreise des hohen toskanischen oder eines anderen italienischen Adels. Charakteristisch ist etwa die Geschichte des Marchese Luigi Torrigiani, der sich — wie sein jüngerer Bruder Carlo mit Bedauern feststellte — nach „langem und brillantem Junggesellentum" 79 dem Willen seines Vaters fügen und 1844 eine prestigereiche Eheverbindung mit der aus Genua stammenden Marchesa Elisa Paulucci eingehen mußte.80 Die nachgeborenen Patriziersöhne dagegen heirateten oft Frauen aus jüngst nobilitierten toskanischen Wirtschaftsbürgerfamilien, nicht zuletzt deshalb weil sie finanziell sehr viel schlechter als ihr ältester Bruder gestellt und auf eine hohe Mitgift angewiesen waren. Die Töchter der Patrizierfamilien schließlich, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts kaum noch in das 77
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Vgl. zum wenig erforschten konservativen Adel die Studie von Arnaldo SALVESTRINI, II movimento antiunitario (1859-1866), Florenz 1965 sowie beispielhaft Roberto PETRICI, Cosimo Andrea Samminiatelli e il legittimismo italiano dell'età della Restaurazione, in: L'Ordine di S. Stefano nella Toscana dei Lorena, Rom 1992, S. 242-309. Gabinetto G.P. Vieusseux, Archivio Contemporaneo, Firenze, Carte Enrico Mayer 7: Carlo Torrigiani an Enrico Mayer, Firenze, 9.3.1849. Gabinetto G.P. Vieusseux, Archivio Contemporaneo, Firenze, Carte Enrico Mayer 7: Carlo Torrigiani an Enrico Mayer, Firenze, 5.3.1845. Gabinetto G.P. Vieusseux, Archivio Contemporaneo, Firenze, Carte Enrico Mayer 6: Carlo Torrigiani an Enrico Mayer, Firenze, 28.6.1844.
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Kloster zwingen ließen, gingen auch Eheverbindungen mit sehr reichen Bürgerlichen ein, die wiederum mit diesen Heiraten eine Nobilitierung vorbereiten konnten, weil die Gattin ansonsten ihren eigenen Adel verloren hätte. Ein typisches Beispiel für die Verbindung des alten Adels mit dem Wirtschaftsbürgertum stellt die Geschichte des Privatbankiers Michele Giuntini (1777-1845) und seiner Familie dar.81 In napoleonischer Zeit hatte Giuntini durch Immobiliengeschäfte und die Kreditvergabe an Florentiner Adelsfamilien ein großes Vermögen erworben, das er in der Restaurationsepoche mit Geschick in umfänglichen Grundbesitz, öffentliche Anleihen und die toskanische Strohhutproduktion investierte. Schon 1816 wurde Giuntini in den Adel der toskanischen Hauptstadt aufgenommen und heiratete 1817 die aus einer Florentiner Patrizierfamilie stammende Maddalena Guiducci, die Erbin des Vermögens der Pandolfini. Giuntini hatte seine Erhebung in den Adelsstand über einen längeren Zeitraum gezielt vorbereitet und schon in dieser Phase mit den Guiducci über den Ehevertrag verhandelt. Seinem Ersuchen auf Nobilitierung fügte er — wie die Patrizier in der Adelskommission bestens wußten — eine fiktive Genealogie seiner Familie bei, die ihm eine bislang verkannte patrizische Abkunft von einem (immerhin namensähnlichen) Ahnherren im Florentiner Priorat des Quattrocento bescheinigte.82 Die Nobilitierung konnte auf diese Weise in der Form einer legitimen „Wiederaufnahme in den Adel" erfolgen. Das eigentliche Motiv, so hoben die Patrizier der Adelskommission in einem internen Bericht hervor, bestand darin, daß Giuntini ein großes Vermögen zusammen gebracht hatte und seine Nobilitierung „eine günstige Konstellation" für eine der „jungen adeligen Damen" schaffte, denen es in Florenz an guten Partien gemangelt habe.83 Auch als nobile fiorentino betrieb Giuntini seine Bankgeschäft weiter, doch investierte er vermehrt in Grundbesitz, kaufte eine Villa in Fiesole und gründete schließlich eine Kommende des Stephanordens unter dem Titel eines Priorato di Urbino,84 Für seine Kinder, die er in den prestigereichen Adelsintematen in Prato und Siena oder im Istituto SS. Annunziata di Firenze erziehen ließ, arrangierte Giuntini ebenfalls Partner aus dem Florentiner Patriziat.85 Auf diese Weise knüpfte die Familie binnen zweier Jahrzehnte enge Verwandtschaftsbeziehungen zu den Velluti Zati di San demente, den Deila Gherardesca und den Degli Allessandri. Nach dem Tod Michele Giuntinis im Jahr 1845 kaufte dessen Sohn Guido einen repräsentativen Adelspalazzo in Florenz, investierte einer testa81
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Vgl. dazu Fabio BERTINI, Michel Giuntini. La carriera di un banchiere privato nella Toscana dell'Ottocento (1777-1845), Florenz 1994; ders., Nobiltà e finanza tra '700 e '800. Debito e affari a Firenze nell'età napoleonica, Florenz 1989, S. 251-255. BERTINI, Giuntini, S. 48-53. Ebd., S. 52. BERTINI, Nobiltà, S. 255; ders., Giuntini, S. 122-126. Vgl. dazu Silvia FRANCHINI, Élites ed educazione femminile nell'Italia dell'Ottocento, Florenz 1993, S. 166f.
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mentarischen Verfügung seines Vaters folgend den größten Teil des Bankkapitals in Grund und Boden und heiratete in die angesehene PatrÍ2Íerfamilie Strozzi ein, womit die Giuntini bereits in den 1840er Jahren, wie ein patrizischer Verwandter zufrieden feststellte, „eine Adelsfamilie wie alle anderen geworden" waren.86 In ganz ähnlicher Weise wurden, um ein weiteres prominentes Beispiel anzuführen, auch die Fenzi in das alte Patriziat integriert. Diese in napoleonischer Zeit reich gewordene Bankiersfamilie wurde 1826 geadelt und knüpfte dann binnen weniger Jahre Heiratsverbindungen zu den Patrizierfamilien Vaj, Della Gheradesca, Garzoni und den Corsini. Ebenso wie die Giuntini übernahmen auch die Fenzi den patrizischen Stil der Lebensführung, indem sie in Florenz einen Palazzo und vor den Toren der Stadt eine repräsentative Villa erwarben.87 Dem Muster der Fenzi und Giuntini folgend wurden die meisten der kapitalkräftigen Aufsteiger aus der Wirtschaft mittels Heiratsbeziehungen in das toskanische Patriziat eingebunden.88 Diese Integration stellt allerdings keinen Prozeß der Amalgamierung oder der Fusion dar, in dem soziale und kulturelle Unterschiede rasch nivelliert worden wären und die Familien aus den beiden Gruppen ihre vorgeprägten Konturen verloren hätten. Die Nobilitierten sahen durchaus keinen Widerspruch zwischen ihrer bürgerlichen Herkunft und der Zugehörigkeit zum Verwandtschaftsverband des Patriziats. Diese selbstbewußte Haltung dokumentierten etwa die Fenzi, indem sie für ihr Gentilwappen als Motiv eine Lokomotive und damit ganz bewußt ein Symbol für den technischen Fortschritt auswählten.89 Aber auch der alte Adel verlor durch die Öffnung keineswegs seine spezifische .Identität'. Das Patriziat hielt ungebrochen an seinem Stil der Lebensführung fest und setzte den Kult um die Genealogien 86
Covoni GIROLAMI, Ricordi, S. 82f.
87
Vgl. zu den Fenzi: Biblioteca e Archivio del Risorgimento, Archivio Fenzi 705476: Giuseppe Vaj an Carlo Fenzi, Firenze 1860 sowie Andrea GLUNTINI, Soltanto per denaro. La vita gli affari la ricchezza di Emanuele Fenzi negoziante banchiere fiorentino nel Granducato di Toscana (1784-1875), Florenz 2002; Mirella SCARDOZZI, Mestieri e famiglia a Firenze: un sondaggio sul censimento del 1841, in: Passato e Presente 13 (1995), S. 123-137, S. 129-130 und dies., Per l'analisi del ceto medio commerciale fiorentino nella prima metà dell'Ottocento, in: Quaderni Storici 24 (1989), S. 235-268; MORONI, Antica gente, S. 113ff.; Paolo Romano COPPINI, Il Granducato di Toscana. Dagli ,anni francesi' all'unità, Turin 1993, S. 407ff.
88
Dies gilt, um ein weiteres prominentes Beispiel zu zitieren, auch für die aus Frankreich in die Toskana eingewanderte Livorneser Unternehmerfamilie De Larderei. Nur wenige, zumeist in der Provinz angesiedelte Familien verzichteten - wie die Seidenunternehmer Scoti aus Pescia - auf eine Integration in die regionale Adelselite. Statt dessen setzten sie auf eine innovative Unternehmensstrategie und internationale Kooperation. Vgl. dazu Mirella SCARDOZZI, Francesco Larderei, un imprenditore dell'Ottocento tra „centro" e „periferia" dello sviluppo, in: Lucia Fratarelli Fischer/Maria Teresa Lazzarini, Il Palazzo De Larderei, S. 28-47 sowie Roberto TOLAINI, Filande mercato e innovazioni nell'industria serica italiana. Gli Scoti di Pescia (1750-1860), Florenz 1997.
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ROMANELLI, Famiglia e patrimonio, S. 9.
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der Familien fort. Die neuartige Adelskonzeption erlaubte es jedoch, die soziale Öffnung als notwendig und den ,Fortschritt' als Ergebnis der Geschichte des Patriziats selbst zu rechtfertigen.
5. Schluß Die Nobilitierungsspolitik der Habsburg-Lothringer führte in der Epoche des Risorgimento zu einer erheblichen sozialen Binnendifferenzierung des toskanischen Adels. Am Vorabend der Revolution von 1859 waren zwei sozial relativ unverbundene und sich feindselig gegenüberstehende Adelsgruppen mit unterschiedlichen Lebensstilen und Selbstverständnissen entstanden. Auf der einen Seite das um nobilitierte Aufsteiger erweiterte, grundbesitzende Patriziat, auf der andere Seite der von der habsburg-lothringischen Monarchie bevorzugte und auch zahlenmäßig durchaus relevante Beamtenadel. Über die kontrafaktische Frage, ob es allmählich zu einer Annäherung dieser beiden Gruppen gekommen wäre, wenn das Großherzogtum über das Jahr 1859 hinaus Bestand gehabt hätte und wenn Leopold II. seine Nobilitierungspolitik hätte fortsetzen können, kann nur spekuliert werden. Allerdings spricht vieles dagegen. Die Heiratskreise des Patriziats waren gegenüber den nobilitierten Beamten weitgehend geschlossen und der patrizische Liberalismus hatte eine ausgesprochen antibürokratische Stoßrichtung.90 Der Konflikt zwischen den beiden Adelsgruppen fand jedoch eine unerwartete Lösung, als Leopold II. 1859 auf Druck der Nationalbewegung in das Exil ging und die Toskana 1861 unter Führung des liberalen Patriziats an das Königreich Italien angeschlossen wurde. Der italienische König bestätigte zwar die habsburg-lothringischen Adelserhebungen, doch verfolgten die Savoyer eine Nobilitierungspolitik, die sich grundlegend von jener der toskanischen Fürsten unterschied. Den 700-800 Nobilitierungen im Großherzogtum Toskana standen 18 Adelserhebungen von toskanischen Familien im Königreich Italien in den Jahren zwischen 1861 und 1922 gegenüber.91 Dieses .Einfrieren' des toskanischen Adels auf dem Stand von 1859 legte die Grundlage dafür, daß es zu einem Ausgleich zwischen toskanischem Patriziat und dem Beamtenadel des Risorgimento kommen konnte. Den liberalen Patriziern gelang es in den Jahren von 1859 bis 1861, als Baron Bettino Ricasoli eine quasirepublikanische Interimsregierung führte, den zentralen Verwaltungsapparat der Toskana und die Lokalverwaltungen unter ihre Kontrolle zu bringen. Auf diese Weise sicherten sich die Patrizier wieder die lokale Vorherrschaft, die nun allerdings auf liberalen Prinzipien beruhte und
90
Zur Bürokratiekritik und zum politischen Programmatik des toskanischen Adelsliberalismus vgl. KROLL, Revolte des Patriziats, S. 202-250.
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JOCTEAU, Nobili, S. 25-26.
