Männlichkeiten denken: Aktuelle Perspektiven der kulturwissenschaftlichen Masculinity Studies [1. Aufl.] 9783839417201

»Wann ist ein Mann ein Mann?« - Diese Frage hat in den letzten 20 Jahren nichts an Relevanz verloren. Auch in aktuellen

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German Pages 310 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Männlichkeiten denken. Vorwort
I. TEIL: INTRODUCING MASCULINITIES
Überlegungen zur theoretischen Konzeption männlicher Identität aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. Ein Forschungsüberblick mit exemplarischer Vertiefung
II. TEIL: BODILY MATTERS
BEGRENZUNGEN
Die Arena der Männlichkeit. Zur Aushandlung von Männlichkeit(en) in World of Warcraft
Tackling the ‘Crisis of Masculinity’. An Analysis of Chuck Palahniuk’s Fiction
ENTGRENZUNGEN
Aufschneiden, Einschneiden, Spalten, Löchern. Männliche Praktiken der Überwindung von Differenz aus psychoanalytischer Perspektive
Mutating Masculinity. Re-Visions of Gender and Violence in the Cinema of David Cronenberg
The Desire that Cannot Speak its Name. The Female Gaze and the Transgender Subject in Boys Don’t Cry
The Materiality of Men, Bodies, and Towards the Abolition of ‘Men’
III. TEIL: RE-/THINKING MASCULINITIES
Images of Masculinities and the Feminist Inflection
„Der Mann, ein gefährliches Tier der Gesellschaft.“ Vom Nutzen der Negativen Andrologie für die Gender Studies
Als Mann schreiben. Geschlecht und Stil in literarischen Debatten um 1800, 1900 und 2000
Che vuoi? Mafia und die Hysterie der Männer
Autorinnen und Autoren
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Männlichkeiten denken: Aktuelle Perspektiven der kulturwissenschaftlichen Masculinity Studies [1. Aufl.]
 9783839417201

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Martina Läubli, Sabrina Sahli (Hg.) Männlichkeiten denken

Martina Läubli, Sabrina Sahli (Hg.)

Männlichkeiten denken Aktuelle Perspektiven der kulturwissenschaftlichen Masculinity Studies

Gefördert durch das Graduiertenkolleg Gender Studies 2008-2011 der Universität Zürich

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Martina Läubli, Sabrina Sahli und Stefanie Heine Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1720-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Männlichkeiten denken Vorwort

Martina Läubli & Sabrina Sahli | 7

I. T EIL: INTRODUCING M ASCULINITIES Überlegungen zur theoretischen Konzeption männlicher Identität aus kulturwissenschaftlicher Perspektive Ein Forschungsüberblick mit exemplarischer Vertiefung Stefan Horlacher | 19

II. T EIL: BODILY M ATTERS B EGRENZUNGEN Die Arena der Männlichkeit Zur Aushandlung von Männlichkeit(en) in World of Warcraft Michaela Rizzolli | 85 Tackling the ‘Crisis of Masculinity’ An Analysis of Chuck Palahniuk’s Fiction Adrian Rainbow | 101

E NTGRENZUNGEN Aufschneiden, Einschneiden, Spalten, Löchern Männliche Praktiken der Überwindung von Differenz aus psychoanalytischer Perspektive Monika Gsell | 125

Mutating Masculinity Re-Visions of Gender and Violence in the Cinema of David Cronenberg Scott Loren | 151 The Desire that Cannot Speak its Name The Female Gaze and the Transgender Subject in Boys Don’t Cry Andrea Ochsner | 171 The Materiality of Men, Bodies, and Towards the Abolition of ‘Men’ Jeff Hearn | 195

III. T EIL: RE -/T HINKING M ASCULINITIES Images of Masculinities and the Feminist Inflection Enit K. Steiner | 219 „Der Mann, ein gefährliches Tier der Gesellschaft.“ Vom Nutzen der Negativen Andrologie für die Gender Studies Christoph Kucklick | 239 Als Mann schreiben Geschlecht und Stil in literarischen Debatten um 1800, 1900 und 2000 Britta Herrmann | 261 Che vuoi? Mafia und die Hysterie der Männer Johannes Binotto | 285

Autorinnen und Autoren | 303

Männlichkeiten denken Vorwort M ARTINA L ÄUBLI & S ABRINA S AHLI Er sah wohl den Abgrund, aber er hielt es nicht der Mühe werth, seinen Lauf zu mässigen. Er wollte lieber gleich einem wilden Jäger den jähen Abhang rasch und muthig durchs Leben hinunterstürmen, als sich mit Vorsicht langsam quälen. FRIEDRICH SCHLEGEL1

Diese Beschreibung eines jungen Mannes stammt aus Lucinde, Friedrich Schlegels romantischem Skandalroman von 1799, und zwar aus einem Kapitel mit dem Titel Lehrjahre der Männlichkeit. Es ist bezeichnend, dass gerade das Kapitel über die Mannwerdung des Protagonisten im symmetrischen Aufbau des Romans das Zentrum und die Spiegelachse bildet. Wie die Lehrjahre der Männlichkeit in der Komposition des Romans als Mittelachse und Angelpunkt funktionieren, so drängt sich auch den Lesenden die Analogie vom Leben des Protagonisten zur Frage des Mannseins auf. Im Rahmen seiner Entwicklung muss der junge Held unweigerlich erlernen, ein Mann zu sein. Männlichkeit bedarf der Lehrjahre. Sie ist keine Eigenschaft, die selbstverständlich gegeben ist, sondern sie muss erworben, ausgewählt und bewiesen werden. So kann Schlegels Romanheld nicht erwachsen werden, ohne sich der Frage nach der eigenen Männlichkeit zu stellen. 1

Schlegel, Friedrich (1999): Lucinde. Studienausgabe hg. von Karl Konrad Polheim. Stuttgart: Reclam, S. 53f.

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Wie der Roman diese Lehrjahre auf spielerisch-versponnene und etwas schematische Weise aufrollt, ist eine andere Frage. Entscheidend ist, dass selbst in dieser ironisierten Variante eines Entwicklungsromans Männlichkeit als ungelöste Frage inszeniert wird, die dem Roman Impetus verleiht, ihn umtreibt. Der junge Held ‚ist‘ am Anfang seiner Lehrjahre noch kein Mann. Männlichkeit entwickelt sich nicht ‚von selbst‘, sondern sie muss aktiv bewiesen und erkämpft werden. Ein Mann muss handeln, indem er nicht nur erhabene Ziele hat, sondern diese auch erreicht – und das immer wieder. Schlegels Romanheld erlebt Zeiten, in denen er „berauscht [ist] von Stolz und von Männlichkeit“2. Diese Zeiten werden aber sowohl für ihn wie auch für seine – männlichen – Freunde unterbrochen von einer „Wuth der Unbefriedigung“, weil „die meisten bey den herrlichsten Anlagen eben so unthätig und mit sich uneins waren wie er“3. Die „Wuth der Unbefriedigung“ treibt den Mann dazu, sich als solcher immer wieder neu zu erarbeiten und zu verteidigen. Dies liegt daran, dass ‚Mannsein‘ konstitutiv mit einem Zustand der Unbestimmtheit verbunden ist. Oder wie es Schlegel beschreibt: „Aber die Wuth der Unbefriedigung zerstückte seine Erinnerung, er hatte nie weniger eine Ansicht vom Ganzen seines Ich.“4 Der Zustand der Unsicherheit über die eigene Identität zwingt den Mann dazu, sich eine Ansicht von sich selbst zu verschaffen und sich somit als ‚Mann‘ zu bestimmen. Einem sich als Mann verstehenden Mensch obliegt die Aufgabe, etwas, das uneins und unbefriedigt ist, in etwas Positives und Erkennbares zu verwandeln. Mannsein scheint somit einen dauernden Definitionszwang zu implizieren. Die Virulenz dieser Definitionsfrage macht auch ein Blick in die gegenwärtige Medien- und Ratgeberwelt deutlich. Bestimmungsversuche von Männlichkeit finden sich zuhauf. Das Panorama reicht nur schon in den Tageszeitungen von „Anleitungen zum Kerl-Sein“5 bis zum Lamento über den „flexiblen Mann“6. Das Leben als Mann zeigt sich als ein „Abhang“ oder gar „Abgrund“, den man hinunterstürzt. Indem der Abhang verbirgt, was unter

2

F. Schlegel 1999, S. 66.

3

Ebd. S. 68.

4

Ebd.

5

Sonntagszeitung vom 22.08.2010.

6

Neue Zürcher Zeitung vom 17.02.2010.

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ihm liegt, führt er den Mann ins Ungewisse. Schlegels Protagonist stellt sich dieser Ungewissheit lieber „rasch und muthig“, als „sich mit Vorsicht langsam [zu] quälen“7. In dieser Beschreibung eines jugendlichen Draufgängers wird ein Aspekt deutlich, welcher Männlichkeit in unserer Kultur traditionellerweise und mit Langzeitfolgen bis heute zugeschrieben wird: Die Bereitschaft zum Risiko bis hin zur Gefahr. So ist die statistische Lebenserwartung bei Männern in Westeuropa um etwa fünf Jahre kürzer als bei Frauen. 8 Im Weiteren sind in der Schweiz ca. 80% aller jugendlichen Straftäter Männer und nur etwa 20% Frauen.9 Als Mann geboren zu sein, scheint also ganz automatisch eine größere Gefährdung – seiner selbst und von anderen – mit sich zu bringen. Sicherheit und Klarheit findet der durch das Leben stürzende Mann in der Eingrenzung von Männlichkeit auf eine bestimmte Version. Doch diese Sicherheit ist nur vorläufig. Immer wieder sieht er sich gezwungen, seine Männlichkeit aufs Neue bestätigen zu müssen. So ist es eine anstrengende Sache, ein Mann zu werden. Männlichkeit verlangt eine Art ‚Kraftakt‘. Sie will erkämpft werden, indem man sich erprobt und sich aktiv von anderen Bestimmungen abgrenzt. Solange der junge Mann sich einfach treiben lässt in seinen Lehrjahren auf der Suche nach Männlichkeit, kann er sie nicht finden und somit auch keine Klarheit über sich selbst. Dies lernt Schlegels Protagonist im Laufe des Romans begreifen. Erst ein bewusst gefasster und immer wieder mit Energie verteidigter Entschluss, eben ein Kraftakt, kann den jungen Mann zu einem Verständnis seiner Männlichkeit führen. Es scheint aber, als sei die Arbeit nach diesem ersten Kraftakt noch nicht vorbei. Denn ein Mann zu bleiben, ist ebenfalls anstrengend. Der junge Mann sieht sich gezwungen, sich für eine bestimmte Option von Männlichkeit zu entscheiden, z.B. den ‚Macho‘, den ‚Frauenversteher‘ oder den ‚Frauenverführer‘ – man denke hier auch an die US-Serie Two and a Half Men, in der mit Charlie Harper, dem Frauenverführer,

7

F. Schlegel 1999, S. 54.

8

Vgl. Schweizer Bundesamt für Statistik: http://www.bfs.admin.ch/bfs/ portal/de/index/themen/01/06/blank/key/04/04.html, zuletzt aufgerufen am 24.03.2011.

9

Vgl. Schweizer Bundesamt für Statistik: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/ de/index/themen/19/03/04/key/delinquenten/gesetze.html, zuletzt aufgerufen am 24.03.2011.

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und Allen Harper, dem Frauenversteher, zwei klischeehafte Männerfiguren einander gegenübergestellt werden. Hat er sich einmal für eine Version entschieden, lässt es sich kaum umgehen, so sieht es zumindest der junge Mann, diese Version sich und seinem Umfeld auch immer wieder zu beweisen. Ändert er nun aber sein Selbstverständnis und wendet sich von den Begrenzungen einer bestimmten Definition ab – wie auch immer diese aussieht –, besteht das Risiko, dass er in seinem sozialen Umfeld einen hohen Preis dafür bezahlt. Denn er könnte sich dem Zweifel ausgesetzt sehen, kein ‚Mann‘ (mehr) zu sein. Männlichkeit ist somit etwas stets Anzweifelbares. Sie ist nichts, was einem Menschen einfach ‚passiert‘ oder was man einfach ‚ist‘. Das Attribut ‚männlich‘ bedingt den steten Kraftakt, diese Männlichkeit erstens zu bestimmen und zweitens dieser Bestimmung zu entsprechen. Eine positive Bestimmung von Männlichkeit ist schwierig, will sie sich nicht zum Stereotyp verfestigen – wobei man Stereotypen in der medialen Welt des Alltags mehr als genug begegnet (an dieser Stelle sei nochmals auf Two and a Half Men verwiesen) –, und der Anspruch einer ‚allgemeinen‘ oder ‚grundsätzlichen‘ Bestimmung ist vermessen und illusorisch. So begegnet einem statt der positiven Bestimmung von Männlichkeit oft eine negative; eine Abgrenzung von dem, was sie nicht ist. Diesen Gegenpol, von dem sich Männlichkeit abgrenzt, bildet in der kulturellen Ordnung der Geschlechter nach wie vor die Weiblichkeit. In den aktuell geführten Diskussionen über Männlichkeit behauptet die Denkform der Geschlechterdichotomie hartnäckig mediale Präsenz, trotz der Entwicklungen in den Gender Studies und in der gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter. Niemand kommt darum herum, sich im Spannungsfeld von ‚Männlein‘ und ‚Weiblein‘ zu positionieren, und sei es auch bewusst als WederNoch. Der Druck, sich für das eine oder andere zu entscheiden, besteht nach wie vor und führt zu vielfältigen Aushandlungsprozessen. Für die geschlechtertheoretische Reflexion stellt sich die Herausforderung, mit dieser Dichotomie umzugehen und vielleicht über sie hinauszugelangen. In diesem Buch werden deshalb nicht nur grundlegende Fragen nach Männlichkeiten retrospektiv in den Blick genommen, sondern auch zukünftige Perspektiven eröffnet.

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Friedrich Schlegels Romanheld schließlich findet, nachdem er verschiedene Männlichkeitstypen durchlaufen hat, sein Glück nicht in der Abgrenzung von der Weiblichkeit, sondern in der Annäherung an sie. Seine Liebe zu Lucinde, die auf einer „wunderbaren Gleichheit“10 der beiden beruht, führt ihn zum lange ersehnten Gefühl der Einheit und Identität. „Das Rätsel seines Daseyns war gelöst.“11 Mit dem Rätsel seines Daseins ist auch das Rätsel seiner Männlichkeit gelöst, zumindest gemäß der Logik von Schlegels Roman, welcher die Frage nach der Identität und die Frage nach der Männlichkeit verknüpft. Der romantisch-märchenhafte Ton, mit welchem das glückliche Ende der Lehrjahre der Männlichkeit erzählt wird, verweist jedoch ironisch darauf, dass dieser Roman keine abschließende und allgemeingültige Antwort auf die Frage der Männlichkeit geben kann oder will. Lösungsvorschläge sind weiterhin zu suchen. Heute gibt es mehr Möglichkeiten denn je, auf die Frage: „Wann ist ein Mann ein Mann?“12 zu antworten. Die Pluralität, wie Männlichkeit gegenwärtig zu verstehen, zu zeigen, zu sein ist, schafft einen großen Spielraum für Verhandlungen und Reflexionen – und auch für utopische Entwürfe. Eine solche Pluralität ermöglicht Beweglichkeit. So könnte sich ein Mann kontext- und momentabhängig zwischen verschiedenen Entwürfen von Männlichkeit bewegen, ohne sich für einen bestimmten entscheiden zu müssen, indem beispielsweise ein Manager im Büro nicht die gleiche Männlichkeit lebt wie zu Hause. Das vorliegende Buch greift die Frage nach Männlichkeit als ein „Rätsel seines Daseins“ auf, macht Männlichkeit also zu einer Frage der Existenz, zu einer Frage der Identität und Subjektivität. Dass der Mann heute nicht mehr einfach einer unmarkierten Norm des Menschen entspricht, sondern verhandelbar oder auch zweifelhaft geworden ist, vergrößert das Rätsel beträchtlich. Seine Lösung verlangt Findigkeit und Kreativität. Deshalb stehen künstlerische Lösungsvorschläge im Zentrum der Aufmerksamkeit.

10 F. Schlegel 1999, S. 78. 11 Ebd. S. 83. 12 Vgl. Erhart, Walter/Hermann Britta (Hg. 1997): Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit, Stuttgart und Weimar: Metzler.

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Das vorliegende Buch ist aus einer Tagung an der Universität Zürich im Mai 2010 heraus entstanden. Ermöglicht wurden Tagung und Publikation durch die dankenswerte Unterstützung von Genderstudies Schweiz: Graduiertenkolleg der Universität Zürich 2008-2011. Körper, Selbsttechnologien, Geschlecht: Entgrenzungen-Begrenzungen. Die spannenden Beiträge zum Thema Aktuelle Perspektiven auf Männlichkeiten haben bei der Tagung lebhafte Diskussionen angeregt. Neu konzipiert und um substanzielle Beiträge erweitert, hat das Buch nun das Ziel, die Diskussion über den ursprünglichen Rahmen hinaus weiter zu führen und zu vertiefen. Es ist interdisziplinär-kulturwissenschaftlich ausgerichtet und stellt narrative Ausdrucks- und Reflexionsformen von Männlichkeiten vor. In ihren unterschiedlichen Formen und Perspektiven werden sie als Teil des Lösungsversuchs des erwähnten „Rätsels des Daseyns“ verstanden. Ein Rätsel versetzt, gerade wegen seiner Schwierigkeit, Narration und Reflexion in eine kontinuierliche Dynamik. So ist es nicht nur relevant, sondern auch intellektuell fruchtbar, Männlichkeiten zu denken. Den Ausgangspunkt der vorgestellten Denkversuche und ersten Teil des Buches bildet ein umfassender Forschungsüberblick von STEFAN HORLACHER. In seinen Überlegungen zur theoretischen Konzeption männlicher Identität zeichnet er aus kulturwissenschaftlicher Perspektive ein differenziertes Bild von Geschichte, aktuellem Stand und Zukunftsperspektiven der Männlichkeitsforschung. Die Vielfalt der theoretischen Konzeptionen und Positionen zeugt von der Virulenz des ‚Rätsels Männlichkeit‘. Die theoretische Fülle wird vom Autor strukturiert und vertieft, indem er im zweiten Teil seines Beitrags den Blick auf die aktuelle Diskussion um Männlichkeit als Narration richtet, d.h. Männlichkeit als narrative Struktur zwischen Subjektposition, gender relations und Selbstverkennung erkundet. Nach diesem ersten einführenden Teil formieren sich die Beiträge zu zwei Schwerpunkten in einen zweiten und dritten Teil. Der zweite Teil Bodily Matters umfasst zwei gegenläufige Denkbewegungen – Begrenzungen und Entgrenzungen –, die sich aber beide auf den männlichen Körper beziehen. Der dritte Teil schließlich unternimmt ein Re-/Thinking Masculinities auf der Ebene des konzeptuellen Nachdenkens über das Rätsel der Männlichkeit. Der zweite Teil Bodily Matters umfasst eine Anzahl von Texten, die sich vorwiegend mit dem männlichen Körper beschäftigen. Wie bereits oben erwähnt, scheint es unmöglich, sich als Mann (oder Frau)

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nicht in Bezug zur traditionellen Geschlechterdichotomie zu positionieren. Aus dieser kulturell prägenden Denkstruktur erwachsen zwei gegensätzliche Bewegungen, nach welchen die Texte verlaufen: Begrenzungen einerseits und Entgrenzungen andererseits. Beiträge aus dem Bereich der Begrenzungen stellen Lösungsansätze dar, die männliche Subjekte porträtieren, die das Problem ihrer Identität als Mann mit einer mitunter aggressiven und überzeichneten Bestätigung der vorherrschenden Rollen-Ideale angehen. Dem Bereich der Entgrenzungen hingegen sind gegenläufige Lösungsansätze zugeordnet, die sich gegen die Geschlechterdichotomie positionieren. Sie versuchen, die Grenzen zwischen Mann und Frau oder die Grenzen bestimmter Versionen von Männlichkeit in ästhetischer Form aufzubrechen. Mit der Bewegung der Begrenzungen setzt sich MICHAELA RIZZOLLI in ihrem Beitrag Die Arena der Männlichkeit. Zur Aushandlung von Männlichkeit(en) in World of Warcraft auseinander. Sie analysiert die Aushandlung und Bestätigung von primär männlichen Rollenmodellen im Computerspiel World of Warcraft. Die Autorin demonstriert, dass der virtuelle Raum von World of Warcraft mitnichten ein geschlechtsfreier Raum ist, dass dieser Raum aber auch nicht als Spielfeld genutzt wird, um verschiedene Geschlechtsidentitäten auszuprobieren. Sie zeigt ganz im Gegenteil, dass sich gesellschaftliche RollenIdeale auch im Computerspiel manifestieren und in diesem noch bekräftigt werden. Auch ADRIAN RAINBOWS Beitrag Tackling the ‚Crisis of Masculinity‘: An Analysis of Chuck Palahniuk’s Fiction zeigt Versuche der Begrenzung von Männlichkeit auf. An Romanen von Chuck Palahniuk macht er die Mechanismen sichtbar, wie die männlichen Protagonisten das Rätsel der Männlichkeit durch eine gewaltsame Bestätigung einer stereotypen Männerrolle zu lösen versuchen oder es gar nicht erst zum Rätsel werden lassen. Durch eine überspitzte Darstellung der Geschlechterdichotomie stellen die literarischen Texte eben diese Stereotypen in Frage. Palahniuks Werk funktioniert als eine Art Katalysator, um die traditionellen Männlichkeitsbilder neu zu durchdenken. Dasselbe Ziel verfolgen auch die Beiträge aus dem Bereich der Entgrenzungen, jedoch unter gegensätzlichen Vorzeichen. Die Bewegung Entgrenzungen wird durch MONIKA GSELLS Blick auf die Deformation des männlichen Körpers in Gang gesetzt. Ihr Beitrag Aufschneiden, Einschneiden, Spalten, Löchern. Männliche

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Praktiken der Überwindung von Differenz aus psychoanalytischer Perspektive beschäftigt sich mit chirurgischen Eingriffen in den männlichen Genitalbereich, wie z.B. der Spaltung des Penis. Gsell diskutiert exemplarisch die Konstruktion von Geschlecht am und mit dem Körper und fokussiert auch die dabei wirksamen gesellschaftlichen und psychischen Kräfte. Die chirurgischen Eingriffe werden aus psychoanalytischer Perspektive als Praktiken analysiert, mittels derer männliche Subjekte versuchen, die biologisch gegebene Geschlechterdifferenz zu überwinden. Körperlich-konkrete Versuche, die Grenzen zwischen ‚Männlein‘ und ‚Weiblein‘ aufzubrechen, finden sich aber nicht nur in klinischen Berichten über ‚reale‘ Menschen, sondern auch ästhetische Formen der Literatur oder des Films bieten eine Spielwiese für solche Szenarien. Auf sie richtet SCOTT LOREN in seinem Beitrag Mutating Masculinity: Re-Visions of Gender and Violence in the Cinema of David Cronenberg den Blick. Der Autor zeigt auf, wie in Cronenbergs Filmen die männliche Figur zwar an eine vorwiegend männlich codierte Geschichte von Gewalt und gewalttätigen sozialen Praktiken gebunden ist, diese stereotype Figur aber durch starke bis hin zu monströsen Figuren des Weiblichen dekonstruiert wird. So bewegt sich die Chronologie von Cronenbergs Filmen über die Reflexion männlicher Ängste hin zu kritischen Überlegungen zu Gewalt im Zusammenhang mit männlichen Geschlechtspraktiken, männlichem Begehren und patriarchaler Autorität. ANDREA OCHSNERS Beitrag zu The Desire that Cannot Speak its Name. The Female Gaze and the Transgender Subject in Boys don’t Cry befasst sich ebenfalls mit einem Film, der die gängige Geschlechterdichotomie zu widerlegen sucht, aber auf gänzlich andere Weise. Der Film basiert auf der wahren Gegebenheit eines brutalen Mordes an einem jungen Mann in Nebraska, der mit seinem Leben dafür bezahlte, nicht den gängigen Geschlechter-Idealen zu entsprechen. Im Gegensatz zu anderen Kritikern, die zumindest in der Liebesszene am Schluss ein lesbisches Szenario sehen, liest Ochsner den Protagonisten konsequent als transgender subject, dessen Männlichkeit nur durch den weiblichen Blick konstruiert werden kann. Den Abschluss des zweiten Teils bildet JEFF HEARNS wegweisender Text zu The Materiality of Men, Bodies, and Towards the Abolition of ‚Men‘, welcher auf Hearns Ansatz der ‚Critical Studies on Men and Masculinities‘ basiert, deren Ziel ein explizit auf Männer fokus-

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siertes, kritisches und von Männern und/oder von Frauen praktiziertes ‚Studium‘ von Männern und Männlichkeiten ist. Hearn analysiert einerseits die Materialität des männlichen Körpers, auf und mit dem viele Diskurse zu Männlichkeiten abgearbeitet werden. Andererseits sucht er aber vor allem das Konzept ‚Mann‘ per se durchzudenken und aufzubrechen, um sich schließlich in die Richtung einer Abolition of Men zu bewegen. In seiner gleichzeitigen Perspektive auf körperliche Realitäten – Bodily Matters – und auf ein Rethinking of Masculinities/Men – bildet Jeff Hearns kritisch-analytischer Beitrag die Schnittstelle zwischen Bodily Matters und Re-/Thinking Masculinities. Der dritte Teil Re-/Thinking Masculinities unternimmt den Versuch, eigentliche Konzeptionen von Männlichkeiten zu denken. Mit einer historischen Perspektive auf die politische Philosophie setzt ENIT K. STEINER ein. In Imaging Masculinities and the Feminist Inflection kontrastiert die Autorin unterschiedliche Männlichkeitsbilder, wie sie Philosophen der Moderne entworfen haben. Der Beitrag analysiert einerseits die Phantasie männlicher Selbst(re)produktion als Wunschbild absoluter Autonomie, wie sie sich beispielsweise bei Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau findet, und als Gegenbild dazu andererseits das inklusive Männlichkeitskonzept des man who is many, dessen Spur sich von der schottischen Aufklärung bis in die heutige Medienwelt zieht. Männlichkeiten denken bedeutet immer auch, sich dem konstitutiv Unbestimmten zu stellen, welches bei Friedrich Schlegel als „Wuth der Unbefriedigung“ erscheint. Diesen unbestimmten und zutiefst negativen Kern von Männlichkeit arbeitet CHRISTOPH KUCKLICK in historisch-soziologischer Perspektive heraus. In seiner breiten Lektüre „Der Mann, ein gefährliches Tier der Gesellschaft“ führt er den Männlichkeitsdiskurs seit der Moderne des späten 18. Jahrhunderts als negative Andrologie vor, was nicht nur heutige Deutungsmuster von ‚destruktiver‘ Männlichkeit erklärt, sondern auch eine kritische Anfrage an das Selbstverständnis der Gender Studies stellt. Auch in der Literatur sind bestimmte kulturelle Konzepte seit dem 18. Jahrhundert bis heute wirksam. BRITTA HERRMANN nimmt die Sprache unter die Lupe, genauer die Versuche, explizit als Mann zu schreiben. In ihrer Untersuchung von literarischen Debatten um 1800, 1900 und 2000 zeigt sie, dass und wie zur Aufwertung der eigenen ästhetischen Position und zur Abwertung der anderen geschlechtliche Zuschreibungen eingesetzt werden. Dabei wird nämlich mit den –

16 | M ARTINA L ÄUBLI & S ABRINA SAHLI

stark wertenden – Kriterien ‚männlich‘/‚unmännlich‘ operiert und zwischen Geschlecht und Stil ein Zusammenhang hergestellt, der dazu geführt hat, dass auch heute Autoren die Texte ihrer Konkurrenten als „Knabenwindelprosa“13 bezeichnen. Nicht nur Schriftsteller strengen sich an, als ‚männlich‘ zu gelten. In noch viel stärkerem Maß tun dies fiktive Figuren vom ‚Weichei‘ bis zum ‚Macho‘. Als ein Spezialfall von Letzterem, welcher den Kraftakt der Männlichkeit geradezu verkörpert, wiederum kann der Mafioso gelten, welcher JOHANNES BINOTTO einem filmisch-psychoanalytischen Re-Thinking unterzieht. Die sich innerhalb des Systems der Mafia unweigerlich stellende und vom Mafioso wiederum reproduzierte Frage: „Que vuoi?“ wird als Symptom, als die hysterische Frage schlechthin gelesen. Anhand der Mafia-Filme von Martin Scorsese entwirft dieser Beitrag das Konzept einer hysterischen Männlichkeit, welche von der Frage nach dem Begehren des Anderen strukturiert wird. Das so offen gelegte – traditionell weiblich konnotierte – historische Krankheitskonzept der Hysterie entgrenzt den Macho/Mafioso, indem sie eine andere, unerwartete Tiefenstruktur dieser Männlichkeitsversion sichtbar macht und für neue Deutungen öffnet. Die Möglichkeit neuer Deutungen von Männlichkeiten führt zum Anliegen dieses Buches zurück. Nicht nur eine Vielfalt von Männlichkeitsreflexionen wurde aufgezeigt, sondern vor allem auch die Beweglichkeit und Pluralität dieses Denkens von Männlichkeit. So stellt der vorliegende Band eine tiefgreifende Standortbestimmung der Männlichkeitsforschung in den Kulturwissenschaften dar. Aus psychoanalytischen, literatur- und filmwissenschaftlichen bis hin zu sozialwissenschaftlichen Perspektiven werden Lösungen des Rätsels der Männlichkeit kritisch durchdacht. Die vorgeschlagenen Reflexionen sind ein Etappenhalt in der fortlaufenden Debatte, wie Männlichkeit im 21. Jahrhundert zu denken wäre. Obwohl die Anlage des Buches weit gefasst ist, bietet es in diesem Rahmen nur einen kleinen, wenn auch exemplarischen Einblick in die Vielzahl möglicher ‚Lösungsansätze‘. Die Pluralität der Möglichkeiten, Männlichkeit zu denken und zu leben, übersteigt den Raum zwischen zwei Buchdeckeln.

13 Zaimoglu, Feridun (1999): „Knabenwindelprosa“, in: Die Zeit vom 18.11.1999.

I. Teil Introducing Masculinities

Überlegungen zur theoretischen Konzeption männlicher Identität aus kulturwissenschaftlicher Perspektive Ein Forschungsüberblick mit exemplarischer Vertiefung S TEFAN H ORLACHER

1. D IE

LEBENSWELTLICHE P ROBLEMATIK MÄNNLICHER I DENTITÄTSBILDUNG

In den letzten Jahren ist nicht nur in der Forschung, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit die akute Problematik der männlichen Identitätsfindung beziehungsweise Identitätskonstruktion unübersehbar geworden.1 Medial schlug sich dies allein im Januar und Februar 2008 in entsprechenden Leitartikeln sowohl im SPIEGEL als auch in der

1

Dieser Aufsatz ist eine leicht überarbeitete Version von Horlacher, Stefan (2010a): „Überlegungen zur theoretischen Konzeption männlicher Identität: Ein Forschungsüberblick mit exemplarischer Vertiefung“, in: Stefan Horlacher (Hg.), „Wann ist die Frau eine Frau?“ – „Wann ist der Mann ein Mann?“ Konstruktionen von Geschlechtlichkeit von der Antike bis ins 21. Jahrhundert, ZAA Monograph Series, Band 10, Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 195-238. Er entstand in Zusammenhang mit dem von der Alexander von Humboldt-Stiftung geförderten TransCoop-Projekt „Towards Comparative Masculinity Studies“ sowie der Konferenz „Aktuelle Perspektiven auf Männlichkeiten“ an der Universität Zürich (7. Mai 2010).

20 | STEFAN HORLACHER

ZEIT nieder,2 und lebensweltlich nimmt die Anzahl der von männlichen Jugendlichen ausgehenden Gewalttaten unvermindert zu. Ein Verweis auf die durch die Medien gegangenen U-Bahn-Attacken (München) mag hier genauso genügen wie die Erinnerung an die gewalttätigen Zwischenfälle an der Columbine High School, der Virginia Tech University, der Northern Illinois University (DeKalb), der Berliner Rütli Schule, dem Erfurter Gutenberg Gymnasium oder der Jokela Schule in Tuusula, Finnland.3 Dass diese Thematik jedoch nicht völlig neu ist, belegt ein Blick in DIE WELT vom 2. Juni 1998: Unter der Überschrift Psychiater: ‚Amerikas Jungen in der Krise‘ rief die Tageszeitung vor nunmehr über zehn Jahren unter Bezug auf den Psychiater William Pollock von der Harvard University „eine nationale Krise des Knabenalters“ aus. Nachdem „[j]ahrelang [...] in den USA die Förderung von Mädchen Priorität“ hatte, offenbaren die Statistiken nun eine erschütternde Bilanz: „Im Pubertätsalter begehen in den USA fünfmal so viele Jungen wie Mädchen Selbstmord. Jungen machen 90 Prozent der Disziplinarfälle aus und brechen viermal häufiger die Schule ab.“4 Während es unter männlichen Jugendlichen zu immer mehr Gewalttaten kommt, leiden nach einer in L’Actualité médicale publizierten kanadischen Studie im Kindes- und Jugendalter deutlich mehr Jungen als Mädchen an Beeinträchtigungen beziehungsweise Erkrankungen wie langsamer geistiger Entwicklung, Verhaltensstörungen, Überängstlichkeit oder

2

S.a. die „12 Sonderseiten ‚Männer‘ zum Internationalen Frauentag“ der TAZ vom 8. März 2010.

3

Auf die gerade bei Jugendkriminalität zu berücksichtigenden vielfältigen sozialen Hintergründe und Missstände, auf Fragen der Integration und Möglichkeiten gesellschaftlicher Partizipation sowie der Lebensperspektiven kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden.

4

„Psychiater: Amerikas Jungen in der Krise“, in: Die Welt vom 02.06.1998. Die hier im Einleitungsteil gemachten Bemerkungen orientieren sich an Horlacher, Stefan (2004a): „Men’s Studies and Gender Studies at the Crossroads (I): Transdisziplinäre Zukunftsperspektiven der Geschlechterforschung“, in: LWU – Literatur in Wissenschaft und Unterricht xxxvii.2, S. 169-88; und Horlacher, Stefan (2006a): „Literatur und die Überwindung der Dichotomien. Zum Verhältnis von Lebenswelt, Men’s Studies, Gender Studies und savoir littéraire“, in: Ursula Link-Heer et al. (Hg.), Literarische Gendertheorie. Eros und Gesellschaft bei Proust und Colette, Bielefeld: Transcript, S. 33-56.

F ORSCHUNGSÜBERBLICK

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schizoiden Tendenzen. Als Erwachsene finden sich bei Männern Persönlichkeitsstörungen wie Paranoia und zwanghaftes oder antisoziales Verhalten besonders häufig: Viermal so viele Männer leiden unter Alkoholismus und Drogensucht als Frauen – und bei Selbstmorden und „hochgefährlichem“ Verhalten übertreffen Männer Frauen im Verhältnis von drei zu eins. Fast könnte man den Eindruck haben, als mutiere das ehemals (vermeintlich) starke nun zum „mit zahlreichen physischen und psychischen Anfälligkeiten“5 behafteten schwachen Geschlecht. Zwar scheint aus biologischer Sicht bereits das reine Überleben für das männliche Wesen schwieriger zu sein als für das weibliche, doch wäre es voreilig, die in Industriegesellschaften um bis zu acht Jahre geringere Lebenserwartung der Männer allein auf die Biologie zurückzuführen. Vielmehr bezeugen die sich in den Massenmedien wie in der modernen Prosaliteratur niederschlagenden Geschlechtervorstellungen genauso wie die von männlichen Jugendlichen ausgehende Gewalt, dass Männlichkeit einen ungewissen und mehrdeutigen Status hat und etwas ist, das durch einen Kampf, eine schmerzhafte Initiation oder eine lange und manchmal demütigende ‚Lehrzeit‘ erworben werden muss. Die in dieser ‚Lehrzeit‘ einzugehenden Risiken sind uneinschätzbar hoch, und je höher sie sind, desto größer scheint die Männlichkeit der Betroffenen zu sein. Doch sind die für diese „Draufgängerdynamik mit ihrem großen Nachdruck auf materiellem Erfolg“ erforderlichen inneren Kräfte und die notwendige Entschlossenheit alles andere als natürlich vorhanden. Vielmehr müssen sie den Jungen „künstlich durch eine harte Periode der Indoktrination“6 eingeprägt werden. Männlichkeit erweist sich somit als eine ernste Angelegenheit: „Sie ist nicht einfach natürlich, denn wie die meisten charakteristischen Eigenschaften einer zivilisierten Gesellschaft muss sie gelehrt werden.“7 Und dies impliziert immer die Möglichkeit des Scheiterns. Walter Erhart argumentiert diesbezüglich, dass sich „mittlerweile (über die

5

Badinter, Elisabeth (1993): XY. Die Identität des Mannes, München und Zürich: Piper, S. 49-50.

6

Gilmore, David (1991): Mythos Mann: Rollen, Rituale, Leitbilder, München und Zürich: Artemis & Winkler, S. 120; s.a. Stearns, Peter N. (1979): Be a Man! Males in Modern Society, New York u.a.: Holmes & Meier.

7

Stearns zitiert nach D. Gilmore 1991, S. 120.

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epochalen Grenzen der Männergeschichte hinweg)“ die Denkfigur etabliert habe, „wonach Männlichkeit sich immer schon in einer Krise befindet, die einerseits – mit Judith Butler – sich auf den stets performativen, iterativen Status der Kategorie Geschlecht gründet, andererseits das Symptom und Ergebnis einer mühsam gesicherten und den Männern eher zwangsweise und permanent auferlegten hegemonialen Männlichkeit beschreibt.“

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In der Tat bleibt es in einer zunehmend medialisierten und beschleunigten Gesellschaft dem Mann wohl zum ersten Mal in der Geschichte weitgehend selbst überlassen, gemäß den Möglichkeiten seines gesellschaftlichen Kontextes zwischen Patriarchat, klassischem Ergänzungsmodell, dem Beharren auf biologischer Differenz und geschlechtlich determinierter psychosexueller Entwicklung, der Integration weiblicher Eigenschaften (beispielsweise im Sinne von Jungs anima) bis hin zur Konzeption von Männlichkeit als flexiblem und potentiell rein diskursivem Konstrukt aus einer schier unüberschaubaren Vielfalt von durchaus widersprüchlichen Modellen,9 Entwürfen, aber auch Theorien seine eigene Männlichkeit zu konstruieren.10 Zwischen traditionellen Rollenerwartungen, selbstbewussten, für Gleichberechtigung eintretenden Frauen und den neuen Erfordernissen

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Erhart, Walter (2005): „Das zweite Geschlecht: ‚Männlichkeit‘, interdisziplinär. Ein Forschungsbericht“, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 30.2, S. 156-232, S. 174.

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„Die zentrale Entdeckung der jüngeren Forschung besteht in der Dynamik und Widersprüchlichkeit in der Konstruktion moderner Männlichkeit, die sich aus der Existenz unterschiedlicher und regelrecht gespaltener männlicher Lebenswelten ergeben.“ W. Erhart 2005, S. 203.

10 „Die Konstruktion von Männlichkeit(en) ist […] sowohl ein individueller als auch ein kollektiver Prozess. Kollektiv ist er deshalb, weil die gesellschaftlichen Institutionen bestimmte Männlichkeitskonzepte und -ideale aufbauen und produzieren, andere wiederum destruieren – individuell, weil Männer immer konkrete Personen sind, in die sich die Konzepte körperlich einschreiben, sich verkörpern und Männlichkeit nie nur Struktur ist, sondern in und zwischen Subjekten gelebt wird.“ Schwerma, Klaus (2000): Stehpinkeln. Die letzte Bastion der Männer. Identität und Macht in einer männlichen Alltagshandlung, Bielefeld: Kleine Verlag, S. 63.

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einer postindustriellen Gesellschaft des Bildes und der Simulation wird der Mann selbst „zu einem mit Bildern überhäuften ‚Rätsel‘ und zu einem Phänomen der Repräsentation.“11 Die Vielfalt der zurzeit im Überfluss angebotenen und von den Medien transportierten Männerbilder verdeutlicht aber vor allem eins, nämlich, dass dem Individuum zur erfolgreichen Identitätsbildung Rollen- und Bildervorgaben nicht genügen. Dies erklärt sich unter anderem daraus, dass „die Vielzahl der potentiellen wie der im täglichen Leben tatsächlich gespielten Rollen es unmöglich macht, sich durchgängig mit nur einer Rolle zu identifizieren.“ Zudem geht „mit der Erfahrung des Nebeneinanders mehrerer Rollen bzw. der Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Rollen [...] auch das Bewusstsein von der Relativität aller Rollen einher.“12 Das sich traditionell eher statisch und ‚monolithisch‘ imaginierende (männliche) Ich wird zunehmend aufgelöst – und ein essentialistisch-biologistisch-nostalgischer ‚Beigeschmack‘ bleibt trotzdem zurück, denn bei allem demokratisch aufgeklärten Wissen um die Relativität der täglich in einer Art von Selbstinszenierung gespielten Rollen bleiben diese einer in der Regel seit der frühen Kindheit eingeübten Teilhierarchisierung unterworfen, wobei der durch das biologische Geschlecht beeinflussten Geschlechterrolle eine besonders große Bedeutung zukommt.13

11 Erhart, Walter/Herrmann, Britta (1997a): „Der erforschte Mann?“, in: Walter Erhart/Britta Herrmann (Hg.), Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit, Stuttgart und Weimar: Metzler, S. 3-31, S. 6. 12 Glomb, Stefan (1997): Erinnerung und Identität im britischen Gegenwartsdrama, Tübingen: Narr, S. 5; s.a. Luckmann, Thomas (1972): „Zwänge und Freiheiten im Wandel der Gesellschaftsstruktur“, in: Hans-Georg Gadamer/Paul Vogler (Hg.), Neue Anthropologie, 4 Bände, Band 3, Stuttgart und München: Thieme, S. 168-98. Generell stellt sich zudem die Frage, inwiefern Männlichkeit und Weiblichkeit als Rollen gefasst werden können oder ob sie nicht vielmehr als Subjektpositionen gedacht werden müssen. S. hierzu unten die Ausführungen zu Exemplarische Vertiefung: Geschlechtliche Identität, Sprache und Psyche. 13 Dies verdeutlicht bereits Freud, wenn er schreibt: „Männlich oder weiblich ist die erste Unterscheidung, die Sie machen, wenn Sie mit einem anderen menschlichen Wesen zusammentreffen, und Sie sind gewöhnt, diese Unterscheidung mit unbedenklicher Sicherheit zu machen.“ Freud zitiert

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Nach Jahrzehnten, in denen der weiblichen Lebenswelt und Psyche vollkommen zu Recht verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet wurde, rückt seit 15 bis 20 Jahren die männliche Psyche zunehmend in den Blickpunkt wissenschaftlicher Beobachtung. Doch selbst wenn die Forschungen im Bereich der (New) Men’s Studies oder Masculinity Studies signifikant zugenommen haben, so stellen sie im Vergleich zur Frauenforschung (im weiteren Sinn) gleich aus mehreren Gründen immer noch eine deutliche Minorität dar: Einerseits dominieren „[w]omen writing about women [...] contemporary work on gender“14, andererseits rücken viele Arbeiten aus dem Bereich der Masculinity Studies homosexuelle Aspekte in den Vordergrund15. Darüber hinaus stammen die meisten kritischen Untersuchungen zur Maskulinität von Soziologen und Psychologen, hat die Literatur- und Kulturwissenschaft gerade erst damit begonnen, „to articulate a critical analysis of masculinity in contemporary culture and in modern literature. More recent, and sometimes more radical, books have been written by sociologists, psychologists, and historians, not literary or cultural critics.“16 Erschwerend kommt hinzu, dass sich für viele Kritiker „the literature on men and masculinity“ als „hopelessly at odds with itself“, als theoretisch schlecht abgesichert und in sich widersprüchlich darstellt, so dass die gesamte Problematik, die sowohl in gesellschaftlichen als auch wissenschaftlichen Kreisen bis weit in die 1990er Jahre als „unsurveyed“ oder „shifting territory“17 galt, auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch längst nicht erschöpfend behandelt ist.

nach Irigaray, Luce (1980): Speculum. Spiegel des anderen Geschlechts, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 13; s.a. E. Badinter 1993, S. 55. 14 Murphy, Peter F. (1994): „Introduction: Literature and Masculinity“, in: Peter F. Murphy (Hg.), Fictions of Masculinity: Crossing Cultures, Crossing Sexualities, New York und London: New York University Press, S. 117, S. 1. 15 Vgl. W. Erhart 2005, S. 162. 16 P.F. Murphy 1994, S. 4; Hervorhebung S.H. 17 Clatterbaugh, Kenneth S. (1990): Contemporary Perspectives on Masculinity: Men, Women, and Politics in Modern Society, Boulder u.a.: Westview, S. 1-2; und Clatterbaugh, Kenneth S. (1997): Contemporary Perspectives on Masculinity: Men, Women, and Politics in Modern Society, Boulder u.a.: Westview, S. 1.

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Dies gilt auch – und vielleicht sogar besonders – für den deutschsprachigen Bereich der Männerforschung, über den Mechthilde Vahsen schreibt, dass „die interdisziplinäre Verknüpfung mit anderen Analysekategorien, z.B. Klasse oder Ethnie“, fehlt und dass „sich der Austausch mit neuen Forschungsrichtungen […] noch in den Anfängen“18 befindet. Therese Frey Steffen spricht in ihrem 2002 erschienenen Sammelband Masculinities stellvertretend für viele andere Kritikerinnen und Kritiker von einem „in den vergangenen fünfzehn Jahren […] im anglo-amerikanischen Raum exponentiell gewachsene[n] Interesse an ‚Masculinities‘. Dieses Defizit hat sich im deutschen Sprachraum verspätet und erst zögerlich artikuliert, sei es, dass man(n) sich nicht (schon wieder) mit Gewalt auseinandersetzen oder als Prügelknabe dienen mochte, sei es, dass die Frauenforschung hart erkämpften Boden ungern teilt, oder Europa US-amerikanischen Entwicklungen nicht folgen will, ihnen vielleicht ganz einfach nachhinkt.“19

Angesichts dieser Tatsache sowie der zum Teil fragwürdigen Ansätze im Bereich der Masculinity Studies sollen im Folgenden in einem ersten Schritt die Erkenntnisse traditioneller Forschungsrichtungen zum Thema Männlichkeit herausgearbeitet werden – und dies auch deshalb, weil die Forschungsdisziplin der Masculinity Studies, will sie ernst genommen werden, weder hinter diese Erkenntnisse zurückfallen noch sie ignorieren darf. Wenn darüber hinaus der angesichts dieser Problematik von feministischer Seite nicht selten ins Feld geführte Vorwurf stimmt, der Mann mache sich in der Forschung schon immer zum impliziten Maß aller Dinge, dann müssten die traditionellen Forschungsrichtungen aus ihren divergenten Perspektiven heraus direkt anwendbare Erkenntnisse liefern, zumindest jedoch einen Einblick in die ‚Mechanismen‘ der männlichen Identitätsbildung geben können. Allerdings ist gerade auf Grund

18 Vahsen, Mechthilde (2002): „Männerforschung“, in: Renate Kroll (Hg.), Metzler Lexikon Gender Studies/Geschlechterforschung: Ansätze, Personen, Grundbegriffe, Stuttgart und Weimar: Metzler, S. 248-9, S. 249. 19 Steffen, Therese Frey (2002): „Masculinities/Maskulinitäten: Gender Studies and its Mal(e)Contents“, in: Therese Frey Steffen (Hg.), Masculinities – Maskulinitäten: Mythos, Realität, Repräsentation, Rollendruck, Stuttgart und Weimar: Metzler, S. 270-82, S. 270.

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der Universalisierung von Männlichkeit Skepsis angebracht, erweist sich doch die implizite Gleichsetzung von Mann und Mensch insofern als problematisch, als sie den Blick auf eine spezifische Männlichkeit beziehungsweise den Mann als Geschlechtswesen zu verstellen droht20. „[N]otions of the ‚human‘“, so David Rosen, verdunkeln „notions of the ‚masculine‘“21, was letztlich sogar soweit führt, dass von einer traditionellen ‚Unsichtbarkeit des männlichen Geschlechts‘ die Rede ist und es eine spezifische männliche Erfahrung erst noch zu entdecken und zu validieren gilt: „In inverse fashion to the struggle in women’s studies to establish the objectivity of women’s experiences and thereby validate the legitimacy of women’s experiences as women, much of men’s studies struggle to establish the subjectivity of men’s experiences and thereby validate the legitimacy of men’s experiences as men.“22

Es wäre also vorschnell, aus dem ‚patriarchalischen Fundament‘ beispielsweise der Psychoanalyse, aber auch anderer Wissenschaftsdisziplinen zu schließen, diese würden ein spezifisches Wissen über den Mann liefern. Trotzdem rechtfertigen es diese Einschränkungen nicht, traditionelle Ansätze und Disziplinen zu ignorieren und direkt zu den Masculinity Studies überzugehen, basieren letztere, wie auch weite Teile der Geschlechterforschung an sich, doch weitgehend auf traditionellen Disziplinen, auch wenn sie deren Fokus verändern und sie inter- und transdiziplinär kombinieren.23

20 Vgl. Krammer, Stefan (2007): „Fiktionen des Männlichen. Männerforschung als literaturwissenschaftliche Herausforderung“, in: Stefan Krammer (Hg.), MannsBilder: Literarische Konstruktionen von Männlichkeiten, Wien: WUV, S. 15-36, S. 20-1. 21 Rosen, David (1993): The Changing Fictions of Masculinity, Urbana: University of Illinois Press, S. xi-xii. 22 Brod, Harry (1987a): „Introduction: Themes and Theses of Men’s Studies“, in: Harry Brod (Hg.), The Making of Masculinities: The New Men’s Studies, Boston: Allen & Unwin, S. 1-17, S. 6. 23 Vgl. S. Horlacher 2004a und Horlacher, Stefan (2004b): „Men’s Studies and Gender Studies at the Crossroads (II): Transdisziplinäre Zukunftsperspektiven der Geschlechterforschung“, in: LWU – Literatur in Wissenschaft und Unterricht xxxvii.3, S. 267-86.

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Aus diesen Gründen soll im Folgenden ein von der soziologisch orientierten Identitätsforschung über die Kulturanthropologie bis zur Psychoanalyse sowie den wichtigsten Ausprägungen der Masculinity Studies reichender Überblick über die gegenwärtigen kulturwissenschaftlichen Konzeptualisierungen von Männlichkeit gegeben werden;24 ein Überblick, der jedoch allein schon aus Platzgründen äußerst selektiv vorgehen muss und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.25 Dabei wird von der „grundsätzliche[n] Historizität der Kategorie ‚Männlichkeit‘“ beziehungsweise der „Annahme, dass sämtliche Vorstellungen und Bilder von Männlichkeit ebenso sozial und kulturell konstruiert sind wie die entsprechende Konstruktion von ‚Weiblichkeit‘“ ebenso ausgegangen wie von der sowohl diachronen als auch synchronen „Existenz mehrerer gleichzeitiger Männlichkeiten innerhalb einer einzigen Gesellschaft.“ 26 Gerade weil dieses bereits vorausgesetzt wird, geht es folglich nicht darum, lebensweltlich, historisch oder literarisch belegten Bildern von Männlichkeit nachzuspüren, sondern in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen nach Erklärungsmöglichkeiten für das zu suchen, was Erhart die „Innenseite männlicher Identitäten“27 genannt hat. Exemplarisch vertieft wird diese Thematik im zweiten Teil dieses Aufsatzes, der sich aus psychoanalytisch inspirierter Perspektive mit der aktuellen Diskussion um Männlichkeit als Narration beziehungsweise narrative Struktur zwischen Subjektposition, gender relations und Selbstverkennung befasst. Hierbei wird versucht, dem narrativen – und somit sprachlichen – Charakter von Männlichkeit gerecht zu wer-

24 Der erste Teil des folgenden Forschungsüberblicks orientiert sich an Horlacher, Stefan (2006b): Masculinities. Konzeptionen von Männlichkeit im Werk von Thomas Hardy und D.H. Lawrence, Tübingen: Narr, S. 36-81; ist jedoch stark gekürzt, aktualisiert und neu überarbeitet. 25 So wird vor allem der in der deutschen Männerforschung ohnehin bekannte soziologische und historische Bereich nur knapp angerissen; auch auf Pierre Bourdieus Arbeiten, vor allem Die männliche Herrschaft, kann nur verwiesen werden. S. hierzu auch die Ausführungen bei Meuser, Michael (2006): Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster, 2. überarb. und aktual. Auflage, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 26 W. Erhart 2005, S. 161. 27 Ebd. S. 196.

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den, ohne jedoch der männlichen Identitätsbildung äußerlich zu bleiben28. Unter Berücksichtigung von Erharts Argumentation, dass sich Männer Männlichkeit aneignen, „indem sie eine Geschichte darstellen, indem sie in eine Geschichte gezwungen werden, indem sie performativ eine Geschichte vollziehen“ 29 , wird gefragt, auf welche psychischen Instanzen beziehungsweise Strukturen diese „Geschichte“ – oft ist auch von stories und plots die Rede – trifft und welche Wechselwirkungen dabei bestehen beziehungsweise inwiefern die „Geschichte“ nicht nur übernommen, sondern von den psychischen Instanzen auch mithervorgebracht wird – und vice versa! Besonders berücksichtigt werden hierbei sowohl präödipale als auch ödipale Konstellationen sowie in einem letzten Schritt die Rolle der Sprache und der symbolischen Ordnung für die Konstruktion von Genderidentitäten wie auch menschlicher Identität per se. Aus dem Überblickscharakter dieses Aufsatzes ergibt sich zudem, dass die im Folgenden dargelegten Disziplinen und Forschungsperspektiven – vor allem was die psychoanalytischen Perspektiven sowie die zahlreichen Ansätze der Masculinity Studies betrifft – nicht zwangsharmonisiert werden, also kein master narrative of masculinity angestrebt wird, und dass männliche Identität oder ‚Männlichkeit‘ eher in ihrer Vielschichtigkeit aufgezeigt als definitorisch festgeschrieben werden soll.

2. F ORSCHUNGSÜBERBLICK 2.1 Perspektiven der Identitätsforschung und der Kulturanthropologie Stellt man die Frage nach männlicher Identität, so liegt vermeintlich nichts näher, als einen Blick auf die nach wie vor boomende Identitätsforschung zu werfen. Thomas Luckmann konstatiert, „dass über persönliche Identität und verwandte Begriffe noch nie soviel geredet und geschrieben worden ist, als heutzutage“30, und Stefan Glomb spricht von

28 W. Erhart 2005, S. 206. 29 Ebd. S. 204. 30 Luckmann, Thomas (1979): „Persönliche Identität, soziale Rolle und Rollendistanz“, in: Odo Marquard/Karl-Heinz Stierle (Hg.), Identität,

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einer „ungebrochenen Aktualität und Ausweitung dieser Diskussion“, die mit einer „Bedeutungsvielfalt und -verwirrung den Identitätsbegriff bis hin zur annähernden Bedeutungslosigkeit aufzublasen droht.“31 Traditionell geht diese Forschungsrichtung davon aus, dass sich das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft als dialektischer Kreisprozess aus appropriation, transformation und publication auffassen lässt, wobei neue, zu verarbeitende Erfahrungen diesen Prozess in Gang setzen. Ungeachtet aller möglichen Änderungen muss dabei das Selbstkonzept des Individuums eine gewisse Konsistenz beziehungsweise Konstanz aufweisen.32 Identität – auch männliche – erweist sich aus dieser Perspektive nicht als etwas Genuines oder als ein unhintergehbares Apriori, sondern als ein „vom einzelnen immer wieder zu bewerkstelligende[r], am Schnittpunkt von gesellschaftlicher Interaktion und individueller Biographie stattfindender Prozess der Konstruktion und Revision von Selbstkonzepten“33, der zudem „der Forderung nach Individualität gerecht werden muss.“ Hieraus resultiert nur zu leicht eine „Überforderungskrise des Individuums“, eine „lebenslängliche Identitätskrise des einzelnen“, eine „latente Dauerkrise“, zumindest jedoch eine äußerst „prekäre Identitätsbalance des Individuums.“34 Generell mag man diesen Ausführungen zustimmen, doch gilt es festzuhalten, dass die Identitätsforschung kaum Aussagen über die Entwicklung einer spezifisch männlichen Identität macht, da sie in der Regel die Geschlechterdifferenz ignoriert. 35 Dass „aber Männlichkeit wie Weiblichkeit immer gleichermaßen dort am Werke sind, wo sich

München: Wilhelm Fink Verlag, S. 293-313, S. 293; s.a. S. Glomb 1997, S. 2. 31 Vgl. S. Glomb 1997, S. 2; s.a. Langbaum, Robert (1977): The Mysteries of Identity: A Theme in Modern Literature, New York: Oxford University Press, S. 3. 32 Vgl. Harré, Rom (1983): Personal Being – A Theory for Individual Psychology, Oxford: Basil Blackwell, S. 256-8; und Haußer, Karl (1983): Identitätsentwicklung, New York: Harper & Row, S. 64. 33 S. Glomb 1997, S. 9. 34 Ebd. S. 2-28. 35 Vgl. Klinger, Cornelia (1995): „Beredtes Schweigen und verschwiegenes Sprechen: Genus im Diskurs der Philosophie“, in: Hadumod Bußmann/Renate Hof (Hg.), Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart: Kröner, S. 34-59.

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Menschen mit ihren Identitäten beschäftigen, lässt sich kaum mehr bezweifeln“36. Aus diesem Grund wurde – neben den bekannten Arbeiten Erik Eriksons37 – seit den 1950er Jahren vor allem versucht, die Problematik geschlechtlicher Identität mit Hilfe der soziologischen Rollentheorie zu fassen.38 Sie erlaubt es, masculine role stress als „a conflict between inherited masculine values and the patterns of actual behavior“ zu verstehen, wichtige Stressfaktoren aufzudecken und ihre Auswirkungen auf die Konzeption von Männlichkeit herauszuarbeiten.39 Eine der wichtigsten Anwendungen von Identitätskonzeptionen auf die Genderproblematik geht dabei auf Robert Stoller zurück, der die Geschlechtsidentität durch drei Komponenten konzeptualisiert, nämlich durch die Kern-Geschlechtsidentität (core gender identity), die Geschlechtsrolle (gender role) oder Geschlechtsrollen-Identität (gender role identity) und die Geschlechtspartner-Orientierung (sexual partner orientation bzw. choice of love object).40 Allerdings weist dieses durchaus umstrittene Konzept zahlreiche Nachteile auf, wozu unter anderem die ungenügende Berücksichtigung des von Freud betonten Elements „of gender as a contradictory structure“, das Ignorieren essentieller psychoanalytischer Einsichten sowie eine zu starke Normativität gehö-

36 W. Erhart/ B. Herrmann 1997a, S. 19. 37 Vgl. E. Badinter 1993, S. 47; s.a. Erikson, Erik (1950): Childhood and Society, New York: Norton, und Erikson, Erik (1959): Identity and the Life Cycle, New York: International University Press. 38 S.a. den Überblick bei Connell, Robert W. (2000a): Der gemachte Mann, Opladen: Leske + Budrich, S. 39-46 u. 54-8. Connell publiziert inzwischen unter dem Namen Raewyn Connell. Dass von Seiten der soziologischen Identitätsdebatten auch die Arbeiten von George Herbert Mead, Erving Goffman und anderen zu nennen wären, ist selbstverständlich, eine Darstellung kann aus Platzgründen jedoch nicht erfolgen. 39 Vgl. D. Rosen 1993, S. xiii; Komarovsky, Mirra (1976): Dilemmas of Masculinity: A Study of College Youth, New York: Norton; Pleck, Joseph (1981): The Myth of Masculinity, Cambridge u.a.: MIT Press. 40 Vgl. Mertens, Wolfgang (1997): „Männlichkeit aus psychoanalytischer Sicht“, in: W. Erhart/B. Herrmann (Hg.), Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit, S. 35-57; E. Badinter 1993, S. 219; K. Clatterbaugh 1990, S. 3; sowie die hier nicht einzeln aufgeführten Arbeiten von Robert Stoller.

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ren.41 Dessen ungeachtet gilt es festzuhalten, dass gerade soziologische Studien entscheidend dazu beigetragen haben, die verschiedenen klassenund ethnienspezifischen Schattierungen von Männlichkeit, Macht- und Marginalisierungsphänomene, aber auch eine spezifisch ‚männliche Sozialisation‘ überhaupt erst in den Blick zu bekommen. In der deutschsprachigen Forschung wären vor allem aus soziologischer Perspektive, die hier aus Platzgründen nicht weiter verfolgt werden kann, stellvertretend die Arbeiten von Michael Meuser und Lothar Böhnisch zu nennen. Wendet man sich auf der Suche nach Männlichkeit beziehungsweise nach den Charakteristika und Invariablen von Männlichkeit der Kulturanthropologie zu, so wird deutlich, „dass in allen Kulturen unserer Erde eine klar definierte Vorstellung davon existiert, wie ein ‚wahrer‘ oder ‚echter‘ Mann zu sein hat.“42 Männlichkeit wird dabei jedoch weniger als eine biologische Tatsache und eher „als eine soziale und eine psychische Barriere verstanden, welche die Gesellschaft vor unkontrolliertem Individualismus und menschlichen Schwächen schützt, die das Leben der Gruppe gefährden könnten.“43 Gleichzeitig stellen die je nach Kultur differierenden Männlichkeitsmythen für das Individuum eine Art Schutz vor dem regressiven Wunsch dar, „zu früheren, oft befriedigenderen Entwicklungsphasen zurückzukehren und der aktuellen Realität auszuweichen.“ 44 Wie David Gilmore und Maya Nadig argumentieren, hält es jede Kultur für notwendig, „den an sich schwachen und zur Regression neigenden Männern gewaltsam eine

41 Vgl. R.W. Connell 2000a, S. 8-27; Pleck, Joseph (1987): „The Theory of Male Sex-Role Identity: Its Rise and Fall, 1936 to the Present“, in: H. Brod (Hg.), The Making of Masculinities. The New Men’s Studies, S. 21-38; Carrigan, Tim/Connell, Bob/Lee, John (1987): „Toward a New Sociology of Masculinity“, in: H. Brod (Hg.), The Making of Masculinities. The New Men’s Studies, S. 63-102. 42 Nadig, Maya (1991): „Vorwort“, in: D. Gilmore, S. x. 43 Ebd. S. xiii. „Für die meisten der Völker, die von Anthropologen erforscht wurden, ist Männlichkeit ein wertvoller und schwer zu fassender Status, der mehr bedeutet als physisches Mannsein. Sie ist ein anspornendes Leitbild, dem Männer und Jungen auf Gebot ihrer Kultur nacheifern müssen, wollen sie dazugehören.“ D. Gilmore 1991, S. 18. 44 M. Nadig 1991, S. xiii.

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‚progressive‘ Verhaltensnorm aufzuzwingen.“ 45 Verallgemeinert bedeutet dies, dass es „offenbar keine Kultur“ gibt, die davon ausgeht, „dass Männer an sich stark, tüchtig und potent“ sind. „[Ü]berall sollen sie erst durch Prüfungen, Leiden und sozialen Zwang dazu gemacht werden.“46 Hieraus folgt, dass Männlichkeit kein natürlicher Zustand zu sein scheint, der „spontan durch biologische Reife eintritt. Vielmehr ist es ein unsicherer oder künstlicher Zustand, den sich die Jungen gegen mächtige Widerstände erkämpfen müssen.“47 Maskulinität ist also weder ein „biologisches Faktum“ noch „ein individueller psychischer Zustand, sondern ein kulturelles Produkt.“48 Dabei gestaltet sich Männlichkeit als eine Eigenschaft, die ihre Subjekte in ständige Angst versetzt, den Anforderungen nicht mehr genügen zu können. Zwar gilt, dass fast überall auf der Welt Initiationsriten existieren, doch variieren diese kulturell genau wie auch die Männlichkeit, in die sie initiieren, so dass von einem Plural, von Männlichkeiten gesprochen werden muss; einem Plural, der sich synchron „sowohl auf die Existenz mehrerer sozialer, kultureller und ethnischer Modelle innerhalb einer einzigen Gesellschaft“ als auch diachron „auf die Vielfalt historischer Männlichkeitskonzepte bezieht.“ 49 Zwar sind die „Vorstellungen und Ängste in Bezug auf Männlichkeit als spezieller Leistungskategorie in der ganzen Welt verbreitet“, sie scheinen jedoch nicht universal zu sein, da Ausnahmen existieren. Andererseits kann das Männlichkeitsideal auch nicht auf „eine Spiegelung individueller Psychologie“ reduziert werden, sondern stellt einen „Teil der öffentlichen Kultur, [...] eine Darstellung kollektiven Bewusstseins“ dar, woraus folgt, dass es „soziokulturelle wie psychodynamische Gründe“ für seine Existenz geben muss.50 Aus anthropologischer Sicht dienen diese kulturell kodierten Geschlechterrollen dazu, das Überleben der Gesell-

45 M. Nadig 1991, S. xiii. 46 Ebd. 47 Gilmore zitiert nach M. Nadig 1991, S. xi. 48 Ebd.; s.a. D. Gilmore 1991, S. 11; Corneau, Guy (1993): Abwesende Väter – Verlorene Söhne. Die Suche nach der männlichen Identität, Solothurn und Düsseldorf: Walter, S. 27; E. Badinter 1993, S. 14 u. 89; sowie Stevens, Anthony (1982): Archetypes: A Natural History of the Self, New York: Routledge & Kegan Paul. 49 W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 10. 50 D. Gilmore 1991, S. 5.

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schaften sicherzustellen, wobei Männlichkeitsideologien „eine Anpassung an die soziale Umgebung“ darstellen, so dass es „sich nicht einfach um eine Verallgemeinerung autonomer geistiger Projektionen oder psychischer Phantasien handelt. Je härter die Umwelt oder je knapper die Ressourcen, um so nachdrücklicher wird Männlichkeit als Inspiration und Ziel betont. Dieser Zusammenhang könnte nicht deutlicher, konkreter oder zwingender sein, und obwohl er die kausalen Beziehungen nicht beweist, deutet er doch auf eine systemische Beziehung [hin], in der die Geschlechterideologie die materiellen Lebensbedingungen widerspiegelt.“51

Männlichkeit kann somit als eine soziale Barriere angesehen werden, die von „Gesellschaften gegen inneren Verfall, menschliche Feinde, Naturkräfte, gegen die Zeit und alle menschlichen Schwächen, die das Leben der Gruppe gefährden“52, errichtet wird. In fast allen Kulturen muss Männlichkeit bestätigt, gerechtfertigt und verteidigt werden, und „[s]elbst wenn sie zweideutig ist wie in der hinduistischen Kultur“, wird diese „Zweideutigkeit“ häufig weniger als befreiend denn ebenfalls „als ein problematischer Status erfahren“. 53 Trotz dieser vermeintlichen

51 D. Gilmore 1991, S. 247. 52 Ebd. S. 248. Entgegen der Einschätzung, die die Varianz und die soziokulturelle Komponente von Männlichkeitsidealen betont, sehen Anthropologen wie Thomas Gregor durchaus kulturelle Unterschiede transzendierende „Kontinuitäten in den Begriffen von Männlichkeit.“ Vgl. D. Gilmore 1991, S. 9 u. 245; s.a. Gregor, Thomas (1985): Anxious Pleasures: The Sexual Life of an Amazonian People, Chicago: University of Chicago Press; Lonner, Walter J. (1980): „The search for psychological universals“, in: Harry C. Triandis/William W. Lambert (Hg.), Handbook of Cross-Cultural Psychology, 6 Bände, Band 1, Boston: Allyn & Bacon, S. 143-204; Williams, John E./Best, Deborah L. (1982): Measuring Sex Stereotypes: A ThirtyNation Study, Newbury Park: Sage. 53 Experten postulieren sogar einen sich aus der „Übereinstimmung von Werten“ ergebenden „gemeinsamen Komplex [...], der geographisch von Portugal bis Bangladesch wirksam ist und nach Auffassung einiger Historiker möglicherweise einen indoeuropäischen Archetypus spiegelt.“ Aus „den männlichen Ehridealen in den meisten dieser Gebiete“ ergibt sich deshalb „ein monochromes Männlichkeitsbild [...], sozusagen ein fester

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Universalien stellt Männlichkeit aus kulturanthropologischer Sicht „keine universale kulturelle Kategorie“ dar. Einerseits existieren Kulturen, die – wie die indischen – von einer „Unbestimmtheit der Geschlechter“ und einer „Rollenambivalenz“ geprägt sind, andererseits gibt es Gesellschaften, „in denen das Konzept entweder bedeutungslos oder überhaupt nicht vorhanden ist“54 . In allen Fällen aber spielt bei der Konstruktion von Männlichkeit neben der materiellen und ideologischen auch die psychologische Dimension eine wichtige Rolle. 2.2 Perspektiven der Psychoanalyse In ihrer Monographie Expedition in den dunklen Kontinent argumentiert Christa Rohde-Dachser, dass innerhalb der allgemeinen Theorie der Psychoanalyse kaum eine Kategorie existiert, „die nicht in der einen oder anderen Weise die Geschlechterideologie der patriarchalischen Gesellschaft reproduziert hätte.“55 Sie spricht davon, dass sich das „väterliche Dogma [...] tief in die psychoanalytische Theoriebildung eingeschrieben“ habe, und postuliert ein „patriarchalische[s] Fundament der Psychoanalyse“, dessen Fortschreibung in der „psychoanalytischen Theoriebildung“ erfolge. 56 Zwar kann man argumentieren, dass die männliche Sexualität „ein zumeist weitgehend unerforschtes Terrain geblieben“ ist57 und dass „bestimmte Auffassungen

Kern von Maskulinität, der komplementär zur Weiblichkeit und ihr entgegengesetzt ist.“ D. Gilmore 1991, S. 196. 54 Ebd. S. 244 u. 229. 55 Rohde-Dachser, Christa (1992): Expedition in den dunklen Kontinent. Weiblichkeit im Diskurs der Psychoanalyse, Berlin u.a.: Springer, S. vii. 56 S.a. Grosz, Elizabeth (1990): Jacques Lacan: A Feminist Introduction, London und New York: Routledge, S. 3.: „The utility of psychoanalysis for feminist endeavours remains unclear. It is a risky and doubleedged ‚tool‘, for as a conceptual system it is liable to explode in one’s face as readily as it may combat theoretical misogynies of various kinds.“ 57 Vor allem in der traditionellen Psychoanalyse stand Freuds Theorie der Weiblichkeit lange Zeit unangefochten im Vordergrund: Gerade weil „die Psychoanalyse auf einer weitgehend unbefragten normativen Vorstellung von Männlichkeit beruht, ist die Männlichkeit kaum je erforscht oder gar in den Mittelpunkt gerückt worden.“ W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 9;

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der männlichen Sexualität“ von der Psychoanalyse eben „nicht nur analysiert, sondern zugleich hervorgebracht und festgeschrieben“ worden sind,58 doch hat dies auch für weite Teile der Wissenschaft per se Gültigkeit, die statt eines ‚Wissens über den Mann‘ nicht selten ein ‚Wissen für den Mann‘ im Sinne der Erhaltung patriarchaler Machtstrukturen produziert hat. Schon aus Platzgründen kann hier keine auch nur ansatzweise vollständige Darstellung psychoanalytischen Wissens zur männlichen Identitätsbildung erfolgen, das sich zudem mit dem der Masculinity Studies und des Dekonstruktiven Feminismus überschneiden würde. Deshalb werden in Übereinstimmung mit den oben dargelegten Prämissen eher traditionelle, oft an Freud orientierte Ausrichtungen danach befragt, wie sie Männlichkeit konzeptionalisieren – eine Ergänzung erfolgt dann weiter unten in den Abschnitten 3.1 bis 3.3. Wenn es hier auch nicht um eine differenzierte Freud-Kritik gehen kann, 59 so gilt es doch, von einer Pauschalverurteilung Abstand zu nehmen. In diesem Sinn argumentiert beispielsweise Edith Seifert, dass zwar „nahezu die gesamte feministische Kritik“ Freud vorwirft, „den spezifischen Gegenstand der Frau“ zu verfehlen und „einen phallozentrischen Diskurs“ zu führen, dass der feministischen Kritik dabei allerdings entgehe, „dass der Maßstab des Freudschen Diskurses (die eine Libido, oder bei Lacan der Phallus) selbst keine geschlechtlichen Züge aufweist, so dass Freuds angeblicher Phallozentrismus ebensowenig wie der Lacansche auf den sogenannten Männlichkeitswahn

s.a. Friedman, Robert/Lerner, Leila (Hg. 1991): Zur Psychoanalyse des Mannes, Berlin, Heidelberg und New York: Springer. 58 W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 12; Hervorhebung S.H.; s.a. Foucault, Michel (1983): Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 59 Vgl. W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 12; E. Badinter 1993, S. 11; Smith, Paul (1997): „Vas. Sexualität und Männlichkeit“, in: W. Erhart/B. Herrmann (Hg.), Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit, S. 58-86, S. 64; C. Rohde-Dachser 1992; Gilman, Sander L. (1993): Freud, Race and Gender, Princeton: Princeton University Press; Jardine, Alice (1985): Gynesis. Configurations of Women and Modernity, Ithaca und New York: Cornell University Press.

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hinausläuft.“60 Zwar nennt Freud die Libido „regelmäßig und gesetzmäßig“ männlich, „ob sie nun beim Manne oder beim Weibe vorkomme und abgesehen von ihrem Objekt, mag dies der Mann oder das Weib sein“, doch erlaubt dies, wie Seifert argumentiert, nicht, „auf eine vermännlichende Zurichtung der weiblichen Sexualität bei Freud kurzzuschließen“, hieße das doch, zu übersehen, „dass Freud den Libidobegriff transindividuell und transsexuell konzipiert hat.“61 Wenn Freud in Neue Folgen der Vorlesung schreibt, es gibt „nur eine Libido, die in den Dienst der männlichen wie der weiblichen Sexualfunktion gestellt wird. Wir können ihr selbst kein Geschlecht geben“, so folgert Seifert hieraus, dass „die Libido für Freud nicht ‚geschlechtet‘ ist. Die Kraft, die die Geschlechtsposition verteilt, ist selbst von der geschlechtlichen Prägung ausgenommen. Die Freudsche Libido wäre also ein Differenzierungsprodukt, das selbst nicht differenziert ist, wohl aber differenziell, differenzierend wirkt. Als Maß des Verlustes ist sie selbst nicht repräsentierbar und darum auf Ersatzbildungen verwiesen […].“62

Traditionell geht die Freudsche Psychoanalyse davon aus, dass die männliche Identitätsfindung ‚einfacher‘ sei als die weibliche, und betont die Bedeutung des Kastrationskomplexes. 63 In der Nachfolge

60 Seifert, Edith (1987): „Was will das Weib?“ Zu Begehren und Lust bei Freud und Lacan, Weinheim und Berlin: Quadriga, S. 191. 61 Ebd. S. 144. 62 Ebd. 63 „Freud repeatedly insists that it is not the biological presence or absence of the penis as such but the castration complex […] that is critical to the formation of sexual identity. At the heart of Freud’s final account of sexuality […] is the claim that castration plays a fundamentally different role in the two sexes: in boys the fear of castration motivates the resolution of the Oedipus complex, while in girls the perceived ‚fact‘ of castration makes possible and orients the formation of the Oedipus complex by means of penis envy. This alleged difference between the sexes with respect to castration, then, is held to be responsible for personality characteristics stereotypically associated with each sex.“ Lee, Jonathan Scott (1990): Jacques Lacan, Amherst: Twayne, S. 173-4; s.a. E. Badinter 1993, S. 63; Chasse-

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Freuds wurde die Entwicklung einer erwachsenen Heterosexualität, die Freud noch als eine komplexe and fragile Konstruktion sah, zunehmend als einfach und konfliktfrei konzipiert: „Die Psychoanalyse nach 1940 hatte mit ihrer verharmlosenden Sichtweise die Fähigkeit zur Männlichkeitskritik verloren […]. Es bedurfte weiter Umwege, um diese Fähigkeit wiederzuerlangen.“ 64 In der Zwischenzeit betonen nicht nur Autoren wie John Money, „dass es einfacher ist, eine Frau zu ‚machen‘ als einen Mann“65, auch Elizabeth Badinter bezeichnet die Entwicklung des Mannes als via difficilior und schreibt zusammenfassend, dass die Frauen das Privileg genießen, „aus einem Bauch des gleichen Geschlechts geboren zu werden“, wodurch ihnen „die Mühen der Differenzierung und des Gegensatzes erspart [bleiben], die das Schicksal des Mannes unauslöschlich prägen.“ 66 Hinzu kommt, dass Frauen zwar oft nach strengeren Geschlechtsnormen beurteilt werden als Männer, ihr Status als Frau jedoch nicht in Frage gestellt wird. Auch kulturanthropologische Untersuchungen belegen, dass Weiblichkeit eindeutig „häufiger als biologische Gegebenheit vorausgesetzt [wird], die mit kulturellen Mitteln verfeinert oder verstärkt wird, als dass es bei ihr um eine entscheidende Schwelle, um traumatische Prüfungen oder ein Entweder-Oder ginge.“67 Während eine Frau immer weiblich bleibt, muss ein Mann seine Geschlechtsidentität stetig neu erkämpfen. Er muss sich, wie ein „weltweit archetypische[r] Unterschied in der Beurteilung der Geschlechter“ 68 zeigt, immer wieder ‚zum Mann machen‘. Hieraus folgt, dass sich Männlichkeit auch als eine spezielle

guet-Smirgel, Janine (1988): Zwei Bäume im Garten, München: Verlag Internationale Psychoanalyse. 64 R.W. Connell 2000a, S. 30. 65 E. Badinter 1993, S. 224. 66 Ebd. Vgl. hierzu aber Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 159-65; Fausto-Sterling, Anne (1989): „Life in the XY Corral“, in: Women’s Studies International Forum 12.3, S. 319-31; Page, David C. et al. (1987): „The sex-determining region of the human Y chromosome encodes a finger protein“, in: Cell 51, S. 1091-1104; Eicher, Eva/Washburn, Linda (1986): „Genetic control of primary sex determination in mice“, in: Annual Review of Genetics 20, S. 327-60. 67 D. Gilmore 1991, S. 12. 68 Ebd.

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Kategorie der Ich-Identität fassen lässt, die entwickelt werden muss und Schwankungen unterworfen ist. Rekurriert man bei der psychosozialen Entwicklung des Mannes auf die Objekt-Beziehungstheorie, so scheint „die Entstehung der Geschlechtsidentität weniger von einer ödipalen Geschichte des Vaters als vielmehr von einer vorödipalen Interaktion zwischen Mutter und Kind“ 69 auszugehen. 70 Das männliche wie das weibliche Kleinkind baut seine primäre Identität ebenso wie eine soziale Bindung zu dem nährenden Elternteil, der Mutter, auf. Ob diese präödipale Phase als dyadisch oder, wie bei Lacan, als triangulär (Mutter, Kind, Phallus) anzusehen ist, ist strittig. Der kleine Junge verfügt zu diesem Zeitpunkt weder über eine konfliktfreie ‚männliche Identität‘, noch hat er eine natürliche heterosexuelle Beziehung zur Mutter. Vielmehr besteht eine frühe Einheit oder psychische Verschmelzung mit der Mutter, wobei das Kleinkind nicht zwischen dem Selbst und der Mutter unterscheidet. Beim Heranwachsen erreicht es eine mit „Loslösungs- und Individuationsprozess“ bezeichnete Schwelle, an der „sich das wachsende Bewusstsein des psychischen Getrenntseins von der Mutter mit vermehrter physischer Beweglichkeit und einem motorischen Einüben“ unabhängiger, von den Eltern belohnter Aktionen verbindet. Bei diesem Loslösungs- und Individuationsprozess ergeben sich für den Jungen besondere Probleme, da die „Selbstwahrnehmung, ein getrenntes Individuum zu sein, [...] ein Gefühl für Geschlechtsidentität mit sich“ bringt.71 Hierbei muss der Junge das Gefühl der Einheit mit der Mutter überwinden und „eine unabhängige Identität erreichen, die durch seine Kultur als maskulin definiert ist.“72 Ob jedoch die Männlichkeit von Jungen „jemals zum Vorschein kommen würde, wenn man sie nicht [...] erzwänge“, ist fraglich 73 : Während ein Mädchen in seiner „Weiblichkeit durch die ursprüngliche symbiotische Einheit mit der Mutter und die Identifizierung mir ihr“ gestärkt wird, muss „das Bewusstsein des kleinen Jungen für sein

69 W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 9. 70 S.a. ausführlich Rutherford, Jonathan (1992): Men’s Silences. Predicaments in Masculinity, London und New York: Routledge; sowie die Diskussion der Theorien von Karen Horney in R.W. Connell 2000a, S. 29. 71 D. Gilmore 1991, S. 29. 72 Ebd. 73 Vgl. G. Corneau 1993, S. 27-8.