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durch die Zusammenarbeit mit den aufsteigenden Familien aus der Wirtschaft gefestigt wurde. Dieser Erfolg trug entscheidend dazu bei, daß der patrizische Adel auf lokaler wie regionaler Ebene auch in den kommenden Jahrzehnten die Führungselite stellte.92 Dagegen wurden die im Großherzogtum nobilitierten Beamten unter der Herrschaft des liberalen Patriziats in den Jahren zwischen 1859 und 1861 gezwungen, sich der nationalen Bewegung anzupassen. Mit erstaunlicher Elastizität gliederten sie sich seit 1861 auch in die neue Verwaltungselite des italienischen Königreichs ein.93 Auf deren Kooperation waren seit Mitte der 1860er Jahre völlig unerwartet auch die liberalen Patrizier angewiesen, denn im Gegensatz zu ihrer Hoffung, daß die Verwaltungsordnung des neuen Nationalstaates auf einem System lokaler Selbstregierungen der grundbesitzenden Schichten beruhen würde, erhielt das italienische Königreich eine zentralistische Administration mit einem Präfekturialsystem.94 Aus Sicht der gemäßigten Liberalen war eine solche unverzichtbar geworden, weil das parlamentarische Regierungssystem und die Autorität der Zentralregierung in Süditalien nur mit Hilfe von Gewalt und den drastischen Eingriffen der Präfekten durchgesetzt werden konnten.95 So wurden die liberalen Patrizier durch die italienische Nationalstaatsbildung, die sie nicht zuletzt im Kampf gegen den habsburg-lothringischen Staatsadel selbst angestrebt hatten, zu einem zunächst politischen und später auch sozialen Ausgleich mit den nobilitierten Beamtenfamilien gedrängt.96 Auch wenn die Geschichte des toskanischen Adels im italienischen Königreich noch nicht geschrieben worden ist, legt eine stichprobenartige Durchsicht der Genealogien im italienischen Adelsverzeichnis von 1922 den Schluß nahe, daß die Familien des Beamtenadels bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ebenfalls in den Verwandtschaftsverband des Patriziats integriert wurden und die beiden Gruppen zu einem einheitlichen toskanischen Adel zusammenwuchsen.97
92
Vgl. zur Toskana nach 1861 den Überblick von Giorgio MORI, Dall'unità alla guerra: aggregazione e disgregazione di un'area regionale, in: Storia d'Italia. La Toscana, Turin 1986, S. 3-88.
93
Vgl. KROLL, Revolte des Patriziats, S. 348-391.
94
Vgl. Arnaldo SALVESTRINI, I moderati toscani e la classe dirigente italiana (1859-1876), Florenz 1965.
95
Vgl. dazu Lucy RIALL, Sicily and the Unification of Italy. Liberal Policy and Local Power 1859-1866, Oxford 1998, S. 198ff. sowie Raffaele ROMANELLI, Il comando impossibile. Stato e società nell'Italia liberale, Bologna 1988, S. 19ff.
96
Vgl. dazu auch Thomas KROLL, Nobiltà e nazione: il caso toscano, in: Andrea Ciampani/Lutz Klinkhammer (Hg.), La Ricerca tedesca sul Risorgimento italiano. Temi e prospettive, Rom 2002, S. 27-42.
97
Vgl. Vittorio SPRETI, Enciclopedia storico-nobiliare italiana, Mailand 1928.
PETER MANDLER
The Fall and Rise of the British Aristocracy
In this essay I survey the fortunes of the British landowning class across the whole of the twentieth century. This has already been the subject of an 800 page book published over a decade ago by the eminent historian David Cannadine.1 My own treatment falls roughly into two parts: first, the part on which Cannadine and I agree, that is, the sharp decline in the fortunes of the British aristocracy in the first half of the twentieth century; second, the part where we diverge, what I consider to be the bizarrely under-noticed revival in landowning fortunes since the 1950s. I then conclude with some reflections on why this revival should have gone so nearly unnoticed. Why have we been able to overlook the fact that, while the .landed society' of one hundred years ago has disappeared almost entirely, its erstwhile leaders — the landowning elite — has survived surprisingly intact? The answer, I want to suggest, is that the members of that elite have managed to portray themselves as the ,stewards of the countryside' while all along they have been functioning better as the stewards of their own estates, which is something rather different. This behaviour is entirely consistent with the last thousand years of their history and yet for some reason it is still considered slighdy shocking to say so.
I
In the first half of the twentieth century, the long history of the British aristocracy did seem to be drawing gradually but remorselessly to a dismal end. The beginning of the end came really in the last two decades of the nineteenth century, when a protracted agricultural depression was triggered by an influx of cheap grain into Britain borne by railways and steamships from North America and Eastern Europe. This attack on the economic position of the landed elite was accompanied by a simultaneous attack on their social and political position by the advance of democracy. Landowners' control of both houses of Parlia1
David CANNADINE, The Decline and Fall of the British Aristocracy, New Haven/London 1990. The best extended treatment of this subject is provided by F.M.L. THOMPSON'S Presidential Lectures to the Royal Historical Society, which can be found in Transactions of the Royal Historical Society, 5th ser., 40 (1990), p. 1-24; 6th ser., 1 (1991), p. 1-20; 6th ser., 2 (1992), p. 1-23; 6th ser., 3 (1993), p. 1-22.
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ment was substantially weakened by the extension of the franchise in 1867 and 1884, by the removal of the House of Lords' veto in 1910, and then by universal male suffrage in 1918. Democracy further aggravated landowners' economic weaknesses by piling on punitive taxes aimed specially at the land - progressive death duties in 1894, and a whole host of land taxes in Lloyd George's famous People's Budget of 1909. Between the 1880s and the 1920s land nationalization was constantly under discussion, one of the few social reforms upon which all varieties of radical agreed.2 This seemed very perverse to landowners — why target in particular those formerly rich people (themselves) whose assets were declining in value when there were plenty of newly rich people available (shipowners, insurance brokers, bankers, international money men of all kinds) who could far more easily spare the extra tax — and who, being Jews and foreigners and other people without any domestic responsibilities, could be mulcted without harm to the traditional fabric of society. There was a lot of muttering of this kind in landed circles at the beginning of the twentieth century, but it was muttering more in sorrow than in anger, and it is noteworthy how muted their protests were, how willing they were to continue playing the long game, how few of them cut and run. There were, of course, a celebrated bunch of so-called .Diehards' who in 1910 and 1911 sought to mount a counter-revolutionary movement against Lloyd George and the Liberals. Earl Stanhope spoke foamily about the „historical analogy" with the English Civil War, the last time the Commons had dared to assert their independence of the Lords; the Earl of Meath predicted „the general destruction of society"; the Earl of Selborne insisted that „it is our business to save the Constitution from immediate overthrow". But their methods were hardly up to their rhetoric. „Lord Mowbray advocated abandoning traditional social intercourse, as well as ignoring parliamentary courtesy and precedent", the Diehards' chronicler tells us; Lord Hugh Cecil shouted at the Prime Minister during a Commons debate; some of the Diehards even contemplated resigning from the Conservative party (admittedly, something rather harder to do then than now). It is striking that only in defence of the union with Ireland - not in defence of their own political and economic privileges — did the Diehards match their rhetoric with serious moves towards civil disobedience.3 Nor did they abandon their landed positions. Many lesser landowners shut up their houses and decamped to smaller and cheaper quarters in London or Brighton or Biarritz. „Where are the village gentry?" asked one magazine article in 1902. Its author concluded sadly that they had drifted off to the „pleasure
2 3
Ian P A C K E R , Lloyd George, Liberalism and the Land, Woodbridge, Suffolk 2001. Gregory D. PHILLIPS, The Diehards: Aristocratic Society and Politics in Edwardian England, Cambridge, Mass. 1979, p. 1 1 3 , 1 2 7 , 1 3 8 .
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cities" of the coast.4 But this was hibernation rather than extinction. The houses remained intact and the estates, while sadly neglected, were unsold. Of course at the height of the agricultural depression it would have been difficult to find buyers. But even had there been buyers it would not have been easy to sell. Most agricultural land was tied up in settlements that constrained the freedom of the life-tenant to sell, and even after the relaxation of the legal position in the 1880s it was normally possible only to sell outlying pieces of land, not the core estate. Just before the First World War, the land market enjoyed a sudden up-turn. Pent-up desires to sell were released and in the five years to 1914 something like 800,000 acres changed hands. But even then, much of the sales represented a rationalization of the investment portfolios of super-rich landowners like the Dukes of Devonshire and of Bedford, who were hardly .selling out' but only diversifying their holdings, mostly by buying bonds. A lot of smaller landowners, who could have sold, did not. It is far from clear that many landowners had lost their confidence in .landed society', still less that they had lost their confidence in land.
II The First World War and its immediate aftermath did change things — but the question is, how much did they change? Despite their high death rates during the war, British landowners did not immediately appear afterwards to be losing the initiative socially and politically. The much-feared social revolution never came about. Even Lloyd George's Liberals were de-clawed and the interwar period was dominated politically by the Conservatives. Agricultural prices skyrocketed during the war and took a long time to come down again. The problem was that, although agricultural prices were soaring, rents were not - they were frozen during and after the war by government. This helps to explain the huge wave of land sales that swept over Britain in the years immediately after the First World War.,England Changing Hands' ran the famous headline in The Times, and indeed something like a quarter of the land of England changed ownership in the span of a few years. Nearly all of these sales went from landowner to tenant farmer. The tenants, after all, were flush with cash, having reaped the benefits of high food prices without having to pay high rents in return, and they used their cash to buy some of the land they had farmed. But once they had spent the money they had earned during the war, and as agricultural prices began to fall again, the land rush ended. Land sales trickled to a halt,
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[Lt.-Col.] D.C. PEDDER, Where are the Village Gentry?, in: The Nineteenth Century And A f t e r 5 1 ( 1 9 0 2 ) , p. 1 4 9 - 1 5 9 , v i g o r o u s l y d i s p u t e d by: W . G . WATERS/A.F.P. HARCOURT,
Where the Village Gentry Are, ibid., p. 411-420.
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even though rents remained low and stable. A quarter of the land of England was sold; three-quarters was not. This, then, was an incomplete changing-of-the-guard, and on the whole it was not a healthy state in which to leave the countryside. A portion of the tenantry had been able to climb up into the ranks of small-to-middling landowners, but the bulk had not. The great landowners were left clinging to the majority of their estates, but felt cheated because they had not been able to reap the benefits of high wartime prices except by selling out. And in fact the general mood of the aristocracy between the wars - despite having seen off Lloyd George and his land-grab — can best be described as a prolonged sulk. Though their friends the Conservatives were in power, they themselves did not seem to benefit. The Tory party had been taken over by parvenus like the Chamberlains — Birmingham industrialists - and, worst of all, Stanley Baldwin, a Worcestershire ironmaster who posed as a .countryman', with his endless speeches about „England is the country and the country is England". „Hypocrisy", blasted Country Ufe in 1928, „stupidity".5 Baldwin, it said, had deserted the countryside — or at least its traditional leaders. The working-class revolution had been defeated, to the benefit not of the landed aristocracy but only of the bourgeoisie, those „hard-faced men who look as if they have done very well out of the war".6 In these circumstances, though they clung to their land, the landowning elite was not inclined to cling any longer to .landed society'. The traditional rural structure began finally to collapse in the 1920s. In Nottinghamshire, for example, having for years resisted the exploitation of their estates for coal, Lords Manvers and Savile capitulated in 1920 and leased their mineral rights. Almost overnight an area once known as .the Dukeries', because dukes grew so thick on its ground, was handed over from agriculture and rural tourism to the extraction of coal. Thereafter the landlords' efforts focused on preserving the amenity of their stately piles. In 1923 Manvers and Savile made a joint agreement to ban colliery villages from the immediate vicinity of their own halls. Manvers forbade the colliery company to name their pit after his house, Thoresby, and then tried to ban steam emissions from the pulverised fuel plant nearby, manning the battlements himself with binoculars to monitor the situation. This was a lost cause — as the Duke of Sutherland had discovered just before the First World War on his Staffordshire estates, air and water pollution made it impossible even to maintain the illusion of country life once mining was permitted. Gradually the dukes abandoned the Dukeries; virtually no resident landlords remained by the outbreak of the Second World War.7 5 6 7
Country Life, 4 Feb. 1928, p. 124. Actually Baldwin's phrase, as reported by Keynes in The Economic Consequences of the Peace. Robert J. W A L L E R , The Dukeries Transformed, Oxford 1983.
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The Dukeries represents an extreme case, where, in fact, most of the landlords sold up their estates in the late 1930s because the nationalization of mineral royalties meant that not only position but also profit had been lost. In other areas, landlords withdrew socially and physically without necessarily selling out. Cheshire experienced a rapid haemorrhage of landowners in the 1920s, as country houses — though not the estates they sat on - were leased or sold to Liverpool and Manchester merchant princes, and their ancestral owners decamped to sunnier spots — including, famously, Lord Delamere, Lord Egerton and Sir Henry Delves Broughton to Kenya, where they formed the nucleus of the ,Happy Valley' colony of exiled aristos. There were so few resident landowners left in Cheshire that the Knutsford County Assembly, the traditional gathering point for the county's landed elite, held its last ball in December 1930. The new gathering point was the Cheshire Society, founded in 1914, which met in London, where far more Cheshire gents could be found between the wars than in Cheshire. Cheshire's experience was a common one for the North, the Midlands and the Home Counties, where a famous study by J.M. Lee documented the gradual collapse of landed social and political leadership between the wars. It was only in the more remote corners of England — especially the South-West, though also, interestingly, Oxfordshire — that Lee found the landed elite's social and political position to have survived relatively intact.8 Even in the further flung parts, however, there was a keen sense of a landed elite in confused and wounded retreat. To get a feel for this you need only pick up Winifred Holtby's wonderful posthumous novel of 1936, South Riding, actually based upon the East Riding of Yorkshire where her mother was a county councillor. Holtby sums up the plight of the resident gentry between the wars in the romantic figure of Robert Carne, handsome, anguished, plagued by high expectations and low income, always failing to cut the figure he would like. After 400 pages he tires of his responsibilities. „As eldest son, farmer, squire, husband, landlord, father, he had shouldered his obligations to other people." Now he has had enough. „Somebody else must mend the roof of Dickson's cowshed", he concludes bitterly. „Somebody else must restrain the High School goveners from indulging in extravagant new buildings. Somebody else must buy party frocks for Midge." (A pretty shrewd summation of the landowner's traditional responsibilities.) He decides to sell his estate and take up a job as a riding instructor in Manchester, which indignity he is spared by his creator, who kills him off a few pages later in a riding accident. In many similar situations, nonfictional owners retained their land and even remained in residence, but slowly abandoned their traditional functions — as county councillors and aldermen, as benefactors of local religious, educational and charitable institutions, even as preservers of local amenity. Cottages collapsed; hedgerows were left un8
J.M. LEE, Social Leaders and Public Persons: A Study of County Government in Cheshire since 1888, Oxford, 1963.
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trimmed; roads were not maintained; in short, no-one mended the roof of Dickson's cowshed. The countryside lost the trimness and neatness that it had acquired in the eighteenth and nineteenth centuries and took on a fuzzy, dilapidated appearance. One might even say that some of the characteristics of the countryside about which post-war memoirists were so nostalgic - the drowsy, backwoods, half-civilized qualities of .pleasing decay' — were artefacts of interwar neglect that would not have been found half a century earlier. One visitor to Burghley House noted as early as 1926 that „the silken brocades and carpets [are] sadly faded", but this „makes it more romantic — a dream house". He excused the neglect on the grounds that „the family are poor", though this doesn't actually square with the true story of the Marquesses of Exeter and the house is today still in private ownership and occupation, and slowly emerging from its stagnant period into a full blossoming of its beauties.9 .Poverty' — or, at least, poverty comparatively speaking - does explain some but not all of the interwar retreat of the landed elite. As we have seen, owners had taken advantage of the immediate post-war opportunity to sell some land in order to rationalize their estates, and in the process had realized a good deal of capital. Most of that capital was transferred to diversify owners' portfolio of holdings rather than reinvested in agriculture. The land that was retained was, it seems, increasingly viewed as a sleeping asset — not worth developing at present but as ever worth holding onto in the long-term. (This attitude helps to explain why rents remained low even after wartime controls were finally lifted — rent increases could only have been justified by a renewal of landlords' traditional responsibilities for investing in major improvements, which they wouldn't or couldn't now contemplate.) So even in cases where money was decidedly not in short supply, landowners were detaching themselves from landed society — from agriculture and local position - yet not from the land. If poverty alone does not explain this retreat, what does? Partly it reflects the increasingly hard-headed view of their assets that we saw already before the war in the actions of bellwether aristocrats such as the Dukes of Bedford, Westminster and Devonshire who diversified out of land into stocks and shares. Beyond this, however, we can see the beginnings of a major re-definition of what it meant to be an aristocrat. The historic understandings — that an aristocrat was a person of substantial local and national social and political standing, which derived from his holdings of agricultural land — had been fatally undermined by fifty years of agricultural change and political and social critique. Whereas before the Great War, and to some extent after, this loss of historic position had been met by bewilderment and sulking, some pioneers between the wars began to work on positive new roles. To be success-
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Alan Houghton BRODRICK, Near to Greatness: A Life of the Sixth Earl Winterton, London, 1965, p. 211; Victoria LEATHAM, Burghley: The Life of a Great House, London 1992.
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ful these new roles required aristocrats to abandon or disguise those older functions that had exposed them to attack. To a great extent, therefore, the new roles were lower-profile or at least more sensitive to and solicitous of public opinion. As that public opinion was by now largely urban, little was to be gained by continuing to fulfil traditional rural functions — and something might even be gained by abandoning them, if they appeared anachronistic or unpleasandy feudal to urban observers. What were these new roles? On the whole, they were urban roles, and thanks to the motorcar it was now even easier than it had been in the age of rail to live a full London life and to treat the country house and its estate as a weekend retreat. One of the new roles was that of the ordinary very rich person who happened also to own a good deal of land. This role had already been pioneered in the late nineteenth century by the growing number of aristocrats who took up directorships and partnerships in City firms and who joined Lloyd's syndicates in search of occupations more profitable than that of farmer. For economic as well as cultural reasons, this recourse became if anything more attractive in the mid-twentieth century. One of its further attractions was its invisibility — compared to landlords and industrialists, City gents were among the most inconspicuous rich people in Britain. Another, riskier new role was that of the rich celebrity who did not shirk but attracted attention by appearing regularly in the gossip columns by doing particularly outrageous or creative things. Here the aristocracy had an advantage over the other, newer classes of celebrity — film stars, sporting heroes, adventurers — in that they had already been appearing in gossip columns literally for centuries. Previously, however, they had featured most prominendy for their social and sexual escapades; now they had to compete with the new celebrities in feats of daring or in setting trends and fashions. This was exactly what the so-called „Bright Young Things" — young aristocratic party-goers of the 1920s - did so successfully. Lady Diana Cooper, daughter of the Duke of Rutland, toured the world playing the Madonna in Max Reinhardt's production of The Miracle. The role in this mime required no acting skill, only, as Lady Diana's biographer observes, „beauty, dignity and a capacity to stand stock-still for long periods while commanding the attention of the audience", just the characteristics bred into aristocratic women for generations.10 The Earl of Warwick tried to do her one better, signing a film contract with MGM in 1936; he was released a year later: „They said I was not the type."11 But such antics were beginning to build up a new image of the aristocracy, modern, glamorous, irresponsible and a lot of fun.
10 P. ZlEGLER, Diana Cooper, Harmondsworth 1983, p. 152. 11 Andrew BARROW, Gossip: A History of High Society from 1920 to 1970, New York 1978, p. 87.
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As early as 1924, Christopher Hussey, squire and future editor of Country Life, saw which way the wind was blowing. The old-fashioned landowners were dying out, he mourned, and in their place was appearing „the ,fashionable' apt to think mainly of the superficial advantages of their position [...] the decadent element", who, he complained, spent too much time in London and when they were in the country thought only of sport: hunting, shooting and fishing. „The true landowner is too busy to hunt or shoot often. It is only the parvenu or the decadent youth who sees in sport the supreme purpose of country life; yet this is the type of person who is gradually succeeding to the famous estates of the country."12 The older generation naturally agreed; men like the Earl of Crawford knew no other mission for the aristocracy than the traditional one and felt that the deviations of the youth only undermined the position of their class. „The vile social columns of the Mail and Mirror and Express describe day by day the extravagance and vulgarities of the smart London set — a positive disgrace", he wrote in 1932, noting the advent of a phenomenon that continues astonishingly unchanged to this day. It made him even angrier that the most prominent figures in the smart London set weren't even top aristocrats but only „second-rate people [...] Yet the blame for these things, the boastful record printed week by week by déclassés like [Lords] Donegall and Castlerosse, is meted out to innocent groups in the community. The Sunday papers describing the doings and witticisms of the smart set provide the Socialists with their most telling arguments when they denounce the idle rich and contrast this pursuit of costly pleasure with the grinding poverty of the unemployed."13 Here Crawford was almost certainly wrong. In 1932 wealth of any kind was in a sensitive spot. But from a public relations point of view, it was actually better for landowners to be seen cavorting in London cocktail parties with jazz musicians and theatrical impresarios than lording it over their dependants in the countryside. By the time of the Second World War, then, the British aristocracy in its traditional positions and functions that had been familiar for a thousand years had undoubtedly suffered a mighty fall. It had lost about a quarter of its land but much more of its landed status and responsibilities. While some younger sprigs had begun to carve out new roles in town, the class as a whole was widely regarded as rather like a beached whale, its former majesty humbled, paralysed, incapable, with only a gently rotting future ahead of it. It remains now to consider how far what followed in the second half of the twentieth century can reasonably be described as a ,rise'.
12 Christopher HUSSEY, The Decay of English Country Life, in: Quarterly Review 241 ( 1 9 2 4 ) , p. 3 2 9 - 3 4 1 .
13 John VINCENT (ed.), The Crawford Papers: The Journals of David Lindsay, 27th Earl of Crawford during the years 1892 to 1940, Manchester 1984, p. 544.
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III First of all, did the Second World War have the same effect as the first in triggering a further rush of land sales? Did another big chunk of England change hands? It would be natural to assume that it did. During the Second World War the land market was much more active than during the first. Because food prices rose again and rents were again frozen, tenants had the same incentives and ability to buy that they had enjoyed after the last war. Because in the second war not all war-deaths were exempt from inheritance taxes (as they had been in the first), and because the rates were very much higher (65% vs. 15%), owners had a much greater need to sell. After the war, tax rates rose still further, death duties to 75%. Hugh Dalton, who was first Chancellor of the Exchequer and then Planning Minister in the post-war Labour government, was determined virtually to nationalize the land, although he did not mind whether it ended up in the hands of the National Trust or the government. His creation of the National Land Fund and of the National Parks were first steps towards this goal. Land which remained in private hands was under the terms of the 1947 Planning Act semi-nationalized as theoretically any improvements' — that is, development — upon private land were taxed at 100%; in short, you could continue to own land privately but you could not make a profit from developing it. It would be natural to assume from this state of affairs that England continued to change hands after the war. That is the assumption that Cannadine made in arguing, as he saw it, that the British aristocracy's decline and fall accelerated across the twentieth century. „The trends were clear", he wrote: „essentially, an intensification of those that had been so pronounced in the aftermath of the First World War. Many small and middling families gave up completely, and even the greatest grandees were obliged to sell parts of their most cherished heartland properties. By 1950, probably one-half of the farms of England and Wales were owner-occupied — the highest percentage in modern history. [...] So great were the depredations, and so depressed were the conditions, that nonagricultural assets also went under the hammer in unprecedented amounts: works of art, town houses, and especially country houses [...] between 1945 and 1955, 400 country houses were demolished, more than at any other period of modern British history."14 But I would argue that this analysis is wrong and that the evidence is being misinterpreted. The aftermath of the Second World War did not witness „an intensification" of the trend towards land sales. Land sales after the Second World War were fewer and slower. As far as I can tell, the proportion of acreage that was owner-occupied — that is, mostly owned by former tenants rather
14 CANNADINE, Decline and Fall, p. 642.
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than great landlords - increased only from 36% in 1927 to 38% in 1950.15 Land sales did continue into the mid-1950s, but not as Cannadine says at an accelerating rate, and the most thorough study has concluded that it took ten years after the war for total land sales to reach the level they had attained in three years after the First World War.16 And by the mid-50s, land sales slowed to a comparative trickle. It is true that the proportion of owner-occupied land eventually reached 50% — in 1960, not, as Cannadine says, in 1950.17 But by 1960, the rise of owner-occupation does not, as it had done earlier in the century, imply sale of land from great landowners to tenants. To the contrary: every indication we have is that in the 1950s the tendency was for great landowners to occupy their own lands, „to take them in hand" as the terminology has it, and to begin farming the land themselves. In other words, the continuing rise of owner-occupation in the 50s — and 60s and 70s — may betoken a return to the land by the British aristocracy rather than an accelerating desertion. Why might this have been? It reflects more hard-headed calculation about how best to hold capital assets. Agriculture began to look like good business again in the 1950s. It did not take long for the post-war Labour government to see that land nationalkation raised far more questions than it provided answers. A conscious policy decision was taken in the 1947 Agriculture Act to encourage private fanning but, so as not to reward unduly the great landowners, to provide the incentives principally to owner-occupiers. This had the perhaps unexpected effect of encouraging landowners to farm rather than to rent. When the Tories returned to power in 1951, this policy line was extended. Price supports and import restrictions raised farming income. And in 1958, for the first time in about a century, legislation began to shift the balance of power back from tenant to landlord by giving landlords more power over the disposition of their tenancies. This again encouraged landlords to resume direct control of their farms. By the end of the 1950s, agricultural landownership was very much back in fashion: real farming income was up by 10% and, although rents were still stagnant, more landowners were reaping the benefits because more landowners were themselves becoming farmers.18 If the benefits of landownership had amounted only to a 10% increase in real income over the 1950s, then we could hardly speak of a ,rise' of the aristo15 This is a matter of some confusion. Howard NEWBY, Green & Pleasant Land: Social Change in Rural England, London 1985, p. 40, says correcdy that 36% of farmland was owner-occupied in 1927 and later on the same page implies incorrectly that the figure was only 28% in the same year. This latter error is then picked up (and garbled further) by CANNADINE, Decline and Fall, p. 657, to exaggerate the shift between 1927 and 1950. 16 Heather A. CLEMENSON, English Country Houses and Landed Estates, London 1982, p. 111-13. 17 CANNADINE, Decline and Fall, p. 642; CLEMENSON, English Country Houses, p. 115. 18 Peter SELF/Herbert J. STORING, The State and the Farmer, London 1962, p. 67-71, 8183.