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unabhängiges Selbst das Gefühl einschließen, dass sein Selbst unterschieden ist von seiner Mutter, getrennt von ihr sowohl in der IchIdentität wie in der sozialen Rolle.“74 Welche Gefahren dies für die Entwicklung seiner männlichen Identität hat, beschreibt Stoller: „Obwohl es zutrifft, dass das erste Liebesobjekt des Jungen heterosexuell ist [die Mutter], muss er eine große Tat vollbringen, damit dies so sei: Er muss zuerst seine Identität von der Identität der Mutter trennen. Auf diese Weise ist der ganze Prozess der Männlichkeitsentwicklung des kleinen Jungen vom Tag der Geburt an in Gefahr; seine erst noch zu schaffende Männlichkeit wird gefährdet durch das primäre, tiefe, ursprüngliche Einssein mit der Mutter, eine glückliche Erfahrung, die verborgen, jedoch aktiv im Kern der eigenen Identität das ganze Leben hindurch als Schwerpunkt dient und zur Regression zurück zu diesem ursprünglichen Einssein verführen kann. Dies ist die latente Bedrohung der Männlichkeit.“75

Berücksichtigt man biologische Erkenntnisse76, so kommt hinzu, dass der Junge im embryonalen Zustand weiblich ist und seine Entwicklung weitgehend über die Negation verläuft.77 Badinter78 argumentiert, dass der männliche Embryo ab der Empfängnis geradezu darum kämpft, nicht weiblich zu sein. Biologisch resultiert dies unter anderem daraus, dass das männliche XY alle Gene besitzt, die beim weiblichen XX vorhanden sind, „darüber hinaus aber Gene des Chromosoms Y“ erbt.79 Hie-

74 D. Gilmore 1991, S. 30. 75 Robert Stoller zitiert nach D. Gilmore 1991, S. 30; s.a. G. Corneau 1993, S. 27-8. 76 S.a. unten, Anm. 117. 77 Vgl. G. Corneau 1993, S. 28; s.a. Hartley, Ruth E. (1959): „Sex Role Pressures in the Socialization of the Male Child“, in: Psychological Reports 5, S. 457-68. 78 E. Badinter 1993, S. 48, 122, 143. 79 „Das Y-Chromosom trägt sehr viele Gene, deren Größe in keinem Verhältnis zu seiner geringen Größe steht. Im Juli 1990 identifizierten englische Forscher das Gen, das die Entwicklung des Embryos in die männliche Richtung lenkt. Es handelt sich um ein SRY genanntes Gen, das etwa 8 Wochen nach der Befruchtung chemische Signale aussendet. Diese Signale beeinflussen die Keimdrüsen, so dass sie sich zu Testikeln und nicht zu Ovarien entwickeln.“ E. Badinter 1993, S. 236. Während Badinters Unter-

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raus folgt, „dass das weibliche Geschlecht bei allen Säugetieren das zugrundeliegende Geschlecht“ ist: Das „embryonale Grundprogramm ist darauf angelegt, weibliche Wesen hervorzubringen.“ 80 Bei männlichen Lebewesen muss sich „der Testikel des Fötus aktiv gegen die Entwicklung weiblicher Strukturen wehren“, da sich Männlichkeit „gegen die ursprüngliche Weiblichkeit des Embryos“ konstruiert: „Im Laufe der Entwicklung ist das Mannwerden in jedem Augenblick ein Kampf.“81 Die Protoweiblichkeit des menschlichen Säuglings beziehungsweise die Tatsache, „dass Männlichkeit sekundär und ‚zu erschaffen‘ ist“82, bedeutet für den Jungen, dass er „während seines gesamten intrauterinen Lebens vom Weiblichen durchdrungen“ ist, sich aber „zum Gegenteil dessen [...] entwickeln [muss], was er ursprünglich ist.“83 Je länger deshalb die Symbiose zwischen Sohn und Mutter andauert, desto größer ist nach dieser Theorie „die Gefahr, dass die Weiblichkeit in den Identitätskern des Geschlechts eindringt.“84

scheidung zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit auf der Chromosomendifferenz beruht, verweist Butler auf die Kontroverse über das sogenannte Mastergen (TDF für testis determining factor), eine spezifische DNA-Sequenz des Y-Chromosoms. Dabei wurde festgestellt, dass wahrscheinlich auf Grund primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale „medizinisch als männlich“ bezeichnete Testpersonen XX-Chromosomen und „medizinisch als weiblich“ klassifizierte Testpersonen eine XY-Chromosomenkonstitution aufwiesen. 80 E. Badinter 1993, S. 53; s.a. Ohno, Susomo (1978): „La base biologique des différences sexuelles“, in: Evelyne Sullerot (Hg.), Le Fait féminin, Paris: Fayard, S. 57-65. 81 Alfred Jost zitiert nach E. Badinter 1993, S. 53. 82 E. Badinter 1993, S. 64. 83 Ebd. S. 63. „Da die Frauen ihre Weiblichkeit als ursprünglich und unbestritten annehmen, ist ihre Gattungsidentität fester verankert als die der Männer. Diese vorsprachliche Identifizierung, die die Schaffung ihrer Identität fördert, wird beim Knaben zu einem Hindernis, das es zu überwinden gilt.“ 84 Ebd. S. 64; s.a. Stoller, Robert (1974): „Facts and fancies: An examination of Freud’s concept of bisexuality“, in: Jean Strouse (Hg.), Women and Analysis: Dialogues on Psychoanalytic Views of Femininity, New York: Grossman, S. 343-64.

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Männlichkeit steht somit für eine Trennung von der Mutter und den „Eintritt in einen neuen und unabhängigen sozialen Status, der als unterschieden und gegensätzlich zu ihrem begriffen wird.“85 Die Bedrohung für den Jungen ist demnach nicht mehr primär die Kastrationsangst beziehungsweise die Furcht vor dem strafenden Vater, „sondern eine mehr ambivalente eingebildete um die Mutter. Die unauslöschliche Wunschvorstellung zielt auf die Rückkehr zur ursprünglichen Symbiose mit der Mutter. Untrennbar ist damit die Angst verknüpft, dass das Wiederherstellen des Einsseins mit der Mutter das eigene unabhängige Selbst zerstöre.“86

Dass dabei in den meisten patriarchalen Gesellschaften für Homosexualität kein Platz ist, umso mehr aber für negierende Werte wie Misogynie und Homophobie,87 nämlich als „unabdingbarer Bestandteil der heterosexuellen Männlichkeit“ und „Strategie, um die Anerkennung eines inakzeptablen Teils seiner selbst zu vermeiden“88, ist offensichtlich. Aus dieser Perspektive droht die Geschichte der Männlichkeit wirklich zu einer Geschichte der Angst zu werden; einer Angst und Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, den Anforderungen der Realität zu entfliehen, im Weiblichen, der Mutter (und schließlich dem Tod) auf-

85 D. Gilmore 1991, S. 30. 86 Ebd.; s.a. Cooper, Arnold M. (1986): „What men fear: The façade of castration anxiety“, in: Gerald I. Fogel et al. (Hg.), The Psychology of Men: New Psychoanalytic Perspectives, New York: Basic Books, S. 11330; Theweleit, Klaus (1977/78): Männerphantasien, 2 Bände, Frankfurt a.M.: Roter Stern. 87 Vgl. H. Brod (1987b): „Social and biological bonding“, in: H. Brod (Hg.), The Making of Masculinities: The New Men’s Studies, S. 211-12, S. 211; Sherrod, Drury (1987): „The Bonds of Men: Problems and Possibilities in Close Male Relationships“, in: H. Brod (Hg.), The Making of Masculinities: The New Men’s Studies, S. 213-39; Hammond, Dorothy/Jablow, Alta (1987): „Gilgamesh and the Sundance Kid: The Myth of Male Friendship“, in: H. Brod (Hg.), The Making of Masculinities: The New Men’s Studies, S. 241-58. 88 E. Badinter 1993, S. 143 u. 164; s.a. Lehne, Gregory (1989): „Homophobia among Men“, in: Michael S. Kimmel/Michael A. Messner (Hg.), Men’s Lives, New York: Macmillan, S. 416-29.

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zugehen, sowie dem Versuch, eine vom Weiblichen abgespaltene Identität aufrechtzuerhalten. „Für sie [die Knaben] besteht die große Schwierigkeit darin, eine Desidentifizierung mit allen ihren Implikationen der Negierung und Zurückweisung des Weiblichen zu bewerkstelligen ohne den wirksamen Rückhalt durch ein positives Identifikationsmodell. Dies ist der Ursprung einer eher negativen denn positiven männlichen Identität, die vor allem den Unterschied, den Abstand zu den anderen und die Verweigerung einer gefühlsmäßigen Beziehung betont. Während die weiblichen Identifikationsprozesse relational sind, sind die der männlichen Identifizierung oppositionell.“89

Ob Männlichkeit jedoch nur als psychische Abwehrreaktion und Akt der Negation verstanden werden kann, ist fraglich, handelt es sich doch bei der Identitätsbildung um ein mehrschichtiges, wandelbares und prozesshaftes Geschehen. Besteht Konsens darüber, dass der kleine Junge sich zunächst mit seiner Mutter identifiziert und dass die Beendigung dieser Identifizierung einen entwicklungsnormativen Schritt darstellt, so bleibt offen, welche Rolle die Väter in der ‚Identifizierungsliebe‘ ihrer Söhne in den ersten zwei oder drei Lebensjahren spielen und wovon genau der Junge sich entidentifizieren muss. Nancy Chodorow, die sich in ihren Arbeiten auf die präödipale Phase der psychosexuellen Entwicklung konzentriert, in der sich das Kind in einer symbiotischen Beziehung zur Mutter befindet, sieht in der Mutter eine Art ‚Versorgungsstation für beide Geschlechter‘, die jedoch die enge Beziehung zur Mutter unterschiedlich erfahren. Nach Chodorow ermuntern Mütter ihre Söhne, sich am Vater zu orientieren, der wegen seiner gesellschaftlich bedingten Abwesenheit weniger als Mensch denn als männliche Subjektposition erscheint. Während zwischen Mutter und Tochter eine reale Identifikation erfolgt, ist die Identifikation zwischen Vater und Sohn positional. Diese positionale Identifikation mit dem Vater wird, verbunden mit dem Prozess der Differenzierung von der Mutter, zum Grund für die Abwertung der Weiblichkeit beim Jungen. Die geschlechterspezifisch unterschiedlich verlaufende präödipale Phase würde auch erklären, warum Frauen als offener für tiefe persönliche Beziehungen gelten als Männer. Nach Chodorow ist es die in der Mutter-Tochter Beziehung erfolgende ‚Re-

89 E. Badinter 1993, S. 72.

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produktion der Mütterlichkeit‘, die erst das Patriarchat ermöglicht, während eine stärkere Einbindung von Männern in die präödipale Phase die psychosexuellen Strukturen von Männlichkeit und Weiblichkeit verändern würde.90 Kritisch mit Chodorows Thesen setzt sich unter anderem Jonathan Rutherford auseinander, der argumentiert, „that the father-absent, mother-involved family produces an oedipus complex which structures pre-oedipal predicaments into the formation of gendered subjectivity“91, und weiter ausführt: „Predicaments achieve a determining effect through the disjunction between instinctual life and use of language. This affects the infants’ idiom of language, determining their use of words and self-descriptions. Predicaments, in determining the mental representation of instincts, play a crucial role in structuring the subjective capacity to feel. These predicaments are not determined by any one cause. The implication in Chodorow is that they may be the product of the mother, ‚experiencing her son as a definite other – an opposite-gendered and sexed other‘ and in consequence creating a premature separation and the infant’s fear of abandonment. There is a great deal to be said for this argument. But not all mothers will follow social norms and gender stereotyping. In place of trying to single out one cause, I suggest that predicaments are overdetermined and their significant effect within male subjectivity is due to the strength of the maternal object and feminine disposition within the oedipus complex. It is the oedipus complex which retrospectively structures predicaments as a feminine term in masculinity. Predicaments become established as a maternal supplement. It is the relative strength of the paternal, masculine disposition in its capacity to repress the maternal supplement which will determine the degree to which predicaments originating in the pre-oedipal will structure a boy’s idiom of masculinity. […] Masculine identity becomes a defence not only against the disruptive presence of the feminine term in the oedipus complex, but also against the dread of maternal predicaments originating in the pre-oedipal.“92

90 Vgl. Chodorow, Nancy (1999): The Reproduction of Mothering, Updated Edition, Berkeley u.a.: University of California Press. 91 J. Rutherford 1992, S. 116. 92 Ebd. S. 116-8; s.a.: „In this revised description of the oedipus complex, the infant’s perception of the third term of the father evolves as a partial product of the mother-child dyad and not as a purely external phenomenon. The figures of the mother and father are present in the oedipal triangle. But

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Ähnlich wie Chodorow unterstreicht auch Annette Fréjaville die Bedeutung des Vaters in der präödipalen Phase. Sie argumentiert, „dass die Bildung der geschlechtlichen Identität eines Jungen während der ersten Lebensmonate einer gegenseitigen Idealisierung von Vater und Sohn bedarf“, und postuliert eine ‚primäre Homosexualität‘, eine ‚Liebesgeschichte zwischen Vater und Sohn‘, durch die die geschlechtliche Entwicklung in einer Zeit gefördert wird, „in der die geschlechtliche Differenzierung noch kaum begonnen hat“.93 Einerseits muss die Identifikation mit der Mutter beendet sein, damit die männliche Geschlechtsrolle eine deutliche Festigung erreicht und die Mutter nicht mehr als ‚Kleinkindmutter‘, sondern als ‚ödipale Mutter‘ begehrt werden kann, andererseits kann genau diese Unterbrechung der Identifikationslinie für den Jungen zu einer traumatischen Erfahrung werden, die sich negativ auf das Selbstverständnis und Selbstwertgefühl des späteren Erwachsenen auswirkt. Während die von Freud postulierte enge Bindung zwischen Männlichkeit beziehungsweise Weiblichkeit und dem Ödipuskomplex in der neueren psychoanalytischen Theoriebildung zusehends gelockert

what differentiates them is not only their sexual dispositions and their function, but, in the Kleinian model, their criteria as ‚good‘ and ‚bad‘ objects. Infantile projections of good and bad objects are infused in the oedipal triangle, suggesting a relative failure of the depressive position. With the onset of the oedipus complex and the recognition of a third term that exists outside the mother-child dyad, the infant transfers its search for the good transformational object into an identification with the father. The bad, persecutory object becomes associated with what is to be left behind – the maternal term. The significance of this process for masculinity lies in the boy’s identification with the father and his experience of the castration complex which places the maternal object as the antithesis of his emerging gendered subjectivity.“ J. Rutherford 1992, S. 117. 93 G. Corneau 1993, S. 42. Ähnlich argumentiert die analytische Psychologie, aus deren Sicht es für die Entwicklung des Jungen wichtig ist, dass die Archetypen nicht „krude Bedürfnisse“ bleiben, sondern ihre Humanisierung erfahren. Vgl. ebd., S. 48; s.a. W. Mertens 1997, S. 51; E. Badinter 1993, S. 215; Benjamin, Jessica (1986): „The Alienation of Desire: Woman’s Masochism and Ideal Love“, in: Judith Alpert (Hg.), Psychoanalysis and Woman. Contemporary Reappraisals, New York: The Analytic Press, S. 113-38.

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wird 94 , tritt das Thema des Gebärneids stärker ins Zentrum der Forschung. 95 Reimut Reiche sieht einen Zusammenhang zwischen der stärkeren Aggressivität des Mannes und männlichen Kindes und dem erlebten „Zwang zum Verzicht auf eine identifikatorische Einheit“96, und Wolfgang Mertens argumentiert, dass viele Befunde dafür sprechen, „dass der männliche Gebärneid [...] vom kleinen Jungen um vieles intensiver erlebt wird als der Neid des kleinen Mädchens auf den Penis des Jungen und deshalb vermutlich auch tiefgreifende Auswirkungen auf die kulturelle Entwicklung im positiven wie im negativen Sinn hat.“97 Zunehmend in den Blickpunkt rückt auch die Adoleszenz als zweiter Individuationsprozess des Mannes: Beim ersten, auch als ‚psychische Geburt‘ beschriebenen Loslösungs- und Individuationsprozess geht es um eine Verinnerlichung der Mutter und anderer wichtiger Bezugspersonen mit der daraus entstehenden konstanten Repräsentierung im psychischen Innenraum, was dem zwei- und dreijährigen Kind allmählich die Trennung und (relative) Unabhängigkeit von der körperlichen Verfügbarkeit seiner Mutter ermöglicht. Die adoleszente Entwicklungsaufgabe hingegen besteht aus dem (tendenziellen) Aufgebenkönnen dieser verinnerlichten Objektrepräsentanzen und der damit verbundenen Wünsche nach Präsentsein, narzisstischer Spiegelung, gefühlsmäßigem Austausch, erotischer Anerkennung und sinnlicher Erfüllung.98 Der Kampf um Maskulinität wäre folglich vor allem „ein Kampf gegen die regressiven Wünsche und Phantasien [...] nach dem Idyll der

94 Vgl. E. Badinter 1993, S. 66. 95 Vgl. Bettelheim, Bruno (1975): Die symbolischen Wunden. Pubertätsriten und der Neid des Mannes, Frankfurt a.M.: Kindler; E. Badinter 1993, S. 166-7. 96 Vgl. W. Mertens 1997, S. 49; s.a. Reiche, Reimut (1986): „Mann und Frau“, in: Psyche 40, S. 780-818. 97 W. Mertens 1997, S. 49; s.a. Fast, Irene (1991): Von der Einheit zur Differenz. Psychoanalyse der Geschlechtsidentität, Berlin: Springer. 98 Vgl. W. Mertens 1997, S. 53; s.a. Mahler, Margarete/Pine, Fred/Bergman, Annie (1978): Die psychische Geburt des Menschen. Symbiose und Individuation, Frankfurt a.M.: Fischer.

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frühen Kindheit.“ 99 Dementsprechend verweist Gilmore in seiner die Bedeutung der Regression für das menschliche und männliche Verhalten betonenden Argumentation darauf, dass Freud „im Einklang mit seiner Vorstellung vom Todestrieb“ die Regression „auf das ontologische Niveau eines Triebs“ erhoben100 und dass Anna Freud „Regression an die erste Stelle ihrer Aufzählung von Abwehrmechanismen“ und Verdrängung (erst) an die zweite Stelle gesetzt hat. Um der Regression entgegenzuwirken, führen fast alle Gesellschaften Initiationsriten für Jungen durch, zu denen nicht selten die Verstümmelung des Körpers gehört. 101 Diese rites de passage finden auch in modernen Gesellschaften noch statt, wo sie von Unfällen bis zur Depression, von piercing über Tätowieren und Haarefärben bis zu bewusst riskanten Verhaltensweisen reichen. Während vor allem die neueren Arbeiten zur Maskulinität Regression als einen zunehmend bedeutenden Faktor in allen seelischen Prozessen erkennen – es ist sogar von der Regression als einer allgemeinen oder allgegenwärtigen ‚Tendenz des seelischen Geschehens‘ die Rede –, gibt es nach wie vor Theoretiker, die der Regression nicht den gleichen autonomen ontologischen Status zubilligen wie der Kastrationsangst. Aus diesem Grund muss hier auch auf die Vor- und Nachteile einer stärker traditionellen, die Kastrationsangst in den Mittelpunkt rückenden Theoriebildung eingegangen werden. Folgt man der ‚klassischen‘ psychoanalytischen Theorie, so findet man die Auffassung, „dass sich Männer auf Grund von identischen ödipalen Traumata in der psychosexuellen Entwicklung […] gegen Kastrationsängste zur Wehr setzen.“ Männlichkeitskulte und -ideale könnten dann als Kompensationen erklärt werden, „die universal gegen derartige Ängste aufgebaut werden.“ 102 Zwar berücksichtigt auch diese Theorie den Regressionstrieb

99

D. Gilmore 1991, S. 31, 246 u. 250; s.a. E. Badinter 1993, S. 64; sowie R. Stoller 1974.

100 „Für Freud war das ewig gleiche Ziel des Todeswunsches Regression, es war der Wunsch, aus dem gegenwärtigen Stadium zurückzufallen in ein Stadium, das zuvor da war – in letzter Analyse zu einer biopsychologischen Befriedung, die dem Tod gleichkommt.“ D. Gilmore 1991, S. 251; s.a. Balint, Michael (1987): Regression. Therapeutische Aspekte und die Theorie der Grundstörung, München: Deutscher Taschenbuch Verlag. 101 Vgl. G. Corneau 1993, S. 185. 102 D. Gilmore 1991, S. 27.

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beziehungsweise das Verlangen nach der symbiotischen Vereinigung mit der Mutter sowie das Trauma der Trennung von ihr, sie betont jedoch, dass der „Weg zurück zur Fusion mit der Mutter und zu den Freuden der Kindheit“103 immer auch Regression und Entmännlichung symbolisiert. Hieraus folgt, dass die latente Versuchung, in diese Zeit zurückzukehren, Kastrationsängste weckt, die ihrerseits den Regressionswunsch verzerren und ablenken. Wenn also regressive Wünsche auftreten, so werden sie als unbewusste Vorläufer „für die noch entsetzlicheren Emaskulationsängste“ angesehen, die ihrerseits „die Kompromisslösung einer Reaktionsbildung aus[lösen], die Männlichkeitsbilder inspiriert.“ Dies führt zu einer Theorie, die unabhängig von der Umwelt „eine universale Lösung für identische psychische Konflikte“ postuliert und argumentiert, dass Männer überall unter der Oberflächenstruktur kultureller Unterschiede ähnliche Konflikte erfahren, nämlich innere Widersprüche, die in ihrer Psyche angelegt sind, und ähnliche, über kulturelle Grenzen hinausgehende Ausdrucksformen von Männlichkeit hervorbringen.104 Die in fast allen Kulturen nachweisbare „Besorgnis um die männliche Selbstdarstellung“ erklärt sich dann nach dieser Logik als „Reaktionsbildung gegen den immer präsenten Ödipuskomplex“, die Männlichkeitsideologie entpuppt sich „als kulturell bedingte Verteidigungsstrategie gegen die Kastrationsangst“ und ‚phallisches Gehabe‘ als universale Reaktion auf eine ebensolche Angst um die eigene Männlichkeit.105 Der

103 D. Gilmore 1991, S. 107. 104 Vgl. ebd. S. 102; T. Gregor 1985, S. 209. 105 W. Mertens 1997, S. 52, verweist darauf, dass eine hyperphallische Haltung die Konsequenz davon sein kann, dass „ein emotional schwacher Vater seinen Jungen an die Mutter zurückverweist, von der der kleine Junge sich gerade zu lösen beginnt.“ Der Junge würde sich dann durch die übertriebene Betonung seiner Männlichkeit dagegen wehren, „wieder ein regressives Kleinkind zu werden.“ Auch ein „unsensibler, unterdrückender und autoritärer“ Vater kann „eine hyperphallische Einstellung bei seinem Sohn hervorrufen, weil sich dieser mit dem als Aggressor erlebten Vater identifiziert. In diesen [...] Konstellationen kann die entwicklungsadäquate Phallizität hypertrophiert und in späteren Jahren regressiv beibehalten werden, um sich von der Mutter zu entidentifizieren.“ S.a. Ross, John (1982): „Oedipus Revisited. Laius and the ‚Laius Complex‘“, in: Psychoanalytic Study of the Child 37, S. 169-200.

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Nachteil dieser Logik liegt jedoch in der Einengung von Männlichkeitsvorstellungen auf das Ödipustrauma, in der (fragwürdigen) Verschmelzung von Kastrationsangst und Regression als Triebe, das heißt in der Unterlassung, zwischen ödipalen und präödipalen Phantasien und ihren Ableitungen zu differenzieren, beziehungsweise in der Nichtberücksichtigung der Tatsache, „dass dem rezessiven Abwenden von der Verantwortlichkeit des Erwachsenenlebens hin zur Wiedervereinigung mit der Mutter psychisch eine andere Bedeutung zukommt als der Kastrationsangst.“106 Gilmore argumentiert, dass sich ödipale und präödipale Phantasien und ihre Ableitungen nicht nur ontologisch unterscheiden, sondern – „da sie auf verschiedenen triebhaften Wünschen basieren“ – dass sie für die Ich-Entwicklung auch Anpassungsprobleme unterschiedlicher Stärke darstellen: „[D]er unbewusste Wunsch, der abgewehrt werden muss“, ist „die Regression der Symbiose mit der Mutter.“ Dies kann als „das Erwecken einer präödipalen weiblichen Identifizierung“ gelesen werden, die „ödipal eingeleitete Kastrationsängste“ auslöst, da „‚[e]ins zu sein‘ mit der Mutter“ nichts anderes bedeutet als „‚dasselbe‘ zu sein“ wie sie, also „weiblich zu sein“ und „keinen Penis zu haben.“107 Theoretiker, die bei dieser Konstellation statt der Regression den Ödipuskomplex und die davon abgeleitete Kastrationsangst in den Vordergrund rücken, sehen sich nicht selten dem Vorwurf ausgesetzt, eine direkte Projektion der „Männlichkeitsnormen von der individuellen Psyche auf die Kultur“ vorzunehmen und dabei gesellschaftliche Zwänge, „welche die männliche Konformität mit Männlichkeitsidealen verstärken“, nur ungenügend zu berücksichtigen. Zudem lässt sich nachweisen, dass die orthodoxe psychoanalytische Sicht, auf der diese Theorie basiert, auf universaler Ebene insofern defizient ist, als empirische Ausnahmen der Männlichkeitskultur existieren, „formale Varia-

106 Nach der Definition vieler Psychoanalytiker – bspw. Anna Freud oder Jacob Arlow und Charles Brenner – „ist Regression ein präödipaler Instinkt, bei dem es um Wünsche nach Gehalten- und Genährtwerden geht. Kastrationsangst entwickelt sich Anna Freud zufolge im ödipalen Stadium und basiert auf einem Gemisch von erotischen und aggressiven Trieben.“ D. Gilmore 1991, S. 105. 107 Ebd.

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tion [...] [jedoch] nicht auf der Basis einer psychologischen Konstante wie der Kastrationsangst erklärt werden“ kann.108 2.3 Perspektiven der Masculinity Studies/ Männerforschung Hält man die sicherlich zu einfache These vom rein patriarchalen bias der Psychoanalyse sowie den Einwand aufrecht, dass Wissenschaften, die Mensch mit Mann gleichsetzen, kein spezifisches Wissen über Männlichkeit hervorbringen können, so scheint – zumindest auf den ersten Blick – die Männerforschung geradezu prädestiniert, Antworten auf die Frage nach der Konstruktion männlicher Identität zu geben. Auf den zweiten Blick stellen vor allem im Vergleich zu den neueren psychoanalytischen Erkenntnissen, zum dekonstruktiven Feminismus sowie zu den Gay, Lesbian and Queer Studies einige Bereiche der Masculinity Studies – genannt seien hier nur die weiter unten diskutierten mythopoetischen, christlichen, moralisch- und biologisch-konservativen Ausprägungen – jedoch eher einen nostalgisch verklärten Rückschritt dar, so dass auch hier differenziert werden muss. Als prägend für die Masculinity Studies hat sich vor allem Robert W. Connells einflussreiches Konzept der hegemonialen Männlichkeit erwiesen, die er „als jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis“ definiert, „welche die momentan akzeptierte Antwort auf das Legitimationsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll).“ 109 Connell versteht Geschlecht als körperreflexive Praxis, „die sich in den Körper einschreibt und gleichzeitig auf ihn bezogen ist, ohne sich auf ihn zu reduzieren“110, und schlägt ein Modell vor, in dem er zwischen Machtbeziehungen, Produktionsbeziehungen, emotionalen Bindungsstrukturen

108 D. Gilmore 1991, S. 28. Zu den hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen s. ebd. S. 28-32; 105-6. 109 R.W. Connell 2000a, S. 98. Zum folgenden Absatz s.a. Horlacher, Stefan (2010b): „Männerforschung“, in: Annette Kreutziger-Herr/Melanie Unseld (Hg.), Gender-Handbuch Musik, Kassel u.a.: Bärenreiter u. Metzler, S. 241-3. 110 Walter, Willi (2000): „Gender, Geschlecht und Männerforschung“, in: Christina von Braun/Inge Stephan (Hg.). Gender Studien: Eine Einführung, Stuttgart und Weimar: Metzler, S. 97-115, S. 100.

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sowie Symbolisierung als kulturelle symbolische Repräsentanz der Geschlechter unterscheidet. Hegemonie wird dabei als eine sich historisch verändernde Relation aufgefasst, die nicht nur das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, sondern auch das Verhältnis zwischen Männern beschreibt, wobei als strukturelle Prinzipien diejenigen der Hegemonie, Unterordnung, Komplizenschaft und Marginalisierung beziehungsweise Ausgrenzung gelten. Als neue, gegen Ende des 20. Jahrhunderts auftauchende hegemoniale Form innerhalb der globalen Geschlechterordnung identifiziert Connell eine „auf den multinationalen Unternehmen und internationalen Kapitalmärkten“ basierende Männlichkeit, verkörpert durch transnationale Geschäftsleute, Politiker, Bürokraten und Militärs, die sich durch eine „immense Erhöhung ihrer körperlichen Macht durch Technologie“ auszeichnen und durch ihre enge Einbindung in Aviation, Computertechnologie und Telekommunikation eine „Cyborg-Männlichkeit“ entwickeln, bei der sich ihre „körperlichen Lüste“ genauso „der sozialen Kontrolle lokaler Geschlechterordnung entziehen [...] wie ihre transnationalen Geschäfte“111 der nationalstaatlichen Kontrolle. Von der Kritik wird Connell vorgeworfen, dass er sich „nicht konsequent von einer dichotomen Patriarchatskonzeption“ löst und seine Konzeptualisierung von Geschlecht „noch sehr stark in einem Zweigeschlechtermodell verhaftet“ bleibt. 112 Genau dies gilt auch für die meisten der von Kenneth Clatterbaugh in Contemporary Perspectives on Masculinity113 unterschiedenen Ausprägungen oder Perspectives der amerikanischen Masculinity Studies, die hier kurz vorgestellt werden sollen: So wird aus der Profeminist Perspective argumentiert, das herrschende Männlichkeitsideal schade zwar den Männern, stelle jedoch auch ein patriarchales, gegen die Frauen gerichtetes Macht- und Unterdrückungsinstrument dar. Die Men’s Rights Perspective stimmt mit dieser Ausrichtung teilweise überein, verschiebt jedoch den Fokus

111 R.W. Connell 2000a, S. 84. 112 W. Walter 2000, S. 102; s.a. Bergmann, Franziska/Moos, Jennifer (2007): „Männer und Geschlecht“, in: Männer und Geschlecht. Freiburger Geschlechter Studien 21, S. 13-37, S. 16-9. 113 K. Clatterbaugh, 1997; S.a. Bristow, Joseph (1996): „‚Irresolutions, Anxieties, and Contradictions‘: Ambivalent Trends in the Study of Masculinity“, in: Journal for the Study of British Cultures 3.2, S. 165-80; T. Frey Steffen 2002, S. 280-1.

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und sieht eher die Männer als die Frauen als Opfer.114 Aus der häufig jungianisch beeinflussten Mythopoetic Perspective wird für eine Rückkehr zu einem im männlichen Unbewussten gespeicherten archetypischen Männlichkeitsmuster plädiert,115 und aus der Socialist Perspective erweist sich Männlichkeit als ‚soziale Realität‘ und als durch wirtschaftlich bestimmte Klassenstrukturen präformiert, wenn nicht sogar determiniert, so dass sich Männlichkeit von Klasse zu Klasse und von Rasse zu Rasse unterscheidet, da diese verschiedene Rollen im kapitalistischen System einnehmen. Ebenso massentauglich wie wissenschaftlich fraglich ist die Conservative Perspective, die in eine soziobiologisch- und eine moralischkonservative Ausrichtung unterteilt werden kann. Hier entspricht die Rolle des Mannes als Versorger und Beschützer, als Besitzer und Beherrscher entweder seiner durch den Prozess der Evolution geförderten Natur (biological conservatives) oder sie ist insofern ‚natürlich‘, als sie das gesellschaftlich bestverträgliche Produkt ist, um die dem Mann vermeintlich inhärenten antisozialen Tendenzen zu überwinden (moral conservatives) und zur Entwicklung der Gesellschaft beizutragen. Sowohl der moralisch- als auch der biologisch-konservative Standpunkt sind essentialistisch, insofern sie Mann und Frau „intrinsically different natures“ unterstellen und die gesellschaftlichen Rollen von Männlichkeit und Weiblichkeit als Manifestationen dieser „intrinsic natures“ auffassen.116 Auch wenn in weiten Teilen der Gender Studies die Einsicht vorherrscht, dass es wissenschaftlich unhaltbar ist, komplementäre Geschlechterrollen (rein) auf die Biologie zurückzuführen, so muss doch eingeräumt werden, dass die biologisch (mit)fundierten

114 „The goals of the men’s rights perspective are to create an awareness of the hazards of being male and to build a substantial movement among men that recognizes the costs and discriminations of being masculine.“ K. Clatterbaugh 1990, S. 153. 115 „Archetypes play the same role for the spiritual perspective as nature plays for conservatism [...]. Masculinity, then is the product of these deep psychological scripts, which are selectively played out according to social structures that appear at different historical moments.“ Ebd. S. 90. 116 Vgl. ebd. S. 15-36; s.a. K. Clatterbaugh 1997, S. 17-40; Gilder, George (1973): Sexual Suicide, New York: New York Times Book; Gould, Stephen Jay (1981): The Mismeasure of Man, New York: Norton.

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Hypothesen nicht ausdiskutiert sind und in den letzten fünf bis zehn Jahren deutlich an Popularität gewonnen haben.117 Als weitere wichtige Ausprägungen der Männerforschung müssen genannt werden: Die Gay Male Perspective, die sich nicht nur gegen eine Feminisierung Homosexueller wendet, sondern auch die „viability of hegemonic masculinities and the morality of these masculinities“118 genauso wie die rigide Trennung zwischen männlich und weiblich hinterfragt, die African American Men’s Perspective, die sich mit der Verbindung von Rasse, Ethnie und Männlichkeit beschäftigt und argumentiert, „that antiblack racism is a formative feature of hegemonic masculinities“119 , sowie das Evangelical Christian Men’s Movement, das sich auf eine enge und konservative Bibelauslegung stützt und traditionelle Rollen fortschreibt beziehungsweise wieder einfordert.120 Gerade in den letzten Jahren sind in den USA die auf das patriarchale Männererbe aufmerksam machenden, für traditionelle, konservative Geschlechterrollen stehenden und den weißen heterosexuellen Mann

117 Zur noch nicht abgeschlossenen Diskussion, inwiefern Männlichkeit und Weiblichkeit biologisch begründet sind, s. Schmale, Wolfgang (1998): MannBilder: Ein Lese- und Quellenbuch zur historischen Männerforschung, Berlin: Berlin-Verlag Spitz, S. 15-6; W. Mertens 1997, S. 45; D. Gilmore 1991, S. 24; Pinker, Susan (2008): Das Geschlechterparadox: Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Frauen und Männern, München: DVA; Parbring, Bosse (2001): „Man or Woman?“, in: Genus. A Journal from the Swedish Secretariat for Gender Research 1, S. 28-9; Archer, John/Lloyd, Barbara (1985): Sex and Gender, Cambridge: Cambridge University Press, S. 138-9; Hudson, Liam/Jacot, Bernadine (1993): Wie Männer denken. Intellekt, Intimität und erotische Phantasie, Frankfurt a.M.: Campus; Benderly, Beryl Lieff (1987): The Myth of Two Minds. What Gender Means and Doesn’t Mean, New York: Doubleday; Treadwell, Perry (1987): „Biologic Influences on Masculinity“, in: H. Brod (Hg.), The Making of Masculinities: The New Men’s Studies, S. 259-85. 118 K. Clatterbaugh 1990, S. 13. 119 Ebd. S. 13-4. 120 „Society is taken to be in moral crisis in part because men have abdicated their responsibilities and in part because women, influenced by feminism, have taken on the man’s role.“ Ebd. S. 14.

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zur Norm erhebenden Promise Keepers zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.121 Die wissenschaftlich sicherlich anspruchsvollste Ausprägung der Masculinity Studies wird von manchen Kritikern auch als New Men’s Studies bezeichnet. Sie orientiert sich unter anderem an den Erkenntnissen des dekonstruktiven Feminismus, der Diskursanalyse sowie der postfreudianischen Psychoanalyse und sucht, Männlichkeit als ein jeweils historisch verschieden verkörpertes variables Bündel kultureller Normen zu fassen.122 Die Dezentrierung des Subjekts ist auch eine Dezentrierung des männlichen Subjekts, das plötzlich als dark continent erscheint, „[and w]hat has begun to emerge is a notion of masculinity as a plural concept [...], and as a far less stable category than has hitherto been assumed.“123 Es stellt sich sogar die Frage, ob man die binäre Opposition von männlich und weiblich als Ausgangspunkt nicht hinterfragen und ‚Geschlecht‘ als einen performativen Akt auffassen sollte, „der in der Übernahme und im wiederholten Vollzug geschlechtlich kodierter Erscheinungen und Verhaltensweisen das jeweilige ‚Geschlecht‘, die Geschlechtsidentität und auch die geschlechtlichen Körper der Akteure immer schon (mit-)hervorbringt.“124 Männlichkeit und Weiblichkeit würden dabei endgültig von der Sphäre der Biologie losgelöst und als „Positionen innerhalb eines historisch und sozial wandelbaren Kontinuums“125 aufgefasst, wodurch tradierte Nor-

121 Vgl. Claussen, Dane S. (Hg. 2000): The Promise Keepers. Essays on Masculinity and Christianity, Jefferson: McFarland; Beal, Becky (1997): „The Promise Keepers’ Use of Sport in Defining ‚Christlike‘ Masculinity“, in: Journal of Sport & Social Issues 21.3, S. 274-84; Heath, Melanie (2003): „Soft-Boiled Masculinity: Renegotiating Gender and Racial Ideologies in the Promise Keepers Movement“, in: Gender and Society 17.3, S. 423-44. 122 Vgl. Feldmann, Doris/Schülting, Sabine (2001a): „Männlichkeit“, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stuttgart und Weimar: Metzler, S. 399. 123 Bassnett, Susan/Ecker, Gisela (1996): „Editorial“, in: Journal for the Study of British Cultures 3.2, S. 99-102, S. 100. 124 W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 15; s.a. J. Butler 1991 u. Butler, Judith (1995): Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 125 W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 15.

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men und Restriktionen nicht mehr aufrechterhalten werden könnten und sich dem Individuum (neben einem Verlust an Sicherheit) völlig neue Freiräume fern der sonst bei Devianz üblichen Diskriminierung böten. Nachdem in der deutschen Männerforschung in einer frühen Phase126 vor allem „auf die Bereiche Beruf und Karriere, sexuelle Orientierung, Militär, Gewalt sowie Körperbilder und Sport fokussiert wurde“, 127 haben inzwischen literatur- und soziohistorisch ausgerichtete Ansätze deutliche Fortschritte erzielt.128 Zudem gewinnt eine genderspezifische Narratologie zunehmend an Bedeutung. Wie Walter Erhart argumentiert, bringen vor allem einer entmythologisierenden Alltagsgeschichte gewidmete mikrostrukturelle und sich einer „dichten Beschreibung“ bedienende Untersuchungen nicht nur eine große Anzahl „kleiner Erzählformen“ hervor, die den relativ wenigen makrostrukturell dominanten master narratives gegenüberstehen, sondern machen auch deutlich, dass Männlichkeit weder als ein „‚Bild‘ stereotyper Eigenschaften“ noch als ein „Bündel abrufbarer ‚Männerphantasien‘“ hinreichend erfasst werden kann, sondern als eine sich jeweils historisch verschieden formierende narrative Struktur verstanden werden sollte.129 Durch diese mikrologisch erfasste Vielfalt der Geschlechter ergibt sich, dass die „Vielfältigkeit und Variabilität der historischen Geschlechterpraxis […] demnach in einem Gegensatz zu jenen präskriptiven Normen, Theorien, Bildern und Erzählungen [stehen], auf die sich bislang das Interesse der Geschlechtergeschichte […] vorrangig gerichtet hat. […] Ebenso wie das Bild einer hegemonialen, auf Herrschaft bedachten Männlichkeit scheint sich nun

126 Für einen Überblick s. Lenz, Hans-Joachim (2007): „Zwischen Men’s Studies und männlicher Verletzungsoffenheit – Zur kurzen Geschichte der Männerforschung in Deutschland“, in: Männer und Geschlecht. Freiburger Geschlechter Studien 21, S. 13-37; 41-77. 127 F. Bergmann/J. Moos 2007, S. 23; s.a. Baur, Nina (2007): „Der perfekte Vater. Männer im Konflikt zwischen eigenen Vorstellungen und institutionellem Rahmen“, in: Männer und Geschlecht. Freiburger Geschlechter Studien 21, S. 79-113. 128 Vgl. hierzu allgemein den Überblick bei W. Walter 2000; W. Erhart 2005; und T. Frey Steffen 2002; s.a. S. Krammer 2007, S. 15-36. 129 W. Erhart 2005, S. 203-4.

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allerdings auch das Gefüge der Geschlechterordnung in einem patchwork alltäglicher und vielfältiger Lebenszusammenhänge aufzulösen, und das hier praktizierte historiographische Modell einer ‚dichten Beschreibung‘ droht mit den Mythen der Geschlechtergeschichte zugleich auch die Wirksamkeit und Wirkmächtigkeit aller kulturellen Geschlechternormen zu relativieren.“130

Hierbei lässt sich eine strikte Differenz zwischen mythisch gewordener Erzählung und empirischer Alltagspraxis kaum aufrechterhalten, ist doch gerade dem soziohistorischen Ansatz die empirische Alltagspraxis primär über Narrationen zugänglich, wobei die „alltagshistorisch dicht beschriebenen Lebenswelten der Männer und Frauen […] solch vielgestaltige Geschichten und Erzählungen [bilden], die sich gerade von literarischen Vorbildern nicht mehr markant unterscheiden.“131 Aus dieser Perspektive lässt sich Männlichkeit „als eine in erster Linie narrative Struktur“ rekonstruieren, die „aus narrativen Verfahren […] und Prozessen“ besteht, „mithilfe derer sich ‚Männer‘ auf die ihnen historisch und sozial vorgegebenen ‚Männlichkeiten‘ hin orientieren.“132 Die Geschlechter erscheinen dann als „ebenso narrativ konstruiert wie […] die Realität, zumindest wie zahlreiche andere Bestandteile des kulturell und sozial konstruierten Wissens. […] Entscheidend ist hierbei, dass nicht allein das Verhältnis der Geschlechter auf narrativen stories und plots beruht, sondern auch die ‚innere‘ Konstruktion des Geschlechts selbst. Gerade deshalb kann das ‚Geschlecht‘ wie ein Text gelesen werden, und eine narratologische Erforschung der Geschlechter hätte sich insbesondere auf die jeweils unterschiedlichen ‚modes of narrativity‘ in der Konstruktion beider Geschlechter zu konzentrieren.“133 „Männlichkeit bestünde demzufolge aus einer Serie kulturell geprägter scripts und den daraus jeweils unterschiedlich und individuell gebildeten Geschichten. Die narratologische Rekonstruktion der Männlichkeit als einer narrativen Struktur lenkt den Blick auf jene Sequenzen, plots und scripts, die historische und literarische Männlichkeiten erst lesbar werden lassen: als narrative Ordnung aufeinanderfolgender Handlungen – von einzelnen Verhaltensweisen im

130 W. Erhart 2005, S. 190-1. 131 Ebd. S. 193. 132 Ebd. S. 207. 133 Ebd. S. 215-6.

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männlichen Habitus bis zur Struktur von Lebensphasen – sowie als Bestandteil narrativ strukturierter männlicher Identitäten.“134

Ein Ansatz, nach dem sich Männer Männlichkeit aneignen, „indem sie eine Geschichte darstellen, indem sie in eine Geschichte gezwungen werden, indem sie performativ eine Geschichte vollziehen“ 135 , und eine Konzeption von männlicher Identität, „die sich zumeist über Nachahmung, über Performanz und Inszenierung vollzieht“ und bei der „dementsprechend imaginäre Leitbilder im Spiel [sind] – Modelle, Bilder, Erzählungen, die gleichsam zwischen den einzelnen ‚Männern‘ und den offiziellen Bildern der ‚Männlichkeit‘ zirkulieren und vermitteln“136, vermag es zwar einerseits, Literatur-, Sozial- und Geschichtswissenschaft zu verbinden, er droht aber der männlichen Identitätsbildung äußerlich zu bleiben,137 sie von außen übernommenen narrativen Schemata zu unterwerfen und die Handlungsfähigkeit des Subjekts zu ignorieren. Berücksichtigt man zudem, dass „das kognitive System gewissermaßen ein Opfer seiner eigenen Verführungskünste“ werden, das heißt genau der Überzeugungskraft unterliegen kann, „auf die hin seine Konstruktionen angelegt sind“138, so bedeutet dies, dass der Wahrheitsgehalt nicht nur der rekonstruierten, sondern bereits der aktiv gelebten männlichen Identitätsnarrationen zweifelhaft ist, ohne

134 W. Erhart 2005, S. 217. 135 Ebd. S. 204. 136 Ebd. S. 203; s.a.: „Es sind solche Figuren des Imaginären, die mittels Metaphern, Bildern und Erzählungen die Verbindungslinien zwischen den Leitbildern und der empirisch erforschbaren (Alltags-)Geschichte herstellen und zugleich auch die Psychodramen der Männlichkeit mit ihren wechselnden historischen Formen verknüpfen.“ Ebd. 137 „Während die Historiker(innen) sich auf die ‚äußere‘ Vielfalt der Männlichkeiten und ihrer Krisen konzentrieren, sind die Literaturwissenschaftler(innen) nicht selten der psychischen Konstruktion von Männlichkeit auf der Spur“, wobei „das psychoanalytische Wissen über Männlichkeit […] einen durchaus privilegierten Zugang zur ‚Innenseite‘ der von der Geschichtsschreibung nur in seinen äußeren Konturen erfassten modernen Männlichkeit“ besitzt. Ebd. S. 206. 138 Rusch, Gebhard (1987): Erkenntnis, Wissenschaft, Geschichte: Von einem konstruktivistischen Standpunkt, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 374.

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dass deren „Autoren“ dies auch nur realisieren müssten – von der weiter unten noch zu diskutierenden Gefahr, sich in diesen narrativen Strukturen im Sinne der Lacanschen méconnaissance selbst zu verkennen, ganz zu schweigen. Zwar kann man analog zu Butler argumentieren, dass die narrative Performanz identitätskonstituierend wirkt, doch verweist auch Erhart bezüglich des narratologischen Modells auf die Notwendigkeit eines psychoanalytischen Ansatzes, wenn er betont, dass „die Krisenhaftigkeit männlicher Narrationen […] auf einem historisch jeweils neu aufgeladenen Erzählkonzept“ und „zugleich auf einer dadurch geprägten psychischen Struktur“ basiert, die sich „mit Hilfe psychoanalytischer Theorie (re-)formulieren lässt.“ 139 So kann man männliche Subjektivität zwar gewinnbringend „als ein narratives Modell beschreiben, das Krisen – Initiationen, Bedrohungen, Niederlagen – als elementare Bestandteile und Knotenpunkte in narrativen scripts zu mehr oder weniger kohärenten männlichen stories verbindet“140, ob man damit jedoch die vermeintliche „Trennung von ‚äußerer‘ hegemonialer Männlichkeit und einer ‚inneren‘, psychosozial oder psychoanalytisch verorteten Fragilität männlicher ‚Identitäten‘“141 überwinden und die Krisenhaftigkeit männlicher Identität allein als das Resultat narrativer Schemata erklären kann, ist zumindest fraglich. Zudem stellt sich, gerade wenn sexuelle Identität nicht mehr als eine metaphysische oder essentialistisch-biologische Konstante angesehen, sondern im Zuge des linguistic turn die Bedeutung der Sprache nicht selten zur Apotheose erhoben wird, 142 die Frage nach der agency des sich in und

139 G. Rusch 1987, S. 223. 140 Ebd. S. 222. 141 Ebd. S. 207. 142 Gerade einem sich auf ‚Gewährsleute‘ wie Jacques Lacan, Jacques Derrida, Paul de Man und Julia Kristeva stützenden Ansatz wird von Kritikern nicht selten vorgeworfen, die sprachlich-diskursive Präformierungsstruktur des Subjekts einseitig in den Mittelpunkt zu rücken, eine Ontologisierung des Sprachgeschehens bzw. der Konzeption von languagebefore-self zu betreiben und dadurch die Differenz und Polarität von individuell gelebter Erfahrung und deren sprachlich-diskursiv erfolgender Verarbeitung bzw. Konzeptualisierung so stark zu betonen, dass ein selfbefore-language zwar vielleicht abstrakt noch zugestanden, im Grunde aber differenzlos in den Prozessen einer sprachlich-diskursiven language-before-self aufgehoben wird.

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durch die Sprache konstituierenden Subjekts. Es scheint deshalb angebracht, das gerade vorgestellte Modell um zwei Perspektiven zu erweitern, die a) agency ermöglichen, ohne essentialistisch zu sein, und b) narrative Schemata nicht rein äußerlich lassen, sondern an die „‚innere‘ Konstruktion des Geschlechts selbst“ beziehungsweise an die präödipale frühkindliche Entwicklung rückkoppeln.

3. E XEMPLARISCHE V ERTIEFUNG : G ESCHLECHTLICHE I DENTITÄT , S PRACHE UND P SYCHE 3.1 Männlichkeit, Narration und agency In ihrem im Jahr 2000 erschienenen Aufsatz Beyond ‚The Subject‘: Individuality in the Discursive Condition hat Elizabeth Deeds Ermarth vorgeschlagen, individuelles menschliches Verhalten als metaphorischen parole-Akt innerhalb eines größeren, diese Individualität ermöglichenden und sie mitbestimmenden Systems zu sehen, das seinerseits als metaphorische langue aufgefasst werden kann. Hiermit einher geht eine auf der Überwindung von Dichotomien zugunsten der Potentialität der Sprache als „a site of liberation from the restrictions that modernity imposed upon subjectivity“ 143 basierende kinetischmultiple Subjektivitätskonzeption. Diese orientiert sich an Saussures „finite practices in speech or writing […] [(actes de parole) which] specify the unspoken and unspeakable potential of a language (langue).“144 Fasst man das Subjekt als Schnittpunkt voneinander differierender diskursiver Systeme auf, in die es während seines Lebens sukzessive eingebettet ist, so wird es in seiner Temporalität dynamisch und multipel – „subjectivity must be kinetic, not static; it must be multiplied, not single“145 –, ohne jedoch seine Individualität zu verlieren. Geht man von diesem Subjekt der discursive condition aus, so

143 Ermarth, Elizabeth Deeds (2000): „Beyond ‚The Subject‘: Individuality in the Discursive Condition“, in: New Literary History 31.3, S. 405-19, S. 408. 144 Ebd. 145 Ebd.

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erscheint Subjektivität beziehungsweise persönliche Identität als kinetischer Prozess und als „a particular expression of systemic value, ‚above all, an accomplishment, a particular work, a particular act,‘ the ‚very expression‘ of responsibility, not something independent of it. Identity [...] has nothing to do with reducing difference [...]. Rather, identity appears only in the act of specifying sets of rules. And as we operate simultaneously in several sets at once, identity appears as the series of constantly multiplied specifications of the potential provided by those rule regimens.“146

Zu Recht sieht Ermarth die Originalität von Subjektivität nicht in einem einzelnen Handlungsakt begründet, für den es „some essential ‚subject‘“ bedürfte, sondern in deren Gesamtheit als Abfolge beziehungsweise in dem, was sie mit Sequenz und Palimpsesthaftigkeit bezeichnet.147 Handlungsspielraum ergibt sich dabei gleich zweifach: einerseits durch den Versuch, sich nicht (völlig) mit den angebotenen und sich in ihrer Palimpsesthaftigkeit gegenseitig relativierenden Subjekt- beziehungsweise Genderkonzeptionen zu identifizieren, andererseits durch den Rekurs auf Saussures Differenzierung zwischen langue als Potential und parole als individuell differierender und potentiell kreativer Realisierung eines Teils dieses Potentials. Der Entwurf sexueller Identität gestaltet sich so als ein immer neu zu wiederholender parole-Akt und als mehr als nur ein performativer Prozess, bei dem das Subjekt ihm vorgängige kulturell determinierte Konzepte oder Narrationen übernimmt. Ermaths Konzept erlaubt es zudem, über die differierend-subversive Reiteration kulturell vorgegebener Genderkonfigurationen hinauszugelangen, macht sie doch die Freiheit von Subjektivität – und somit auch sexueller Identität – an dem Freiraum zwischen dem Potential der langue und den spezifischen parole-Akten fest:

146 E.D. Ermarth 2000, S. 411. 147 „Its [the subject’s] singularity exists in the unique and unrepeatable sequence of a life, but not in some essential ‚subject‘. And its palimpsestuousness derives from the multiplied discursive condition in which each moment involves a complex subjective specification of multiple codes.“ Ebd. S. 411-2.

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„The linguistic model tells us two things about all systems that operate like language, that is, differentially: first, that the structure is always potential, never explicit; and second, that the explicit statement can push the limits of systemic potential without ever exhausting it. That is precisely what Marcel Proust and Henry James do, what poets and artists do, and why their work contributes so directly to social health.“148 „Little attention has been paid to the sheer fact of literary language, its particular power to turn convention aside, to reform the act of attention, to ground and limit the very formulation that is prior to any discussion at all, philosophical or practical. Languages are our tools of thought, the essential precursors of practice. If [...] languages are above all systems, then literary texts are the most highly achieved specifications of those systems.“149

Wird sexuelle Identität weniger aus der reinen Übernahme narrativer Schemata als in einem metaphorischen Schreibakt geboren, aus dem sie letztlich ihre vermeintliche, fast schon fiktive oder mythische Einheit bezieht, und wird sie in Anlehnung an Sidonie Smiths Arbeiten zum autobiographischen Text zu einem „narrative artifice, privileging a presence, or identity, that does not exist outside language“ 150 , so resultiert die Singularität jeder sexuellen Identität aus der einzigartigen und unwiederholbaren Sequenz, die ein Leben darstellt, erscheint sie als das Produkt der einmaligen Abfolge komplexer acts of enunciation. Diese identitätskonstituierenden acts of enunciation können wie literarische Sprechakte selbst potentiell künstlerisch sein und die Gesellschaft um neue Möglichkeiten männlicher und weiblicher Identität erweitern, wenn das Leben im Sinne Nietzsches „mutig gelebt“, wenn der Entwurf des eigenen Lebens als Kunstwerk angelegt wird. Ermarths Ansatz ermöglicht es somit, den Entwurf männlicher Identität nicht nur als mikro- und makrostrukturelle Vorbilder nachvollziehende (zumindest potentiell subversive) Narration zu denken, sondern ihn wie die Literatur selbst in der spezifischen kreativ-künstlerischen Wahl und Kombination der acts of enunciation (und der damit einhergehen-

148 E.D. Ermarth 2000, S. 411. 149 Ebd. S. 406. 150 Smith, Sidonie (1987): A Poetics of Women’s Autobiography: Marginality and the Fictions of Self-Representation, Bloomington: Indiana University Press, S. 5-6.

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den Sequenzialität und palimpsestuousness) als systemerweiternd und bisherige Narrationen überschreitend aufzufassen. Gerade weil Literatur Sprache neu verwendet und an ihre Grenzen treibt, weist sie auch dem sich durch Sprache konstituierenden Individuum neue Möglichkeiten auf, sich – und somit auch seine sexuelle Identität – neu zu entwerfen.151 Womit noch die bereits weiter oben gestellte Frage bleibt, inwiefern Narrationen männlicher Identität an innerpsychische Prozesse rückgebunden werden können/müssen und somit auch die Spielräume beim Entwurf sexueller Identität eingeschränkt bleiben. Hierzu ist es sinnvoll, an die oben bereits angesprochene Objekt-Beziehungstheorie anzuschließen, in deren Kontext Rutherford den Begriff des „paternal narrative“ geprägt hat, der „die Prozesshaftigkeit des männlichen Weges vom maternalen Ursprung zur Autonomie und Unabhängigkeit männlicher Subjektpositionen“ beschreibt. Diesen Prozess sieht er als niemals abgeschlossen und „sich in einer Reihe von Ambivalenzen und predicaments“ vollziehend, „die den (ursprünglichen?) Konflikt und die Krise geschlechtlicher Entdifferenzierung stets aufs Neue aktivieren. Männlichkeit konturiert auf diese Weise eine psychische Struktur, die eine Imagination über den ursprünglichen, mit der Mutter verbundenen (und verlorenen) symbiotischen Zustand (‚maternal body‘/‚maternal supplement‘) mit dem Prozess eines ‚paternal narrative‘ verbindet.“152

Männliche Identität wäre demnach nicht ‚nur‘ das Ergebnis narrativer Performanz beziehungsweise der Übernahme kulturell vorgegebener Modelle, sondern die narrativen Schemata des „paternal narrative“ würden ihrerseits eine Reaktion auf und kulturelle Verarbeitung von frühkindlich präödipalen Erfahrungen und Spannungen zwischen „the

151 „[H]ighly achieved literary writing opens new powers in our collective discursive potentials, in our power to revise social codes rather than merely to repeat the same old exclusions [...], the same, same, old stories over and over again. […] [T]he recognition of the power of language has reminded us that inhabiting a language means inhabiting a reality, and that so-called ‚reality‘ [...] changes with the language.“ E.D. Ermarth 2000, S. 415 u. 410. 152 W. Erhart 2005, S. 204.

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disjunction between feeling and language resulting from the antagonism between the maternal supplement and the paternal realm of language“ darstellen: „Male authority is articulated in antagonism with the maternal supplement. This overdetermined articulation of equivalences produces a cultural narrative, a fiction of male superiority and potency. I want to call the articulation of this rationalist, representational and linguistic practice, the paternal narrative. Like Lacan’s phallus, it signifies the structuring of sexual and gender difference, but unlike it, it describes a historical and cultural practice of language and meaning. […] [T]he maternal supplement affects and subverts this paternal narrative and […] this disturbance within individual male subjectivity finds its way into representation. The structuring of masculinity within this cultural construction of patriarchy excludes from it the possibilities of reparation. The boy is caught between the threat of castration and the failure of the father. His subjectivity [is] trapped in an oscillation between the pre-oedipal, pre-verbal world and the oedipal world of language. At one pole is a nostalgia for the transformational object of the mother that feels tenuous or lost. At the other pole is the denial of inner trauma of loss and a flight into the external world; a manic quest for omnipotence and the desire to out-father the father.“ 153

Hieraus folgt, dass auch die kulturell hochkodifizierten master narratives of masculinity wie der self-made-man oder masculine achiever, der Soldat oder der Ritter als das Resultat präödipaler Ängste und Abwehrreaktion gegen das „maternal supplement“ gelesen und als der männlichen Psyche zumindest strukturell inhärent angesehen werden können, was im Umkehrschluss wiederum ihre Attraktivität und weite Verbreitung erklären würde. „[T]he impasse of certain contemporary masculinities is the inadequacy of the paternal narrative and the relative failure of securing the boundaries of the male ego from the predicaments of the maternal supplement. Faced with this dilemma masculinities attempt to evade fusion with the maternal object through a compulsion to sustain control and mastery over the signifier. This is the function of the classical male hero in narrative. His cultural authority and masculine potency is preserved through his compulsion to move in adventure, in life on the road or in war. The fantasies of his omnipotence ensure that he

153 J. Rutherford 1992, S. 121-2.

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never stops long enough to be consumed by his predicaments. To be still and passive is to herald the image of a small boy who still belongs to his mother and cries out for her protection. Mastery is achieved by clinging to narrative and to linear time, evading those spaces which threaten fusion and the loss of self. This fear of fusion is translated into a fear of association; invariably male heroism can only ever be a solitary pursuit. “154

Wenn Rutherford argumentiert, „[that t]he continuity of patriarchal structures of meaning […] [is] not located in a transhistorical signifier, such as Lacan’s phallus“155, und sich mit seinem Konzept des „paternal narrative“ gegen sexuelle und Genderdifferenzen strukturierende überzeitliche Logiken und zugunsten historischer kultureller Praktiken ausspricht, so soll dieser Ausrichtung abschließend eine an Lacan orientierte Perspektive zur Seite gestellt werden.156 Einerseits stellt sich nämlich die Frage, ob die historisch und soziokulturell bestimmte „paternal narrative“ auf einer abstrakten Ebene nicht doch überzeitlichen, nämlich wie die Theoriebildung Lacans an die Logik des Patriarchats gebundenen Charakter hat und dem männlichen Individuum in einer Art Desidentifikation „befreiend“ vor Augen geführt werden kann, und andererseits scheint das Potential der Lacanschen Psychoanalyse in der gegenwärtigen Diskussion um männliche, wenn nicht sogar sexuelle Identität per se weitgehend ignoriert zu werden. Dies ist bedauerlich, denn auch wenn Lacans Theoriebildung von Teilen der Frauenforschung und der Gender Studies verkürzt als phallogozentristisch und patriarchal angesehen wird157 – „Lacan con-

154 J. Rutherford 1992, S. 129. 155 Ebd. S. 121. 156 Siehe hierzu auch ebd. S. 113-4 sowie Mitchell, Juliet (1984): Women: The Longest Revolution. Essays in Feminism, Literature and Psychoanalysis, London: Virago, S. 231-2. 157 Generell lauten die Vorwürfe, Lacans Modell des Subjektivierungsprozesses gelte nicht in gleicher Weise für beide Geschlechter (Asymmetrie in der Beziehung zur symbolischen Ordnung), da der Entwicklungsgang unter dem Primat des Phallus steht, der die Frau immer auf den Ort des Anderen verweist. Nicht nur, dass das Symbolische für Lacan unhintergehbar ist, Weiblichkeit ist auch außerhalb der symbolischen, d.h. der durch die Sprache bzw. das Gesetz des Vaters geprägten Ordnung angesiedelt, während eine eigene weibliche Subjektivität negiert wird. Vgl.

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tinues to be one of the most controversial figures within contemporary feminist theory“, schreibt Elizabeth Grosz, und fügt hinzu: „Many feminists use his work on human subjectivity to challenge phallocentric knowledges; others are extremely hostile to it, seeing it as elitist, male-dominated, and itself phallocentric.“ 158 –, und auch wenn sich eine Psychoanalyse Lacanscher Prägung nur schwer für eine potentielle Revision dessen eignet, was sie beschreibt (oder zu beschreiben vorgibt), so bietet sie doch immer noch interessante und nicht wirklich ausgeschöpfte Möglichkeiten, Männlichkeit und Weiblichkeit konzeptionell zu erfassen und der Frage nachzugehen, inwiefern diese oft biologisch gedachte Dichotomie nicht zugunsten einer Vielzahl geschlechtlicher Positionen überwunden werden kann.159

hierzu jedoch Edith Seifert, die argumentiert, dass die „Lacanrezeption aufseiten der deutschen Feministinnen […] von wenigen Ausnahmen abgesehen als verunglückt angesehen werden“ (E. Seifert 1987, S. 191) muss. S.a. E. Grosz 1990; Gallop, Jane (1985): Reading Lacan, Ithaca und New York: Cornell University Press; Mitchell, Juliet (2000[1974]): Psychoanalysis and Feminism. A Radical Reassessment of Freudian Psychoanalysis, New York: Basic Books. 158 „These contradictory evaluations of his work seem irresolveable; in some cases they are maintained within one and the same person. […] The relations between his version of psychoanalysis and feminism remain ambivalent. It is never entirely clear whether he is simply a more subtle misogynist than Freud, or whether his reading of Freud constitutes a ‚feminist‘ breakthrough.“ E. Grosz 1990, S. 3. Für eine differenzierte Auseinandersetzung bzgl. der Theoriebildung Lacans, Kristevas und Irigarays vgl. ebd. S. 147-87. 159 „Males and females must, in the very construction of their sexual difference, take up different positions in relation to the threat of castration. This allows for optimism in terms of shuffling positions – a boy can take up the position of ‚being castrated‘ and the object of desire, while a girl can be a subject who is only in danger of castration; but these are individual possibilities, the law of sexual difference is in itself inviolate. If any reversals of ‚gender‘ position are undertaken unconsciously, then they are pathologies – if they are pursued consciously, then they constitute political choices. This may be one reason why the feminist use of Lacan for the sexual text of the subject opened the way for gay studies and queer theories to focus on the proliferation of sexual bodies even if

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3.2 Männlichkeit, gender relations, Subjektposition und Selbstverkennung Trotz der stellenweise konservativen Ausprägungen im Bereich der internationalen wie auch der deutschen Männerforschung gibt es zunehmend weniger zwingende Argumente, männliche Identität beziehungsweise Maskulinität am biologischen Geschlecht festzumachen. Unter Bezug auf Judith Butler konstatiert Walter Erhart, dass weder die „Biologie noch die Konvention […] die eindeutige Zuordnung vom Geschlecht zu Körpern und von Körpern zum Geschlecht bestimmen und regeln“ 160 kann, und räumt ein, dass auch die historische Forschung zur längst etablierten Erkenntnis der Gender Studies gelangt, „dass die Zuordnung von biologischen Männern zur Männlichkeit durchaus variabel ist, jede ausschließlich biologische Grundierung der Männlichkeit hingegen zu den weithin etablierten Mythen des sex-gender-Systems gehört. Eine dementsprechende Entmythologisierung hat in den aktuellen amerikanischen Theoriedebatten bereits zum Zweifel daran geführt, ob Männer überhaupt ein Monopol auf Männlichkeit besitzen.“161

Einerseits ist es fraglich, ob es überhaupt ein Untersuchungsobjekt für eine positivistische Wissenschaft von Männlichkeit (und somit auch von Weiblichkeit) gibt, existiert doch „kein männliches Wesen, dessen Erscheinungsformen in allen Gesellschaften wir generalisieren könnten“162, andererseits relativieren auch zahlreiche neuere Ausprägungen der Psychoanalyse die Bedeutung des biologischen Geschlechts,163 und

Foucault’s anti-psychoanalytic work was their main impetus; why, too, as one can deliberately enact different stances, the space was cleared for today’s vogue of political practices of ‚performance‘ and ‚performativity‘.“ J. Mitchell 2000, S. xxxi-ii. 160 W. Erhart 2005, S. 161. 161 Ebd. S. 189. 162 R.W. Connell 2000a, S. 63. 163 „One thing most contemporary critics and psychoanalysts would agree upon is that biological differentiations are inadequate, too many people seeming to cross over, at the psychical level, the ‚hard and fast‘ lines of biologically determined sexual difference. We thus begin with the hypothesis that there are males with feminine structure [...] and females

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selbst in der Medizin herrscht Uneinigkeit, wie dieses zu definieren ist, muss doch zwischen morphologischem, hormonalem, gonadalem und chromosomalem Geschlecht differenziert werden. Zudem würden selbst eindeutige biologische Grundlagen nicht notwendigerweise viel über das kulturelle Geschlecht aussagen, da zwischen dem „biologischen Rohmaterial“ und der gesellschaftlichen Geschlechtsidentität ein von fast allen Zivilisationen geforderter kultureller Produktionsschritt liegt. 164 Durch diese kulturelle Prozessierung des „biologischen Substrats“ verlieren die traditionellen geschlechtsspezifischen Zuschreibungen ihre vermeintlich natürliche Basis, während Männlichkeit als Subjektposition innerhalb eines soziohistorisch wandelbaren, auf einer kulturell-diskursiven Grundlage basierenden Kontinuums erkennbar wird. Hinterfragt man in einem weiteren Schritt die Unterscheidung zwischen kulturellem und biologischem Geschlecht, so erscheint „die Vorstellung von einer biologisch fundierten Differenz zwischen männlichen und weiblichen Körpern“ als eine nachträgliche, die Genderzuschreibungen stabilisierende Fiktion, 165 wird das Geschlecht „nicht durch

with masculine structure. [...] Analysands demonstrate day in and day out that their biomedically/genetically determined sex (genitalia, chromosomes, etc.) can be at odds with both socially defined notions of masculinity and femininity and their own choice of sexual partners (still assumed by many people to be based on reproductive instincts). Analysts are thus daily confronted with the inadequacy of defining sexual difference in biological terms.“ Fink, Bruce (1995): The Lacanian Subject: Between Language and Jouissance, Princeton: Princeton University Press, S. 123 u. 105. 164 Vgl. W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 15; D. Gilmore 1991, S. 155. 165 D. Feldmann/S. Schülting (2001b): „Butler, Judith“, in: A. Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, S. 77-8; s.a. R.W. Connell 2000b, S. 80: „Biologische Reproduktion bringt Gender als Praxis nicht hervor, sie liefert noch nicht einmal eine Schablone dafür. (Die lesbische und die homosexuelle Sexualität sind zum Beispiel ebenso sehr vergeschlechtlichte Praxen wie Heterosexualität, sie organisieren sich mit Bezug auf weibliche und männliche Körper, beziehungsweise Partner). Die Materialität männlicher Körper spielt nicht als Schablone für soziale Männlichkeit eine Rolle, sondern als Referent für die Konfiguration sozialer Praxen, die als Männlichkeit definiert werden.“

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anatomische Fakten bestimmt, sondern durch die falsche – aber deswegen nicht weniger wirksame – nachträgliche Interpretation einer Wahrnehmung.“ Männlichkeit wäre demzufolge nicht gegeben, sondern würde in einem Akt der Interpretation erst konstruiert.166 Und tatsächlich ist im Bereich der Queer Studies sowie der Gay and Lesbian Studies „längst nicht mehr entschieden, dass eine Frau nur oder überhaupt ‚weiblich‘ und ein Mann ‚männlich‘ sein muss, dass es nicht auch verschiedene Grade und Abstufungen zwischen den Polen ‚Weiblichkeit‘/‚Männlichkeit‘ gibt und wie viele ‚Geschlechter‘ eigentlich zu unterscheiden sind.“167 Wenn für Monique Wittig der Begriff des biologischen Geschlechts eine durchgängig politische Kategorie darstellt und Michel Foucault ihn als regulierende „fiktive Einheit“ bezeichnet, so beschreibt diese Kategorie in beiden Fällen „nicht eine vorgängige Materialität, sondern sie produziert und reguliert die Intelligibilität der Materialität von Körpern.“168 Wie Butler, Lacan und andere gezeigt haben, ist das biologische Geschlecht nur über kulturelle Symbolisierung zugänglich.169 Natur, so könnte man in Anspielung an Donna Haraway formulieren, bezeichnet „nicht das ‚Andere‘, das Ursprüngliche, das nicht entfremdete Außerkulturelle, vielmehr ist sie zunächst eine Unterscheidung, die ‚in der Kultur‘ stattfindet. In diesem [...] erkenntnistheoretischen Sinne ist Natur immer schon Kultur – das ‚An-Sich‘ der

166 Vinken, Barbara (1992): „Dekonstruktiver Feminismus – Eine Einleitung“, in: Barbara Vinken (Hg.), Dekonstruktiver Feminismus. Literaturwissenschaft in Amerika, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 7-29, S. 12; s.a. R.W. Connell 2000b, S. 80: „Wie wir aus der Soziobiologie des Körpers wissen, sind die Körper in der Geschichte und nicht außerhalb von ihr. Menschliches Leben besteht nur unter dieser Voraussetzung. Die Verkörperung von Geschlecht ist von Anfang an eine gesellschaftliche. In der Verbindung dieses Schauplatzes mit der Sozialstruktur sind Körper sowohl Agenten wie Objekte von Praxis.“ 167 W. Erhart/B. Herrmann 1997a, S. 25; s.a. Halberstam, Judith (1998): Female Masculinity, Durham und London: Duke University Press. 168 Butler, Judith (1993): „Kontingente Grundlagen: Der Feminismus und die Frage der ‚Postmoderne‘“, in: Seyla Benhabib et al. (Hg.), Der Streit um Differenz. Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 31-58, S. 53. 169 Vgl. J. Butler 1995, S. 26 u. 54; W. Schmale 1998, S. 18.

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Natur ist nicht ‚an sich‘ zugänglich, sondern nur als Unterscheidung“170 innerhalb der Kultur. In der Tat legen historische Studien zur Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit nahe, dass „die Form der biologischen Fundierung der Geschlechterdifferenz [...] selbst Resultat einer historischen Entwicklung ist, entscheidend geprägt durch die im 18. und 19. Jahrhundert entstehenden modernen ‚Wissenschaften vom Menschen‘“. 171 Das biologische Geschlecht erweist sich somit als alles andere als natürlich, verfügt es doch über eine eigene kulturelle Konstruktionsgeschichte. Aus dieser Perspektive kann Maskulinität losgelöst von ihrer vermeintlichen biologischen Basis als eine Position beziehungsweise als ein Ort innerhalb des symbolischen Feldes sozialer Machtbeziehungen verstanden werden. Hierbei sind zwei Beziehungsgeflechte zu unterscheiden: einerseits die gender relations, das heißt die Beziehungen der verschiedenen männlich und weiblich konnotierten Subjektpositionen zueinander, andererseits das kulturelle Geschlecht (gender) als in sich relationale ‚Männlichkeit‘ oder ‚Weiblichkeit‘. Bezüglich der als ein System symbolischer Beziehungen strukturierten gender relations gilt, dass sie die soziale Praxis organisieren und – auf Grund der häufig vorgenommenen Verkürzung zwischen Phallus und Penis – nicht nur demjenigen Individuum, das über den Phallus im Sinne von Macht verfügt, sondern auch demjenigen, das sich auf eine biologische Männlichkeit berufen kann, potentiell eine Machtposition zugestehen.172 Diese muss jedoch auf der symbolischen Ebene durch die Produktion oder Performanz eines kulturell kodierten, in der Regel an den traditionellen Stereotypen orientierten ‚männlichen‘ Verhaltens behauptet und verteidigt werden. Männlichkeit könnte somit als der Ort innerhalb des sozialen Systems der gender relations definiert werden, der mit der phallischen Position im Sinne von Zugang zur Macht zusammenfällt und dessen Akzeptanz zudem politische Implikationen beinhaltet.173 Darüber hinaus

170 Becker-Schmidt, Regina/Knapp, Gudrun-Axeli (2000): Feministische Theorien zur Einführung, Hamburg: Junius, S. 96. 171 Ebd. S. 68. 172 Vgl. Cornell, Drucilla (1993): „Gender, Geschlecht und gleichwertige Rechte“, in: S. Benhabib et al., Der Streit um Differenz. Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart, S. 80-104, S. 87. 173 Vgl. R.W. Connell 2000a, S. 92-4.

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muss Männlichkeit – zumindest aus einer soziopolitischen Perspektive – auch aus seiner Beziehung zu Weiblichkeit heraus verstanden werden; als ein kulturelles Konzept, das sich von Weiblichkeit sozial abgrenzt und das zumindest in den letzten zwei Jahrhunderten als Opposition gedacht wurde. In dem Maß, in dem die Grade der Abgrenzung und Opposition historisch wechseln, verändert auch die Männlichkeit ihre Konfiguration. Sie wird primär durch ihren relationalen Charakter geprägt und stellt eher einen Prozess beziehungsweise eine wandelbare, immer wieder neu zu füllende Struktur denn fixierbare Merkmale innerhalb des größeren Rahmens der gender relations dar. In diesem Sinn sind Männlichkeiten als „configurations of practice structured by gender relations“ verstehbar; als Praktiken, die von einem Individuum im Laufe seines Lebens entwicklungsspezifisch gelebt beziehungsweise ausgeübt, verändert und den Machtverhältnissen sowohl innerhalb der eigenen als auch gegenüber der anderen Gendergruppe (oder den Gendergruppen) angepasst werden; als Praktiken, die „von Grund auf historisch“ sind und deren „Entstehung und Wiederherstellung“ einen „politischen Prozess“ darstellt, „der das Interessengleichgewicht in der Gesellschaft und die Richtung sozialen Wandels beeinflusst.“174 Aus psychoanalytischer Sicht stellt sich für die Konzeption männlicher Identität die Frage, ob die Produktion von gender beziehungsweise von geschlechtlicher Identität als performativer Prozess, bei dem das Subjekt bewusst oder unbewusst kulturell determinierte Konzepte von Männlichkeit ‚durchspielt‘, kombiniert oder übernimmt, beziehungsweise nacherzählt, nicht eine Identifikation mit diesen und somit eine méconnaissance inklusive Entfremdung und Spaltungserfahrung impliziert. Man muss sich deshalb fragen, ob doing gender nicht auf der Identifikation mit und Performanz einer ‚fremden‘ geschlechtlichen Identität basiert und somit ein Fallbeispiel für das Spiegelstadium ist. Butlers Fragestellung, inwiefern das ‚Sein‘ von Mann und Frau „nicht in einer prädiskursiven oder präkulturellen ‚Natur‘ verankert ist“, sondern diese vermeintliche Natur wie auch die Geschlechtsidentität (gender identity) nur sich der rhetorischen Figur der Metalepsis verdankende diskursive Effekte der Signifikanten darstellen, legt den Verdacht auf eine durch das Symbolische bedingte Spaltungserfahrung

174 R.W. Connell 2000a, S. 64; s.a. E. Badinter 1993, S. 41-3.

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nahe. Um dies weiter auszuführen, muss jedoch kurz auf die Grundlagen der Lacanschen Theroriebildung eingegangen werden. Für Lacan erfolgt mit dem Geburtstrauma die ‚Austreibung‘ aus der ursprünglichen Einheit und fötalen Geborgenheit. 175 Der Versuch des Menschen, seinem Mangel an Sein abzuhelfen, begünstigt die Selbstverkennung (méconnaissance) im Spiegelstadium. „Dieses Bild, das in einer ‚assomption jubilatoire‘ erfahren wird, erscheint gegen einen Hintergrund von ursprünglicher Not, gegen jene ‚discorde primordiale‘, jene ‚déhiscence de l’harmonie naturelle‘, von der die Imago des ‚corps morcelé‘ zeugt und [von der] die organische Mittellosigkeit nur äußeres Zeichen ist. [...] Die mannigfachen Phantasien, die sich um dieses Bild vom zerstückelten Leib ranken, scheinen in der Reihe der Verluste, der nun das Lebewesen anheimfällt, sofern es als [sic] geschlechtliches ist, ihren Grund zu haben. Das imaginäre Verhalten, das sich hier zwischen dem Subjekt und seinem Leib bzw. dem ektopischen Anderen seiner selbst, der Mutter, in Szene setzt, dürfen wir als Versuch werten, die beschädigte Einheit zu kitten.“176

Die Selbstverkennung im Spiegelstadium impliziert durch die Erfahrung der Differenz von fiktiv-imaginärer Einheit und faktischer Abhängigkeit die Entfremdung und eskapistische Situierung des moi als Ich-Ideal auf der Ebene des Imaginären. Das moi bildet einen Ort imaginärer Verkennung, eine Fiktion oder Maskerade, „die sich der Mensch bildet, um das Ausgesetztsein seiner selbst in eine radikale Fraglichkeit zu verschleiern.“177 Doch bestätigt jeder Versuch, durch das Imaginäre „die beschädigte Einheit zu kitten“, letztlich den der

175 „Betrachten wir nun das Lebewesen als ein geschlechtliches, so sehen wir seine ‚Geschichte‘ durch eine Folge von unheilbaren Abtrennungen markiert. Das beginnt bei den Reifeteilungen, setzt sich mit den Eihüllen bzw. der Plazenta fort und findet im Verlust der Mutterbrust, welche das kleine Lebewesen als ektopischen Teil seiner selbst perzipiert, einen weiteren Akzent.“ Lang, Hermann (1998): Die Sprache und das Unbewusste, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 281. 176 Ebd. S. 281-2. Zum Imago des „corps morcelé“ s.a. Evans, Dylan (2002): Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, Wien: Turia + Kant, S. 3556; J.S. Lee 1990, S. 19. 177 H. Lang 1998, S. 94.