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cracy after the Second World War. But this trickle of income was only one, early encouragement. Far more important over the long-term was the dramatically appreciating value of land as a capital asset. Again the trend had begun under the Labour government, when, in the 1949 budget - Hugh Dalton having been replaced as Chancellor by the surprisingly less militant Sir Stafford Cripps - a 45% death-duty abatement was offered on agricultural land. After 1949, in other words, agricultural land was the very best asset a rich person could hold in terms of death-duty liability. Again the Tories radically extended this policy while in government after 1951. As is well-known, the Tories left intact most of Labour's post-war nationalizations. What is rarely acknowledged is that the most significant privatisation of the 1950s was that of land. The 100% tax on development gains was abolished in 1953 and the right of central government to acquire undeveloped land below market rates was abandoned in 1958. Consequendy by the end of the 1950s the land market had been effectively deregulated. Of course the planning machinery remained in place, so that freedom to develop was not restored, but where development or sale was permitted, the owner was able to reap the full benefit. 19 That full benefit was by the 1960s becoming very full indeed. Land values soared in the 1950s — moving well ahead of inflation — and then skyrocketed in the 1960s. In the first half of the 60s alone, land prices doubled.20 This happened for reasons that had little to do with agriculture or with the countryside proper. The main driver — apart from the sudden deregulation of the land market — was the baby boom. As late as the late 1940s, planners had looked forward to a stable or even shrinking population and thus only moderate demand for new housing. Their predictions were quickly falsified — population grew robusdy in the 1950s and early 60s. The effect of the baby boom on the housing market was intensified by a revolution in attitudes to housing. People now expected room to breathe: separate bedrooms for the children, a separate flat or even a house for granny. They also expected new houses with indoor toilets, gas and electricity, modern appliances, central heating. There ensued the razing of vast acreages of Victorian housing in the inner cities. To some extent that Victorian housing was replaced by more densely populated tower blocks. But the tower-block image of post-war housing has been grossly overdone. Almost two-thirds of all publicly-built housing in the great age of public housing, 19451979, took the form of low-rise cottage-style buildings in suburban settings, a lot of that on greenfield sites.21 Over the same period, of course, almost all privately-built housing took the same form. And since 1979, the drive to build 19 Andrew Cox, Adversary Politics and Land: The Conflict over Land and Property Policy in Post-War Britain, Cambridge 1984. 20 Doreen MASSEY/Alejandrina C A T A L A N O , Capital and Land: Landownership by Capital in Great Britain, London 1978, p. 3. 21 Miles GLENDINNING/Stefan M U T H E S I U S , Tower Block: Modern Public Housing in England, Scotland, Wales and Northern Ireland, London 1994, p. 2.
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more cottage-style (or, increasingly, manorial) new private homes on greenfield sites has accelerated much further. Subject always to planning restrictions, the development of former agricultural land for new housing has since the 1950s represented a bonanza for agricultural landowners — a seemingly inexhaustible supply of fresh capital, realizable in small chunks when needed to augment the gently increasing income that could be derived from agriculture. In 1965, when Burke's Landed Gentry appeared triumphandy in a new edition that many people had doubted would ever see the light of day, it quietly crowed, „The Landed Gentry has not just survived, it has recovered. At the end of the last war, it seemed most unlikely that great houses would be lived in again. In the early nineteen-thirties, land was a liability rather than an asset [...] The general opinion was that land would never recover. [...] However many estates may be sold each year at the present time, it is doubtful if the number is anything as great as it was in the early nineteenthirties. Those who had faith in the future and kept their land, perhaps at a considerable sacrifice, have been extremely well-rewarded. To-day, with land worth £200 an acre, the owner of a 5,000 acre estate is a millionaire."22 That kind of admission is unusual. On the whole, spokespeople for the landed interest did their level best to hide their good fortune under a bushel. It is notable that when soaring land values became a political issue around the 1964 general election, and after, aristocrats were not generally speaking the target. The new bad guys were London property developers, many of them Jewish — Charles Clore, Harold Samuel, Joe Levy, Harry Hyams — who made much better targets for public anti-landlord campaigns in the 1960s than mouldy old aristocrats.23 Here we have one of the first indications of a more-or-less conscious strategy on the part of great landowners to portray themselves as yesterday's men, in order to shift radical attention to other, more thoroughly modern millionaires. This is not to suggest that the aristocracy was completely out of the woods by the 1960s. The anti-landlord measures which the Wilson governments brought in, as a result of public outcry against London property developers, hit aristocrats as much as they hit their ostensible targets. In 1965 a new assault was made on capital values in the form of Capital Gains Tax. In 1967 Labour attempted to reintroduce the development charge — this time at 50% rather than 100% - though again the charge was repealed by the Tories, in 1971. Finally, in the last Wilson government of 1974-6, the crisis came to a head. Up to 1974 the welfare state had made substantial gains in redistributing income, but since the failure of Dalton's schemes after the war it had hardly put a dent into
22 Mark BENCE-JONES, The Trust of Landowning, in: Burke's Landed Gentry, ed. Peter Townend, 18th ed., vol. 1 (London, 1965), p. xviii. 23 Christopher BOOKER/Candida Lycett GREEN, Goodbye London: An Illustrated Guide to Threatened Buildings, London 1973.
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the maldistribution of wealth. Now Labour was determined to have a go at wealth. It put forward proposals for a Capital Transfer Tax that would once and for all kill off the delicate legal techniques for the evasion of death duty, which landlords and other millionaires had been refining ever since Harcourt had imposed the progressive death duty in 1894. If the confiscatory death duty rates of 75% and higher had actually been levied at every generation, then the great estates would have been broken up completely long ago — but they weren't and they haven't. One study found that, in the first sixty years of the progressive death duties, 15% of great estates had never been charged and the average estate had been charged only once, early on, when rates were low.24 This is not to deny that some estates have been very unlucky and that some very large sums have been paid over in death duty — but the overall situation cannot be judged on the basis of a few purportedly exemplary scare stories. Many tax experts persist in beKeving that death duty is a largely voluntary tax. Labour brought in its proposals for Capital Transfer Tax precisely because death duty had been systematically avoided. At the same time it floated the idea of a Wealth Tax that would regularly nibble away at concentrations of wealth in between those rare events of transfer or death. What happened to CTT and the Wealth Tax? They went nowhere. Further, they may have had the reverse of the desired effect, for they were partly responsible for discrediting the Labour government and ushering in eighteen years of tax-cutting Conservative governments. From the point of view of the aristocracy, what is interesting about the CTT and Wealth Tax episode is how it represented a further stage in the rehabilitation of the aristocracy's public image. In the political crisis of the mid-60s, the aristocracy had laid low and on the whole escaped the whipping, which the property developers took. In the political crisis of the mid-70s, the aristocracy were emboldened to come forward and actually to seek the public's sympathy. A very sophisticated landowners' lobby masterminded a campaign in 1974-5 to portray the great landowners as poverty-stricken caretakers of the national heritage. The effect of CTT and Wealth Tax, it was argued, would not be to help the public interest by redistributing wealth but only to hurt the public interest by breaking up country-house collections which would be sold abroad. It was a neat trick to convince people both that owners were poor and that they would be hit hard by a Wealth Tax, to everyone's detriment. It was a neat trick that worked. The Historic Houses Association collected over one million signatures for an anti-tax petition. A united front was constructed from landowners' organizations, the art and antiques lobby, and tourism authorities. Under pressure, the government caved in, and country-house owners were given special exemptions from CTT. The Wealth 24 D.R. DENMAN, Estate Capital: The Contribution of Landownership to Agricultural Finance, London 1957, p. 121-123.
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Tax idea evaporated.25 Soon enough, Conservative governments had scaled down death duties to the historically low level of 40%. Today — although agriculture is in real crisis — great landowners have in other respects a financial position better than at any time since the depression of the late nineteenth century. Their land is worth millions. Subject to planning permission, they have the right to develop it, and to reap the full profit. They are no longer seen as enemies by the mass of the people, nor as targets for political or economic retribution, except perhaps in their relatively minor role as fox-hunters. In fact, except when they wish to be, they are no longer seen at all.
TV This brings me to my final main question: what is the role of the aristocracy today? It is of course surprising and significant that they have any role to play at all. Considering the obsequies pronounced upon them after both world wars, and the widespread conviction today that they have pretty much disappeared except as tour-guides for stately homes, the survival of the great landowners is nothing less than astonishing. According to the most systematic modern census of English landowning, undertaken by Heather Clemenson in 1982, half of the families owning very large estates in 1880 - over 10,000 acres — still held the core estate more than a century later. Even in the next category down, estates over 3,000 acres, a third of the historic owners still held the core estate. Though of course in most cases the acreage held has been very substantially reduced, the value in real terms of the remaining land must nearly always have been much greater than it had been in 1880. And if you count those new private owners who bought core estates from their historic owners — the ,new gentry', mostly created before 1920 — then more than half of all great estates survived into the late twentieth century. So we still have with us something like half of our landed aristocracy — a virtually unique feature in the European landscape. What is their place in modern British society? On the assumption that few exercise any longer the traditional paternal role in a dependent, hierarchical rural society, we must look to those new roles pioneered between the wars. The pages of Hello magazine testify eloquendy to the fact that some aristocrats are still performing to perfection the role of celebrity, fully able to compete with the sporting folk and the film and pop stars. There has, in fact, been some interbreeding between those classes. Popular musicians - Sting, Elton John, Andrew Lloyd Webber and the late 25 Patrick CORMACK, Heritage in Danger, London 1976; William PROBY, The Fiscal Climate for Country Houses since 1965, in: Apollo 130 (1989), p. 404-406.
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George Harrison amongst others — have bought country houses if not estates. The satirist and telejournalist David Frost has married into the family of the Duke of Norfolk. The Queen's granddaughter Zara Phillips has recently set up house with Richard Johnson, one of the leading British jump jockeys. Nevertheless, one shouldn't pin too much on these highly visible but unrepresentative figures. Far more common is the other modern role — that of the very rich person who happens to own a lot of land. The generation that inherited estates after the Second World War were different from their parents. Born at a time when traditional aristocratic society was already decomposing, they had mosdy grown up expecting to pursue a profession either instead of or alongside landownership. When they came into possession of estates in 50s, 60s and 70s, they had a range of administrative, entrepreneurial and moneymanaging skills that allowed them to put these appreciating estates to good use and in fact made them better custodians of the long-term family interest than their besieged parents had been. If one looks, for example, at a few of the aristocrats who in the 1950s were pioneers in opening their stately homes on a commercial basis, one should not be surprised to find that Lord Montagu of Beaulieu had trained as a PR man in an advertising firm, Lord De L'Isle of Penshurst was a chartered accountant, and the Duke of Bedford worked as an estate agent, as a journalist on the Sunday Express and as a commercial farmer in South Africa before returning to England to put Woburn Abbey back on its feet. More typical, naturally, are the large numbers of landowners who still work in the City and who most of the time remain totally invisible to the general public. More still focus their energies on the development and diversification of their estates, even, when times are good for agriculture, as farmers, although that is no longer the sole or even the main recourse of the modern aristocrat. It is now possible - as it was not a few generations ago — for such modern aristocrats to travel incognito. That is, no-one need know that along with their cutting-edge profession they carry an estate and a tide. Aristocrats even in the most public of positions, if they choose not to flaunt their tide, can assume it will go unnoticed. Until he stood for the Tory party leadership in 2001, few knew that Michael Ancram was in fact the Earl of Ancram, heir to the Marquess of Lothian and a large Scottish estate. He is publicly identified as an MP, as a barrister, even as a .company director' (including of .agricultural firms') his aristocratic tide is, at worst, a curiosity. Many - if not most - aristocrats today prefer this policy of anonymity, partly as a carry-over from the last generation, when much public opprobrium was focused on great landowners and it was safer to lie low. But there is one other role for the modern aristocrat that ought to be mentioned which, like that of the celebrity, demands a high public profile: the role of the steward or trustee of the national heritage. This is probably the role, which the general public thinks of whenever — and it is not often — the question of the British aristocracy comes to mind. It's a role about which the aristocracy themselves have always
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been ambivalent. Until the Second World War, they tended to reject it, for it infringed too much on the rights of private ownership. The landowner was not a steward or a trustee for anyone but his own family. To admit that the nation as a whole had any share, however theoretical, in the houses and the estates of the landed aristocracy would be to lend aid and comfort to the nationalisers and confiscators. This line of thinking was responsible, for example, for the almost total resistance before the Second World War to the National Trust's scheme to take over country houses. After the war, however, some advocates for the landowners' interest began to see that stewardship or trusteeship was the only basis upon which owners could afford to keep their large country houses and art collections. People like Christopher Hussey of Country Life and James LeesMilne of the National Trust argued strenuously and farsightedly that a recognition of public interest in houses and collections as ,their' national heritage might help owners to attract government grants and reliefs. To build public support, they set out to paint a picture of penurious but benevolent landlords, devoted to the upkeep of their cultural treasures and eager to share them with the masses to whom those treasures also (metaphorically) belonged, but requiring fiscal concessions in order to fulfil this crucial national function. And in order to fend off the nationalisers, they made another key contention — that the house, its collections, the estate on which it sat, and its historic owner formed a ,unity' which could not be broken without losing also the ,soul' of the national heritage. It was not enough to save the country house and its collection, the public had to save the owner and his landed estate as well.26 In the long term, this strategy was a success, so far as building public support goes. Grants and tax concessions began to be doled out from 1953 and climaxed in the crisis of 1974-5 when special exemptions were won from Capital Transfer Tax and the threat of the Wealth Tax was beaten off. Today the public probably does think of aristocrats as, principally, country-house owners who are trustees of the national heritage. Most aristocrats, however, continue to consider themselves as trustees only for their own long-term family interests, and particularly for family ownership of the land. The idea of the ,unity' is attractive not because the estate supports the house but because the public image of the house can now support the estate. As evidence for this contention, consider the pattern of country-house demolition. As mentioned earlier, the period after 1945 saw an unprecedented level of country-house desertion and demolition, a fact that Cannadine tried to use to support his argument for aristocratic decline. But it testifies more to the priority owners gave to the land. Where the house threatened to undermine the prosperity of the estate, the house had to go. Landownership has thus survived better than homeownership. While more than half the great landowners still own all or part of their core estate, less than a third still possess the main house; 26 Peter MANDLER, The Fall and Rise of the Stately Home, London, 1997.