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menschlichen Seinsweise zugrundeliegenden manque à être.178 Hierbei müssen sowohl die Rolle der Sprache als auch die des objet petit a berücksichtigt werden: Der mit der Geburt einhergehende Verlust des petit objet a erweist sich als Grund für einen Mangel, der einen Prozess des Begehrens nach Wiederfinden auslöst und eine Begierde provoziert, die jene ursprüngliche Identitätsempfindung wiederholen möchte, die vom Symbolischen aus gesehen nur als mythisches Ereignis bezeichnet werden kann. Der durch den Eintritt in die symbolische Ordnung erfolgende (nicht vollständige!) Übergang von entfremdeter imaginärer Individualität zu symbolischer Universalität bringt eine (weitere) Entfremdung mit sich, die die béance zwischen der körperlich erfahrenen Unselbständigkeit und dem eine illusorische Einheit suggerierenden Spiegelbild nur noch verschärft. Hierbei konstituiert sich das Begehren als Spaltungsphänomen beziehungsweise Ergebnis einer Subtraktion von ‚Appetit auf Befriedigung‘ von ‚Anspruch auf Liebe‘.179 Der Eintritt des Menschen in die Sprache impliziert somit den „Verzicht auf ein sich als einzig und einig setzendes Ich“, begründet sein unerfüllbares Begehren, konstituiert einen Mangel oder Entzug an Sein und spaltet das Subjekt, das die Struktur der Sprache als eigene übernimmt; eine Struktur, die von einer grundlegenden Kluft zwischen Signifikant und Signifikat (S/s bzw. Signifikant über Signifikat) geprägt

178 Vgl. Horlacher, Stefan (2002): „Mangel“, in: R. Kroll (Hg.), Metzler Lexikon Gender Studies/Geschlechterforschung: Ansätze, Personen, Grundbegriffe, S. 246-7. 179 Da die Mutterpflege keine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung leisten kann, sondern Versagung des Befriedigungsobjekts/Privation und Abwesenheit birgt, bringt die Erfahrung eines Mangels an Haben (manque à avoir) den interpersonellen Anspruch (demande) als von der biologischen Ebene ins Symbolische überführtes intrapersonelles Bedürfnis (besoin) hervor und führt ihn so in das Feld des Begehrens (désir). Indem das Kind der Hilfe des Anderen bedarf und sich an die der symbolischen Ordnung unterworfene Mutter wendet, sublimiert diese den Schrei zur Bitte, die Reaktion zur Gabe und ruft das Begehren des Kindes hervor. Vgl. Lacan, Jacques (1991b[1975]): Schriften II, in: Norbert Haas/HansJoachim Metzger (Hg.), Weinheim und Berlin: Quadriga, S. 127.

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ist, die Trennung von der Präsenz – und somit die Absenz – endgültig im Subjekt konstituiert und eine innere Verbindung zum Tod besitzt.180 Als der Platz des Anderen ist die symbolische Ordnung vom Mangel eines Signifikanten (–1) geprägt, der insofern für das Subjekt konstitutiv ist, als dieses der Sprache unterworfen ist und seinen Platz am Ort des Mangels im Anderen findet, also dort, wo die Sprache selbst Mangel leidet. Indem sich die Sprache als Frage konstituiert, durchwirkt sie auch das Subjekt, le sujet barré S (S), mit der Frage (nach) seiner Existenz181 – und dies trifft auch auf die Genderidentität zu!182 Durch die Übernahme von Genderidentitäten versucht das moi als Ort imaginärer Identifikationen in „einer von Eigenliebe beherrschten Intersubjektivität [...] jenen anderen Ort, jenes andere Ich, jenes ‚je‘ also, das die eigentliche Realität ist, zu maskieren“183 und zu simplifizieren. Da die Übernahme von Genderidentitäten eine wie auch immer geartete Identifikation mit diesen voraussetzt, schließt sie diese in eine relation imaginaire ein, die in einem sterilen Zirkel von Aggression und Narzissmus oszilliert. Während das ‚eigentliche Subjekt‘ oder sujet de l’inconscient ein „wesenhaft unbestimmbares“ ist und sich „gerade nicht von einer Sprache fassen“ lässt,184 „die, sobald sie benennt, immer auch vergegenständlicht“, erweisen sich Genderidentitäten als kulturell vorgegeben und somit als Produkt der Sprache, deren oben ge-

180 Vgl. Lacan, Jacques (1991a[1973]): Schriften I, in: Norbert Haas/HansJoachim Metzger (Hg.), Weinheim und Berlin: Quadriga, S. 166; u. Lacan, Jacques (1986[1980]): Schriften III, in: Norbert Haas/Hans-Joachim Metzger (Hg.), Weinheim und Berlin: Quadriga, S. 212. 181 Letztlich entpuppt sich jede Präsenz als verschleierter Mangel und jeder Akt von Lusterfüllung als Wiederholung eines fundamentalen Verlustes; Subjekt und Sprache sind kastriert, Artikulationen einer Differenz ohne Zentrum und ohne Hoffnung auf Erfüllung. 182 Wenn geschlechtliche Identität genau wie der Mensch ein Produkt der Sprache ist, ist auch ihr ein Mangel inhärent, konstituiert auch sie sich als Frage, ist es dem Individuum nicht möglich, eine ‚normale‘ oder ‚fertige‘ geschlechtliche Position einzunehmen. Vgl. D. Evans 2002, S. 119. 183 H. Lang 1998, S. 63 u. 246. 184 „Halten wir es [das je] indessen auf dieser Stufe als jenes wahre und wirkliche Subjekt fest, das es durch die Starre imaginärer Verstrickungen hindurch zu enthüllen und in das ihm eigene Werden zu entlassen gilt.“ Ebd. S. 63; s.a. ebd. S. xii.

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zeigte Charakteristika sie teilen. Ihre Übernahme kann mit jener assomption jubilatoire gleichgesetzt werden, die das Menschenwesen beim Erblicken seines Spiegelbildes erfährt. Deshalb verschleiert die identifikatorische Übernahme einer Genderidentität den bereits angesprochenen menschlichen Hintergrund ursprünglicher Not auch nur vorübergehend: In einem ersten Schritt wird dem Menschen im ‚Spiegelstadium der Genderidentifikation‘ angesichts der „unheimlichen Wahrheit einer radikalen Fraglichkeit [...] die Illusion der Einheit“185 – beispielsweise des ‚wahren Mannes‘ vom Cowboy à la John Wayne über Rambo bis zum Terminator – und somit die Maske zum Ich. Das Subjekt entfremdet sich, macht sich selbst zum Objekt, sofern es die Frage nach seiner Existenz und Wahrheit dadurch zu beantworten sucht, dass es sich in oder als ein Bild beziehungsweise eine Genderidentität fixiert. Da das Subjekt der Erkenntnis seiner Sterblich- und Fraglichkeit zu entfliehen sucht, versucht es, die „Erfahrung der Einheit in der Begegnung mit dem Anderen zu wiederholen. Die Geschichte des Subjekts entwickelt sich so als eine Reihe mehr oder weniger geglückter imaginärer Identifikationen“186, und das Werden des Subjekts kann „als Identifikation Darstellung finden – als Identifikation indessen, die [...] nur als Identifikation mit einem Signifikant[en], als symbolische Identifikation I(A) geschehen kann.“187 Problematisch wird die Genderidentität – genau wie jede auf Grund narzisstischer Identifikation sich konstituierende Identität – nicht nur, weil sie auf dem Mechanismus imaginärer Identifikation beruht, sondern auch weil auch der Andere Leerstellen aufweist. Der Andere – sei es die Mutter, die Sprache oder die geschlechtliche Identität suggerierende kulturelle Diskursformation – ist immer schon ‚kastriert‘188,

185 H. Lang 1998, S. 246. 186 Ebd. S. 65. 187 Ebd. S. 262. 188 Ähnlich wie im Spiegelbild misslingt auch die Spiegelung im primordialen Objekt, der Mutter. Das Kind meint, ‚in der Mutter seine Einheit und Vollkommenheit in Bezug auf seine Geschlechtlichkeit zu finden‘, stellt als entscheidender Moment seiner geschlechtsspezifischen Erfahrung jedoch fest, dass die Mutter ihrerseits dem Mangel unterworfen ist. Für die Spiegelung bedeutet dies, dass das Spiegelbild durchlöchert ist. In der spekulären Erfahrung des Imaginären werden Leerstellen, ein manque dans l’Autre, manifest. S. Horlacher 2006b, 94; s.a. H. Lang 1998, S. 208f.

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das objet petit a erweist sich als nicht spiegelbar, und das SichVerkennen in einer scheinbar fixierten und Sicherheit gebenden Genderidentität reflektiert somit nicht nur das Spiegelstadium – das méconnaître in allem me connaître –, sondern auch die Entfremdung durch die symbolische Ordnung, da es sich letztlich um die symbolische Identifikation eines Subjekts mit einer sprachlichen Position handelt. Diese ermöglicht es dem Menschen einerseits, sich einer Universalität unterzuordnen, sich wechselseitig anzuerkennen und in das Feld der gender relations einzutreten, unterminiert andererseits jedoch den mit der Identifikation einhergehenden Narzissmus und jede Sicherheit insofern, als sie sich ihrerseits als ein mit Mängeln behaftetes Konstrukt erweist, welches in letzter Konsequenz den Menschen – auch als Genderidentität – erst hervorbringt.189 Da „sich in der spekulären Erfahrung immer Leerstellen melden“, stößt das Subjekt bei der Einnahme einer Genderposition zwangsläufig immer wieder auf Leerstellen, „die einer vollkommenen narzißtischen Verschmelzung im Wege“ 190 stehen: Die Genderidentität kann keinen Totalitätsanspruch anmelden, und statt als letzter Hort vermeintlicher Authentizität zu fungieren, konfrontiert sie den Menschen mit genau jenem Mangel, dem er durch das Spiel imaginärer Identifikation zu entfliehen sucht. Auch für Lacan erweist sich eine Sicherheit garantierende Flucht in die Biologie als unmöglich, sieht er den Körper doch als ein ensemble de signifiants, existiert für den Menschen keine der symbolischen Ordnung vorgängige Realität: „Es gibt nicht die mindeste prä-diskursive Realität […]. Die Männer, die Frauen und die Kinder, das sind nur Signifikanten.“191 Dies bedeutet nicht, dass Lacan die biologische Differenz negiert, er räumt ihr nur keinen Stellenwert ein: „Das Sein des Körpers, gewiss, ist geschlechtlich, aber das ist sekundär, wie man sagt.“192

189 Vgl. J. Lacan 1991a, S. 117. 190 H. Lang 1998, S. 207. 191 Lacan, Jacques (1991d[1986]): Das Seminar XX. (= Encore), in: Norbert Haas/Hans-Joachim Metzger (Hg.), Weinheim und Berlin: Quadriga, S. 37. 192 Ebd. S. 10. „Obwohl die Anatomie/Biologie des Subjekts zwar bezüglich der Frage nach der einzunehmenden geschlechtlichen Position eine Rolle spielt, gilt als ein grundlegendes Axiom der psychoanalytischen Theorie, dass die Anatomie die geschlechtliche Position nicht bestimmt. Es gibt einen Riss zwischen dem biologischen Aspekt der geschlechtlichen Dif-

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Gerade die Lacan häufig angelastete vermeintlich biologische Fundierung seiner Theorie beziehungsweise der Vorwurf einer auf der Anatomie basierenden Verkürzung zwischen Phallus und Penis greift nicht,193 da Lacans Theoriebildung – „virtually divorced [...] from any biological framework“ – vehement darauf insistiert, „that the phallus is a signifier (and not the penis).“ 194 Doch existiert zu dem einzigen geschlechtlichen Signifikanten, dem Phallus, der als „Dreh- und Angelpunkt bei beiden Geschlechtern die Infragestellung des eigenen Geschlechts durch den Kastrationskomplex vervollständigt“195, kein ‚weibliches‘ Äquivalent: „[S]trenggenommen gibt es keine Symbolisierung des Geschlechts der Frau als solchem […]. Es handelt sich hier um eine Asymmetrie im Signifikanten“ 196 , die im Ödipuskomplex zur Asymmetrie zwischen Mann und Frau führt.197 Doch nicht nur, dass in

ferenz […], der mit der Reproduktionsfunktion des Geschlechts verbunden ist, und dem Unbewussten, in dem diese reproduktive Funktion nicht vorhanden ist. Angesichts der Nicht-Repräsentation der Reproduktionsfunktion der Sexualität im Unbewussten ‚gibt es in der Psyche nichts, durch das sich das Subjekt als männliches oder weibliches Wesen positionieren könnte.‘“ Lacan zitiert nach D. Evans 2002, S. 119-20. 193 „Lacan is frequently accused of phallocentrism, an accusation fairly easy to level at a theorist who proclaims that ‚the phallus is the privileged signifier‘. Lacan’s defenders do not deny the privilege of the phallus in his system, but they argue that his attackers misunderstand the meaning of the term. The question of Lacan’s ideological position – phallocrat or feminist – thus in large part hinges on the meaning of the phallus.“ J. Gallop 1985, S. 133. Für eine kritische Diskussion s. ebd. S. 132-56; s.a. Ragland-Sullivan, Ellie (1982): „Jacques Lacan: Feminism and the Problem of Gender Identity“, in: SubStance 36, S. 9-20. 194 J. S. Lee 1990, S. 174. 195 Lacan zitiert nach D. Evans 2002, S. 120; s.a.: „Für Freud ist die geschlechtliche Position des Subjekts durch das Geschlecht desjenigen Elternteils bestimmt, mit dem sich das Subjekt im Ödipuskomplex identifiziert […]. Für Lacan hingegen erfolgt die Identifikation im Ödipuskomplex immer mit dem Vater und demnach kann die ödipale Identifikation nicht die sexuelle Position festlegen.“ Ebd. S. 119. 196 Ebd. S. 120. 197 „Während das männliche Subjekt den Elternteil des anderen Geschlechts begehrt und sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil identifiziert, be-

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der symbolischen Ordnung kein ‚neutraler‘ Signifikant der Geschlechterdifferenz existiert, für die Frau liegt auch „etwas Unüberwindliches, man kann sagen Inakzeptables in der Tatsache, in der symbolischen Ordnung in die Position eines Objektes gesetzt zu sein, der sie andererseits nicht weniger unterworfen ist als der Mann.“198 3.3 Männlichkeit, symbolische Ordnung und phallische Funktion Wie später auch für Butler stellt für Lacan das biologische Geschlecht ein Produkt der symbolischen Ordnung dar.199 Männlichkeit und Weiblichkeit sind zu verstehen als symbolische, vom biologischen Geschlecht unabhängige, aus der differenten Beziehung zur symbolischen Ordnung resultierende Strukturen, die in letzter Konsequenz aus der Kastration beziehungsweise Spaltung des Subjekts durch die Sprache und dem jeweils differenten spezifischen Umgang damit resultieren: „[S]exual difference is a result of speech and language [...]. The difference in sexual identity between a man and a woman is not a prediscursive given of biology; it is rather a product of the symbolic system constituted by basic oppositions at the level of signifiers. [...] There are men and women, then, only because of the preexisting oppositions between clusters of signifiers in the system of language.“200 „Men and women are alienated in and by language in radically different ways, as witnessed by their disparate relations to the Other, and to S1 and S2. As

gehrt das weibliche Subjekt den gleichgeschlechtlichen Elternteil und ‚muss das Bild des anderen Geschlechts als Grundlage für seine Identifikation nehmen [...]. Für die Frau ist die Realisierung ihres Geschlechts im Ödipuskomplex nicht symmetrisch zur Realisierung des Mannes, es vollzieht sich nicht durch die Identifikation mit der Mutter, sondern im Gegenteil, durch die Identifikation mit dem väterlichen Objekt, was sie zu einem zusätzlichen Umweg zwingt‘.“ Lacan zitiert nach D. Evans 2002, S. 120. 198 Ebd. S. 103. 199 „Women [...] are sexed beings, not by virtue of some set of properties inherent in their bodies and absent from the bodies of men, ‚but by what results from a logical exigency in speech‘.“ J.S. Lee 1990, S. 174. 200 Ebd. S. 176; s.a. B. Fink 1995, S. 104-25.

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subjects, they are split differently, and this difference in splitting accounts for sexual difference. Sexual difference thus stems from men and women’s divergent relations to the signifier. “201

Männlichkeit und Weiblichkeit sind nichts weiter als „symbolische Positionen im Verhältnis zu einem sich selbst zersetzenden Zeichen, dem Phallus.“202 Sie „benennen nicht Wesenheiten“, sondern die beiden „Seiten einer Differenz [...] als ‚anderes‘, das nicht das Eigentliche, Identische ist.“203 Folglich existiert nach Lacan auch keine direkte oder instinktive Beziehung zwischen der männlichen und der weiblichen sexuellen Position – und da Sexualität dem Signifikanten unterworfen ist, gibt es auch keine angeblich ‚natürliche‘ Form der sexuellen Beziehung, wodurch wiederum Heterosexualität als eine rein kulturelle Norm decouvriert wird.204 Weil es zudem keinen Signifikanten gibt, der es dem Subjekt erlauben würde, „to fully symbolise the function of man and woman“, ist es auch nicht möglich, „eine völlig ‚normale, fertige, geschlechtliche Position‘ einzunehmen.“205 Indem „kein biologisch begründetes Geschlecht und dementsprechend keine normale, reife Sexualität oder Genderidentität, die als Höhepunkt einer richtigen Triebentwicklung gesehen werden könnte“, existiert, wird die Genderidentität „als durch normative Einschärfung auferlegt begriffen und nicht als von Biologie oder Ontologie gegeben.“206 Hieraus folgt, dass die geschlechtliche Identität des Subjekts zur Quelle kontinuierlicher Selbstbefragung wird und auch die traditionelle Freudsche „Konzeption von sexueller Perversion, die auf einer norma-

201 B. Fink 1995, S. 118; s.a. R.W. Connell 2000b, S. 80; sowie Lacan, der davon spricht, dass die Frau zur symbolischen Ordnung eine Beziehung zweiten Grades hat. 202 B. Vinken 1992, S. 16. 203 Ebd. S. 12. 204 Vgl. Dean, Tim (2003): „Lacan and queer theory“, in: Jean-Michel Rabaté (Hg.), The Cambridge Companion to Lacan, Cambridge: Cambridge University Press, S. 238-52. 205 D. Evans 2002, S. 119; s.a.: „Die archaischsten Bestrebungen des Kindes sind […] ein Kern, der sich unter der Vorherrschaft des Genitalen nie vollständig auflöst.“ Lacan zitiert nach D. Evans 2002, S. 116. 206 D. Cornell 1993, S. 88.

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len Reifung der Sexualität in Heterosexualität“ 207 basiert, eine Subversion erfährt. Darüber hinaus verliert die in patriarchalen Kulturen angenommene männliche Überlegenheit ihre ‚natürliche‘ Basis, da sie als phantasmatische Identifikation, „dass den Penis haben bedeutet, den Phallus zu haben“, demaskiert wird: „Diese Phantasie bildet die Basis der patriarchalischen Kultur und rechtfertigt die Hierarchie der Gender. Lacan unterminiert den Anspruch, dass GenderIdentität, so wie sie derzeitig bestimmt ist, in irgendeiner Weise von der Natur des Geschlechtes oder der Geschlechtlichkeit vorgeschrieben ist. Umgekehrt werden Geschlecht und Geschlechtlichkeit bestimmt und beschränkt durch die Strukturen der Gender-Identität und nicht andersherum.“208

Folgt man Bruce Fink, so bedeutet dies für die männliche Identität: a) „Men are wholly alienated within language“; b) „Men are altogether subject to symbolic castration“; c) „Men are completely determined by the phallic function“. 209 Dies impliziert, dass unabhängig von ihrem biologischen/genetischen make-up aus psychoanalytischer Perspektive Personen als männlich gelten, die a) völlig von der symbolischen Kastration determiniert sind und die b) in der die symbolische Ordnung bestimmenden phallischen Funktion aufgehen. In Lacans algebraischer Ausdrucksweise: ∀xΦx. 210 Hieraus folgt, „that the phallic function is something that anyone, male or female, can voluntarily ‚take up‘“.211 Mit den Worten Lacans: „[M]an ist nicht gezwungen, wenn man männlich ist, sich auf die Seite zu stellen von ∀xΦx. Man kann sich auch […] auf die Seite des nicht-alle [stellen]. Das kommt vor. Und die folglich sich dabei ebenso wohl befinden.“ [sic] 212

207 D. Cornell 1993, S. 88; s.a. D. Evans 2002, S. 122. 208 D. Cornell 1993, S. 88. 209 B. Fink 1995, S. 106. 210 Zu ∃xΦx als notwendiger Ausnahme von ∀xΦx vgl. B. Fink 1995, S. 108-10. 211 J.S. Lee 1990, S. 176. 212 J. Lacan 1991d, S. 82-3. Vgl. die wesentlich deutlichere englische Übersetzung von Lacans Schlusssequenz bei J.S. Lee 1990, S. 177: „You can also put yourself on the side of not-all. There are men who are just as good as women. It does happen.“

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Aus der Perspektive des Begehrens ist Männlichkeit durch das Inzesttabu, durch le nom du père und le non du père, begrenzt. Lediglich der Urvater in Analogie zu Freuds Totem und Tabu ist nicht der Kastration und somit der phallischen Funktion unterworfen. „[Since] there is no universal statement which can but be controlled through an existence which negates it“ 213 , gestaltet sich die Position des Urvaters (∃xΦx) als notwendige Ausnahme und Grenze, welche die männliche Struktur (∀xΦx) erst determiniert: „∀xΦx […] zeigt an, daß es durch die phallische Funktion ist, daß der Mann als Alles seine Einschreibung annimmt, wobei freilich diese Funktion ihre Grenze findet in der Existenz eines x, durch das die Funktion Φx verneint ist, ∃xΦx. Das eben ist es, was man die Funktion des Vaters nennt […]. Das Alle beruht also hier auf der Ausnahme, die als Term gesetzt ist über das, was, diese Φx, es integral verneint […].“214

Für Lacan umfasst die phallische oder symbolische jouissance nur das Organ als Instrument des Signifikanten (Phallus). Sie ist organzentriert und onanistisch, da ‚wirklich‘ jouir d’une femme nur von einer Position der Nicht-Kastration, also der Position des Urvaters aus möglich ist: „Phallic jouissance makes it impossible for man ‚to enjoy (jouir) the body of woman.‘ All he can enjoy is ‚the jouissance of the organ,‘ of the phallus within the function of which he is totally defined [...]. [W]ithin the sphere of male sexuality – which is the sphere of ‚sexuality‘ proper – the man relates only to himself, indeed only to a part of his own body, in the sexual act. Phallic sexuality is merely a form of masturbation.“215

Im Gegensatz hierzu ist die weibliche jouissance asexuell, „requires no relation to the phallus, and shows up the paucity of phallic jouissance, which is the mere pittance of pleasure left after the drives have been thoroughly subjected (in the case of masculine structure) to the sym-

213 Lacan zitiert nach B. Fink 1995, S. 110. 214 J. Lacan 1991d, S. 86. Zur Verdeutlichung auch hier die englische Übersetzung der Schlusssequenz: „The whole here is thus based on the exception – the exception posited as the term that altogether negates Φx.“ 215 J.S. Lee 1990, S. 178.

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bolic.“216 Phallisches Begehren ist auf die in der männlichen Phantasie (S◊a) zum Träger oder zur Projektionswand des objet petit a reduzierte Frau gerichtet. 217 Diese ist gleichzeitig ein Phantasieobjekt, das den Mann für die Kastration durch die Sprache ‚entschädigt‘, und ein Symptom der polymorphen Perversion des Mannes, dessen Begehren Lacan pervertiert und fetischistisch nennt. Im geschlossenen Kreis masturbatorischer phallischer jouissance ist die Frau Fetischobjekt, steht ein für den Phallus und verdeckt die Kastration des Mannes, dessen sexuelle Triebe nicht auf die Person, sondern auf Partialobjekte wie Brüste et cetera gerichtet sind, während seine inzestuösen, die Kastration und das Gesetz des Vaters negierenden Wünsche (∃xΦx) in seinem Unbewussten weiterleben: „[A]ll people who are men, not in biological but rather in psychoanalytic terms, are castrated. But while men are wholly castrated, there is nevertheless a contradiction: that ideal of noncastration – of knowing no boundaries, no limitations – lives on somewhere, somehow, in each and every man.“ 218 Wenn aber die sexuelle Beziehung immer zwischen einem Subjekt und einem Partialobjekt stattfindet – auch die Frau begehrt nicht den Mann, sondern den Phallus –, kann von einer Beziehung zwischen den Geschlechtern nicht gesprochen werden: „il n’y a pas de rapport sexuel!“ Während der Mann einer phallischen jouissance, der „jouissance des Idioten“, verhaftet bleibt, lässt sich die weibliche Subjektivität für Lacan nicht unter der symbolischen Ordnung subsumieren. Nicht völlig (pas-tout) der phallischen Funktion unterworfen, kann die Frau, verstanden nicht im biologischen Sinne, sondern als ‚weibliche Struktur‘, nicht von der symbolischen Ordnung ‚gefasst‘ werden – „Es gibt nicht Die Frau“ 219 –, zu der sie keinen direkten Zugang hat, die sie jedoch – genau wie jede phallische Ökonomie – in einer nichtphallischen, nicht verbalisierbaren und asexuellen weiblichen jouissance des Körpers transzendieren kann.

216 B. Fink 1995, S. 120. 217 „Als Lustwesen treffen sich Mann und Frau nie: der Mann nimmt […] die Frau als Objekt (a) und verhält sich damit tendenziell pervers; die Frau idealisiert den Mann/Vater oder verwirft seinen Namen und verhält sich damit im Extremfall hysterisch-psychotisch, rätselhaft.“ E. Seifert 1987, S. 133; s.a. J. Lacan 1991d, S. 157. 218 B. Fink 1995, S. 111. 219 J. Lacan 1991d, S. 80.

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Wenn schon Freud erstaunt fragt, woher der Mensch seinen illusionären Anspruch auf Glück nimmt, so mag für Lacan das Subjekt zwar in den sich überschneidenden Bereichen des Symbolischen, des Imaginären und des Realen gefangen sein, dies bedeutet jedoch nicht, dass es – selbst wenn es sich nie ganz dem Mechanismus der méconnaissance und der Kategorie narzisstisch-imaginärer Formationen entziehen kann – prinzipiell sein Leben in völliger Selbstverkennung fristen muss; es bedeutet aber noch weniger, dass das Subjekt a priori über einen wie auch immer gearteten stabilen oder als unhintergehbar gedachten Persönlichkeitskern verfügt. Vielmehr wird hier vorgeschlagen, das männliche wie weibliche Subjekt als in sich selbst relational, essenzlos, performativ und kinetisch zu denken; als ein (gespaltenes) Subjekt, das nicht nur ständig zwischen verschiedenen zur Identifikation einladenden Subjektpositionen und Genderidentitäten, sondern auch zwischen den verschiedenen Ordnungen des Symbolischen, des Imaginären und des Realen zu vermitteln sucht – wobei die Rolle des Realen in der Forschung durchaus umstritten ist – und das sich in der Zeit durch seine Handlungsabfolge/ Performativität, seine Sequenz und palimpsestuousness konstituiert. Das Subjekt ist folglich weniger als prinzipiell verlorenes denn als prinzipiell sterbliches zu denken, dem bis zu einem gewissen Grad eine prozessuale Aussöhnung mit dem Wissen um seine ‚Geworfenheit‘, seinen Mangel, seine Ex-zentrizität und seine Sterblichkeit genauso möglich ist wie ein Abbau der narzisstisch-imaginären Formationen – und dies beinhaltet alle Arten von Genderidentitäten! –, auch wenn diese wohl nie ganz ‚abgeschafft‘ werden können! Was von Bedeutung ist, ist die Tatsache, dass bestimmte ‚Verkrustungen‘, Schemata und Stereotype von Männlichkeit und Weiblichkeit, „in denen sich das betreffende Subjekt festgefahren hat“, immer wieder verflüssigt werden können, „so dass neue, weniger obsedierende Identifikationen, Rollenübernahmen und Orientierungen möglich werden“, eine symbolisch-kritische Distanznahme statt einer narzisstischimaginären Identifikation erfolgt und das Subjekt – und somit auch die Gesellschaft – „ein Stück Freiheit zurückgewinnt.“220 Die vom Kleinkind reflexartig vorgenommene Flucht in die Selbstverkennung im Spiegelbild, die mögliche Selbstverkennung in einer Genderidentität beziehungsweise in einer von der Gesellschaft über das Geschlecht defi-

220 H. Lang 1998, S. xii.

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nierten Subjektposition ist, auch wenn sie nie ganz unterbunden werden kann, alles andere als ausweglos. Wenn dem Menschen schon „die Illusion der Einheit, die Maske ‚Ich‘“ wird, das je sich in ein moi entfremdet und sich selbst zum Objekt macht, „sofern es die Frage nach seiner Existenz und Wahrheit dadurch zu beantworten suchte, dass es sich in ein Bild fixierte“, so lässt es die Lacansche Konzeption der menschlichen Psyche doch auch zu, das Subjekt wieder der Existenzweise des je näherzubringen und imaginäre Verfestigungen – eben auch im Sinne von männlichen und weiblichen Identitäten – abzubauen221; Verfestigungen, die ganz wesentlich die erstarrende Identifikation mit Genderidentitäten, Stereotypen und traditionell mit männlich oder weiblich konnotierten Subjektpositionen einschließen, die jedoch dynamisiert, verflüssigt und dabei als alles andere als ‚natürlich‘ decouvriert werden können. Gleichzeitig eröffnen die klare Zurückweisung einer angeblich ‚natürlichen‘ Form der sexuellen Beziehung, die Darlegung von Heterosexualität als kulturelle Norm, die Differenzierung zwischen (sekundärer) Biologie und (primärer) mentaler/psychischer ‚sexueller‘ Struktur sowie die darauf begründete Definition von Männlichkeit und Weiblichkeit als von der Biologie losgelöste, aus der differenten Beziehung zur symbolischen Ordnung resultierende symbolische Positionen nicht zu unterschätzende neue Spielräume für das Subjekt – egal welchen ‚Geschlechts‘.

221 H. Lang 1998, S. 246.

II. Teil Bodily Matters

Begrenzungen

Die Arena der Männlichkeit Zur Aushandlung von Männlichkeit(en) in World of Warcraft M ICHAELA R IZZOLLI With a virtual world that is seemingly endless in possibilities of identity exploration and social dynamics between genders, it is interesting to come away with a sense of similarity to the real world. DARIC THORNE1

1. E INLEITUNG Massive Multiplayer Online Roleplaying Games 2 sind eine Form von Online-Spielen, die sich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre als 3 Weiterentwicklung von Multi-User Dungeons zu etablieren begannen. MUDs sind nicht grafisch, sondern textbasiert und erreichten nur einen geringen Bekanntheitsgrad. Die grafischen MMORPGs hingegen weisen 1

Thorne, Daric: „Reinforcing the Wall: Hegemonic Masculinity and the Ideal Self in Massively Multiplayer Online Games“, in: http://www.game careerguide.com/features/795/reinforcing_the_wall_hegemonic_.php?page =3 vom 11.03.2009, S. 6.

2

Im weiteren Text werde ich für Massive Multiplayer Online Roleplaying

3

Für Multi-User Dungeons werde ich zukünftig die Abkürzung MUDs

Games das Kürzel MMORPGs verwenden. verwenden.

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eine zahlreiche Anhängerschaft auf und ermöglichen es Tausenden von Spielern gleichzeitig mit ihren Spielfiguren eine persistente 4 virtuelle Welt zu bevölkern. World of Warcraft5, das derzeit wohl bekannteste MMORPG, hat im Oktober 2010 die Marke von 12 Millionen Spielerinnen und Spielern 6 weltweit überschritten. Im Unterschied zu anderen Formen von Online-Spielen weisen MMORPGs eine Rollenspielkomponente auf. Rollenspiele zeichnen sich dadurch aus, dass die Spielerinnen und Spieler in die Rolle eines fiktionalen Charakters schlüpfen, der fortan als ihr „Alter Ego in der virtuellen Welt agiert“7. Die Spielaufgabe besteht darin verschiedene Aufträge, sogenannte ‚Quests‘, zu lösen. Bei erfolgreicher Bewältigung wird der Spielcharakter in Form von Waffen, Gegenständen und Erfahrungspunkten belohnt, welche zur Weiterentwicklung des Charakters dienen. Evident ist die Tatsache, dass MMORPGs eine spezifische Form webbasierter Spiele darstellen. Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive betrachtet, stellen Spiele eine „lustvoll erlebte, Freude bereitende Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Umwelt“ 8 dar. Besonders im Kindesalter wird vom Spiel als einer der zentralsten Aktivitäten des Menschen gesprochen. Doch die Bestimmung von MMORPGs als Spiel reicht nicht aus um sie in ihrer Komplexität zu

4

Persistente Welt bezieht sich im Hinblick auf Online-Spiele auf eine virtuelle Welt, die jederzeit verfügbar und zugänglich ist, jedoch nicht pausiert oder abgespeichert werden kann. Das bedeutet, dass sich die Welt auch nach dem Ausloggen, also während der Abwesenheit der Spielerin und des Spielers permanent weiterentwickelt und sich Ereignisse zutragen können.

5 6

World of Warcraft wird als WoW abgekürzt. In dieser Zahl spiegeln sich nur die aktiven Accounts wieder, Teilzeitspielerinnen und Teilzeitspieler, 10-Tages-Account-Besitzer und so weiter sind in dieser Zahl nicht enthalten. http://eu.blizzard.com/de-de/company/press/ pressreleases.html?101007 vom 07.10.2010.

7

Höschen, Dirk (2006): „In jedem steckt ein Held oder MMORPG“, in: Winfred Kaminski (Hg.), Clash of realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit (= 1. International Computer Game Konferenz Köln), München: Kopaed, S. 137.

8

Wagner, Michael (2008): „Interaktionstechnologie im gesellschaftlichen Spiel. Eine Grundsatzthese zur kulturellen Bedeutung von digitalen und hybriden Spielen“, in: Konstantin Mitgutsch/Herbert Rosenstingl (Hg.), Faszination Computerspielen. Theorie-Kultur-Erleben, Wien: Braumüller, S. 47.

A RENA DER M ÄNNLICHKEIT

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erfassen. Vielmehr als um Spiele handelt es sich um Handlungs- und Lebensräume von Menschen. „These worlds have their own economies, transportation systems, social networks, and many other features that make them interesting to play, create, and study.“9 Die Menschen, die diese Welten beheimaten, sind unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Berufs, wie am Beispiel von WoW verdeutlicht werden kann: Das Durchschnittsalter der Anhängerschaft liegt bei etwa 26 Jahren.10 Tatsächlich sind nur 25 Prozent der Spielerinnen und Spieler Jugendliche im Alter von 12-18 Jahren.11 Die Hälfte der Spielerinnen und Spieler geht einem Vollzeitberuf nach und etwa 5,5 Prozent sind arbeitslos. Es wird angenommen, dass Studierende einen großen Teil der Anhängerschaft ausmachen. Etwa 36 Prozent sind verheiratet und 22 Prozent haben Kinder. 12 Trotz Männerüberhanges machen weibliche Spieler etwa 20-30 Prozent13 der Gesamtgruppe aus.

2. F ORSCHUNGSINTERESSE Der Beitrag widmet sich der Frage, ob und wie Geschlechtlichkeit in neuen virtuellen Handlungs- und Lebensräumen von Menschen relevant gemacht wird. 14 Es wird untersucht, wann und wie Geschlecht ‚ins Spiel‘ kommt. Der Fokus liegt auf den Aushandlungsprozessen

9

Roy, Daniel (2007): Mastery and the Mobile Future of Massively Multi Player Games. Unveröffentlichte Masterarbeit, Massachusetts, S. 7.

10 Vgl. D. Höschen 2006, S. 138. 11 Ebd. 12 Vgl. Corneliussen, G. Hilde/Rettberg, Jill Walker (2008): „Corporate Ideology in World of Warcraft“, in: Hilde G. Corneliussen/Jill Walker Rettberg (Hg.), Digital culture, play, and identity. A World of Warcraft reader, Cambridge/MA: MIT Press, S. 6. 13 Vgl. Ducheneaut, Nicolas et al. (2006): „Building an MMO with Mass Appeal: A Look at Gameplay in World of Warcraft“, in: Games and culture 1.4, S. 281-317. 14 Zur Darstellung und Diskussion werden Daten herangezogen, die im Rahmen meiner Diplomarbeit 2009 mit Hilfe von leitfadengestützten Interviews mit Spielerinnen und Spielern von World of Warcraft generiert wurden. Die erhobenen Daten wurden mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring in Atlas.ti ausgewertet.

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von Männlichkeit(en) in Massive Multiplayer Online Roleplaying Games am Beispiel von World of Warcraft. Die theoretische Grundlage der Analyse bildet das doing genderKonzept von J. Lorber15, demnach Geschlecht nicht besessen, sondern in „alltäglichen Präsentations-, Interpretations- und Zuschreibungsprozessen hergestellt wird.“16 Geschlecht ist etwas, „was wir permanent tun“17, ohne darüber nachzudenken.18 Dieser Ansatz unterstreicht die Bedeutung von Handlungen für die Realisierung von Geschlechterordnungen. Wesentlich ist, dass Individuen nicht als Objekte verstanden werden, sondern als aktive Subjekte, die an der Reproduktion, Herstellung und Legitimation von Geschlechterverhältnissen beteiligt sind.

3. ANALYSE Die Analyse der Aushandlungsprozesse von Männlichkeit(en) in WoW findet auf zwei verschiedenen Ebenen statt: Zum einen auf der Ebene der Spielkonzeption und zum anderen auf der Ebene der Praxen. Während im Hinblick auf die Spielkonzeption den Spielcharakteren besondere Aufmerksamkeit zuteil wird, rücken auf der Ebene der Praxen die Spielerinnen und Spieler und deren Handlungen in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. 3.1 Spielkonzeption Ein Spielcharakter setzt sich aus verschiedenen Komponenten 19 zusammen. Zunächst hat die Spielerin oder der Spieler die Möglichkeit, sich für eine Fraktion zu entscheiden. Die Welt ist in zwei sich gegne-

15 Vgl. Lorber, Judith (1999): Gender-Paradoxien (= Geschlecht und Gesellschaft, Band 15), Opladen: Leske + Budrich. 16 Althoff, Martina/Bereswill, Mechthild/Riegraf, Birgit (2001): Feministische Methodologien und Methoden. Traditionen, Konzepte, Erörterungen (= Lehrbuchreihe zur sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung der Sektion Frauenforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Band 2), Opladen: Leske + Budrich, S.193. 17 M. Althoff/M. Bereswill/B. Riegraf 2001, S. 193. 18 Vgl. J. Lorber 1999, S. 55. 19 Fraktion, Volk, Klasse, Geschlecht und Name.

A RENA DER M ÄNNLICHKEIT

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risch gegenüberstehende Fraktionen geteilt, die ‚Allianz‘ und die ‚Horde‘, die sich in einem immerwährenden Kampf befinden. Je nach Fraktionswahl stehen verschiedene Völker zur Auswahl. Der Allianz20 sind vorwiegend menschenähnliche Völker zugeordnet, welche in hellen Wäldern und Steppen angesiedelt sind. Dem gegenüber stehen die Völker der Horde21 , welche in dunklen Wäldern und in der unfruchtbaren Prärie beheimatet sind. Jedes Volk besitzt spezielle Eigenschaften und ist wiederum in verschiedenen Klassen22 verfügbar. Die Wahl der Klasse bestimmt, welche Zauber und Fähigkeiten der Spielcharakter meistern kann und legt auch die Ausrüstungsart fest. Zur Vergeschlechtlichung der Spielfigur stehen den Spielerinnen und Spielern zwei Genderkonfigurationen zur Auswahl: männlich oder weiblich. Auch wenn die Welt von WoW dem Genre ‚high fantasy‘23 zugeordnet werden kann, offeriert sie keine Geschlechtskategorien außerhalb des kulturellen Systems der Zweigeschlechtlichkeit. Dem Spielkonzept liegt das omnipräsente Konstrukt der bipolaren Geschlechtlichkeit zu Grunde. Zweigeschlechtlichkeit wird im Anschluss an E. Goffman 24 , H. Garfinkel 25 und J. Lorber26 aus dem angloamerikanischen Raum und A. Wetterer27 aus dem deutschsprachigen Raum als „kulturell spezifische Form der Klassifikation“ 28 definiert. Als grundlegendes Struk-

20 Mensch, Nachtelf, Gnom, Zwerg und Draenei. 21 Orcs, Tauren, Untote, Trolle und Blutelfen. 22 Druide, Hexenmeister, Magier, Krieger, Paladin, Priester, Schamane, Schurke, Jäger und Todesritter. 23 High Fantasy bedeutet, dass die betreffende Welt mit magischen und übersinnlichen Kräften und Mächten ausgestattet ist. 24 Goffman, Erving (2001): Interaktion und Geschlecht, Frankfurt u.a.: Campus-Verlag. 25 Garfinkel, Harold (1967): Studies in Ethnomethodology, Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall. 26 J. Lorber 1999. 27 Wetterer, Angelika (2002): Arbeitsteilung und Geschlechterkonstruktion. „Gender at work“ in theoretischer und historischer Perspektive, Konstanz: UVK-Verl.-Ges. 28 Becker-Schmidt, Regina/Knapp, Gudrun-Axeli (2007): Feministische Theorien zur Einführung, Hamburg: Junius-Verlag, S. 67.

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turmoment aller29 sozialen Bereiche ist die bipolare Geschlechterordnung sowohl durch eine binäre Unterscheidung als auch durch eine Hierarchisierung der Geschlechter gekennzeichnet. WoW lässt sich somit nicht als neutraler Bewusstseinstrainer für Fragen der Geschlechtszugehörigkeit beschreiben, der dazu einlädt beliebig und sanktionsfrei verschiedene Geschlechtsidentitäten auszuprobieren. „Bei allem euphorischen gender-swapping, bei allem grenzüberschreitenden Selbstinszenierungspotential, […] bleibt es doch unübersehbar, wie sich die fundamentalen Dichotomien der Neuzeit, die seit eh und je das Verhältnis der Geschlechter geprägt haben, in neuen Virtualitäten fortsetzen.“30

Da der Welt von WoW das Konstrukt der Zweigeschlechtlichkeit zugrunde liegt, erscheint es mir unmöglich, Männlichkeit isoliert von Weiblichkeit zu betrachten. Erst im Verhältnis zueinander gewinnen Männlichkeit und Weiblichkeit an Bedeutung. Das Erkenntnisinteresse gilt daher der bipolaren Geschlechterordnung als spezifische Klassifikation im Kulturraum von WoW. Die Wahl des Geschlechts hat keine Auswirkungen auf die Fähigkeiten (Hierarchisierung) der Spielcharaktere, sondern auf ihr Aussehen (Unterscheidung). Brüste, Becken, Muskeln und Größe sind die körperlichen Hauptmerkmale, die Weiblichkeit und Männlichkeit unterscheidbar und erkennbar machen. Es lässt sich kein vorherrschendes Geschlechtermodell erkennen, sondern an Völker gebundene Modelle. So sind zum Beispiel weibliche Tauren größer als männliche Zwerge, aber innerhalb eines Volkes wird immer der männliche Charakter größer sein als der Weibliche. Dies bedeutet, dass die Spielerinnen und Spieler zwischen verschiedenen Geschlechtermodellen und Erscheinungsbildern wählen können, Männlichkeit und Weiblichkeit jedoch unterschieden bleiben.

29 Es gibt „keinen Ort außerhalb des zweigeschlechtlichen Koordinatensystems.“ Teubner, Ulrike/Wetterer, Angelika (1999): Gender-Paradoxien: Soziale Konstruktion transparent gemacht. Eine Einleitung, in: J. Lorber 1999, S. 16. 30 Mittag, Martina (2001): „Von Monaden und Nomaden. Weiblichkeit und Virtualität“, in: Margarete Hubrath, Geschlechter-Räume. Konstruktionen von „gender“ in Geschichte, Literatur und Alltag (=Literatur – Kultur – Geschlecht: Grosse Reihe, Band 15), Köln: Böhlau, S. 101.

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Interessant an der Auseinandersetzung mit den Spielfiguren ist, dass die Allianz seit den Anfängen von WoW die Mehrheit an Anhängern aufweist. Gegenwärtig sind etwa 52 Prozent aller Spielerinnen und Spieler Anhänger der Allianz und 48 Prozent Anhänger der Horde.31 Seit dem Jahre 2006 ist das Verhältnis von 2:1 auf 1,1:132 geschrumpft.33 N. Ducheneaut, N. Yee, E. Nickell und R. J. Moore34 sehen den Grund für den Überhang auf Seiten der Horde in den verinnerlichten moralischen Vorstellungen, weshalb sich mehr Menschen auf die als gut geltende Seite der Allianz stellen. Als Ergebnis dieser empirischen Untersuchung ging hervor, dass der Grund für den Überhang von Anhängern auf Seiten der Horde vorrangig in der Ästhetik der Spielfiguren liegt. Spielerinnen und Spieler wählen lieber Spielcharaktere der Allianz, „weil die von der Allianz schöner sind.“35 Neben der Vorliebe für Charaktere lässt sich auf Seiten der Allianz auch eine höhere Präsenz weiblicher Charaktere feststellen. Während auf Seiten der Allianz etwa 34,4 Prozent der Spielcharaktere weiblich sind, sind auf Seiten der Horde nur 24 Prozent aller Spielcharaktere weiblichen Geschlechts.36 Bei weiblichen Charakteren fällt die Wahl vorrangig auf die für ihre Schönheit bekannten Nachtelfen, die durch die „markante Brustpartie und Wespentaille wichtige Klischees vom Frauenkörper erfüllen und damit überzeugen“37: „Von den Tauren38 gibt es wenige und von den weiblichen Orcs gibt es wenige und du siehst [Hervorhebung d. Verfasserin] doch warum.“39

31 http://www.warcraftrealms.com/census.php?guildid=-1 vom 20.10.10. 32 Der Rückgang hängt mit der Erweiterung ‚Burning Crusade‘ (Januar 2007) zusammen, bei welcher der Horde das menschenähnliche Volk der Blutelfen hinzugefügt wurde. 33 Vgl. N. Ducheneaut et al 2006, S. 281-317. 34 Ebd. 35 Spielerin 2 (27.03.2009): Leitfadengestütztes Interview, geführt von der Verfasserin, Innsbruck. 36 Corneliussen, Hilde (2008): „World of Warcraft as a Playground for Feminism“, in: H. Corneliussen/J. W. Rettberg 2008, S. 75. 37 Ansichtssache: World of Women, http://diestandard.at vom 13.02.2008. 38 Das Erscheinungsbild von Tauren weist einige Ähnlichkeit mit Rindern auf. Hörner, Körperbehaarung und Hufe sind Beispiele dafür. 39 Spielerin 2, Interview 27.03.2009.

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Der Grund für die Vorliebe für gewisse weibliche Charaktere liegt in der Ästhetik, wenn sie im Einklang mit auf Schönheit bezogene Offline-Denkkategorien stehen, wenn sie „optisch angenehm fürs Auge sind.“40 Die Diskrepanz zwischen verinnerlichten gesellschaftlichen Vorstellungen von Weiblichkeit und Online-Angeboten zum Beispiel in Form eines Tauren führt vor allem bei männlichen Spielern zu dem schwer beschreibbaren Gefühl, dass weibliche Tauren einfach blöd ausschauen41 oder gar hässlich42 sind. H. Corneliussen spricht in dem Zusammenhang von einem „limit of feminity“43, einer Grenze der Weiblichkeit, die nicht überschritten werden kann. Erkennbar wird sie in der Nicht-Akzeptanz einer monströsen und hässlichen weiblichen Figur, die im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Weiblichkeitsvorstellungen steht.44 So sind 40,4 Prozent der Nachtelfen weiblich, währenddessen nur 11,1 Prozent der Tauren weiblichen Geschlechts sind.45 Interessant ist nun, dass das für weibliche Charaktere bevorzugte Volk der Nachtelfen gleichzeitig das für männliche Charaktere unbeliebteste darstellt. Während 88,9 Prozent der Tauren männlich sind, sind nur 59,6 Prozent der Nachtelfen männlich.46 Tauren erfüllen als „unaufhaltsame Kampfmaschinen“47 dank ihrer Größe und gewaltigen Stärke wichtige Attribute des konventionellen Konstrukts von Männlichkeit. Im Gegensatz dazu werden den männlichen Nacht- und Blutelfen auf Grund ihrer eng anliegenden Rüstung, den langen Haaren und ihrer Art zu tanzen weibliche Attribute zugeschrieben. „Guck dir doch nur mal die Körperhaltung von männlichen Elfen, speziell Blutelfen, an und erzähl mir dann, das ist nicht gay, ganz zu

40 Spielerin 3 (02.04.2009): Leitfadengestütztes Interview, geführt von der Verfasserin, Innsbruck. 41 Spieler 2 (19.02.2009): Leitfadengestütztes Interview, geführt von der Verfasserin, Innsbruck. 42 Spieler 1 (27.03.2009): Leitfadengestütztes Interview, geführt von der Verfasserin, Innsbruck. 43 H. Corneliussen 2008, S. 74. 44 Ebd. 45 Vgl. N. Ducheneaut et al. 2006, S. 298. 46 Ebd. 47 http://www.wow-europe.com/de/info/races/tauren.html vom 10.10.2010.

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schweigen von allen Frisuren etc.“48 In dieser Abneigung gegenüber männlichen Elfen zeigt sich eine Begrenzung von Männlichkeit. Nicht das monströse Aussehen von männlichen Figuren ist limitiert, sondern die der hegemonialen Männlichkeit widersprechenden Eigenschaften. Nachtelfen und Blutelfen werden aufgrund ihrer femininen Züge einer von der hegemonialen Männlichkeit abweichenden und abgewerteten Gruppe zugeordnet, dem Typus des „Homosexuellen“49. WoW zeigt sich im Hinblick auf die Vergeschlechtlichung von Spielfiguren als Ort der „hegemonialen Männlichkeit“50. „So ist die Welt durch eine ständige Ausbildung eines Typus von hegemonialer Männlichkeit gekennzeichnet, dessen konstitutives Element die Abgrenzung von homosexuellem Verhalten und von Weiblichkeit darstellt und der auf der Annahme der grundsätzlichen Verschiedenheit der Geschlechtscharaktere beruht.“51

Auch je nach Klasse lässt sich eine nach Geschlecht verschiedene Aufteilung der Spielcharaktere feststellen. Während weibliche Avatare vorwiegend den Klassen wie Priester oder Magier angehören, werden bei männlichen Avataren Klassen wie Krieger oder Paladin bevorzugt. Mehr als 80 Prozent der Paladine und Krieger sind männlich, während dagegen nur 40 Prozent der Priester männliche Avatare ausmachen.52 Daraus ergibt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Klasse und Geschlecht. Nach N. Ducheneaut, N. Yee, E. Nickell und R. J. Moore 53 zeigen sich Klassen als Projektionsflächen stereotypischer Assoziationen in Bezug auf Eigenschaften und Fähigkeiten eines Ge-

48 In verschiedenen WoW-Foren finden sich Diskussionen über die zu femininen Züge der Elfen. http://forums.woweurope.com/thread.html?topicId= 9416321728&sid=3&pageNo=8 vom 05.02.2010. 49 Vgl. D. Thorne 2009, S. 4. 50 Connell, Raewyn (2000): Der gemachte Mann: Konstruktion und Krise von Männlichkeiten (= Geschlecht und Gesellschaft; 8), Opladen: Leske + Budrich. 51 Berlis, Angela (2006): Hegemoniale Männlichkeit auf dem historischen Prüfstand, in: querelles-net 19, http://www.querelles-net.de/index.php/qn/ article/view/442/450; zuletzt abgerufen 28.03.2011. 52 Vgl. N. Ducheneaut et al. 2006, S. 296. 53 Ebd.

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schlechts. Dementsprechend handelt es sich bei den beliebtesten Klassen für weibliche Avatare um Klassen, die heiltechnische Fähigkeiten versprechen und/oder Kleidung tragen, während die kampforientierten Klassen den männlichen Avataren vorbehalten bleiben. „Vielleicht entscheiden manche das auch nach Klasse, dass man sagt, Priester ist vielleicht eher etwas Weibliches. Keine Ahnung wieso, aber das könnte doch sein. Und ein Krieger, der muss männlich sein, weil Krieger müssen stark sein und draufhauen können.“54

Hier wird deutlich, dass reale Stereotype in den virtuellen Welten wirken.55 So zeigt sich die Geschlechterverteilung nicht als ein ausgewogenes Verhältnis der Bevölkerung virtueller Welten, sondern als eine tradierte und an Geschlechterstereotype gebundene Verteilung, die durch die Vorherrschaft von Offline-Denkkategorien strukturiert ist.56 M. Companion und R. Sambrook 57 haben den Zusammenhang zwischen realem Geschlecht der Spielerinnen und Spieler und ihrer Klassenwahl betrachtet. Aus der Untersuchung geht hervor, dass Spielerinnen eher defensive, gewaltlose Klassen wählen und Spieler vorwiegend physisch starke Klassen bevorzugen. „Frauen spielen eher Heiler. Eher defensiv, unterstützend, sind nett, freundlich und zuvorkommend. Frauen sind grundsätzlich nicht so aggressiv und gehen eher in die Unterstützerrolle, hauptsächlich Heiler.“58

Da Frauen im Kampf vorwiegend eine unterstützende Rolle einnehmen, vergleicht H. Corneliussen weibliche Spieler mit Krankenschwestern im Krieg. „Healers can be associated with female nurses in war: present in the combat zone to bandage the warrior and get them

54 Spielerin 1 (11.04.2009): Leitfadengestütztes Interview, geführt von der Verfasserin, Innsbruck. 55 Vgl. N. Ducheneaut et al. 2006, S. 296. 56 Vgl. N. Ducheneaut et al. 2006, S. 296-298. 57 Companion, Michèle/Sambrook, Roger (2008): „The Influence of Sex on Character Attribute Preferences“, in: CyberPsychology & Behavior 11.6, S. 673-674. 58 Spieler 1, Interview 27.03.2009.

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back on their feet as quickly as possible.“59 Oder in den Worten einer Befragten: „Ich habe mich darauf spezialisiert den anderen den Hintern zu retten. Wenn sie von den Monster gehauen werden, heile ich die, damit sie nicht tot umfallen und wenn sie tot umfallen, dann hebe ich sie wieder auf.“60

3.2. Praxen Der Auseinandersetzung auf der Ebene der Konzeption der Spielwelt folgt eine theoriegeleitete Interpretation der Genderpraktiken. Mittels Leitfadeninterviews wurden Spielerfahrungen von weiblichen und männlichen Spielerinnen und Spielern eruiert. Die Interviewpersonen sind zwischen 22 und 27 Jahren alt und spielen seit drei Jahren regelmäßig WoW. Bemerkenswert ist die Argumentation der Interviewpartner, das reale Geschlecht der Spielerinnen und Spieler sei anhand von Praxen zu erkennen, welche sie die Spielfiguren ausführen lassen. An und für sich findet virtuelle soziale Interaktion in einem anonymen Kommunikationsrahmen 61 statt, der durch die Absenz der Variablen Geschlecht, Herkunft und Alter gekennzeichnet ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich Interaktion in WoW in einem neutralen Raum abspielt. Vielmehr bildet WoW eine männliche Arena. Von den männlichen Interviewpartnern wird WoW grundsätzlich als männlicher Raum beschrieben: „Ich gehe davon aus, dass alle anderen, die spielen, auch männlich sind. Ich habe nicht gedacht, das könnte jetzt vielleicht eine Frau sein. Auch nicht Männer, sondern Leute, eher schon aber männlich als wie weiblich. Eine Person mit männlichem Artikel.“62

Da davon ausgegangen wird, dass das Gegenüber in der Spielwelt grundsätzlich männlich ist, ist die Frage nach dem realen Geschlecht

59 H. Corneliussen 2008, S. 79. 60 Spielerin 1, Interview 11.04.2009. 61 Vgl. Jazwinski, H. Christine (2001): „Gender Identities on the World Wide Web“, in: Christopher R. Wolfe (Hg.), Learning and teaching on the World Wide Web, California, London: Academic Press, S. 179. 62 Spieler 1, Interview 27.03.2009.

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erst von Bedeutung, wenn der Eindruck entsteht, dass das Gegenüber vielleicht doch nicht männlich sei. So natürlich die Zuordnung passiert, so verwirrend und unnatürlich wirkt es, wenn eine Zuordnung nicht möglich ist. „Dann ist uns unbehaglich, bis es uns gelingt, die andere Person einem Gender-Status zuzuordnen.“63 Aus der Analyse der Interviews geht hervor, dass sich das Erkennen des Gegenübers als Mann oder Frau anhand von drei Schritten vollzieht: Vermutung, Erkennen und direkte Frage. Im ersten Schritt wird vermutet und darüber nachgedacht, wessen Geschlechts das Gegenüber sei. Dieser Schritt bezieht sich auf die Ebene des Gefühls, „wenn man mit jemanden spricht oder wenn man mit jemanden schreibt.“64 Anschließend wird nach Indizien und Gendersignalen gesucht, um das Gegenüber als Mann oder Frau zu erkennen. Das Erkennen vollzieht sich anhand von Zeichen, unterschiedlichen Praxen, Spielweisen und Spielmotivationen und anhand der Umsetzung von Sprache. So wird zum Beispiel das Sammeln von Haustieren als vorwiegend weiblich konnotiertes Tätigkeitsfeld erkennbar. Während die männlichen Interviewpartner ihr Unverständnis für das ziellose Sammeln netter Tiere zum Ausdruck bringen, erzählen weibliche Interviewpersonen von ihrer Vorliebe für Tiere: „Ich sammle sehr gerne Haustiere, die man in WoW haben kann und die haben überhaupt keinen Sinn, keinen Zweck, die sehen nur hübsch aus und ich habe das Gefühl, dass das mehr Frauen toll finden, dass man so ein Tierchen hat, was neben einem herläuft und einfach nur nett aussieht.“65

Eine Spielfigur mit verschiedenen Haustieren ist somit ein Zeichen dafür, dass das Gegenüber weiblich ist, denn „Männer laufen nicht zwingend alle mit einem Kuschelbär herum.“66 Mittlerweile hat sich dies dahingehend verändert, dass das Sammeln von Haustieren mit der Vergabe von Erfolgspunkten belohnt wird. Nun haben auch männliche Spieler das Sammeln von Tieren für sich entdeckt. Des Weiteren wei-

63 J. Lorber 1999, S. 56. 64 Spielerin 3, Interview 02.04.2009. 65 Spielerin 1, Interview 11.04.2009. 66 Spieler 1, Interview 27.03.2009.

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sen weibliche Spieler darauf hin, dass männliche Spieler gerne ihre Haustiere zeigen wie „das ist mein Haus, meine Yacht, mein Auto und so weiter.“ Während männliche Spieler zielstrebig und erfolgsorientiert versuchen den Spielcharakter weiterzuentwickeln, seine Fähigkeiten und Eigenschaften zu verbessern und bessere Gegenstände zu finden, stellt die individuelle Gestaltung des Spielcharakters für weibliche Spieler eine große Spielmotivation dar. „Ich hatte zweimal die Wahl zwischen einem optimalen Gegenstand, der nicht hübsch war und einem etwas Schlechteren, der dafür besser aussah und habe mich meistens für das bessere Aussehen entschieden.“67

Als dritter Schritt folgt die direkte Frage nach dem Geschlecht der Spielerin oder des Spielers zur Bestätigung der Vermutung. Interessant ist nun, dass das Bekanntwerden des Geschlechts Konsequenzen für Spielerinnen in der männlichen Arena von WoW mit sich bringt. Die Reaktionen, die den als weiblich erkannten Spielern entgegengebracht werden, variieren von Überraschung oder Akzeptanz bis hin zu sexuellen Anspielungen. „Uhh, die Schwester, jünger oder älter?“68 Die veränderten Reaktionen in Form von „Anmachen“ 69 sind Ausdruck für eine veränderte Wahrnehmung der Spielerin nach der Darlegung ihres realen Geschlechts. Die Reaktionen wie auch die Wahrnehmung zeichnen sich durch das Einsetzen von Geschlechterdenken aus: „Eine Frau kann das, ein Mann kann das.“70 Dies zeigt sich zum Beispiel in der Bevorzugung von weiblichen Spielerinnen durch männliche. „Frauen kriegen, so bald man weiß, dass es Frauen sind, im Spiel meistens Sachen geschenkt, Gegenstände, Gold, das typische Balzverhalten der Männer.“71 Dies wird von den WoW-Nutzern im Englischen als ‚Boobs-Bonus‘ bezeichnet. Die in

67 Spielerin 2, Interview 27.03.2009. 68 Spielerin 3, Interview 02.04.2009. 69 Spielerin 1, Interview 11.04.2009. 70 Spieler 2, Interview 27.03.2009. 71 Spieler 3 (20.03.2009): Leitfadengestütztes Interview, geführt von der Verfasserin, Innsbruck.

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der männlichen Arena als weiblich enttarnten Spielerinnen werden von gleichwertigen Kämpferinnen zu sexualisierten Objekten degradiert. Hier wird die binäre Unterscheidung von Männlichkeit und Weiblichkeit von einer Hierarchisierung beider Geschlechtskategorien begleitet, wobei Weiblichkeit der Kategorie Männlichkeit untergeordnet wird.

4. F AZIT In der Auseinandersetzung mit den Aushandlungsprozessen von Männlichkeit(en) in WoW hat sich herauskristallisiert, dass es sich nicht um einen geschlechtsfreien Spielraum handelt, in welchem Geschlecht an Bedeutung verliert oder gar keine Rolle mehr spielt. Es zeigt sich, dass WoW als vergeschlechtlichte Welt konzipiert ist, die einen Handlungsund Lebensraum von vergeschlechtlichten Subjekten darstellt. Die virtuelle Spielwelt wird nicht dafür genutzt, verschiedene Geschlechtsidentitäten simultan auszuprobieren. Deshalb fokussiert dieser Beitrag die verschiedenen gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen, die WoW als Strukturmomente durchziehen und sich als Narrationen aktiver Begrenzung von Männlichkeit(en) manifestieren. In der Analyse hat sich die Annahme bestätigt, dass Geschlecht immer von Bedeutung ist72 und zwar in Form der „restriktiven Zweigeschlechtlichkeit: Dass die Gesellschaft darauf vertraut, dass es Mann oder Frau gibt und dass es so etwas wie eine unausgesprochene Verpflichtung gibt, sich und das Gegenüber einer Geschlechtskategorie zuzuordnen.“ 73 Die Präsenz einer der Spielwelt zugrundeliegenden Geschlechterdichotomie verortet Spielerinnen und Spieler und Spielcharaktere im Spannungsfeld von männlich oder weiblich. Sowohl auf der Ebene der Konzeption von WoW als vergeschlechtlichte Welt, als auch auf der Ebene der Spielerfahrungen zeigen sich an Geschlecht gebundene Erwartungshaltungen, Geschlechtszuschreibungen und Stereotype, die die Spielarten von Männlichkeit und Weiblichkeit aktiv begrenzen. Männlichkeit und Weiblichkeit werden nicht nur unterschieden, sondern als Unterschiedene in ein hierarchisches Verhältnis gesetzt.

72 Treibel, Annette (1993): Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart, Opladen: Leske und Budrich, S. 139. 73 A. Treibel 1993, S. 139.

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Dies vollzieht sich in WoW im Besonderen an dem Punkt, an welchem das Gegenüber als weiblich erkannt wird. Auf der Ebene der Wahrnehmung des Gegenübers als Frau sowie auf der Ebene der Reaktionen, die dem weiblichen Gegenüber entgegengebracht werden, lässt sich das Einsetzen von Geschlechterdenken beobachten. Diese Beschreibung reicht jedoch nicht aus, um die Geschlechterordnung in WoW zu erfassen. Es bedarf der Erweiterung der bipolaren Geschlechterordnung durch den Aspekt der hegemonialen Männlichkeit. Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit nach R. Connell74 akzentuiert zum einen die Dominanz der Männer und die Unterordnung der Frauen. Zum anderen weist es darauf hin, dass unterschiedliche Männlichkeitsmuster die Dominanz der Männer und die Unterordnung der Frauen auf ungleiche Weise ausdrücken. Damit akzentuiert Connell die Differenzierungen und die Konkurrenz von Männlichkeiten untereinander. In WoW lassen sich verschiedene Spielarten von Männlichkeiten nicht ausschließen. Doch auf der Ebene der Spielfiguren, bei der Wahl der Klassen als auch bei der Ausübung von Handlungen wird ein Typus von Männlichkeit als Norm, auf die Männer verpflichtet werden, augenscheinlich. 75 Als konstitutive Elemente dieses Typus lassen sich die Abgrenzung von homosexuellem Verhalten und die Unterordnung von Weiblichkeit erkennen. WoW dient daher nicht als „Identitäts-Workshop“76, in dem Männlichkeiten ausprobiert und durchgespielt werden. Vielmehr ist WoW eine männliche Arena, in welcher eine Norm von Männlichkeit und die hierarchische Struktur der binären Unterscheidung und Hierarchisierung der Geschlechter wirksam ist. Männlichkeit wird nicht entgrenzt, sondern am, im und mit dem Körper der Spielcharaktere sowie des Spielers oder der Spielerin auf eine normative Art und Weise hergestellt und reproduziert. Von einer virtuellen „Welt beyond gender kann kaum die Rede sein.“77

74 Vgl. R. Conell 2000. 75 Meuser Michael (2010): „Junge Männer. Aneignung und Reproduktion von Männlichkeit“, in: Ruth Becker/Beate Kortendiek (Hg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie, Wiesbaden: VS/GWV, S. 428-435. 76 M. Mittag 2001, S. 110. 77 Ebd.

Tackling the ‘Crisis of Masculinity’ An Analysis of Chuck Palahniuk’s Fiction A DRIAN R AINBOW Maybe we have to break everything to make something better out of ourselves. THE NARRATOR, FIGHT CLUB1 What do you do when your entire identity is destroyed in an instant? How do you cope when your whole life story turns out to be wrong? SHEILA, SNUFF2

I NTRODUCTION Chuck Palahniuk’s literature is designed to provoke. His fiction is deemed “transgressive” and aims to challenge and transcend the traditional, naturalized, and clichéd definitions of the self. It is claimed to be a new genre of fiction, the fiction of self-destruction, in which Palahniuk “rearranges Freudian sublimation, projection, and discontent with civilization”3. His eminent character Tyler Durden from his most popular novel Fight Club is “a postmodern existentialist who wants to

1

Palahniuk, Chuck (2003): Fight Club, London: Vintage, p. 52.

2

Palahniuk, Chuck (2008): Snuff, London: Vintage, p. 25.

3

Kavadlo, Jesse (2005): “The Fiction of Self-destruction: Chuck Palahniuk, Closet Moralist”, in: Stirrings Still: The International Journal of Existential Literature 2.2 (Fall/Winter), pp. 3-24, p. 5.

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deconstruct the metanarratives of modernity until he can reach some deeper level of existence,”4 and the same can be argued of Palahniuk. When Durden proclaims in Fight Club that “maybe self-destruction is the answer”, it is comprehensible from an existential perspective that this destruction is actually a creation and that something new will arise from the old. Echoing his narrator, Palahniuk said that his work offers “people the idea that they [can] create their own lives outside the existing blueprint for happiness offered by society.”5 Palahniuk’s literary texts, then, are about existential self-destruction with a purpose; a selfdestruction that leads to the liberation of the self. This paper examines the discourses surrounding the postmodern ‘crisis of masculinity’ and poses that through an analysis of Palahniuk’s fiction, and specifically his novel Snuff, his literature confronts this ‘crisis’, which is portrayed as an existential crisis, and a crisis that can be ‘solved’. I will investigate the notion that Palahniuk’s aesthetics expose and challenge traditional ideals of masculinity and femininity as simplistic and reductive, and that they attack any concept of a ‘naturalized knowledge’ of gender identity. I will explore Palahniuk’s exaggeration and destruction of gender binaries, and question to what extent his literature embodies a catalyst for the rethinking of gender roles, and a re-shifting of reality that is not confined to current stereotypes limiting possibilities for gender identification. Thus, through an analysis of Snuff, this paper examines Palahniuk’s attempt to construct another blueprint for gender roles and gender identity, a “gender reality”6 that is not restricted to preconceived or fixed notions of gender which are founded on the confusion and contradictions surrounding notions of gender identity. I question to what extent his aesthetics employ a shift of emphasis to “throw the story line open to question, the disarrangement which

4

Bennett, Robert (2005): “The Death of Sisyphus: Existentialist Literature and the Cultural Logic of Chuck Palahniuk’s Fight Club”, in: Stirrings Still: The International Journal of Existential Literature 2.2 (Fall/Winter), pp. 65-80, p. 75.

5

Chuck Palahniuk quoted in 20th Century Fox Home Entertainment DVD Special Edition Book (1999): Fight Club, 20th Century Fox Home Entertainment, p. 2.

6

See Butler, Judith (1990): Gender Trouble, London: Routledge.

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demand new judgements and solutions” 7 that will lead to a more valid understanding of gender dynamics.

P ALAHNIUK

AND

E XISTENTIAL C ONSCIOUSNESS Without a period of ruin and collapse, we can’t have anything better. CHUCK PALAHNIUK8

To understand Palahniuk’s stylistics, it is necessary to consider his approach to writing. When asked about the function of his literature and the message he wants readers to glean from his aesthetics, Palahniuk echoes the great existentialists, such as Soren Kierkegaard, JeanPaul Sartre and Albert Camus: “That we need to be more comfortable and more accepting of chaos, and things that we see as disastrous. Because it is only through those things we can be redeemed and change. We should welcome disaster, we should welcome things that we generally run away from. There is a redemption available in those things that is available nowhere else.”9

Novels such as Palahniuk’s notorious Fight Club have been labeled modern day Notes from the Underground, and characters such as Durden are seen as examples of contemporary nihilists. Similarly, novels like Survivor, Invisible Monsters, Choke, Lullaby, Diary, Haunted and Snuff are not concerned with depicting reality ‘normally’, and resonate with the work of Fyodor Dostoyevsky, Friedrich Nietzsche, and the existentialists. In his portrayals of marginalized individuals who use selfdestruction as their only outlet, Palahniuk is interested in their psychological consciousness and how they are affected by the pressures of society. For the purposes of this paper, I will focus mostly on the pressures on men in relation to the crisis of masculinity.

7

Munro, Alice (1978): Who Do You Think You Are? Toronto: Macmillan, p. 177.

8

Quoted in Stuart Jeffries “Bruise Control” http://www.guardian.co.uk/ books/2000/may/12/fiction.chuckpalahniuk from 14/13/2004.

9

Cf. http://www.dvdtalk.com/fightclub.html from 22/04/06.

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In terms of his fiction and creating a new reality, Palahniuk states that his characters have to be extreme and uncompromising. He explains that “in our day-to-day lives we have to get out of the paradigm of compromise in which most of us find ourselves. Whether it’s involving an awareness of death or whether it’s pushing ourselves to achieve new appreciation of our capabilities. We need to know we are capable of so much more than we ever dreamed of.”10

To achieve this appreciation, Palahniuk feels that individuals need to be awakened and shocked out of their ontological and existential understanding of the world. Thus, Palahniuk’s style is always alarming, disquieting, and shocking. His works have been called satirical horror stories, and are deemed cynical, ironic and full of black humor, which Palahniuk believes resonates with people “because it breaks rules. So many people are writing beautiful stories or sympathetic characters, and nobody notices.”11 Palahniuk’s prose gets noticed. For example, the most recent major publicity concerning Palahniuk surrounds the frequent fainting and vomiting of his audience as a result of the public readings of his short story Guts. Palahniuk’s language throughout the story discomforts at every opportunity, whether it is the description of his character’s painful masturbatory acts, or his intestines being sucked through a swimming pool pump, or his sister becoming pregnant as a result of her brother’s floating sperm in the pool. Palahniuk implements stylistics of taboo and violence with the intent to shock readers, to disturb their consciousness, to get their attention. However, he does this not just to sell books or get attention, but to expose the readers to realities outside the accepted boundaries of normalcy in order for them to be open to other alternatives. Jesse Kavadlo states that “[t]hrough Palahniuk’s dramatic irony, readers

10 Boswell, Marshall (1996): “Voices of Contemporary Thinkers. The Paradigm of Compromise: An Interview with Chuck Palahniuk”, in: Columbia Journal of Literature and Art 26 (Spring), http://www.chuckpalahniuk. net/features/grabbag/ from 14/02/2007. 11 Williams, Laura (2005): “Knock Out: The Writing of Chuck Palahniuk Has More Than Just Hipster Cred”, in: The Fresh Take 2.2 (September); http://www.annarborpaper.com/content/issue24/Palahniuk_24.html from 13/11/2006.

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have the opportunity to feel the redemptive powers of feminism, love, cooperation, harmony, and story telling, by inhabiting worlds where they are conspicuously, even absurdly, absent.”12 Guts might not be providing the reader with any of these alternative redemptive visions, but it arguably chips away at the binary oppositions that structure our sense of reality. Critics such as Kavadlo see Palahniuk as an artist who uses his fiction to confront society in “ways that are not hackneyed, didactic, or unconvincing.” He explains: “Imagine what it’s like to have your eyes rubbed raw with broken glass. This is what reading Chuck Palahniuk is like. You feel the shards in your eyes, yes, and then you’re being punched, hard, your nose broken. Like the world is broken [….] But, somehow, you keep reading. And after you wipe the pulp from your eyes, you realize something. That the world is not broken. Somehow, the world feels more together than before you started. This is what it feels like to read Chuck Palahniuk. Broken, but something disturbing and beautiful recreated in its place. And when you’re done, you realize that everything really is all right. When you’re done, you find yourself thinking about the books. And, maybe, if you’re lucky, sounding like them.”13

Kavadlo explains that Palahniuk purposefully substitutes black humor and violent prose “for excessive pathos and maudlin characterization”14 to create a certain effect within the consciousness of the reader. Therefore, the violence of Palahniuk’s prose is not to be taken at face value: it is metaphorical and ironic, and significant in the sense that it transforms the consciousness by awakening the individual to new perspectives and new moral imperatives.

12 J. Kavadlo 2005, p. 7. 13 Ibid. p. 3. 14 Ibid. p. 8.

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P ALAHNIUK

AND THE

C RISIS

OF

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One is not born, but rather becomes, a woman. SIMONE DE BEAUVOIR15 Strictly speaking, “women” cannot be said to exist. JULIA KRISTEVA16

If we apply this methodology to Palahniuk in terms of gender relations, it is clear that his novels shed much light on femininity and masculinity, especially the latter. Palahniuk’s literary oeuvre ubiquitously poses the question “Who are we as men?”, and is repeatedly discussed in terms of its observations of masculinity. His work echoes Catherine Stimpson’s claim that “Man is complicated”17, and focuses on the complexities behind the conception that Man monopolizes power, that he is the hierarchical hegemon in gender relations. He highlights the inconsistencies that arise from this reductive position; for Palahniuk, not all men are enjoying their apparent advantageous hegemonic position. However, he also moves beyond the cliché arguing that it is now “a bad time to be a man”18. Ultimately, his literature is imbued with notions concerning the state of masculinity to the point where it seems he is deliberating John Beynon’s claim that the crisis of masculinity is “a male obligation”19.

15 Beauvoir, Simone de (1973): The Second Sex, London: Vintage, S. 301. 16 Quoted in Butler, Judith (1996): “Performative Acts and Gender Constitution”, in: Michael Huxley/Noel Witts (Eds.), The Twentieth Century Performance Reader, London: Routledge, pp. 120-134, p. 130. 17 Quoted in Segal, Lynne (2001): “The Belly of the Beast: Sex as Male Domination?”, in: Stephen Whitehead/Frank J. Barrett (Eds.), The Masculinities Reader, Oxford: Blackwell, pp. 100-111, p. 100. 18 MacInnes, John (2001): “The Crisis of Masculinity and the Politics of Identity”, in: S. Whitehead/F.J. Barrett (Eds.), The Masculinities Reader, Oxford: Blackwell, pp. 311-329, p. 313. 19 Beynon, John (2002): Masculinities and Culture, Buckingham: Open University Press, p. 95.

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Palahniuk explains that “very few books talk about the male experience, or explore what it is to be a guy. Fight Club is a quintessential exploration of being a guy living in the late twentieth century.”20 He explains: “I was told that 85% of all fiction sells to older middle-age women. 85%, my God! I just felt like I was really cutting my throat to write a book that wasn’t about an older middle-age woman to fall in love. Somehow I knew there wouldn’t be a market for it, but what else am I going to write. I think it’s more important to write something that brings men back to reading than it is to write for people who already read. There’s a reason men don’t read, and it’s because books don’t serve men. It’s time we produce books that serve men.”21

Palahniuk explicates that “men need violence. We are very much still animals.”22 Thus, his literature is permeated with ‘masculine’ themes: violence, fighting, pain, guns, bombs, destruction, pranks, mischief, rebellion. He explains: “In Fight Club I used the bomb recipes, because so much cute fiction was being written with food recipes in it, like Nora Ephrom’s Heartburn, Like Water For Chocolate. It got to be so you couldn’t pick up a novel anymore without feeling like you were reading a cookbook. So I thought, why not a novel with like, guy recipes. So that’s why I started doing that.”23

Indeed, most of his works can be categorized as adhering to a strong masculinist perspective. This position is most evident, however, in his novel Fight Club, which Palahniuk admits to be in many ways a reaction to the notions of the crisis of masculinity raised in Susan Faludi’s renowned Stiffed. Palahniuk claims to have read Faludi’s text in one weekend, and Fight Club has even been labeled a fictionalized version of Stiffed. In her text, Faludi asks:

20 See http://www.dvdtalk.com/fightclub.html from 22/04/06. 21 Ibid. 22 Ibid. 23 Ibid.

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“Why don’t contemporary men rise up in protest against their betrayal? If they have experienced so many of the same injuries as women, the same humiliations, why don’t they challenge the culture as women did? Why can’t men seem to act?”24

Palahniuk’s Fight Club has been his clearest reaction, as he depicts his schizophrenic protagonist as suffering due to the pressures of being a man in times of the feminization of culture. Palahniuk’s narrator, and his male characters in general, are depicted as emasculated, passive, weak, duped, depressed, alienated, and, worst of all, powerless. Thus, they seek a subsequent backlash in order to re-assert their declining masculinity. From a more critical perspective, it is interesting to read Fight Club, and other texts such as Snuff, in terms of how this masculinity, and especially the crisis of masculinity, has been constructed and is performed. If we were to supplant the word ‘man/men’ for ‘woman/women’ in the above quotations by Simone de Beauvoir and Julia Kristeva, Palahniuk’s literary motivations, in terms of the crisis of masculinity, become clearer. Palahniuk is essentially interested in the performativity of masculinity, and how the ideal of ‘Man’ has been constructed. Adrienne Rich wrote that “until we can understand the assumptions in which we are drenched we cannot know ourselves.”25 Palahniuk, in Fight Club, and as will be seen in my analysis of Snuff, is deeply concerned with these drenched assumptions and learned patterns for gendered behavior that the social environment has prescribed for men. Like Judith Butler, he is concerned with “gender troubles” and “undoing gender”, but from a masculine perspective. Palahniuk, too, is concerned with the either/or binaries, of deconstructing these dichotomies, and is yearning for a multiplicity, and, in relation to definitions of gender identities. From a Butlerian critical perspective, Palahniuk offers much in terms of Gender and Sexuality Studies. In her 1999 preface to Gender Trouble, Butler claims that her seminal feminist text

24 Faludi, Susan (1999): Stiffed: The Betrayal of the American Man, New York: Perennial, p. 603. 25 Rich, Adrienne (1979): “When We Dead Awaken: Writing as Re-Vision”, in: Adrienne Rich, On Lies, Secrets, and Silence: Selected Prose 19661978, New York: Norton, p. 35.

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“sought to uncover the ways in which the very thinking of what is possible in gendered life is foreclosed by certain habitual and violent presumptions. The text also sought to undermine any and all efforts to wield a discourse of truth to delegitimate minority gendered and sexual practices.”26

Although Palahniuk does not, for the most part, focus on minority gendered and sexual practices as Butler does, his work can be read in light of her theories in terms of how we should think about gender identities, or ‘think gender’, before we make conclusions about them. More specifically, we can see how his work relates to Butler’s questions: “[H]ow do normative gender presumptions work to delimit the very field of description that we have for the human? What is the means by which we come to see this delimiting power, and what are the means by which we transform it?”27 Palahniuk’s fiction attempts to answer these questions, at least in relation to the case of man. He does this by putting gender categories into question and, by so doing, putting the reality of gender into crisis. In Butlerian terms, then, the result is that “it becomes unclear how to distinguish the real from the unreal”; through this process, we come to realize that gender is “a changeable and revisable reality.”28 For Palahniuk, ‘man’ is no longer a stable notion; its meaning is “troubled and unfixed”, defined by “troubled significations”29. Acknowledging and confronting this is part of Palahniuk’s project to dismantle identity categories, especially the categories of masculinity, as well as drawing on Butler’s discourses on performativity; it is useful to consider Anthony Clare’s text On Men: Masculinity in Crisis before analyzing Palahniuk and his portrayal of masculinity. Clare states: “At the beginning of the twenty-first century it is difficult to avoid the conclusion that men are in serious trouble.”30 He reveals the plight of the contemporary male dealing with such issues as the emasculation of men, sexual humiliation of men by women and an uneasiness in the “growing assertiveness of women”31. Clare

26 J. Butler 2006, p. viii. 27 Ibid. p. xxiii. 28 Ibid. p. xxiv. 29 Ibid, p. xxiv. 30 Clare, Anthony (2000): On Men: Masculinity in Crisis, London: Random House, p. 3. 31 Ibid.

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also addresses failing and absent father figures as he moves beyond Freud’s fear of castration as represented in Female Sexuality, and explains that the new fear is that of being worthless, inadequate, unnecessary, alone, and unloved. 32 Clare explains that through fear comes denigration, misogyny, aggression and abuse, and an increase in man’s “need to be in control, to master and possess the other”33, and that “his ultimate control is sexual.”34 This need for control, and the relinquishing of control, is pertinent in terms of an analysis of Palahniuk’s Snuff. Clare explains that this control has epitomized a “defining mark” of male masculinity and that “the threat of being out of control challenges the very essence of what being a male is all about.”35 However, this is where Palahniuk, juxtaposed to Clare, becomes liberating for masculinity in crisis. Clare states that the concept of the assertive hegemonic man in control of woman is dying, “and now the question is whether a new man will emerge phoenix-like in his place or whether man himself will become largely redundant.”36 In keeping up with this zeitgeist of gender discourse, Palahniuk is reacting to this and attempting to depict the ‘new man’ who is exempt for the restrictive binary categories and, thus, liberated from its limiting identity restrictions. This will be seen through an analysis of Snuff.

32 A. Clare 2000, p. 195. 33 Ibid. p. 201. 34 Ibid. p. 202-3. 35 Ibid. p. 5. 36 Ibid. p. 9.

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S NUFF Are we up to it? Ask today’s men anxiously, peering at their shrivelled cocks and analysing their social skills; are we up to competing, succeeding, achieving, conquering, controlling, asserting, pontificating, as well as getting it up? ANTHONY CLARE37

In Snuff, Palahniuk is consistent with his mission to facilitate the existential discovery of an authentic self and the need to self-destruct in order to achieve this. Although Snuff seems on the surface to depict masculinity as a ‘retrosexual’ and ‘throwback masculinity’, Palahniuk both exaggerates and deconstructs any traditional image of manhood. Snuff is a novel which not only denigrates ‘man’, rather than ‘woman’, but that debunks the myths surrounding the performativity of masculine gender identity. Like Palahniuk’s other works, Snuff plays with taboo, is deeply ironic, transgressive, and dark. The novel represents exaggerated ‘performance’ both textually and contextually; the characters in the book grapple with performing their defined gender roles and the novel itself represents a performance of words that evokes action or, at least, a different conception of gender categories. Ultimately, this is a novel that addresses the crisis of masculinity and the fears and violence associated with it, but also, ironically, offers a liberation from gender binaries and patriarchal hegemony. Indeed, I will posit that Snuff leaves the reader shocked and disturbed, but ultimately more awakened to notions of gender performativity and gender role identification, thus leading to other possible performances. Furthermore, I will explore whether the novel can be seen as Palahniuk’s attempt to portray the “end of masculinity”38 and with it the end of patriarchy and the accepted gender order. The basic premise of the novel is that Cassie Wright, an aging, but famous porn-star wants to break the world record for the largest gangbang. The narrative is structured around Wright preparing for the

37 A. Clare 2000, p. 6. 38 J. MacInnes 2001, p. 312.

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ordeal, and then embarking on her ‘journey’ while the six hundred men involved in the record attempt wait in a basement for their name to be randomly called for their part of the performance. The narrative is structured around the first-person narrative of four other characters: Wright’s personal assistant Sheila, and three of the men waiting in the basement of the filming studio deliberating on their different reasons for wanting to fornicate with her (Mr. 600, Mr. 72 and Mr. 37). Through their respective narratives, we learn that Mr. 600, known under the pseudonym Branch Bacardi, is her equivalent in the porn industry, was once her lover, and, unbeknownst to him, the father of a child Wright bore, and then abandoned, twenty years earlier. For the gang-bang, Mr. 600 wants to pay homage to Cassie Wright, whom he respects and loves. Mr. 72 thinks he is Wright’s abandoned child, conceived during the shooting of a porn movie, and has come to the gang-bang to re-connect with the mother he never had. He is conflicted by his involvement in the gang-bang, firstly wanting to save who he thinks is his mother, and then eventually wanting to sexually abuse, and even kill her. Mr. 37 is a ‘has-been’ actor who lost credibility in the acting industry after it was discovered he took part in a homosexual gang-bang porn movie earlier in his career. He desires to participate in the event to re-establish his credibility as a straight actor in order to re-ignite his career. Sheila, the only character with a real name, wants to aid Wright in her project, believing it to be progressively feminist in nature. We learn at the end of the novel that she is actually the offspring of Wright and Mr. 600 and was the abandoned child. Although Palahniuk structures his narrative around four main characters, his main protagonist, Sheila, catapults us into feminist discourse. Facilitating the event, yet disdaining the participants, Sheila commandeers a strong feminist voice. Deliberating on Wright’s goal, she asks: “Why shouldn’t a woman use her body any way she wants? […] Why are we still fighting this same battle two thousand years later? […] Do you respect someone’s right to seek challenges and discover their true potential? How is a gang bang any different to risking your life to climb Mount Everest?”39

39 C. Palahniuk 2008, p. 24.

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Her view of the numbered men demonstrates her lack of respect for them: “These chicken chokers. Didn’t bother to read any feminist theory beyond that outdated Andrea Dworkin tripe. Nothing sex-positive. Nothing along the lines of Naomi Wolf. I come, therefore I am [...] No, whether a woman is a concubine to fuck or a damsel to redeem, she’s always just some passive object to fulfil a man’s purpose.”40

Sheila does not put all of the blame on the men for this situation, however, and attributes much to women: “Want to talk third-wave feminism, you could cite Ariel Levy and the idea that women have internalized male oppression. Going to a spring break at Fort Lauderdale, getting drunk, and flashing your breasts isn’t an act of personal empowerment. It’s you so fashioned and programmed by the construction of patriarchal society that you no longer know what’s best for yourself.”41

Ultimately, through his depiction of Sheila, Palahniuk accentuates a gender reading of the novel, which is then amplified by his portrayal of the male characters. It can be assumed that Palahniuk would be aware of the loaded connotations and emotive significations of pornography when he set out to write Snuff. Much criticism has been penned on the subject within the discourses of masculinities and femininities and that “pornography’s pre-condition […] is that of a hierarchized social-sexual order where masculine dominates feminine.”42 Feminist critics especially have theorized that it seems “to ratify, again and again, the ancient authority of men over women”43, glorifying the action of the man mounting and penetrating the submissive woman: “It marks sexual difference/hierarchy while threatening that very hierarchy through

40 C. Palahniuk 2008, p. 21. 41 Ibid. p. 24. 42 Rowland, Antony/Liggins, Emma/Uskalis, Eriks (Ed. 1988): Signs of Masculinity: Men in Literature 1700 to the Present, Amsterdam: Rodopi B.V, p. 172. 43 Ehrenreich, Barbara (1986): Re-Making Love: The Feminization of Sex, New York: Anchor Press, p. 203.

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excess, transgression and explicitness.” 44 However, it is clear that Palahniuk’s depiction of pornography, and the gang-bang world record, is different here and questions the supremacy of the ‘male gaze’ within pornography, as well as its social-sexual hierarchy. Thus, although on the surface it would seem as though Palahniuk is reverting to the old mores and traditions of masculinity and manhood, as well as subjugated femininity, by framing his narrative around pornography, it can be argued that he is advancing a position that criticizes, and weakens the masculine dominance within it. Palahniuk would know that sex/sexuality “is at the heart of male dominance” and “at the heart of all other power relations in society”45. However, although controversial, this is exactly what Palahniuk is achieving in his satirical depiction of this event. This is not a simple story about a gang-bang, and Palahniuk adeptly traverses feminist discourse in his characterization of Sheila, as well in his depiction of the event. Indeed, to understand how Palahniuk addresses the crisis of masculinity, it is useful to note how Snuff can be read from a feminist perspective, as well as how he provides the ‘feminist’ voice in the novel. Alongside Sheila’s constant criticism of the male gender, we can also analyze Palahniuk’s decision to depict a fictional gang-bang. Cassie Wright’s plight to engage with multiple sexual acts in one sitting was based on a real event, and a real woman named Annabel Chong, who on the 19th of January 1995, at the age of twenty-two, became famous and set a world-record by engaging in two hundred fifty-one sex acts with about seventy men over a ten-hour period.46 Recordings of the event were made and called “The World’s Biggest Gang-Bang”. However, it is important to note that Chong’s act was not just an attempt to gain notoriety or financial gain but, rather, that she considered it an empowering political act that challenged assumptions of women’s sexuality. Chong was a University of Southern California Gender Studies student when she performed her sex act, and presented her work in pornography as an attempt to challenge the naturalized beliefs about female sexuality and pornography. Her motivation for the gang-bang was conceived as a tribute to Valeria Messalina (17/20 – 48 AD), wife

44 A. Rowland/E. Liggins/E. Uskalis 1988, p. 172. 45 L. Segal 2001, p. 102. 46 Sex: The Annabel Chong Story (2000) (USA, R: Gough Lewis)

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of the emperor Claudius, who was considered one of the most powerful women in the Roman Empire, but who also possessed an insatiable appetite for sex, and sought to indulge in rampant sexual activity to appease her nymphomania. Messalina was not discreet in her lust or embarrassed by it; she is thought to have worked in a brothel under a pseudonym and even challenged a prostitute to a competition to see who could sleep with the most partners in a twenty-four hour period. Messalina is said to have won after bedding twenty-five men, which, along with her whole philosophy of sexuality, has led to her suffering a poor reputation historically. Chong, with her work on pornography, questioned to what extent this was a result of gender bias, and sought to question the double standards that deny women the ability to exhibit the same sexuality as men by modeling Messalina, an aggressively sexual female. Sheila, however, explains the irony of Chong’s mission: “The top-selling porn video of all time: a feminist history lesson lost on countless willy-wankers.”47 An important consideration in the Chong situation is that sixty-six percent of the male participants could not achieve or maintain an erection. Drawing on the novel, it is clear that the waiting in the filming studio quickly brings about the theme of competition and masculine competitive individualism that “revolves around who has the most, the best, the biggest, the fastest.” 48 Whilst waiting, the “saggy, flabby, middle-aged train wrecks” 49 embody the stereotypical insecurities surrounding the crisis of masculinity. They deliberate on liposuction, calf and pectoral implants, and thinning hair, as they cover up bald spots, fill in wrinkle cracks, smear bronzer on their bodies, shave their remaining bodily hair, do push-ups, as they stand there sizing each other up, hands in their shorts trying to maintain an erection before their number is called. Indeed, Palahniuk’s depiction of the men embodies the criticism on the crisis of masculinity by critics such as Clare and Faludi. Of more interest, however, is how Palahniuk takes the reader further. Keeping consistent with his stylistics of shock and existential discovery, Palahniuk utilizes hyperbole and taboo to much effect here, specifically, through his portrayal of Mr. 72. Through his dialogue, we learn that Mr.

47 C. Palahniuk 2008, p. 96. 48 S. Faludi 1999, p. 187. 49 C. Palahniuk 2008, p. 56.

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72 has always been sexually infatuated with Wright due to exposure to her pornographic videos. He explains how he bought “a Cassie Wright pocket vagina” that he would carry to school in his pocket and fondle with his fingers until he “knew every fold and wrinkle by heart: ‘Ask me the state capitals of Wyoming or Phoenix, and I’d shrug. But ask me anything about the pussy flaps of Cassie Wright, and I could draw you a map.’”50 Mr. 72 also bought a blow-up doll of Wright, which he was implementing one evening when his adopted mother walked in, caught him in the act, and screamed that the doll was a replica of his actual birth mother. Thus, Mr. 72 believed the story and arrived at the gang-bang to make a connection with his mother. However, what initially is depicted as an innocent attempt to formulate a link or bond with his maternal mother, and to “give her a new life”51 by telling her he is her son and here to save her, turns into a perverse obsession. Whilst waiting for his turn, and discussing his feelings with Mr. 600 and Mr. 137, Mr. 72 becomes confused and unaware of what he is going to do when his number is called. Mr. 600, after being intimated that he is the father and Wright the mother, advises and encourages “Cassie’s kid” to sleep with her. Within Mr. 600’s narrative we witness the boy’s indecision, and the father’s warped sense of moral order and paternal responsibility. Mr. 72 asks: “‘What do I do?’ Fuck her, I tell him. Kid says ‘No,’ shaking his head. He says, ‘Not my mom.’ [...] Kid dude, number 72, says to me, ‘I’ll tell her how much I love her...’ Go ahead, I tell him. Fuck up Mommy’s comeback. Be a needy little boy and ruin all Mommy’s hard work and planning, all her training she’s put into this world record. I tell the kid, Do it. Kid 72 says, ‘You think I should fuck her?’ I say it’s his decision. Kid says, ‘I can’t fuck her.’ Kid says, ‘I can’t get it hard.’ [...] Kid 72 whispers, ‘What’ll I do?’ I tell him, Fuck her. And the teddy-bear dude [Mr. 137] says, ‘Obey your father.’”52

50 C. Palahniuk 2008, p. 82. 51 Ibid. p. 165. 52 Ibid. pp. 99-102.

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Here we have quintessential Palahniuk. It is not so much an inversion of the Oedipus complex, but certainly a confusion, or bastardization, of Freud’s paradigm: the son wants to make love to who he thinks is his mother, but the father’s anger is not aroused and he feels no jealousy, no need to banish; the son does not want to kill his father, rather he eventually wants to kill his mother, as she has taken on the position of power and all its representations of aggression and abuse that he needs to overcome. Just as Oedipus is banished by his father, Mr. 72 believes he is banished by his mother at birth. Snuff destructs the whole paradigm of the Oedipus complex, which so much of Freudian sexuality depends on. Palahniuk plays out this taboo further when Mr. 72’s number is called and, kneeling by her bed, he attempts to tell Cassie Wright that he is her son. His attempts are thwarted by Wright’s attempt to shove her nipple into his mouth, replicating the mother-baby act of nourishment. Twisting his head from “the taste of salt on her breast skin, the flavor of other men’s spit”, Mr. 72 exclaims he is her son. Wright, however, explains that he is wrong, that the baby she gave up for adoption was a girl, and then pulling up the bed sheet orders him to “be a good boy, and start fucking me”53, to which Mr. 72 acquiesces with fervor. Of particular interest here, however, is how Mr. 72 transforms with his discovery. He engages with the sexual activity in a fury so that Wright orders him to be pulled off of her just before he ejaculates “ribbon after ribbon of white ooze across her butt”, and then on his way out of the studio he gives the next participant, Mr. 600, a cyanide pill and states: “I say to kill her. Kill the Wright bitch. To murder her […] I say to fuck her to death.”54 This hyperbolic illustration adeptly encapsulates the backlash of the treatment of women so analyzed in the discourses of masculinities. It also demonstrates how Mr. 72’s pre-conceived identity is destroyed in an instant, and how he copes with it with violent misogynistic aggression. What is important in these depictions, however, is how Palahniuk suggests men deal with issues of troubled masculine gender identities, and specifically, how they resort to this violence. The sexual violence depicted in Snuff is extreme, perverse, and exaggerated, as is the eventual exaggeration of the traditional gender dichotomies, here repre-

53 C. Palahniuk 2008, p. 167. 54 Ibid. p. 168.

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sented by Cassie Wright and Mr. 600. Palahniuk exaggerates the gender dichotomies here, in this setting of pornography and tabooed sexual deviancy, to highlight the dichotomy, and to reveal the limitations of naturalized gender ‘realities’. His characters become caricatures, pastiche forms of the ‘manly man’ who fulfils his function in the pornographic gang-bang. By doing this, he elaborates that male sexual dominance is a social construct, and plays with the notions of conquest/submission, activity/passivity, masculinity/femininity. Palahniuk is not presenting the reader with a new image of manhood with his parody here, rather he is demonstrating the restrictions of the ‘new macho’, and the complexities embodied in sexual identity construction. Critic Finton Walsh states: “We might say that the defining feature of masculinity became its dysfunction.” 55 In Snuff, Palahniuk accentuates this dysfunction, and in doing so, creates the space for men, and women for that matter, to re-define themselves in another blueprint for identity construction that is not restricted to the traditional dichotomies of gender identification, and to destroy the foundations of this existential understanding that causes so much crisis in masculine identity. On the surface, Snuff can be seen to endorse the old mores of masculinity, but Palahniuk here turns these mores upsidedown, subverting them with his hyperbolic methodology. He is not providing a blueprint for the ‘new macho’ or ‘new man’ in Snuff, rather he is ridiculing the whole discourse and foundation from which masculine identity derives definition. By doing so, and by rejecting and subverting the stereotypical visions of ‘man’, masculinity can be reduced to ‘ground zero’ and can start afresh with new constructions. Indeed, it is almost an imperative that man does so after reading Palahniuk. The same can be said for gender relations in relation to the finale of the novel. An undercurrent of death permeates the entire novel and is highlighted in the novel’s ultimate climax when Mr. 600 finally takes part in the gang-bang. Cassie Wright’s impending death is foreshadowed in Mr. 600’s opening narrative: “Didn’t one of us on purpose set out to make a snuff movie.” 56 However, at the end of the novel, the reader gleans that Mr. 600 does not want to kill Cassie

55 Walsh, Fintan (2010): Male Trouble: Masculinity and the Performance of Crisis, New York: Palgrave Macmillan, p. 4. 56 C. Palahniuk 2008, p. 4.

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Wright but, rather, that he wants to kill himself whilst participating in the gang-bang by swallowing the cyanide pill Mr. 72 gives him, and that Wright herself actually wants to commit suicide at the end of her sexual act. Mr. 600 wants to commit suicide due to the guilt he feels about the part he played in Cassie Wright’s pornographic career (he drugged her when she was a teenager and then raped her on camera while she was unconscious, which represented the catalyst for her entering the business), and because of his crisis of masculinity: his waning libido and future working potential as an aging porn star who is no longer needed in the industry. He takes the drug and experiences a cardiac arrest during their sexual encounter, which enrages Cassie Wright who thinks he has upstaged her final act. In terms of gender power relations, metaphorically here we still have masculinity/ patriarchy in power over femininity; Mr. 600 is in control. However, the paramedics arrive to apply a cardiac defibrillator, and just as they administer the high-voltage shock to Mr. 600 to bring his heart back to life, “Cassie Wright impales herself on his high-voltage, electric-chair, cattle-prod dick of death” 57 , melting them both “into a human X. Joined at the hips. Their flesh married in hate, burned together deeper than any wedding could leave them. Conjoined. Cauterized.” 58 The reader is first led to believe that both characters are dead, and that conceptually, these two hyperbolic symbols of masculinity and femininity are dead as well. Once again, ‘ground zero’ has been achieved. However, Palahniuk chooses against the total destruction of his porn stars, and potentially against the simple obliteration of the exaggerated categories of masculinity and femininity. After the shock we learn: “The stench of scorched pussy and balls comes from the kilowatt jolt that almost killed Ms. Wright – but brought Branch Bacardi back to life. The shock that fused their genitals together. Sealed together. […] Seared together by a few layers of cooked skin, or a muscle spasm, or their soft parts baked into a shared meatloaf. […] The smell of sweat and ozone and fried hamburger.”59

Here, in typically disturbing Palahniuk language, we have a literal unification of the genders, a fusion of the sexes. A positive outcome of

57 C. Palahniuk 2008, p. 194. 58 Ibid. p. 196. 59 Ibid. p. 196.

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this unification can be seen in terms of the effect it has on Sheila and Mr. 72. During the last few pages of the novel, Sheila discovers that she was actually the baby Cassie Wright gave up for adoption, and thus, that Mr. 600 is her father. During the final sexual encounter with Mr. 600, Cassie Wright wears a locket comprising a photo of her adopted baby (given to her by Mr. 72 who mistakenly believed it was a photo of him). During the ‘electrocution’, the locket became so hot it “burned into her chest” and “branded Ms. Wright with a tiny heart”60. Significantly for Sheila, whose narrative tells of the burned locket, “the locket sprung open, the gold turned black, the baby picture, inside, curled and charred in a puff of smoke. […] That picture of newborn baby me – a flash, a flame, and gone – burned to ash. […] It’s then I said it: Branch Bacardi and Cassie Wright are my father and mother. Are my parents. I’m their child.”61

Even though Sheila herself does not experience the self-destruction so evident in Palahniuk, it is through destruction that she discovers her identity. Both of the parental figures virtually self-destruct in the process allowing the renewed identity construction of their daughter, the future generation. The outcome of the novel leaves the reader with Palahniuk’s existential methodology: shock, destruction, self-discovery, potential unification. For Palahniuk, this is what needs to happen in order not only to eliminate the crisis of masculinity, and the traditional gender and sexuality tropes, but to begin anew with a different way of looking at gender and identity construction. This is accentuated by Mr. 72 explaining at the end of the novel that: “We’re afterward now” 62 ; newly awakened, newly discovered. Sheila’s disclosure: “For an instant, everything feels so important. Almost real.”63 Through the process of the gang-bang, they have both come to discover and accept their identities: Mr. 72 introduces himself to Sheila with his actual name, Darin Johnson, and Sheila confesses to her real name, Zelda Zonk. 64 The novel ends with Sheila’s words:

60 C. Palahniuk 2008, p. 195. 61 Ibid. pp. 195-196. 62 Ibid. p. 189. 63 Ibid. p. 197. 64 Marilyn Monroe’s pseudonym, and the name given to Sheila on her birth certificate.

T ACKLING THE ‘C RISIS OF M ASCULINITY ’

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“And I say it again. My secret name. Raising my hand just a tiny bit higher, so someone might finally look and see me.”65 Here is the crux of Palahniuk’s writing: self-recognition and self-discovery; this is the ruin and collapse that is classic Palahniuk; gender identity reduced to its lowest signification, to its breaking point, to rise up again. Snuff can, thus, be seen to offer much in the form of commentary on identity, especially in terms of gender identity. By employing hyperbole, Palahniuk addresses, identifies, and confronts the confusions and complexities surrounding the crisis of masculinity, and the crisis of self-identification. Ultimately, his reduction, and destruction, in Snuff can be seen to give his characters, and perhaps the reader, a new way of thinking masculinity specifically, and gender relations generally.

C ONCLUSION By definition, the essence of masculinity can never be grasped or defined. JOHN MACINNES66

Chuck Palahniuk deals with what can be construed as “the man question”, just as critics such as Mary Wollstonecraft, Julia Kristeva, Judith Butler, and Virginia Woolf addressed “the woman question” many years before him. His literary texts constantly question how individuals break through new spheres to achieve a better understanding of the new man. To do so, Palahniuk needs to eschew traditional constructions of masculinity, as well as the current depictions of men in crisis. In many ways Palahniuk is a harbinger of a new gender order, working to transform the existing gender stereotypes which can limit self-identity. His refusal to depict a ‘natural’ or ‘essentialist’ notion of the male and constant questioning of the category ‘Man’ suggests that he is setting the stage for further possibilities of gender identity. Segal states: “We may come to understand sexual difference in terms of a shifting reality – a multiplicity of meanings rather than simple opposi-

65 C. Palahniuk 2008, p. 197. 66 J. MacInnes 2001, p. 311.

122 | A DRIAN R AINBOW

tion […].”67 Palahniuk examines this multiplicity, even if his approach is transgressive and dark, in order to emphasize “the importance of challenging the existence of any fixed essence of ‘man’”68. Palahniuk does not want the essence of masculinity to be “grasped or defined” and celebrates the destruction of the stereotypes constructing it. Snuff can be an attempt to fulfill this endeavor, to de-naturalize masculinity. Palahniuk is not trying to protect masculinity from change by depicting pornography and sexually obsessed and dysfunctional men but, rather, to destroy these categories of ‘men’ and ‘masculinity’ altogether. Clare claims: “It is true that patriarchy has not been overthrown, but its justification is in disarray.”69 Satirical novels such as Snuff add to this disarray and create a new existential awareness for gender constructions which, ultimately, can provide new ways of transcending the gender dichotomies which define masculinity, and render many men in crisis. As the initial quotation from Fight Club suggests, Palahniuk, through his exaggerated prose, breaks everything in order to set the stage to make something better. In Snuff, we see that Palahniuk steps outside the preconceived blueprints for ‘gender realities’, and mires his prose in the contradictions surrounding them. His destruction of identity shifts the emphasis away from our naturalized ideas of gender, “throw[ing] the story line open to question”70. This, I have argued, sets the stage for “new judgments and solutions”71 that can liberate men, especially, and women from their present understanding of gender identity which, for many, is highly destructive. In the introduction, I argued that Tyler Durden and Chuck Palahniuk want to “deconstruct the metanarratives of modernity” until they can reach “some deeper level of existence” 72 ; although the latter uses extreme examples to examine the metanarratives of gender relations in Snuff, it is clear that he is still concerned with reaching deeper levels of existence and existential understanding.

67 L. Segal 2001, p. 100. 68 Ibid. 69 A. Clare 2000, pp. 3-4. 70 A. Munro 1978, p. 177 71 Ibid. 72 R. Bennett 2005, p. 75.

Bodily Matters

Entgrenzungen

Aufschneiden, Einschneiden, Spalten, Löchern Männliche Praktiken der Überwindung von Differenz aus psychoanalytischer Perspektive1 M ONIKA G SELL Die Art, wie das menschliche Subjekt sich zu seinem biologischen Geschlecht stellt, ist der ungewisse Ausgang eines konflikthaften Vorgangs. J. LAPLANCHE, J.-B. PONTALIS: WÖRTERBUCH DER PSYCHOANALYSE

D IE B EDEUTUNG DES ANATOMISCHEN G ESCHLECHTS FÜR DIE P SYCHE – EINE PROGRAMMATISCHE V ORBEMERKUNG Die breite Anerkennung von Judith Butlers Konzept der sozialen Konstruktion von sex hat es schwierig, wenn nicht gar unmöglich gemacht, innerhalb der Geschlechterforschung überhaupt noch vom anatomischen Geschlecht zu reden. „Ja glaubst Du denn tatsächlich, dass es das gibt, ein ‚männliches‘ und ein ‚weibliches‘ Geschlecht?“ lautet einer der regelmäßig wiederkehrenden Einwürfe, sobald ich zu

1

Für konstruktive Diskussionen, vielfältige Anregungen und Präzisierungen bedanke ich mich sehr herzlich bei Ralf Binswanger, Kathrin Zehnder und Markus Zürcher.

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erklären beginne, weshalb es psychisch von Bedeutung ist, ob man in einem biologisch männlichen oder weiblichen Körper steckt. Übersehen wird bei solchen auf dem Paradigma der sozialen Konstruktion von sex beruhenden, reflexartig vorgebrachten Einwänden gegen die Bezugnahme auf eine biologische Dimension von Geschlecht, dass der Geltungsbereich dieses Paradigmas sich per definitionem auf gesellschaftliche Zusammenhänge beschränkt. Insofern der Mensch ein gesellschaftliches Wesen ist, trägt er dazu bei, Geschlecht sozial zu konstruieren, wie er auch umgekehrt von den Struktur gewordenen Geschlechterverhältnissen geprägt und beeinflusst wird. Gleichzeitig gibt es aber eine Dimension des Menschlichen, die in diesem gesellschaftlichen Aspekt nicht aufgeht. Es ist dies die psychische Dimension, welche weder linear auf das Somatische (wie das heute die naturwissenschaftlich orientierte Psychologie tut) noch auf Gesellschaft (wie das die sozialwissenschaftliche Psychologie und der Sozialkonstruktivismus tun) zurückgeführt werden kann. Die Dimension des Psychischen muss vielmehr als eine eigene Dimension verstanden werden, die nach eigenen Gesetzen funktioniert.2 Der Eigengesetzlichkeit der Psyche ist es denn auch zuzuschreiben, dass die psychische Verarbeitung von sex nicht den gesellschaftlichen Gesetzen folgt und sich deshalb auch nicht glatt in die Zwei-Geschlechter-Ordnung einfügt. Die Frage, welche Andrea Maihofer als die grundlegende Frage der aktuellen Geschlechterforschung formuliert, – „Warum überhaupt Geschlecht?“ 3 – diese Frage wird nicht auf der Ebene der sozialen

2

Binswanger, Ralf (2003): „Lob der materialistischen Dialektik. Otto Fenichel: Über die Psychoanalyse als Keim einer zukünftigen dialektischmaterialistischen Psychologie“, in: Werkblatt. Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik 50, bereinigte Fassung: http://www.werkblatt.at/ archiv/50binswanger.htm

3

Maihofer, Andrea (2006): „Von der Frauen- zur Geschlechterforschung“, in: Brigitte Aulenbacher et.al. (Hg.), FrauenMännerGeschlechterforschung. State of the Art, Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 64-77, S. 73. – Das Zitat lautet im Kontext: „Lag vorher der Fokus vor allem auf ,Frauen‘, ,Männern‘ oder deren ‚Verhältnis‘, geht es jetzt – gleichsam einen Schritt davor – um eine grundlegende Infragestellung von Geschlecht: Warum überhaupt Geschlecht? Wie wird es immer wieder gesellschaftlichkulturell hergestellt? Und was bedeutet es, dass sich viele Gesellschaften zentral über Geschlecht – und das heißt derzeit, über das System der hete-

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Konstruktion von Geschlecht allein zu beantworten sein. Die fundamentale und oft unhinterfragte Bedeutung, welche die Menschen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene dem Geschlecht zukommen lassen und die dazu führt, dass Geschlecht in nahezu jeder Kultur auf vielfältigste Art und Weise geregelt, symbolisiert und kodifiziert wird – diese Bedeutung lässt sich nicht vollständig verstehen, wenn wir die eigengesetzliche Dynamik des Psychischen außer acht lassen. In welchem Verhältnis die psychische Konstruktion von sex und gender zur gesellschaftlichen Konstruktion von sex und gender steht, wie genau diese je unterschiedlichen Kräfte und Strukturen zusammenspielen und sich gegenseitig stärken oder unterlaufen, ist meines Wissens theoretisch bisher noch nirgends befriedigend konzipiert worden. Trotz dieses Mangels auf der Ebene der Theorie ist es möglich und notwendig, die Dimensionen der sozialen und der psychischen Konstruktion von sex und gender mit ihren je unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten zu unterscheiden. Parallel zur stärkeren Berücksichtigung von psychischen Konstruktionen von sex wird es auch notwendig sein, eine neue Konzeption bzw. einen neuen Umgang mit dem Körper zu finden. Denn das als gesellschaftswissenschaftliche Analysekategorie überaus produktive Konzept der sozialen Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit ist auf der Ebene der Untersuchung von psychischen Faktoren nur sehr bedingt brauchbar, geht es hier doch wesentlich um den Bezug, den ein Individuum zu seinem je eigenen Geschlecht herstellt, sowie um die Frage, welche psychischen Faktoren dafür verantwortlich sind, dass dieses Individuum sein Geschlecht so oder anders erlebt und symbolisiert. Denn unabhängig davon, wie ein Individuum sein Geschlecht konkret symbolisiert und welche Konzeptionen die Gesellschaft dafür zur Verfügung stellt, spielt es psychisch durchaus eine Rolle, was genau dieses Individuum an seinem Körper effektiv vorfindet: Ob es auf eine spezifisch männliche Morphologie, bestehend aus Penis und Hoden trifft, oder auf eine spezifisch weibliche Morphologie bestehend aus Klitoris, Schamlippen und Vagina, oder auf irgendeine Variante, die zwischen diesen beiden Polen liegt (z.B. Mikropenis oder

rosexuellen Zweigeschlechtlichkeit – organisieren? Welche Folgen hat das für die gesellschaftliche Organisation, die Sprache, die Architektur, die Wissenschaft, das Denken, die Körper und nicht zuletzt für die Individuen? Genau genommen müsste eigentlich von Geschlechts- und Geschlechterforschung gesprochen werden.“

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vergrößerte Klitoris mit oder ohne Vagina, etc.). 4 Es muss möglich sein, sich im Kontext bestimmter Fragestellungen auf diesen individuell gegebenen Körper zu beziehen, ohne sogleich des Biologismus verdächtigt zu werden.5 Auch wenn die psychische und die biologische Konstruktion von Geschlecht auf den ersten Blick irrelevant zu sein scheinen für das politische Projekt, das mit den Gender Studies immer auch verbunden ist, so sollte man diese Dimensionen mit ihrer Eigengesetzlichkeit doch nicht einfach ausblenden oder gar negieren. Dies zu tun unterminiert nicht nur die Glaubwürdigkeit der Gender Studies als Wissenschaft, sondern birgt auch die Gefahr einer ideologischen Erstarrung.6 Schnittstellen Es gibt einen Gegenstandsbereich, der sich besonders gut dazu zu eignen scheint, die bei der Konstruktion von Geschlecht jeweils beteiligten gesellschaftlichen und psychischen Kräfte zu untersuchen und

4

Gemäss eigener klinischer Erfahrung spielen bei der psychischen Konstruktion von sex die inneren Geschlechtsorgane eine kleinere Rolle als die äußeren Genitalien; so äußern Kinder beiderlei Geschlechts zwar z.B. die Phantasie, einem Elternteil ,ein Kind zu machen‘ oder ‚ein Kind zu schenken‘. Dabei handelt es sich aber nicht um die Symbolisierung der eigenen potentiell vorhandenen oder nicht vorhandenen Reproduktionsfähigkeit, sondern um die Symbolisierung von primär sexuellen Phantasien und Wünschen.

5

Es gibt die Tendenz, die Begriffe ‚Biologie‘ und ‚Biologismus‘ gleichbedeutend zu verwenden, so dass jeder Bezug auf die Biologie als biologistisch zurückgewiesen wird. Biologismus bedeutet demgegenüber aber etwas sehr viel Eingeschränkteres, nämlich dass auf der Basis von biologisch beschreibbaren Gegebenheiten Annahmen über eine unterschiedliche Wesensart von Männern und Frauen abgeleitet werden oder dass auf der Basis von solchen Annahmen allgemeingültige Normen und Verhaltensanweisungen geltend gemacht werden.

6

Ein Symptom dieser drohenden Erstarrung ist m.E. die Debatte, inwiefern Menschen, welche sich für eine chirurgische Geschlechtsumwandlung entscheiden, das System des Zwei-Geschlechtermodells bestätigen. Eine solche Fragestellung ist nur möglich, wenn man die soziale und politische Dimension von Geschlecht totalisiert und folglich den Entscheid für oder gegen eine Geschlechtsumwandlung als ein politisches Statement missversteht.

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dabei die körperliche Dimension von Geschlecht nicht aus den Augen zu verlieren: Es sind dies die vielfältigen und unterschiedlichsten Formen von freiwilligen, individuell gewünschten oder fremdbestimmten chirurgischen Eingriffen in den menschlichen Genitalbereich wie z.B. männliche und weibliche Beschneidung; operative Geschlechtszuweisungen bei intersexuellen Menschen; chirurgische Geschlechtsanpassungen im Kontext von Transsexualität, welche von den Betroffenen selbst nicht immer gewünscht, sondern in einzelnen Fällen vom Gesetz im Sinne einer Voraussetzung für den Vollzug einer Personenstandsänderung vorgeschrieben werden; sowie kosmetisch begründete Eingriffe in den weiblichen Genitalbereich (insbesondere Labienreduktionen, aber auch Scheidenverengungen und Hymenrekonstruktionen sowie Klitorisverschiebungen). Eine Frage, die sich angesichts dieser Vielfalt an kulturellen und individuellen Eingriffen in den menschlichen Genitalbereich geradezu aufdrängt, ist diejenige nach der Vergleichbarkeit: Handelt es sich um je komplett verschiedene und demzufolge nicht vergleichbare Formen der genitalen Zurichtung oder gibt es einen gemeinsamen Nenner, der diesen Eingriffen zugrunde liegt und dafür sorgt, dass mit immer neuen rationalen und irrationalen Begründungen und mehr oder weniger bewussten Motivationen Geschlecht hergestellt wird? Wie kommt es zum Beispiel, dass sich John Moneys Optimal Gender Policy in der ganzen westlichen Welt so widerstandslos durchgesetzt hat und noch heute selbstverständlich praktiziert wird, obwohl seine Hypothese der sozialen Herstellbarkeit von Geschlechtsidentität inzwischen längst widerlegt ist? Oder: Wie ist es möglich, dass eine große Anzahl von Gynäkologinnen und Gynäkologen mit ihren Patientinnen darin übereinstimmen, dass deren Labien abnormal groß sind und kassenfinanziert wegoperiert werden sollen – ohne auch nur im entferntesten auf die Idee zu kommen, dass die Aversion der Patientin gegenüber ihrem eigenen Genitale Symptom einer keineswegs somatischen Störung sein könnte? Nicht zu Unrecht verweisen Fachleute unterschiedlichster Provenienz auf den heiklen Umstand, dass wir in der westlichen Welt die weibliche Beschneidung als Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit und als Zeichen kultureller Barbarei verurteilen, hingegen das Geschäft mit der Genitalchirurgie in unserer eigenen Kultur umstandslos akzeptieren, obwohl die Folgen der Eingriffe zum Teil dieselben sind (schmerzende Narben, chronische Infektionen, irreversibler Sensibilitätsverlust).

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Reconstructing Sex An der Universität Zürich wird derzeit ein Projekt mit dem Arbeitstitel Reconstructing Sex entwickelt, dessen Ziel es ist, unter Beteiligung von verschiedenen Disziplinen solche vergleichenden Fragen weiter zu entwickeln und unter sorgfältiger Herausarbeitung der bei diesen verschiedenen Eingriffen beteiligten psychischen, gesellschaftlichen und biologischen Kräfte zu beantworten versuchen. Der Titel Reconstructing Sex ist dabei durchaus doppelsinnig zu verstehen: Er bezieht sich einerseits wörtlich auf den Gegenstand der Untersuchung, die willentliche Gestaltung oder Zurichtung des Körpers oder eines Körperteils bis hin zu nachträglichen, chirurgischen Bearbeitungen des anatomischen Geschlechts. Andererseits bezieht sich der Arbeitstitel auch programmatisch auf die Notwendigkeit, sex im Sinne des körperlichen, anatomischen Geschlechts neu zu konzipieren. Dabei wird insbesondere den bisher zu kurz gekommenen psychischen Faktoren der Konstruktion von Geschlecht mehr Gewicht beizumessen sein, aber auch den bei diesen Konstruktionsprozessen wirksamen biologischen Faktoren. Dezidiertes Ziel dieses Projektes ist es denn auch, den in der Folge der feministischen Wissenschaftskritik und der einseitigen Fokussierung auf die soziale Konstruktion von sex und gender vernachlässigten Dialog der Gender Studies mit den Naturwissenschaften wieder aufzunehmen und stärker als bisher darauf zu fokussieren, was die Naturwissenschaften zur Klärung und zum Verständnis von Geschlecht beitragen können.7 Male Body Modifications – Formen der psychischen Konstruktion von sex Das Projekt Reconstructing Sex bildet auch den Rahmen und Kontext des hier vorliegenden Beitrages. Im Fokus meiner eigenen psychoana-

7

Ein wichtiger Anknüpfungspunkt für dieses Projekt ist das Werk von Elizabeth Wilson, die seit über zehn Jahren beharrlich auf die Bedeutung des Körpers und der Biologie für die Formulierung feministischer Anliegen hinweist und wichtige konzeptuelle Vorarbeit geleistet hat für das Verständnis der wechselseitigen Beeinflussung von biologischer, psychischer und sozialer Konstruktion von sex und gender, vgl. zuletzt: Wilson, Elizabeth A. (2010): „Underbelly“, in: differences: A Journal of Feminist Cultural Studies 21, S. 194-208.

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lytisch fundierten Auseinandersetzung mit chirurgischen Eingriffen stehen die kosmetischen Modifikationen im weiblichen Genitalbereich. Die am 7. Mai 2010 in Zürich durchgeführte Tagung „Aktuelle Perspektiven auf Männlichkeiten“ bot die Gelegenheit, den Fokus auf Modifikationen am männlichen Genitale zu erweitern. Ziel dieses Beitrages ist es, ausgehend von einigen hochspezifischen Phänomenen, die in der Forschung dem Bereich der Male Body Modification zugeordnet werden, exemplarisch zu zeigen, inwiefern das anatomische Geschlecht für die Psyche von Bedeutung ist, wie dieses anatomische Geschlecht psychisch konstruiert wird und an welchem Punkt dieser psychisch-individuellen Konstruktion von Geschlecht sich ein Umschlag ins Gesellschaftliche abzeichnet. Ich konzentriere mich in diesem Beitrag ausschließlich auf Fragen der psychischen Konstruktion von sex. Nicht thematisiert wird hier demnach die psychische Konstruktion von gender, die es selbstverständlich auch gibt und die ihrerseits in einem engen Wechselverhältnis mit der psychischen Konstruktion von sex einerseits sowie mit den sozialen Konstruktionen von sex und gender andererseits steht.

W IE M ÄNNER

IHRE

G ENITALIEN

VERÄNDERN

1960 hat sich der amerikanische Künstler Forrest Bess im Alter von fünfzig Jahren eigenhändig eine Öffnung in den Körper geschnitten: genau zwischen Penis und Skrotum. Damit diese Öffnung nicht wieder verheilt, hat er eine Art Scheidenphantom eingeführt, wie es bei der Konstruktion einer Neovagina heute üblich ist.8 Er tat dies, weil er der

8

Forrest Bess, 1911 in Texas als Kind eines Wanderarbeiters geboren, beginnt früh zu zeichnen, interessiert sich während seinem ArchitekturStudium vor allem für Literatur, Hinduismus, Griechische Mythologie sowie Darwin und Freud. 1934 beginnt er seinen eigenen Stil zu entwickeln, den er „visionary paintings“ nennt. 1949 erhält er die erste bedeutende Ausstellung in der Betty-Parsons-Gallery, New York. Ab 1958 dokumentiert Bess seine durch religiöse und anatomische Studien weiterentwickelten Ideen zur Wiederherstellung der ursprünglichen Androgynie des Menschen in Notizbüchern. 1968 verliert ein Reporter diese Notizbücher, die Bess ihm zwecks Veröffentlichung übergeben hatte. 1960 beginnt er mit seinen selbstchirurgischen Experimenten. 1977 stirbt Bess. Ich beziehe

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Überzeugung war, dass es ihm mithilfe dieser Körperöffnung gelingen würde, einen weiblichen Orgasmus zu erleben. Er hoffte auch, durch diesen Eingriff und die dadurch eröffneten neuen sexuellen Möglichkeiten den unerträglichen Spannungszustand lindern zu können, unter dem er auf Grund der empfundenen Diskrepanz von anatomischem und psychischem Geschlecht litt. Er selbst beschrieb sich als gespalten zwischen einer männlichen und einer weiblichen Persönlichkeit. In Auseinandersetzung mit Mythen und Religionen hat Forrest Bess die Theorie entwickelt, dass es dem Menschen möglich sein müsste, Leiden und Tod zu überwinden, wenn es ihm gelänge, die ursprüngliche, körperliche Zweigeschlechtlichkeit wieder herzustellen. Als Vorbild für seinen selbstchirurgischen Eingriff dienten ihm Berichte über entsprechende Rituale bei den australischen Aborigines. Auf dieselbe Kultur beruft sich auch eine andere Form der heute praktizierten Genitalchirurgie, die sogenannte Bisektion. 9 Bei der Bisektion wird der Penis der Länge nach aufgeschnitten. Manchmal wird zusätzlich das Skrotum aufgeschlitzt, was nicht nur Penetration durch einen Partner erlaubt, sondern auch Selbstpenetration ermöglichen soll. Die Spaltung des Penis erlaubt nach wie vor Erektionen, wobei sich die beiden Hälften gegeneinander krümmen und so die Form einer Mandorla bilden, das Symbol für die weibliche Geschlechtsöffnung. Diese

mich hier und im Folgenden auf die Forrest-Bess-Webpage http://www. forrestbess.org/index.html. Hier finden sich ein biographischer Abriss, einige Artikel zu Bess und seiner Kunst, Abbildungen seiner Werke, Bess’ Symbollexikon sowie Hinweise zu seiner Theorie des ursprünglich androgynen Menschen. Mit Ausnahme des folgenden Artikels habe ich keine weitere Forschungsliteratur zu Bess gefunden: Money, John/Priest, Michael de (1976): „Three Cases of Genital Self-surgery and their Relationship to Transexualism“, in: The Journal of Sex Research Vol. 12, No. 4, S. 283-294. Bess selbst hat 1962 den damals bereits bekannten Sexualpsychologen Money kontaktiert, weil er sich von ihm Hilfe bei der Durchführung seiner Eingriffe erhoffte. Er schickte Money auch Fotos, die er von seinen selbstchirurgischen Eingriffen angefertigt hatte. Diese Fotografien sowie eine von Bess angefertigte anatomische Zeichnung finden sich bei J. Money/M. de Priest 1976, S. 285 abgedruckt. 9

Grundlegend zur Bisektion und anderen Formen chirurgischer (Selbst)Modifikationen am männlichen Genitale vgl. Kasten, Erich (2008): „Genitale BodyModification bei Männern“, in: psychosozial 112, S. 56-64.

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Formbildung ist noch deutlicher bei der Variante der Bisektion, bei der die Glans intakt bleibt und nur der Penis-Schaft gespalten wird. Weitere Varianten der Bisektion sind die Subinzision, bei der nur die Unterseite des Penis aufgeschlitzt und dabei die Harnröhre freigelegt wird, sowie die Meatotomie, das Einschneiden der Glans. Die Idee, eine dem weiblichen Geschlecht nachempfundene Öffnung zu schaffen, wie sie bei Bess explizit nachgewiesen werden kann und bei den hier beschriebenen Formen der Bisektion nahe liegt, ist bereits bei den als Vorbild erwähnten australischen Stammeskulturen verbürgt. So heißt es in einem Bericht des Anthropologen Hermann Klaatsch (1920), dass bei den Männern des Stammes Niol-Niol, welche die Praxis der Subinzision pflegten, die solchermaßen operierten Männer sich von genital nicht veränderten jungen Männern in die durch das Aufschlitzen der Urethra entstandene Öffnung am Penis penetrieren ließen und „durch Reiben der Geschlechtsorgane einen Samenerguss beider“ erzielten. Diese solchermaßen operierten Männer habe man „‚meko-maro‘ (=Vulva-Besitzer)“ genannt.10

H ARMLOS –

ODER DOCH PERVERS ?

Was sind das für Leute, die sich hier und heute so etwas antun? Handelt es sich um Menschen mit schweren psychischen Pathologien wie Persönlichkeitsstörungen und Perversionen? Oder können solche Praktiken als extreme Formen einer erotischen Subkultur durchgehen – als logische Fortsetzung von weniger drastischen Formen der Body Modification wie Piercing und Tattooing? Für die meisten von uns sind solche Praktiken unvorstellbar, unverständlich und schockierend. Ich erinnere mich, wie ich selbst mich nach der Lektüre von Kastens einschlägigem Artikel zum Thema geärgert habe über dessen – wie mir schien – forciert lockeren Schlusssatz „letztlich muss wohl jeder Mann selbst entscheiden, wie sein Dödel [...] da unten auszusehen hat“11. Mir schien das ein allzu unbekümmerter und auch ein allzu simplifizierender Umgang zu sein mit einer Praxis, die – zumindest unter klinischem Gesichtspunkt – als eine massive Form von Selbstverletzung und damit als eindeutig pathologisches Verhalten zu klassifizieren wäre. Die Tendenz zur Entpa-

10 E. Kasten 2008, S. 62. 11 E. Kasten 2008, S. 64.

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thologisierung von solchen massiven chirurgischen Eingriffen im Zeichen der gesellschaftlich akzeptierten und als Teil von Lifestyle empfundenen Body Modification beobachte ich schon seit längerem im Kontext der Schönheitschirurgie. So hat ein von mir ansonsten überaus geschätzter Psychiater und Sexualtherapeut auf meine Frage nach seiner Einschätzung von Labienkürzungen geantwortet: „Jede Person hat das Recht, ihren Körper zu verschönern – weshalb also sollte das nicht auch für den Genitalbereich gelten? Man sollte diese Eingriffe nicht vorschnell pathologisieren.“ Vor dem Hintergrund einer psychiatrischen Nomenklatur, die immer wieder in Gefahr war, ihren Krankheitsbegriff in den Dienst von gesellschaftlichen Normierungen zu stellen und auf moralischen Kriterien zu begründen (wie im Falle der Homosexualität)12, ist eine solche liberale, entpathologisierende Haltung verständlich und nachvollziehbar. Ich ertappe mich dabei, dass ich mir selbst im Vergleich zu einer so großzügigen Haltung plötzlich kleinlich, konservativ und moralisierend vorkomme. Ich beginne, mich vor mir selbst zu rechtfertigen und verbuche dabei zwei Argumente zu meinen Gunsten: Zum einen geht es bei der sogenannten Female Genital Cosmetic Surgery eindeutig nicht um eine Körperpraxis, die im Widerspruch zur herrschenden soziokulturellen Normierung von Schönheit steht. Die Entpathologisierung solcher kosmetischer Eingriffe in den Genitalbereich passt vielmehr glatt in diese Norm hinein. Body Modifications sind in, sie gelten als cool und vor allem entsprechen sie einer Konsumhaltung: Man kann alles kaufen. Wenn mir meine Genitalien nicht passen, kann ich sie ändern lassen, ohne einen großen Aufwand an psychischer Arbeit zu leisten. Dazu passt zweitens, dass die Entpathologisierung der kosmetisch begründeten Eingriffe in den Körper einer Pathologisierung des Körpers selbst Hand zu bieten oder mit einer solchen einherzugehen scheint. Dies möchte ich an einem Beispiel illustrieren: Auf telefonische Nachfrage bei der Chefgynäkologin einer Zürcher Klinik habe ich die Auskunft erhalten, dass die Krankenkassen Labienkürzungen übernehmen, sobald die inneren Schamlippen größer sind als die äußeren. Auf meine etwas perplexe Frage, ob es denn nicht normal sei, dass die inne-

12 Zur Geschichte der moralischen Begründung des Perversionsbegriffes s. Pfäfflin, Friedemann (2010): „Diverse Perversionskonstrukte“, in: Jahrbuch der Psychoanalyse Band 60, Schwerpunktthema Perversionen – Zur Theorie und Behandlungstechnik, Stuttgart-Bad Cannstatt, fromannholzboog, S. 81-100, insbes. S. 81-84.

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ren Labien größer seien als die äußeren, wurde mir in einem entschiedenen Ton erwidert: „Nein, das ist nicht normal.“ Das heißt: Im Dienste einer Rechtfertigung kosmetisch begründeter, chirurgischer Eingriffe wird die diesen Eingriffen bzw. der damit verbundenen und dieser zugrundeliegende verzerrte Körperwahrnehmung (die sogenannte Body Dysmorphic Disorder) entpathologisiert und gleichzeitig wird der Körper selbst pathologisiert: die zu reduzierenden Schamlippen werden als krankhafte Abweichung deklariert. Bei diesen Überlegungen zur (Ent-)Pathologisierung von Eingriffen in den Genitalbereich geht es mir allerdings noch um einen grundsätzlicheren Punkt: Ob etwas als pathologisch bezeichnet wird oder nicht, scheint letztlich immer auf der Ebene von Moral, Gesellschaftspolitik und Ideologie verhandelt zu werden. ‚Pathologisch‘ heißt dann: Wir wollen diese Praxis nicht, das ist krank und sollte verboten werden. ‚Entpathologisieren‘ heißt entsprechend: Diese Praxis ist (politisch) wünschenswert und sollte erlaubt werden. Bevor man in dieser gesellschaftspolitisch geführten Debatte vernünftigerweise überhaupt eine Position beziehen und einschätzen kann, ob eine liberale, entspannte Haltung gegenüber chirurgischen Modifikationen an den Geschlechtsteilen progressiven, systemerweiternden oder repressiven, systemverengenden Charakter hat, muss man sich erst Klarheit darüber verschaffen, wie diese Praxen als psychische Manifestationen zu verstehen und einzuordnen sind. Gerade weil der klinische Krankheitsbegriff nie unabhängig von kulturellen Normen und Werten entsteht, braucht es eine begründete, kategorielle Unterscheidung zwischen einem klinischen und einem moralischen Krankheitsbegriff. Oder noch einmal anders gesagt: Als Psychoanalytikerin interessiert mich nicht in erster Linie, ob genitale Body Modifications erlaubt oder verboten werden sollen, sondern ich will vor allem verstehen, weshalb jemand einen solchen nicht unerheblichen Eingriff in seinen Genitalbereich wünscht und durchführen lässt oder gleich selbst durchführt.

S EXUELLE O RIENTIERUNG

VS . P ERVERSION EINE PSYCHOANALYTISCHE D IFFERENZIERUNG Welche Instrumente stehen mir als Psychoanalytikerin also zur Verfügung, um über die spontane und emotionale (Abwehr-)Reaktion des „das ist doch pervers“ hinaus zu einer fachlich fundierten Einschät-

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zung dieser Praxen zu gelangen und sie vielleicht sogar verstehen zu können? Für den hier skizzierten Zusammenhang scheint mir die funktionale Differenzierung von sexueller Orientierung und Perversion hilfreich zu sein, die der Zürcher Psychiater und Psychoanalytiker Ralf Binswanger jüngst vorgelegt hat.13 Binswanger geht von der Feststellung aus, dass jedes sexuelle Verhalten, Erleben und Phantasieren eine ganze Reihe verschiedener Funktionen hat: „Jedes sexuelle Erleben und Verhalten kann als dialektische Einheit von Triebbefriedigung auf der einen Seite und einer Vielzahl von anderen Funktionen, Motivationen und Konfliktlösungsmustern auf der anderen Seite aufgefasst werden. Von einer Perversion wäre dann zu sprechen, wenn nicht die Triebbefriedigung, sondern eine der anderen Aspekte die Führung übernimmt und sich die Triebbefriedigung dieser unterordnet.“ 14

Wenn also die libidinöse Triebbefriedigung in einer Organisationsform erwachsener Sexualität die Priorität hat und andere Funktionen sich dieser unterordnen, spricht er von sexueller Orientierung, und zwar unabhängig davon, welcher der infantilen Partialtriebe dabei die Führung übernimmt. Der Begriff der sexuellen Orientierung umfasst damit bei Binswanger neu sämtliche Formen libidinöser Triebbefriedigung, also auch eine ganze Reihe von sexuellen Organisationsformen, die bisher unter phänomenologischem Aspekt als pervers galten (SadoMasochismus, Voyeurismus, Exhibitionismus, Fetischismus etc.). Von diesem Begriff der sexuellen Orientierung grenzt Binswanger Perversion unter einem funktionalen Gesichtspunkt ab: Nicht Art und Inhalt der sexuellen Handlung entscheidet darüber, ob sie als gesund oder als pervers einzustufen ist, sondern die Funktion, die ihr in dem spezifischen Kontext zukommt, in dem sie vollzogen wird. Dieser funktionalen Konzeption von Perversion zufolge schlägt eine sexuelle Handlung – gleichgültig ob heterosexueller, homosexueller, fetischistischer Art etc. – genau dann und erst dann in eine Perversion um, wenn nicht

13 Binswanger, Ralf (Typoskript, erscheint 2011): „,Die Neurose ist sozusagen das Negativ der Perversion‘“ – die bekannte Formel neu interpretiert“, in: Psyche 2011. – Ich bedanke mich bei Ralf Binswanger für die Einsicht in das Typoskript und die Erlaubnis, daraus zu zitieren. 14 R. Binswanger 2011, Ts. S. 13.

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mehr die libidinöse Triebbefriedigung, sondern eine der anderen Funktionen phantasie- und handlungsleitend wird. Als Beispiele für einen solchen Funktionswandel von Sexualität nennt Binswanger sexuelle Aktivität im Dienste der Befriedigung von primär narzisstischen Funktionen 15, „Ersatzhandlungen für unvollzogene Trauerarbeit“, sexuelle Inszenierungen als „Verarbeitungsversuche früherer Konflikte“, sowie Reinszenierungen von Traumatisierungen, bei denen die „Abfuhr schwer destruktiver Impulse, Impulse, dem Objekt Schaden zuzufügen, sowie das Streben nach Macht und Beherrschung [...] zum führenden Motiv“ 16 werden. Mit dieser funktionalen Differenzierung von Sexualität und Perversion stellt uns Binswanger ein streng klinisch begründetes Perversions-Konzept zur Verfügung, das insofern wenig ideologieanfällig ist, als es nicht erlaubt, sexuelle Handlungen mit Bezug auf die „Sitten der Gesellschaft“ 17 als pervers zu klassifizieren. Wenn ich jetzt versuche, vor dem Hintergrund dieser Konzepte zu einer differenzierteren Einschätzung der Bisektion und anderer Formen der genitalen Selbstchirurgie zu gelangen, so gilt es eine Einschränkung vorwegzunehmen: Gerade die funktionale Konzeption der Abgrenzung von (gesunder) sexueller Orientierung und (pathologischer) Perversion setzt die Möglichkeit zu einer entsprechenden individuellen, psychologischen Abklärung der ‚Betroffenen‘ voraus. Da dies im vorliegenden Kontext nicht möglich ist, müssen die folgenden Überlegungen als spekulativ gelten. Ich erachte dies insofern als legitim, als Ziel und Kontext dieser Überlegungen nicht klinischer Natur sind: Es geht nicht um eine genaue diagnostische Zuordnung der Praxen im Einzelfall, sondern darum zu zeigen, was dieses klinische Konzept zu einer differenzierten Einschätzung der Phänomene beitragen kann. Von Forrest Bess wissen wir, dass er unter unerträglichen inneren Spannungszuständen litt, die er in einer doppelgeschlechtlichen Identi-

15 R. Binswanger 2011, Ts. S. 13: „Jede lustvolle sexuelle Aktivität befriedigt auch das Selbstgefühl und hilft, narzisstische Risse zu kitten. Erst wenn diese Funktion gegenüber der Triebbefriedigung die Oberhand gewinnt, entsteht die Plombenfunktion im Sinn Morgenthalers.“ 16 Ebd. S. 14. 17 A. Kinsey zit. nach F. Pfäfflin 2010, S. 84.

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fizierung zum Ausdruck brachte.18 Es liegt nahe, Bess’ selbstchirurgischen Versuch, sich eine der Vagina entsprechende Geschlechtsöffnung zu machen und damit einen doppelten, männlichen und zugleich weiblichen Orgasmus erleben zu können, in dem von Binswanger definierten Sinn als pervers zu klassifizieren: als eine sexuelle Handlung, die unter der Führung eines psychischen Konfliktes steht, zu dessen Lösung sie beitragen soll und so der Stabilisierung der IchStrukturen dient. Ähnlich wird man den Fall des Mannes beurteilen, der sich unter dem Nickname Splitsack auf der social networking-Seite PeopleTribeNet folgendermaßen beschreibt: „I’m 65, GWM [gay white male], …….6"cut w/bisected glans - full subincisionbisected scrotum, I have 6 tattoos & plan more, I have 7 piercings & plan more, I’m into male body & genital tattoos, male body & genital piercings, male genital modifications, I enjoy bicycle riding, … hiking, ..., skating, motorcycle riding, but more so when I’m NUDE doing them, M2M Sex Vanilla to Extreme Kink depending on what you are into, I’m a VERSATILE TOP [lieber oben als unten, aber manchmal auch unten] exploring my Dominant and Submissive sides no limits, I’m into sex; 1 on 1, 3 ways, 4 ways, groups, gangbangs.“19

18 Vgl. Ennis, Michael (1982): „His Name Was Forrest Bess“, in: Texas Monthly, June 1982: „Bess had long been aware of two conflicting tendencies in his makeup, and although he did not consider himself schizophrenic, he did refer to them as ‚personality #1’ and ‚personality #2’. Number one was ‚the typical Texas ambitious man. Rather roughshod‘. He was the roughneck, the fisherman, the captain in the Corps of Engineers, ‚practical—masculine—sensible—displaying leadership—aggressive‘. Number two, by contrast, was ,as weak as a jelly fish‘. To Bess, this personality seemed ‚quite helpless in relation to adjustment to society. It is artistic— sensitive—introspective and had rather cry or lament the shortcomings of mankind rather than fight. . . . This personality I have found is actually somewhat effeminate.‘ - Bess believed that the integration of his two personalities would reunite his conscious and unconscious minds. He even surmised that the unconscious minds of all males were effeminate, while the unconscious minds of all females were masculine. The ideal human being would, in Bess’s interpretation, bring together the characteristics of both sexes.“ – http://www.forrestbess.org/articles.html 19 http://people.tribe.net/splitsack, 7. 5. 2010

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Splitsack praktiziert seiner Selbstdarstellung zufolge so ziemlich alles an vorstellbaren Körper-Modifikationen. Auf den ersten Blick könnte man ihn als fröhlichen Praktikanten einer ‚polymorphen Perversion’ im klassisch psychoanalytischen (und hier eben gerade nicht pathologischen) Sinn verstehen: Denn ein guter Teil der kindlichen Partialtriebe – Voyeurismus, Exhibitionismus, Sado-Masochismus und Autoerotismus – scheinen in gleichberechtigtem Neben- und Miteinander erhalten geblieben zu sein und sich den Zugang zur erwachsenen Sexualorganisation bewahrt zu haben. Dabei erscheinen auch die chirurgischen Eingriffe an seinen Geschlechtsteilen als sexueller Vollzug.20 Das zumindest schließe ich aus der detaillierten, wiederum stark exhibitionistische Züge aufweisenden Beschreibung der von Splitsack zum Teil selbst durchgeführten Operationen. Insofern seelischer Leidensdruck in diesen Selbstbeschreibungen nicht explizit formuliert wird und Splitsack sich als aktiver und kontaktfreudiger Mensch mit vielfältigen sexuellen und sportlichen Tätigkeiten präsentiert, ist es – rein theoretisch – möglich, Splitsack als ein Beispiel für relativ gesunde, sexuelle Orientierung im Sinne Binswangers zu verstehen: die chirurgischen Eingriffe und die solchermaßen veränderten Körperteile sind hochgradig lustbesetzt und scheinen einen hohen Stellenwert in seinem spezifischen Muster der sexuellen Orientierung einzunehmen. Ausschließen kann man eine darunter liegende perverse Tendenz in dem von Binswanger genannten Sinn eines Funktionswandels selbstverständlich nicht. Ich halte es denn auch im Falle von Splitsack für wahrscheinlich, dass ein bestimmter Konflikt – von dem im Folgenden noch die Rede sein wird – sich des Sexualverhaltens bemächtigt und bestimmt, was dort passieren muss. Weil die Modifikationen selbst nicht zu einer echten sexuellen Befriedigung führen – und noch weniger zu einer Lösung des Konfliktes – dehnt sich die Obsession aus und besetzt das ganze Leben.21

20 Diese Vorstellung ist insofern plausibel, als die infantile Phantasie sich den Koitus als ein ‚Machen‘ der Geschlechtsöffnung imaginiert. Vgl. dazu auch das literarische Motiv des weiblichen Genitales als Resultat des (sexuellen) Handwerkes in der mittelalterlichen Erzählliteratur: Gsell, Monika (2001): Die Bedeutung der Baubo. Kulturgeschichtliche Studien zur Repräsentation des weiblichen Genitales, Frankfurt a.M. und Basel: Stroemfeld. 21 Auch diese Tendenz zeichnet sich in Splitsacks minutiöser Chronik der vorgenommenen Eingriffe ab.

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Auch wenn wir an dieser Stelle offen lassen müssen, ob es sich in den je einzelnen Fällen von chirurgischen Veränderungen am männlichen Genitale um eine sexuelle Handlung im Kontext einer – im klinischen Sinn – gesunden sexuellen Orientierung handelt oder doch eher um eine Sexualisierung eines psychischen Konfliktes und damit um eine im klinischen Sinn verstandene Perversion, so kann man doch mit Sicherheit ausschließen, dass sich in den hier erwähnten Praktiken eine neurotische Symptomatik manifestiert. Denn sowohl das perverse Erleben und Verhalten als auch die sexuelle Orientierung betreffen manifeste und bewusstseinsfähige Sexualität, während der sexuelle Charakter der in der Neurose verdrängten Triebanteile, Phantasieinhalte und Konflikte unkenntlich gemacht wird und mit Unlustempfindungen einhergeht. Diese Abgrenzung von manifest sexuell-erotischen Formen der Body Modification zu neurotischen Formen der Body Modification ist von Bedeutung, wenn wir die hier beschriebenen männlichen Praktiken mit den schönheitschirurgischen Eingriffen in den weiblichen Genitalbereich vergleichen. Ich werde auf diesen Vergleich weiter unten noch ausführlicher eingehen. Jetzt soll es zunächst um die Frage gehen, inwiefern diese doch sehr speziellen Eingriffe in das männliche Genitale geeignet sein sollen, uns etwas über die grundlegende Bedeutung des anatomischen Geschlechts für die menschliche Psyche zu verraten. Wir werden notabene auch in diesem Zusammenhang Gelegenheit haben, auf neurotische Formen der Konfliktverarbeitung einzugehen.

W AS

HINTER DEM MÄNNLICHEN W UNSCH NACH EINER GENITALEN Ö FFNUNG STEHT : DAS K ONZEPT DER KONSTITUTIONELLEN B ISEXUALITÄT

Wie kann man sich erklären, dass die bei den Aborigines praktizierten Eingriffe, mit denen Männer zu ‚Vulva-Besitzern‘ werden, zum Vorbild für moderne westliche Praktiken der Körpermodifikation werden? Ich gehe mit guten Gründen davon aus, dass an diesem Phänomen etwas zum Ausdruck kommt und konkretistisch am Körper vollzogen wird, was zwar regulärer Bestandteil der psychosexuellen Entwicklung des Mannes bildet, aber in den meisten Fällen desexualisiert wird oder der Verdrängung anheimfällt: Es handelt sich um den Wunsch nach einer Geschlechtsöffnung, welche es erlauben würde, einen ‚weibli-

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chen‘ Orgasmus zu erleben.22 Weshalb dieser Wunsch in der psychosexuellen Entwicklung des Mannes regulär auftaucht, lässt sich mit Rückgriff auf das von Freud eingeführte, aber nie konsequent ausformulierte Konzept der konstitutionellen Bisexualität erklären.23 Bei der konstitutionellen Bisexualität handelt es sich um ein triebdynamisch begründetes und mithin psychisches Prinzip, dem für die Bewahrung und Wiederherstellung des psychischen Gleichgewichts, der sogenannten Homöostase, eine bedeutende Rolle zukommt. Das bi bezieht sich darin nicht auf die Geschlechter oder auf die sexuelle Orientierung, sondern auf den Umstand, dass jede Triebströmung zwei Richtungen kennt, die man sich als Vektoren vorstellen muss: eine nach außen, vom Subjekt aufs Objekt gerichtete und eine nach innen gerichtete Strömung. Für die Sexualität und die Bedeutung, die dem anatomischen Geschlecht in der psychosexuellen Entwicklung zukommt, spielt die konstitutionelle Bisexualität insbesondere deshalb eine Rolle, weil sie einen Mangel auf der Ebene der Anatomie erzeugt: Während auf jeder Stufe der psychosexuellen Entwicklung und für jedes ‚Partialtriebpaar‘ beide Triebrichtungen zur Verfügung stehen – auf der oralen

22 Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf eine grundsätzliche Schwierigkeit beim Transfer von psychoanalytischen Erkenntnissen in andere Wissenskontexte: Da die klinischen und theoretischen Voraussetzungen, unter denen dieses Wissen generiert wird, im außer-analytischen Kontext kaum vermittelbar sind, sind entsprechende Deutungen nicht überprüfbar und können daher als willkürlich erscheinen und Unmut provozieren (vgl. dazu Gsell, Monika (2011): „Une liaison dangereuse? Zum Verhältnis von Psychoanalyse und Gender Studies“, in: ROSA. Die Zeitschrift für Geschlechterforschung 42, S. 46-49. Um Missverständnissen vorzubeugen, muss hier vielleicht betont werden, dass die Redeweise „Wunsch nach einer Geschlechtsöffnung, welche einen weiblichen Orgasmus erlaubt“ die extrem verkürzte Umschreibung einer komplexen Phantasie ist, die nur in Ausnahmefällen (wie etwa bei Forrest Bess) bewusstseinsfähig wird. Lacan hat diesen phantasmatischen Komplex mit la jouissance féminine apostrophiert: Es ist die Phantasie einer speziellen Befriedigung, die man sich als weiblich vorstellt. 23 Vgl. dazu und für die folgenden Ausführungen zum Konzept der konstitutionellen Bisexualität: Gsell, Monika/Zürcher, Markus (erscheint 2011): Bisexualität, anatomische Geschlechtsdifferenz und die psychoanalytische Bedeutung von männlich und weiblich, in: Psyche (im Druck).

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Entwicklungsstufe entspräche das z.B. dem Wunsch zu beißen und gebissen zu werden, auf der analen Entwicklungsstufe dem Wunsch, sich des Objektes zu bemächtigen wie von diesem bemächtigt zu werden – so fehlt auf der genitalen Ebene diese Doppelung: der Trieb findet hier in den allermeisten Fällen nur ein Organ mit dem nur entweder der Wunsch, penetriert zu werden, oder der Wunsch zu penetrieren vollzogen werden kann.24 Eine Richtung der bisexuellen Triebanlage läuft auf der Stufe der genitalen Sexualität gewissermaßen ins Leere und wird unbrauchbar. Unbrauchbar gewordene Triebe lösen sich aber nicht einfach auf oder verkümmern, sondern sie verlangen eine psychische Lösung. Gelingt es, sie zu desexualisieren, stehen sie künftig anderen, nicht sexuellen Funktionen zur Verfügung 25 oder erlauben befriedigende Formen der nicht-genitalen Sexualität. Die weitaus häufigste Form ist allerdings die neurotische Lösung: die Verdrängung ins Unbewusste, mit der Folge, dass der am fehlenden Organ fixierte Triebanteil im Unbewussten weiterhin aktiv bleibt und zum quälenden Störfaktor wird.26

24 Selbstverständlich gibt es andere Organe, deren Penetration an sich lustvoll ist (Anus, Mund), resp. andere Körperteile oder Gegenstände, mit denen penetriert werden kann. Allerdings ist es so, dass ein genitaler Triebwunsch nicht ohne weiteres am Anus abgeführt werden kann. Die Fähigkeit zu solchen flexiblen Lösungen setzt eine psychische Leistung voraus und ist das Resultat eines gelungenen Verarbeitungsprozesses der entsprechenden, ans Genitale fixierten Triebstrebung. Vgl. dazu die folgenden Ausführungen zu Desexualisierung und Verdrängung. 25 Vgl. dazu R. Binswanger 2011, Ts. S. 5. 26 Die psychoanalytische Forschung hat immer wieder auf diese neurotische Komplikation in der psychosexuellen Entwicklung von Männern verwiesen, vgl. etwa Boehm, Felix (1930): „Über den Weiblichkeitskomplex des Mannes“, in: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse 16, S. 185-209; Limentani, Adam (1993 [1984]): „To the limits of male heterosexuality: the vagina-man“, in: Dana Breen, (Hg.), The Gender Conundrum. Contemporary Psychoanalytic Perspectives on Femininity and Masculinity. London and New York: Routledge, S. 273-285; die ausführlichste Darstellung findet sich in Le Soldat, Judith (1994): Eine Theorie menschlichen Unglücks. Trieb, Schuld, Phantasie, Frankfurt am Main: Fischer. Le Soldat bezeichnet dieses psychische Syndrom als „Kolposwunsch“ und greift damit auf den altgriechischen Ausdruck für den weiblichen Schoss zurück,

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Neurotische Verarbeitungsformen Ich nenne ein paar der augenfälligsten und damit auch gut nachvollziehbaren Symptome für die neurotische Verarbeitung des verdrängten männlichen Wunsches nach einer Geschlechtsöffnung: Ein ganzer Komplex von Symptomen beschäftigt sich mit der Nase als einem Verschiebungsersatz von unten nach oben. Wir finden hier wiederkehrendes Nasenbluten als Imitation der weiblichen Menstruation. Ein weiteres klassisches Symptom sind selbstindizierte Nasenoperationen als Verschiebungsersatz für die eigentlich ersehnte Veränderung am Genitale. Berühmte Kandidaten solcher Nasenoperationen waren Freud und sein Freund Wilhelm Fliess, der Nasen- und Ohrenspezialist war und ganze Abhandlungen über die Analogie von weiblichem Genitale und Nase geschrieben hat. Weiter ist der Wolfsmann zu nennen, Freuds berühmtester Patient, der einige Jahre nach Abschluss seiner Analyse bei Freud eine seine Nase betreffende schwere Zwangsstörung entwickelte und sich mehrere Male an der Nase operieren ließ. Als zeitgenössisches Beispiel ist schließlich Michael Jackson zu erwähnen, dessen verzweifelte – weil das unbewusste Ziel permanent verfehlende – Nasenoperationen die ganze Welt beschäftigten.27

der auch in der Chirurgie verwendet wird. „Kolpopoese“ bezeichnet beispielsweise das operative Anlegen einer künstlichen Vagina. Bei Le Soldat finden sich auch einige wenige Hinweise auf die entsprechende Entwicklung auf bei der Frau, die insgesamt komplizierter ist und von der psychoanalytischen Forschung bisher auch weniger gut verstanden wurde. Das berühmt-berüchtigte Konzept des Penisneides gehört in diesen Kontext, hat den Blick auf die tatsächlichen psychischen Verhältnisse und Komplikationen aber eher verstellt als gefördert. Für beide Seiten der Problematik s. auch Reiche, Reimut (2000 [1990]): Geschlechterspannung. Eine psychoanalytische Untersuchung. Giessen: Psychosozial. 27 Die hier und im folgenden genannten Phänomene dürfen selbstverständlich nicht immer und überall als Symptome für die neurotische Verarbeitung des Wunsches nach einer ‚weiblichen’ Geschlechtsöffnung verstanden werden: ob sie dies sind bzw. nicht sind, kann streng genommen nur im klinischen Setting entschieden werden. Es geht mir hier aber nicht um Diagnosen, sondern um Beispiele für mögliche neurotische Verarbeitungsformen.

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Ein weiteres klassisches Symptom für die neurotische Verarbeitung des unmöglichen Wunsches nach einer genitalen Öffnung ist obsessive Eifersucht in heterosexuellen Beziehungen. Die Eifersucht bezieht sich dabei nur scheinbar auf mögliche Konkurrenten, tatsächlich aber auf den sexuellen Genuss, den die Frau bei der Penetration in der Vorstellung der Männer erlebt. Das letzte und im vorliegenden Kontext wichtigste Beispiel für die neurotische Verarbeitung des unerfüllbaren Wunsches ist das männliche Unbehagen gegenüber dem weiblichen Genitale: das ersehnte, aber unerreichbare Organ wird abgewertet und der Wunsch danach verdrängt, weil er mit Kastrationsangst assoziiert ist. Die Kastrationsangst ist hier notabene nicht das Resultat der väterlichen Drohung – wie dies die klassische Ödipustheorie sieht – sondern der Vorstellung des kleinen Jungen, die ersehnte Öffnung entstehe durch eine gewaltsame Penetration, bei der der Penis beschädigt werde. Hier findet Freuds berühmte Gleichung vom weiblichen Genitale als dem kastrierten Geschlecht seine klinische Begründung: Es ist der Wunsch und die Phantasie von dessen Realisierung und keineswegs eine ursprüngliche Abwertung des weiblichen Genitale, welche zur Formel des „kastrierten Geschlechts“ führt. Hier ist auch der Vergleich mit den chirurgischen Eingriffen an Penis und Hoden erhellend, wie wir sie am Beispiel von Splitsack kennengelernt haben: Während der neurotische Mann unbewusst fürchtet, er müsse auf seinen Penis verzichten, um zu der gewünschten Geschlechtsöffnung zu kommen, schafft sich der polymorph-perverse Penis- und Hodenspalter zusammen mit der Öffnung gleich noch einen zweiten Penis – eine psychische Leistung, die ich schon fast als genial zu bezeichnen geneigt bin. Ich hoffe deutlich gemacht zu haben, dass die seltsam anmutenden Praktiken der Penisspaltung und der Hoden-Löcherung einen ganz bestimmten Sinn haben: Sie sollen am männlichen Körper zusätzlich zum Penis eine genitale Öffnung schaffen, welche das Erleben einer besonderen Form der sexuellen Befriedigung erlaubt, die als weiblich imaginiert wird. Diese Praxis bringt explizit zur Darstellung, was normalerweise gut versteckt und verdrängt ist und mit einem grundlegenden Problem zu tun hat, mit dem jeder Mensch in seinem Leben zurechtkommen muss: die Tatsache, dass die psychische Struktur und die daraus resultierenden Triebforderungen nicht mit der körperlichen Ausstattung übereinstimmen. Man kann diese Eingriffe demnach mit

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Fug und Recht als eine bestimmte Form der psychischen Konstruktion von sex bezeichnen: Es ist der konkretistische Versuch, das anatomische Geschlecht den Bedürfnissen der Psyche entsprechend anzupassen. Auch die neurotischen Lösungsversuche dieses zentralen und unmittelbar mit dem anatomischen Geschlecht zusammenhängenden psychischen Konfliktes sind eine bedeutende Quelle der psychischen Konstruktion von Geschlecht. Sie sind es zwar nicht so offensichtlich wie die konkretistischen, hochsexualisierten, sozusagen spektakulären und ins Perverse tendierenden Lösungsversuche, aber sie weisen rein quantitativ eine viel größere Verbreitung auf und erfahren deshalb einen Umschlag vom Individuellen zum Gesellschaftlichen. Das möchte ich im Folgenden am Beispiel der kosmetischen Eingriffe in den weiblichen Genitalbereich verdeutlichen.