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it has been sold off separately, or demolished, or handed over to the National Trust or some other public body, while the lands are so far as possible retained. The same applies even more powerfully to collections. As the Earl of Lichfield has said, when asked why he retained his estates while selling off his collections and handing over his house to the National Trust, „I fought to keep the land. One can replace pictures, never land."27 It is perfectly true, as Lichfield went on to say, that the land is crucial in underpinning houses and their contents. To save the house in private ownership, you need the land. But it is also true that many aristocrats consider the land a higher good in its own right. In Lichfield's case, the estates remain in the family's hands without the house or its contents; the .unity' has been sacrificed for the sake of the land. This is not an uncommon decision. Until the 1960s, owners continued to demolish their houses often on the basis of a strict economic calculation. The Duke of Westminster, for instance, the richest man in Britain, demolished one of the largest and most elaborate Victorian houses ever built Eaton Hall, in Cheshire — and erected in its place a smaller glass and steel structure that was far cheaper and more convenient to maintain. The Duke of Westminster is one of several very rich aristocrats who do not open a country house to the public. The Historic Houses Association represents 1500 owners of houses, only 350 of which are open regularly to the public. The HHA says it assists private owners to maintain their houses „for the benefit of the nation and for future generations", but whose future generations are in question, the nation's or only the owner's? Most owners, who do open, do so because it makes them money, government grants as well as entry fees. As Lees-Milne said sadly in 1968, „In house opening money is ninety-nine times out of a hundred the prime motive."28 Most of those pioneers who fought so hard — often against the better shortterm judgement of their trustees — to save their country houses from demolition in the 1950s did so not because they wanted to preserve the heritage for the people but because they wanted to preserve the house for the family and for the estate. The Duke of Bedford said to his trustees that „the whole future of the family, and indeed its right to exist in the second half of the twentieth century, was bound up with the reopening of Woburn". 29 The Marquess of Hertford said he would rather demolish Ragley than hand it over to a public body — and used this threat to extort a grant out of government even though he
27 Robert HARLING, Historic Houses: Conversations in Stately Homes, London 1969, p. 180. 2« James LEES-MILNE, Don't Kill the Goose, or Hints to Owners, in: Historic Houses Castles and Gardens in Great Britain and Ireland, London 1968, p. 3f. 29 John DUKE OF BEDFORD, A Silver-Plated Spoon, London 1959, p. 195.
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didn't qualify under the existing means test. Lord Hertford, too, had had a prior career in PR - which he put to good use.30 The high-profile owners who do open perform an invaluable service to the majority who do not. They keep the trusteeship notion alive. As one journalist wrote shrewdly a few years ago, „the older aristocracy" have always understood that „to be secure at the pinnacle of privilege it is essential to keep open house — if only to hear the tumbrels before they arrive at the door."31 This visibility allows everyone else to remain invisible, secure in the tenure of their houses and estates. They help support a public image of the aristocracy as humbled, down-at-heel, practically civil servants. More positively, those who have become professional heritage guardians have in the current generation developed a more genuine and deeper knowledge of their possessions, and fostered the same in the public. What began for many as a ruse or a dodge or a measure of desperation has inevitably matured into a cause, even a way of life — a hint, perhaps, of further adaptations to come. From the very beginning of the twentieth century, the British aristocracy wisely chose not to stand and fight to preserve its political power or the traditional framework of landed society, or even to preserve agriculture. But neither did it run. It retreated into its landed bunkers, rethought its strategy, and came out slowly and meekly, showing the world what was tactful and tasteful to show, nothing more. This is the principal reason why we have come to believe in the story of „the decline and fall of the British aristocracy": it is the story most aristocrats want us to believe. In a 1997 BBC television series („Aristocracy"), the Duke of Devonshire gave an animated response to an interviewer's bland question about the future of his class. Two words summed up the future of the British aristocracy, he insisted, only two words - „spent force". A wise historian would counter with another two words — „not yet".
LORD MONTAGU OF BEAULIEU, The Gilt and the Gingerbread, or How to Live in a Stately Home and Make Money, London 1967, p. 197. 31 Martyn HARRIS, When the Queen Opens Her Front Door, in: Daily Telegraph, 5 May 1993. 30
CLAUDE-ISABELLE BRELOT
Das Verlangen nach Adel und Standeskultur im nachrevolutionären Frankreich1
Aus dem Blickwinkel der Adelsgeschichte erscheint die französische Situation nach der Revolution besonders einzigartig.2 Die Revolution hatte in Frankreich eine einmalige Erfahrung bürgerlicher Gleichheit hervorgebracht: 1789 wurden die Privilegien abgeschafft, und 1790 brachte den Untergang des zweiten Standes. Zwischen den Landunruhen der Grande Peur und 1794 versuchte die Revolution die Schlösser aus dem französischen Landschaftsbild zu tilgen, und mit der Beschlagnahme der Güter der Emigranten brachte sie teilweise die Enteignung. Von da an besaß das nachrevolutionäre Frankreich einen Adel ohne Privilegien. Die sukzessiven Restaurationen des Königtums führten zu keiner wirklichen Restauration des Adels. Die französische Ausnahme vom kontinentaleuropäischen Muster, die auf einer radikalen Gleichheitserfahrung aufbaute, bedeutete zugleich die paradoxe Versöhnung von bürgerlicher Gleichheit und Titelkonzessionen, die mit keinem Privilegium verbunden waren. Der Adel wurde zwar aus den gesellschaftlichen Institutionen ausgeschlossen, aber nicht aus dem sozialen Gefüge: Im Gegenteil blieb er darin als „soziale Realität"3 eingeschrieben. Außerdem wurde das Gleichheitsprinzip von dem realen Zustand der Gesellschaft um 1800 widerlegt: Die hohen staatlichen Würdenträger („notables") zu Beginn des Jahrhunderts stammten mehr als zur Hälfte aus dem Adel. Was die Entwicklungslinien des Bürgertums betrifft, so weisen sie ein „Defizit an sozialer Identität" auf. Bürgerlichkeit stellt nur eine „Ubergangsidentität" dar, einen Zugangsweg zum Leben der besseren Gesell-
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Für die freundliche Unterstützung bei der Übersetzung des vorliegenden Textes bedanke ich mich herzlich bei Michael Werner. Arno J. MAYER, Adelsmacht und Bürgertum. Die Krise der europäischen Gesellschaft 1848-1914, München 1988; David HIGGS, Nobles in Nineteenth-Century France. The Practice of Inegalitarianism, Baltimore/London 1987, S. 287; Suzanne FIETTE, La noblesse française des Lumières à la Belle Époque, Paris 1997; Claude-Isabelle BRELOT, Les noblesses françaises (XIXe-XXe siècles), Paris 2004 (im Erscheinen). Adeline DAUMARD, Diversité des milieux supérieurs et dirigeants, in: Histoire économique et sociale de la France, hg. v. Fernand Braudel/Ernest Labrousse, Bd. III/2: L'avènement de l'ère industrielle (1789-1880), Paris 1976, S. 932.
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Claude-Isabelle Brelot
schaft und der Schloßherren.4 Das Paradoxe des post-revolutionären Frankreichs - die Fortdauer des Ungleichheit in einer stark egalitären und adelsfeindlichen Gesellschaft — zwang die ehemaligen Adligen wie die Parvenüs des Empire, sich mit den niedrigen Bürgern der Stadt und des Landes zu arrangieren: Der Adel mußte sich neu erfinden,5 um sich der neuen Gesellschaft anzupassen und darin seinen Platz zu finden. Er war somit weit davon entfernt, die versteinerte Gruppe darzustellen, als die ihn seine Kritiker beschrieben. Der Weg der Neuerfindung des Adels verlief indessen absolut nicht eingleisig. Die Konzession oder Bestätigung von Titeln, die 1808 und dann 1814 wiederaufgenommen wurden, bildeten keine eigentliche Adelsrestauration, welche die Restauration der Monarchie vervollständigt hätte, da sie keine Privilegien beinhalteten und somit das Prinzip der bürgerlichen Gleichheit nicht in Frage stellten. Darüber hinaus wurden sie nicht nur von oben vergeben; sie wurden auch, und zwar viel häufiger, von Bürgern selbst beantragt, die nach Adelsstatus strebten und ihr Adelsverlangen durch die politischen Wirren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hindurch verfolgten. Im nachrevolutionären Frankreich existierte am Rande ein aktives Reservoir von Adelskandidaten, die sich schon mit einem einfachen Titel zufrieden gaben. Die Titelvergaben reaktivierten gleichermaßen die Erneuerung der alten Eliten -wie die Sehnsucht nach Nobilitierung. Die Spannung zwischen dem Titel als einfacher „mondäner Schmuck" 6 und dem ungleichen rechtlichen Status eines privilegierten Standes war jedoch stark genug, um die Idee des Adels auszudünnen. Die soziale Phantasie verwandelte diesen Adel ohne Privilegien, der die Widersprüche von 1790 wiederaufgegriffen hatte, und überführte ihn in einen authentischen und vollständigen Adel. Durch die Verwechslung der Kriterien wird die niedrige Zahl der Nobilitierungen hingegen verdeckt. So bildeten die Adligen und die Titelträger an der Spitze der französischen Gesellschaft eine einem Sternnebel mit unscharfen Umrissen zu vergleichende Formation.7 In der Erinnerung der Familien aus altem Adel kristallisierte sich der Kern dieser Formation. Um diesen herum kreisten von 1790 an „unvollständige Adelige" — reiche Bürger, die Adelsgüter besaßen, und Adlige mit ungewissem Status, deren insgesamt ungleiche sozialen Bestimmungen im Laufe des 19. Jahrhunderts zunahmen. Zu diesem ersten um den Kern fließenden Ring zählten 4 5
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Louis BERGERON, Le patronat, in: Histoire des Français, Paris, Bd. 2. Claude-Isabelle BRELOT, La noblesse réinventée. Nobles de Franche-Comté de 1814 à 1870, 2 Bde., Besançon 1992. DAUMARD, Diversité des milieux; Vgl. Anne MARTIN-FUGIER, Les salons de la Troisième République. Art, littérature, politique, Paris 2003. Claude-Isabelle BRELOT, La noblesse au temps de l'égalité, in: Voies nouvelles pour l'histoire du premier Empire. Territoires, pouvoirs et identités. Actes du colloque d'Avignon, 9.-10. Mai 2000, hg. v. Natalie Petiteau, Paris 2003, S. 215224.
Das Verlangen nach Adel und Standeskultur im nachrevolutionären Frankreich
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zahlreiche Titelträger, deren sozialer Aufstieg durch die französische Revolution nicht unterbrochen worden war. Den zweiten konzentrischen Kreis bildeten die 3.263 während des Empires geadelten Titelträger und ihre Familien, denen die Kohärenz des Napoleonischen Programms eine starke dynastische, politische und soziale Sichtbarkeit verlieh.8 Eine Sichtbarkeit, die paradoxerweise durch Artikel 71 der Charte von 1814 bestätigt wurde, in dem es heißt: „Der alte Adel nimmt seine Titel wieder auf, der neue Adel behält die seinen". Darüber hinaus nahm die Restauration Nobilitierung und Titelvergabe wieder auf und förderte dementsprechend die Pumpbewegung zu den Spitzen der Gesellschaft hin. 753 Familien verstärkten so die Sternnebelformation und bilden um sie herum einen neuen Ring, der dem Gedanken einer Adelsrestauration Gestalt verlieh, zumal in den Beschlüssen des Conseil du sceau zweifelhafte Titel und Adelsprädikate überaus zahlreich bestätigt wurden. Doch die aufschlußreichste Bewegung war diejenige, welche die adelsfeindlichen Maßnahmen der JuliMonarchie auslöste und von dem Plan einer Ausrottung jeglicher juristischer Ungleichheit getragen wurde. Als man 1835 die Anmaßung von Adelstiteln außer Strafe setzte, wurde eine Welle spontaner Selbstnobilitierungen der Bürger ausgelöst. Diese schmückten sich mit einem „von", mit dem Namen einer Domäne oder dem Anschein von Adel. Paradoxerweise wurde dieser „Scheinadel"9 1858 anerkannt, als das Second Empire den Artikel 259 des Strafrechts wieder einführte. Die Anträge auf ausländische Adelstitel verwischten noch weiter die Umrisse des Sternengebildes. Es genügte, auf erfolgreiche Adelsanträge beim Papst zu verweisen — wobei der soziale Horizont der Antragsteller vielfach bescheidener war als derjenige der 1814 Nobilitierten oder der 1858 anerkannten Prädikatsträger. Von der Nobilitierung zur Titelvergabe, von der Titelvergabe zur Namensänderung hatte sich der „republikanische Adel" als ein neuer Kreis ausgebildet. In der Tat scheiterte ein letzter Versuch zur Radikalisierung der bürgerlichen Gleichheit im Jahr 1884.10 Die Sternnebelformation der verschiedenen Formen des Adels beweist in ihrer komplexen Struktur, daß der Adel im 19. Jahrhundert in Frankreich keineswegs ein soziales Fossil darstellte. Das Verlangen nach Adel blieb auch im nachrevolutionären Frankreich lebendig, und die Vergabe eines Titels eröffnete dem Bürgertum alten Stils, wie auch den neuen Parvenüs, die Aussicht auf Erfüllung dieses Verlangens. Insofern erscheint die Originalität des französischen Weges weniger ausgeprägt: Die Rekrutierung des Adels versiegte nicht, sie kannte nur starke Besonderheiten. Die Struktur einer ungenauen Formation von Adeligen, Titelträgern und „Legalisierten" stärkte die dauerhafte Stellung
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Natalie PETITEAU, Elites et mobilités: la noblesse d'Empire au X I X e siècle (1808-1914), Paris 1997. Claude-Isabelle BRELOT, La noblesse d'apparence, révélateur de l'identité nobiliaire au X I X e siècle, in: L'identité nobiliaire. Dix siècles de métamorphoses (IXeX l X e siècles), hg. v. Jean-Marie Constant, Université du Maine 1997, S. 1 1 0 - 1 2 1 .
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Alain TEXIER, Qu'est-ce que la noblesse? Paris 1988.
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des Adels von 1790 bis ins 20. Jahrhundert hinein. So kann sich die vergleichende Geschichte des Adels in Europa auf die komparative Analyse der Laufbahnen derjenigen Personen stützen, die im Europa des 19. Jahrhunderts, und zwar in den Monarchien wie auch im republikanischen Frankreich, von einem Verlangen nach Nobilitierung beseelt waren. Ein lächerliches Verlangen nach Adel, könnte man einwenden. Ein derartiges Urteil setzt voraus, daß der Historiker sich den Formalismus der Wappenwächter zu eigen macht. Der Sozialhistoriker wird sich im Gegenteil mit den Randzonen der Formation befassen. Die Untersuchung von zwei Gruppen — der falschen und der echten, aber deklassierten Adeligen — unterstreicht die Integrationsfähigkeit der vom alten Adel entwickelten „Standeskultur". Obwohl verarmt, brüstete sich der deklassierte Adelige mit den symbolischen Vorteilen der Aristokratie und lebte weiter von den Erträgen seines sozialen Kapitals. Der falsche Adelige lebte seinerseits von der mémoire des Adels, ganz wie der echte.11 Er hob den Namen einer weiblichen Abstammungslinie an, er erhöhte einen Werber in den Rang einer Familie, in die er einzuheiraten gedachte, er legitimierte die illegitime Geburt eines Bastards mit einem großem Namen, er setzte einen jüngeren bürgerlichen Zweig auf die Höhe einer brillanteren Verwandtschaft, verlieh einer unvollständigen oder imaginären Genealogie Plausibilität oder unterstrich schließlich die Kontinuität einer lokalen Einbindung, dank derer Land und Schloß Adelswert besaßen. Wenn auch manche aus der Luft gegriffenen Konstruktionen auf den Zynismus der Parvenüs zurückzuführen waren, so stellten die möglichst weitreichende Erinnerung und die Kraft der angestrebten sozialen Identität mächtige Antriebe für das Verlangen nach einem zwar falschen, aber als echt erfahrenen Adel dar. Ist die Untersuchung der Randzonen des Adels auch außerhalb Frankreichs von Interesse? In der Tat verblieben die adligen Eliten in den europäischen Monarchien innerhalb einer klar bestimmten Grenze. Hat darum der falsche Adel im restlichen Europa überhaupt keine Entsprechung? Der Begriff der Randzone behält seine volle Bedeutung: Auch in den Monarchien mit klar abgegrenzten Eliten existierte beispielsweise eine Reihe von nur bestimmten Personen vorbehaltenen Funktionen, mit deren Hilfe die Deklassierten schnell und einfach zu identifizieren sind. Die Deklassierten bildeten den äußersten Rand der Adelsformationen, doch wer von Deklassierten spricht, setzt voraus, daß eine Requalifizierung zum Zentrum des Sternnebels hin möglich war. Darüber hinaus benutzte auch der in die soziale Anonymität abgesunkene Deklassierte weiterhin die Identitätskonstruktion der permanenten Selbsterfindung. So konnte etwa ein in einem bescheiden gewordenen Interieur auffallendes Famili-
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Claude-Isabelle BRELOT, Une aventure: usurper la noblesse au XIXe siècle, in: Châteaux, nobles et aventuriers. 3ème rencontre internationale d'archéologie et d'histoire en Périgord (Périgueux, 27.-29. September 1996), Bordeaux 1999, S. 348-358.
Das Verlangen nach Adel und Standeskultur im nachrevolutionären Frankreich
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engut zentraler Angelpunkt einer Selbsterfindung werden, welche die Komplexität der sozialen Beziehungen erhöhte.12 Der egalitaristische Radikalismus des postrevolutionären Frankreichs schließt also das Land nicht aus dem Gegenstandsbereich einer vergleichenden Adelsgeschichte aus. Als soziale Formation überlebte der französische Adel das Annen Regime. Seine Erneuerung vollzog sich in den Umrissen eines komplexen Sternnebels. Eines Sternnebels mit zahlreichen Unterteilungen, dessen Kohäsion durch vielfältige Formen von sozialer Geringschätzung bedroht war, dessen struktureller Zusammenhalt jedoch stark von der fortwährenden Neuerfindung einer Standeskultur bestimmt wurde, die symbolischen Attributen, sozialem Nutzen und förmlichen Beweisen gleiche Bedeutung einzuräumen vermochte. Indessen ist die Bewegung, welche die Idee des Adels aus dem juristischpolitischen Bereich in ein kulturelles System gesellschaftlicher Repräsentanz übertrug, wahrscheinlich nicht nur in Frankreich zu beobachten. Im Übergang vom Adel zu einer Standeskultur und mondäner Repräsentanz sind in den Adelskreisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts überall in Europa zahlreiche Zwischenstufen zu finden. Ihre Bearbeitung eröffnet der vergleichenden Adelsforschung in modernen Gesellschaften reiche Perspektiven.
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Claude-Isabelle BRELOT, Conflits et déclassement : la légitimité de l'histoire des élites en question, in: Cahiers d'histoire 3/4 (2000), Themenheft: Elites en conflits, hg. v. Claude-Isabelle Brelot et Françoise Bayard, S. 497-503; dies., La roue de la fortune: Noblesses déclassées, noblesses conservées?", in: Mélanges offerts à Louis Bergeron, Paris 2 0 0 4 (im Erscheinen).
J A A P D R O N K E R S / HUIBERT SCHIJF
The Transmission of Elite Positions among the Dutch Nobility during the 20th Century1
1. Introduction Sociological research rarely addresses the position of the nobility in twentieth century European societies. On the other hand, historical publications are numerous and some seem to demonstrate that no role is left for the nobility in modern society. The studies by Dominic Lieven and Hans-Ulrich Wehler on the European nobility end with the catastrophes that both World Wars inflicted upon the old-style aristocracy.2 With the disappearance of its separate legal status aristocratic privileges vanished as well. The British historian David Cannadine advances a similar thesis with his erudite but anecdotal description of the British aristocracy's decline during the first half of the 20th century.3 But he does not systematically chart the life course and career of a representative number of British aristocrats during this period. By merely showing the disappearance of obsolete social and cultural capital, he overlooks the profound adaptations by some members of the aristocracy to new circumstances. Therefore he underestimates the present importance of the nobility's modernized social and cultural capital. Detailed histories of one particular family offer insights in this modernisation process. Excellent examples are a study by Eckart Conze of a German family and one by Cees Schmidt of a Dutch noble family.4
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We want to thank R. van Drie at the Centraal Bureau voor Genealoge who provided us with the electronic version of several volumes of the Neder/and's Adelsboek. We also want to •thank M. Broese van Groenou for her comments on an earlier version. Finally, we want to thank Jennifer George and Crista Huisman who helped us with processing the electronic sources. More information about the result of the project 'Dutch nobility and high bourgeoisie in the 20th century' can be found via the homepage of the first author: http://www.iue.it /Personal/Dronkers/. Dominic L I E V E N , The Aristocracy in F^urope 1 8 1 5 - 1 9 1 4 , Houndsmills 1 9 9 2 ; Hans-Ulrich W E H L E R (Hg.), Europäischer Adel 1 7 5 0 - 1 9 5 0 , Göttingen 1 9 9 0 . David C A N N A D I N E , The Decline and Fall of the British Aristocracy, New Haven & London 1990.
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Eckart C O N Z E , Von deutschem Adel. Die Grafen von Bemstorff im 2 0 . Jahrhundert, Stuttgart/München 2 0 0 0 ; Cees S C H M I D T , O M de eer van de familie. Het geslacht Teding van Berkhout 1 5 0 0 - 1 9 5 0 - een sociologische benadering, Amsterdam 1 9 8 6 .
Jaap Dronkers / Huibert Schijf
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The study by the French sociologist Monique de Saint Martin presents a sociological explanation of how noble lineages have been able to retain their social status in the 20th century French Republic by emphasising their lasting symbolic and social capital.5 Unfortunately, her study suffers from serious methodical shortcomings. Because France is a republic, a comprehensive overview of all members of the French nobility is impossible to compile (unlike in our present analysis). Saint Martin has to settle for non-representative samples from two sources. One is the optional association for the French nobility Assodation d'entraide de la noblesse française (conservative, Catholic and provincial); the second one is Who's who in France, which features well-known and successful individuals. Therefore the results are not representative for the French nobility today. Nevertheless, the study serves as an inspiring example because we are not aware of any other sociological study that can compete with its wide scope. The study of separate groups, like the nobility, is of particular interest to social scientist because their exceptional position can function as a counter example to the more frequendy studied general trends in modern society. Anecdotal evidence suggests that still a rather large number of persons of aristocratic descent occupies elite positions in business and government in the Netherlands.6 This phenomenon appears to contradict the assumption that the nobility has become completely obsolete in modern and open societies. In this article we shall investigate this matter in a more systematically way by looking at the careers of members of the Dutch nobility.
2. Dutch Nobility and Knighdy Orders The aristocracy in the Netherlands has always been predominandy civil {noblesse de la robe) rather than a military (noblesse de l'epée) or a landed one, whereas in Belgium, Germany, France and the United Kingdom the military and landed nobility dominate.7 The first reason for this difference is that during the era of the Dutch Republic, the predecessor of the present Kingdom of the Netherlands, between 1580 and 1795, new appointments or additions to the domestic nobility were not granted.8 Members of the Dutch military nobility were few and far between, as officers were usually recruited from abroad. Nor was the position of landed nobleman in the poorer rural provinces attractive to the wealthy citizens from the economically successful Provinces of Holland and
Monique DE SAINT MARTIN, L'Espace de la noblesse, Paris 1993. Gerbert BEEKENKAMP, President-directeuren, posities en patronen. Een Studie naar de rekrutering van de leiders van de 250 ondernemingen in Nederland, Amsterdam 2002. Yme KUIPER, Adel in Friesland 1780-1880, Groningen 1993. Jonathan ISRAEL, The Dutch Republic. Its Rise, Greatness, and Fall 1477-1806, Oxford 1 9 9 5 , S. 3 3 7 - 3 4 1 .
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Zeeland. The second reason is the policy with regard to nobility in the new Kingdom of the Netherlands in the 1820s and 1830s.9 This policy was designed to disentangle the legacy of late 18th century political disputes between the Orangists (supporters of Oranje-Nassau, the new royal family) and the Patriots (republican citizens).10 It tried to secure the loyalty from the urban Regents by raising them to the status of aristocrats. Because of this distinct historical background, the Dutch nobility attained its status in one of the following four ways: 1. Raising (descendants of nonnoble regent families in the cities with voting rights before 1795 or individuals who performed meritorious acts in the 19th century); 2. Nomination to a provincial nobility council (individuals nominated by the King in the provincial nobility councils during the first half of the 19th century; many were nonnobles who held already seigniorial rights in that province or pertained to the provincial nobility councils before 1795); 3. Acknowledgement of the old Dutch nobility (members of lineages from the old domestic nobility before 1795); 4. Inclusion of foreign nobility (members of lineages from the nonDutch nobility, who had settled in the Netherlands; Dutchmen raised to a nonDutch nobility by a sovereign of another country). As a result of this policy by the first Orange Kings, members of ruling families from cities in the Province of Holland was more often awarded knighthoods or baronetcies, whereas nobles from the rural provinces more frequendy secured a peerage. Thus almost all the regent families from Amsterdam in our sample have baronetcies. In contrast with other European societies, this does not automatically make a knighthood or baronetcy an indication of a lower social status than a peerage. Moreover, one of the major consequences was that many people owed their membership of the nobility to governmental or economic abilities rather than to an aristocratic past or culture. Accordingly, the Dutch nobility has always reflected a strong civil bias. This may explain why references to the Dutch nobility in the study by Lieven are missing. We assume that a civil nobility is better able to adapt to the modern era than military or landed nobility, thanks to its cultural and social capital. The rules of the Dutch nobility have a much stronger resemblance with those in other continental European countries than with the rules of the British nobility. The Dutch noble titles and the way to inherit them (both older and younger branches of a noble family) are in line with the German and French procedures. This resemblance is reflected in the fact that descendants of British nobility will less likely be accepted into the Dutch nobility than those of continental nobility, due to the deviant nobility procedures in the UK.
10
Kees BRUIN, Adelsbeleid in Nederland. Notities bij recente ontwikkelingen, in: Amsterdams Sociologisch Tijdschrift 18 (1992), S. 119-133, S. 125. Simon SCHAMA, Patriots and Liberators. Revolution in the Netherlands 1780-1813, New York 1977.