W ARUM ALLE EINVERSTANDEN SIND , DASS F RAUEN SICH DIE S CHAMLIPPEN STUTZEN LASSEN Wenn ich jetzt im thematischen Kontext der Male Body Modification ausgerechnet am Beispiel der Schamlippenkorrekturen illustrieren will, wie die neurotische Verarbeitung der Diskrepanz zwischen dem bisexuellen Anspruch der Psyche und dem gemessen an diesem Anspruch mangelhaften anatomischen Geschlecht gesellschaftlich relevant wird, so bedarf das einer besonderen Begründung. Diese Begründung liegt darin, dass es sich bei den Schamlippenkorrekturen um ein Symptom der weiblichen und der männlichen Neurose handelt – um ein Symptom mithin, das rein quantitativ viel stärker ins Gewicht fällt als geschlechtsspezifische oder hoch individualisierte Formen der psychischen Konfliktlösung. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass eine Form der neurotischen Verarbeitung auf der Seite der Männer mit einer Ambivalenz gegenüber dem weiblichen Genitale einhergeht. Dasselbe geschieht auch auf der Seite der Frauen: Das von den Frauen genannte Motiv für den gewünschten Eingriff ist praktisch immer eine unüberwindbare und zur Obsession gewordene Abscheu gegenüber der Morphologie des eigenen Genitales. Ganz selten handelt es sich um eine effektiv hypertrophe Form der Schamlippen, welche beim Gehen und Sitzen Beschwerden bereiten würde. Oft wird von den Frauen auch angegeben, dass sie sich in der Entfaltung ihrer Sexualität ge-

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hemmt und beeinträchtigt fühlen auf Grund ihrer eigenen Aversion gegenüber ihrem Genitale. Auf der Grundlage eigener klinischer Erfahrung gehe ich davon aus, dass es sich bei dieser Aversion von Frauen gegenüber ihrem eigenen Genitale um ein neurotisches Symptom handelt, das sich wesentlich derselben psychischen Komplikation verdankt, wie dies im Hinblick auf die Männer gezeigt wurde.28 Anders als bei anderen Eingriffen, die unter dem Lifestyle-Label Body Modifications subsumiert werden, ist hier der lustbetonte, narzisstisch-exhibitionistische Aspekt nicht erkennbar: Es soll nicht etwas lustvoll gezeigt und inszeniert, sondern es soll im Gegenteil etwas unsichtbar gemacht werden, was als hochgradig unlustvoll erlebt wird. Ebenfalls ganz anders als bei den hochsexualisierten Eingriffen in den Genitalbereich der Männer, die einen offensichtlichen und bewusstseinsfähigen oder zumindest bewusstseinsnahen sexuellen Wunsch zum Ausdruck bringen und zu realisieren versuchen, findet man bei den Schamlippenkorrekturen der Frauen keine auch nur annährend vergleichbare Motivation: Es geht weder um die Erlangung eines fehlenden Organs noch um das Ziel eines intensiveren sexuellen Erlebens.29 Diese Konvergenz von männlichen und weiblichen Symptomen auf neurotischer Ebene findet eine Entsprechung auf der gesellschaftlichen Ebene: Der ganze medizinische Apparat, inklusive Krankenkassen, ist auffallend schnell bereit, Schamlippen als „problematisch“ und

28 Die detaillierte Begründung dieser Annahme muss ich an dieser Stelle schuldig bleiben, sie ist Gegenstand eines größeren Forschungsprojektes. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass der psychische Prozess bei den Frauen komplizierter ist und die zentrale Symptombildung – die Aversion gegenüber dem eigenen Genitale – sich einer mehrfachen Abwehrbewegung verdankt und deswegen dem analytischen Verstehen schwerer zugänglich ist. 29 Das bezieht sich wohlverstanden streng auf die hier zur Debatte stehenden Schamlippenreduktionen und den damit verbundenen ästhetischen Vorbehalt, nicht aber auf andere Eingriffe wie chirurgische Scheidenverengungen und Klitorisverschiebungen. Zu betonen ist auch, dass es selbstverständlich auch bei Frauen nicht nur neurotische Modi der Verarbeitung von Konflikten im Zusammenhang mit der konstitutionellen Bisexualität gibt, sondern – wie bei Männern – eine Vielfalt von psychischen Konfliktverarbeitungsformen.

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„abnorm“ zu klassifizieren und einen entsprechenden kosmetischen Eingriff als medizinisch indiziert zu veranlassen und kassenfinanziert durchzuführen. Man ist sich im Grunde genommen immer schon einig, dass „da unten“ bei den Frauen etwas nicht stimmt und dass man das wegmachen muss: Männer und Frauen, Individuen und gesellschaftliche Institutionen wie z.B. Krankenkassen.30 Eine weitere Kraft, die sich zu dieser unheiligen Allianz gesellt, sind die gut gemeinten feministischen Stimmen, welche zwar zu Recht darauf hinweisen, dass hier erneut eine Normierung des weiblichen Körpers im Gange ist. Indem sie die Schuld für diese Normierung aber einseitig einer vermeintlich von Männerphantasien geprägten und pornographisierten Medienwelt zuschreiben, leugnen sie den wirkmächtigen psychischen Konflikt auf der Seite der Frauen. Übersehen wird damit, dass gesellschaftliche Bilder und Botschaften nur dann eine individuelle Wirkung entfalten, wenn es auf der Ebene des Individuums einen Rezeptor dafür gibt, und dieser Rezeptor ist im Falle der ästhetischen Normierung des weiblichen Genitales die je eigene Neurose. Frauen, welche sich diesen Eingriffen unterziehen, werden also einmal mehr Opfer, obwohl sie sich subjektiv nicht so fühlen. Sie sind aber nicht einfach Opfer der männlich geprägten Medien, sondern auch ihrer eigenen Neurose und der unheiligen Allianz, welche diese mit der Gesellschaft eingeht. Oder etwas moderater formuliert: Es ist höchst fraglich, ob die kosmetische Schamlippenreduktion die richtige Lösung ist für das Problem, das sie beheben soll.

C ONCLUSIO Ziel meines Beitrages war es, ausgehend von selbstchirurgischen Veränderungen des männlichen Genitales exemplarisch zu zeigen, inwiefern die Anatomie für die Psyche bedeutsam ist und inwiefern diese Bedeutung dazu beiträgt, dass die menschlichen Genitalien (auch) psychisch konstruiert werden. Diesen Eingriffen auf der Seite der Männer habe ich die kosmetischen Eingriffe in den weiblichen Geni-

30 Vgl. dazu auch Steinbach, Kerstin (2005): Zur Psychopathologie des modernen Alltagslebens – Teil 3: Die Genitalrasur, in: System ubw. Zeitschrift für klassische Psychoanalyse 23, S. 5-20, S. 10: „Aber, Frau Doktor, irgendwas muss doch da weg“.

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talbereich gegenübergestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass diese beiden Phänomene aus psychoanalytischer Perspektive auf unterschiedlichem Funktionsniveau anzusiedeln sind: die Male Body Modifications sind tendenziell einem perversen Modus zuzuschreiben, die weibliche Genitalchirurgie (insbesondere die Schamlippenreduktion) hingegen eher einem neurotischen Modus. Neben dieser Unterscheidung des Perversen und des Neurotischen trägt das Konzept der konstitutionellen Bisexualität dazu bei, die Male Body Modifications zu verstehen. Umgekehrt bestätigen diese Selbsteingriffe das metatheoretische Konzept der konstitutionellen Bisexualität. Als metatheoretisches Konzept erlaubt die konstitutionelle Bisexualität schließlich eine Reihe von weiterführenden Hypothesen mit Bezug auf die psychische Konstruktion von sex. Ich nenne vier Beispiele: 1. Ohne die psychische Bisexualität wäre das anatomische Ge-

schlecht bedeutungslos: Was dem anatomischen Geschlecht eine so fundamentale psychische Bedeutung verleiht, ist der Umstand, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen dem Diktat der bisexuellen Triebforderungen und der individuellen Anatomie; der Umstand, dass hier etwas nicht aufgeht, eine Triebstrebung unbefriedigt bleibt. 2. Die konstitutionelle Bisexualität trägt zur psychischen Konstruktion eines dualen Geschlechter-Modells bei: Das bi bezieht sich zunächst nicht auf männlich und weiblich, sondern bezeichnet einen davon unabhängigen, grundlegenderen Dualismus auf der Ebene der Triebe, insofern jeder Trieb zwei Richtungen kennt. Erst auf der Stufe der genitalen Sexualorganisation wird dieser Dualismus als die Doppelung von männlichem und weiblichem Genitale interpretiert. Das Kind stellt sich vor, dass die Menschen grundsätzlich doppelgeschlechtlich sind, das heißt: mit dem männlichen und dem weiblichen Genitale ausgestattet. Man könnte hier vom Ideal der Androgynie als einer bestimmten Form der psychischen Konstruktion von sex sprechen. 3. Wenn diese Vorstellung der Doppelgeschlechtlichkeit nicht mehr aufrechterhalten werden kann, konstruiert die Psyche – mit kräftiger Unterstützung von Kultur und Gesellschaft – das Differenzmodell: die dichotome Aufteilung der beiden benötigten Geschlechtsteile auf unterschiedliche Gruppen von Menschen. Es handelt sich dabei um eine der ersten Maßnahmen der Konfliktbewältigung, de-

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ren neurotische Komponente immer dann am deutlichsten zu Tage tritt, wenn gegen alle biologische Evidenz darauf beharrt wird, dass es nur zwei Geschlechter gibt, das heißt, dass es nur ein eindeutig männliches und ein eindeutig weibliches Geschlecht geben kann und soll. Es gibt nichts jenseits des Entweder-Oder. Von dem Moment an, an dem sich das Differenzmodell psychisch durchgesetzt hat, bedeuten Uneindeutigkeiten und sexuelle Zwischenformen eine Bedrohung der liebgewordenen Rationalisierung nach dem Motto: Was ich nicht haben kann (ein androgynes Geschlecht), darf es auch nicht geben. 4. Als letztes Beispiel einer psychischen Konstruktion von Geschlecht nenne ich die ästhetische Ambivalenz gegenüber dem weiblichen Genitale: Es handelt sich um eines der häufigsten neurotischen Symptome der Verarbeitung des durch die Bisexualität generierten Konfliktes, und zwar sowohl auf der Seite der Männer wie der Frauen. Man kann die große Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber Schamlippenkorrekturen als ein Beispiel für den Umschlag von psychischen Dimensionen in gesellschaftliche Mechanismen verstehen. Mit dem ästhetischen Vorbehalt gegenüber dem weiblichen Genitale geht im Übrigen eine ebenso neurotische Überbewertung des männlichen Genitales einher. Auch diese ist psychoanalytisch erklärungsbedürftig und darf als psychische Konstruktion von sex aufgefasst werden. Mit diesen Beispielen soll lediglich die Richtung angedeutet werden, in die das Konzept der psychischen Konstruktion von sex (weiter)entwickelt werden kann, ohne jedoch das Konzept der sozialen Konstruktion von sex in Frage zu stellen. Es geht im Gegenteil darum, beide Ebenen der Konstruktion zu einander in Beziehung zu setzen und für ein besseres Verständnis der Bedeutung von Geschlecht produktiv zu machen.

Mutating Masculinity Re-Visions of Gender and Violence in the Cinema of David Cronenberg S COTT L OREN While feminist critics such as Barbara Creed have emphasized monstrous femininity in Cronenberg’s work […] overall, and certainly in his most recent work, Cronenberg has been interested in mutating masculinity. LINDA RUTH WILLIAMS1

“W HEN I S

A

M AN

A

M AN ?” 2

Though the films of David Cronenberg might not always be concerned with gender from a social constructivist or performative perspective, I think one readily agrees with Linda Ruth Williams’ claim that “for Cronenberg, anatomy is anything but destiny”3. For decades, his characteristic mutations of gendered bodies have repeatedly accompanied the destabilization of fixed notions about gender. It seems that the 1

Williams, Linda Ruth (1999): “The Inside-out of Masculinity: David Cronenberg’s Visceral Pleasures”, in: Michele Aaron (ed.), The Body’s Perilous Pleasures: Dangerous Desire and Contemporary Culture, Edinburgh: Edinburgh University Press, pp. 30-48, p. 35.

2

Erhart, Walter/Herrmann, Britta (ed. 1997): Wann ist der Mann ein Mann?

3

L.R. Williams 1999, p. 39.

Zur Geschichte der Männlichkeit, Stuttgart/Weimar: Metzler.

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most fixed notion of gender to be found in his work is that gender is mutable. Like the physical boarders to bodies in his films, gender is repeatedly undone, constantly shifting, threatening to become something else. For Cronenberg, a perpetual undoing and rearticulation of gender raises the question of when a man becomes a man in a rather unconventional manner. His films initially encourage us to ask other questions, like: “When does a man become a walking, speaking anus?” (Naked Lunch); “when does a man become an insect?” (The Fly); “when does a man become a machine?” (Videodrome, The Fly, Crash, eXistenZ). Of course one would also have to ask: “When does a man become a woman?” (Crimes of the Future, M. Butterfly) “When is a man completely unable to enter manhood?” (Spider) “When is a man a monster?” and “Is a man ever ‘simply’ a man?” (most of his films). It seems that with the release of each new film, one must rearticulate inquiries into the staging of gender in Cronenberg’s work, which is precisely what I wish to do here. Cronenberg’s recent films once again require viewers to reconsider the questions of when a man is a man and what a man might become, and to address these questions as earnest social reflections. Without exception, Cronenberg’s films deal with sex and violence in some form. Again and again, staging sex and violence provides a field in which gender issues and structures of authority are taken into consideration. I am interested in identifying a possible progression in the portrayal of violence, which is always explicitly gendered in Cronenberg’s work. This can be observed from the monstrous mother in early films up to the monstrous father in recent films. It seems that within this trajectory, Cronenberg’s films move from reflections on masculine anxieties about gender toward critical contemplations of violence, particularly as it relates to structures of patriarchal authority, masculine social practices and male desire. Thus, his films become conscientiously contemplative of an element that has prominently characterized his work from the beginning: violence. Simultaneously, they reflect on a topic that has been at the crux of film and gender theory since Laura Mulvey’s seminal text Visual Pleasure and Narrative Cinema (1975/1989): male desire and patriarchal authority, particularly as they plot viewing positions, desiring subjects, and objects of the desirous gaze.4

4

Cf. Mulvey, Laura (1989): “Visual Pleasure and Narrative Cinema”, in: Screen 16.3, p. 6-18. For use of the term “viewing positions” see Williams,

M UTATING M ASCULINITY

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Having in mind Mulvey’s claim that subject, object and viewing positions are determined through male desire in classical Hollywood cinema, one quickly recognizes that, even if it can never be disconnected from an organizing principle of masculine desire, Cronenberg’s work does not fit neatly into this theory. At first sight, Hitchcock’s tongue-in-cheek formula for cinematic pleasure – “torture the women” – seems to be applicable to Cronenberg as well, and perhaps remains so to a great extent. However, beyond male desire as structuring principle of spectatorship, we see tortured male subjects, the male gaze directed at male objects, and men struggling through gendered terrains of violence. If we assume that Cronenberg makes men’s films, it is perhaps not precisely in the sense Mulvey originally theorized. In his most recent films, Cronenberg continues to become an increasingly refined critic of social structures, practices and socio-symbolic fictions. He is particularly interested in masculine histories of violence and masculinity as performance and spectacle, where matriarchal ideologies and social structures clash with phallic authority and the pleasures of homosexual voyeurism as Steve Neale theorized them are increasingly freed from repression.5

M ONSTROUS M UTATIONS Drawing on Julia Kristeva’s notion of the abject in her seminal work The Monstrous Feminine, Barbara Creed addresses the portrayal of “woman as monstrous womb” 6 in David Cronenberg’s The Brood. Creed claims that the feminine is portrayed as horrific and abject because of her power to give birth. Many of Cronenberg’s earlier films stage visions of horror as intimately bound to the female body and female sexuality. Indeed, as Lianne McLarty points out, “feminist critics have responded with horror at the extent to which these films

Linda (ed. 1994): Viewing Positions: Ways of Seeing Film, New Jersey: Rutgers University Press. 5

Cf. Neale, Steve (1993): “Masculinity as Spectacle”, in: Steven Cohan/ Ina Rae Hark (ed.), Screening the Male: Exploring masculinities in Hollywood cinema, London/New York: Routledge, pp. 9-20.

6

Creed, Barbara (1993): The Monstrous Feminine: Film, Feminism, Psychoanalysis, London: Routledge, p. 43.

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hinge on their monstrous vision of the feminine.”7 She argues, though, that one can identify a progression in Cronenberg’s work from horror happening at the site of the female body in films like Shivers, Rabid and The Brood, on to horror as detached from the body and residing in an “invaded” male psyche in films such as Scanners, Videodrome and The Dead Zone, and finally arriving at a monstrous, predatory male “representative of patriarchal social practices”8 in The Fly and Dead Ringers. Cronenberg’s progression toward the staging of violent and socially disruptive patriarchal social practices might open a new perspective on his earlier films. One may ask whether the early films support a view of the monstrous feminine that should be repressed in favor of the patriarchal ideological institutions it poses a threat to (the misogynist reading), or whether the depiction of the monstrous feminine might in fact function as a point of departure for Cronenberg’s filmic commentary on the violent patriarchal social practices that codify such monstrous woman as monstrous in the first place (an anti-patriarchalauthority reading). In both The Brood and Rabid, for example, the woman protagonist becomes a monster because a paternal male figure has medically or clinically manipulated her. Helen W. Robins’ claims regarding womb envy in The Fly and Dead Ringers suggest that the problem is not female monstrousness, but rather the “phallic power [that] relegates nature, matter and the female to a position of inferiority, otherness and objecthood”9. To put it another way, one might ask whether it makes sense to view these filmic incorporations of the monstrous feminine primarily as symptomatic of the violently repressive patriarchal socio-symbolic order the films depict. In these depictions women are denied the access to desire and drive men have and feminine social practices are subordinated to phallic authority. Reading

7

McLarty, Lianne (1996): “‘Beyond the Veil of the Flesh’: Cronenberg and the Disembodiment of Horror”, in: Barry Keith Grant (ed.), The Dread of Difference: Gender and the Horror Film, Austin: University of Texas Press, pp. 231-252, p. 231.

8

Ibid. p. 232.

9

Robbins, Helen W. (1993): “‘More Human Than I Am Alone’: Womb envy in David Cronenberg’s The Fly and Dead Ringers”, in: S. Cohan/I.R. Hark (eds.), Screening the Male: Exploring masculinities in Hollywood cinema, London/New York: Routledge, pp. 134-147, p. 134.

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representations of monstrous women as symptoms of a patriarchal order helps us to rethink Linda Ruth Williams’ claim that the later films are primarily “interested in mutating masculinity”10. One might claim that with the earlier films, masculinity mutates femininity, whereas in the later films masculinity is itself mutated through the volition of male subjects. There is thus a tripartite notion of mutating masculinity to be found here: masculinity as mutating female subjects, masculinity as mutating male subjects, and masculinity in mutation through the progression from the former to the later. As for masculinity mutating male subjects, in films such as Videodrome, Scanners, The Dead Zone, The Fly, Dead Ringers and, arguably, Spider, masculine subjects become monstrous through the patriarchal institutions they inhabit and control, whereas in History of Violence and Eastern Promises, complex and morally questionable male figures struggle to dismantle the phallic patriarchal institutions that have in part made them what they are. What the viewer encounters in History of Violence and Eastern Promises are partially emancipated forms of masculinity that also act as emancipating agents. In both films the male protagonist appears to have gained some mastery over the troubled and troubling conditions of phallic authority, though not being separate from such conditions. The male protagonists then align themselves with representatives of maternal social practices and matriarchal agency. Bearing in mind Cronenberg’s implementation of horror and violence as modes of representation through which gender-related anxieties and phantasies are played out, I would extend McLarty’s notion of progression to include the element of gendered authority in the later films. His eXistenZ, still very much in the tradition of body horror and technological threat serving as fields onto which sexual and gender antagonisms are projected, marks a turning point in this progression toward emancipation. Here, the female subject possesses agency and knowledge, and knows how to negotiate her way through the violent social (and virtual) terrain. Inverting masculine phallic authority, she instructs the male protagonist in practices of ‘authorship’ as well as bodily penetration and pleasure. The inversion of phallic authority in eXistenZ is instructive for interpreting the portrayal of gendered authority in A History of Violence and Eastern Promises, where positions of power between phallic paternal jouissance and maternal desire

10 See footnote 1.

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clash. These more recent films pointedly address the condition of violent masculine social practices in which masculine subjects are perpetually redefined vis-à-vis both emancipated and potentially victimized female subjects that destabilize and force a renegotiation of masculine subjectivity against the background of violent masculine histories. At the same time a third position of ethical subjectivity is opened up and presented through the male protagonist. We can identify a trajectory of masculine subjectivity in Cronenberg’s work, taking into consideration portrayals of both the ‘sick’ male psyche and predatory male social practices, but also moving on toward a more optimistic positioning of the male subject: a male subject who may be inextricably anchored to histories of violence, but who nevertheless struggles against these histories and the institutions that sustain violent patriarchal social practices. The male subject moves toward an emancipated masculinity that is not ideologically structured by a violent, predatory, phallic Law, but through feminine ideologies of nurturing and social technologies of family. One must also claim, though, that male recourse to action is often one of spectacular masculine violence when confronted by masculine violence. The later element makes it particularly difficult to argue for a form of masculinity truly emancipated from phallic authority/power in Cronenberg’s work. However, that is perhaps neither possible, nor, for Cronenberg’s purposes, even desirable. Maybe it is precisely this phallic power that makes a man a man, or that makes a man masculine in a traditionally gendered sense. In any event, if one is to seek visions and revisions of gender in the work of Cronenberg, one must be aware that these are always characterized by visions of horror and the monstrous. As such, gender becomes deviant per se: a mutation. In order to judge the vicissitudes of what a man becomes in Cronenberg’s work, we might take a synoptic look at his portrayals of gender.

M ONSTROUS W OUNDS , W ANDERING W OMBS AND P SYCHIC R OOMS Though all his films resist many of the conventions dictated by genre, Cronenberg’s work significantly helps to shape the emerging genre of body horror in the second half of the 1970s. Where conventional horror is usually reflecting on issues like psycho-social anxieties regard-

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ing sexuality, diseases and oppressive social institutions in an implicit manner, these social preoccupations are staged explicitly in Shivers and Rabid. Chris Rodley refers to such portrayals as Cronenberg’s “concern for the breakdown of social order through the eruption of sexuality and disease”.11 In both films, organic disease is transmitted sexually, literally turning human bodies into abject material to be disposed of. This was not entirely novel at the time. The disturbing portrayal of bodies as waste and of an incontrollable organic agency taking over the human form was also central to the horror of George Romero’s 1968 seminal film Night of the Living Dead. What was radical about Cronenberg’s contribution to the genre with these two films was his portrayal of gender, in particular regarding masculine technologies and the female body. Lianne McLarty suggests that in “Rabid and Shivers […] scientific experiments on women’s bodies result in consequences that have much more to do with the female body as the site of disgust than with male science as a source of horror. As in The Brood, the horror in Rabid is dependant on the monstrous transformation of the female body.”12

McLarty acknowledges that the transformation of the female body is due to male agency and masculine medical and scientific technologies, but she rightly points out that this doesn’t necessarily detract from the staging of the notion or presentation of the female body as an anxietyinducing location of threat and disgust. What might potentially be conceived as more threatening than the masculine medical technologies transforming female bodies in Rabid and Shivers, though, is the portrayal of women in possession of phallic sexual desire/drive. This is made explicit on a variety of levels in Rabid. McLarty points out that it is precisely the protagonist Rose’s sexual voracity that is threatening. On the one hand, this is ‘pre-coded’ in the character via the casting of Marilyn Chambers, an Ivory Soap poster girl turned porn star. The ‘masculineness’ of the claim she stakes to sexual enjoyment and its public display is further supported visually and turned monstrous via the vampiric phallus with which she penetrates her victims to satisfy

11 Rodley, Chris (ed. 1997): Cronenberg on Cronenberg, London: Faber and Faber, p. xvii. 12 L. McLarty 1996, p. 236.

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her desire: “It is Rose’s aggressive, literally phallic, and ultimately diseased sexuality that defines her as monstrous.” 13 As a result of emergency plastic surgery, Rose develops a vaginal opening in her underarm. Protruding from this opening is an unmistakably penis-like organ, with which she penetrates and sucks the blood of her victims. Female desire is portrayed as predatory and perverse, a threatening jouissance characterizing female sexuality. There seems to be a logical progression in the depiction of gender and the monstrous in Cronenberg’s subsequent horror film, The Brood: the staging of woman as monstrous is not merely due to her proximity to the abject in the form of blood and exposed organs, but – particularly as these relate to her sexuality and capacity for regeneration – menstrual blood and an externalized, visible womb. Barbara Creed famously suggested that in films such as Cronenberg’s The Brood and Ridley Scott’s Alien, it is the archaic mother’s generative power that makes her dreadful. “The womb is the horrifying per se and with patriarchal discourses it has been used to represent woman’s body as marked, impure and part of the natural/animal world.” 14 Elisabeth Bronfen characterized Cronenberg’s work as “postmodern performances of hysteria” in which we witness “corporeality gone awry”15. She points out that what we see with Cronenberg is the Freudian notion of the hysteric as a body haunted by the mind, where psychic disorders manifest in somatic disturbance, literally making the psychic visible on the body of the hysteric. She poignantly notes that the externalization of organic interiors in Cronenberg’s films is horrific not only by virtue of their abject materiality, but by dint of materializing psychic energies: “a disturbance in psychic topology not only finding a correspondence in the dysfunctioning of a body interior, but also in an externalization of both disturbances […] What has remained unvisualized – because it belongs either to the psychic reality, whose only representation is through phantasy, or to the realm of a body interior not readily open to sight – is horrifically rendered external.”16

13 L. McLarty 1996, p. 237. 14 B. Creed 1993, p. 49. 15 Bronfen, Elisabeth (1998): The Knotted Subject: Hysteria and its Discontents, New Jersey: Princeton University Press, pp. 381, 382. 16 E. Bronfen 1998, p. 382.

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The literal portrayal of hysteria’s “wandering womb” finds its apotheosis in the character of Nola Carveth (Samantha Eggar), whose womb is portrayed as an external appendage and who can literally materialize psychic energies in the form of her demonic brood. As with Shivers’ Dr. Emil Hobbes and Rabid’s Dr. Dan Keloid, Nola’s mutation becomes possible through the intervention of a male doctor, establishing a dialectic in which masculine technologies give rise to monstrous female bodies and a perversion of feminine nature. Within these films’ narrative diegeses, masculinity is portrayed as a disruptive agency in the form of scientific technologies that threaten to corrupt nature and have a lethal backlash, or, as Cronenberg said of his first two independent feature films, Stereo and Crimes of the Future, “there is this idea of a man-made, man-controlled environment shortcircuiting the concept of evolution” 17 . The implicit, extra-diegetic social commentary on masculinity these films express is one that, as Bronfen points out, conflates “womb envy (the desire to create artificially) and womb anxiety (the fear of mortality)” 18 . The masculine desire to create results, Frankenstein-like, in technological monstrosities, and the fear of mortality is expressed through anxiety about female generative sexuality and perversions thereof. These thematic elements remain prominent throughout Cronenberg’s work and are particularly visible in Scanners, where in utero injections on pregnant women give rise to people with telepathic and telekinetic abilities; in The Fly, where scientist Seth Brundle creates a womb-like teleportation pod that simultaneously regenerates and degenerates him; and in Dead Ringers, where, as Robbins suggests, the twin gynecologists the Mantle brothers “offer an anatomy of modern male womb envy, laying bare its origins in men’s anxieties about creativity, and especially about controlling, keeping and getting credit for their productions” 19 . The womb as location for gender conflict continues to characterize Cronenberg’s work, most visibly in eXistenZ, which re-presents The Fly’s telepod in the form of a virtual reality game that transports players into a kind of in utero phantasy space (characters are depicted lying on a bed in the fetal position while ‘playing’) and the 2007 production Eastern Promises, which opens

17 Cronenberg quoted in C. Rodley, 1997, p. 27. 18 E. Bronfen 1998, p. 391. 19 H. Robbins 1993, p. 136.

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with a raped and drugged pregnant woman giving birth to a child and dying in the process. As McLarty has pointed out, though, from Scanners onward there is also a shift in focus onto ‘invaded’ male psyches. In contrast to earlier films, Scanners, Videodrome and The Dead Zone all feature male protagonists whose minds/brains have mutated. As the promotional posters point out: “Their thoughts can kill” (Scanners); “First it controls your mind” (Videodrome); “In his mind, he has the power to see the future. In his hands, he has the power to change it” (The Dead Zone). Although the first two are still within the body horror genre, the focus on the invaded male psyche marks a definite shift in the development of gendered violence in Cronenberg’s work. McLarty suggests that “the movement in Cronenberg’s films from a horror of the female body to that of the male mind has meant a progressive uncoupling of not only the monstrous and the body, but also the monstrous and the feminine.”20 The corrupt male psyches in these films are counterpoints to the monstrous wombs of Cronenberg’s earlier films. Dead Ringers makes the mirroring at work here explicit: the Mantle brothers diagnose their patient Claire Niveau as having a “trifurcated” reproductive system, making her on the one hand monstrous and on the other an exotic object of interest/desire suited to their peculiar taste. Aside from the brothers’ claim that Claire is a “mutant woman”, she is portrayed physically, psychically and socially as perfectly normal throughout the film. The Mantle brothers, on the other hand, degenerate into drug addiction, madness and, finally, death. The real freak mutants are clearly the Mantle twins. Dead Ringers might thus function as a kind of literary coda to Cronenberg’s preceding work, suggesting that perhaps the problem has been the male psyche and masculine scientific and social technologies all along. To rearticulate Bronfen’s claims about hysteria characterizing Cronenberg’s work, one might say that the hysterical symptoms of the unhealthy male psyche manifest at the somatic site of the female body, inscribing physical otherness in a mind/body duality via psychic energy. The inscription of masculine psychic energies on other bodies is the organizing narrative principal of Cronenberg’s Naked Lunch, a filmic adaptation of elements from William Burroughs’ biography and literary work. This thematic element remains central to Cronenberg’s portrayals of gender. Like the physical violence exposing bodily inter-

20 L. McLarty 1996, p. 235.

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iors that characterizes his work, the imposing of male psychic and libidinal energies onto ‘other’ physical bodies is not only native to the “invaded psyche” films, but to the whole spectrum of his films.

E XPOSING I NTERIORS , I MPOSING E XTERIORS M. Butterfly stages many of Cronenberg’s ongoing interests: male/female separation, sexual difference and polymorphous or omnisexuality.21 It does so by presenting femaleness and femininity as an act that can be performed by a male, and at the same time stimulate male desire. Leighton Grist points out that, with The Crying Game, Orlando, Farewell My Concubine, Priscilla, Queen of the Desert and To Wong Foo, Thanks for Everything! Julie Newmar, M. Butterfly is one of several films in a very short period of cinematic history that thematize transvestitism.22 The film is based on David Henry Hwang’s play of the same title, which is in turn based on real-life events involving French diplomat Bernard Boursicot and Shi Pei Pu, a Chinese opera singer turned spy. Notable about the homosexual relationship, one-sidedly ‘assumed’ to be heterosexual, is its duration of twenty years. As many critics suggest, the relationship is only plausible if thought in terms of denial or (Lacanian) disavowal. That is, the creation of gender roles in this narrative functions if there is a consensual construction of femininity at the site of a male body. Thus, the performativity at stake here is not effectively one man’s projectionenactment of femininity at the site of his own body, but is accompanied by the investment of a second man’s libidinal, psychic energies, creating a fantastic, inextricable play between the internal (desire) and the external (appearance). Linda Ruth Williams convincingly argues that it is precisely the play between feminine interiority and masculine exteriority that characterizes Cronenberg’s male characters: “Femininity is central to Cronenberg’s masculinity, precisely because of its interiority”.23 M. Butterfly is less a case of mistaken gender identity

21 Cf. C. Rodley 1997, p. 31. 22 Cf. Grist, Leighton (2003): “‘It’s Only a Piece of Meat’: Gender Ambiguity, Sexuality, and Politics in The Crying Game and M. Butterfly”, in: Cinema Journal 42.4, pp. 3-28. 23 L.R. Williams 1999, p. 37.

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and more one of possible male sexualities, where femininity and masculinity are non-exclusive, their malleability being expressed at the Cronenbergian site of the malleable par excellence: the body surface.24 Though M. Butterfly is the least physically violent film of Cronenberg’s oeuvre to date, it is very much in line with his concerns about mutable physical surfaces, masculine gender and sex. His subsequent film, Crash, is not very different in this regard, though masculinity, sex and malleable physical surfaces are coupled with a more typically Cronenbergian style of violence. Here, we also see a return to fetishized masculine technologies that are no longer in the science-fiction style of life-threatening biological epidemics, but nevertheless fuse masculine technology, sex and death with a play on interiority and exteriority. Where the fetishized masculine technologies of M. Butterfly are represented in the form of social technologies of military and the state, and with interiority and exteriority represented in terms of projected desire and gender performance, Crash fuses the mechanical technology of cars and medical prosthetics with mutable body surfaces and their interiors in a highly sexualized and literal manner. Williams claims that Cronenberg’s “ongoing concern with ‘masculinity in crisis’ is frequently dramatized through an impossible vision of male interiority, often of male bodies literally breaking apart at the seams, or developing new, feminine seams which then break open.”25

There is James Woods’ vaginal abdominal opening from which he extracts the phallus in the form of a gun in Videodrome, Jeff Goldblum’s physical emasculation as his human appendages fall off in The Fly, Jeremy Irons’ evisceration that ends with a fusing of the ‘masculine’ and the ‘feminine’ halves of the Mantle twins in Dead Ringers,

24 Cronenberg makes this point when he claims he didn’t want to cast a man who was as convincingly feminine as Jaye Davidson from The Crying Game: “I wanted a man. When Gallimard and Song are kissing, I wanted it to be two men. I wanted the audience to feel that.” (Cronenberg quoted in C. Rodley 1997, p. 180). 25 L.R. Williams 1999, p. 32. Here, the use of ‘crisis’ is a productive condition (like Bronfen’s Lacanian-inflected use of ‘trauma’) that necessarily gives rise to a proliferation of possible narrative ontologies.

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John Lone’s vagina which isn’t one in M. Butterfly, and Jude Law’s vaginal game port in eXistenZ. In Crash, we find the omnisexuality of Cronenberg’s earlier films: orifices on men’s bodies are used for male phallic pleasure, women also have access to masculine phallic sexuality, and both male and female bodies acquire vaginal-wound openings that are the source of giving and receiving pleasure as well as pleasurable pain. Such exposed interiors, or interiority made exterior on the male body are not so much in-corporations of femaleness at the site of the male body as ex-posures of feminine interiority inhabiting the male body. One can thus identify a pattern throughout Cronenberg’s films in which what we might call the “technologies of gender” shift over and through gendered bodies: on the one hand, masculine technologies and masculinity as technology invade the female body (Rabid, Shivers, The Brood, Scanners, Dead Ringers), and on the other hand female interiority and femininity are brought to the surface of male bodies and infuse masculinity (Videodrome, The Dead Zone, The Fly, M. Butterfly, Crash, eXistenZ). If this is a constant in Cronenberg’s work, the question of where it is to be found in his most recent films arises. Although Cronenberg had less to do with the scripts for A History of Violence and Eastern Promises than usual, and although the representation of sex and violence appear to be of a different nature in these two films (perhaps even more conservative or conventional), I contend that they are very much within the tradition outlined above.

E MBODIED T ECHNOLOGIES Why does the gendered violence in History of Violence and Eastern Promises seem to be of a different nature than typical Cronenbergian violence? It is explicitly staged as gendered, often surreal, perversely mutates body surfaces in up-close detail, and explosively disturbs the immediate social environment. What we don’t find are elements of mechanical, scientific or medical technologies. With Eastern Promises, this is even reduced to the exclusion of guns and machines from violent scenes. Masculine technology in its mechanical or scientific capacity disappears. The organization of machines and mechanization of bodies that is a hallmark of Cronenberg’s work is nowhere to be found. Violent masculine technology at the interface of the body and the mechanical is reduced to the male protagonist’s handiness with a

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gun, knife or ordinary household object (coffee pot, string, etc.). Perhaps this marks another shift in Cronenberg’s work on par with the ones Lianne McLarty identifies. If there is a meaningful shift away from conventional Cronenbergian masculine technologies in his later work, then it would be helpful to identify where, when and how this shift takes place. In eXistenZ, very much within the tradition of technological threat, the technology depicted is, uncharacteristically, a markedly feminine one. The game controls resemble internal bodily organs, require nurturing to remain effective, and respond to stimulation with the fingers resembling clitoral masturbation. The game is itself a form of interiority, the rules for navigating it depend less on riddle solving, which gender theory typically categorizes as masculine, and more on modes of communication.26 Moreover, it is a woman who navigates the internal terrain of the game with full agency, acting as both (maternal) author and (phallic) authority. Though technology itself is still characteristically masculine in many ways in eXistenZ, I would propose that this film signals the beginning of a significant shift from masculine to feminine technologies and authority/authorship in Cronenberg’s recent work. Cronenberg’s next production, Spider, is markedly different. Its focus again returns to a male protagonist, though technological threat in a mechanical/scientific form is, as in the two subsequent films, nowhere to be found. This of course doesn’t mean that there is no threat and that women no longer play a central role – to the contrary. Spider stages the Oedipal conflict gone completely awry. Manfred Riepe concisely articulates the unavoidable formula in Cronenberg’s films: “an encounter between genders in the field of sexuality, love and desire has catastrophic consequences.”27 Unable to triangulate his relationship to his mother and assimilate the knowledge that she is his father’s object of desire and that she herself is a desiring subject,

26 Cf. de Lauretis, Teresa (1984): Alice Doesn’t: Feminism, Semiotics, Cinema, Indiana: Indiana University Press; and Felman, Shoshana (1993): What Does A Woman Want? Reading and Sexual Difference, Baltimore: John Hopkins University Press. 27 Riepe, Manfred (2002): Bildgeschwüre: Körper und Fremdkörper im Kino David Cronenbergs. Psychoanalytische Filmlektüren nach Freud und Lacan, Bielefeld: transcript Verlag, p. 207.

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young Spider fantasizes that his father is having an affair with a whorish woman and finally kills his mother as a consequence. The resulting psychic trauma is two-fold, as he can neither assimilate knowledge of murdering his mother, nor, as Riepe points out, ever escape the motherson dyad that he has permanently secured through the mother’s murder. Spider is a boy grown old, but unable to become a man; his psychosis is engendered by Oedipal desire and violence at the site, once again, of the female body. My question as to how these two filmic narratives can help us understand the shift in the representation of sex, violence and masculine technologies in History of Violence and Eastern Promises remains. As I have claimed, these films should be categorized in the Cronenbergian tradition of masculine technologies or masculinity as technology invading the female body, but also of female interiority and femininity being brought to the surface of male bodies and infusing masculinity. Where eXistenZ signals a shift in focus from masculine technologies to feminine ones, Spider signals a shift in which technologies are no longer mechanical/scientific, but rather psycho-social technologies that are immaterial and ideological in themselves, but implemented and practiced socially. 28 In A History of Violence, gendered social technologies in the form of violent gangs (masculine) and nurturing domestic space (feminine) clash and are fused at the site of a single body, the male protagonist Tom Stall/Joey Cusack. As noted, this kind of structure, where technology is disruptively in-corporated in a body, is typical of Cronenberg’s work. On the one hand, Tom Stall has a “history of violence” in the form of masculine social technology from his former life as Philadelphia gangster Joey Cusack. On the other, Tom embodies different forms of emancipation: first, in that he embraces feminine social technologies in an attempt to emancipate himself from his history of violent masculine social technologies – not only is Tom a benevolent “family man”, he also owns and runs a diner, an institution which is easily recognizable as a domestic site of nur-

28 My use of the term ‘social technology’ should not indicate mechanical/scientific technology used for social purposes (the telephone, social network platforms, etc.), but rather immaterial technologies in the form of ideology, organization, structure, etc. and their implementation in the form of social institutions like government, education, religion, state law and family.

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ture. The diner is the feminine domestic setting of the kitchen/hearth in public space par excellence. In contrast to his prior life as Joey Cusack, Tom Stall is portrayed as a figure of feminine domesticity at the site of the male body. However, his history of masculine violence returns to claim him, which is generally the case in the two masculine Hollywood genres this film primarily quotes, the Western and the Film Noir.29 Consequently, he takes recourse to the masculine social technologies he also embodies in order to protect his family and be able to return to the feminine social technologies he has invested so much in. This clash of technologies also has to be understood in ideological, symbolic terms.30 Of course this clash functions on the level of story and discourse, though one quickly recognizes the hyperbolic fictiveness of Tom’s character: he is a killing machine and at the same time a super-dad. Not only are these two elements of the character presented in a highly fictive manner, they are also incompatible. What is staged in A History of Violence is an ideological and philosophical inquiry into possible mutations of masculine social technologies. Such a reading is significantly in line with the entirety of Cronenberg’s work and supported by the hyperbolic style overtly indicating that narrative elements such as characters should be read as symbols (as in melodrama, where the protagonist represents good per se and the antagonist the opposite). If we reconsider McLarty’s now fifteen-year-old claim, thinking it along with a shift away from medical and media technologies, its validity is still strikingly accurate for Cronenberg’s most recent films: “Others, however, suggest that Cronenberg’s films are adversarial inasmuch as they depict an invasive social order […] which renders the human body defenseless against its control. In fact, some argue that Cronenberg’s horror is directed more at the ‘patriarchal culprit’ and his phallocentric scientific practices than at the monstrous female body.”31

29 Cf. Loren, Scott (2008): “Self-fashioning, Freedom, and the Problem of His-story: the return of noir”, in: European journal of American Studies 1 [online], document 2, http://ejas.revues.org/1842. 30 ‘Symbolic’ is used in the conventional sense, not in the sense of the Lacanian symbolic. 31 L. McLarty 1996, p. 231

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In A History of Violence and Eastern Promises, the invasive social order itself is the patriarchal culprit and his phallocentric social technologies. Along with feminine social technologies, the patriarchal culprit and the threat his violently disruptive social technologies pose to feminine or feminized spaces (of body interiors, families, communities) are the films’ narrative focus. Both films are very explicit about this in their opening and closing sequences. A History of Violence opens with two men murdering the owners of a small family run motel, including the little daughter, who one of the murderers shoots point blank in the face. Then there is a jump-cut to the home of the Stall family (a match-cut, in fact, aligning the daughters of both families for emphasis). When the daughter screams waking up from a nightmare, as if she herself dreamt what happened at the motel, the entire Stall family comes rushing in to see if she is okay, sits together on her bed, and stages a highly idealized small-town American family idyll. The film ends with Tom Stall returning to the domestic scene of a dinner ritual after having killed everyone, notably all men, from his past who might pose a threat to his family. Eastern Promises opens with three men in a barber shop, two of them murdering the third and then cuts to a young pregnant woman, bleeding from between her legs and passing out on the floor of a chemist shop. Subsequently we see her in the hospital, where, accompanied by the nurse Anna, the baby is saved but the mother dies form the (masculine) violence she sustained. As we learn, she is a victim of human trafficking by an influential family in the London Russian mafia. Like A History of Violence, the film ends in the domestic space of the family home, the protagonist having adopted the motherless baby, reconstituting the family space that had initially been lost. As with Tom Stall, Nikolai Luzhin seems to have more than a professional interest in aligning himself with and supporting the matriarchal practices and agencies at work in the narrative. Even privately, he repeatedly acts in accord with the will and interests of Anna, who herself might be seen as “a collection of maternal signifiers”32. Beyond the tactical maneuvers that will help him successfully infiltrate the mafia at the highest

32 Kuersten, Erich (2008): “Naomi Watts: Cinema’s Postmodern Mother of Mirrors”, in: Bright Lights Film Journal 59, http://www.brightlightsfilm. com.

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level, his actions appear to be guided by ideological impulses that could match or even be Anna’s. What is perhaps more consequent in Eastern Promises is the final portrayal of the domestic space as being constituted and inhabited exclusively by women (the mother, the daughter and the adopted granddaughter) and the impossibility of a masculine presence at this site. Each film, though, is bookended by a juxtaposition of violent masculine social practices against nurturing maternal social practices, establishing the thematic focus in the narrative exposition and the closure. What we witness in the rest of the narrative trajectory is a male protagonist mediating the space between these two technologies. The intimacy, or extimacy,33 that was staged in earlier films by a blurring of boarders between biological interiors and exteriors is now staged at and as a socio-ideological space. It is thus also logical that these later films are not within the “body genre” to the same extent as Cronenberg’s earlier films. The “feminine interiority” the male heroes of A History of Violence and Eastern Promises have is no longer signified through vaginal openings on the surface of their bodies as in earlier films, but rather as a psycho-social and ideological feminine interiority reflected in their social practices, or in the social technologies they ultimately support. The element of feminine interiority in Tom Stall and Nikolai Luzhin is substantiated and given further primacy in that their behavior and their bodies as particular masculine types are not merely staged, but the staging is portrayed as a fundamental element of the films’ development in terms of story, discourse and the film’s socio-philosophical reflection. Both films present classical forms of cinematic masculinity as staged, as spectacle, as masquerade, shifting the perspective by 180 degrees in each. Eastern Promises portrays the “good cop” staging the hardened criminal. A History of Violence portrays the hardened criminal staging the “good father/husband”. In both cases, it can be argued that something is inextricably infusing – or, to draw on the Cronenbergian tradition, “infecting” – the other. Furthermore, the element of masquerade is also at work in these films, with cinematic hyper-masculinity performed as spectacle.

33 Cf. Bronfen, Elisabeth (2007): “Extimate Violence: Shakespeare’s Night World”, in: Shakespeare Jahrbuch 2007: Gewalt und Terror, Bochum: Kamp Verlag, pp. 132-146.

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In his discussion of masculinity as spectacle in the work of Anthony Mann (known for his epic cinema, Westerns and Film Noirs), Steve Neale quotes Paul Willemen: “The viewer’s experience is predicated on the pleasure of seeing the male ‘exist’ (that is walk, move, ride, fight) in or through cityscapes, landscapes or, more abstractly, history. And on the unquiet pleasure of seeing the male mutilated (often quite graphically in Mann) and restored through violent brutality.”34

Extending Mulvey’s claims about the erotic gaze related to the depiction of male heroes, he suggests that the viewing pleasures of witnessing violent brutality of and directed at the male hero are characteristically homosexual. That is to say, the male gaze takes pleasure in viewing the eroticized male/masculine hero. In Eastern Promises, masculinity is indeed staged as spectacle – a performance to be looked at, both intra-diegetically by other characters in the narrative and extradiegetically by the viewer. Within the film narrative, masculinity is a (very serious) masquerade, which is then enjoyed from the (masculine) position of the viewer. Mary Ann Doane argues that masquerade, typically feminine, is effective “precisely in its potential to manufacture a distance from the image”35. The masquerade provides distance and difference between the female spectator and the feminine object she is viewing, but can also be compensatory for women in positions of phallic authority. 36 Isn’t something like this taking place in the staging of masculine masquerade in Eastern Promises and A History of Violence, where homoerotic enjoyment of masculine spectacle, a compensatory balancing out of masculinity and femininity, and the signifying of masculinity as an act are central? There is, moreover, a kind of literalness to the notion of imposed exteriors and exposed interiors in Eastern Promises: the imposed exterior is a violent story of masculinity that is literally written on the

34 Willeman, Paul (1981): “Anthony Mann: Looking at the Male”, in: Framework, 15-17 (Summer), pp. 16-20 quoted in S. Neale, 1993, p. 13. 35 Doane, Mary Ann (1982): “Film and the Masquerade: Theorizing the Female Spectator”, in: Screen 23 (3-4), pp. 74-88. 36 Cf. Riviere, Joan (1929): “Womanliness as a masquerade”, in: International Journal of Psychoanalysis 10, pp. 303-313.

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skin of Nikolai’s body, defining him as a subject through his appearance and his actions. When his interiority is exposed in the form of feminine social technologies, the interiority and its exposure feminizes him (like Max Renn in Videodrome or the Mantle twins in Dead Ringers), but it is not only the condition of interiority that is feminizing. The particular quality of his interiority – the “hidden” female social technologies that are suggested when he covertly provides help in a maternal manner – is itself also feminine. As such, Cronenberg achieves an intermingling of masculinity and femininity at the site of the male body that is highly complex. The “technologies of gender” that shift over and through gendered bodies are, on the one hand, masculine technologies and masculinity as technology, and on the other female interiority and femininity. Both are brought to the surface of male bodies and inextricably infuse masculinity in Cronenberg’s cinema.

The Desire that Cannot Speak its Name The Female Gaze and the Transgender Subject in Boys Don’t Cry A NDREA O CHSNER

I NTRODUCTION Kimberley Peirce’s highly acclaimed film Boys Don’t Cry, based on the true story of the brutal murder of Brandon Teena in Falls City, Nebraska in 1993, has received a great deal of critical attention from queer theory. The cinematic representation of a young transgendered1 man who paid with his life for not complying with gender norms has 1

I favor the term ‘transgender’ over ‘transsexual’ because even though Brandon has been generally conceived as a transsexual man, in my view the film offers an alternative reading of his gender identity. It does not become clear to what extent he would be prepared to undergo sex reassignment treatment, and the sparse information we get from the film implies that he is very reluctant to seek out the possibilities of such treatment. Furthermore, I agree with David Valentine who maintains “‘transgender’ can stand both as a description of individual identity and simultaneously as a general term for gendered transgressions of many kinds [which] makes it almost infinitely elastic”: Valentine, David (2007): Imagining Transgender. An Ethnography of a Category, Durham and London: Duke University Press, p. 39. See also Cromwell, Jason (1999): Transmen & FTMs. Identities, Bodies, Genders & Sexualities, Urbana and Chicago: University of Illinois Press, pp. 21-24, and Stryker, Susan (2008): Transgender History, Berkeley: Seal Press, p. 19, who opt for an equally open definition.

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been understood as a refreshing intervention into queer cinema, which for a long time restricted itself to depicting stereotyped versions of queer life. The stunning performance by Hilary Swank as Brandon Teena contributed to the authenticity with which the phenomenon of transgender came across to both general and academic viewers alike. This essay seeks to take issue with a particular instance of criticism that has been voiced in the academic discussion of Boys Don’t Cry2. Specifically, I intend to formulate a reply to the often-made claim that towards the end of the film, BDC transforms the intimate relationship between Brandon and Lana into a lesbian encounter.3 By tracing the instances in which Brandon’s identity is established, and by particularly working out Lana’s reaction to Brandon’s transgenderism, I will illustrate how BDC successfully keeps Brandon’s transgender identity intact. I will particularly focus on those scenes in which Brandon’s identity is being challenged by heterosexual normativity, and while generally respecting the sequential order of the scenes, in order to emphasize the coherence of my argument, my proceeding might not always correspond to the chronology of the film. My reading of the film ultimately suggests focusing on Lana’s female (heterosexual) gaze rather than on the attempted transgender gaze of the camera. By granting the female gaze its subversive potential we will see that in BDC the female gaze invariably recognizes its object of desire as what it desires to be, i.e. transgendered rather than female. Drawing on Judith Butler’s notion of instituting “new modes of reality” which evolve through “the scene of embodiment, where the body is not understood as a static and accomplished fact, but as an aging process, a mode of becoming that, in becoming otherwise, exceeds the norm, reworks the norm, and makes us see how realities to which we thought we were confined are not written in stone”.4

I will elucidate how Brandon’s transgendered body emerges under Lana’s approving gaze.

2

Boys Don’t Cry is abbreviated as BDC hereafter.

3

Cf. The Boys Don’t Cry Debate, Jackie Stacey/Sarah Street (2007 ed.):

4

Butler, Judith (2004): Undoing Gender, London and New York:

Queer Screen, London and New York: Routledge. Routledge, p. 29.

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Embodiment and the process of becoming are vital in BDC since Brandon’s abject female body becomes transgendered only under Lana’s gaze as he is otherwise read as bio-male, and after his disclosure, as an impostor, a lesbian freak who dons male garments solely to fulfill her ostensibly devious homosexual desire. My reading of BDC tries to do justice to Brandon’s transgendered identity, and I will shore up my argument by specifically taking recourse to the notion of female masculinity which galvanized all kinds of border wars between the lesbian and transgender community.5 Even though cultural texts such as BDC offer multiple readings – it is a truly ‘producerly’ text in a Fiskean sense6 – and it would be presumptuous to deny the film its lesbian subtext, I hope to offer substantial evidence to illustrate how BDC’s main protagonist is first and foremost transgendered. The textual exploration of BDC ineluctably challenges the viewer in her perception of naturalness. If we did not observe Brandon having his hair cut short in the opening scene; if we did not know that this handsome young man is actually female, would we ever become suspicious of Brandon’s drag performance? Could his nervousness not be simply put down to adolescent self-consciousness without infringing on gender norms? Normativity does not equal naturalness, or as feminist biologist Anne Fausto-Sterling terms it, “[t]here is no either/or. Rather, there are shades of difference.” 7 The dimorphism that embraces both sex and gender is not natural; it is normative. Norms

5

Cf. for example Rubin, Gayle (2007): “Of Catamites and Kings. Reflections on Butch, Gender, and Boundaries”, in: Susan Stryker/Stephen Whittle, The Transgender Reader, London and New York: Routledge, pp. 471481.

6

Fiske derives the producerly text from Barthes’ distinction between “readerly” and “writerly” text, the former inviting “an essentially passive, receptive, disciplined reader who tends to accept meanings as already made”, the latter “foregrounds its own textual constructedness and invites the reader to participate in the construction of meaning.” By implication, the producerly text is a text “whose writerly reading is not necessarily difficult” but “does not impose laws of its own construction.” Fiske, John (1998): Understanding Popular Culture, London and New York: Routledge, pp. 103-104.

7

Fausto-Sterling, Anne (2000): Sexing the Body. Gender Politics and the Construction of Sexuality, New York: Basic Books, p. 3.

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change, but only if the discourses about sex and gender take up on this and formulate such changes. So it then follows that we have a duty to see when a different way of conceiving sex/gender is articulated. Cultural texts proffer such instances of change, and cultural critics as readers and viewers of such texts should not exclusively submit their gaze to either the normative or most obviously subversive way of looking; BDC offers alternatives to both the heterosexual and the lesbian gaze. I venture to suggest that if one is prepared to radically call into question the regime of truth upon which Brandon’s unrecognized gender identity ultimately rests and for which he is killed in the end, i.e. if we deny the claim that a penis equals masculinity, we might manage to undo gender and to transgress the normative binary male/female to which the criticism of BDC has invariably fallen back on. In the Hegelian tradition, desire has always been linked with recognition, “claiming that desire is always a desire for recognition and that it is only through the experience of recognition that any of us becomes constituted as socially viable beings”8. If we acknowledge, i.e. recognize Brandon’s transgender identity rather than see him as a cross-dresser who wants to pass, and, maybe even more importantly, if the female gaze is given the benefit of the doubt, i.e. is perceived in the sense that it accommodates the masculine lover even though he allegedly lacks what is supposed to make a man a man, then Brandon, at least in the intimate moments he shared with Lana, leaves his closet and is loved for what he wants to be loved, his masculinity. To sum up, I read BDC as a rare example of a cultural text which employs a female (heterosexual) gaze recognizing its transgender object of desire. A second claim I am going to revoke in this paper is that the murder has been viewed as rooted in homophobia rather than transphobia. Linking this argument to my first claim made above, I will illustrate that the killing of Brandon Teena is motivated by transphobia, even if the perpetrators may not have the language to express their hate nor their desire to kill in these terms. John Lotter and Tom Nissen are unable to read Brandon’s gender identity. Consequently, he remains unintelligible and is therefore divested of his humanity because, as Butler claims,

8

J. Butler 2004, p. 2.

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“[c]ertain humans are recognized as less than human, and that form of qualified recognition does not lead to a viable life. Certain humans are not recognized as human at all, and that leads to yet another order of unliveable life.”9

Brandon is pathologized; he is a sick element in the communal body, which, at all costs, needs to be freed of its contaminating segments. This pathology, however, is rooted in a particular threat to malestream masculinity and only resorts to killing in the name of homophobia because it cannot name what it feels compelled to root out.

N EGOTIATING THE G AZE Judith Halberstam contends that while BDC successfully maintains the transgender gaze for a great part of the film, “Peirce suddenly and catastrophically divests her character of his transgender gaze and converts it to a lesbian and therefore female gaze.” 10 Lisa Henderson criticizes the film along similar lines, claiming that “[…] while most of the violence comes from those fictional others in the social world of the film, gender malevolence […], also comes from the film’s plot, particularly the romantic recuperation of Brandon as Teena in a late (and short-lived) rendering of his and Lana’s love affair as a lesbian relationship.”11

These claims make clear that Brandon’s transgender identity has been misread not only by his perpetrators, but by cultural critics, too.12 Even

9 J. Butler 2004, p. 2. 10 Halberstam, Judith (2007): “The transgender Gaze in Boys Don’t Cry”, in: Jackie Stacey/Sarah Street (eds.), Queer Screen, London and New York: Routledge, pp. 278-282, p. 280. 11 Henderson, Lisa (2007): “The Class Character of Boys Don’t Cry”, in: J. Stacey/S. Street (eds.), Queer Screen, p. 284. 12 In a more elaborate chapter on BDC, Halberstam’s criticism comes across as less severe as she emphasizes several times its potential to offer alternative ways of looking: “The success of BDC in cultivating an audience beyond the queer cinema circuit depends absolutely on its ability to hijack the male and female gazes, and replace them surreptitiously with transgender modes of looking and queer forms of visual pleasure.” Halberstam, Judith (2005): In a

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though the film is a fictive rendition13 of what happened in Nebraska in 1993, it offers a way of looking that can do justice to Brandon’s transgenderism. By reading the relationship between Brandon and Lana as a lesbian romance, Brandon is divested of his identity. In order to grant Brandon his masculinity, we have to shift our attention from the transgendered gaze of the camera to the female gaze of Lana. To be more precise, we have to ask ourselves “what constitutes a transgendered gaze?” I do not want to claim that such a gaze is impossible, but if we take Laura Mulvey’s14 conceptualization of the gaze as a point of departure, we have to acknowledge it is inextricably bound up with desire, which is either male or female, hetero- or homosexual. I am running the risk of undermining my own argument here, but terminological minuteness demands that sort of qualification, as it is difficult to think of a transgendered gaze in those terms – who gazes in a transgendered way? The subject who desires the transgendered body? The (transgendered) spectator? The camera? Even if we as spectators grant Brandon his transgenderism, are we truly capable of applying a transgender gaze? Halberstam convincingly argues that Brandon is perceived as transgender because there is a woman who recognizes him as such; “Brandon can be Brandon because Lana is willing to see him as he sees himself (clothed, male, vulnerable, lacking, strong, passionate),

Queer Time & Place. Transgender Bodies, Subcultural Lives, New York and London: New York University Press, p. 83. 13 In the discussion of BDC, it has often been criticized that the film only represents part of what really happened as it does not include the third victim of the killings, Candace’s black boy-friend whose bad luck to be in the wrong place at the wrong time cost him his life (cf. for example J. Halberstam 2005, p. 91). While I am aware of this omission and its importance from an ethnic perspective, I do not share the harsh criticism, because Peirce’s focus was on Brandon Teena’s life and the complex implications of his transgenderism. It would have been difficult to introduce this character into the film narrative. Secondly, such moral judgements complicate the nature of the film, which, despite the fact that it is based on real events, is after all a fictional text. 14 Mulvey, Laura (1999): “Visual Pleasure and Narrative Cinema”, in: Sue Thornham (ed.), Feminist Film Theory, Edinburgh: Edinburgh University Press, pp. 59-69.

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and to avert her gaze when his manhood is in question.”15 Lana accepts Brandon’s masculinity; she loves him for it and is attracted by it. Whereas at the beginning Lana desires what she believes to be a ‘proper’ man, i.e. is attracted by the masculinity performed by someone she believes to be a bio-man, her desire later transforms into one for the transgendered man. I would even propose reading Lana’s desire as transforming from one for the male into one for the masculine, detached from biological maleness. Brandon is a non-operative female-to-male/transgendered person, and the ways in which he is recognized as masculine rather than male is of crucial importance. When Brandon looks in the mirror – as he frequently does during the film – he can rest assured that Lana sees the Brandon he himself is looking at. She sees his neatly cut hair, his masculine facial expression, his flat chest, and his bulge in the crotch. Of course, what Brandon sees in the mirror only works as long as he is in possession of his clothes and accessories, and in order to maintain the transgender gaze, it is necessary for him to keep his clothes on in the first sex scene. “Lana can be naked without trauma while Brandon cannot and she can access physical pleasure in a way that he cannot; but he is depicted as mobile and self-confident in a way that she is not.” 16 While this observation is certainly correct as far as the filmic rendition of the love-scene is concerned, it also raises the question whether being more selfconfident because of holding on to one’s clothes in a first intimate encounter might be a fairly general phenomenon rather than a specifically transgendered one. I will come back to the first sex scene later, but I will first trace how Brandon’s transgendered identity is inaugurated and maintained throughout the film.

C ONSTRUCTING M ASCULINITY The first crucial scene in which Brandon’s identity is established from the outside is when he pretends to be Billy and goes ice-skating with a girl called Nicole. While they are cruising the ice-rink hand in hand, she remarks that he looks as if he were from somewhere else. He demands to know where she thinks he is from, whereupon Nicole replies:

15 J. Halberstam 2007, p. 280. 16 Ibid.

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“Somewhere beautiful”. Most critics have taken Nicole’s answer as testimony to Brandon’s otherness, if not other worldliness because of his good looks, the sort of looks that are considered to be handsome (if not beautiful) rather than attractive or very masculine. Apparently, Brandon looks like a member of a boy-group17 or maybe like a prince from a distant world. The question of origin plays a crucial role in BDC, and it obviously shares a lot of features with the genre of the road-movie. We often witness Brandon and his alleged friends in transit, driving down the highway, chasing another car or escaping from the police. Even though none of the protagonists are likely to escape their fate bound up with the white working-class trailer park they live in, the film is saturated with the idea of escape. However, we never actually see Brandon in a car on his own; he is either on foot or on a scooter, which suggests that in order to escape, he has to rely on others to do so. Very early on, we get the feeling that Brandon is out of place; he does not fit, either in gender or spatial terms. In the sequence that immediately follows the skating date, Brandon is escaping from Nicole’s brother and friends who run after him, shouting “you’re not going anywhere”. Here again, the notion of space serves as a metaphor for Brandon’s status of a gender outlaw. He cannot go anywhere because he will not be recognized for what he is. Even more crucially, he does not have a place of origin, at least not as the man he passes for in his new environment. In order to turn his life story into a coherent and believable whole, he has to invent a new family history (for which he also gets punished because he is not only considered a pervert, but a liar, too). The notion of space, which I suggest has both geographical and gender-related implications, is of crucial importance in BDC. The beautiful but non-existing place from which Brandon seems to originate is a space where gender norms do not stigmatize those who do not conform to the enforced binaries concerning sex and gender. He comes from somewhere where male and female are not the only options. This claim might of course be refuted by arguing that Brandon desires women and wants to be a man, and hence reinforces both heterosexual normativity, as well as the dichotomy male/female. To be

17 Cf. Noble, Jean Bobby (2004): Masculinities without Men? Female Masculinity in Twentieth-Century Fictions, Vancouver and Toronto: UBC Press, p. 147.

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fair, yes, he does cut his hair short, he does wear men’s clothes, and he tries to join in with all that he thinks “guys do round here”, but we cannot know which sort of masculinity he would like to adopt for himself. Surely it is wrong to equate any form of transgenderism with transsexuality, because it might not do justice to the person concerned. The term transsexual I understand to include all those who want to change their sex from either male to female 18 or female to male 19 , including hormonal treatment and sex reassignment surgery20. There are, however, many who do not go all the way, i.e. who either only undergo part of the transition or do not wish to be either hormonally or surgically reassigned at all. They might identify as masculine rather than feminine despite being born female, but still do not wish to alter their bodies. They might identify as neither masculine nor feminine or as both. There might be various reasons for this, and despite the fact that the high costs of SRS might possibly be an eminent factor to explain the reluctance to have surgery, we must not forget that there are people who choose to live in their unaltered bodies even though their appearance and gender performance might suggest otherwise. In other words, it is possible to live one’s life as man without a penis. It is possible to have a fulfilling relationship with a partner who appreciates the sort of masculinity that is not underlined by male sexual organs. Whereas Brandon’s gender identity can be understood as a version of what Halberstam21 terms “female masculinity”, it would be wrong to assume that Brandon’s masculinity figures on the spectrum of lesbian masculinity. As Halberstam and others have pointed out, the borderline between butch lesbianism and transgender, including FTM, is rather porous, Brandon’s behavior points in the direction of the latter rather than the former. S/he is not a woman-identified woman; he wants to love women as a man, and as long as nobody finds out that he was born female, he seems to get along fine. Brandon is a gambler, he gets excited by passing as a man, evidence of which we get in the scene on the ice-skating date mentioned above, and even more so when he comes back from Falls City with the inten-

18 Hereafter abbreviated as MTF. 19 Hereafter abbreviated as FTM. 20 Hereafter abbreviated as SRS. 21 Halberstam, Judith (1998): Female Masculinity, Durham and London: Duke University Press.

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tion to appear in court. He asks Lonny to let him stay at his house for the night and shows him a picture of Lana, telling him that he is intending to marry her. Lonny is dismissive of the idea, asking: “Before or after your sex change? Before or after you have told her you’re a girl?” Brandon does not react to his reference to his biological sex, saying: “It’s different. It is working”. Brandon thinks that his desire (to be masculine and to love Lana) is recognized, and I take this utterance as an indicator that Brandon does not necessarily want to change his body in order to comply with what is perceived as male. I prefer to call him transgender rather than transsexual to emphasize his masculinity more than his success at passing as a man. Apparently, Brandon is still confident that he can perform his masculinity without the help of medical science. He wants to be recognized as masculine, but whether he wants to become a man in the female to male-transitioning sense does not become clear. The only comment we get in this respect is when Lonny asks him about “those doctors”. Brandon replies: “It’s insane. You gotta see shrinks, shoot hormones up your butt and it costs a fortune – I’ll be an old man before I can afford that.” Brandon seems highly dubious of the means and measures that have to be taken for SRS, and I would argue that he does not necessarily want to transition, but simply to live his masculinity without being pigeonholed as a lesbian.22 From the above quotation, it becomes clear that Brandon considers himself a man, and as far as he is concerned, he is one without hormone treatment or surgery. We must not assume that he cannot feel masculine the way he is, it is his environment, which forbids him to feel like a man because there only exists one version of manhood, even of masculinity, and that is the one of a bio-man. Brandon’s difference is not recognized; it is invisible at first, and after the brutal disclosing scene he is subjected to, his otherness is put down to mere freakishness. We remember, at this stage, he has passed a couple of important “initiation” rituals already; he has been in a fight and has got himself, as John declares admiringly, “a shiner”, he has been bumper-skiing,

22 As J. Halberstam 1998, p. 144 has claimed, the line between lesbian masculinity and FTM can be a rather narrow one, but that does not necessarily mean that if the FTM option is out of the question, the only identity category to hold on to is butch lesbianism (which does not make much sense in Brandon’s case anyway, because he lacks the butch lesbian style and would probably fit the category of ‘boi’ much better).

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and he has joined in with Tom’s and John’s masculinist chauvinism at the karaoke bar. However, even though Brandon might have experienced some brief moments of inclusion, he is constantly reminded that he does not really belong anywhere. When he wakes up at Candace’s place after their drunken party the night before, he has no idea where he is. He calls Lonny because he is afraid of the impending trial for fraud for which he is supposed to be back in Lincoln. Lonny asks him where he is, and Brandon finds a local newspaper. When Lonny learns that Brandon is in Falls City, he says: “That’s not even on the map.” It is quite paradoxical that Brandon should meet his end in a place that does not really exist, for such a place might be ideal for somebody whose gender identity is not accounted for, as far as the reactionary, white-working class population he finds himself in is concerned. He comes from somewhere unknown and goes to a place that cannot be traced. Does he exist at all? When Brandon and Lana meet for the first time at a karaoke bar, Lana rather aggressively asks: “Who are you?” Even though it seems natural that Lana wants to know who he is – she wants to know his name – on a different plane, we can read Lana’s inquiry as a suspicious anticipation of the tragedy that is to follow. Lana recognizes Brandon is different, but she does not know yet in what way. Brandon’s social identity is highly ambiguous. Interestingly enough though, his otherness is at times misread as male homosexuality as he gets called “faggot” a couple of times. People sense that there is something queer about Brandon, but, given their highly normative gender system according to which people are either male or female, heterosexual or homosexual (and if the latter is the case, you are bound to suffer for your deviance), completely fail to read Brandon’s identity. Brandon has a clear notion of his self-identity though; he knows he is neither a woman nor “a dyke”, but he also knows that his version of masculinity cannot be perceived by his environment – his social identity is threatened, he is not recognized, he is from noman’s-land, as beautiful as it might be.23 It is not his otherness that cannot be recognized, but his specific otherness, an otherness that transgresses the heteronormative regime that is rigidly imposed by the conservative American society in the Midwest. It is his good looks, as un-

23 I borrow the concept of “no-man’s-land” from J.B. Noble’s study Masculinity without Men? (2004), in which she analyzes the phenomenon of queer masculinities in a number of fictional texts, including BDC.

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conventionally masculine as they may be, that save him from exposure at the beginning of the film.

D ESIRE

AND

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I would like to come back to the first meeting between Brandon and Lana at the karaoke bar, a place where people pretend to be somebody else. Lana pretends to be a singer, while Brandon pretends to be a man. The analogy between these two quite different performances not only hints at the boundaries they want to cross – Lana the class system and Brandon the gender divide – but is taken up by the narrative later on when Brandon tucks Lana in at night and expresses his admiration for Lana’s alleged musical talent. “I couldn’t sing to save my life” Brandon says, a casual remark that sounds rather trivial, but emphasizes the similarity between the two predicaments Lana and Brandon are in. Lana cannot sing as well as she should to make a career as a singer, which would enable her to leave the trailer park; Brandon cannot perform his part to keep up the charade and remain unharmed. It is also quite interesting that when Brandon and Lana start making plans together, she asks him whether he really thinks she could do it, i.e. make a career as a singer. Brandon answers in the affirmative, because Lana’s pretence must also include recognizing Brandon’s masculinity even though he is not a genetic man. At the party Lana, Candace, John and Tom take him to after their first encounter at the karaoke bar, Lara assumes that Brandon has smoked too much “pot”, because he mixes up several places in the US (another indication of how important the space metaphor is in the film). When he retorts that he had not taken any, Tom replies: “People like you, you don’t need any drugs. You just hallucinate twenty-four hours a day.” It seems as if Tom somehow senses that Brandon does not fit, even if he is oblivious to the exact reasons and therefore dismisses Brandon as a hopeless dreamer. There is one scene that actually portrays Brandon as a dreamer. Early in the film, Brandon dresses in front of the mirror after taking a shower. Julianne Pidduck draws on Peirce’s comment on the opening scene, emphasizing the fact that because Brandon was ultimately going to be killed for not being understood, she had to introduce him in a way that was “universally understandable”, which in her view is the ritual of standing in front of

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the mirror getting ready.24 I think this is a vital piece of information, as Brandon spends quite a lot of time in front of mirrors, reassuring himself of his masculine looks. What might disturb the average viewer in the scene I mentioned, though, is the fact that he engages in a rather odd mix of acts and gestures. He attends to his hair, binds his breasts, inserts a tampon, puts on a pair of Y-fronts and stuffs them with a pair of socks. We get the impression that he is used to handling all his garments and accessories, except when he inserts the tampon; then his face betrays his disgust at the unwanted evidence of his biological femaleness. When he has finished getting ready, he seems to be rather pleased with what he sees in the mirror, but he immediately ridicules his self-satisfaction by saying “I’m an asshole”. Does this selfdeclamatory remark refer to his narcissism, or to the fact that he makes himself believe he can hide his female body forever? This is clearly an example of the Lacanian split that ensues once the subject has realized that the fragmented self does not correspond to the perceived whole in the mirror. In Brandon’s case, there is a double-split; he not only experiences that he is different from what he thought he was, but also from what “she” is expected to be. Does he fear that Lana might see through his drag? Butler’s elaboration on the splitting of desire sheds some light on Brandon’s predicament, claiming that “[w]hat desire also wants is the Other’s desire, where the Other is conceived as a subject of desire […] It is not that I want the Other to want me, but I want to the extent that I have taken on the desire of the Other and modelled my desire after the Other’s desire.”25

The question that arises from this triangulation of desire is whether at the end, the Other’s desire refers to what the subject of desire desires or desires to be. Assuming the latter, then it would make sense to claim that Brandon’s transness emerges when he makes love to Lana, who, as a heterosexual woman, desires her lover to be masculine, so consequently Brandon desires to become what Lana desires.26 This assumption makes

24 Pidduck, Julianne: “Risk and queer Spectatorship”, in: J. Stacey/S. Street (eds.), Queer Screen, p. 266. 25 J. Butler 2004, pp. 137-38. 26 It is important to note that Lana’s heterosexuality is not threatened by wanting a non-bio man; such an argument would be evidence of biological

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all the more sense if we take into account what Butler maintains earlier in the same chapter, when commenting on Jessica Benjamin’s work, that recognition “takes place through communication, primarily but not exclusively verbal, in which subjects are transformed by virtue of the communicative practice in which they are engaged”.27 Michele Aaron contends that Lana knows that Brandon is not a man after their first sexual encounter. “That she subsequently lies to her (female) friends, saying that following sex she and Brandon took off their clothes and went swimming testifies to her wittingness. Lana definitely knows. And she knows to keep it quiet.”28 I venture to claim that it is far from clear that she “definitely knows”, and even if she did, that would not necessarily imply that she did not go on perceiving Brandon as a man. Both the way their lovemaking scene is filmed and how she relates her intimate encounter with Brandon to her friends in the scene that follows imply that she is satisfied if not carried away by what she has experienced. Butler maintains “[t]he girl lover seems not to know, but his is the not-knowing of fetishism, an uncertain ground of eroticization. It remains unclear whether the girlfriend does not know, even when she claims that she does not, and it is unclear whether she knows even when she claims to know.”29

Brandon’s otherness enforces Lana’s excitement, and it does not really matter whether that otherness is perceived to transgress the sex/gender binaries. It is certainly true that there are a number of moments that are quite ambiguous. Quite a few critics have commented on the splitsecond during which Lana gets a glimpse of Brandon’s cleavage which has then been read as an indicator that Lana at least suspects that she is making love to a woman – or as I would prefer to term it – a non-bioman. I think we should consider this incident more carefully. The moment during which Brandon’s cleavage is exposed is very short, and even though it becomes visible, we should not assume that

essentialism, which transgender studies ought to repudiate at all costs. By saying this, however, I am aware that this qualification (which one?) does not necessarily apply to avowed transsexualism. 27 J. Butler 2004, p. 132. 28 M. Aaron 2007, p. 261. 29 J. Butler 2004, p. 142.

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Lana ‘found out’ solely on the basis of this sight, i.e. we should not fall into the trap of essentializing the intimation of breasts into femaleness. Brandon’s cleavage might have other reasons than biological ones and might simply be perceived as muscular chest, which has a similar effect if somebody is lying on top of their partner. Even if Lana suspects – a claim which has been underlined by referring to the way she gingerly touches his crotch and caresses his hairless chin – that does not mean she ceases to perceive Brandon as a man. For all we know, he has pleasured her, orally and/or with a prosthetic penis, and she feels desired and pleasured as a woman by a man who knows how to treat her. Whether the pleasure she received is from a ‘real’ penis, that is, one that is attached to the body or from a penis substitute does not really matter. It is neither a question of whether Lana ‘knows’ – for what is there to know? It is important, however, that she recognizes Brandon in her desire for the Other; Lana desires Brandon because he is masculine, confident about his own sense of being masculine. This is what I believe Butler terms “the not-knowing of fetishism, an uncertain ground of eroticization”30. This, in my view, reintroduces the issue of class, as Lana may desire Brandon precisely because his masculinity differs immensely from the adolescent macho masculinity the lower class men around her are prone to display. This may take things a bit far, but I am tempted to claim that whereas Brandon may not have a real penis, Lana senses that his transgender masculinity is endowed with a phallus. When John first sets out to investigate how far Lana and Brandon’s relationship has developed, he tries to play down Brandon’s masculinity, referring to him as a “wuss”. Lana replies: “He’s not a big he-man like you.” With her choice of words, Lana unwittingly forecloses Brandon’s way of explaining his condition when she visits him in the women’s block of the prison, referring to being born with boys’ and girls’ parts, i.e. implies that he is a hermaphrodite, which is not true, at least not if one took an anatomical inventory. But as explained above, Lana accepts that there are different versions of masculinity, including the sort of aggressive masculinity John seems to ascribe to, as well as Brandon’s sensitive and rather boyish masculinity. When Brandon gets more and more anxious about telling his genderqueer tale, Lana retorts: “You don’t have to tell me, that’s your business. I don’t care

30 J. Butler 2004, p. 142.

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whether you’re half monkey and half ape, I’m getting you outta here.” I would claim that at this point, Lana has not only understood that Brandon is not what she thought he was at the beginning of their courting, but she has likewise grasped that Brandon is masculine none the less. The gender segregation in the prison is rendered meaningless, because it just accommodates bio-males and bio-females. There is no place for Brandon there; he is from a place that does not exist, and staying in a place that cannot accommodate him, because he defies the categories endorsed by the gender police. Brandon’s relying on medical discourse to explain his condition is rather interesting in the sense that he seems to be aware that he has to fall back on the discourse that recognizes him as different in the more clinical sense. Just as he refers to his condition as hermaphroditic in the prison scene, in the interview with the sheriff after the rape he claims that he is suffering from “a sexual identity crisis”. In order to be understood – even though his attempts are in vain – as the oppressed it is necessary to speak in the language of the oppressor; Brandon is being pathologized. “Sexual identity crisis” or “gender disphoria” are terms to describe a deviant sexual condition in both the legal and medical discourse. However, these terms imply a pathological state and simply account for the fact that the person in question does not comply with gender normativity, i.e. s/he does not identify with the sex s/he was assigned at birth. That does not mean s/he thinks there is something wrong with her/him. Brandon only suffers from this sort of crisis, because his personal sexual identity does not fit into the categories endorsed by normative gender discourses, and Lana is the only person in BDC who truly recognizes Brandon’s predicament. She believes Brandon is a man, which becomes clear when Brandon is first being interrogated by John, and Lana pleads to check on Brandon’s sex and then report what she has “seen”. They retreat to the intimacy of her bedroom where Brandon is struggling to open his pants, but Lana stops him saying: “You don’t have to, I know you are a guy.” Lana knows that she would not get to see anything she could sell to Brandon’s perpetrators as “male”; however, she is convinced of Brandon’s capacity to feel masculine – and what is more – to make her feel she is with a man. Brandon is recognized as a man by his significant Other, but he is obviously going to fail the test with those who refuse to read his alternative and idiosyncratic version of masculinity.

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What follows is a scene that has received a big deal of consideration, partly because of its cruelty, partly because of its fantastic miseen-scène.