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In Europe there still exist three knightly orders, dating back to the mediaeval crusades to the Middle East and the Baltic, which have Dutch branches: two Protestant (the German Order and the Johanniter Order, which is the protestant secession of the Order of Malta from the 16th century on) and one Catholic (the Sovereign Military Order of Malta). While membership of these three knightly orders is optional, prospective members must satisfy various requirements. The German Order admits only Dutch Protestant males and requires in addition to four noble quarters that both parents come from lineages that were noble before 1795. The Order of Malta admits Dutch men and women over the age of 25 years who are practising Roman Catholics, are married according to canonical law and are listed in the records of the Supreme Counál of the Nobility. In addition, the marriages of their forebears concluded in the previous hundred years, as well as the current lifestyle of prospective members, need to be honourable in order to attain admission to the Order. The Johanniter Order admits noble Dutch men and women of impeccable conduct who are over eighteen years of age and promise that they will observe the Protestant tenets in good faith and shall work with the Order to nurse the wounded, the ill and those who are impoverished in other respects. We will membership of a knighdy order use as a proxy of the ties with the noble culture and the associated social network of a member of the Dutch nobility. 3. Contradicting Modernisation Theory A basic assumption about modernisation in western societies is that high positions and professions have increasingly become more open to people with capacities based on their own achievements. Researchers of this topic rightly indicate a decline in the percentage of persons descended from the nobility who have acquired elite positions during the 20th century. With the loss of its separate legal status and therefore its ascripted privileges an aristocratic background has become less important to gain an elite position in modern society, as is also clearly the case with ascripted characteristics like gender and social class.11 However, the first empirical observation does not necessarily imply the. second one. The social importance of noble origin declines only if social circumstances change so dramatically, e.g. due to a revolution, defeat in a war or a serious economic recession, that the old social and cultural family capital ceases to be of 11
Gerhard LENSKJ, Power and Privilege. A theory of Social Stratification, Chapel Hill/London 1986; Jaap DRONKERS/Wout ULTEE, Verschuivende ongelijkheid in Nederland: Sociale gelaagdheid en mobiliteli, Assen 1995; Harry GANZEBOOM/Donald TREIMAN/Wout ULTEE, Comparative Intergenerational Stratification Research: Three Generations and Beyond, in: Annual Review o f Sociology 1 7 (1995), S. 277-302; Susanne RIJKEN, Educational expansion and status attainment. A cross-national and over-time comparison, Utrecht 1999.
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of use in a new situation. Such a rapid and dramatic change in the social circumstances has never occurred in the Netherlands. We therefore assume that members of the nobility continue to use their - admittedly adapted - social and cultural capital and with it are likely to maintain its advantage over their 'bourgeois' competitors for elite positions. Three studies highlight this continuing advantage in achieving elite positions in the Netherlands throughout the 20th century has been. The first starts with the observation that universities with an elite status are missing in the Netherlands and therefore an institution to select students. However, traditional male fraternities {Corps) can be seen as institutions to fulfil the wish to single out students in other ways, because they are both hierarchical and selective.12 Only a minority of all university students will become members. The authors examine the chances of the 1,660 board members of these fraternities between 1920 and 1960 to hold a position within the Dutch economic and political elite between 1960 and 1980. One of the findings was that membership of the Dutch nobility increased the likelihood that these board members would in due time to hold an elite position and that this likelihood has not become less over time. This finding is remarkable, as the increased likelihood for board members from the Patrìciaat (non-noble Dutch high bourgeoisie families) disappeared after controlling for academic discipline and chairmanship, unlike the significandy greater likelihood among the Dutch nobility. Hillege and Dronkers expanded their dataset to include the board members of the two main confessional fraternities: a Protestant student association (SSR) and several Catholic student associations.13 Even then, the authors continue to observe greater opportunities for obtaining an elite position among board members who belong to the nobility, whereas those from the Patriciaat were not more likely to do so. The board members of aristocratic origin were just as likely to obtain an elite position in 1960 as in 1920, which clearly contradicts the modernisation theory. The second study is based on a sample of 10,529 students from all Dutch universities and Athenea Illustre (early universities without the right to confer the doctorate tide) between 1815 and 1935. Dronkers et al. have examined which of these students served in high political offices and civil service positions between 1850 and 1995.14 The authors have found that membership of the Dutch nobility increases the odds of being appointed to these high political and official positions. Moreover, this likelihood does not decrease significantly during 12
Jaap DRONKERS/Seraphine HILLEGE, Board Membership of Traditional Male Fraternities and Access to Dutch Elites: A Disappearing Avenue to Elite Positions?, in: European Sociological Review 14 (1998), S. 191-204.
13
Diess., Studentenverenigingen en de toegang tot de Nederlandse elites tussen 1 9 6 0 en 1980, in: Amsterdams S o c i o l o g i s t Tijdschrift 24 (1997), S. 253-276.
14
Jaap DRONKERS/Huibert SCHIJF/Bibi VAN WOLPUT/Jan RUPP, A University Degree as Gateway to the Dutch Political and Administrative Elites from 1 8 1 5 to 1960, in: The Netherlands'Journal of Social Sciences 32 (1996), S. 81-89.
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the 19th and 20th century. In a third study Dronkers shows the continuing advantage of members of the Dutch nobility to reach elite positions which can be explained by its ability to modernise its social and cultural capital.15 But Dronkers ignores the occupations of the parents in his analyses, which might lead to an underestimation of the social decline of the nobility or an overestimation of its continuing advantages acquiring elite positions. In this article we will elaborate on these missing aspects by adding characteristics of the parents to our analysis. 4. Data and Hypotheses Information on the life course of all members of the Dutch aristocracy has been published by the Centraal Bureau voor Genealogie in The Hague. In compiling the various editions of the Nederland's Adelsboek (the so called Red Books), the Bureau uses information available on the genealogies of Dutch noble families.16 The Bureau also invests considerable efforts in tracing all members of a particular family, even if emigration or social decline has reduced the need for listing them in the Nederland's Adelsboek. We believe that the Bureau's approach has yielded far more complete and representative data for this group than a questionnaire of a survey would have. The members of the nobility themselves, or their direct relatives, report their university degrees, occupation and circle of employment, public offices, memberships of major governmental councils, positions at the Royal Court, and memberships of knightly orders and those of their spouses. The Centraal Bureau voor Genealogie verifies many of these data from sources as the Staatsalmanak [State Directory], Since all parties involved are aware of the fact that the collected data are intended for publication, it is unlikely people provide unreliable information. Moreover, social pressure from the family will deter a member from reporting a university degree, which is not actually obtained, or public offices or other functions not truly held. Although people are obviously more inclined to report the peak of their careers than the lowest point, this practice will certainly not distort our analysis, which is focused on elite positions. On the other hand, we have observed less honourable places of employment and offices in the Nederland's Adelsboek as well. For instance, nearly all members born in the 20th century into one of the oldest noble families in our sample (Van Keppel) are farmers, blue-collar workers or low-level employees
15
Jaap DRONKERS, D e maatschappelijke relevantie van hedendaagse Nederlandse adel, in: Amsterdams S o c i o l o g i s t Tijdschrift 27 (2000), S. 233-268.
16
Kees BRUIN/Cees SCHMIDT, Zur Geneologie der Geneologie. Over het boekstaven van 'aanzienlijkheid' in het Koninkrijk der Nederlanden, in: Sociologische Gids 27 (1980), S. 274292.
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with no clear connection to their aristocratic past. The only public office of a member of another family is simply stated as mayor in Nazi-occupied Holland from 1944 to 1945. From our sources we have selected a research population that consists of all persons born after 1899 but before 1951 and who belong to a family whose name starts with a letter between 'G' and 'Na\ Only the genealogies of these lineages have been published in the volumes of the Nederiand's Adelsboek that have appeared between 1993 and 2000. They provide the most recent and complete information on the life course of the respondents. We have not included the royal family and its branches because of their special status within Dutch society. We have not added (or omitted) any information to these easily available publications either. Because the first letter of the surnames is not connected with any social characteristic, our research population can been seen as a random sample of all aristocratic who were born between 1899 and 1951. However, the process of gathering data about the life courses did not end at the same moment for all persons: the gathering of information on individuals whose surname starts with a 'G' ended in 1992, while data on individuals whose surname begins with an 'M' were gathered until the year 1999. We restrict our analysis to those persons who have been born before 1951 because we assume that these members of the nobility would have enough time to obtain an elite position. Given the data-gathering period of the processed issues, a person born in 1950 with a surname starting with a 'G' was 42 years old at the moment of registration of his current occupation, while a person born in 1950 with a surname starting with TSJa' was 49 years old. This young age might lead to an underestimation of the obtained elite positions by those born in the 1940s, because most persons will normally reach an elite position at an age older than 50 years. But we prefer to keep those bom between 1940 and 1950 in our analysis, because it is the first generation after the Second World War. With this selection we follow the same selection procedure as Dronkers used.17 We also deleted those persons who died before their 40th birthday, in order not to underestimate the intergenerational transmission of social and cultural capital. Differential death risks might produce a bias in the estimation of this transmission. We included all persons irrespectively in which country they were born, lived or died because a noble tide does not depend on nationality or place of birth. This might lead to some underestimation of the importance of social and cultural capital of the nobility, because we do not exclude branches of a family who have emigrated a long time ago and thus have left behind to a large extent their Dutch social network and lifestyle. These selections result in a data set that contains 1872 persons from 113 noble families. In order to distinguish them from their parents, we will call them respondents (sons and daughters), as they are our units of analysis. 17
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We have used the same volumes again to collect information on the parents, the spouse, and the parents-in-law of the respondents. By definition the data of the fathers are as complete as those of the respondents. The data on the mothers have nearly the same quality and comprehensiveness. The data on spouses have the same comprehensiveness as those on the mothers. But they are less complete. It is not always clear whether this is due to a lack of information or simply to the fact respondents have remained unmarried. The data on the parents-in-law of the respondent have the lowest comprehensiveness, because we have only their names, academic and noble tides. Therefore, it might well be that these tides of parents-in-law are underreported. The following variables will be used: 1. Decade in which the respondent was born, which runs from the first decade (1900-1909) until the decade 1940-1950. 2. Tertiary education degree of the respondent, his or her spouse, father, mother and parents-in-law. These variables reflect the university or other tertiary education degrees of the respondent, his or her partner, his or her father, his or her mother and the combination of his or her parents-in-law. In the case of mothers, parents-in-law and to lesser degree spouses, these variables had mainly to be derived from their academic tides, which might lead to an underestimation of the vocational college diplomas. We could use the occupation, which gave additional information on vocational college diplomas, for a more precise coding of the acquired educational level of respondents and fathers. 3. Personal noble tide of respondent and father's title. Baronets ¡Jonkheer] and hereditary knights [Ridder] are both listed as baronets because there are very few hereditary knights left. Alongside these two lowest ranks in the aristocratic hierarchy, only two higher tides (Baron and Count) exist in the Dutch nobility outside the royal family. The tide of the respondent is by definition equal to that of the father of a respondent. 4. Noble tide of the spouse and of the mother of the respondent comprises four categories, ranging from none to Count. Due to their rarity, tides superior to Count have been coded into the same rank as Count. Foreign tides of nobility are classified according to one of these four categories. 5. Highest noble tide of both parents-in-law of the respondent. This also comprises four categories, ranging from none to Count. 6. Membership of a knighdy order of respondent, its spouse, its father and its mother. There exist two Protestant orders and one Catholic. 7. Elite position of respondent, of his or her spouse and of both parents. To establish whether the individual has an elite position involves his or her place of employment, public offices and the like. In this study we apply both a restricted and a broad description of the elite position concept. The restricted description
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is the one already used by18. It comprises Governmental Ministers, Members of both Houses of Parliament and the Council of State, the highest ranking civil servants of governmental Departments, Commissioners of the King for a province, Mayors of the provincial capitals and of Amsterdam and Rotterdam, the most important Dutch ambassadors, members of the Royal Court, Managers of members of the Supervisory Boards of large companies, banks and industrial enterprises. Together these positions form a mixture of political, administrative and business elite positions. The broad description of elite positions includes further more: the second highest ranking civil servants of Departments; members of the Provincial Executive; City Council members; mayors; ambassadors at less important posts; high-ranking officials at international organizations; military officers holding at least the rank of general or vice admiral; professors; and senior managers of large companies or banks. The broad description of elite positions therefore comprises the layer immediately beneath the one defined by the restricted description. Occupations and positions of which the social significance could not be established unambiguously have been omitted from this broad description to avoid distorting the analyses. These include unspecified heads at departments and universities; managers of little-known firms; unspecified entrepreneurs, merchants and bankers; advisors and self-employed individuals. Therefore our list of elite positions is a conservative estimate of the elite positions possessed by the respondents. 8. Elite position in the household of respondents and in the parental. We have constructed these two variables through a combination of the elite position of a respondent and his or her partner, respectively by combining the elite position of his or her father and mother. The continuing importance of social and cultural capital does not contradict the assumptions put forward by the modernization theory. But to acquire social and cultural capital with the help of scripted and nobility-related characteristics is contrary to these assumptions. Therefore we shall test the following hypotheses: There still exists a significant effect of specific social and cultural capital of the Dutch nobility, as indicated by membership of a knighdy order and noble homogamy, on the likelihood to hold a position within the Dutch elites. And this effect has not decreased during the 20th century. The likelihood of members of the Dutch nobility to achieve an elite position have not decreased significandy for those generations who were born in the 20th century and have a more or less completed life course.
18
J aap DRONKERS/Seraphine HlLLEGE, Studentenverenigingen en de toegang tot de Nederlandse elites tussen 1960 en 1980; diess., Board Membership of Traditional Male Fraternities and Access to Dutch Elites: A Disappearing Avenue to Elite Positions?
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The probability of male and female members of the Dutch nobility to live in a household with an elite position remains the same during the 20th century, although men and women have different paths to reach such a position. In the next two sections we start with a description of the general characteristics of the Dutch nobles born between 1899 and 1951 and the corresponding characteristics of their parents, their spouse and their parents-in-law. Thereafter we analyse the intergenerational transmission of elite positions.