U NRECOGNIZED M ASCULINITY As Lana and Brandon leave the sanctity of Lana’s bedroom, Brandon gets brutally shoved into the bathroom (as Halberstam and others note31, the ultimate space of gender segregation). Tom restrains him while John is busy getting Brandon’s pants down. Once Brandon’s genitalia are exposed, they examine his crotch, disgusted by what they see or rather do not see. In their eyes, Brandon is an impostor, a liar, a freakish cross dresser, a lesbian who disguises herself as a man to seduce women. They literally want to get at the bottom of things, at what they believe is the truth, because seeing is believing. They force Lana on her knees to have a good look at her “boyfriend’s” genitals. This scene might come to mind when watching a more recent film, XXY, by the Argentinean film director Lucia Puenzo, which contains a similar revelation scene, marked by utter ruthlessness and disrespect for the Other. Alex, the intersexed protagonist of the film has been raised as a girl but apparently has both female reproductive organs and male genitalia. Her condition has been a secret until she makes the mistake of telling her best (male) friend, who, when they are having a tiff, tells some other boys about Alex’ gender ambiguity. They track her down and submit her to a rough examination reminiscent of Brandon’s disclosure in BDC during which Alex’ penis is discovered. The difference between the two films, however, apart from the fact that in Brandon’s case his pretending to have a penis is viewed as a crime, whereas Alex’ genitalia are examined out of mere curiosity, is that Alex’ tormentors see something they did not expect – a male penis – whereas Brandon is punished for his lack of a penis. So whereas in BDC, those who subject Brandon to their harsh treatment express

31 See J. Halberstam 1998, pp. 20-29; Munt, Sally R. (1998): Heroic Desire. Lesbian Identity and Cultural Space. New York: New York University Press, pp. 76-80; Browne, Kath (2004): “Genderism and the Bathroom Problem: (Re)materialising sexed Sites, (re)creating sexed Bodies“, in: Gender, Place and Culture 11.3, pp. 331-346.

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nothing but disgust, in XXY one of the boys peering at Alex’ maleness cannot hide his fascination with the queer body he is looking at: “It’s great. She has both.” So it seems that in a male dominated, patriarchal and conservative world to which probably both the American Midwest and rural Uruguay where XXY is set belong, it is worse to pretend to have a penis than to hide one. In the former case, the male organ, at least it seems, is attached to the body where it belongs. To sum up my argument, Brandon is exposed as a liar, his lack of a penis being the evidence of a condition that has no name in the social context he is placed in. In this respect, there is one thing that has gone unnoticed so far and to which I want to draw attention. Brandon’s disclosure has happened much earlier than in the bathroom scene. Let me remind the reader of the scene that precedes this climactic moment of the film. Tom and John got the ‘truth’ out of Candace and storm to Lana’s house in search of ‘evidence’ of Brandon’s despicable behavior. John ransacks Lana’s room and empties Brandon’s duffle bag, the contents of which make him lose his nerves completely. What he sees lying on Lana’s bed, apart from a leaflet on transsexuality, is a penis, the very symbol of masculinity, detached from its natural body (i.e. a fake penis). I would argue that what enrages John most is not necessarily the fact that Brandon uses the prosthetic penis to mislead women, but that he denaturalizes the male sexual organ. In his eyes, heterosexual masculinity, the only version of masculinity that exists in John’s gender system, is degraded to an object, a lifeless piece of plastic that can be stuffed in a bag. The male penis is divested of its power, mocking all those natural penises that are attached to their legitimate bodies. I would therefore argue that Brandon does not get punished for misleading Lana, her family and friends as to his ‘true’ sexual identity, but foremost for dismantling, for literally taking apart the natural, male body, and it is the sheer fear of losing his masculinity based on what he sees displayed on Lana’s bed that ultimately drives John to sexually assault Brandon after the disclosure scene in the bathroom. Before I discuss the rape scene in more detail though, I would like to summarize my reading of the bathroom scene. As Foucault and Butler claim, discourse is always already inscribed on the body. When John first questions Brandon, he claims that he is most worried about the name that was published in the paper reporting on Brandon’s arrest, and this name is an inversion of what they believed to be his name; it is not Brandon Teena, but Teena Bran-

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don. Brandon’s female status is established in this scene, his lack of penis just reaffirming his female name. The lack of penis is already inscribed in the name; it is the name that is inscribed on Brandon’s body that makes him female and unmasks him as counterfeit. By reversing his name and by endowing the reversal with a fake penis, he has plunged ‘natural’ masculinity in a crisis, which then obviously has to be reinstated in the rape scene. Concluding from the above, I suggest reading the vulgar exposure of Brandon’s sexual identity as well as the rape to which he is subsequently submitted as a desperate act to stamp out the possibility of transgenderism. Brandon is not punished for being a lesbian, having ‘unnatural’ sex with women, but for reinventing masculinity in a form that threatens to castrate those who believe there is only one version of it, that performed by a heterosexual bio-man. Brandon’s transness is not recognized as such, but as a threat to heteronormative masculinity, even if those concerned do not have either the terminology to describe it or the understanding of what transgender means and mistake it as lesbianism. It is Brandon’s queer otherness at which especially John’s rage is directed, his audacity to muddle up clear-cut boundaries. It is not the inversion, but the transgression of the male-female dichotomy that seals Brandon’s tragic fate. By undoing the gender dichotomy, he forces his surroundings to ‘unknow’, to re-inscribe gender normativity and reinstate what they believe to be their own sexual identity. What happens in the rape scene underlines my argument, if one accounts for what happened in the real events as shown in the documentary The Brandon Teena Story 32 , where it becomes clear that John could not carry out the sexual assault ‘properly’, because he could not get an erection. This fact, which is supported by the interview conducted with John Lotter in prison, implies that he could not go all the way because he was not having intercourse with a proper woman but with a transgendered man, who himself was in the habit of penetrating women, albeit with an artificial penis. Lotter’s inability to penetrate Brandon whiffs of homophobia, as it can also be read as an instance of heterosexual panic; the ‘normal’ man fears being turned on by another man. Lotter’s erection problems do not become visible in the filmic rendition of the rape scene, it is however Tom’s act that is depicted

32 The Brandon Teena Story (1998) (USA, R: Susan Muska and Gréta Olafsdottir).

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more clearly and even more brutally than John’s. When he takes his turn to rape Brandon, he puts him over the bonnet, entering him from behind, which implies that despite his knowledge that Brandon has a vagina, he might be engaging in a less straight version of intercourse. Tom’s anger makes it clear that he wants Brandon to be put in his/her right place. However, the way the act is carried out also leaves room for interpretation as to the nature of his/her place, as he could likewise be punished for posing as a man, triggering a homosexual response. What is striking and what likewise reinforces my argument is the fact that despite their disgust and rage, both John and Tom still treat Brandon with a certain kind of man-to-man laddishness; they beat him up, refer to him as “buddy” and claim to still be friends despite everything that has happened. So whereas I agree with John Philips that the rape should partly be seen as reaffirming John’s masculinity, I do not think that it is “a symbolic re-imposition by force of the feminine gender on Brandon”33 – what John and Tom force Brandon to feel painfully is his lack of masculinity embodied by the penis which they as bio-males possess and Brandon as transgender man does not. What they show him in an unmistakable and most brutal way is what ‘real’ men can do whereas what Brandon, as a castrated male can never achieve. They are forcing another person to have penetrative sex with a penis that is naturally attached to (as opposed to merely strapped on) the body that violates another.

R ECONSTRUCTING M ASCULINITY In the last part of this paper, I would like to discuss the final lovemaking scene between Lana and Brandon. After Brandon has been raped and beaten up by Tom and John, he seeks refuge with Lana. He has no other place to go, but Lana’s mother turns him away, refusing to have “it” in the house. Lana arranges for Brandon to hide at Candace’s, where she joins him shortly afterwards. They reassure each other that their “dream” is still possible and start making love. Lana’s statement that she is not sure how “to do this” has often been read as Lana’s awareness of making love to a woman rather than a man, “it” denoting

33 Phillips, John (2006): Transgender on Screen, Basingstoke: Palgrave Macmillan, p. 143.

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lesbian sex. In short, this particular scene has been read as lesbian in nature, “this” referring to Lana’s insecurity as to how to make love to a woman. In contrast, I suggest reading the scene in terms of the singing/passing analogy mentioned above. Whereas Lana first thinks she is getting intimate with a bio-man, she now knows that his body morphology and gender identity are at odds. But that does not necessarily imply that she does not recognize him as masculine anymore or interprets their imminent lovemaking as intimacy between women, i.e. lesbians. She does not know how to make love to a transgender man, because even though she understands Brandon’s gender/sexual identity, she has no name for “this”. However, Lana’s knowledge of the absence of a penis does not necessarily mean that she thinks she is going to make love to another woman. Neither does her question whether Brandon used to be a “girly girl” hint in that direction, because she is fully aware of the fact that Brandon has undergone a transition, even though this transition did not alter his body morphology. As I claimed at the beginning, in this scene she knows that she is not with a bio-man, but with a transman. Brandon’s readiness to make love to Lana has been questioned by Halberstam, asking “why would Brandon want to have sex within hours of rape?”34 I agree that in a way it seems highly unlikely that anyone who has been abused in such an appalling and excruciating way would want to make love shortly afterwards. However, I think that Brandon engages in lovemaking so readily precisely because he has been raped. Being divested of his masculinity by being forced into a heterosexual, penetrative sex-act in which he is forced to embrace his biological femininity, he has to reconstruct his masculinity by making love to the lover who perceives him as a man. Lana’s interjection of not being sure how to do “it” does refer to making love to a man who has no penis, it does not refer to making love to another woman – let me remind the reader that when Lana and Brandon have sex for the first time, Lana is not aware how she is being penetrated; she could not tell the difference between a real and a prosthetic penis. Therefore, Halberstam is misled in claiming that Brandon is “allowing his femaleness […] to become legible and significant to Lana’s desire” 35, or as she does elsewhere:

34 J. Halberstam 2007, p. 281. 35 Ibid.

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“Ultimately in Boys Don’t Cry, the double vision of the transgender subject gives way to the universal vision of humanism; the transgender man and his lover become lesbians, and the murder seems to be simply the outcome of a vicious homophobic rage.”36

Philips interprets their final lovemaking scene in even less differentiating terms, claiming, “once Brandon confesses his true sex to Lana, both immediately begin to view their sexual attraction in lesbian terms”.37 Apart from the fact that Philips is simply wrong in assuming that such a disclosure has taken place, he seems to overlook the complexity of the encounter between Brandon and Lana. I think the film’s success lies exactly in Lana’s flexibility to read and readjust Brandon’s gender identity. Brandon and Lana are such authentic characters because they grant both their gender identity and their desire a certain degree of fluidity; therefore claiming that Brandon’s ‘true sex’ is exposed simply misses the point. There is not one single instance in the film in which Lana expresses her confusion, i.e. she acknowledges Brandon’s masculinity at the beginning of their relationship and seems ready enough to accommodate to various versions thereof. Similarly, Brandon’s desperation at the end of the film does not stem from being forced to acknowledge his alleged lesbianism, but from not having been able to maintain his disguise in order to protect himself. Claiming that transgenderism has given way to lesbianism does not pay credit to the film’s subversive potential. Such a reading leaves normative gender boundaries intact and does not provide any space for the ones who are gendered otherwise; it unqueers the nature of Brandon and Lana’s relationship. What Lana desires is not Brandon’s femaleness endorsed by his female genitals, but his transgender masculinity that does not necessarily have to be reaffirmed by the presence of a penis. Brandon trusts Lana to the extent that she is now allowed to touch him, which does not imply that he has been pushed into the place he belongs, i.e. that of a lesbian, desiring another woman. Both Brandon and Lana, despite Brandon having been raped by those who want to allocate the ‘right’ label and the ‘right’ place to those who do not comply, are successful in maintaining their relationship, which is one between a heterosexual woman and a transgendered man. In the end, Brandon is

36 J. Halberstam 2007, p. 91. 37 J. Philips 2006, p. 140.

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not killed for being a lesbian who pretended to be a man because, as Philips claims, transsexualism “is less threatening to male heterosexual identity”38, but for being a transman who dares question the naturalness of the (heterosexual) male body, including the penis. Even though his transness is not legible to his killers to its full extent, it is recognized as otherness that transgresses both the hetero- and homosexual divide and consequently is erased, for it cannot be named.

38 J. Philips 2006, p. 143.

The Materiality of Men, Bodies, and Towards the Abolition of ‘Men’ J EFF H EARN

For some decades now, the media, marketing and advertising industries have been full of “discoveries” of “new man/men”, “new lads”, the “metrosexual”, the “retrosexual”, the “pomosexual”, the “übersexual”, the “urban playboy”, the “hipster”, “soft lads”, “metropolitans”, “spurmos” (single proud unmarried over thirty), “himbos” (cf. “bimbos”), “mimbos” (male instant messaging boy), as well as “mandom” (cf. “girlpower”, “grllpower”), “manbags” “manscaping”, “bromance”, and “menaissance”.1 Such commentaries are of interest, but they are cultural in its limited sense, and rarely recognize the complexities of men, gender, power and material bodies. In contrast, in this chapter I address the theme of “bodily matters” in relation to debates and positions that I have found to be important in seeking to develop Critical Studies on Men and Masculinities2, and specifically, the materiality of men. First, one of the problems and paradoxes is: how are men to speak differently, in relation to women and feminism, bearing in mind that men’s voices have not been at all quiet, historically, politically, culturally. Meanwhile, feminists, even with a clear focus on women’s situation, have almost always been making analyses of men, indeed have had to do so, operating in a patriarchal world. There has always been a question of what to do with men. Indeed, men’s relations to feminism are always problematic – there is always a gap, a gap between men and

1

Braddock, Kevin (2010): “From lad to 4D man”, in: G2 The Guardian from 12/11/2010, pp. 8-11.

2

Hereafter abbreviated as CSMM.

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feminism.3 So, one question is how to name men and critique men, without that making the space for men to make more noise!

C RITICAL S TUDIES

ON

M EN

AND

M ASCULINITIES

The growth of interest in the critical study and theorizing of men and masculinities has derived from several, not always compatible, directions and traditions. First, there have been various feminist critiques of men. Second, there have been critiques from (male) Gay Studies and Queer Studies. Third, there have been some men’s specific and explicit responses to feminism. These include those that are specifically pro-feminist or antisexist; there is also work that is ambiguous in relation to feminism or even anti-feminist in perspective. In addition, there are the influences of poststructuralism, postmodernism, postcolonialism, STS (Science and Technology Studies), ‘posthumanism’ and ‘new materialism’. These critiques together make up Critical Studies on Men and Masculinities; they bring the theorizing men and masculinities into sharper relief, making men and masculinities explicit objects of theory and critique. In some senses there are as many ways of studying men as there are versions of social science, ranging from masculine psychologies to societal structural analyses; from ethnographies of men’s activity and constructions of specific masculinities in discourses to analyses of men in global contexts. My own approach argues for interdisciplinary Critical Studies on Men and Masculinities4 that are historical, cultural, relational, materialist, deconstructive, anti-essentialist studies on men.5 The notion of men is not to be essentialized and reified, or derived from a fixed,

3

Cf. Hearn, Jeff (1992b): “The personal, the political, the theoretical: the case of men’s sexualities and sexual violences”, in: David Porter (ed.), Between Men and Feminism, Routledge, London/New York, pp. 161-181.

4

Cf. Hearn, Jeff (1997): “The implications of critical studies on men”, in: NORA. Nordic Journal of Women’s Studies 5.1, pp. 48-60.

5

Cf. Hearn, Jeff/Pringle, Keith, with members of Critical Research on Men in Europe (2006): European Perspectives on Men and Masculinities: National and Transnational Approaches, Houndmills: Palgrave Macmillan; Connell, R.W./Hearn, Jeff/Kimmel, Michael (2005): “Introduction”, in: Michael Kimmel/Jeff Hearn/R.W. Connell (eds.), Handbook of Studies on Men and Masculinities, Thousand Oaks, CA: Sage, pp. 1-12.

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inner core or traits, as is proposed in some Men’s Studies. CSMM are: on men; explicitly gendered; critical; by women and men, separately or together. Such a framing more accurately reflects the nature of contemporary work, which is inspired by, but not simply parallel to, feminist research on women. Studies of men and masculinities, critical or otherwise, are no longer considered so esoteric. They are established, if rather tentatively, for teaching and research. While these studies have examined boys’ and men’s lives in schools, families, management, the military and numerous other sites, many aspects remain relatively unexplored, especially at the transnational level. As research has progressed, it has become more complex, less concerned with one ‘level’ of analysis, and more concerned to link together previously separated fields and approaches. While not wishing to play down debates and differences between traditions, the broad, critical approach to men and masculinities developed in recent years can be characterized by: • • • •



• • •

a specific, rather than an implicit or incidental, focus on the topic of men and masculinities; taking account of feminist, gay, and other critical gender scholarship; recognizing men and masculinities as explicitly gendered rather than non-gendered; understanding men and masculinities as socially constructed, produced, and reproduced rather than as somehow just ‘naturally’ one way or another; seeing men and masculinities as variable and changing across time (history) and space (culture), within societies, and through life courses and biographies; emphasizing men’s relations, albeit differentially, to gendered power; spanning the material and the discursive in analysis; interrogating the intersecting of the gender with other social divisions in the construction of men and masculinities.

AUTOBIOGRAPHICAL /M ATERIALIST R EFLECTIONS I became consciously interested in feminism, gender equality and sexuality politics in the 1970s. I usually begin this story in 1978; I was living with my then partner and three young children, very concerned about the many messages of feminism, and particularly conscious of most men’s

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avoidance of care for children. Indeed most men who seemed sympathetic to feminism then seemed to me to be unconcerned about the labor of child care. From this, I became involved in founding two groups centrally concerned with social change around gendered power relations: one a mixed-group campaigning for more provision for children underfive, their mothers and other carers; the other, a men’s group that was broadly, though not always, anti-sexist, and focusing on consciousnessraising. These and other similar personal-political initiatives became my political home; I have been involved in numerous anti-sexist, profeminist campaigns, groups and activities since. But the apparent beginning point is perhaps a little arbitrary; I could begin the story when I was five or six or seven. At five I went to a mixed primary school; my best friends there were three girls. Two years later I left that school and went, as was usual then, to the local all-boys junior school; that’s the last I saw or heard of them. I was not so keen on the way the ‘big boys’ played. Or I could begin by talking about my admiration for my Victorian-style great-grandmother, or doing my final degree exams in May ‘68 or reading the SCUM Manifesto on holiday in Wales in the early 1970s, or ... . I have long been informed by materialism, in thinking of the materiality of men. Perhaps stemming from my working class cultural background, I have consistently been aware of economic class, and am dismayed when generalizations about bourgeois men are applied to all men. Materialism has often been equated with the economic (mechanically, or dialectically), specifically with labor-based, technological production and its products, as within economistic marxism. A materialist approach to men has thus often been interpreted as men’s relations to economic class, work, production, and the economy. But equally important are men’s relations to care, reproduction (in the very broadest sense), and embodied existence. As such, this involved from the start a critique of the limited (productive) materialism of Marxism, as usually conceived. 6 Indeed Marx himself embraced two very different, contradictory versions of even reproductive materialism: a biological naturalism, and as a first social oppression.7

6

Cf. Hearn, Jeff (1987): The Gender of Oppression: Men, Masculinity and the

7

Cf. Hearn, Jeff (1991): “Gender: biology, nature and capitalism”, in: Ter-

Critique of Marxism, Brighton/New York: Wheatsheaf/St. Martin’s Press. rell Carver (ed.), The Cambridge Companion to Marx, New York: Cambridge University Press, pp. 222-245.

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Various, often non-gendered approaches to materialism and marxism have been critiqued and developed in a very wide range of marxist feminisms, materialist feminisms and socialist feminisms. These include those focusing on biology, the domestic mode of production, kinship, family, economic systems, “the politics of reproduction” 8 (biological reproduction, care of dependent children and care more generally), “sex-affective production” 9 (the production of sexuality, bonding and affection as core processes of society), sexuality, and various combinations thereof. In different ways, such approaches tend to either analyze the relations of economic class and gender relations in employment, the family, sexuality, or draw parallels between economic class and gender/sex class, or focus on materialism as gendered reproduction or highlight the materialism of the body. After all, we are bodies, material bodies! Some of these materialisms may turn marxism upside down. Since the 1980s various feminist materialisms and radical feminisms have influenced my own attempts to develop a materialist analysis of men, particularly the recognition of bodily materialism and seeing sexuality as material (as what people do rather than what people think). I have long seen materialism as including (so-called productive) labor/work, biological reproduction, housework, violence, sexuality, bodily generativity/degeneration, and culture/ideology/discourse. In the 1980s Annie Leclerc wrote: “One must not wage war on men. That is his way of attaining value. Deny in order to affirm. Kill to love. One must simply deflate his values with the needle of ridicule”10; Luce Irigaray claimed: “The bodily in man is what metaphysics has never

8

Cf. O’Brien, Mary (1981): The Politics of Reproduction, London: Routledge & Kegan Paul.

9

Cf. Ferguson, Ann/Folbre Nancy (1981): “The unhappy marriage of patriarchy and capitalism”, in: Lydia Sargent (ed.), Women and Revolution: The Unhappy Marriage of Marxism and Feminism, New York: Maple and London: Pluto, pp. 313-338; Ferguson, Ann (1989), Blood at the Root, London: Pandora.

10 Leclerc, Annie (1981): “Woman’s word”, in: Elaine Marks/Isabelle de Courtivron (eds.), New French Feminisms: An Anthology, Amherst: The University of Massachusetts Press, p. 79.

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touched”11; Hélène Cixous wrote: “Men still have everything to say about their own sexuality”12; and Alice Jardine “we [feminists] do not want you [men] to mimic us […] What we want, I would say what we need, is your work.” 13 I think these statements are all still highly relevant to placing men’s voices in relation to feminism. The intersections of radical feminisms and materialist feminisms have been complicated by the impact of poststructuralism and related perspectives. Poststructuralism can be interpreted, not as a specific critique of materialism, but rather as an expansion of materialism. Thus materiality can be understood as reproduction in a fuller sense, as both reproduction of the social relations of production, and the reproduction of society through ideas, ideology and discourse. An important influence, for me, in these complicating movements of and around the material, towards ‘the discursive’, was Dorothy Smith’s critique of political economy. 14 Reproduction of society also includes cultural reproduction, cultural continuation, including in discourse (even if there may be a tension between reproduction and discourse). At the same time, the convergence of the material and the discursive has become foregrounded in some discursive approaches, especially critical discourse analysis. The relations of the material and the discursive are highlighted in materialist theories of discourse. This can be seen in the material contexts of discourse, in understanding discourse as (including) material acts, in focusing on the material effects of discourse – hence the term, material-discursive practices. In seeking to develop this approach, I have used such terms as reproductive cultural materialism or the material-discursive. 15 Feminist technoscience and STS scholars have used the terms, the materialsemiotic and material-semiotic actors, to address somewhat similar notions, in the realm of human-machine and similar relations. Materialism can be understood as much more complex, as the econom-

11 Luce Irigaray quoted in Jardine, Alice (1987): Men in feminism: Odor di uomo or compagnons de route? in: Alice Jardine/Paul Smith (eds.), Men in Feminism, New York: Methuen, p. 61. 12 Hélène Cixous quoted in A. Jardine 1987, p. 60. 13 A. Jardine 1987, p. 60. 14 Smith, Dorothy E. (1987): “Feminist reflections on political economy”, in: Studies on Political Economy 30, pp. 37-59. 15 Cf. Hearn, Jeff (1992a): Men in the Public Eye, London: Routledge.

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ic/technological, the ‘reproductive’, the bodily/corporeal (including sexuality and violence), and the environmental, as well as the materiality of discourse.16 To me, this view of materialism is itself also discursive; thus, since the late 1980s I have attempted to develop materialistdiscursive analysis of men. Having said that, there is still major neglect of the materialities of age, disability, and the wider ‘environment’. Perhaps most importantly, talk about men and bodies is politics: the personal is political, but the personal is also work is political is theoretical.17 All around, locally and globally, gender injustice remains rife, a source and site of oppression, discrimination, unfairness, violence, and more. Men, and particular groups and versions of men, as the dominant gender category, remain in many ways the main, though not the only, problem, in most societies, most of the time. This takes many forms: just think of who does most of the world’s killing, owns the most wealth, runs the international financial system, and so on. I am continually stirred by how the current gender relations are deeply disturbing materially; their unfairness is personally painful to me, even if, in some senses, by virtue of being a man, I benefit from them.

T HE M ATERIALITIES OF P ATRIARCHIES , M ASCULINITIES AND S UBJECTIVITIES Among the many areas of current debate in theorizing men and masculinities that bear on material analyses, three can be highlighted: the concept of patriarchy; differences amongst men and masculinities; and sexualities and subjectivities. In each case, there are tensions between generalizations about men and masculinity and specificities of particular men and masculinities. While the understanding of patriarchy has shifted from the literal meaning of the rule of the father or fathers to the social, economic, political and cultural domination of men more generally, it has been

16 Cf. Alaimo, Stacy/Hekman, Susan (2008): Material Feminisms, Bloomington: Indiana University Press. 17 Cf. Hearn, Jeff (2008): “The personal is work is political is theoretical: Continuities and discontinuities in (pro)feminism, Women’s Studies, men and my selves”, in: NORA: Nordic Journal of Feminist and Gender Research 16.4, pp. 241-256.

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critiqued, from at least the late 1970s, as being too monolithic, ahistorical, and neglectful of women’s resistance and agency. Despite this, the debate on patriarchy has continued, in three main ways. First, there has been attention to the historical movement from private patriarchy, with men’s material embodied power located primarily in the private domain as fathers and husbands, to public patriarchy, with men’s power primarily in public domain organizations such as capitalist and state managers and workers. Second, the various sites or bases of patriarchy have been specified more closely. Walby analyzed six patriarchal structures: capitalist work, the family, the state, violence, sexuality, and culture, and in 1987, I identified a slightly different set of structures: reproduction of labor power, procreation, degeneration/degeneration, violence, sexuality, and ideology. Patriarchy may be seen as differentiated rather than unified; it may be more accurate to refer to (public) patriarchies rather than the singular patriarchy. 18 Third, commentaries on men, materiality and patriarchies have been developed in relation to debates on globalization. A second related area of development in CSMM has been around difference, as in pluralizing masculinity to masculinities. This has been partly a means of recognizing both material embodied power relations between men and women and material embodied power relations between men and masculinities, for example, between hegemonic and subordinated masculinities. 19 There has been parallel concern with analyses of both unities and differences between men and between masculinities. 20 Just as a major issue within feminism has been the relationship of commonalities and differences between women, so men can be analyzed in terms of material commonalities and differences, mirroring debates on diversification of patriarchy. Men are bound together, not necessarily consciously, by dominant sexuality, (potential) violence, socio-economic privilege, power of the father, house-

18 Cf. Walby, Sylvia (1986): Patriarchy at Work, Cambridge: Polity; Walby, Sylvia (1990): Theorising Patriarchy, Oxford: Blackwell; J. Hearn 1987, 1992a. 19 Cf. Carrigan, Tim/Connell, R.W./Lee, John (1985): “Towards a new sociology of masculinity”, in: Theory and Society 14.5, pp. 551-604. 20 Cf. Hearn, Jeff/Collinson, David L. (1994): “Theorizing unities and differences between men and between masculinities”, in: Harry Brod/Michael Kaufman (eds.), Theorizing Masculinities, Newbury Park, CA: Sage, pp. 97-118.

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hold relations, work or political power more generally – all material embodied structures and processes. However, the idea of a unity of men is also a myth. Men’s collective power is maintained partly through the assumption of hegemonic forms of men and masculinities – often white, heterosexual, able-bodied men (WHAMs), as the primary form, to the relative exclusion of marginalized and subordinated men/masculinities. In many social arenas there are tensions between collective power of men and masculinities and differentiations amongst men and masculinities, defined through other social divisions, such as age, class, race, and sexuality. Using the term masculinities makes clear there is no one masculinity; rather, masculinity is elaborated and experienced by different men in different ways. A third area of debate that examines men and masculinities has been around sexualities and subjectivities. Tensions between unities and differences apply to sexualities; while sexuality may be individually experienced, it simultaneously operates trans-individually, not least through structured discourses. The material embodied here operates within the subjective. Critical studies of sexuality/subjectivity have pointed to the dominance of men’s heterosexuality and male (hetero)sexual narratives, and the close interrelations of dominant forms of men’s sexualities and men’s violences. Yet such heterosexual dominance often co-exists with homosociality and even homosexual/ gay subtexts. Within these contexts, there are recurring tensions – between the domination of heterosexuality and homosociality/ homosexuality; asexuality and the eroticization of dominance and hierarchy; coherent identity and fragmented identity; and essentialized, experience, felt as one’s own, and deconstruction. These issues are again important in terms of possible and often taken-for-granted connections with sexualities and violences; tensions between the power of individual men and the relations of men to each other; and the material embodied, yet fragmented, experiences and identities for some men.

M ASCULINITIES , H EGEMONIC M ASCULINITY , THE H EGEMONY OF M EN In all these developments, the concept of masculinities has been applied in many, sometimes different and confusing ways. It has served for researchers, activists, commentators, journalists and policy-makers

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to have a conversation about ‘something’, but not always the same thing. In particular, the concept of hegemony has figured strongly, especially through the concept of hegemonic masculinity; however, one might argue that what is more hegemonic than this is the hegemony of men. It is thus necessary to say some more about this concept and also link it to a/the discussion of bodies. Hegemony addresses relations of power and ideology, including domination of the ‘taken-for-granted’, and ‘commonsense’. It highlights the importance of consent, even though provisional and contingent, and backed by force. It encompasses the formation of social groupings, not just their collective action. In this Gramscian view the cultural and intellectual realm has greater political impact than as an effect of economic structure and relations. Hegemony enfolds the economic, political, cultural, and, for our purposes, the bodily, rather than prioritizing the economic. Following a Gramscian mode, Donaldson summarizes hegemony as: “[…] about the winning and holding of power and the formation (and destruction) of social groups in that process. It is about the ways in which the ruling class establishes and maintains its domination. The ability to impose a definition of the situation, to set the terms in which events are understood and issues discussed, to formulate ideals and define morality is an essential part of the process. Hegemony involves persuasion of the greater part of the population, particularly through the media, and the organization of social institutions in ways that appear ‘natural,’ ‘ordinary’, ‘normal’. The state, through punishment for nonconformity, is crucially involved in this negotiation and enforcement.”21

The notion of hegemonic masculinity has developed from work on gendered processes within patriarchy.22 This process usage of hegemony has been by no means as popular or as influential as the other usage by Connell and colleagues, in linking hegemony to masculinity. In this, “hegemony” as a key social process mutates to “hegemonic” as a descriptor of certain masculinities. In this latter scheme, forms of masculinity have been recognized, including hegemonic, complicit, subordinated, marginalized, and sometimes resistant, protest and am-

21 Donaldson, Mike (1993): “What is hegemonic masculinity?”, in: Theory and Society 22.5, p. 645. My emphasis. 22 Cf. Connell, Raewyn (1995): Masculinities, Cambridge: Polity.

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bivalent masculinities. In their 1985 paper Carrigan, Connell and Lee write that hegemony “always refers to an historical situation, a set of circumstances in which power is won and held. The construction of hegemony is not a matter of pushing and pulling of ready-formed groupings but is partly a matter of the formation of these groupings. To understand the different kinds of masculinity demands an examination of the practices in which hegemony is constituted and contested – in short, the political techniques of the patriarchal social order.”23

There seems to be a slippage here from formation of groupings to different forms of masculinity. 24 Most importantly, the concept of hegemony has generally been employed in too restricted a way. If we are interested in what is hegemonic about gender in relation to men and masculinity, then it is ‘men’ who or which are far more hegemonic than masculinity. Instead, it is time to go back from masculinity to men, to examine the hegemony of men. This involves addressing the hegemony of men – in both senses. The hegemony of men seeks to address the double complexity that men are both a social category formed by the gender system and dominant collective and individual agents of social practices. This perspective raises key social processes, regarding: • • •

hegemonic acceptance of the category of men. distinctions and categorizations between different forms of men and men’s practices to women, children and other men (‘masculinities’). which men and men’s practices – in the media, the state, religion, etc. – are most powerful in setting those agendas of those systems of differentiations.

23 T. Carrigan/R. Connell/J. Lee 1985, p. 594. My emphasis. 24 Over the last 15 or more years, there has been growing debate on the usefulness and meanings very concepts of masculinities and hegemonic masculinity. Critiques have come from more micro and poststructuralist approaches to more macro materialist approaches. The latter emphasize problems of relativism, if patriarchal contexts are ignored; use as a primary or underlying cause of other effects; tendency towards idealism; neglect of historical, (post)colonial and transnational differences; and reproduction of heterosexual dichotomies.

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• •

• •

most widespread, repeated forms of men’s practices. men’s various and variable everyday, ‘natural(ized)’, ‘ordinary’, ‘normal’, most taken-for-granted practices to women, children and other men, and their contradictory, even paradoxical, meanings. how women may differentially support certain practices of men, andsubordinate other practices of men or ways of being men. interrelations between these elements above: relations between ‘men’s’ formation within hegemonic gender orders, that also form ‘women’, other genders and boys, and men’s activity in different ways in (re-)forming hegemonic differentiations among men.25

These various and embodied aspects clearly suggest a much more multi-faceted and indeed embodied account of men and masculinities. The hegemony of men is a dialectical material, embodied formulation, highlighting naming men as men26, the gender class of men, yet also critiquing how the taken-for-granted category of men obscures inersectionalities.

M EN , M ALES

AND

B ODIES

In this section I turn to the more specific element of the materiality of men: men’s bodies. So this is the canvas, a canvas of and for the bodily materiality of men. I should begin by saying that I do not believe there is such a thing as ‘the male (bodily) essence’ or even ‘the male perspective’, and certainly not in the singular. These kinds of terms can so easily suggest some kind of so-called ‘deep bodily masculinity’ that supposedly only men can know about, and that is men’s or males’ special property. On the other hand, there is another usage or meaning of ‘male’: something that speaks to the specific social, political and

25 Cf. Hearn, Jeff (2004): “From hegemonic masculinity to the hegemony of men”, in: Feminist Theory 5.1, pp. 49-72. 26 Cf. Hanmer, Jalna (1990): “Men, power and the exploitation of women”, in: Jeff Hearn/David Morgan (eds.), Men, Masculinities and Social Theory, London and New York: Unwin Hyman/Routledge, pp. 21-42; Collinson, David L./Hearn, Jeff (1994) “Naming men as men: implications for work, organizations and management”, in: Gender, Work and Organization 1.1, pp. 2-22.

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embodied bounded experience of men… the boundaries, bodies, skin, fluids, leaks and all, all embodied, material, all social and cultural. And this makes some more sense, but I am still a little cautious about the word, ‘male’ – as it can so easily be misused out of context; this is partly why I often prefer to use the concept of ‘men’ rather than ‘male’. Yet having said that, I am still influenced by a very social constructionist version of sexual difference theory – a form of social, that is, social structural, essentialism. Males and men have so often been represented as taken-forgranted biologically driven bodies. Yet at the same time, men may be constructed as taken-for-granted disembodied, or least as primarily (‘rational’) minds, rather than bodies. There has been a long running debate on how could this ever be possible. This tendency can be illustrated whenever men are seen as the primary and ‘authoritative’ conveyors (even ‘embodiments’) of ideas, ideology, religion, rationality, knowledge. Bodies as minds and images of men are shown throughout history as the monopoly bearers of knowledge, even when woman is represented as ‘justice’, often as ‘beauty’, sometimes even as ‘truth’. According to some social theorists, in this account, ‘malestream’ theorists grant epistemological and usually idealist privilege to men, constructed as minds, over women, constructed as bodies. 27 The construction of men as having supremacy as minds, whilst women remain as bodies, can be traced back to many ancient traditions, intellectual and spiritual, including classical social theory, and reappearing in various guises in the Enlightenment, and more recently.28 Go to any ancient university, and most modern ones too, and you will find ample examples in the libraries, on the walls, in the naming of buildings, and so on. There is an inordinately large literature that provides spurious rationales for keeping the bodies of women out of the public body of men, who can then debate and decide through reason. In The Politics Aristotle placed women alongside slaves and children, believing that women needed a certain amount of coercion of the body to maintain their goodness and purity within the private

27 Cf. M. O’Brien 1981. 28 Cf. Lloyd, Genevieve (1984): The Man of Reason: ‘Male’ and ‘Female’ in Western Philosophy, London: Routledge; Sydie, Rosalind (1987): Natural Women, Cultured Men: A Feminist Perspective on Sociological Theory, Toronto: Methuen.

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domain. A contrasting example of male embodied disembodiment appears in the mortification of the flesh and (self-)punishment, in many religious traditions, including some Christian, Moslem and Hindu versions. Dichotomizations of mind/body mirror many other dualisms: man/woman, culture/nature, public/private, reason/passion, and so on. The absence or disembodiment of the body in discussing men and men’s knowledge as minds is very far from material realities; males without bodies tend to be bourgeois ‘enlightened’, spiritual religious, non-othered constructions of males/men. Seeing males as rational minds, as without bodies, as absent bodies, can be seen as the other side of the coin from the biologically bodied perspective. The contradiction of males as both simply bodies and as absent/without bodies, separated from bodies, is much to do with social locationality, specifically with economic class, ethnicity, and other signifiers of the dominant and the unmarked. These dichotomies map onto another set of contrasts: between male bodies as biological, and masculine bodies as socially constructed: the biological versus the social body. Moving to more social accounts of males/men raises many possibilities, and indeed further dichotomies, dilemmas and contradictions. With some examples of social embodiments the male social body may be identified as determinate and paradoxically ‘socially abstracted’, even socially disembodied, driven. Indeed, while sex assignment is usually seen as strictly biological, this is not the whole story. FaustoSterling, herself an eminent biologist, has written extensively on the construction of the biological, including the biological male. Some biologists do only write on biology; they also provide accounts of human socialization, along with the neatness of many biological accounts. She discusses the making of the male at birth, and how masculinity is indeed a social phenomenon, including the assumptions of the active in/of masculinity, and of hormones as social drivers.29 In this more social account the sex male is a variable and indeed ‘summary’

29 Cf. Fausto-Sterling, Anne (1995): “How to build a man”, in: Maurice Berger/Brian Wallis/Simon Watson (eds.), Constructing Masculinity, New York: Routledge, pp. 127-134; Garlick, Steve (2003): “What is a man? Heterosexuality and the technology of masculinity”, in: Men and Masculinities 6.2, pp. 156-172.

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category, summarizing chromosomal variations, averaged though variable hormonal levels, that can be changed to some extent. The sex of male is a shorthand for the summary of primary sex characteristics and secondary sex characteristics. This social perspective on the male sex is made clearer when considering the considerable cultural variation in dominant body types, and various forms of transgenderism. Such social constructionist issues have long been made clear also within micro-sociological analysis, perhaps most famously by Garfinkel, and Kessler and McKenna.30 They have also been taken up in CSMM. Interestingly, the first substantial discussion of “hegemonic masculinity” was based in the discussion of boys’ and men’s bodies, within the patriarchal context, in the paper Men’s Bodies.31 This considered the social construction of the body in boys’ and adult men’s practices. In discussing “the physical sense of maleness”, sport is marked as “the central experience of the school years for many boys”32, emphasizing the practices and experiences of taking and occupying space, holding the body tense, skill, size, power, force, strength, physical development, and sexuality. In addressing the bodies of adult men, Connell highlighted physicality within work, sexuality, and fatherhood, stressing “the embedding of masculinity in the body is very much a social process, full of tensions and contradiction; that even physical masculinity is historical, rather than a biological fact. […] constantly in process, constantly being constituted in actions and relations, constantly implicated in historical change.”33

This account drew upon Gramsci, Sartre (or de Beauvoir?), Bourdieu, Merleau-Ponty, practice theory – influences that have provided

30 Cf. Garfinkel, Harold (1967): Studies in Ethnomethodology, Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall; Kessler, Susanne J./McKenna, Wendy (1978): Gender: An Ethnomethodological Approach, Chicago: University of Chicago Press. 31 Cf. Connell, R.W. (1983): Which Way Is Up? London/Boston: Allen & Unwin. 32 Ibid. p. 18. 33 Ibid. p. 30.

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groundwork for much masculinities theory. These are largely social constructionist influences, rather than from sexual difference theory. Male bodies may also be understood as the agents of patriarchal collectivities. Here, the body becomes the collective body, the historical subject (or object). This may be most clear when considering the body within the onslaught of famine, war and macro historical and societal contexts. This is also clear when we reflect on how the disembodied bourgeois male body is strangely at odds with another dominant account of men and men’s bodies, in everyday life and in academic writing, namely, men’s bodies as machines, sometimes as proletarian machines. Machinic bodies care can be seen in terms of physicality and physical labor, and even the proletarianization of the body. In some ways the biological body and the disembodied mind are two sides of the same coin, just as are the proletarian machinic body and the disembodied bourgeois mind. On the other hand, the construction of the men’s body can easily become over-socialized. In recent years, debates on the body have moved beyond oppositions between biology versus social constructionism, and towards a concern with the embodied material-discursive practices and processes. Stephen Whitehead34 has written on the discursive materializing of the male body; Calvin Thomas35 has argued for re-enfleshing boys’ and men’s bodies. He argues that the “matter” of the male body may be “one possibly productive way to analyze male power and hegemony, and to reconfigure male identification and desire”.36 This in turn may serve to change gender relations and men’s dominance in the bodily and sexual realms, and elsewhere. Such multiply faceted concerns with the male body open up various possible, more complex accounts of masculine bodies, being masculine, and doing bodies. One approach is to seek to address the relations of the phenomenological body in being men, the material body, and the discursive body, simultaneously. How this works may vary for different occurrences of bodies. For example, in researching older men’s bodies, the

34 Cf. Whitehead, Stephen (2002): Men and Masculinities, Cambridge: Polity. 35 Cf. Thomas, Calvin (2002): “Re-enfleshing the bright boys; or, how male bodies matter to feminist theory”, in: Judith Kegan Gardiner (ed.), Masculinity Studies and Feminist Theory, New Directions, New York: Columbia University Press, pp. 60-89. 36 Ibid. p. 60.

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combination of feminist phenomenology, sexual difference theory, and queer theory may be relevant.37 This may be so as ways of making sense of older men’s bodily relations to movement (or lack thereof), taking up space and activity38, and bodily boundaries, fluidity, and leakages39, in contrast to those male bodies characterized as impermeable, hard and hermetic. 40 Sexualities of older men may challenge dominant male, particularly heterosexual, sexualities. Other possible approaches stem from the disability movement, crip theory41, and studies of bodily (hetero)normativity 42 . A second example is some men’s close embodied relations (love?) with some technologies, such as cars and other vehicles. These may be usefully analyzed by bringing together studies of men and masculinities, sexuality studies, and STS.43

37 Cf. Hearn, Jeff/Sandberg, Linn (2009): “Older men, ageing and power: Masculinities theory and alternative spatialised theoretical perspectives”, in: Sextant: Revue du Groupe Interdisciplinaire D’Etudes sur les Femmes et le Genre (Belgium) 27, pp. 147-163. 38 Cf. Young, Iris Marion (1990): Throwing Like a Girl and other Essays in Feminist Philosophy and social theory, Bloomington: Indiana University Press. 39 Cf. Grosz, Elizabeth (1994): Volatile Bodies: Toward a corporeal feminism, Indianapolis: Indiana University Press. 40 Cf. Waldby, Catherine (1995): “Destruction: Boundary erotics and refigurations of the heterosexual male body”, in: Elizabeth Grosz/Elspeth Probyn (eds.), Sexy Bodies: The Strange Carnalities of Feminism, New York: Routledge, pp. 266-277. 41 Cf. McRuer, Robert (2006): Crip Theory: Cultural Signs of Queerness and Disability, New York: New York University Press. 42 Cf. Gerschick, Thomas J. (2005): “Masculinity and degrees of bodily heteronormativity in Western culture”, in: Michael Kimmel/Jeff Hearn/ R.W. Connell (eds.), Handbook of Studies on Men and Masculinities, Thousand Oaks, Ca.: Sage, pp. 367-378. 43 Cf. Balkmar, Dag/Joelsson, Tanja (2009): “Burning rubber, marking territory: Technology, auto-erotic desires and violating mobility”, in: Cecilia Åsberg et al. (eds.), Gender Delight: Science, Knowledge, Culture and Writing … for Nina Lykke, Linköping: Linköping University Press, pp. 117-126.

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S ITUATEDNESS , AND TOWARDS THE ABOLITION OF M EN In making sense of these complex materialities of men, masculinities and bodies, situated knowledges are crucial. These are a means of engaging with the major question of the relations between men as a gender class, and differences between men. From specific objectifications, which themselves constitute part of oppression by men, and patriarchies more broadly, subjectivities may develop, as bases of knowledge. A plural, composite material-discursive approach is likely to yield greater insights than attempts to impose a single grand theory. Indeed, men’s theorizing of men always needs to be understood as provisional. As noted, men’s relationships to feminism remain problematic; men can never fully answer the questions raised by feminism. This includes both explicitly naming men as men and decentering men. Naming men as men does not construct masculinities as simply variable within given reformist or resistance (pro)feminism, but seeks the abolition of gender as power, including ‘men’ as a social category of power. Plural situatedness is also part of a methodology for deconstructing the hegemony of men. Men’s relations to this theoretical object may range from dismissal as irrelevant to immense uncertainty and humility to even a certain kind of social paralysis for some men, or onto an awakening of renewed optimism of a future where gender is degendered, with the abolition of the category of men. This resonates with Judith Lorber’s44 multiple framing of feminism.45 In keeping with

44 Cf. Lorber, Judith (ed. 2005): Gender Inequality: Feminist Theories and Politics, Los Angeles: Roxbury. 45 Cf. Egeberg Holmgren, Linn/Hearn, Jeff (2009): “Framing ‘men in feminism’: Theoretical locations, local contexts and practical passings in men’s gender-conscious positionings on gender equality and feminism”, in: Journal of Gender Studies 18.4, pp. 403-418. Gender rebellious feminists seek to “take apart the gendered social order by multiplying genders or doing away with them entirely.” Connections with other social divisions, differences and oppression become central, as do deconstructions of the categories of sex, sexuality, and gender, and dualities (re)produced through them. Men, or rather “men”, become an unstable social category. This contrasts with gender reform feminism and gender resistance feminism. In the former, gender equality might be a matter of realizing the potential of women and men

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the progressive problematization of men, men’s critical theorizing of men can usefully consider what might be involved in the abolition of the social category of men. In seeking to understand possible moves towards the abolition of men, there are many possibilities. A wide variety of texts have shown the limitations of both a view of gender as in any fixed relation to sex and an overly dichotomized view of gender relations. These include historical and cross-cultural analyses of “multiple gender ideologies”46, “gender ambiguity”47, and “the third sex/third gender”48, all of which represent movements beyond sexual dimorphism. Another set of approaches derive from historical dialectical processes of transformation of men as a gender class.49 A third derives from practices of undoing gender, queer theory, transgender studies, refusing to be a man 50, effeminism51 , and nonhegemonic heterosexualitiesǤ52 

equally, albeit in the context of the current gender order: “An overall strategy for political action to reform the unequal gendered social structure is gender balance.” The implication for men is that men can contribute positively to (or can position themselves against) such change towards the abolition of gender imbalance. Gender resistance feminists “argue that the gender order cannot be made equal through gender balance because men’s dominance is too strong.” Gender equality per se is not a feasible aim, as it is likely to mean women becoming like men. More radical transformation is necessary, with women’s voices and perspectives reshaping the gendered social order more fundamentally, including the abolition of patriarchy. Men’s positionings are less certain; an implication is that men need to position themselves in relation to the radical project of abolishing patriarchy and patriarchal relations. 46 Cf. Meigs, Anna (1990): “Multiple gender ideologies and statuses”, in: P. Reeves Sanday/R. Gallagher Goodenough (eds.), Beyond the Second Sex: New Directions in the Anthropology of Gender, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, pp. 92-112. 47 Cf. Epstein, Julia/Straub, Kristina (eds. 1991): Body Guards: The Cultural Politics of Gender Ambiguity, New York and London: Routledge. 48 Cf. Herdt, Gilbert (ed. 1994): Third Sex, Third Gender: Beyond Sexual Dimorphism in Culture and History, New York: Zone Books. 49 Cf. J. Hearn 2004; Howson, Richard (2006): Challenging Hegemonic Masculinity, New York: Routledge. 50 Cf. Stoltenberg, John (1989): Refusing to be a Man: Essays on Sex and Justice, New York: Meridian.

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This involves not beginning from the assumption that men are either the object or the subject of theory, but rather that the social category of men is historically transitory, as most other social phenomena. One of the clearest statements of this possibility of abolishing men is that by Monique Wittig in her analysis of the possibility of the abolition of the categories of women and men: “[...] it is our historical task, and only ours (feminists) to define what we call oppression in materialist terms, to make it evident that women are a class, which is to say that the category ‘woman’ as well as the category ‘man’ are political and economic categories not eternal ones. Our fight aims to suppress men as a class, not through genocidal, but a political struggle. Once the class ‘men’ disappears, ‘women’ as a class will disappear as well, for there are no slaves without masters.53

C ONCLUSION All these debates bear strongly on theorizing and changing men. The notion of the hegemony of men combines recognition of a qualified view of men as a social gender class, naming men as men, along with a deconstructive, transsectional view. Rather than simply talking of hegemonic masculinity in a way that can so easily degenerate into a pluralist series of forms or types, I want to ground debate in a more fundamental embodied way, to speak of the hegemony of men in terms of, first, how men make a social category of power, and, second, how at the same time hegemony is in many respects constructed and controlled by men as individual and collective agents. A focus on the hegemony of men paradoxically entails decentering everyday politicaltheoretical ‘centers’, including working towards the abolition of ‘men’ as a category of power and as taken-for-granted agents of social

51 Cf. Dansky, Steven/Knoebel, John/Pitchford, Kenneth (1976): “Effeminist manifesto”, in: Jon Snodgrass (ed.), For Men against Sexism: A book of readings, Albion, CA.: Times Change Press. 52 Cf. Heasley, Robert (2005): “Queer Masculinities of Straight Men: A Typology”, in: Men and Masculinities 7.3, pp. 310-320. 53 Wittig, Monique (1992): The Straight Mind and Other Essays, New York: Harvester Wheatsheaf, p. 160.

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power. A challenge is how to name men as men, and at the same time deconstruct and subvert men. How to move away from being ‘real men’, and towards feminist voices, to name but decenter men? These are clearly not just academic questions. The hegemony of men involves men being a taken-for-granted social gender category in all sorts of everyday contexts. Men are formed with this gender system. But men also reproduce this situation in both individual and collective ways of being and doing. These ways tend to reinforce the hegemonic. But this is not a closed system; it is contested and potentially unstable. If you are a man, please recognize that, but please do not speak simply ‘as a man’. Take (the problem, power and hegemony of) men incredibly seriously, but do not take your own self ‘as a man’ seriously at all. What is the use of certain kinds of knowledge if they do not stop men’s domination, violence and sexual violence?54

54 Widerberg, Karin (2005): “Situating knowledge – liberating or oppressive?”, in: Ericka Englestad/Siri Gerrard (eds.), Challenging Situatedness: Gender, Delft: Eburon, pp. 259-267.

III. Teil Re-/Thinking Masculinities

Images of Masculinities and the Feminist Inflection E NIT K. S TEINER

One of the most valuable and perhaps nowadays commonplace beliefs is that the history of masculinity is not linear. However, this recognition has taken time to develop so that the plural form ‘masculinities’ appears to be a recent phenomenon. Until about a century ago, Freud, engaged though he was in gender formation, spoke of masculinity in the singular and his was a singular of the superlative. Since it has always been contested against femininity, and seen as part of gender relations, masculinity seemed linear and quite clearly definable. While Freud acknowledges in Some psychical consequences of the anatomical distinction between the sexes that “pure masculinity and femininity remain theoretical constructions of uncertain content”, the real mystery, the one to be defined and understood because of its aberrant nature is femininity. 1 In his lecture Femininity, Freud writes: “Throughout history people have knocked their heads against the riddle of the nature of femininity”2 – a contrast that reinforces the idea of linear masculine identity that unlike its feminine counterpart is easier to grasp and lends itself to descriptive endeavors. As Carol Gilligan and David A. J. Richards remind us in their recent work about the struggle between patriarchal and democratic impulses, Freud’s stigmatization of women – and his reading of patriarchy as the natural 1

Freud, Sigmund (1966-73): The Standard Edition of the Complete Psychological Works of Sigmund Freund, Vol. 19, London: Hogarth Press, p. 258.

2

Ibid. p. 113.

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order of things marks a break with his earlier opinion, as proposed in Studies on Hysteria.3 In the Interpretation of Dreams, Freud distances himself from the incest stories of the women patients he had investigated in Studies on Hysteria and establishes the Oedipus narrative as the incest story that becomes the cornerstone of psychoanalysis. With this shift, the incestuous desire of the male child for the mother reaches universal dimensions and masculinity acquires a quasi-monolithic essential quality. Only two decades ago, R. W. Connell in his groundbreaking work Masculinities 4 made a case for a historical approach to gender formation of which expressions of masculinities are part. The historical process that Connell has in mind and goes on to explore encompasses the last four centuries. Drawing on Connell’s suggestion, I would like to investigate different representations of masculinities (mostly in Britain) starting from the 17th century to recent media. The following representations are of interest for two particular reasons: first, they diverge in their assumptions of what a man is and should be like, and, second, they intersect and are transformed by ideas of womanhood, thus implying that conceptions of masculinity are contingent on, instead of independent from, the history of ideas.

S ELF -G ENERATING M EN Masculine assumptions lie at the heart of that part of the history of ideas that political philosophy has dubbed contractarianism. First promoted by Thomas Hobbes and later by Jean-Jacques Rousseau, contractarianism seeks to understand what legitimizes government and political authority in human societies. Hobbes famously attributed the legitimacy of political authority to the principles and arrangements met by rational beings, who agree to give up their unlimited freedom and submit to authority, thereby obtaining protection in exchange. Hobbes’s human beings are explicitly men, extremely competitive, aware of each and everyone’s violent inclination and consequently

3

Gilligan, Carol/Richards, David A.J. (2009): The Deepening Darkness: Patriarchy, Resistance, and Democracy’s Future, New York: Cambridge University Press, p. 171.

4

Connell, R.W. (1995): Masculinities, Cambridge: Polity Press.

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afraid of experiencing death at the hand of another man, which explains their need for protection and their willingness to restrict their freedom. Hobbes’s account is very influential, because it envisages the individual as a citizen (indeed, the political weight of the term is best highlighted by the fact that King Louis XVI was guillotined under the egalitarian name Citizen Louis Capet). In De Cive (1642), translated as The Citizen, Hobbes writes: “consider men as if but even now sprung out of the earth, and suddenly, like mushrooms come to full maturity, without all kind of engagement with each other.”5 The gender implications of such imagery have been explained by Christine Di Stephano, who succinctly observes that the metaphor of many unconnected mushrooms brings to the fore the ideology of a self-sufficient citizen whose “characteristically human capacities need no particular social life form in which to develop”6. As she sums up, “in the process of extracting an abstract man for rational perusal, Hobbes has also expunged human reproduction and early nurturance, two of the most basic and typically female-identified features of distinctively human life from his account of basic nature.”7

This is not to say that Hobbes does not consider the family in his reflections on the citizen, but that the family residing at the bottom of the social structure substantiates the contract that permeates society as a whole. Civil society rests on families, which themselves consist of “a father, with his sons and servants, grown into a civil society by virtue of his paternal jurisdiction.”8 No mention is made of women as mothering and nurturing figures, with the only group that allows for women to be implicitly imagined being that of the servants. As Carol Pateman explains in The Sexual Contract, Hobbes’s conceptualization of the family as a product of the violence between men

5

Hobbes, Thomas (1972): Man and Citizen, Garden City, NY: Doubleday Anchor, p. 205.

6

Di Stephano, Christine (1994): “Masculinity as Ideology in Political Theory: Hobbesian Man Considered”, in: Susan Moller Okin/Jane Mansbridge (eds.), Schools of Thought in Politics: Feminism, Aldershot: Elgar Publishing, p. 35.

7

Ibid.

8

T. Hobbes 1972, p. 217.

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that exists in the state of nature is at one with his idea of a sovereign to whom male citizens agree to submit for protection. Social cohesion is primarily ensured through the rational processes of self-generated and self-contained male individuals. At this point, it is crucial to state that, for Hobbes, the family, i.e. the place where social cohesion first comes into existence, represents an artificial union, “a confederation” that “is formed by conquest” 9 instead of originating in natural ties. Thus, Hobbes envisions society as a multitude of male citizens, without accounting for the interdependencies that characterize human existence, the processes of socialization and affective bonds. Feminist theorists, whilst agreeing with Pateman’s reinterpretation of Hobbes’s contract theory, have at times taken issue with her dismissal of the praiseworthy aspects of contractarianism. For example, Jane S. Jacquette encourages us to make use of “the strong commitment to individual agency”10 that contract theory offers. Indeed, it is important for every feminist theory of the subject to promote a sense of resourceful self as the engine of deliberate actions that aim at the emancipation of those at the periphery of power. Yet, this agency partakes in a masculine discourse of autonomy that often entails the erasure of predominantly feminine values and bodily practices. This remains a problem that feminist political theory still has to resolve and that women writers have approached with justified skepticism. As early as in 1704, Mary Astell, writer of A Serious Proposal to Ladies for their Advancement of their True and Greatest Interest (1694), the precursor to Mary Wollstonecraft’s manifesto A Vindication of the Rights of Woman (1792), speaks scathingly of the “figment of Hobbe’s Brain” derogating his metaphor: “How I lament my Stars it was not my good Fortune to Live in those Happy Days when Men spring up like so many Mushrooms or Terrae Filii, without Father or Mother or any sort of dependency.”11 Although critics have argued that

9

Pateman, Carol (1988): The Sexual Contract, Stanford: Stanford University Press, p. 47.

10 Jacquette, Jane S. (1998): “Contract and Coercion: Power and Gender in Leviathan”, in: Hilda L. Smith, Women Writers and the Early Modern British Political Tradition, Cambridge: Cambridge University Press, p. 218. 11 Astell, Mary (1704): Moderation Truly Stated, London: Rich Wilkin, p. xxxv.

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Astell’s primary target is the lack of a divine creative act in Hobbes’s paradigm, she clearly dismisses these “Terrae Filii” just as much for not showing any affiliation to human creators, as for not showing any other “sort of dependency” of which divine dependency is one. In 1818, Mary Shelley was to act out Hobbes’s fantasy of male agency, by giving life to Victor Frankenstein’s unmothered creature and teasing out the possibilities of a living being that springs out of the scientific brain of a man and is denied a particular social life in which to develop. As Anne K. Mellor puts it in her illuminating study of Shelley’s fiction: “By stealing the female’s control over reproduction, Frankenstein has eliminated the female’s primary biological function and source of cultural power.”12 The Promethean agency that drives Frankenstein (the complete title of the novel is Frankenstein, or the Modern Prometheus) relies on the elimination of feminine qualities and arguably fails miserably for the very same reason. Shelley’s Frankenstein also replicates the Hobbesian paradigm in its representation of authority, power and the will to subdue: Victor Frankenstein, just like Hobbes’s sovereign, upholds himself as the sole source of valid interpretation. His creature is at first willing to submit to his maker’s authority, just as Hobbes’s subjects submit to the authority of the sovereign. Shelley’s narrative, however, implies that submission cannot compensate for the failure to nurture and attend to physical and emotional dependency. Hobbes’s lessons were furthered by Rousseau, who thought so deeply about the social contract and the nature of the citizen that, after his theoretical work The Social Contract, he turned his hand to fiction and imagined the ideal citizen through the character of Emile in the eponymous novel. Although Rousseau is intensely invested in processes of socialization, his Emile resembles Hobbes’s citizen. Taken from his parents by his tutor Jean-Jacques, for whom, as Allan Bloom puts it, he “cares no more […] than for his dog”13, Emile is another unmothered creature.14 This is deemed a necessary step by Rousseau, because he hopes that without ties Emile will lack the passions and

12 Mellor, Anne K. (1989): Mary Shelley: Her Life, Her Fiction, Her Monsters, New York and London: Routledge, p. 115. 13 Rousseau, Jean-Jacques (1979): Emile or On Education, New York: Basic Books, p. 15. 14 Ibid.

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without passions he will be free of the competitiveness that drives Hobbes’s men. Emile’s education is completed when, by the end of the book, his tutor Jean-Jacques has successfully trained him into “intellectual and moral self-sufficiency”15. Indeed, it is the pursuit of selfsufficiency that makes Daniel Defoe’s Robinson Crusoe (1719) the only appropriate book for Emile to read until puberty, with all other books representing a threat to his independent education. Emile perceives Crusoe as the epitome of the solitary man in a natural state, unaffected by society’s precepts and others’ opinions. Emile’s is a rather reduced reading of Crusoe, who is utterly uncritical of his own racial prejudices and rather indifferent to the history of human ties back home. Moreover, Crusoe epitomizes capitalist entrepreneurship and competition, the very qualities that Emile should not develop or at least should overcome. But Rousseau is attracted by Crusoe’s selfsufficiency, which remains a much-explored notion in Defoe’s fiction – at times also in his women protagonists. However, it is important to point out that, despite Defoe’s depictions of resourceful heroines, selfsufficiency, though coveted by both sexes, is problematic for women. This is most directly exposed in Moll Flanders by the shrewd eponymous heroine, who reluctantly realizes that “[t]o be friendless is the worst Condition, next to being in want, that a Woman can be reduc’d to: I say a Woman, because ‘tis evident Men can be their own Advisers, and their own Directors, and know how to work themselves out of Difficulties and into Business better than Women.”16

In other words, what Moll Flanders regrets is that men can make themselves, without assistance. This is why one speaks of the self-made man, as Henry Clay would in the US Senate in 1832, a century after Moll Flanders.17 It is telling that in Daniel Defoe’s fiction the ideal of the self-made man, but also that of women like Moll Flanders, who to a certain ex-

15 J.-J. Rousseau 1979, p. 27. 16 Defoe, Daniel (1989): The Fortunes and Misfortunes of the Famous Moll Flanders, London: Penguin Books, p. 181. 17 Kimmel, Michael (2002): “The Birth of the Self-Made Man”, in: Rachel Adams/David Savran (eds.),The Masculinity Studies Reader, Malden and Oxford: Blackwell Publishers, p. 140.

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tent emulate masculine patterns, is combined with geographical mobility and imperial conquest. In the early nineteenth-century, as Leonore Davidoff and Catherine Hall depict it, the Romantic imagination envisioned “a rose-covered cottage in a garden where Womanhood waited and from which Manhood ventured abroad: to work, to war, and to the Empire”18. “Empire,” writes Connell “was a gendered enterprise from the start.”19 Portraits of men in front of or aboard ships are very frequent in this period: these men display distinguished naval personalities usually holding a sword and a telescope, the two indispensable tools for war and seafaring. One such famous portrait is Sir Cloudesley Shovell’s, who entered naval service as a cabin boy to become Admiral of the Fleet. Women’s literature, but not only, approaches the idea of the self-made naval officer in a tongue-in-cheek tone. For example, Jane Austen, whose partiality to the Navy has often been taken for granted by virtue of her having two sailor brothers, gives a less glorified account of young men’s careers in her novels. In Mansfield Park, poor but ambitious William Price sets all his hopes on his sister’s acquaintances. Although sympathetically portrayed, William Price enters the profession thanks to his sister Fanny Price’s intercession with Admiral Croft’s nephew, who is pursuing her romantically. Bluntly put, Fanny Price’s sex appeal becomes her brother’s bargaining chip. Similarly, Captain Wentworth’s rise in Austen’s Persuasion is suspiciously based on luck and his sister’s marriage to an admiral, rather than on merit. This may explain Austen’s language, when she uses the passive “to be made”: men who are made in her work are young men who are given a position in the Navy via their women connections. Such connections can be seen as accommodation ladders that enable young men’s ascension aboard a ship. In light of this, Thomas Rowlandson’s caricature The Accomodation Ladder (Figure 1) opens itself to new interpretations. The caricature displays many of the motifs present in the portraits of illustrious naval personalities: the sea, the ship, the status-connoting telescope, mobility and imperial en-

18 Davidoff, Leonore/Hall, Catherine (2002): Family Fortunes: Men and Women of the English Middle Class 1780-1850, London: Routledge, p. 28. 19 Connell, R.W. (2002): “The History of Masculinity”, in: Rachel Adams/ David Savran (eds.), The Masculinity Studies Reader, Malden and Oxford: Blackwell Publishers, p. 246.

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deavor. The ob-vious addition is the lady holding the accommodation ladder and the pun is of course sexual: ships traditionally connote women, who, like vessels, having no agency of their own, wait for skillful male hands to steer them in the waters of sexuality. The sexual and political are intermingled in the inscription on the blue ribbon streaming out of the woman’s hat: “England expects every man to do his duty.” Another less obvious aspect of the equation of ships with women is mobility, as it is a woman’s prescribed duty to facilitate male sexual or political agency. In this caricature, in particular, mobility is linked to sexuality while playing on gender constructions: here, the woman’s presence is almost overbearing, whereas the officer is puny and dependent on her strength. The expectations are reversed, as the woman performs a conventionally masculine role: while traditionally women are helped to get on and alight from modes of transport, here the woman is able to carry the man and help him climb up the ladder. The woman performing masculinity is reminiscent of what Judith Halberstam calls “female masculinity”.20 Symbolically, the ladder refers to the social mobility and professional promotion that requires the support of other people, in this case of a woman. The caricature illustrates what Davidoff and Hall make a case for in their seminal work Family Fortunes: Men and Women of the English Middle Class 1780-1850: “The apparently autonomous individual man, celebrated in both political economy and evangelical religion, was almost always surrounded by family and kin who made possible his individual actions.”21 The goal of their study is “to show how ‘autonomous’ male actors were embedded in families, [and] how ‘dependent’ women provided the contacts and capital.”22 Mobility then emerges as the working of several factors of which women are an important one.

20 Halberstam, Judith (1998): Female Masculinity, Duke University Press. 21 L. Davidoff/C. Hall 2002, p. 33. 22 Ibid. p. xvi.

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Figure 1: Accommodation Ladder Rowlandson, Thomas, hand-coloured etching, England 1810.

© V&A Images/Victoria and Albert Museum, London

The rise of the autonomous individual man from rags to riches holds considerable attraction, as recent films and artworks suggest. Think of The Pursuit of Happyness, which, capitalizing on a phrase anchored in the American Declaration of Independence, is primarily about the selfmaking of men. The film, starring Will Smith in the role of a single father, touchingly depicts this man’s bitter struggle after repeated professional setbacks, as he tries to build a future for himself and his son only to find himself slide down the social ladder and land in homeless shelters and public restrooms. Largely based on the life of Chris

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Gardiner, the film gives its audience the happy denouement it expects from Hollywood. In the end, the father owes his success as a stockbroker to persistent hard work and outstanding mental and social skills. The story’s most trenchant social criticism targets the harshness of a competitive world where the quest for survival drives everyone. This competitiveness is predominantly male, since the protagonist has to prevail over a group of other male candidates before he can obtain the sole free position that will be his ticket into the stock market. There is an underlying awareness of violence embedded in this self-making process, which I believe is also succinctly embodied in the sculpture by Bobbie K. Carlyle, The Self-Made Man.23 Carlyle, herself a single mother of seven, couples the theme of self-sufficiency with masculinity. Her Self-Made Man presents a muscular Promethean male emerging out of a chunk of rock with a hammer and chisel in each hand. Only one of his thighs is visible, while the other is buried in the stone and waits for him to chip it away. The unformed thigh brings home Carlyle’s point, namely that it takes enormous efforts (suggested by the hammer held tightly and swung forcefully in the air), but man can eventually carve out his own identity. The sculpture reiterates two distinctive features of Hobbes’s mushrooms: first, this individual seems to emerge out of nowhere and, second, he comes to maturity without any assistance. After The Self-Made Man, Carlyle produced The Self-Made Woman, offering a feminist twist to the pursuit of self-sufficiency. Yet, instead of replicating the concept of the Self-Made Man, she made certain modifications. First, she opted for a change of material drawing on the Biblical genesis of humankind: her self-made woman carves her body out of clay. An athletic, almost finished feminine frame stands in a quasi-leaping position on a pedestal of clay holding a sculpting tool in her hand that barely touches the back of her thigh. There is an airy lightness about the Self-Made Woman, particularly when compared with the contorted posture and the strenuous exertion of the Self-Made Man. The flexibility of movement corroborates Carlyle’s choice of a pliable material like clay that requires less strength to carve. Thus Carlyle’s sculptures reiterate conventional gender conceptions, while, at the same time, they seek to appropriate and accommodate rough masculine agency within prevailing paradigms of femininity. One

23 See http://www.bobbiecarlylesculpture.com.

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could say that by making gender operate starkly through the body and the choice of material, the sculptures perpetuate a hegemonic masculinity that essentializes and subordinates femininity: made of clay, the female is essentialized as the more malleable and soft gender and the association of a weaker sex lurks beneath this assumption. What the two sculptures share is total reliance on the self and the absolute loneliness of the self-made individual. As such, they both fit with those conceptualizations of the “homo clausus” that Norbert Elias criticizes throughout his career as a sociologist: “Over and over again, in the scientific myths of origin no less than in the religious ones, they feel impelled to imagine: In the beginning was a single human being, who was an adult.”24 True enough, barely possessing all their body parts, these individuals rise fully formed as adults in possession of utmost self-sufficiency. As Elias goes on to argue, such a conceptualization of individual agency is a chimera (Fantasiebild), a myth in need of revision.

M EN W HO ARE M ANY The quest for individuation has had such an appeal that it is no coincidence we have come to identify the Romantic era, the age of the Revolutions, with what Angela Esterhammer challenges in her work Romanticism and Improvisation 1750-1850 as “the long-standing Romantic ideology of solitary genius”25. The solitary genius that builds an extraordinary existence without external assistance still fascinates. In the film I am Legend, Will Smith, soon after his performance in The Pursuit of Happyness, stars as a scientist and modern-day Robinson Crusoe who monitors his survival alone in New York (another island I might add) after a man-made virus has exterminated or incurably infected the entire world. For most of the movie, he believes himself to be the last man on earth, but nevertheless goes about his daily life with a Crusoe-like matter-of-factness, accompanied by his dog and driven by his ambition to find a cure to the plague. Importantly, the subtitle of

24 Elias, Norbert (2001): The Society of Individuals, New York: Continuum, p. 20. 25 Esterhammer, Angela (2008): Romanticism and Improvisation 1750-1850, Cambridge: Cambridge University Press, p. 222.

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the movie reads The Last Man on Earth Is Not Alone and toward the end of the movie the scientist learns about the contingency of there being a colony of survivors, upon which he feels more motivated than ever to find an antidote to the virus. The subtitle of this movie brings my discussion to a representation of masculinity that resists this model of self-containment and indeed exposes it as a legend and myth. Coming straight from the evocation of islands as bearers of self-sufficient masculinity, we might better understand the gendered implications of John Donne’s words in 1624: “No man is an island, entire of itself, every man is a piece of the continent, a part of the main […] any man’s death diminishes me because I am involved in mankind.”26 It is telling that this powerful message grows out of Donne’s devotional writings, which tend to be inward-looking and concerned with the condition of the self. But for Donne the search for identity and the relationship to divinity does not undermine our consciousness of human interdependence. Donne can be placed within a tradition that would unfold its potential in the eighteenth-century and was largely constituted of Scotsmen. The ideas of the Scottish philosophers, christened the ‘Scottish Enlightenment’ by Edward Gibbon in the nineteenth-century, would trigger the emergence of another type of man – the ‘Man of Feeling’, a protagonist of eighteenth-century fiction. The main feature of man as seen by the Scottish Enlightenment opposes the fictional isolation of Hobbes’s and Rousseau’s male subject. Adam Ferguson, one of the leading figures of the Scottish Enlightenment writes in 1767: “Mankind have always wandered or settled, agreed or quarreled, in troops and companies.”27 Against Hobbes’s self-oriented and violent man, he juxtaposes the so-called affections: he argues that self-profit or selfpreservation “are even of a feeble texture, when compared to the resolute ardour with which a man adheres to his friend, or to his tribe, after they have for some time run the career of fortune together” 28 . His teacher, Frances Hutcheson, would place the family at the center of

26 Donne, John (1998): Devotions Upon Emergent Occasions and Death’s Duel: With the Life of Dr. John Donne by Izaak Walton, New York: Vintage, p. 87. 27 Ferguson, Adam (1995): An Essay on the History of Civil Society, Cambridge: Cambridge University Press, p. 21. 28 Ibid. p. 222.

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any theory about human society, maintaining that civil society is the outgrowth of familial ties. Richard Olson argues that Hutcheson’s moral philosophy draws on the Dutch legal scholar Samuel Pufendorf, whose views differed greatly from traditional moral philosophy and Roman Law. While the latter made forms of civic virtue arising from political life the fulcrum of historical reflection, Pufendorf extracted the duties of the citizen from the basic circumstances of human life.29 The field of inquiry then shifts from a public and political sphere to a private and more personal one, thus heralding a major feminist stance. Expanding on Pufendorf, Hutcheson elaborated an emphasis on the interdependence of family members that enabled him to formulate what Karen O’Brien deems “an unusually egalitarian idea of marriage”30. He explained these interdependencies by way of elucidating the mutual inclination of the sexes and an instinctive parental attention to the offspring. In Christopher Berry’s succinct formulation “Children do not esteem their parents as a contractual obligation in return for having been nurtured by them”31. This differs strongly from Hobbes’s account, because at no time, according to the Scots, was human society in a state of nature where violence dominated all human transactions and men entered a contract to secure protection. At the same time, it is not selfsufficiency, but sociality and interdependence that have characterized the human condition from the word ‘go’. The image of this citizen is one of connectedness; as James Dunbar put it, “humans are social before they are rational”32, while David Hume would doubt that there ever was a pre-social man in the state of nature, as Hobbes and Rousseau claimed.33 John Millar, the favorite student of Adam Smith and Professor of Civil Law at the University of Glasgow whose influence was great

29 Olson, Richard (1998): “Sex and Status in Scottish Enlightenment Social Science: John Millar and the Sociology of Gender Roles”, in: History of Human Sciences 11.1, p. 76. 30 O’Brien, Karen (2009): Women and Enlightenment in Eighteenth-Century Britain, New York: Cambridge University Press, p. 28. 31 Berry, Christopher (1997): The Social Theory of the Scottish Enlightenment, Edinburgh: Edinburgh University Press, p. 27. 32 Vgl. Berry, Christopher (2003): “Sociality and Socialization”, in: Alexander Broadie (ed.), The Cambridge Companion to the Scottish Enlightenment, Cambridge: Cambridge University Press, p. 245. 33 Ibid.

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on Mary Wollstonecraft, saw the relationship between the mother, father and their offspring as the center from where familial ties extended to social ones. More explicitly than any other school of thought, the Scottish philosophers conceptualized man as a social being, not as an abstract political unit that came to his humanity through reason. So the answer to the question of what makes a man a human being is the human bonds that he creates with his parenting figures, bonds, according to Dunbar, that do not cease when the child outgrows physical dependence, but become stronger as they mingle with the memories of early affects. The philosophers of the Scottish Enlightenment would argue that the possession of reason takes time to develop and nevertheless we are humans before that. As Berry puts it, the Scottish philosophers make socialization the center of their reflections and when they discuss the force of habit, they anticipate the repetition of acts, forms that Norbert Elias and later Pierre Bourdieu would name ‘habitus’. By doing so, they expose masculinity to the possibility of variety and modification: just as the habitus varies depending on the social milieu in which a child grows up, so too are masculinities subject to change. Rousseau also puts emphasis on socialization, but what he envisions for Emile aims at the avoidance of the human bonds that the Scottish philosophers saw as necessary to form a man who was also a human being. Mary Wollstonecraft, the best-known feminist voice of the eighteenth- and nineteenth century, sided with the Scottish philosophers when writing: “To prevent any misconstruction, I must add, that I do not believe that a private education can work the wonders which some sanguine writers have attributed to it. Men and women must be educated, in a great degree, by the opinions and manners of the society they live in.”34

In Donne’s words, men and women must be involved in mankind. As in other parts of The Rights of Woman, Wollstonecraft’s target here is Rousseau: unlike this sanguine writer, she places the socialization of future citizens not in the hands of an isolated enlightened tutor, but

34 Wollstonecraft, Mary (2007): A Vindication of the Rights of Woman and The Wrongs of Woman, Or Maria, ed. by Anne K. Mellor/Noelle Chao, New York: Longman, p. 38.

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particularly in those of mothers who are fully immersed in civil society and the equal companions of men. Where Rousseau dispenses with mothering his Emile, Wollstonecraft believes that “children attain a strength of character sufficient to enable them to endure adversity without forgetting their mother’s example.”35 It follows that, for Wollstonecraft, character is not shaped through the child’s separation from the mother; rather the experience and formation of habits depends to a great extent on the reiteration of early patterns of behavior. Wollstonecraft thus anticipates (as does the Scottish Enlightenment) one of the greatest achievements of feminist theory, namely the need to accommodate the freedom of the subject with his or her situatedness, i.e. the particular emotive and physical history of each unique human being. In recent media, we see these concepts of masculinities converge and engage in a dialogue. I would like to illustrate this conflation with a discussion of a popular commercial by Orange Telecommunications that appears under the heading “I am” on the company’s official website.36 I have chosen one advertisement out of the “I am” series starring Mark Beaumont, record-breaking, long-distance Scottish cyclist, titled “I am who I am because of everyone.” The “I am” series makes only loose references to the promoted goods; it builds instead on the selfrepresentation of a man and less often of a woman. Some of this series’ advertisements build on fictitious characters, others on people who have risen to fame thanks to their professional achievements. The one on Mark Beaumont belongs to the latter group. Beaumont evokes people who accompanied him during childhood and describes how he became the cyclist he turned out to be as following: “I am my mother Una and my sisters Heather and Hannah. I am my grandfather who gave me a heavy bike on Christmas and the neighbor who took the stabilizers off. I am my friend Bobby who helped me through my training and the school kids from Dundee who raised money for my trip. I am the woman who knocked me off my bike in Louisiana and her son who fixed it. I am the people of the Nullerbor who gave me water when I needed it most. I am Mark Beaumont and this year I broke the round-the-world cycling record. I am who I am because of everyone.”37

35 M. Wollstonecraft 2007, p. 71. 36 See http://www.i-am-everyone.co.uk/ 37 See http://www.i-am-everyone.co.uk/

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The people mentioned range from particular ones, such as his mother, his sisters called by name, his grandfather and his friend Bobby, to anonymous individuals such as the woman in Louisiana who knocked him off his bike and her son who repaired it. In more generalized terms, he mentions the students of Dundee, who raised money to finance his tour and a remote people who quenched his thirst at a crucial moment. With all these named and nameless people, Beaumont does not simply identify, but equates himself. This is a synecdochic “I am”: a single person who embodies many by taking on pieces of multiple identities. The advert portrays a successful man who acknowledges his origins, the need for care and nourishment, the need for material goods or tools that have helped unleash his potential: e.g. a bicycle on which to learn how to ride, a need met by a grandfather who seems to compensate for the lack of reference to the father of the child. I would argue that, while celebrating the individual agency of a successful person, the advertisement explicitly steers away from the myth of male self-sufficiency. Significantly, the first three people evoked are women, the mother and two sisters who bring the speaker in connection with his childhood. This is emphasized when the now world-renowned cyclist remembers himself as a child with a heavy bike for which he is indebted to his grandfather. Such a detail contradicts the idea that men can come to maturity without any interaction and that they can be the sole authors of their lives. If we go back and think about Carlyle’s sculptures, it is only legitimate to ask where those self-made individuals found tools such as a hammer and chisel. What did they carve those out with? I am aware that such pragmatic questions spoil the pleasures of creative imagination, yet, ideologically, they reveal the very origins of individuality and the limits of autonomy that certain representations of masculinity seek to obscure as they celebrate self-sufficiency as the ultimate expression of the mature self. The Orange commercial instead makes a virtue of the needy nature of humanity. We first encounter Mark Beaumont as a child struggling to stay on top of a heavy bike, which he cannot ride without stabilizers. Instead of boasting of extraordinary hard work and outstanding skills, his speech concentrates on all the external assistance he has received at different stages of his becoming who he is, such as the neighbor who removed the stabilizers or school friends who financed one of his tours. And while some encounters knock him down, others help him get back on his feet, but all of them contribute to who he is and what he recognizes himself to be.