5. Two Generations: Children and Parents Tables la and l b show the presence of noble tides among respondents, parents, spouses and parents-in-law. Sons and daughters and their father possess by definition an aristocratic tide. The mother of the respondents has more often a noble tide (25,7% for sons and 27,1% for daughters) than the spouse of the respondents (12,9% for sons and 18,2% for daughters). However, one of respondents' parents-in-law has more frequendy a noble tide (15,7% for sons and 21,2% for daughters) than these spouses. From these findings we can conclude that among the generation of the parents the noble homogamy among the Dutch nobility was still rather high during the 20th century, but that there is a decline in noble homogamy among the sons and daughters. But we can still see a higher tendency among female aristocrats to marry more an aristocrat than among their male counterparts. This is in line with a general inclination among women to marry upwards, even in modern society. From table la it becomes also clear that sons have attained less elite positions than their fathers (17,3% versus 24,5%), but their wives attain more elite positions than their mothers (5,1% versus 1,1%). This decline in attained elite positions refers to the broad elite position but not to the restricted positions. We can also observe that the sons and their wives hold more restricted elite positions than their parents (4,8% and 2,0%, respectively 3,3% and 1,1%). This concentration of the decline in the broad elite positions might reflect the loss of locally based elite positions (for instance burgomasters of small municipalities). The daughters (table lb) attain less elite positions than their fathers (1,5% versus 26,1%). Their husbands hold less elite positions as well (19,9% versus 26,1%). But if we only consider the restricted elite positions the result is quite different: the husbands of the daughters attain more often a restricted elite position than the daughters' fathers (6,2% versus 3,6%). This might again reflect the inclination among women of marrying upwards or the wish of ambitious men to marry a noble wife in order to strengthen his own social capital and thus to arrive at elite positions. The fact that daughters attain more often an elite position than their mothers (1,5% versus 0,5%) can be seen as indication of a more general female emancipation in modern society.
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Sons (table la) are no more often in possession of a tertiary educational degree than their fathers (32,1% versus 32,2%), but daughters (table lb) have more often a tertiary degree than their mothers (5,8% versus 0,9%). The educational level of the wives is more or less comparable to that of the female respondents (7,2% versus 5,8% with a tertiary level of education). The same holds for the educational level of the husbands and that of the male respondents (35,2% versus 32,1%). We can conclude that younger women in the sample are higher educated than their mothers, which is in accordance with a general pattern in modern society. Membership of the knighdy orders is slighdy lower among the sons than among their fathers (13,3% versus 15%). The daughters are far less often a member of these orders, but more frequendy than their mothers are (1,8% versus 0,5%). This rise reflects the opening of these orders during the 20th century for female membership. The Malta knighdy order is apparendy more successful than the Johanniter knightly in attracting women.
6. Intergenerational Transmission of Elite Positions Table 2 shows that children of parents who held a restricted or broad elite position are more likely to obtain an elite position themselves or to live in an elite household. The relation between elite positions of parental household and their children's household is significant for both sons and daughters (the correlation is 0,15). But this relation is stronger for sons than for daughters (correlations are respectively 0,20 and 0,11). Table 3 answers the question whether the intergenerational relation of elite positions within the nobility has weakened during the 20th century. From the table it becomes clear that the strength of the intergenerational transmission of elite position within the group of respondents born before 1940 has hardly changed. The correlations for both generations are around 0,15. On the other hand, the strength of the intergenerational relation of elite positions within the group of respondents born between 1940 and 1950 has decreased slighdy (0,13), but this can be explained by the relatively young age, from 40 to 50 years, of this birth cohort at the moment that the information on their occupations was collected. This young age will have caused right censured occupational careers, i.e. they are still too young to have reached the top of their career. • Tables 4 and 5 show the results of various steps in two logistic regression analyses. This statistical technique predicts the likelihood of reaching an elite position with the help of a number of independent variables, like gender, elite position of father or level of education. Table 4 shows which variables contribute to an elite position (broad as well restricted) when the parental household and the household of the respondents are taken into account, whereas table 5
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repeats the same analysis for the restricted elite positions only. We don't show here the analogous regression analyses fore male respondents, because they give more or less comparable results. Table 4 shows that the attainment of household elite positions by Dutch nobility is significantly increasing during the 20th century, if we take the homogamy among nobility into account. The decrease of homogamy among nobility, as shown in table 2 during the 20th century and the unchanged significant effect of homogamy among nobility (both parents and spouse) caused this on first sight rather surprising result, because the former 'disguise' the latter in a bivariate analysis like these in table 3. The result makes clear that nobility related social and cultural capital remains important. The same is true for the nobility titles of the respondents' mother, of the parents-in-law and the respondents' membership of knighdy orders. They all have an unchanged influence on the attainment of elite positions among the Dutch nobility. But the level of education plays an important role while spouse's educational level becomes more important to attain elite positions as well. This is especially true for those from the younger birth years. Sons have a smaller probability to attain elite position in their household than daughters do, even if one controls for the characteristics of their spouses. This might be explained by the marrying upward of female nobility, as mentioned earlier. On the other hand, sons' membership of Knightly Orders, which is clearly social and cultural capital of the nobility, increases their probability to attain elite positions, especially for those from the younger birth years. This specific male effect of knightly orders can be explained by the male orientation of these orders, despite the opening up to women. The results of our statistical analyses demonstrate that when we only look at the restricted elite positions (table 5) they are more or less the same as those in table 4. The table shows that the attainment of elite positions by Dutch nobility is slightly decreasing during the 20th century, especially for those born after 1940. But this can be explained by the relative young age (40 to 50 years) of this birth cohort at the moment that information on their occupations was collected. Although there is hardly a significant direct intergenerational transmission of elite positions, nobility tides of the parents-in-law and respondents' membership of Knighdy Orders have unchanged significant effects on the attainment of elite positions among the Dutch nobility. Interestingly the tide of Baron or higher has again a smaller effect than the lower ranking tide of Baronet. Nevertheless, it is more difficult to predict the attainment of a restricted elite position by the social and cultural characteristics than for the combined broad and restricted elite positions. It is likely that difficult to measure characteristics, like personality or luck, are of importance to explain the attainment of these top positions.
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7. Conclusions The results of our statistical analysis confirm all three hypotheses we have formulated. There still exists a significant contribution of special social and cultural capital of Dutch nobility during the last century, as indicated by membership of a knighdy order and noble homogamy (both in respondent's generation as in his or her parents' generation) to the ways of attaining an elite position in Dutch society. The contribution of specific nobility related social and cultural capital has not decreased substantially, although the occurrence of noble homogamy, both in respondent's generation as in his or her parents' generation, has become less during the 20th century. This decline of noble homogamy only explains the steady decrease in attained elite positions by Dutch aristocracy, but in combination with an unchanged importance of nobility related social and cultural capital. This conclusion confirms Dronkers' earlier result (the probability of attaining elite positions in Dutch society has hardly changed during the 20th century).19 More generally, this result confirms again the outcomes of the earlier studies (see section 2) that show the continuing advantage of Dutch nobility tides in achieving elite positions in the Netherlands throughout the 20th century. These findings contradict the modernisation theory, because this theory assumes that modern societies have to offer more and more elite positions to social newcomers in order to maintain its competive edge. However, more general cultural capital as educational level (especially academic degrees) within the household is also of importance in obtaining elite positions. A higher level of education among the younger generations can be seen as a strategy of the nobility to adapt to one of the main requirements of modern society. That academic titles enlarge the chance of achieving an elite position is in line with the assumption that achieved qualities have increasingly become more important in modern society. It might also be more characteristic of civil aristocracy than a military or a landed one. If we take these nobility related characteristics into account, there is no statistically significant intergenerational transmission from parental households to children's household as far as elite positions among Dutch nobility are concerned. This conclusion is again in line with the assumption of openness in modern western societies. But what distinguishes the nobility, however, is its ability to maintain its specific capital (membership of a knighdy order; noble homogamy within parental household and within own household) and combine that with more general social and cultural capital of modern societies. A possibility to combine the relevance of a noble tide and the modernisation theory is to assume that social inequality within modern societies is increasingly based on achievements, but that this is only true for the upper working and middle classes, which form the vast majority of these modern societies. 19
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The higher classes investigated in this article are less affected by this modernisation, mostly because the competition for scarce elite positions make other characteristics like social and cultural capital more important than the usual achievement characteristics like education. These other characteristics remain important despite modernisation, because the number of scarce elite positions cannot increase strongly, contrary to the increasing size of the middle and the upper-working classes. Modernisation theory thus mosdy refers to a population as a whole, while our results focus only on the more extreme positions within these modern societies. This difference in focus (middle or extremes) might explain and reconcile the contradictory results. Modernisation theory would only be true for the large middle classes in modern societies, but not or less for the extreme positions within these modern societies, either the elites or the unemployed and dropouts. Our research does not necessarily claim that the nobility still has an important role to play in Dutch society. What it does show, however, is that belonging to a group in the possession of specific combinations of symbolic, social and cultural capital, outdated as it may be, still might produce clear advantages in a modern bourgeois society as the Netherlands. Although this capital is partly based on ascriptive qualities, the group is capable of maintaining its elite positions whatever the impact of modernization and meritocratisation might have been in the 20th century. It also contradicts the assumption held by many educated observers about its obsoleteness in present Dutch and other European societies. Saint Martin20 has already demonstrated this lasting ability to adapt for the French nobility and we might put forward the hypothesis that this is a general pattern among the nobilities in all West-European countries, including Germany21. All elite positions might be open to all people with the right qualifications in these modern societies, but they are more open to some people than to others, and a noble pedigree still helps.
20
DE SAINT MARTIN, L ' E s p a c e d e la n o b l e s s e .
21
Huibert SCHLJF/Jaap DRONKERs/Jennifer R. VAN DEN BROEKE-GEORGE, De overdracht van eliteposities binnen adellijke en patricische families in Nederland gedurende de 20ste eeuw, in : Meindert Fennema/Huibert Schijf (eds.), Nederlandse elites in de twintigste eeuw. Amsterdam 2003.
The Transmission of Elite Positions
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Table la: Percentages of characteristics of sons, born between 1899 and 1951, who did not die before their fortieth birthday, and of their wife, their father, their mother and their parents-in-law. Father Mother Wife ParentsSon N=952 N=853 in-law 87,1 74,3 84,3 None Noble title 63,9 63,9 16,3 8,8 8,5 Baronets 32,7 32,7 Baron 3,3 7,9 5,6 3,9 Count 3,9 0,8 1,4 1,5 None 82,7 75,5 98,9 94,9 Elite position 21,2 Broad 12,5 0,0 3,1 Restricted 4,8 3,3 2,0 1,1 67,8 98,9 Tertiaty educaNone 67,9 92,8 80,9 tion diploma Vocational college 3,4 0,0 3,5 0,0 0,1 Masters 25,5 20,5 0,9 12,8 6,7 8,4 Ph. D. 3,2 0,1 0,5 7,2 Knightly order 86,7 85,0 None 99,4 98,8 9,6 10,8 0,2 Protestant 0,5 3,8 Catholic 0,6 4,2 0,4 Table lb: Percentages of characteristics of daughters, born between 1899 and 1951 and who did not die before their fortieth birthday, and of their husband, their father, their mother and their parents-in-law. Daughter Father Mother Husband ParentsN=920 N=769 in-law Noble title None 72,9 81,8 78,8 Baronets 62,0 17,8 62,0 9,8 10,8 Baron 33,3 33,3 7,5 7,6 6,4 4,8 Count 4,8 2,9 1,6 2,1 Elite posiNone 98,5 73,9 99,5 80,1 tion 22,5 0,0 Broad 13,6 1,1 Restricted 3,6 0,3 6,2 0,5 94,2 68,9 Tertiary None 99,1 64,8 78,1 education Vocational college 0,0 0,0 0,7 0,3 2,1 diploma 19,1 Masters 5,3 0,8 27,6 15,5 Ph. D. 9,9 0,1 6,9 0,4 7,6 85,8 97,1 Knightly None 98,2 99,5 order Protestant 0,5 10,3 0,0 2,1 Catholic 0,5 0,9 3,9 1,3
Jaap Dronkers / Huibert Schijf
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Table 2: Relation between elite household of the respondents All respondents H o u s e h o l d of respondent Restricted Broad None Total Daughters Restricted Broad None Total Sons Restricted Broad None Total
positions within the parental household and these within the Parental household Restricted Broad 7 (8,0%) 30 (34,1%) 12 (5,8%) 70 (33,8%) 52 (3,3%) 305 (19,3%) 71 (3,8%) 405 (21,6%) 3 (6,8%) 5 (5,2%) 27 (3,5%)
16 (36,4%) 28 (28,9%) 162 (20,8%)
35 (3,8%)
206 (22,4%)
4 (9,3%) 7 (6,4%)
14 (32,6%) 42 (38,5)
25 (3,1%) 36 (3,8%)
143 (17,9%) 199 (20,9%)
None
Total (100%) 88 (4,7%) 207 (11,0%)
51 (58,0%) 125 (60,4%) 1224 (77,4%) 1400 (74,6%)
1581 (84,3%) 1876
25 (56,8%) 64 (66,0%) 590 (75,7) 679 (73,8%)
44 (4,8%) 97 (10,5%)
25(58,1%)
44 (4,8%) 109 (11,4%) 800 (84,0%) 952
779 (84,7%) 920
60 (55,0) 632 (79,0%) 717 (75,3%)
All respondents: χ 2 = 42,4; d.f. = 4; p