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The commercial brings to the fore the interplay between men and sports, a well-established alliance in media representations of masculinity. Studies done on sports, masculinity and media have first drawn on feminist analyses of women and sport that point out the relevance of gender. After Sport, Men, and Gender Order: Critical Perspectives, gender became an indispensable variable of the equation.38 One of the lessons of that study, which collected essays from men and women whose insights grew out of their involvement in research on women in sport and the then-emerging field of men’s studies, is that the somewhat impenetrable alliance between men and sports engenders a way to counteract the insecurity that exists around the modern concept of masculinity. The media tends to respond to gender anxiety by coupling sports with values of hegemonic masculinity, where the subordination of women becomes naturalized. Gender trouble also casts its shadow among sportsmen and homophobia appears as the unspoken reality of heterosexual masculinity of sportsmanship. Bearing these findings in mind, the Orange advertisement continues to link sports with men, but for more than one reason it inflects the hegemonic masculinity embraced by many sports commercials. First, there is no reference to heterosexuality: while in other advertisements of the “I am” series, fictitious men name their girlfriends saying “I am my girlfriend […]”, this kind of identification is missing in Mark Beaumont’s autobiographic exposé. Lack of heterosexual evidence is supplemented by a lack of homophobic anxiety: on two occasions, male bonding explicitly furthers the career of the cyclist. First, we learn about his friend Bobby who sustained him through his training and then the son of the woman in Louisiana who repaired his bike. In conclusion, the advertisement selects events and people that will hardly allow for a dichotomized representation of men’s and women’s experience. In light of this, the detail about the woman in Louisiana who momentarily puts a stop to the cyclist’s course is quite refreshing, because it breaks with gender expectations that view women exclusively as care-takers and facilitators. The advertisement then invites us to think about the masculine subject and about subjectivity. If we agree with Elizabeth Deeds Ermath

38 Cf. Messner, Michael A./Sabo, Donald F. (eds. 1990): Sport, Men, and the Gender Order: Critical Feminist Perspectives, Champaign, IL: Human Kinetics Books.

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that “subjectivity must be kinetic, not static; it must be multiplied, not single”39, then there are two visual aspects to be underscored in this advertisement: first, the screens that surround the cyclist and the projected images of the people involved in different stages of his life resemble loose pieces that through the narration come together to form a mosaic. As we construct a trajectory of his evolution by putting together the stations of his life, the identity that emerges is fragmented, but, nevertheless, an identity. Obviously, only very few people who have affected his life can be mentioned within the time span of one minute, which is another reason why we can only speak of fragments. However, these fragments are selected deliberately and they tellingly participate in a life narrative that substantiates instead of threatens or undermines the self-awareness of the subject saying “I am”. The second visual aspect to be underscored is that the commercial represents identity as a process; “kinetic” would be the right word, since “kinetic” applies to the journey that has taken the cyclist to different countries (indeed he keeps cycling while the images of the people he mentions are projected on the screens), but more significantly the word “kinetic” supports the notion of geographic mobility as well as the psychological and emotional skill needed to be a kinetic, instead of a static subject. To a certain extent, this advertisement owes its kinetic energy to road movies, a genre deployed to celebrate a stereotypical male freedom, but which films like Thelma and Louise usurp for their women protagonists. However, the cyclist remembers the places and people met on the road, thus refusing to see freedom as a run-away scenario. The advert perceives identity as fragments loosely held together in continual movement – a shifting mosaic through space and time. As such it supports a claim central to Men’s Studies, namely that there are not only different masculinities all over the globe, but that they are subject to change, that is, they develop over space and time. We could read this representation as a possible answer to the loss that Ermath formulates: “[W]hat becomes of the liberal values associated with individuality once we suffer the loss of that atomic subject, that irreducible Cartesian cogito, that

39 Deeds Ermath, Elizabeth (2000): “Beyond the ‘Subject’: Individuality in the Discursive Condition”, in: New Literary History 31.3, p. 408.

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free-floating monad that grounds so much of the European philosophical tradition before post-structuralism?”40

In fact, this advertisement drew my attention as an explicit reference and alternative to the Cartesian ego that finds its capacity to exist exclusively in its own mental powers, in the cogito: “I think therefore I am” is Descartes’s principle of existence, whereas Mark Beaumont claims to be because of everyone. This approach to individuality seems indebted to feminist attempts to redefine autonomy by liberating it from the rationalistic and solipsistic heritage (inherent in Hobbes’s and Rousseau’s citizen that the Scottish philosophers and women writers contested), and at the same time salvaging the ideal of personal creativity and entrepreneurship within the context of the interdependencies that accompany human endeavors. As the editors of a recent collection of essays titled Relational Autonomy: Feminist Perspectives to Autonomy, Agency and the Social Self write, “the focus of relational approaches is to analyze the implications of intersubjective and social dimensions of selfhood for conceptions of individual autonomy and moral and political agency.” 41 Among others, relational autonomy seeks to free autonomy from the abstraction of the autonomous man that informs mainstream philosophical accounts of the subject and epistemology. If we believe that literature, art and popular culture mirror as much as create ideals of masculinity or femininity, an emphasis on relational approaches of selfhood, autonomy and agency works along the line of Men’s Studies, which James Riemer formulates as following: “Ultimately, men’s studies seeks to revise the way men live their lives so that they are free to guide their lives by human ideals rather than restrict them with purely manly ones.”42

40 E. Deeds Ermath 2000, p. 404. 41 Mackenzie, Catriona/Stoljar, Natalie (eds. 2000): Relational Autonomy: Feminist Perspectives to Autonomy, Agency and the Social Self, Oxford: Oxford University Press, p. 4. 42 Riemer, James (1987): “Rereading American Literature from a Men’s Studies Perspective: Some Implications”, in: Harry Brod, The Making of Masculinities: The New Men’s Studies, Boston, MA: Allen and Unwin, p. 298.

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The pursuit of human values that crystallize through ongoing dialogues on a myriad of levels of social interaction rather than through the reification of manly ideals that rest on a naturalized and mystified order may hold the promise for masculinities to no longer derive their identities from a hierarchical gender system.

„Der Mann, ein gefährliches Tier der Gesellschaft.“ Vom Nutzen der Negativen Andrologie für die Gender Studies C HRISTOPH K UCKLICK Nicht

Kriminalität

und

Gewalt

bedrohen unsere Gesellschaft, sondern Männer. ANTHONY GIDDENS1

Die mit den Mitteln der Krisenerzeugung bekämpfte Finanzkrise der jüngsten Zeit wurde, wie nahezu jede größere Krise der vergangenen 200 Jahre, als eine der Männlichkeit gedeutet. Ein Angelpunkt dieser genderisierten Reduktion ökonomischer Komplexität ist die Vermählung von Gier und Geschlecht, von rückhalt- und rücksichtslosem Profitstreben der Banker und der vornehmlich maskulinen Disposition zu einem nicht minder haltlosen Egoismus. Diese Deutung der Finanzdebakels als psychosoziales Spektakel einer irren und irregeleiteten Maskulinität hat in der Tagespresse einige Resonanz gefunden, besonders plakativ im Magazin der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift Hochmut kommt vor dem Phall, wo es heißt: „Die Wirtschafts-

1

Zit. in Otten, Dieter (2000): MännerVersagen. Über das Verhältnis der Geschlechter im 21. Jahrhundert, Bergisch Gladbach: Lübbe, S. 43. S. a. Giddens, Anthony (1993): Wandel der Intimität. Sexualität, Liebe und Erotik in modernen Gesellschaften, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 121, 149, 153.

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krise ist vor allem eine Krise der Männer. (Im Ernst: Wäre Frauen der ganze Mist auch passiert?)“2

Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin

Man ahnt die Antwort, aber bevor der Autor bei ihr ankommt, schreitet er die gesamte Front männlicher Untugenden ab: Gier, Egoismus, Machthunger, Gewissenlosigkeit, Risikolust – kurz: Mit dieser Ausstattung würde die tierische „Herde von Männer“3, dieses unmoralische Geschlecht, unsere Gesellschaft im Alleingang ruinieren. An anderer Stelle wird die Finanzmalaise als „Testosteron-Krise“4 ausgelegt. Umso größer die Erleichterung, wenn die Gegenmächte in Form der „Ausputzfrauen“ antreten, die im Reinemachen nach den männlichen Abrissbirnen geübt sind: „Frauen sind die besseren Finanzexperten. Das macht sie zu den Gewinnern der Krise. Nun sollen sie die Trümmer der Männer wegräumen – und mit ihrem Gespür für Risiken den nächsten Absturz verhindern.“5 Der Umstand, dass Journalisten diese überaus voraussetzungsvollen Deutungsangebote einem Massenpublikum unterbreiten, stärkt die Vermutung, dass sie eingängige Genderimaginationen enthalten, die trotz oder wegen ihrer Unwahrscheinlichkeit umstandslos abrufbar sind.6

2

Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 11.2009; http://sz-magazin.sued-

3

Ebd.

deutsche.de/texte/anzeigen/28502/ zuletzt aufgerufen: 20.1.2011. 4

Horx, Matthias (2009), in: Süddeutsche Zeitung vom 5.10.2009.

5

Fend, Ruth (2009), in: Financial Times Deutschland vom 12.2.2009.

6

Unwahrscheinlich, dass Fragen der Disziplinierung von OffshoreZweckgesellschaften, Wechselkursimbalancen in der globalisierten Welt,

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Um solche und andere Phantasmen einer gefährlichen, einer riskanten, einer gesellschaftsbedrohenden Männlichkeit soll es mir im Folgenden gehen, um damit auch ein Forschungsdesiderat zu markieren: Die dunkle Seite von Männlichkeit wird in populären wie akademischen Diskursen zwar intensiv beschworen und beklagt, aber seltener analysiert.

N EGATIVE ANDROLOGIE Die Geschichte des Unbehagens und des Zweifels an Männlichkeit ist noch ungeschrieben. So fehlt ihr ein systematischer Stellenwert in den Gender Studies. Zwar haben Autorinnen und Autoren schon früh und dann immer wieder auf die Perhorreszierungen von Männlichkeit in der Moderne hingewiesen, 7 deren Potenzial für die Steigerung der Komplexität des Verständnisses von Geschlechterverhältnissen ist aber nicht ausgeschöpft. Darauf deutet auch die begriffliche Selektivität hin, die zwar ,Imaginationen der Weiblichkeit, und ,Männerphanta-

sozialstaatlich initiiertes Subprime-Lending, (De-)Regulierung des Derivatehandels, Niedrigzinspolitik als Anpassung an Technologiezyklen, Strukturprobleme der Eurozone etc. auf Geschlecht abgebildet werden – und diese Abbildung akzeptiert wird! 7

Steinbrügge, Lieselotte (1992): Das moralische Geschlecht. Theorien und literarische Entwürfe über die Natur der Frau in der französischen Aufklärung, Stuttgart: Metzler; Klinger, Cornelia (2000): „Die Ordnung der Geschlechter und die Ambivalenz der Moderne“, in: Sybille Becker/Gesine Kleinschmidt/Ilona Nord/Gury Schneider-Ludendorff (Hg.): Das Geschlecht der Zukunft. Zwischen Frauenemanzipation und Geschlechtervielfalt, Stuttgart: Kohlhammer, S. 29-63; zuletzt aufgerufen: 20.1.2011); Tomaselli, Sylvana (1985): “The Enlightenment debate on women”, in: History Workshop Bd. 20 (Herbst), S. 101-24; Elshtain, Jean Bethke (1984): “Symmetry and soporifics: A critique of feminist accounts of gender development”, in: Barry Richards (Hg.): Capitalism and infancy. Essays on psychoanalysis and politics, London: Free Association Books, S. 55-91; grundlegend: Hausen, Karin (1976): „Die Polarisierung der ‚Geschlechtscharaktere‘ – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben“, in: Werner Conze (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart: Klett, S. 363-93.

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sien‘ bereitstellt, aber kaum Äquivalentes für jene Denkungsarten, in denen Maskulinität weder als Subjekt der Positivitäten noch als Objekt von Privilegierungen gelten kann – also all jene Semantiken, denen Männlichkeit als bevorzugt nur in ihrer Schrecklichkeit und überlegen nur in ihrer Bedrohlichkeit gilt. Um einen analytischen Umgang mit diesen Semantiken zu ermöglichen, habe ich den Begriff der Negativen Andrologie vorgeschlagen.8 Er soll Äquidistanz halten sowohl zu den negativen Phantasmen selbst als auch zu ihren Verwendungen in Wissenschaft, Politik und Populärkultur und dadurch deren Analyse möglich machen. Insofern fühlt er sich einer Abklärung und -kühlung der Aufregungen verpflichtet, die die Perhorreszierung von Männlichkeit bis heute oft nach sich zieht. Das lässt sich in der Abgrenzung zu jenen beiden Diskursformationen illustrieren, die auf ihre Weise die Negative Andrologie am intensivsten, wenn auch nicht am produktivsten betreuen. Als eine Art Parasiten (im Sinne Michel Serres‘9) der Negativität flanschen sich jene Männerforschungen und -aktivisten am Männlichkeitszweifel fest, die darin einen Beleg für ein großes historisches Männeropfer sehen. Ob diese Positionen unter dem Stichwort der Misandrie 10 , als Zweiter Sexismus 11 oder als bedauertes Ende der Männermacht12 firmieren: ihr Gemeinsames finden sie darin, anhand der Männlichkeitszweifel eine generelle Deprivilegierung von Männern festzustellen, in Extremfällen sogar eine Art ewigen, versteckten Opferstatus des Mannes. Der Versuch, aus der Verkehrung der Geschlechtervalenzen Funken der Erkenntnis zu schlagen, wirft vereinzelt überraschende Effekte ab, allerdings um den Preis historischer

8

Kucklick, Christoph (2008): Das unmoralische Geschlecht. Zur Geburt der Negativen Andrologie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

9

Serres, Michel (1987): Der Parasit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

10 Nathanson, Paul/Young, Katherine (2001): Spreading Misandry: The Teaching of Contempt for Men in Popular Culture, Montreal and Ithaca: McGill-Queen’s University Press; Nathanson, Paul/Young, Katherine (2006): Legalizing Misandry: From Public Shame to Systemic Discrimination against Men, Montreal and Ithaca: McGill-Queen’s University Press. 11 Benatar, David (2003): “The Second Sexism”, in: Social Theory and Practice 29.2, S. 177-210. 12 Farrell, Warren (1995): Mythos Männermacht, Frankfurt a.M.: Zweitausendeins.

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Simplifizierung und der Verhaftung am zu Überwindenden: In diesen Debatten reproduziert sich das Beklagte im Beklagen und so bleiben diese in fruchtloser Geschlechterbinarität und nicht selten patriarchaler Borniertheit gefangen. Deutlich heikler ist es, über die andere Betreuungsinstanz maskuliner Perhorreszierungen zu sprechen, weil sie den Gender Studies enger, wenngleich mit abnehmender Relevanz, verbunden ist. In Teilen der frühen Gender Studies wurde die Figur der negativen Männlichkeit in vielen Facetten ausgemalt und die Krise der Moderne als Krise der Männlichkeit deutet – als das Produkt einer einseitigen, instrumentellen, entmenschlichten Maskulinität: „Die von Männern beherrschten Aktivitäten mit dem größten Prestige in unserer Gesellschaft – Politik, Wissenschaft, Technologie, Kriegstechnik, Geschäfte – bedrohen das Überleben unseres Planeten und der Menschheit. Dass unsere Gesellschaft diesen Unternehmungen den höchsten Wert beimisst, zeigt nur die tiefgehende Perversion der patriarchalen Kultur. Männliche Werte betonen Tod, Gewalt, Konkurrenz, Egoismus und die Unterdrückung von Körper, Sexualität und Gefühl.“13

Hier kann und soll keine Kritik dieser Positionen unternommen, sondern nur die Schwierigkeit vermerkt werden, eine Reflexion auf Entstehung und Entwicklung dieser Topoi zu leisten, wenn man ihnen selbst verpflichtet ist. Es empfiehlt sich stattdessen, jede Verwendung geschlechtlicher Zuschreibungen, auch solcher, die als Kritik an den Verhältnissen auftreten, als deren Teil zu analysieren – und sie als eine die Geschlechterpraktiken der Moderne konstituierende Imagination zu behandeln. Auch die Kritik an Männlichkeit ist ein Produkt der Verhältnisse, die sie zu kritisieren unternimmt, und somit womöglich

13 Young, Iris (1989): „Humanismus, Gynozentrismus und feministische Politik“, in: Elisabeth List/ Herlinde Studer (Hg.): Denkverhältnisse. Feminismus und Kritik, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 37-65, S. 46f.; s. a. Mason, Gail (2001): The spectacle of violence. Homophobia, Gender, and Knowledge, London/New York: Routledge; kritisch-ironisch: Klinger, Cornelia (1986): „Das Bild der Frau in der Philosophie und die Reflexion von Frauen auf die Philosophie“, in: Hausen, Karin; Nowotny, Helga (Hg.): Wie männlich ist die Wissenschaft?, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 62-86.

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fruchtbarer zu analysieren in ihrer Aussagekraft über diese Verhältnisse als in ihrem Aussagegehalt in Bezug auf Männlichkeit. Mit anderen Worten: Die Negative Andrologie zwingt in hohem Maße zu einer Beobachtung zweiter Ordnung der Gender Troubles, auch und gerade in ihren autologischen Konsequenzen. Die Negative Andrologie taugt in diesem Sinne weder als Instrument der Revision noch als Mittel der Anklage, sondern als weitere und bislang untergenutzte Sonde in die Geschlechterverhältnisse der Moderne. Ich habe vorgeschlagen, sie als systematischen Bestandteil der Moderne zu behandeln, der nicht erst durch die Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts in die Welt gekommen ist,14 sondern bereits in der Sattelzeit um 1800, und dann rasch zum gepflegten wie umstrittenen Bestand der Gender-Semantiken aufgestiegen ist. Gerade diese frühe, aber gut belegbare Geburtsphase erlaubt es, in der Negativen Andrologie mehr zu sehen als ein bloßes Mittel politischer oder akademischer Auseinandersetzungen, nämlich eine an grundlegende Strukturen der Moderne gekoppelte Semantik. Sie wirft zudem schwierige Fragen auf über die Gründe der modernen Perhorreszierung des Männlichen – Fragen, die die Methodik der Gender Studies herausfordern. Meine systemtheoretisch inspirierte These besagt, dass die historisch revolutionäre Negativfassung von Männlichkeit in der Moderne als das semantische Korrelat der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft zu lesen ist und auf Grund von zwei Effekten dieser Differenzierung entstanden ist. Zum einen als Antwort auf die Unbestimmt-Werdung, die Entteleologisierung des Menschenbildes; zum anderen als Reaktion auf die Funktionsdifferenzierung der Gesellschaft, die zunächst vornehmlich als Differenz von Interaktion und Gesellschaft wahrgenommen und verarbeitet wurde. Dieser Differenz

14 Hannelore Bublitz kommt aus einer Foucaultschen Perspektive zur Diagnose: Um 1900 muss „der Mann/das Männliche als Kulturträger [...] den Anspruch auf Verkörperung des Allgemein-Menschlichen aufgeben“ und zugleich die „Depersonalisierung des männlichen Ich“ erleben. Vgl. Bublitz, Hannelore (1998): „Das Geschlecht der Moderne. Zur Genealogie und Archäologie der Geschlechterdifferenz“, in: Dies. (Hg.): Das Geschlecht der Moderne. Genealogie und Archäologie der Geschlechterdifferenz, Frankfurt a.M.: Campus, S. 26-48, hier S. 41. Ich verlege diesen Vorgang um 100 Jahre vor.

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wiederum schmiegte sich die Geschlechterdifferenz in einer Art Supercodierung an, so dass die beiden Differenzen – Interaktion und Gesellschaft sowie die Geschlechterdifferenz – für einander einstehen konnten. Dieser Strukturierung liegt ein komplizierter Vorgang zugrunde, der hier nicht ausgeführt werden kann. Wichtig daran ist, dass man der Negativen Andrologie nur mit einem konsequent nichthumanistischen Ansatz beikommt, der darauf verzichtet, Semantiken auf die Interessenlagen von Individuen, Klassen oder Geschlechtern zurückzuführen, weil diese darin a) nicht aufgehen und b) durch ebenjene Semantiken oft eher behindert werden.15 Wir haben es eher mit diskursiven Selbstbewegungen zu tun als mit gezielten Stützungsideologien von Herrschaftsansprüchen, auch wenn erstere für letztere eingespannt werden können. Erst eine solche auch begrifflich kühl gehaltene Herangehensweise ermöglicht es, die Frage nach Wirkungen und Verwendungskontexten offen zu halten: Ob an die Negative Andrologie jeweils Befürchtungen oder Hoffnungen geheftet werden, zu welchen Privilegien und Nachteilen sie beiträgt, ob sie Abscheu oder Bewunderung auslöst – das ist jeweils eine empirische Frage, die nicht durch vorher festgelegte (Herrschafts-)Interessen oder Bedürfnislagen zu beantworten ist. Männer, Männlichkeiten werden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur doppelten Verkörperung einer neuen, problematischen Welt.16 Diese Welt hat in radikaler Hinsicht wenig mit der vorhergehenden zu tun; und dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Verständnis der Geschlechter. Nur in diesem Zusammenhang ist die Geburt der Negativen Andrologie zu verstehen. Die Quellen legen, bei allen Kontinuitäten in Motiven und Topoi, einen energischen Bruch mit vorhergehenden Geschlechterkonzepten nahe, von dem Männlichkeit nicht weniger betroffen ist als Weiblichkeit.

15 Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 16-43. 16 Auch die Geschichte des Unterschieds der Negativen Andrologie zu früheren Männlichkeitsdiskursen ist noch ungeschrieben; die prämodernen querelles des sexes haben sich aber nie zu den harschen, modernen Geschlechter-Anthropologien verdichtet und sind um ganz andere Probleme gekreist. Vgl. Bock, Gisela (2000): Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München: C.H. Beck, S. 13ff.

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Zwei Hauptdiskursstränge lassen sich in der Entstehungsgeschichte der Negativen Andrologie unterscheiden; der eine betreut das, was in unverstellt ontologischer Sicht als ‚Natur‘ des Mannes gilt, der andere kümmert sich darum, was die sich differenzierende Gesellschaft aus und mit den Männern macht. „Der rohe Sohn der Natur“ Als Ernst Heinrich Kosegarten 1816 in seinem aufs breite Publikum zielenden Werk Der Mann in gesellschaftlichen Verhältnissen anhebt, die Natur der Bürgersöhne zu charakterisieren und damit die Startvoraussetzungen jeglicher Männlichkeiten in der Gesellschaft, greift er auf einen seit rund 50 Jahren ausformulierten Wissensbestand zurück, der allen Zeiten zuvor als völlig abwegig erschienen wäre. So nämlich beschreibt Kosegarten die jungen Wilden der frühen Moderne: „Furchtbar steht der rohe Sohn der Natur vor uns, der nur einem einzigen Gesetze blindlings gehorcht: dem schreklichen Gesetze der Stärke. Was ihn zum Handeln bewegt, ist Egoismus der gröbsten Art, instinktmäßiger Eigennutz. Er gleicht dem Thiere, deren eines dem andern die Nahrung raubt, und das schwächere aus seiner Wohnung treibt, um sie für sich in Besitz zu nehmen. [... E]r unterliegt dem physischen Zwang, und muss gefürchtet werden, um nicht selbst zu zittern, muss zerstören, um nicht zerstört zu werden.“17

Weitere Erläuterungen fehlen. Offenbar kann der Autor davon ausgehen, dass seine Leser verstehen und akzeptieren: Seiner Natur nach ist der Mann egoistisch, instinkthaft, tierisch, gewalttätig und zerstörerisch. Auch unterzieht sich der Autor keinerlei Mühen, etwa den Wilden der Vorzeit und die Söhne seiner Zeit zu differenzieren. In ihrer überzeitlichen Natur sind ihm alle Männer gleich. Wenig später ist derlei kanonisch und füllt Lexika.18 In zwei nur scheinbar getrennten Diskursen hat sich diese Naturalisierung des Maskulinen angebahnt. Zum einen in den histoires hypo-

17 Kosegarten, Ernst Heinrich (1816): Der Mann in gesellschaftlichen Verhältnissen. Eine Anleitung zur Weltklugheit, Umgangskunst und praktischen Lebensweisheit überhaupt. Nach Knigge, Pockels, Heidenreich, Montaigne u. and. m., Pesth: K.A. Hartleben, S. 5 f. 18 Dt. Staats-Wörterbuch (1858), 3:632.

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thethiques, den theoretical histories, den Universal-, Kultur- und Zivilisationsgeschichten des 18. Jahrhunderts, die den Nullpunkt der Geschichte neu vermessen, früh etwa bei Isaak Iselin. 19 Sie postulieren eine stark geschlechtlich segregierte Urzeit, die sich von frühmodernen Konzeptionen etwa bei Hobbes und Locke deutlich unterscheidet, bei denen gerade die geschlechtsübergreifend geteilte Vernünftigkeit der Subjekte als Gründungsbedingung der bürgerlichen Gesellschaft erschien. Die Autoren des späten 18. Jahrhunderts dagegen entdecken nicht mehr ein gemeinsames Menschengeschlecht, sondern eine universale Tyrannei der Männer. Eine Zitat-Montage illustriert, unter Verzicht auf vielerlei Differenzierungen, die Tonlage sowie den Argumentationsweg. „Der Mann in jenem groben und unkultivierten Zustand ...[...] ist ein Tier und nur wenig verschieden von den wilden Bestien um ihn herum“,20 und dies ist in der Tat ein Spezifikum des Mannes: Denn es ist „richtig, daß bey allen Völkern die Weibspersonen eher zu vernünftigen Beschäftigungen reif werden, als die Männer“.21 Nur nützt ihnen das wenig, wenn die „zugleich grausame und gleichgültige“ Natur des Mannes, 22 denen Frauen rechtlos preisgegeben sind, sie „nur der Befriedigung sinnliche Triebe und als Lustthier“ missbraucht.“23

Während die Frauen bereits über sentiments verfügen, hat der Mann nur wahllose appetites. Er ist noch ganz das Tier, die Frau schon ein klein wenig Mensch. An dieser Differenz hängt das Zivilisierungsprojekt des Bürgertums, die Hoffnung, aus den Wilden im Laufe der Erziehung Menschen zu machen.24 Der Mann aber, der hier in der Tiefe der Geschichte – und in der damaligen Gegenwart – auftaucht, ist ein Verge-

19 Iselin, Isaak (1768): Geschichte der Menschheit, Zürich: Orell, Geßner & Co. 20 Alexander, William (1779): The History of Women from the Earliest Antiquity, to the Present Time; giving some Account of almost every interesting Particular concerning that Sex, among all Nations, ancient and modern, London: Strahan & Cadell (2 Bde.), I S. 169f. 21 I. Iselin 1768 I, S. 259. 22 Thomas, Antoine-Léonard (1773): Essai sur le Charactère, les Moeurs et l’Esprit des Femmes dans les différents Siècles, Wien: Trattnern, S. 6f. 23 Dt. Staats-Wörterbuch (1858), 3:632. 24 s. a. S. Tomaselli 1985.

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waltiger aus Notwendigkeit, ein Frauenschänder, der eine „universale Prostitution“ 25 erzwingt. Der nach „Blute dürstende“ 26 Ur-Mann erscheint explizit als das ,Andere‘ der Zivilisation, als Vernichter der Gattung: „die Gefühllosigkeit der Männer [...] vernichtet die Menschlichkeit“.27 Gottes Garten Eden hat sich in ein killing field verwandelt. Die Bedeutung dieser Umpositionierung des Männlichen kann nicht unterschätzt werden: Die Ur-Relation der Geschlechter wird erstmals als nacktes Gewaltverhältnis geschildert, nicht mehr als fragiles, durch beide Geschlechter korrumpierbares humanes Telos. Damit treten zugleich komplexe Fragen nach der Hierarchie der Geschlechter auf, den relativen Vorzügen oder Nachteilen der jeweiligen geschlechterstereotypisierten Charakterisierungen: also etwa nach der Barbarei der (männlichen) Stärke und der historischen Macht der weiblichen Schwäche – wenig in den Geschlechterverhältnissen kann seither noch gelesen werden ohne diese stets mitlaufende, innere Verkehrung der Valenzen. Männliche Unbestimmtheit Die Neu-Vermessung der Urzeit in den Universalshistorien steht deutlich unter zeitgenössischem Einfluss, nämlich der Neu-Vermessung der menschlichen Natur. Dies ist der zweite, wichtigere Strang. In der neuzeitlichen Form von Männlichkeit, so die These, wird das (damals) neue Menschenbild, nämlich die Unbestimmtheits-Anthropologie der Moderne,28 bearbeitet, inszeniert, dramatisiert und sowohl zur Kritik wie zur Bewunderung freigegeben.

25 Millar, John (1803): An Historical View of the English Government, zit. in Bowles, Paul (1984): John Millar, the four-stages theory, and women’s position in society, in: History of Political Economy 16.4, S. 619-38, S. 635. 26 Hippel, Theodor Gottlieb von (1793): Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, Frankfurt a.M.: Syndikat, S. 57. 27 W. Alexander, 1779 I, 212; s. a. Pockels, Carl Friedrich (1805): Der Mann. Ein anthropologisches Charaktergemälde seines Geschlechts. Ein Gegenstück zu der Charakteristik des weiblichen Geschlechts, Hannover: Ritscher (2 Bde.), I S. X. 28 Deren Umrisse weitgehend unstrittig und gut erforscht sind. Ich folge: Gamm, Gerhard (1994): Flucht aus der Kategorie. Die Positivierung des Unbestimmten als Ausgang aus der Moderne, Frankfurt a.M.: Suhrkamp; Kondylis, Panajotis (1986): Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen

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Das 18. Jahrhundert verabschiedet jegliche substantialistische Anthropologie endgültig und beginnt, „obsessiv das Theater der Unbestimmtheit in immer neuen Aufführungen und mit immer neuen Namen“ zu wiederholen.29 Vom Aufführungszettel genommen wird die Idee, dem Menschen seien unveränderliche und gute Zweckbestimmungen eingeschrieben, gegen die er (und sie) zwar verstoßen und sie korrumpieren könne, aber ohne die grundsätzliche Passung von Mensch und gottgewollter Ordnung zu beschädigen. Die Moderne konzipiert den Menschen nicht mehr durch Fremdreferenz (auf Gott, Polis, ordo), sondern durch Selbstreferenz (Selbst). Sie geht fortan davon aus, es beim Menschen mit einem grundsätzlich un- oder zumindest unterbestimmten Wesen zu tun zu haben; mit einem selbstbezüglichen Wesen, das nicht mehr einer innewohnenden Perfektion nachstrebt, sondern sich in einem fehleranfälligen Bildungsprozess erst selbst formen muss. Der Mensch muss selbst zum Menschen werden. Die Grundausstattung des Menschen zeigt sich damit als eine Disposition, die alles ermöglicht unter der Bedingung, dass sie eingeschränkt wird. Statt Herkunft zählt nun Zukunft. Seither gilt, dass alles, was über den Mensch gesagt werden kann, mit diesem Selbstbezug zu rechnen hat, mit der inneren und bis zum Wahnsinn „absoluten Zerrissenheit“30 des Geistes. Doch warum diese schwierige Neuerung des ent-teleologisierten Menschen? Der Antwortvorschlag der Systemtheorie lautet: auf Grund der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft. Die ständische Gesellschaft hatte die Individuen total konditioniert und ihnen einen festen Platz im sozialen Gefüge samt einer korrespondierenden Natur zugewiesen. In der modernen funktional differenzierten Gesellschaft werden Individuen aber nicht mehr verbindlich platziert, sondern jeweils nach Maßgabe der unterschiedlichen Funktionssysteme angesprochen. Die verschiedenen Funktionssysteme brauchen gewisserma-

Rationalismus, München: dtv; Luhmann, Niklas (1993): Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 162ff.; Rieger, Stephan (2003): Kybernetische Anthropologie. Eine Geschichte der Virtualität, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 29 G. Gamm, 1994, 23. 30 Hegel, G.W.F. (1970): Phänomenologie des Geistes, in: Ders.: Werke, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, Bd. 3, S. 36.

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ßen je „unterschiedliche“ Menschen: Der Homo oeconomicus des Wirtschaftssystems hat einen anderen Zuschnitt als der Zögling im Erziehungs- oder der Vater im Familiensystem. Die Neubestimmung des Menschen als selbstreferenziell organisierte Negativität ermöglichte die jeweils funktionssystemabhängige Ankopplung der Individuen. Oder kurz: Warum keine umfassende positive Bestimmung des Menschen mehr? „Um Funktionsanschlüsse zu erlauben!“31 Das soll nicht heißen, dass die semantische Neuformatierung des Menschen eine gezielte Erfindung war, sondern nur, dass in Bezug auf die gesellschaftsstrukturellen Probleme manche Semantiken, die aus ganz anderen Zusammenhängen stammen mögen, bevorzugt selegiert und weiterentwickelt wurden. Dabei handelt es sich um einen evolutionären Prozess, der dann aber wieder eigene Strukturzwänge nach sich zieht. Die Figur der humanen Unbestimmtheit setzt sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als unhintergehbarer Grund des Denkens durch – und ich erachte es nicht als Zufall, dass sich zeitgleich die Figur der negativen Männlichkeit durchsetzt. Denn es fällt nicht schwer, in dieser „Situation der Situationslosigkeit“ 32 den Naturzustand, den unbestimmten Ausgangszustand der Männlichkeit wiederzuerkennen. Der wilde Mann wird nachgerade definiert durch eben jene „innere und äußere Beschlossenheit [...] mit sich“,33 mit der Hegel die neue Menschenlage kennzeichnet. Der Ur-Mann ist deren Verkörperung, seine Gewalt und Tyrannei sind nicht Ausdruck einer Zweckbestimmung, sondern dessen, was der Mensch tut, da und solange er noch nicht zur Bestimmung gefunden hat. Mit der Unbestimmtheit wird das errichtet, was Gerhard Gamm die „negative Infrastruktur“ nennt, die sich fassen lässt unter Begriffen wie „Ortlosigkeit des Subjekts“, „Zerstreuung der Sprache“ und „Unwahr-

31 Luhmann, Niklas (1993a): Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 3, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 193; deutlich ausführlicher N. Luhmann (1997), S. 618ff.; Nassehi, Armin (2003): Geschlossenheit und Offenheit. Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 98ff. 32 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1970): Werke in 20 Bänden, red. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, Bd. 12 (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte), S. 258. 33 Ebd. S. 262.

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scheinlichkeit sozialer Ordnung“34 – also genau den Zentralelementen des Männlichkeitsdiskurses, wie man sie bei Fichte, Wilhelm von Humboldt und Hegel (dort etwa in der Figur der „Furie des Zerstörens“, die man sich, wenn man genau liest, als Mann vorstellen muss,) findet. Unbestimmtheit erscheint hier als Bedingung der Möglichkeit und der Unmöglichkeit alles bestimmten Wissens über das Wesen des Menschen, das moralisch angemessene Handeln, die Natur und die Gesellschaft – also als Kern der negativistischen Selbstbeschreibung der Moderne. Und als deren genderisierte Ironie: Die Unbestimmtheit des Wissens wird in dem bestimmten Wissen gebannt, die Unbestimmtheit in der Maskulinität zu verorten – und so tritt sie gleichsam als positivistische Negativfassung des männlichen Charakters zu Tage. An vielen Quellen kann man nachweisen, dass die Bewältigung der neuen Menschennatur einen Kern der Männlichkeitsdiskurse bildet. Stellvertretend sei hier auf Carl Friedrich Pockels (1757-1814) verwiesen, der eines der wichtigsten Werke zum Thema verfasst hat, das ursprünglich auf vier Bände angelegte, 1805 in zweien publizierte Der Mann. Ein anthropologisches Charaktergemälde seines Geschlechts. Nach Angaben des Verfassers war dies die erste Buchveröffentlichung deutscher Sprache, die sich ausschließlich dem Thema Männlichkeit widmete. Darin macht Pockels das Problem der leeren Natur zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen und münzt es explizit und exklusiv auf den Mann. Nur er erscheint in seiner ursprünglichen Form als „anthropologisches Ich“, als eine „eingeschränkte Form“, als ein „abstrakter Einsiedler seines Wesens, das keine Mittheilung kennt, und nur sich selbst fühlt“.35 In scheinbar postmoderner Manier skizziert Pockels die Situationslosigkeit dieses Wesens, seine grundstürzende Verlorenheit. Denn ein solches Ich sei nichts als „ein im leeren Raume schwebender Riss nichts als ein Stück kalter Vernunft, dem noch die höhern Antriebe des Wirkens, – das Herz fehlten, dem noch die gesellige Liebe unbekannt war, – ein schrecklicher Widerspruch mit sich selbst und der gesammten Natur“36. Oder, wie es an anderer Stelle heißt: „eine total ungesellige Ichheit“, die „sogleich verschwinden“ muss.37

34 G. Gamm 1994. 35 C.-F. Pockels 1805 II, S. 278. 36 Ebd. S. 279. 37 Ebd. S. 278.

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Die Auslöschung der Männlichkeit als Voraussetzung für die Menschlichkeit der Männer – dieser Topos nimmt in diesem Zusammenhang seinen Ausgang. Auch er wird exzessiv ausgedeutet, in eloquenter Form etwa bei Wilhelm von Humboldt, einem der wichtigsten Geschlechter-Theoretiker der Zeit, der in der überzeitlichen Ichheit des Männlichen nur „Härte und Gewaltthätigkeit“ sieht, „gesetzlose Willkühr“, „Einseitigkeit und Mangel38 – also eine Defizienz, die aus eigenen Kräften nicht mehr zu kurieren ist: „Denn die Frau werde und bleibe nur innerhalb ihrer eigenen Geschlechtersphäre Mensch, während sich der Mann von seinem Geschlecht lossagen und sich dem Weiblichen nähern müsse, um wahrer Mensch zu werden.“39 Zuweilen wird der Gedanke der Menschwerdung durch Entmännlichung auch ganz konkret ausgemalt, etwa bei William Alexander (1779), der in besonders schweren Fällen die Kastration als schnellsten Weg zur Humanität empfiehlt.40 Diese Neuformatierung der Männlichkeit lässt Zweifel aufkommen an der gängigen These, die bürgerlichen Meisterdenker um 1800 hätten vor allem Männerverherrlichung betrieben. Demnach hätten sich die Männer in Gestalt ihrer philosophischsten Köpfe zum allgemeinen Geschlecht erklärt, zum Inbegriff der Menschheit als rationales, auto-

38 Humboldt, Wilhelm von (1795): „Ueber die männliche und weibliche Form“, in: Die Horen Bd. 2, 2. Stück, 80-132 sowie 3. Stück, 14-40, S. 18. 39 Olenhusen, Irmtraud Götz von (1998): „Das Ende männlicher Zeugungsmythen im Zeitalter der Aufklärung: Zur Wissenschafts- und Geschlechtergeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts“, in: Ulrike Weckel (Hg.): Ordnung, Politik und Geselligkeit der Geschlechter im 18. Jahrhundert, Göttingen: Wallstein, 259-83, S. 277. 40 W. Alexander 1779 II, 12ff. In aktueller Variante klingt das so: „Wenn wir es uns einfach machen wollten, dann würden wir die Geburt von Männern verhindern.“ Breiling, zit. in Mariani, Philomena (1995) “Law-and-order science”, in: Maurice Berger/Brian Wallis/Simon Watson (Hg.): Constructing Masculinity, New York/London: Routledge, S. 135-56, S. 138. Als besonders schwungvoll kann die Abschaffungs-Phantasie „Scum“ von Valeria Solanas gelten (2010: Scum, Hamburg: Philo Fine Arts); s. dazu auch Houellebecqs treffende Anmerkung, Solanas betreibe die endgültige Überwindung der Natur – genau jener Natur, die im 18. Jahrhundert entworfen wurde. Houellebecq, Michel (2010): Ich habe einen Traum. Neue Interventionen, Köln: DuMont S. 15ff.

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nomes, intellektuell und sittlich überlegenes Subjekt. Als Regel habe gegolten: „Mensch zu sein heißt, ein Mann zu sein, und ein Mann zu sein heißt, weitgehend perfekt zu sein“. 41 Oder in der klassischen Formulierung bei Simone de Beauvoir: „Der Mann vertritt [...] die Menschen schlechthin. Die Frau dagegen erscheint als das Negative.“42 Daran ist richtig, dass die ,neue‘ Menschennatur tatsächlich dem Mann zugeordnet wird; und falsch, dass sie mit Perfektionsansprüchen ausgestattet wird. Eine im Kern nur positive Männlichkeit ist um 1800 im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr denkbar. Die vermeintlich „absolute bürgerliche Subjektivität“43 strömt keine Beruhigung mehr aus, sondern erzeugt vielmehr die unbehagliche Unruhe im Herzen der Gesellschaft. Gerade wenn man damals in anthropologischer Absicht auf die Allgemeinheit hin denkt, stößt man nicht auf ein solides Fundament, sondern auf einen Abgrund. Hier tritt eine Männlichkeit auf, die Allgemeinheit nur in der Universalität ihrer Begrenzungen, in der Repräsentation des Nicht-Ganzen beanspruchen kann. Die Annahme also, damals sei eine zweifelsfreie Männlichkeit als Ankerpunkt für feminine Unterdrückung gedacht worden, bedarf der Revision: Gerade die in der Allgemeinheitsthese implizierte lineare Hierarchie der Geschlechter wird im modernen Gender-Arrangement geschliffen; an ihre Stelle treten sehr komplexe, heterarchische Verhältnisse von Über- und Unterordnungen, die zum Teil (speziell, doch nicht nur für Frauen) höchst gewalttätig sind, sich jedoch nicht aus binären Schemata ergeben. Zudem ist der wesentliche Referenzpunkt nicht derjenige der männlichen Überlegenheit, sondern der maskulinen Amoral und Defizienz. Diese darf, wie Schleiermacher betont, auf keinen Fall verschwiegen werden: „Du sollst nicht falsch

41 Lynn Segal, zit. in Edley, Nigel/Wetherell, Margaret (1995): Men in Perspective. Practice, Power and Identity, London u.a.: Prentice Hall, S. 181. Die Position wird extensiv geteilt, s. die deutschsprachigen Verweise in C. Kucklick 2008, S. 14. 42 Beauvoir, Simone de (1999): Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, Reinbek: Rowohlt, S. 11f. 43 Brinks, Ellen (2003): Gothic Masculinity. Efficiency and the Supernatural in English and German Romanticism, Lewisburg: Bucknell University Press, S. 27.

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Zeugnis ablegen für die Männer. Du sollst ihre Barbarei nicht beschönigen mit Worten und Werken.“44 Dies zeigt sich in einer der zentralen Fragen, die sich aus der Neufundierung der Männlichkeit in der Unbestimmtheit ergibt, und die die Autoren und Autorinnen um 1800 mit größter Klarheit gestellt haben: Wie ist mit diesen selbst-zentrierten, egoistischen und a-sozialen Männern überhaupt noch ein Staat, eine Gesellschaft zu machen? Diese Frage wird zum Dreh- und Angelpunkt des Geschlechterdenkens um 1800. Aus ihr erklären sich die hingebungsvollen Beschwörungen unterschiedlicher Sozialisierungsagenten, allen voran der Frau und der Ehe. Diese Asymmetrisierung der männlichen Selbstbezüglichkeit wurde schon an der prä-historischen Ursituation erprobt, in der allein die Frau als strukturell differentes Element gelten konnte, das der unendlichen, selbstbezüglichen Gesetzlosigkeit der maskulinen UrGewalt entgegenwirkte. Dies wird um 1800 hysterisch fortgeführt in den hinlänglich bekannten Verklärungen des Ehelebens und der selbstlosen Liebe der Frau (im Unterschied zur selbstischen des Mannes). Dass die Umbildung des Mannes glücken kann, daran wird zumindest um 1800 noch kein systematischer Zweifel gehegt, dieser wird erst im späten 19. Jahrhundert endemisch. Es gibt stets eine Perspektive maskuliner Zivilisierbarkeit, wenn man so will: eine positive Andrologie. Als Notsicherung empfehlen Gender-Theoretiker der Zeit unermüdlich das Beharren auf der Geschlechterdifferenz. Die rückwirkend so monströs erscheinende Radikalseparierung der Geschlechternaturen resultiert in dem hier vorgeschlagenen Ansatz vor allem aus dem Versuch, die destruktive Maskulinität einzudämmen. Von Gleichheit der Geschlechter konnte schon allein deswegen keine Rede sein, weil dann ja alle wie Männer wären. Dieser Gedanke wird immer wieder durchgespielt und als Extrem einer restlos maskulinisierten Welt dargestellt, die nur noch als weltliche Hölle vorstellbar ist: „Man kann gewiss seyn, dass die Welt längst zur großen, menschenleeren Wüste geworden wäre, wenn bloß Männer darauf gesetzt worden wären, die

44 Schleiermacher, F. D. (1798): „Idee zu einem Katechismus der Vernunft für edle Frauen“, in: Athenaeum. Eine Zeitschrift von A.W. Schlegel und F. Schlegel, Bd. 1, 2. Stück, S. 364. Fragment. In: Lange, Sigrid (Hg. 1992): Ob die Weiber Menschen sind. Geschlechterdebatten um 1800, Leipzig, S. 359-361.

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sich durch sich selbst hätten fortpflanzen sollen. Sie würden unfehlbar in Kurzem sich alle einander gemordet haben. Die Welt weiß nicht wie viel sie in dieser Hinsicht dem andern Geschlechte zu danken hat.“45

Auch Pockels sieht eine Welt nur aus Männern als Ende der Welt: Darin würden wir „nichts als ewigen Krieg erblicken“. 46 Mit dem Mann ist, nach allem, keine Humanität mehr zu machen. Erst die zivilisatorische Nachhilfe hebt ihn zum Gesellschaftsmenschen: „Der Mann, abgesondert von weiblicher Begleitung, ist ein gefährliches Tier für die Gesellschaft.“47 Die Frage aber, die sich seither für Männer aus diesem Diskurs ergibt, ist eine bodenlos paradoxale, dessen Unruhe sie bis heute umtreibt. Sie lautet: Wie schlecht muss ein Mann sein, um als guter Mann zu gelten?48 Kalte Herzen, enge Herzen Wer die Männlichkeitsliteratur um 1800 sichtet, stellt bald fest, dass darin nicht nur der Natur-, sondern auch der Sozialcharakter des Mannes vor allem im Zusammenhang mit der funktionalen Differenzierung thematisiert wird. Der Mann erscheint als das Geschlecht, das bis ins Innerste von den Modernisierungs- und Differenzierungsprozessen der Gesellschaft geprägt ist. Bis ins Innerste bedeutet: Nicht nur sein Denken und Handeln, sondern auch sein Gefühlshaushalt werden von den Umbruchprozessen der Gesellschaft bestimmt. Da diese Verwerfungen als hochgradig ambivalent bewertet werden, überrascht es nicht, dass keineswegs ein überwiegend positives oder unproblematisches Männlichkeitsbild entsteht.

45 Sprengel, Erhard/Valentin, Jakob (1798): Das andere Geschlecht das Bessere Geschlecht, Berlin: Vieweg d. Ä., S. 111. 46 C-F. Pockels 1805 I, S. 11; vgl. I. Iselin 1768, S. 139 und Mauvillon, Jakob (1791): Mann und Weib nach ihren gegenseitigen Verhältnissen geschildert. Ein Gegenstück zu der Schrift: Ueber die Weiber, Leipzig: Dyk, S. 496. 47 W. Alexander 1797, I S. 325. 48 Diese Frage treibt auch heutige Männlichkeitsdiskurse um, etwa in den Romanen Fight Club und Snuff von Chuck Palahniuk; vgl. dazu den Artikel von Adrian Rainbow in diesem Band.

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Der weitläufige Diskurs kann hier nur anhand seiner wichtigsten Motive kursorisch gestreift werden, die als Entsprechung zu jenen des Diskurses um die naturhafte Männlichkeit gelesen werden können. Schiller etwa überführt in den Briefen über die ästhetische Erziehung den Egoism der Sinnlichkeit nahtlos in den der männlichen Vernunft. Das Kernproblem der männlichen Natur ist, wie gesehen, dass die Triebe nur wollen, was sie wollen, und sich weder um Mäßigung noch um das Allgemeine scheren; in dieser selbstverliebten Begrenzung liegt ihr Zerstörungspotenzial. Ähnliche, wenn auch nicht gar so destruktive Anlagen erkennt Schiller in den jeweiligen Einseitigkeiten seiner beiden Modell-Männlichkeiten, des Philosophen und des Kaufmanns: So wie der eine seine subjektive Vorstellungskraft zum Maß „für das Daseyn der Dinge“ erhebt, so drängt der andere „die Regeln seines Geschäfts jedem Geschäft ohne Unterschied auf“. Die naturale Herzlosigkeit wird dadurch nur minimal behoben, entweder mit dem „kalten Herzen“ des „abstrakten Denkers“, oder mit dem „engen Herz“ des Geschäftsmannes, der „sich zu fremder Vorstellungskraft nicht erweitern kann“.49 Die berufliche Spezialisierung der heraufziehenden, neuen Gesellschaftsformation, die Schiller und andere wortreich beklagen und als deren Träger und Opfer sie vor allem die Männer sehen, führt in nurture fort, was nature angerichtet hat. Dabei wird dem Manne zuweilen durchaus der größere Intellekt attestiert, eine der Frau überlegene Verstandeskraft. Aber die fragmentierte, funktional differenzierte Gesellschaft, in der sich dieser Geist zu bewähren hat, lässt ihm keinen Raum für eine höhere, allgemeine Rationalität. Insgesamt wird in diesem Strang der Negativen Andrologie weniger die Gefährlichkeit der Männer vorgeführt als ein Bestiarium trauriger Tröpfe präsentiert, eine Parade ungelenker, „blöder“ Langeweiler,50 deren Esprit von den zergliederten Verhältnissen absorbiert wird. Die Charakterologien der Männlichkeit um 1800 sind zudem von auffälliger Skepsis durchzogen, was die Möglichkeiten einer moralischen, sinnerfüllten Maskulinität betrifft. Da tritt ein ausgetrocknetes Wesen in die Welt, das an der Fülle des Lebens, an den sympathetischen Strömen der Gesellschaft wenig Anteil nehmen kann, weil es so

49 Schiller, Friedrich 2000 (1795): Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, Stuttgart: Reclam, S. 25ff. 50 Stanitzek, Georg (1989): Blödigkeit. Beschreibungen des Individuums im 18. Jahrhundert, Tübingen: Niemeyer.

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von den versachlichten, zergliederten Anforderungen in Beschlag genommen wird: „Jene Zergliederung oder der Trennung der Merkmale von Merkmalen erfordert Zeit, giebt anhaltende Beschäftigung, hält aber auch die Objekte von den Subjekten getrennt, und lässt das Herz trocken und kalt [...], und oft bleibet dem geschäftigen Mann kein anderer Lohn seiner Arbeit als das Bewusstseyn gearbeitet zu haben. Kein Wunder, wenn er [...] die Freuden des Lebens außer sich sucht, und dann sich am glücklichsten fühlt, wenn das Weib ihn an ihrer [sic] Fülle Theil nehmen lässt [...].“51

So wandelt sich der Mann zum Schattenwesen, in „einen dunklen Körper, der den Stral der Freude von außen empfangen muss“ 52 – nämlich vom Weibe, „von jenem weiblichen, mütterlichen, heiligen Wesen, welches das häusliche Leben anordnet, uns durch alle verwickelten Geschäfte des Lebens begleitet, alle Rätsel des Lebens löst [...] und durch die feindselige Freundschaft, in der es mit mir lebt, mich mir selbst bewusst macht“, wie Adam Müller in einer Art Apotheose des verlorenen Mannes und seiner beharrlichen Retterin schreibt.53 Dieser Diskurs ist eingebettet in den überwölbenden um das Verhältnis von Gesellschaft und Geselligkeit, der die entscheidenden Hinweise liefert, um die Neupositionierung von Geschlecht in der Moderne als Supercodierung der Differenz von Interaktion und Gesellschaft zu verstehen.54 Als ein wiederkehrendes Motiv erscheint dabei die Verbindung von Männlichkeiten mit den jeweiligen Funktionslogiken der Systeme, mit denen sie in Berührung kommen oder von denen sie infiziert werden – ähnlich jenen Finanzhaien, um deren aktuellen Phall es oben ging. Und wie heute ist damals ebenso systematisch unsicher, wie die Kausalitäten aufzufassen sind: Ob die Funktionen die Männer okkupieren oder diese sich ihre Tätigkeiten nach dem eigenen unbestimmten Innenleben schmieden?

51 Reinhard, Philipp Christian (1797): Versuch einer Theorie des gesellschaftlichen Menschen, Leipzig (Nachdruck Scriptor, o.O., 1979), S. 49f. 52 P. C. Reinhard 1797, S. 55. 53 Müller, Adam (1967): Kritische, ästhetische und philosophische Schriften I, hg. v. Walter Schroeder u. Werner Siebert, Neuwied: Luchterhand, S. 424. 54 S. dazu grundlegend C. Kucklick 2008, S. 209-236.

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P ERSPEKTIVEN Diese knappen Skizzen müssen genügen, um anzudeuten, dass die systematische Analyse der Negativen Andrologie das Nachdenken über Geschlecht mit Komplexität anzureichern vermag. Sie erschließt bekannte Felder neu und ermöglicht die Vermessung zusätzlicher noch unbetretener. Dies habe ich in der Studie Das unmoralische Geschlecht. Zur Geburt der Negativen Andrologie explorativ an drei Einzelthemen demonstriert, an einer Re-Lektüre von Johann Gottlieb Fichtes Deduktion der Ehe, am female gaze um 1800 und an der Anti-Onanie-Hysterie seit dem späten 18. Jahrhundert, die als medico-moralischer Effekt der Negativen Andrologie gedeutet werden kann.55 Darüber hinaus bieten sich etliche weitere Forschungsfelder an, in welche die Inklusion der perhorreszierten Männlichkeit vielversprechend erscheint: •





Hegels Geschlechterdenken könnte anhand seines Versuchs, die frei flottierende männliche Subjektivität zu bannen, erschlossen werden. Die im 19. Jahrhundert mit größter Heftigkeit einsetzende Verfolgung von Homosexualität erscheint m.E. als unmittelbare Fortschreibung der Negativen Andrologie: Wenn männliche (A-) Sozialität als Zentralgefahr der Gesellschaft beschworen wird, um wie viel mehr muss dies für ,mann-männliche‘ Beziehungen gelten? Deren ‚Widernatürlichkeit‘ lässt sich womöglich als semantisches Korrelat der Umstellung auf eine grundlegend problematische Maskulinität deuten. Eine der auffälligsten Geschlechterverschiebungen des 19. Jahrhunderts ist die weitgehende Entkriminalisierung von Frauen und die Vermännlichung von Kriminalität, wobei die Frauen aus den Kriminalstatistiken verschwinden. 56 Dient als Hintergrund-,Wissen‘ (im Sinne Foucaults) für diese historisch einmalige Entwicklung die Negative Andrologie?

55 Ebd. S. 237ff. 56 Feeley, Malcolm M./Little, Deborah L. (1991): “The vanishing female: the decline of women in the criminal process”, 1687-1912, in: Law & Society Review 25.4, S. 719-57.

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Die Frauen- und Sittlichkeitsbewegungen des späten 19. Jahrhunderts knüpfen an viele Stichworte aus dem Diskurs der Negativen Andrologie an. Wie genau wird er verwendet, sowohl in Fortführung der Tradition seit 1800 wie auch in modernisierter Weise und in emanzipatorischer Hinsicht gewendet („Votes for women, chastity for men“57) Welche Rolle spielt dieser Diskurs im Übergang zum Wohlfahrtsstaat als Wechsel vom problematischen Mann zum konstanten Staat? Wie wird der Diskurs in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts aufgegriffen und fortgesponnen? Wie im Imperialismus/Kolonialismus re-formuliert und instrumentalisiert? In welchem Zusammenhang steht er zu den sowohl dämonischen als auch versehrten Männerkörpern, die erstmals massenhaft in den Kriegen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erzeugt wurden?58 Wie schließlich wird er bis in die Gegenwart fortgeführt und modernisiert? Am Beispiel von Klaus Theweleits Männerphantasien59 etwa ließe sich die komplexe Frage verfolgen, ob das Werk als Fortführung der Negativen Andrologie zu lesen ist oder vielmehr als Analyse, wie diese sich in den (faschistischen) Männerkörpern sowohl festgesetzt hat wie auch zu überwinden versucht wurde.60 Darüber hinaus: Welche Motive ziehen sich seit 1800 bis in die gegenwärtigen Gender Studies, wie haben sich die Gewichte verlagert? Ist es überhaupt ratsam, von einem zwar enorm verästelten, aber zusammenhängenden negativ-andrologischen Diskurs in der Moderne zu sprechen, wie es dieser Ansatz nahelegt?

Dies ist nur eine kleine Auswahl möglicher Fragestellungen, die auch dazu dienen könnten, den time lag der Dekonstruktion von Genderphantasmen aufzuholen. Die Imaginationen der guten wie der fatalen Weiblichkeiten erscheinen deutlich besser aufgearbeitet, gründlicher

57 Slogan der Women's Social and Political Union in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg; s. Pankhurst, Christabel (1913): The great scourge and how to end it, London: E. Pankhurst. 58 s. etwa Bourke, Joanna (1996): Dismembering the Male: Men’s Bodies, Britain, and the Great War, London and Chicago: Reaktion Books. 59 Theweleit, Klaus (1977-78): Männerphantasien, 2 Bände, Frankfurt a.M.: Verlag Roter Stern. 60 Ich danke Nils Wilkinson für Anregungen zu diesen Fragen.

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kritisiert und nachhaltiger decouvriert als die der Männlichkeiten. Das Selbstverständnis der Gender Studies als ‚Verunsicherungswissenschaft‘,61 die versucht, vermeintlich Selbstverständliches seiner Selbstverständlichkeit zu berauben, hat jedenfalls seine großen Momente der Kritik der Kritik von Männlichkeit noch vor sich. Die Geschichte der Negativen Andrologie ist noch ungeschrieben.

61 Degele, Nina (2003): „Happy together: Soziologie und Gender Studies als paradigmatische Verunsicherungswissenschaften“, in: Soziale Welt 54, S. 9-30.

Als Mann schreiben Geschlecht und Stil in literarischen Debatten um 1800, 1900 und 2000 B RITTA H ERRMANN

Vor einigen Jahren wurde der Zusammenhang zwischen Gender, Stilwahrnehmung, literarischer Wertung und Autorisierung als notwendige Grundlage für eine „Arbeit am Kanon“ ausgemacht. 1 Es schien notwendig, endlich die Frage zu stellen, auf welche Art und Weise die Geschlechterdifferenz implizit oder explizit Kriterien der literarischen Wertung bestimmt und wodurch sie die kulturellen Verhandlungen darüber steuert, inwiefern ein Text ästhetisch gelungen ist oder nicht. Dabei ist deutlich geworden, dass und wie Ästhetiken, etwa die Autonomieästhetik, auf die sozialgeschichtlich geprägten Bedingungen männlicher Literaturproduktion zugeschnitten sind und die Rezeptions- und Kanonisierungsprozesse analog dazu verlaufen. Die Benachteiligung von Autorinnen und ihrer Texte im materiellen Kanon sowie in der Deutung durch die Literaturgeschichtsschreibung hat hier einen ihrer zentralen Ursprünge. Im Folgenden soll es nun allerdings nicht darum gehen, diese Argumentation fortzuführen, wiewohl in neueren Arbeiten zur Literaturkritik die Verkoppelung von wertungstheoretischen Kriterien mit Gender-Aspekten weiterhin kaum je berücksichtigt wird, geschweige 1

Heydebrand, Renate von/Winko, Simone (1995): „Arbeit am Kanon. Geschlechterdifferenz in Rezeption und Wertung von Literatur“, in: Hadumod Bußmann/Renate Hof (Hg.), Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften. Stuttgart: Kröner, S. 206-261.

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denn analytisch fortentwickelt worden ist. Ungeachtet dessen möchte der folgende Beitrag die Perspektive auf Gender als einer wichtigen Analysekategorie für literarästhetische und Kanonisierungs-Prozesse in eine andere Richtung erweitern: Bildet die geschlechtliche Fundierung von Rezeptionsprozessen einen wichtigen Aspekt zur Erfassung wertungsbezogenen Handelns im literarischen Feld, so gilt dies für die Rekonstruktion und Beschreibung, wie sich poetologische Programme etablieren, nicht weniger. Bereits ein kursorischer Blick in die Debatten, mit denen seit dem 18. Jahrhundert neue Schreibweisen und Strömungen begründet und gegen konkurrierende Ansätze durchgesetzt werden sollen, zeigt, dass zur Aufwertung der eigenen ästhetischen Position und zur Abwertung der anderen jeweils geschlechtliche Zuschreibungen eingesetzt werden. Diese Debatten werden vorwiegend oder gänzlich von Männern geführt, auch dann noch, wenn an der literarischen Produktion nicht wenige Frauen beteiligt sind; und stets bewegen sich die Kriterien im oppositionell organisierten Feld von männlich-unmännlich. Ob das Unmännliche dann als weiblich/weibisch deklariert wird, als kindlich (vormännlich) oder als kastriert (entmännlicht) und welche (textuellen) Aspekte jeweils im Einzelnen als maskulin gewertet werden oder nicht, hängt ebenso mit der individuell gewählten Selbstbehauptungsstrategie zusammen wie mit den jeweiligen hegemonialen Geschlechterkonzepten und bedürfte einer eigenen, systematischen Untersuchung. Grundsätzlich aber geht es darum, das eigene Schreiben mit der Berufung auf Männlichkeit als potent (schöpferisch, innovativ, kraftvoll) zu deklarieren und das gegnerische als impotent (epigonal, banal, schwach) auszustellen. Dass damit Autorinnen und ihre Texte aus der literarischen Validierung ausgeschlossen sind, ist nahe liegend, aber nicht immer der Fall – nämlich dann nicht, wenn die Schreibweisen von Autorinnen als männlich eingestuft werden. Umgekehrt bergen ‚unmännliche‘ Texte auch für Autoren die Gefahr, aus der literarischen Wahrnehmung ausgeschlossen zu werden. Was im Übrigen nicht nur die Frage nach den geschlechtlichen Implikationen wertungsbezogenen Handelns und axiologischer Kriterien aufwirft, sondern auch die nach dem im und vom Text vorgesehenen Geschlecht der Rezipienten und Rezipientinnen: Wer liest und wertschätzt wohl ‚unmännliche‘ Texte? Gender als Analysekategorie in der Literaturwissenschaft bildet eine Möglichkeit, die feministische Aufmerksamkeit von der Konzen-

A LS M ANN

SCHREIBEN

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tration auf das biologische Geschlecht der empirisch Schreibenden (oder Lesenden) zu erweitern und auf jene diskursiven, textuellen und narrativen Techniken zu richten, mit denen literarische Formen, Genres, Autorschaftspositionen, Erzähl- und Lesestrategien geschlechtlich formatiert werden. 2 Neben den poetologischen Debatten bestimmen diese Formatierungen über die Aufnahme von Texten in den Kanon, weil sie die Rezeptionshaltung und gleichsam die geschlechtliche Orientierung der Lesenden steuern. Zwar hat die Forschung darauf hingewiesen, dass Texte durch eine Vielzahl perlokutionärer Akte sowohl einen impliziten Autor als auch einen impliziten Leser installieren, mittels derer sie ebenso Vermutungen über den empirischen Autor triggern wie sie bestimmte empirische Leser und Leserinnen aus dem Rezeptionsprozess ausschließen. Doch dass in beiden Fällen auch geschlechtliche Zuschreibungen daran beteiligt sind, die Wirkung, Wahrnehmung und Akzeptanz des Textes zu organisieren und das lesende Subjekt im Hinblick auf den Text auf spezifische Weise zu positionieren, fand lange Zeit keine Beachtung 3 und bildet noch heute in der deutschsprachigen germanistischen Literaturwissenschaft ein weitgehend unterbelichtetes Feld.4 Eine der ersten Arbeiten, die darauf ebenso aufmerksam gemacht hat wie auf die bedeutsame Verknüpfung von Ästhetik und Männlichkeit in Kanonisierungsprozessen, ist Virginia Woolfs Abhandlung A Room Of One’s Own (1928). Anhand dieses Textes und eines fast zeitgleich erschienen Aufsatzes von Kurt Pinthus werde ich nun zunächst die Erkenntnisinteressen dieses Beitrags weiter profilieren.

2

Vgl. dazu auch Nünning, Vera/Nünning, Ansgar (Hg. 2004): Erzähltextanalyse und Gender Studies. Stuttgart/Weimar: Metzler.

3

So etwa nicht bei Iser, Wolfgang (1976): Der Akt des Lesens, München: Wilhelm Fink; Eco, Umberto (1998): Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München: Hanser; Ricœur, Paul (2005): „Narrative Identität“, in: Ders., Vom Text zur Person. Hermeneutische Aufsätze (1970-1999), Übers. u. hg. von Peter Welsen, Hamburg: Meiner, S. 209-226.

4

Beinahe eine Monopolstellung hat Klüger, Ruth (1996): „Frauen lesen anders“, in: Dies.: Frauen lesen anders, München: Dtv, S. 83-104. Vgl. zudem Liebrand, Claudia (1999): „Als Frau lesen?“, in: Heinrich Bosse/ Ursula Renner (Hg.), Literaturwissenschaft. Einführung in ein Sprachspiel, Freiburg: Rombach, S. 385-400.

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Anschließend zeigen dann exemplarische Beobachtungen für die Zeiträume 1800, 1900 und 2000 auf, wie Konzepte einer männlichen Schreibweise für die Durchsetzung ganz unterschiedlicher literarischer Programme eingesetzt werden.

1. W EIBLICHKEIT UND M ÄNNLICHKEIT IN DER S CHRIFT : S ATZ , S EX UND G ENDER 1928 hat Virginia Woolf in ihrem berühmten Essay A Room of One’s Own konstatiert, dass es keinen einzigen Satz in der Literaturgeschichte gebe, den eine Autorin für sich verwenden könne. Es sei unsinnig für eine schreibende Frau, bei den großen Schriftstellern nach Vorbildern zu suchen; und zwar aus zwei Gründen: Erstens, weil Schriftsteller allesamt „männliche Tugenden feiern, männliche Werte durchsetzen und die Welt der Männer beschreiben“. Und zweitens, „weil das Gefühl, von dem diese Bücher durchdrungen sind, für eine Frau unverständlich ist“: „man errötet [...] als wäre man beim Belauschen einer rein maskulinen Orgie ertappt worden.“5 Mit dem ersten Aspekt argumentiert Woolf im Hinblick auf das, was dargestellt wird, also auf der inhaltlichen oder Handlungs-Ebene; mit dem zweiten Aspekt, den Woolf ausdrücklich für wichtiger hält, zielt sie auf die Schreibweise, also auf die stilistische und symbolische Ebene der Sprache: auf die Ordnung der Repräsentation, deren rezeptionstheoretische Konsequenz und performative Dynamik. Verantwortlich für die Geschlechterdifferenz in fabel und discours macht Woolf nicht etwa das biologische Geschlecht als solches, sondern kulturelle Aspekte, die damit verkoppelt sind, nämlich die Erfahrung der Hindernisse und (Ab-)Wertungen, die schreibenden Frauen begegnen, materieller wie ideeller Art. Was Autorinnen fehlt, so Woolf, ist die ökonomische Unabhängigkeit, ist Zeit und Raum zwischen den obligatorischen Pflichten der Hausfrau und Mutter, ist der Zugang zu Wissen

5

Woolf, Virginia (2005): Ein eigenes Zimmer, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 100. „It is not only that they celebrate male virtues, enforce male values and describe the world of men; it is that the emotion with which these books are permeated is to woman incomprehensible. […] one blushes […] as if one has been caught eavesdropping at some purely masculine orgy.“ Woolf, Virginia (2004): A Room of One’s Own, London: Penguin Books, S. 118.

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und Bildung, die Lebensvielfalt der Männer außerhalb der häuslichen Sphäre, und vor allem die Ermutigung zum Schreiben: „Die Welt sagt mit einem Hohnlachen: Schreiben? Wozu soll deine Schreiberei nütze sein? [...die schreibende Frau] wurde brüskiert, beschimpft, belehrt und abgekanzelt. Die Notwendigkeit, dem entgegenzutreten, das zu widerlegen, musste ihren Geist ermüden.“6 Und dies, so Woolf weiter, schlägt sich in einer Schreibweise nieder, mit der sich die Autorin in der Regel implizit dafür rechtfertigt, nicht als Mann zu schreiben. Das gesamte Gefüge eines Romans ist dann „von einem Geist errichtet, der ein wenig aus dem Lot gebracht und gezwungen war, seinen klaren Blick mit Rücksicht auf eine äußere Autorität zu ändern.“7 Im Gegensatz dazu, so Woolf, sei die männliche Schreibweise „so direkt, so geradeheraus. [Sie] deutet auf solche Freiheit des Geistes, solche Freiheit der Person, solches Selbstvertrauen.“8 Da sich die Autorin also an einer Schreibtradition orientieren muss, aus der sie eigentlich ausgeschlossen ist, produziert sie Sätze, die mit Brüchen, Spaltungen und Verschiebungen genau die Schieflage dieser paradoxen Situation widerspiegeln. Unausgelotete Sätze, die für einen durch die männliche Literaturgeschichte geprägten Geschmack (auch bei der empirischen Leserin) ‚nicht ganz in Ordnung‘ sind: „Also probierte ich ein oder zwei Sätze auf der Zunge. Bald war klar, dass etwas nicht ganz in Ordnung war. Das glatte Gleiten von einem Satz zum nächsten war unterbrochen. Etwas hakte, etwas kratzte; [...] Ich bin mir fast sicher, sagte ich mir, dass [...die Autorin...] uns einen Streich spielt. Denn ich fühlte mich, wie man sich auf einer Achterbahn fühlt, wenn der Wagen, statt erwartungsgemäß hinunterzusausen,

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V. Woolf 2005, S. 53f., S. 56; „The world said with a guffaw, Write? What’s the good of your writing? [...] she was snubbed, slapped, lectured, and exhorted. Her mind must have been strained and her vitality lowered by the need of opposing this, of disproving that.“ V. Woolf 2004, S. 61, S.64.

7

V. Woolf 2005, S. 74; „The whole structure, therefore, of the early nineteenth-century novel was raised, if one was a woman, by a mind which was slightly pulled from the straight, and made to alter its clear vision in defence to external authority.“ V. Woolf 2004, S. 86.

8

V. Woolf 2005, S. 98; „It was so direct, so straightforward after the writing of women. It indicated such freedom of mind, such liberty of person, such confidence in himself.“ V. Woolf 2004, S. 115.

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wieder hinaufschwenkt. [...Die Autorin...] bastelt an der erwarteten Abfolge herum. Erst zerbrach sie den Satz und sein Gefüge; jetzt hat sie die Abfolge zerbrochen.“9 Mit den Sätzen verändern sich die Setzungen in der Sprache. Was der Literaturkritiker, in der Regel mit Verweis auf die literarischen Grenzen des weiblichen Geschlechts, ablehnen wird, vermag die Kritikerin positiv und innovativ zu deuten. Ein Effekt der aufgebrochenen und übertretenen männlichen Sprachordnung besteht nämlich darin, dass die rezeptive Erwartungshaltung unterlaufen, die an der männlichen Schreibweise geschulten Wahrnehmungsmuster neu formiert und die gewohnten Gefühle irritiert werden: „Denn immer, wenn ich gerade die üblichen Dinge an den üblichen Stellen empfinden wollte, über die Liebe, über den Tod, riss die ärgerliche Person mich fort, als läge der wichtige Punkt ein wenig weiter vorn.“10 Die von Woolf in ihrem mehrfach als fiktiv ausgewiesenen Text angeführte Beispiel-Autorin ist allerdings ein imaginäres und ein utopisches Alter Ego, denn der ihr zugewiesene Stil markiert den Horizont einer erst zu findenden, neu zu erfindenden bewussten und selbstbewussten weiblichen Schreibweise, deren ästhetische Vollendung Woolf frühestens für das Jahr 2028 ansetzt: Die genannte Autorin, so Woolf 1928, „wird [...] in weiteren hundert Jahren eine Dichterin sein.“11 Und als solche wird sie, wie alle echten Dichter dies bisher getan haben, „an den Sinnen eine seltsame Staroperation“ vornehmen: „man sieht danach intensiver“.12

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V. Woolf 2005, S. 81; „So I tried a sentence or two on my tongue. Soon it was obvious that something was not quite in order. The smooth gliding of sentence after sentence was interrupted. Some thing tore, something scratched; [...] I am almost sure, I said to myself, that [... the author] is playing a trick on us. For if I feel as one feels on a switchback railway when the car, instead of sinking, as one has been led to expect, swerves up again. [...She] ist tampering with the expected sequence. First she broke the sentence; now she has broken the sequence.“ V. Woolf 2004, S. 93f.

10 V. Woolf 2005, S. 90; „For whenever I was about to feel the usual things in the usual places, about love, about death, the annoying creature twitched me away, as if the important point was just a little further on.“ V. Woolf 2004, S. 106. 11 V. Woolf 2005, S. 93; V. Woolf 2004, S. 109. 12 V. Woolf 2005, S. 108; „For the reading of these books seems to perform a curious couching operation on the senses; one sees more intensely after-

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An dieser hoffnungsvollen Stelle böte es sich an, über das seit der Romantik extensiv diskutierte Verhältnis von Medialität und Wahrnehmungssteuerung nachzudenken. Es ließen sich Überlegungen über den Konnex von Fabelkomposition, ästhetischer Modalisierung und narrativer Identitätsbildung anstellen und nebenbei ließe sich auf geschlechtertheoretisch blinde Flecken in der gegenwärtigen Erzähl- und Rezeptionsforschung aufmerksam machen. Auch könnte ich daran erinnern, dass die feministische Literaturwissenschaft seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts vielfältige Bemühungen unternommen hat, die männliche Literaturgeschichtsschreibung zu revidieren und die in dieser Hinsicht bis dato leeren Regale zu füllen: Eigenständige Frauenliteraturgeschichten wurden herausgegeben und Kanondebatten geführt, welche den Blick auf die Prozesse und Maßstäbe literarischer Wertung lenken sollten; und darauf, wie stark diese durch unausgesprochene und unreflektierte geschlechtliche Wahrnehmungsraster geprägt sind. Schließlich wäre es verlockend, dem Gedanken zu folgen, dass Woolf avant la lettre eine Ästhetik und Schreibweise entwirft, die in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts von französischen Theoretikerinnen zur écriture féminine weiter entwickelt wurde. Dazu ließe sich etwa auf Julia Kristeva verweisen. Diese macht 1974 in ihrem Buch La révolution du langage poétique auf die Möglichkeit aufmerksam, die semiotische Praxis als Teil eines umfassenden, kulturellen und zugleich bis in die individuelle Psyche hinein zurückwirkenden machtvollen „Kampf[es] um Sinngebung“ 13 zu verstehen. Um ihn immer wieder neu auszufechten, ist es notwendig, den scheinbar abgeschlossenen Prozess der Sinngebung in der Sprache neu zu eröffnen und zu dynamisieren. Mit Hélène Cixous könnte man formulieren, dass es darum geht, „jenseits, vor der Grammatik, weit entfernt vom Gesetz“ der männlichen Sprache zu schreiben. 1979 plädiert Cixous: „Nun denn, ent-orthographiert also! [...] befreit alles Mögliche an Signifikanz, Lautspiele, Wortspiele“. Ein Aufruf zur Dekonstruktion, der darauf zielt, „alles zu tun, damit die Sprache Dir nicht zuvor kommt, nicht vor Dir schreibt“ und lediglich jahrhundertealte Klischees, Weiblichkeitsbilder und Männerphantasien – rein maskuline

wards; the world seems bared of its covering and given an intenser life.“ V. Woolf 2004, S. 127. 13 Kristeva, Julia (1978): Die Revolution der poetischen Sprache, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 209.

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Orgien also – reproduziert.14 Die hier geforderte Weiblichkeit in der Schrift scheint jenen Verhakungen, Kratzern und Achterbahnfahrten zu entsprechen, die Woolf als künftige Schreibweise der Dichterin benennt. All diese Aspekte sind nahe liegende Erkenntnisinteressen – nahe liegend infolge einer intensiven Arbeit der feministischen Literaturwissenschaft in den letzten dreißig Jahren. Diesen Erkenntnisinteressen folgend, würde ich heute ganz bequem auf gut ausgebauten Wegen der Forschung wandeln können. Stattdessen möchte ich diese aber nun verlassen und mich in eine Art Terra incognita begeben. Dazu ist es nötig, noch einmal zu Virginia Woolfs Ausgangsbeobachtung zurückzukehren – nämlich zu der, dass die Literatur bis zur gelungenen Erfindung einer weiblichen Schreibweise einer keineswegs neutralen, sondern einer ebenfalls geschlechtsspezifisch ausgerichteten, und zwar männlichen, Schreibweise verpflichtet ist. Statt sich von dieser Βeobachtung nun aber indigniert abzuwenden, „als wäre man beim Belauschen einer rein maskulinen Orgie ertappt worden“,15 wie Woolf es nennt, scheint es mir notwendig, genau dies endlich zu tun: diese Orgie aufmerksam zu belauschen. Man stellt dann schnell fest, dass – von der Debatte um eine weibliche Schreibweise verdeckt – mindestens seit dem 18. Jahrhundert programmatische Proklamationen eines ‚männlichen‘ Schreibens die Literaturgeschichte durchziehen. Wie es scheint, muss eine solche – ich nenne es vorläufig: écriture masculine – historisch stets neu eingefordert und bestimmt werden. Was einer ‚männlichen‘ Schreibweise nicht entspricht, droht offenbar aus den Regalen der Literaturgeschichte verbannt zu werden. Anders gesagt: Mich interessiert im Folgenden der literaturpolitische Kampf um Autorisierung und Bedeutung, der über die Proklamation einer textuellen Männlichkeit ausgetragen wird.

14 Cixous, Hélène (1980): „Wer singt? Wer veranlasst zu singen?“, in: Dies., Weiblichkeit in der Schrift, Berlin: Merve, S. 58-107, S. 86f. 15 V. Woolf 2005, S. 100; V. Woolf 2004, S. 118.

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2. T EXTUELLE M ANNWERDUNG : L ITERARISCHE R EIFEPRÜFUNG Nahezu zeitgleich mit Virginia Woolfs Essay fordert der vormalige Expressionist Kurt Pinthus 1929 explizit und nachdrücklich eine „männliche Literatur“ ein: Eine Literatur, die der expressionistischen Sprache, ihren gefühlsbetonten und ‚aufreißenden Worten‘ eine Absage erteilt. Eine Literatur, die – wie Pinthus formuliert – „mit der Exaktheit wissenschaftlichen Beobachtungs- und Formulierungsstils“ arbeiten soll, „ohne lyrisches Fett, ohne gedankliche Schwerblütigkeit, hart, zäh, trainiert, dem Körper des Boxers“ vergleichbar.16 Ziel und Produkt dieser diätetischen écriture masculine ist ein neuer Realismus oder auch: die Neue Sachlichkeit. War im Expressionismus eine hitzig rebellierende Jugend zur Sprache gelangt, „Typ aufbrüllendes Schlachtopfer“,17 so soll nun im Gegensatz dazu in der Neuen Sachlichkeit eine „gestählte [...] Hoffnungslosigkeit und Gleichgültigkeit“, 18 eine aus dem ‚Stahlbad‘ des Krieges hervorgegangene kalte (oder coole?) Männlichkeit ihren Ausdruck finden: „Es scheint, dass Wut und Glut dieses Jünglingstyps jetzt verlodert ist... und aus der Asche des Hingesunkenen steigt triumphal empor: der Mann. [...] Der Stil dieser Bücher [...] ist unpathetisch, unsentimental, schmucklos und knapp; [...]. Warum ‚neue‘ Sachlichkeit? Sie ist sachlich, ist männlich, ist Ausdrucksform des Mannes, wenn man unter Mann nicht das Kraftprotzentum völkischen Männlichkeitsbegriffs begreift, welcher aber in seiner verlogenen Heroisierung sentimental, verstiegen, also unmännlich ist.“19 Dreierlei lässt sich hieraus lernen: 1) Nicht jeder biologisch männliche Autor kann schreiben wie ein Mann. Wenn es Sätze und Stile gibt, welche die „Ausdrucksform des Mannes“ bilden, dann existieren diese offenbar unabhängig vom Sexus des empirischen Verfassers; und übrigens auch unabhängig vom Sexus der Verfasserin. Denn so wie die Bücher man-

16 Pinthus, Kurt (1929): „Männliche Literatur“, in: Das Tagebuch 22, S. 903911, S. 904, S. 903. 17 Ebd. S. 903. 18 Ebd. S. 904. 19 Ebd.

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cher Autoren als unmännlich gelten, können umgekehrt die Bücher von Autorinnen – Pinthus nennt etwa Anna Seghers und Marieluise Fleisser – durchaus derart maskulin wirken, dass diese „nicht nur die Frauen-Literatur aller früherer Epochen, sondern manchmal sogar die gleichzeitige männlicher Autoren“ übertrumpfen.20 Stünde da kein verräterischer Vorname, so Pinthus weiter, „niemand hätte vermutet, dass dieses Buch von einer Frau geschrieben ist.“21 Im Text manifestiert sich also ein sozial konstruiertes, nicht immer mit dem durch den Verfassernamen indizierten Sexus übereinstimmendes Geschlecht: Gender. Oder anders gesagt: Durch eine jeweils historisch und kulturell definierte Schreibweise lässt sich der Effekt ‚Mann‘ herstellen – auch dann noch, wenn ein solches parler homme der paratextuellen Geschlechtsmarkierung durch den Autornamen widerspricht. Psychologische Deutungsansätze mögen aus solchen Differenzen zwischen sex und gender im Akt des Schreibens Rückschlüsse auf die heterogene Subjektkonstitution und auf eine brüchige Geschlechtsidentität des empirischen Verfassers ziehen; eher poststrukturalistisch und semiotisch argumentierende Positionen werden jedoch die polyvalenten GeschlechterMarkierungen verschiedener Textinstanzen wie Autor, impliziter Autor und Erzähler differenzieren sowie die Möglichkeiten einer textuellen Mimikry betonen. 2) Nicht jedes Männlichkeitskonzept ist zu jeder Zeit gleichermaßen literaturfähig. Expressionistische Jünglinge und völkische Kraftprotze sind aus dem von Pinthus vorgestellten Konzept der Neuen Sachlichkeit explizit ausgeschlossen. Schreibweisen sind demnach nicht nur gegendered, sondern die écriture wird dahingehend bewertet, inwiefern sie eine hegemoniale Vorstellung von Männlichkeit mimetisch umsetzt. Ein unpathetischer, unsentimentaler, schmuckloser und knapper Stil kann nur dann als ‚männlich‘ verstanden werden, wenn nicht etwa rhetorische Gewandtheit, sondern Rationalität und Ökonomie Teil der aktuellen männlichen Gender-Performance sind – oder zumindest sein sollen. Dass dies in der Zwischenkriegszeit der Weimarer Republik der Fall ist und die neusachlichen ‚Verhaltenslehren der Kälte‘ Reaktionen auf eine kriegsgeschädigte Männergeneration sind, ist eine nahe lie-

20 K. Pinthus 1929, S. 907. 21 Ebd.

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gende These.22 Sie weist zudem darauf hin, dass die literarischen Schreibweisen und ästhetischen Programme Teil komplexer kultureller und sozialer Verhandlungen sind. Anders gesagt: Die Art, wie Texte jeweils geschlechtlich kodiert sind, sagt nicht nur etwas aus über die historisch wandelbaren Entwürfe von Männlichkeit und Weiblichkeit, sondern teilt zugleich etwas mit über den soziopolitischen Zustand und das Selbstverständnis einer Gesellschaft. Gender müsste daher eine Analysekategorie jeder sozialwissenschaftlich orientierten Literaturwissenschaft sein, aber auch jeder historischen und kulturwissenschaftlichen Fragestellung – etwa im Rahmen des New Historicism. 3) Dass Texte von Autorinnen wie Marieluise Fleisser und Anna Seghers durch die écriture masculine nicht nur frühere FrauenLiteratur, sondern auch die – offenkundig relevantere – Literatur zeitgenössischer Autoren übertreffen, ist ein eigentlich kaum zu übersehendes Zeichen dafür, dass literarische Qualität eine Frage der Männlichkeit ist. Oder mit Pinthus formuliert: „auf das Mannwerden oder Mannsein kommt es an.“23 Diese Beschwörung einer Männlichkeit in der Schrift gilt zum einen der expliziten Abgrenzung von einer konstatierten „feministische[n] Weichlichkeit, mit der letzthin allerlei Epheben [...] den Anschein der Poesie [...] zu erwecken versuchten“; und zum anderen dient die literarische Maskulinisierung der Distanzierung vom „Jüngling des Expressionismus“24 und seinen ja durchaus epochemachenden Texten. Beides, die Literatur der Jünglinge wie der Effeminierten, ist nun nicht nur unmännlich, sondern literarisch minderwertig, unreif und sentimental. Offenkundig ist das Ringen um die Männlichkeit des Schreibens Teil literaturpolitischer Richtungs- und Kanonentscheidungen: Es dient dazu, poetologische Konzepte gegen konkurrierende Entwürfe aufzuwerten und durchzusetzen. Dabei geht es zwar auch um den Ausschluss der Frau und des (wie auch immer konstruierten) Weiblichen aus der Literaturproduktion und aus der Literaturgeschichte. Noch mehr aber geht es um den Ausschluss

22 Vgl. hierzu etwa Baureithel, Ulrike (1993): „Masken der Virilität. Kulturtheoretische Strategien zur Überwindung des männlichen Identitätsverlustes im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts“, in: Die Philosophin 4.8, S. 24-35. 23 K. Pinthus 1929, S. 903. 24 Ebd.

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des Nicht-Männlichen und um Autorisierungsstrategien innerhalb eines ohnehin von Männern besetzten literarischen Feldes. Und obwohl jeweils poetologische Programme auf diese Weise inauguriert werden, ist dieser Gender-Aspekt bislang ein blinder Fleck der germanistischen Poetik-Forschung. So weit der Forschungskontext und die möglichen fachlichen Perspektiven der hier vorgetragenen Fragestellung. Damit nun deutlich wird, dass die Frage nach der männlichen Schreibweise und den darüber verhandelten poetologischen Richtungsentscheidungen keineswegs eine obskure Randerscheinung oder einen historisch begrenzten Ausnahmefall darstellt, werde ich diese Frage für insgesamt drei exemplarische Zeitpunkte – um 1800, 1900 und 2000 – etwas genauer betrachten. Dabei sollte deutlich werden, dass über die Jahrhunderte hinweg und bei der Durchsetzung jeweils ganz unterschiedlicher poetologischer Programme Metaphoriken und Argumente verwendet werden, welche den Effekt einer potenten und gleichsam muskulösen Männlichkeit erzeugen sollen: ein hegemoniales Gender-Konzept, das den Autoren und ihren Texten zu- oder abgesprochen wird, um dieselben dadurch auf wirksame Weise literarisch auf- oder abzuwerten.

3. M ÄNNLICHER G ESCHMACK UND DIE K RONE DER K LASSIZITÄT : S CHILLERS K ONTROVERSE MIT B ÜRGER „Unmöglich kann der gebildete Mann Erquickung für Geist und Herz bei einem unreifen Jüngling suchen [...]“.25 So schreibt der Rezensent Friedrich Schiller 1791 anlässlich eines Gedichtbandes von Gottfried August Bürger. Bürger hatte seine große Zeit im Sturm und Drang, und Schiller attestiert nun dem älteren und durchaus berühmten Dichterkollegen, dass dieser sich in den letzten beiden Jahrzehnten nicht weiter entwickelt habe. Zwar sei der besprochene Band ein „Unternehmen reiferer Jahre“ – Bürger ist zu diesem Zeitpunkt vierundvier-

25 Schiller, Friedrich (1992): „Über Bürgers Gedichte“, in: Ders.: Werke und Briefe in zwölf Bänden, Hg. von Otto Dann u.a., Bd. 8: Theoretische Schriften, hg. von Rolf-Peter Janz, Frankfurt a.M.: Deutscher KlassikerVerlag, S. 973.

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zig Jahre alt; dennoch seien manche Gedichte und Passagen geprägt von einem „unmännliche[n], kindische[n] Ton“, der einst nur durch die „poetische Kindheit ihres Verfassers“ zu entschuldigen gewesen sei und den dann ein „Heer von Stümpern in unsere lyrische Dichtkunst einführte“: „das Klingelingling, Hopp hopp hopp, Huhu, Sasa, Trallyrum larum u. dgl. m.“26 Schillers abwertendes Verdikt bezieht sich nicht zuletzt auf den bekanntesten und erfolgreichsten Text von Bürger, nämlich auf die enthusiastisch aufgenommene, breit rezipierte und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein fortwirkende Schauerballade Lenore, entstanden im Jahr 1773. Bürger hat hier, dem Zeitgeschmack gemäß und unter anderem an Johann Gottfried Herder orientiert,27 mit einer auf den unmittelbaren und kraftvollen Ausdruck von Affekten zielenden ‚natürlichen’, gar volkstümlichen Sprache gearbeitet. Mithilfe verschiedener Lautmalereien, auch der von Schiller monierten, gelingt es ihm, der Ballade eine Art Tonspur zu unterlegen, das Geschehen dadurch zu verlebendigen und die Zuhörer in dramatische Spannung zu versetzen. Meist wurde die Ballade zudem in dunkler Stunde, bei flackerndem Kerzenlicht und mit einem Totenschädel als stimmungsmachendem Requisit vorgetragen. Und kein Geringerer als Goethe war stolz darauf, Lenore effektvoller zu deklamieren als ihr Urheber selbst. Die Ballade handelt von Lenores Begehren nach ihrem verschollenen, vielleicht gar untreuen Bräutigam Wilhelm, der aber – was sie nicht weiß – im Krieg gefallen ist. In ihrer Liebesnot hadert Lenore mit Gott. Daraufhin klopft es nachts an ihrer Tür: „Und aussen, horch! ging’s trapp trapp trapp, Als wie von Rosseshufen; Und klirrend stieg ein Reiter ab An des Geländers Stufen; Und horch! und horch! den Pfortenring Ganz lose, leise, klingelingling!

26 Ebd. S. 983. 27 Zur ‚Potenz’ der Sprache im Sturm und Drang s. auch Koschorke, Albrecht (1998): „Geschlechterpolitik und Zeichenökonomie. Zur Geschichte der deutschen Klassik vor Ihrer Entstehung“, in: Renate von Heydebrand (Hg.), Kanon Macht Kultur. Theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildungen, Stuttgart/Weimar: Metzler, S. 581-599.

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Dann kamen durch die Pforte Vernehmlich diese Worte ‚Holla, holla! Tu auf, mein Kind! Schläfst, Liebchen, oder wachst du?’“28

Lenore glaubt ihren vermissten Bräutigam zurückgekehrt, sie schwingt sich zu ihm auf das Pferd, das Ziel ihrer erotischen Sehnsucht ist das Brautbett, seine letzte Bestimmung aber ein Grab im fernen Böhmen. Schnell wird klar, dass es mit Ross und Reiter eine seltsame Bewandtnis hat, und dazu tragen nicht zuletzt die onomatopoetischen Neologismen bei, welche – neben rhythmisierenden Elementen – auch die rasende Geschwindigkeit akustisch simulieren, mit denen das Paar durch die Landschaft saust. Der Ritt führt an einem Leichenzug sowie an einem Richtplatz vorbei und es schließen sich allerlei Geister und Gespenster an, bis der unheimliche Festzug auf dem Friedhof anlangt. Hier nun verwandelt sich der vermeintliche Wilhelm schlagartig in den Tod selbst, und Lenore sinkt ins Grab. „Sieh da! sieh da! am Hochgericht Tanzt um des Rades Spindel, Halb sichtbarlich bei Mondenlicht, Ein luftiges Gesindel. – ‚Sasa! Gesindel, hier! Komm hier! Gesindel, komm und folge mir! Tanz uns den Hochzeitsreigen, Wann wir zu Bette steigen!’ – Und das Gesindel, husch husch husch! Kam hinten nachgeprasselt, Wie Wirbelwind am Haselbusch Durch dürre Blätter rasselt. Und weiter, weiter, hop hop hop! Ging’s fort in sausendem Galopp, Dass Ross und Reiter schnoben,

28 Bürger, Gottfried August (1981): Lenore, in: Ders.: Gedichte, hg. von Jost Hermand. Stuttgart: Reclam, S. 3-10, S. 6.

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und Kies und Funken stoben. [...] Ha sieh! Ha sieh! im Augenblick, Huhu! ein grässlich Wunder! Des Reiters Koller, Stück für Stück, Fiel ab wie mürber Zunder, Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf, Zum nackten Schädel ward sein Kopf; Sein Körper zum Gerippe, Mit Stundenglas und Hippe.“29

Zu heftig ist Schiller die Stimmung, in die der Rezipient hier versetzt wird, zu üppig der „Farbenwechsel“, wie er es nennt. Solche Gedichte sind ihm, trotz der zugestandenen dichterischen Sprachgewalt, „Versündigungen gegen den guten Geschmack“, weil sich, wie er meint, „die Begeisterung des Dichters nicht selten an den Grenzen des Wahnsinns verliert“ und die Gemütsstimmung des Rezipienten „nicht die wohltätige harmonische Stimmung ist, in welche wir uns von dem Dichter versetzt sehen wollen.“30 In produktionstheoretischer Hinsicht unterstellt Schiller Bürger also, aus eben jener Affektlage heraus gedichtet zu haben, welche die Texte im Rezipienten erzeugen – und erzeugen sollen. Abgesehen davon, dass diese Affektlage als pathogen bewertet wird, widerspricht eine solche Dichtung der von Schiller in diesen Jahren entwickelten Ästhetik der emotionalen Distanz, mit deren Hilfe der Dichter „frei und kühn in die Welt der Ideale empor schweben soll“. 31 Schiller sieht den spezifischen Kunstzweck darin, eine „wohltätige harmonische“, also der zitierten Ballade gerade entgegengesetzte Stimmung im Rezipienten zu erzeugen. Der Dichtung wird somit ein Bildungsauftrag zugewiesen, der darin liegt, die Affekte zu regulieren, zu reinigen, zu sublimieren oder zu transzendieren, nicht jedoch sie künstlich anzuheizen und sich ihnen auszuliefern: „Es ist also nicht genug, Empfindung mit erhöhten Farben zu schildern; man muss auch erhöht empfinden.“32 Und das heißt bei ihm mit „äs-

29 G. A. Bürger 1981, S. 8, S. 10. 30 F. Schiller 1992, S. 985f. 31 Ebd. S. 988. 32 Ebd. S. 974.

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thetischer und sittlicher Grazie, mit männlicher Würde, mit Gedankengehalt, mit hoher und stiller Größe“.33 Nur mit einer solchen männlichen Schreibweise lässt sich, so Schiller, „die höchste Krone der Klassizität“ erringen.34 Wie Pinthus mit seiner expressionistischen Vergangenheit, so rechnet auch Schiller mit seiner eigenen ‚poetischen Kindheit’ ab. Es war das große Vorbild Wieland, der an Schillers Sturm und DrangDrama Die Räuber in einer Weise Kritik geübt hat, dass Schiller sich selbst dazu veranlasst sah, die „energische Herzenssprache“35 zurückzunehmen und die schönen Muster der Alten zu studieren, um fortan mehr Klassizität zu erreichen.36 Nun verkehrt Schiller die Rollen und degradiert mit seiner, wie Bürger klagt, „Herren- und Meistergebärde“ 37 den Älteren zu jenem „unreifen Jüngling“, 38 als der er selbst dagestanden haben muss. Und dies obwohl – oder gerade weil – Bürger in Schiller den rebellischen Stürmer und Dränger verehrt und ihm einen Gedichtband persönlich überreicht und gewidmet hat. Zwei Jahre darauf folgt Schillers vernichtendes Urteil. Einige Jahre vor Schillers Rezension hat Jean Paul konstatiert, dass „man dem Poeten durch dieselbe Grausamkeit den Gesang rauben könnte, durch die man ihn den Farinelli’s giebt.“ Schließlich, so Jean Paul weiter, fliegen selbst „die Vögel nicht nur mit den Flügeln, sondern auch mit dem Schwanz.“39 Und Novalis formuliert 1798 ohne weitere Um-

33 Ebd. S. 988. 34 F. Schiller 1992, S. 988. 35 Ebd. 36 Hinderer, Walter (1986): „Schiller und Bürger. Die ästhetische Kontroverse als Paradigma“, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts, S. 130154, S. 140-145. 37 Bürger, Gottfried August (1992): „Vorläufige Antikritik und Anzeige“, in: Schiller, Friedrich: Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 8, S. 15191526, S. 1519. 38 F. Schiller 1992, S. 973. 39 Jean Paul (1974): „Grönländische Prozesse oder Satirische Skizzen“, in: Ders., Sämtliche Werke, Abt. II, Bd. 1: Jugendwerke I, hg. von Norbert Miller, München/Wien, Lizenzausgabe Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000, S. 369-582, S. 519 und S. 525. Zum Konnex von Kunst und Zeugung s. auch Pontzen, Alexandra (2000): Künstler ohne Werk. Modelle negativer Produktionsästhetik in der Künstlerliteratur von Wackenroder bis

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schweife: „Dichten ist zeugen [...]!“40 Anders gesagt: Wer als unpoetisch – und als unpoietisch – abqualifiziert wird, ist symbolisch kastriert; und wer symbolisch kastriert ist, wird aus der Literaturgeschichte gelöscht. Genau so hat Bürger Schiller verstanden: „ein unreifer, unvollendeter Dichter? – o wenn es nur das wäre! nein, dass ich ganz und gar kein Dichter bin, dass ich diesen Namen gar nicht verdiene.“41 Zutiefst gekränkt schreibt Bürger eine Replik. Wie sein Kritiker operiert auch er mit symbolischer Entmannung. Da Schiller seine Rezension anonym veröffentlicht hat, wirft Bürger dem Unbekannten zunächst Feigheit im „Ehrenkampfe“42 vor: „Ich übrigens, wenn ich einmal Beruf und Mut genug in mir gefühlt hätte, einem alten Günstling des Publikums so, wie der Verfasser mir, mitzuspielen, ich – ja, ich würde Tapferkeit genug besitzen, mein Visier aufzuziehen, wenn ich darum gebeten würde. Wohlan denn! [...] wer bist du?“43 In einem zweiten Schritt mutmaßt Bürger, dass es einem solcherart idealistisch und abstrakt argumentierenden Kritiker selbst an poetischer Zeugungsfähigkeit mangeln müsse, und er versucht, dem Unbekannten nun seinerseits den ‚Namen des Dichters‘ damit abzusprechen: „Auch dürste ich nicht nach Rache an dem Beurteiler und seinen vermutlich ebenfalls [...] verwundbaren und sterblichen Geisteskindern. Denn vielleicht hat er [...] keine Kinder. – Vielleicht, sag ich? Nein, er hat zuverlässig keine! Er ist kein

Heiner Müller, Berlin: Erich Schmidt; Begemann, Christian/Wellbery, David E. (Hg. 2002): Kunst – Zeugung – Geburt. Theorien und Metaphern ästhetischer Produktion der Neuzeit, Freiburg i.Br.: Rombach; Metzler, Jan Christian (2003): De/Formation. Autorschaft, Körper und Materialität im expressionistischen Jahrzehnt, Bielefeld: Aisthesis-Verlag, bes. S. 67-143; Herbold, Astrid (2004): Eingesaugt & Rausgepresst. Verschriftlichungen des Körpers und Verkörperungen der Schrift. Eine metaphorologische Spurensuche im 18. und 20. Jahrhundert, Würzburg: Königshausen & Neumann. 40 Novalis (1965): „Vorarbeiten zu verschiedenen Fragmentsammlungen“, in: Ders., Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs, hg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel, Bd. 2: Das philosophische Werk I, hg. von Richard Samuel, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 505-651, Nr. 36, S. 534. 41 G. A. Bürger in: F. Schiller 1992, S. 1521. 42 Ebd. S. 1519; Vgl. dazu Friedrich Schiller (1992): „Verteidigung des Rezensenten gegen obige Antikritik“, in: Ders. 1992, S. 989-995, S. 989. 43 G. A. Bürger in F. Schiller 1992, S. 1524.

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Künstler, er ist ein Metaphysikus. Kein ausübender Meister erträumt sich so wichtige Fantome, als idealisierte Empfindungen sind.“44 Was hier tobt, ist ein Kampf um literarische Anerkennung und um poetologische Richtungsentscheidungen. Es geht um den Platz in der Literaturgeschichte und um literarischen Einfluss. Und in Schillers Fall dürfte es sich auch um den Versuch gehandelt haben, als frisch berufener Professor in Jena so etwas wie ein Diskursbegründer auf dem Feld des Ästhetischen zu werden, der sich literaturpolitisch neben den Weimarer Dioskuren Wieland, Goethe und Herder behaupten kann. Es geht um die Überwindung des Sturm und Drang, aber auch um die Abgrenzung von einer daran anknüpfenden neu entstehenden ‚Gemütserregungskunst‘ namens Romantik, und es geht um die Herausbildung eines – von der Forschung signifikanterweise vielfach so genannten – ‚Epochenstils’ der Klassik.45 Dieser Machtkampf um den Namen des Dichters – um den symbolischen Phallus, wenn man so will – wird ausschließlich unter Männern ausgetragen; die wirkungsvollsten Resultate werden daher dort erzielt, wo die männliche Geschlechtsehre auf dem Spiel steht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Literatur wenig vom Fußballfeld bzw. überhaupt vom Sport. Oder vom Militär. Beide Bereiche gelten als Produktionsorte hegemonialer Männlichkeit.46 Und nicht zufällig speist sich die Metaphorik des parler homme aus beiden Bereichen – wie sich im Folgenden zeigen wird.

4. I MPOTENZ MIT H ALTUNG UND S CHLAPPSCHWANZ L ITERATUR : D EKADENTE , K RIEGSBLINDE , P OPLITERATEN UND DIE WEI S S E T INTE DER V IRILITÄT Ich kehre noch einmal zurück ins Jahr 1929 und erinnere an Pinthus’ Forderung nach einer männlichen Literatur, die „hart, zäh, trainiert, dem Körper des Boxers“ vergleichbar sein soll.47 Zeitgleich räsoniert 44 G. A. Bürger in F. Schiller 1992, S. 1524. 45 Vgl. A. Koschorke 1998, S. 589-599. 46 Vgl. Frevert, Ute (2008): „Das Militär als Schule der Männlichkeiten“, in: Ulrike Brunotte/Rainer Herrn (Hg.), Männlichkeiten und Moderne. Geschlecht in den Wissenskulturen um 1900, Bielefeld: Transcript, S. 57-75. 47 K. Pinthus 1929, S. 903.

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der viel gelesene Romancier und Essayist Frank Thiess über einen „Typus des Geistigen“, der künftig nicht nur „mit überlegenem Hirn, sondern auch mit tadellos funktionierenden Organen ausgerüstet sein“ muss, um sich der „Gefahr der neurotischen Zersetzung“ zu entziehen.48 Das geistige Leben soll sich nicht, wie in Zeiten der Dekadenz, in physischer „Minderwertigkeit“ und einem „schwächlichen Körper“ gründen, sondern nun gilt die Maxime: „Dichter sollten boxen“.49 Thiess propagiert die „Verwandlung eines kriegsmüden, durch Krankheit und Ueberarbeitung geschwächten Körpers in einen sportlich zureichenden“, über den „sich ein leichter Muskelpanzer zu legen“ beginnt.50 Unverhüllt zeigt sich hier jene von Klaus Theweleit analysierte ‚Männerphantasie’ des frühen 20. Jahrhunderts, in der sich ein nervöser, ‚dekadenter’ Körper durch das entsprechende Exerzierregiment in eine ‚Stahlgestalt’, in einen Körperpanzer transformiert.51 Nur so, schreibt auch Marieluise Fleißer – die von Pinthus gelobte männliche Autorin – in ihrem Aufsatz Sportgeist und Zeitkunst, werden „Sehnen, Muskeln, Nerven, Knochen [...] an das Bringen von Kraft, an Kaltblütigkeit, Kontrolle, Tempo Durchhalten, Steigerung [...] gewöhnt“.52 Das sind die gleichen Eigenschaften, die für die ordre froid und den Stil der Neuen Sachlichkeit bestimmend werden. Der TextKorpus und der Körper des Autors sind offenbar metonymische Verschiebungen53 – und der Zusammenhang von literarischer Ästhetik und

48 Thiess, Frank (1929): „Die Geistigen und der Sport“, in: Ders., Erziehung zur Freiheit. Abhandlungen und Auseinandersetzungen, Stuttgart: Engelhorns Nachf., S. 220-235, S. 232f. u. S. 234. Zur Herausforderung an die Literatur vgl. Fleißer, Marieluise (1972): „Sportgeist und Zeitkunst. Essay über den modernen Menschentyp“, in: Dies., Gesammelte Werke, hg. von Günther Rühle, Bd. 2, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 317-320, S. 319. 49 Frank Thiess (1926): „Dichter sollten boxen“, in: Uhu 3, S. 68-74. 50 Ebd. S. 72. 51 Zum soldatischen Umbau des Körpers s. Theweleit, Klaus (1980): Männerphantasien, Bd. 2, Männerkörper – Zur Psychoanalyse des weißen Terrors, Reinbek: Rowohlt, S. 144-175. Der Begriff ‚Stahlgestalt’ stammt von Ernst Jünger, Theweleit zitiert ihn u.a. auf S. 161. 52 M. Fleißer 1972, S. 318f. 53 Wenn der Habitus, laut Pierre Bourdieu, so etwas wie zweiter Körper ist, der den ersten, biologischen überlagert, wenn der Habitus also ein „corps

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zeitgenössischem Körperkonzept wäre ein ebenso kultur- wie literaturwissenschaftlich lohnendes Forschungsfeld. Verpflichtet ist der fortwährende Rekurs auf das Boxen und überhaupt die Sportmanie dieser Zeit einem Kult der als männlich eingestuften Willenskraft und einem ‚energetischen Imperativ‘, der nicht erst die effeminierten Kriegszitterer des frühen 20., sondern schon die dekadenten Neurastheniker des späten 19. Jahrhunderts heilen soll. Bezeichnend hierfür ist etwa die psychogymnastische Abhandlung von Wilhelm Walter Gebhardt mit dem Titel: Wie werde ich energisch? Eine vollständige Anleitung zur Heilung von Energielosigkeit, Zerstreutheit, Niedergeschlagenheit, Schwermut, Hoffnungslosigkeit, Angstzuständen, Gedächtnisschwäche, Schlaflosigkeit, Verdauungsund Darmstörungen, allgemeiner Nervenschwäche u.s.w. Sie erscheint 1895 bereits in der 2. Auflage. 1911 wird dann von Zeitgenossen die „Anbetung alles Muskulösen und Gewalttätigen, überhaupt der Kraftrausch“54 konstatiert und festgestellt, dass der energetische Imperativ „ein Schlagwort unserer Zeit“ geworden ist „im Kampfe um bessere Nerven und größere Leistungsfähigkeit“. 55 Diesem biopolitischen Kampf korrespondiert ein neues Männlichkeitsideal und eine ihm entsprechende Schreibweise,56 die Ende des 19. Jahrhunderts gegen die sogenannten ,Nervenpoeten‘ ins Feld geführt werden. So lehnen Vertreter der realistischen Bewegung und insbesondere des Naturalismus „kunstvolle Ornamentik“, „Süßholzraspelei“, „Klingklang-Musik“, „Phrasenschwulst“, „Reimgeklingel“ und „klein-

socialement différencié du genre opposé“ ist, so scheint dasselbe für den Stil zu gelten. Bourdieu, Pierre (2002): La domination masculine, Paris: Seuil, S. 41. 54 Hasse, Else (1911): „Nervosität und Geistesleben“, in: Der Türmer 13, S. 577-587, S. 585. 55 Schär, Otto (1913): Im Kampfe um bessere Nerven und größere Leistungsfähigkeit, Dresden, S. 33. 56 So konstatiert auch Robert Musils Romanexperiment Der Mann ohne Eigenschaften (1924) ein „neues Bild der Männlichkeit“, das sich über Kraft, Willen und persönliche Superlative definiert – und über morgendliches Training am Boxsack. Musil, Robert (1978): Der Mann ohne Eigenschaften, hg. von Adolf Frisé, 2 Bde, Reinbek: Rowohlt, Bd. 1, S. 46, Bd. 2, S. 1257; Bd. 1, S. 45.

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liches Salonparlieren“ ab.57 Gefordert wird vielmehr „knappe Wortmalerei“; 58 Wucht und Kraft soll von der Dichtung ausgehen, „wahr, groß, starkgeistig, gewaltig“59 soll sie sein, kurz: „einfach, klar und mannhaft“.60 Auf diese Weise soll nicht nur die realistische oder naturalistische Poetik gegen Romantik, Impressionismus, Symbolismus und L’art pour l’art verteidigt werden. Vielmehr wird an die solcherart behauptete écriture masculine auch noch das Überleben der Literatur innerhalb der modernen Konkurrenz der diskursiven Ordnungen von Wissenschaften und Künsten gebunden. „Lendenlahme, Blinde, Ausschuss“,61 so Carl Bleibtreu 1886, sind nicht geeignet, den „Kampf um das Dasein der Literatur“ erfolgreich zu führen.62 Wenn der Neorealismus der Neuen Sachlichkeit nach dem ersten Weltkrieg an dieses phallogozentristische Männlichkeitsideal wieder anzuschließen scheint, so nun nicht mehr als Antwort auf den décadent, sondern auf den nervösen Kriegszitterer und auf eine in lethargi-

57 Holz, Arno (1973): „Revolution der Lyrik“, in: Theo Meyer (Hg. 1973), Theorie des Naturalismus, Stuttgart: Reclam, S. 214-224, S. 215; Bleibtreu, Carl (1973a): Revolution der Literatur, hg. von Johannes J. Braakenburg. Tübingen: Niemeyer, S. 13; ders. (1973b): „Der Kampf um das Dasein der Literatur“, in: T. Meyer 1973, S. 123-128, S. 125; Hart, Heinrich/Hart, Julius: „Ein Lyriker à la mode“, in: T. Meyer 1973, S. 195-199, S. 196; Pfütze-Grottewitz, Kurt (1971): „Neuer Stil und neue Schönheit“, in: Gotthard Wunberg (Hg.): Die literarische Moderne. Dokumente zum Selbstverständnis der Literatur um die Jahrhundertwende, Frankfurt a.M.: Athenäum, S. 83-87, S. 83. 58 C. Bleibtreu 1973b, S. 125. 59 K. Conradi, Hermann: „Unser Credo“, in: T. Meyer 1973, S. 200-204, S. 204. 60 K. Pfütze-Grottewitz 1971, S. 83. 61 C. Bleibtreu 1773a, S. 12-15. 62 In Adaptation des Titels von Bleibtreu: „Der Kampf um das Dasein der Literatur“. Vgl. hierzu insgesamt auch Herrmann, Britta (2010): „Physiology and Art. (Dis-)Embodiement of Authorship in Germany around 1900“, in: Gillis J. Dorleijn/Ralf Grüttemeier/Liesbeth Korthals Altes (Hg.): Authorship Revisited. Conceptions of Authorship around 1900 and 2000. Leuven/Paris/Walpole, MA, S. 119-135.

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schem Weltschmerz versinkende Nation. 63 Angesichts der solcherart immer neu zu erschreibenden Virilität formiert sich freilich auch der Verdacht, dass diese nicht viel mehr als eine textuelle Maskerade ist. So konstatiert der Schriftsteller und Filmtheoretiker Béla Balázs, dass die écriture der Neuen Sachlichkeit eine bloße „Attitüde der Männlichkeit“ sei. In seinem Aufsatz Männlich oder kriegsblind urteilt er 1929: „Es ist die Literatur einer seelischen Müdigkeit. [...] Eine gestählte Schwäche also, Impotenz mit Haltung“.64 Balázs lenkt den Blick auf andere, weniger phallische Formen von Männlichkeit, welche für die Bewertung einer literarisch relevanten Schreibweise zugrunde gelegt werden könnten: „Und was hat das mit Männlichkeit zu tun? [...] Die sensible Feinheit des analytischen Nachspürens und Einfühlens ist, wenn man schon bei solchen Geschlechtskategorien bleiben will, eine eminent männliche Qualität [...].“65 Eine Entkoppelung von textueller Männlichkeit und literarischer Wertung findet freilich auch hier nicht statt, es wird lediglich die Ersetzung eines hegemonialen Männlichkeitskonzeptes durch ein anderes vorgeschlagen. Nicht übermäßig erfolgreich. Ungeachtet möglicher Alternativen nämlich scheint das phallogozentristische parler homme im Bemühen um Bedeutung und Autorisierung die sozial am häufigsten sanktionierte Strategie zu sein. Auch Ende des 20. Jahrhunderts taucht die textuelle Männlichkeit rhetorisch wieder ins Stahlbad ein. Gegen die „Schlaff-Generation“ der PopLiteraten und ihre „lauwarmen Geschichten“, gegen die „L’art-pourl’art-Lappalien“ eines „prinzipienlosen Memmentum[s]“ und gegen

63 Radkau, Joachim (1998): Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler. München: Hanser, S. 268. Zum Konnex von Wille und Männlichkeit vgl. im übrigen Smith, John H. (1997): „Wie männlich ist der Wille? Ein philosophischer Grundbegriff andersherum gedacht“, in: Walter Erhart/Britta Herrmann (Hg.): Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit. Stuttgart/Weimar: Metzler, 114133; Koschorke, Albrecht (2000): „Die Männer und die Moderne“, in: Wolfgang Asholt/Walter Fähnders (Hg.): Der Blick vom Wolkenkratzer. Avantgarde – Avantgardekritik – Avantgardeforschung. Amsterdam/Atlanta: Rodopi, S. 141-162. 64 Balázs, Béla (1929): „Männlich oder kriegsblind?“, in: Die Weltbühne 25.26, S. 969-971, S. 969f. Vgl. zudem U. Baureithel 1993, S. 30. 65 B. Balázs 1929, S. 970.

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das „Teenie-Schulbubenrepertoire“ polemisieren etwa Feridun Zaimoglu und Maxim Biller 1999 und 2000 in der Zeit unter den vielsagenden Überschriften Feige das Land, schlapp die Literatur und Knabenwindelprosa. 66 Biller konstatiert eine „deprimierende Temperamentlosigkeit und Gleichförmigkeit unseres geistigen und künstlerischen Lebens“,67 dem alles Kämpferische und alle Moral fehlt. Verhaltenslehren der Kälte sind hier offenkundig nicht (mehr) gefragt. Biller vermisst vielmehr die „Entstehung eines großen, heißblütigen Romans“. Nötig dafür sei eine „Härte“, die bereit ist, konsequent und „so brutal, dass das Blut spritzt, die letzten Fragen zu stellen“.68 Zaimoglu, den Biller explizit als positives Beispiel für eine solche Schreibweise nennt, fordert eine „Flammenhärtung durch consciousness“, die mit den „Präpubertätswallung[en]“ der konformistischen „Buben“ nicht zu vergleichen ist: „Haltung ist etwas anderes!“ Insbesondere Benjamin von Stuckrad-Barre wird von Zaimoglu ins Visier genommen. Er produziere „Niedlichkeits-Rokoko“ und seine „redundanten Petitessen [...] könnte man genauso gut in Seide sticken. [...] Saft- und kraftvolle Gegenwartsliteratur wird von anderen Platinfedern geschrieben.“ Beispielsweise seiner eigenen. „Das ist wirklich alles andere als Schlappschwanz-Literatur,“69 attestiert ihm Biller. Und der Klappentext von Zaimoglus Kanak Sprak (1995) rühmt das Buch als „Hardcore-Realismus“ – „rüde“ sowie „voll Stolz und Härte“. Gefeiert werden also erneut – oder noch immer – maskuline Orgien. In Zeiten des von Buchhandel und Feuilleton gepriesenen ‚Fräuleinwunders‘ lässt sich dies nicht nur bei Biller und Zaimoglu beobachten. Der verhinderte Schriftsteller und Nobelpreisträger in Thomas Brussigs Roman Helden wie wir (1995) erzählt die Geschichte des Mauerfalls als „Geschichte meines Pinsels“; 70 und der Ich-Erzähler und „Poet“ in Helmut Kraussers Roman Fette Welt (1992) verwendet

66 Zaimoglu, Feridun (1999): „Knabenwindelprosa“, in: Die Zeit vom 18.11.1999; Biller (1999), Maxim: „Feige das Land, schlapp die Literatur. Über die Schwierigkeiten beim Sagen der Wahrheit“, in: Die Zeit vom 13.04.2000. 67 M. Biller 1999, S. 47. 68 Ebd. S. 49. 69 Ebd. 70 Brussig, Thomas (1998): Helden wie wir. Roman. Frankfurt a.M.: S. Fischer, S. 7.

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dasselbe Instrument zur Charakterisierung seines literarischen Verfahrens: „Kommt ihr schönen Mädchen, ich schreib euch ein Gedicht zwischen die Brüste, mit weißer Tinte [...].“71 Männlichkeit in der Schrift scheint im Kampf um den Dichternamen – bzw. um den symbolischen Phallus – vor allem zwei Strategien zu kennen: die Rhetorik des demonstrativen Muskelspiels und die des sexuellen acting male. Dies kann nur funktionieren, wenn im kulturellen Imaginären der Text als Körper des Autors und der Akt des Schreibens als libidinöse Produktion gilt, die wie selbstverständlich der männlichen (heterosexuellen) Begehrensökonomie folgt. Eine Errungenschaft der feministischen Analysen seit Virginia Woolf ist es, dies gezeigt und kritisiert zu haben, dass in den entsprechenden Szenarien der weibliche Körper – im Doppelsinn des Wortes – immer neu beschrieben wird, während aus dem männlichen der entsprechende Text fließt. Analog dazu sind die Positionen von Subjekt und Objekt des Schreibens, Dichter und Muse, Sprechen und Stummheit verteilt. Ein Anliegen der écriture féminine war es, diese Positionen umzubesetzen und den unhinterfragten Konnex von Autorschaft und Zeugung durch neue Metaphoriken zu unterlaufen. Bei Cixous etwa schreiben Autorinnen mit der weißen Tinte der Muttermilch. Kraussers Text zeigt jedoch, dass das kulturelle Imaginäre sich kaum durch bloße Ersetzungen der Metaphorik verändern lässt. Vielmehr sind solche Metaphoriken selbst Teil umfassender diskursiver Strategien, mit denen, historisch wandelbar und zu unterschiedlichen Zwecken, Autorschaft, ästhetische Konzepte, literarische Programme und kulturelle Geschlechter-Texte gleichermaßen verhandelt, etabliert und stabilisiert werden. Und diese Strategien gilt es (nach wie vor) zu analysieren.

71 Krausser, Helmut (1997): Fette Welt. Roman. Reinbek: Rowohlt, S. 88.

Che vuoi? Mafia und die Hysterie der Männer J OHANNES B INOTTO Denn Begehren ist dein Gebet. AUGUSTINUS

1925, in einem Brief an seine Patientin, Kollegin und Übersetzerin Marie Bonaparte zieht der siebzigjährige Sigmund Freud eine bemerkenswerte Bilanz, was seine langjährige Beschäftigung mit den Neurotikerinnen betrifft. So schreibt er: „Die große Frage, die nie beantwortet worden ist und die ich trotz dreißig Jahre langem Forschen in der weiblichen Seele nie habe beantworten können, ist die: ‚Was will das Weib?‘“1 Die aufwändige Erforschung der Hysterie resultiert also für Freud nicht in einem gesicherten Wissen, sondern in einer Frage, auf die der Analytiker keine Antwort bereit hat. Somit zeugt es von einiger Ironie, dass ausgerechnet diese Briefstelle zu einem von Freuds berühmtesten Aussprüchen avancieren sollte. Drückt sich in dem Genuss, den uns dieses Aperçu bis heute verschafft, nicht eine hämische Schadenfreude darüber aus, dass Freud statt eines Triumphs das Versagen der Psychoanalyse hat verzeichnen müssen?2 Was aber, wenn Freuds

1

Briefwechsel mit Marie Bonaparte 1925, veröffentlicht in Jones, Ernest (1955): Das Leben und Werk von Sigmund Freud. Bd. 2: 1901-1919, Bern: Huber, S. 468.

2

Es ist umso bemerkenswerter, dass Freud diese Zeilen ausgerechnet an eine seiner eigenen Patientinnen richtete, noch dazu eine, deren Analyse – in Elisabeth Roudinescos Worten – eine „unendliche“ war. Vgl. Roudinesco, Elisabeth/Plon, Michel (2004): Wörterbuch der Psychoanalyse. Na-

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scheinbar bitteres Fazit weniger auf eine Sackgasse der Psychoanalyse als vielmehr auf eine ihrer bahnbrechenden Erkenntnisse hindeutet? Was, wenn im Rätseln über das Begehren der Frau bereits die Antwort auf das Rätsel der Neurose liegt? So jedenfalls ließe sich mit Jacques Lacan und dessen Konzeption der Neurose diese Stelle lesen. Denn noch eindeutiger als für Freud ist für Lacan die Hysterie nicht mehr durch eine bestimmte körperlichen Symptomatik definiert, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts Jean-Martin Charcot an der psychiatrischen Anstalt Salpêtrière untersuchte und systematisierte. Vielmehr zeichnet sich für Lacan die Neurose, deren grundlegendste Ausprägung die Hysterie darstellt, durch eine besondere Form der Kommunikation aus: Die Neurose ist eine Frage.3 Den Wortlaut dieser neurotischen Frage entlehnt Lacan aus Jacques Cazottes Erzählung Le diable amoureux von 1772. In der Erzählung wird an einer Stelle der Teufel beschworen, der darauf mit einem schrecklichen, von allen Wänden widerhallenden „Che vuoi?“ antwortet. 4 Erstmals erwähnt in seinem Seminar der Jahre 1956/57 erweist sich im Laufe von Lacans Lehre dieses „Che vuoi?“ – „Was will er? Was will der Andere von mir?“ als DIE Grundformel der Neurose. 5 Unschwer wird man in diesem „Che vuoi?“ auch Freuds Frage „Was will das Weib?“ erkennen. Aber in ihm steckt auch das Gegenstück: „Was will der Mann?“ Was wollen die andern von mir? Wie wollen die andern mich haben? Und: Auf welche Weise muss man wollen, um als Mann (oder Frau) zu gelten? So und ähnlich fragt sich der Neurotiker unablässig und der endlose Versuch, jenes rätselhafte Begehren der Anderen, mit dem er sich konfrontiert sieht, zu entschlüsseln, macht ihn hysterisch. Und doch findet das Subjekt gerade in diesem Begehren des Andern

men, Länder, Werke, Begriffe. Wien, New York: Springer, S. 120. Zum Zusammenhang zwischen Hysterie und unendlicher Analyse s. Fußnote 30. 3

Vgl. Lacan, Jacques: „Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud“, in: Ders. (1991): Schriften II, Berlin: Quadriga, S. 15-59, S. 46.

4

Vgl. Cazotte, Jacques (1772): Le diable Amoureux, Nouvelle espagnole,

5

Lacan erwähnt das „Che vuoi?“ erstmals in seinem Seminar der Jahre

Naples, S. 14. 1956/57. Lacan, Jacques (1956-1957): Das Seminar. Buch IV: Die Objektbeziehungen, Wien: Turia + Kant 2003, S. 198.

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sein eigenes: „Das Begehren des Menschen [ist] das Begehren des Andern“6, so wird Lacan nicht müde zu wiederholen. So etwas wie ein genuines, eigenes Begehren gibt es gar nicht, vielmehr wird es immer induziert und angetrieben durch den ominösen Andern und dessen fragwürdiges Begehren.

D IE H YSTERIE

DER

ALLTAGSSPRACHE

Indem Lacan die Hysterie als Frage, gleichsam als Kommunikationsproblem darstellt, entkoppelt er sie vom Körper, radikaler noch als dies bereits Freud getan hat. Zugleich liefert er damit aber auch eine Erklärung, was es mit den körperlichen Erscheinungen auf sich hat, für welche die Hysterie berühmt wurde: Die erstaunliche Wandelbarkeit und Vielgestaltigkeit der hysterischen Symptome sollen offenbar dafür sorgen, dass die Krankheit, deren Ausdruck sie sind, auch weiterhin ein Rätsel bleibt. Das deckt sich mit dem, was Psychoanalytiker aus der Praxis berichten: Mag es dem Analytiker auch schon früh in der Kur gelingen, ein bestimmtes körperliches Symptom aufzulösen, so wird ihm der hysterische Patient mit großer Wahrscheinlichkeit schon in der nächsten Sitzung ein neues präsentieren. Damit durchkreuzt der Hysteriker andauernd alle Interpretationen, die ihm sein Analytiker anbietet. So schreibt etwa die Psychoanalytikerin Regula Schindler „‚Nein, das ist es nicht‘, ist die hysterische Antwort par excellence. Es ist nicht dieses oder jenes Angebot, das nicht genügen kann, es ist das Angebot an sich, das nicht hinhaut.“7 Die Hysteriker, so könnte man kalauern, wissen auf jede Antwort eine Frage. Auch wenn sie vom Analytiker Aufklärung über ihr Leiden erfragen, geht es ihnen doch in Wahrheit darum, jede abschließende Interpretation abzuwenden und stattdessen das Rätsel des Begehrens offen zu halten.8 Der Hysteriker begehrt keine befriedigende Antwort, er begehrt das Begehren selbst.

6

Lacan, Jacques: „Die Ausrichtung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht“, in: Ders. (1991): Schriften I, Weinheim: Quadriga, S. 171-239, S. 220.

7

Schindler, Regula: „Hysterie“, in: RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse 27

8

So mag man auch die theatralischen Posen, welche die hysterischen Pa-

(1994), S. 51-69, S. 55. tienten vor Charcots Kamera einnahmen, anders lesen, nämlich nicht nur

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Das macht den Fall des Hysterikers für die Männlichkeitsforschung so interessant: Der Hysteriker hält dem wissenschaftlichen Diskurs der Masculinity Studies gleichsam einen Spiegel vor.9 Wie der Geschlechterforscher so fragt auch der männliche Hysteriker andauernd: „Was macht den Mann zum Mann?“ Doch während die Wissenschaft in ihrem Positivismus am Anspruch festhält, Antworten zu geben, lehnt der Hysteriker alle Antworten ab und verharrt stattdessen bei der Frage selbst. In eben diesem Insistieren auf der Frage gibt er paradoxerweise doch eine Antwort auf die Frage, was ihn zum Mann macht: Der männliche Hysteriker findet sein Selbstverständnis gerade in der Ungewissheit darüber, was Männlichkeit ist – er ist (hysterischer) Mann, insofern er darüber rätselt, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Statt ein gesellschaftliches Rollenbild oder eine wissenschaftliche Definition von Männlichkeit zu akzeptieren, definiert er sich ex negativo, einzig durch Abweichung und Ungewissheit. Entsprechend lassen sich auch die hysterischen Symptome nicht nach den Maßgaben der positivistischen Wissenschaft verstehen: Während in der Medizin das Symptom üblicherweise als ein indexikalisches Zeichen aufgefasst wird, welches – nach Charles Sanders Peirces Definition – „physisch mit dem bezeichneten Objekt verbunden ist“10 und darum eindeutige Rückschlüsse auf das Leiden zulässt, von dem es verursacht wurde, funktioniert das hysterische Symptom offensichtlich anders. Statt Index ist das hysterische Symptom der Prototyp des Saussureschen arbiträren Zeichens, welches sich immer nur in Differenz zu allen anderen Zeichen definieren lässt.11 „Ich bin anders als

als Ausdruck einer spezifischen körperlichen Dysfunktion, sondern als Frage an den Psychiater: „Wie willst Du, dass ich mich inszeniere?“ Siehe dazu: Didi-Huberman, Georges (1997): Erfindung der Hysterie. Die photographische Klinik von Jean-Martin Charcot, München: Fink. 9

Tatsächlich weist der späte Lacan, auf eine Angleichung vom Diskurs der Wissenschaft an den Diskurs der Hysterie hin: „Je conclus que le discours scientifique et le discours hystérique ont presque la même structure.“ Lacan, Jacques (1973): Télévision, Paris: Seuil, S. 36.

10 Peirce, Charles Sanders (1998): The Essential Pierce: Selected Philosophical Writings, Vol. 2: 1893-1913. The Peirce Edition Project, Bloomington: Indiana University Press, S. 9. 11 Vgl. Saussure, Ferdinand de (1967): Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Berlin: de Gruyter, S. 143-144.

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alle andern“ – so scheint auch das hysterische Symptom zu sagen. Freud selbst hat bereits auf den Zusammenhang von hysterischem Symptom und sprachlichem Zeichen hingewiesen, wenn er in seinem Aufsatz Zur Ätiologie der Hysterie die Erforschung der hysterischen Symptomatik mit einer archäologischen Ausgrabung vergleicht, bei welcher „Tafeln mit verwischten und unlesbaren Zeichen“ auftauchen.12 Und so ist es denn auch nur folgerichtig, dass Freud in seiner Arbeit mit den Hysterikerinnen von den anfänglich praktizierten Körper- und Hypnosetechniken zur Behandlung durch Sprache übergegangen ist, zur berühmten „talking cure“, wie dies die Patientin Anna O. nannte.13 Damit ist denn auch die hysterisierende Frage des „Che vuoi?“ beileibe kein Sonderfall, sondern jedem Sprechakt potentiell bereits mit eingeschrieben: „Rather than a particular speech relation, the discourse of the hysteric exhibits the most elementary mode of speech. Drastically put: the speaking subject is hysterical as such.“14 Welcher Sprechende macht nicht diese Erfahrung: Man redet miteinander und obwohl man die Wörter und Sätze des Gegenübers versteht, rätselt man des Öfteren doch, warum man uns das sagt: „Che vuoi? – Was willst Du wirklich von mir? – Welches Begehren verbirgt sich hinter deinen Worten?“ Im „graphe du désir“ (Abb. 1) aus seinem Aufsatz Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freudschen Unbewussten von 1960 schematisiert Lacan dieses rätselhafte Begehren, welches sich hinter jedem Sprechakt verbergen kann und in der hysterisierenden/hysterischen Frage des „Che vuoi?“ zutage tritt.15

12 Freud, Sigmund: „Zur Ätiologie der Hysterie“, in: Ders. (1952): Gesammelte Werke, Bd. 1, London: Imago, S. 423-459, S. 426. 13 Vgl. Breuer, Josef (1895): „Beobachtung I. Frl. Anna O...“, in: Freud, Sigmund (1987): Gesammelte Werke. Nachtragsband, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 221-243, S. 229. Zu der hier skizzierten Entwicklung der psychoanalytischen Behandlungstechnik siehe: Mayer, Andreas (2002): Mikroskopie der Psyche: die Anfänge der Psychoanalyse im Hypnose-Labor. Göttingen: Wallstein. 14 Wajeman, Gérard (1988): „The Hysteric’s Discourse“, in: Lacan Study Notes 6-9, S. 1-22, S. 10-11. 15 Vgl. Lacan, Jacques: „Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freudschen Unbewussten“, in: Ders. 1991, S. 191.

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1. Graph des Begehrens

2. Vereinfachtes Schema

Da der Platz fehlt, dieses komplexe Schema ausführlich zu besprechen, soll anhand einer radikal vereinfachten Darstellung (Abb. 2) skizziert werden, worum es im „graphe du désir“ geht. So stellt die untere Hälfte des Schemas das Verhältnis des Subjekts (rechts unten) zum Symbolischen (die horizontale Kurve) dar: Wenn beispielsweise ein Subjekt etwas verlangt, ist es immer gezwungen, sich in Zeichen auszudrücken, sich dem Symbolischen und seinen Regeln unterzuordnen. Dabei ist mit diesem Symbolischen nicht nur die verbale Sprache im engeren Sinne gemeint, sondern etwa auch all die Verhaltens- und Kommunikationsregeln, welche das gesellschaftliche Leben bestimmen. Doch wer gezwungen ist, sich in den vorgegebenen Schablonen des Symbolischen auszudrücken, wird immer auch deren Ungenügen verspüren. Die Worte, die Zeichen reichen nie aus, um auszudrücken, was man möchte. Zugleich kann die Bedeutung, die diese Worte und Zeichen für einen anderen annehmen können, nie vollständig eingegrenzt werden: Immer schwingt im Sprechen etwas mit, das zwar nicht explizit gesagt wurde, sich aber hinter den Worten verbirgt. Die Dimension eines mysteriösen Begehrens jenseits aller expliziten Forderungen wird spürbar: „Ja, ja, was Du sagst, wie Du Dich verhältst, das ist schön und gut, aber was steckt dahinter, was willst Du wirklich? Che vuoi?“ Diese Spannung zwischen explizitem Anspruch und implizitem Begehren definiert die Position des hysterischen Subjekts.16 Es 16 Vgl. Žižek, Slavoj (1989): The Sublime Object of Ideology, London: Verso, S. 111.

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ist diese Frage des Begehrens des Andern, die sich dem Hysteriker unablässig stellt, die ihn umtreibt, die ihn hysterisch macht, ihn nie zur Ruhe, nie zu einem Ende kommen lässt, sondern alles hinter-fragt. Nicht zufällig erhebt sich die Bahn des „Che vuoi?“ in Lacans Schema wie ein großes Fragezeichen über dem Kreislauf des Symbolischen. Und so wie die Frage des Begehrens einen nie bei einer fixen Bedeutung zur Ruhe kommen lässt, sondern fortwährend auf etwas anderes verweist, so zielen auch auf dem Schema die Pfeile des „Che vuoi?“ vorläufig ins Leere, bis sie dereinst auf ein prekäres Phantasma zulaufen werden.

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Die Hysterie als Frage des Begehrens, so dürften die obigen Erläuterungen klar gemacht haben, betrifft alle „Sprechwesen“ (parlêtres), wie sie Lacan nannte, unabhängig von ihrer Geschlechterzugehörigkeit gleichermaßen. Und doch mag es verwundern, dass man das Funktionieren dieses hysterischen und hysterisierenden Diskurses ausgerechnet an einer reinen Männergesellschaft exemplarisch studieren kann und noch dazu einer, die man auf den ersten Blick so gar nicht mit den gewohnten Vorstellungen von männlicher Hysterie assoziieren würde: der Mafia. Nicht umsonst könnte der Ausspruch „Che vuoi?“ von den Lippen eines italienischen Mafioso stammen, denn tatsächlich ist gerade das System der Mafia von dieser hysterischen Frage dominiert. So liest man etwa im Buch des Historikers und Journalisten John Dickie über die Cosa Nostra: „Zu Personen, die nicht bereits wissen, wovon die Rede ist, sagen Ehrenmänner [der gebräuchliche Euphemismus zur Bezeichnung eines Mafiamitglieds, JB] am liebsten überhaupt nichts; untereinander kommunizieren sie mit Codes, Andeutungen, Satzbruchstücken, starren Blicken und beredtem Schweigen. In der Cosa Nostra fragt oder sagt niemand mehr, als unbedingt nötig ist. Niemand erkundigt sich ausdrücklich nach etwas. Der Richter Falcone beobachtete: ‚Zu den Tätigkeiten eines Ehrenmannes gehört die Deutung von Zeichen, Gesten, Nachrichten und Schweigen.‘ Besonders ausführlich berichtete Buscetta [ein ehemaliger Mafiaboss, JB] wie es sich in einer solchen Welt lebt: ,In der Cosa Nostra ist es Pflicht, die Wahrheit zu sagen, aber es herrscht auch große Zurückhaltung. Und diese Zurückhaltung,

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die Dinge, die nicht gesagt werden, liegt wie ein unauflöslicher Fluch über allen Ehrenmännern.‘“17

Das Leben in der Mafia erweist sich so als Schauplatz einer panischen Hermeneutik. Noch die banalste Äußerung muss auf ihre mögliche Mehrdeutigkeit hin abgehört werden, bei jedem Wort muss der Mafioso sich fragen: Was willst Du mir damit in Wirklichkeit sagen? „Das Leben eines Mafioso ist zu einem großen Teil dem Bemühen gewidmet, einen Sinn in den Informationsbruchstücken zu finden, die aus der Organisation zu ihm gelangen. Die Bosse halten ihre Leute häufig dadurch unter Kontrolle, dass sie undurchschaubar bleiben und genau darauf achten, wer was weiß. Deshalb kann sich kein Mafioso jemals ein umfassendes, zuverlässiges Bild von der Lage machen.“18

Einen besonders extremen Fall solch hysterisch-hysterisierender Kommunikation innerhalb der Mafia stellte gewiss der Pate Bernardo Provenzano dar, welcher als wohl blutrünstigster Boss der sizilianischen Mafia galt. Über vierzig Jahre lang kommandierte Provenzano seine Leute von einem Versteck aus in Form von Zettelchen, sogenannten pizzini. Doch ist das Bemerkenswerte an diesen Zettelchen ihre offensichtliche Bedeutungslosigkeit. Laut Andrea Camilleri, der in seinem Buch M wie Mafia diese pizzini analysierte, hat Provenzano in keiner einzigen seiner Nachrichten einen klaren Befehl erteilt, sondern nur bescheiden formulierte Ratschläge und zurückhaltende Meinungsäußerungen festgehalten.19 Nichts findet sich auf diesen Zetteln, was eindeutig belegen würde, dass es in ihnen um Leben und Tod geht: „Nota bene: In sämtlichen öffentlich verfügbaren pizzini von Provenzano kommt das Verb ammazzare (töten) oder das sizilianische astutare (auslöschen,

ausknipsen)

bzw.

die

Synonyme

uccidere,

assassinare,

sopprimere (umbringen, morden, aus dem Weg schaffen) kein einziges Mal vor.“20

17 Dickie, John (2006): Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 31. 18 Ebd. S. 274-275. 19 Vgl. Camilleri, Andrea (2009): M wie Mafia. Hamburg: Kindler, S. 36. 20 A. Camilleri 2009, S. 164.

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Damit tendiert der explizite Inhalt von Provenzanos Nachrichten gegen Null. Die hysterische Frage aber, was er damit meinen könnte, stellt sich nur umso stärker. Die oberflächliche Bedeutungslosigkeit der Nachrichten impliziert, dass sich hinter ihnen ganz Gewichtiges verbergen muss. Dieser Effekt wird dadurch noch verstärkt, dass sich Provenzano selbst immer wieder als einen darstellt, der nicht Befehle erteilt, sondern selber von den Ratschlägen, Meinungen und Wünschen der anderen abhängig sei: „Demutsbekundungen finden sich in den Mitteilungen von Provenzano extrem häufig. Auf geradezu manische Weise hat er jede sich bietende Gelegenheit benutzt, den anderen Mafia-Chefs zu zeigen, dass er seine Macht als Boss der Bosse nicht wie ein absolutistischer Kommandant oder Diktator wollte [...] sondern als primus inter pares zu handeln beabsichtigte, als Gleicher unter Gleichen. [...] Provenzano schrieb also Sätze wie diese: ‚Mit Gottes Hilfe will ich ein Diener sein; sagt mir, was zu tun ist, und in Ruhe und Ergebenheit wollen wir, wenn möglich, die Dinge vorantreiben [...] der ich geboren bin, zu dienen..?‘“21

Mag der Boss Provenzano auch all seinen Untergebenen als jener große Andere erscheinen, der sie mit seinen obskuren Wünschen hysterisiert, so geriert sich dieser selbst als bloßer Diener. Der große Andere existiert gar nicht als Person, sondern besteht in der mafiösen Struktur selbst, die alle gleichermaßen, selbst den Boss der Bosse, hysterisch macht. Diese Einsicht in die hysterische Struktur der Mafia vermag auch auf Studien wie etwa Simon Winlows Badfellas: Crime, Tradition and New Masculinities ein neues, unerwartetes Licht zu werfen. 22 Der britische Soziologe untersucht darin die Konstruktionen von Männlichkeit bei Mitgliedern der Arbeiterklasse im Nordosten Englands. Aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit der Möglichkeiten beraubt, sich als Mann zu beweisen, zelebrieren diese ihre Männlichkeit mit Vorliebe in der Halblegalität, etwa als gewalttätiger Türsteher mit Beziehungen zur Unterwelt. Das organisierte Verbrechen wird von diesen Männern offensichtlich als

21 Ebd. S. 35. 22 Winlow, Simon (2001): Badfellas: Crime, Tradition and New Masculinities, Oxford: Berg Publishers.

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letzte Bastion eines klaren männlichen Rollenverständnisses wahrgenommen. Dabei grassieren gerade hier die Neurosen der Männer.

H YSTERIC F ELLAS So birgt bereits der Titel von Winlows Buch eine ungewollte Ironie: Mit dem Begriff Badfellas wird offensichtlich auf den Film GoodFellas (USA 1990) von Martin Scorsese angespielt. Die Mafiosi, welche Scorsese portraitiert, und deren Lifestyle dienen also gleichsam als Vorbild selbstbewusster Männlichkeit. Doch wer Scorseses Film genau anschaut, wird sehen, dass es ihm gerade darum geht aufzudecken, inwiefern der in der Mafia zelebrierte Machismo nur eine Maskerade darstellt, hinter der sich die Neurose verbirgt. Martin Scorseses Interesse an der männlichen Hysterie hat offensichtlich Methode. Tatsächlich wimmelt es in seinem Oeuvre nur so von hysterischen Männern. Da wären der schüchterne Programmierer Paul in After Hours (USA 1985), der von mordlustigen Frauen gejagt durch das New Yorker Stadtviertel Soho hetzt, der überforderte Anwalt Sam in Cape Fear (USA 1991), welcher unversehens von einem ehemaligen Klienten behelligt wird und natürlich der wohl offensichtlichste von Scorseses Hysterikern, der gehemmte Newland Archer aus der Edith Wharton-Verfilmung The Age of Innocence (USA 1993), der vor einer außerehelichen Affäre zurückschreckt. Sie alle quält die Frage, was die andern von ihnen wollen und welche Bedeutung das für ihren Status als Mann darstellt. Und wer erinnert sich nicht an Robert de Niro in der Rolle des Travis Bickle aus Taxi Driver (USA 1976), wie er vor dem Spiegel seine Pistole zückt, und sich selbst fragt: „Are you talking to me?“ – auch das eine der möglichen Übersetzungen von „Che vuoi?“. 23 Selbst Scorseses The Last Temptation of Christ (USA 1988) dreht sich – wie Slavoj Žižek argumentiert hat – um

23 Die Tatsache, dass es hier das Subjekt selbst ist, welches sich die neurotische Frage stellt, deutet indes darauf hin, dass wir uns hier bereits jenseits der Neurose befinden, im Bereich der Psychose: Der Andere, der einen mit seinem rätselhaften Begehren konfrontieren würde, fehlt hier, ist dysfunktional. An dessen Stelle muss Travis Bickle selbst die Rolle Anderen einnehmen. In dieser fehlenden Differenzierung zwischen Subjekt und Anderem ließe sich das Merkmal der Psychose erkennen.

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nichts Geringeres als die radikale Hysterisierung des Heilands, der sich unablässig fragt: „Was will dieser Gott von mir? Was sieht dieser Gott in mir, das mich zum Erlöser machen soll?“24 Was den zweifelnden Christus am Kreuz plagt, treibt auch die Mafiosi aus dem Film Mean Streets (1973) um. Dass zwischen der Passion Christi und dem Alltag des Mafioso eine Analogie besteht, zeigt sich bereits in jener Dialogzeile, die zur Tagline von Mean Streets wurde: „You don’t make up for your sins in church. You do it in the streets.“ Wie Christus reibt sich auch der Protagonist aus Mean Streets, der Kleinganove Charlie, am großen Anderen und seinem rätselhaften Begehren auf. Nur ist es hier nicht Gott, sondern sein ‚Capo‘ (einfache Anführungszeichen?), der lokale Unterweltboss, den er zu ergründen versucht. Sprechend ist dabei jene Szene, in der Charlie von seinem Capo Anweisungen erhält. Dieser erzählt munter Anekdoten, schwadroniert und macht Andeutungen darüber, mit welchen Personen sich Charlie nicht einlassen solle. Doch was der Capo genau von Charlie will, welches Verhalten er von ihm erwartet, bleibt vollkommen diffus, verklausuliert in ebenso banalen Grundsätzen wie „Die Andern sind nicht wie wir“ oder „Ehrenmänner verkehren nur mit Ehrenmännern“. Auch der Ratschlag an den Schützling: „Lass Dich auf nichts ein“, wird vom Capo in aller Freundlichkeit ausgesprochen und doch weiß Charlie, dass sich dahinter auch eine lebensgefährliche Drohung verstecken kann. Am Ende des Gesprächs wird er unter offenkundig fadenscheinigen Gründen fortgeschickt und während er auf die Kamera zugeht hören wir noch, wie der Mafiaboss mit seinem direkten Untergebenen über Charlie zu reden beginnt (Abb. 4): „Charlie e un bravo ragazzo. Ha bisogno di tanti consigli...“ – „Charlie ist ein guter Junge. Er braucht Führung...“ Ein Blick in Charlies steinernes Gesicht verrät, dass er weiß, als wie gefährlich sich diese banalen Anfangssätze dereinst erweisen könnten. Die weiteren Worte aber, in denen sich möglicherweise Charlies Zukunft entscheidet, hören er und wir Zuschauer schon nicht mehr. „Che vuoi?“ – die Frage steht Charlie ins Gesicht geschrieben. Die Frage nach jenem unhörbaren Rest, den man ahnen, aber nicht wissen kann. Dieser nie aufzuhebende Rest an Nichtwissen ist es, um den das Begehren kreist. In diesem Kreisen aber liegt auch sein unwiderstehli-

24 S. Žižek 1989, S. 114.

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cher Reiz. Denn ließe sich das Ziel des Begehrens erreichen, wäre damit nichts gewonnen, sondern alles verloren. Befriedigung zerstört das Begehren, denn man kann nicht begehren, was man bereits hat. Der Hysteriker stellt dieses Dilemma des Begehrens zur Schau, zelebriert es. Der Hysteriker will das Begehren nie aufgeben: was er begehrt, ist das Begehren selber. Mag er auch unter dem Unbefriedigtsein leiden, fürchtet er die Aussicht auf Befriedigung des Begehrens, welche diesem ein Ende machen würde, doch noch viel mehr. So definiert auch Lacan den Hysteriker als jenen, bei dem „das Begehren sich [...] nur durch Nichtbefriedigung aufrecht erhalten kann“.25 Wiederum zeigen die Mafiafilme Scorseses diese hysterische Logik eines Begehrens, das nie an ein Ende gelangen will und immer weiter geht, besonders schön. Am treffendsten zeigt sich diese hysterische Logik in jener Szene aus GoodFellas (USA 1990), in welcher der Gangster Henry Hill seine Freundin auf der Bahn seines Begehrens spazieren führt: Der Gangster will mit seiner Begleitung den exklusiven New Yorker Nachtklub „Copacabana“ besuchen, vor dem bereits eine lange Schlange von Menschen steht. Doch anstatt sich einzureihen, geht Henry mit seiner Partnerin quer durch die wartenden Menschen, steigt eine Treppe hinab, geht durch den Hintereingang, läuft durch lange Gänge, durchquert die große Küche, bis er schließlich im Restaurant ankommt, wo man auch gleich einen Tisch für ihn bringt, der direkt vor der Bühne platziert wird (Abb. 3 & 4). 3. Standbild aus Good Fellas

4. Standbild aus Good Fellas

Quelle: Privatarchiv Johannes Binotto Gedreht wurde diese dreiminütige Sequenz ohne einen einzigen Schnitt, was sie zu einem der aufwändigsten und eindrücklichsten

25 J. Lacan: „Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freudschen Unbewussten“, in: Ders. 1991, S. 201.

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Momente der Filmgeschichte macht.26 Selten wurde der Reiz der Mafia so aufregend gezeigt wie hier: Als Versprechen, dass man überall hinkommt, alles kriegt, selbst den besten Platz in jenem Ort, wo alle andern vergeblich hinwollen. Die Szene ist buchstäblich eine VerFührung in eine Welt, die – wie Lesley Stern bestätigt – nichts ist als Raum gewordenes, obsessives Begehren.27 Man könnte gar behaupten, Scorsese habe mit seiner Sequenz gleichsam eine Verräumlichung von Lacans „graphe du désir“ inszeniert (Abb. 5): 5. Schema der Nachtklub-Sequenz aus Good Fellas

Statt sich wie die andern Gäste den symbolischen Verhaltensregeln zu fügen und sich in die Warteschlange einzuordnen, benutzt der Mafioso einen anderen Eingang. So gehe es schneller, sagt er, aber zugleich macht er einen riesigen Umweg. In diesem schwungvollen, nicht enden wollenden Umweg selbst aber liegt der ganze Reiz, so macht die Sequenz klar. Gelangt man nämlich ans Ziel, ist der Zauber sogleich

26 Zu den Entstehungsbedingungen dieser fulminanten Sequenz halte man sich an die Erläuterungen von Scorseses Kameramann Michael Ballhaus in: Ballhaus, Michael/Tykwer, Tom (2002): Das Fliegende Auge. Michael Ballhaus, Director of Photography im Gespräch mit Tom Tykwer, Berlin: Berlin Verlag, S. 161-163. 27 Vgl. Stern, Lesley (1995): The Scorsese Connection, London: BFI, S. 9.

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dahin. Es ist darum auch sprechend, dass unmittelbar auf diese Szene ein Überfall Henrys auf den Flughafen folgt. Wiederum ist die Art und Weise, wie Scorsese den Übergang von Szene zu Szene inszeniert, von größter Bedeutung: Während wir uns auf der Tonspur noch immer im Club befinden und zuhören können, wie auf der Bühne der Entertainer Henny Youngmen seine Witze reißt, ist das Bild bereits wieder woanders, an einem anderen Schauplatz. Die Bahn des Begehrens hat nur kurz Halt gemacht am Tischchen im Copacabana. Nun strebt sie bereits weiter. Das hysterische Begehren, nach dessen Pfeife die Mafia tanzt, hält nie an. So mündet es unweigerlich in den Exzess: Im Laufe des Films konsumieren die Mafiosi immer mehr von allem, doch nur, um es immer schneller als jenes „Das ist es nicht“ verwerfen zu können: Mehr Geld, mehr Waffen, mehr Drogen, mehr Hysterie – bis hin zur totalen psychischen Zerrüttung. Eine Sequenz gegen Ende von GoodFellas widerspiegelt diese heißlaufende Hysterie, wenn Henry Hill am selben Tag seinen Bruder vom Flughafen abholt, zu Hause Tomatensauce kocht, bei seiner Geliebten Drogen verschneidet, sich selber zudröhnt, herumfährt, um Waffen zu verschieben, im Krankenhaus etwas gegen seinen Trip verschrieben bekommt und dazwischen immer wieder vor die Tür rennt, um nachzuschauen, ob bereits die Polizei im Anmarsch ist. „Che vuoi? – Willst Du mir Gutes oder Böses?“ So hat sich der Mafioso bei allem und jedem zu fragen, bei dem Polizeihubschrauber am Himmel, dem Gangster im Morgenmantel, der ihm die Waffen nicht abkaufen will, dem um ihn herumtänzelnden Drogendealer, dem besorgten Arzt, bei der Familie – ein wahrer Exzess der Hysterie. Dabei wird die Filmsprache selbst hysterisch.28 Die ehemalige Eleganz, mit welcher die Kamera der Bahn des Begehrens entlangläuft, ist nun einer hektischen und fahrigen Bildführung der Handkamera gewichen. Und der Soundtrack – bei Scorsese immer ein virtuoser Kommentar zum Filmgeschehen – springt hastig von Song zu Song ohne zu verweilen. „Che vuoi? – Wo will der Film mit uns hin?“, so fragen sich auch die Zuschauer.

28 Siehe dazu auch: Thompson, David/Christie, Ian (Hrsg.) (1996): Scorsese über Scorsese, Frankfurt a.M.: Verlag der Autoren, S. 228-229.

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S TILLSTAND – T OD Natürlich ist es unvermeidlich, dass diese andauernden Extratouren des Begehrens irgendwann an einen buchstäblich toten Punkt gelangen müssen. Früher oder später muss die Situation eintreten, in der die hysterische Frage des „Che vuoi?“ eine Antwort erhält. In Lacans „graphe du désir“ führen die Pfeile des „Che vuoi?“ zum Phantasma. Das Phantasma dient dabei dazu, den auf die Dauer unerträglichen Leerlauf des Begehrens zu stoppen und die Leere, um welche es kreist (zumindest temporär) zu stopfen. Das Phantasma ist also gleichsam ein Schutzschirm vor jenem Abgrund, auf welche das irr kreisende Begehren sonst hinauslaufen würde. Interessanterweise vergleicht Lacan das Phantasma an einer Stelle mit der Filmtechnik des Freeze-Frame, in welcher das laufende Bild angehalten wird und zum Standbild gefriert: „Stellen Sie sich vor, wie eine kinematographische Bewegung, in raschem Ablauf begriffen, plötzlich an einer Stelle angehalten wird und dabei alle Figuren erstarren. Dieses Augenblickliche ist bezeichnend für die Reduktion der vollen, von Subjekt zu Subjekt artikulierten Szene auf das, was stillgestellt wird in der Phantasie.“29

Obwohl ohne Kenntnis von Lacans Vergleich, inszeniert auch Scorsese jenen Moment am Ende des Films, in dem das Begehren zum Stillstand kommt, analog mit einem Freeze-Frame. Es ist der Moment, in dem unser Protagonist erkennt, dass er aus der Mafia und ihrer hysterischen Struktur aussteigen muss, weil er sonst umgebracht wird: Henry Hill sitzt mit seinem ehemaligen Freund, dem von Robert de Niro gespielten Gangster Jimmy, bei einem Diner und erhält von diesem den Auftrag, in Florida jemanden im Auftrag der Mafia zu töten. Während Henry ganz leger und ohne jedes Zeichen von Anspannung erklärt, das mache ihm gar nichts aus, stoppt der Film. Die Einstellungen auf die Gesichter der beiden Gangster gefrieren zu Freeze-Frames (Abb. 6 & 7) und aus dem Off hören wir Henry’s Gedanken: „Jimmy had never asked me to whack somebody before. But now he’s asking me to go to Florida and do a hit with Anthony. That’s when I knew I would never have come back from Florida alive.“

29 J. Lacan 1956-1957, S. 139.

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6. Standbild aus Good Fellas

7. Standbild aus Good Fellas

Quelle: Privatarchiv Johannes Binotto Für Henry Hill ist es nun keine Frage mehr, was der andere will. Er weiß es. Scorsese zeigt dieses Ende der Hysterie, ihre Sackgasse auch formal als einen toten Punkt: Der Film hält an, stoppt unmittelbar vor der grausigen Erkenntnis, dass auf den hysterischen Mafioso nur noch der Tod wartet. Nicht zufällig ist dies formal das exakte Gegenteil jener eleganten Kamerafahrt durch den Nachtclub Copacabana. Die scheinbar endlose Kreisbewegung des Begehrens wird stillgelegt. Die Freeze-Frames signalisieren jenes letzte Innehalten, ein letztes Zögern, ehe sich die Erkenntnis Bahn bricht, auf welch grausiges Ende der Mafioso zusteuert. Sie sind der letzte phantasmatische Schutzschirm vor der Einsicht ins eigene Verderben. Doch wenn sich hinter der Schutzdichtung des Freeze-Frames der Tod verbirgt, so ist damit ein doppelter Tod gemeint. Denn was die hysterischen Mafiosi von Scorsese erwartet, ist nicht nur die körperliche Auslöschung, sondern eine vielleicht noch tragischere: der Tod ihres Begehrens. Seinen früheren Kumpanen kann der Aussteiger aus der Mafia vielleicht entfliehen, nicht aber der bitteren Erkenntnis, dass jenes ,mehr als Alles‘, dem er Zeit seines Lebens nachgejagt ist, für immer verloren ist. Gewiss zeichnet sich das Begehren dadurch aus, dass ihm kein Objekt genügen kann, dass es immer unbefriedigt bleiben muss; und doch muss der exzessiv begehrende Hysteriker daran glauben, dass es dereinst zu haben ist. Das bleibt sein Antrieb. Erkennt er wahrhaftig die Vergeblichkeit seines Tuns, dann ist es auch mit dem Begehren und damit mit ihm selbst zu Ende. Dies erklärt denn auch die eigenartige Melancholie am Ende von Scorseses Mafiafilmen: So schrecklich die Mafia auch war und so fatal das in ihr geschürte Begehren nach immer mehr, so zerrüttend die dabei entstehende Hysterie der Männer – all das ist doch noch jener traurigen Einsicht vorzuziehen, dass alles vergeblich war.

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„And now it’s all over. That’s the hardest part. Today everything is different. There’s no action. I have to wait around like everyone else. Can’t even get decent food. After I got here I ordered spaghetti with marinara sauce... and I got egg noodles with ketchup. I’m an average nobody. I get to live the rest of my life like a schnook.“

Dies sind die letzten Sätze, die der Protagonist Henry Hill spricht, während er vor seinem Haus steht, den Fängen der Mafia entronnen und doch verloren (Abb. 8). Danach Schnitt auf eine Vision: den Killer Tommy, ein früherer Spießgeselle Henrys, wie dieser alle sechs Kugeln seines Revolvers frontal in die Kamera schießt. (Abb. 9) 8. Standbild aus Good Fellas

9. Standbild aus Good Fellas

Quelle: Privatarchiv Johannes Binotto „Magst Du uns auch entkommen sein, Du bist toter als tot“ – so scheinen uns diese letzten Bilder zu sagen. Das zügellose Begehren der Mafia, das nicht mehr auszuhalten war, hat er eingetauscht gegen die schale Existenz eines lebenden Toten. Der Preis für den Ausstieg aus der Hysterie ist hoch, zu hoch möglicherweise. So gibt auch der späte Lacan den Analytikern zu bedenken, dass man in der Analyse der Neurosen nicht zu weit gehen möge. Wenn man es nämlich schafft, alle Symptome aufzulösen und dem Patienten an Stelle seines hysterischen Fragens nach jenem unerreichbaren Rest ein Wissen um die Vergeblichkeit des Begehrens einzuhämmern, dann hat der Analytiker seine Arbeit zu gut getan.30 Er hat 30 „Ce qui est appelé un symptôme névrotique est simplement quelque chose qui leur permet de vivre. Ils vivent une vie difficile et nous essayons d’alléger leur inconfort. Parfois nous leur donnons le sentiment qu’ils sont normaux. Dieu merci, nous ne les rendons pas assez normaux pour qu’ils finissent psychotiques. C’est le point où nous avons à être très prudents. Certains d’entre eux ont réellement la vocation de pousser les choses à leur lim-

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das Begehren des Subjekts zerstört und damit auch das Subjekt selbst.31 Das ist die grausame Alternative, welche die Männer der Mafia klarer durchschauen als irgendjemand sonst: Hysterisch oder tot? Che vuoi?

ite.“ Lacan, Jacques (1976): „Conférences et entretiens dans l’universités nord-américaines“, in: Scilicet 6/7, S. 5-63, S. 15. 31 Das ist auch Freuds Argument in seinem Aufsatz Die endliche und die unendliche Analyse, wenn er vom „großen Rätsel der Geschlechtlichkeit“ als „gewachsenem Fels“ spricht, den die analytische Kur als ihre Grenze, als letzten Rest an hysterisierend Rätselhaftem zu bewahren habe. Vgl. Freud, Sigmund (1950): „Die endliche und die unendliche Analyse“, in: Ders., Gesammelte Werke. Bd. 16, Frankfurt a. M.: Fischer, S. 57-99, S. 99.

Autorinnen und Autoren

Binotto, Johannes ist wissenschaftlicher Assistent am Englischen Seminar der Universität Zürich und schreibt als freier Autor u.a. für die Neue Zürcher Zeitung und die Zeitschrift Filmbulletin. Er unterrichtet zudem zum Thema Film und Psychoanalyse am Zürcher Lacan Seminar sowie an der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Johannes Binotto hat mit einer Studie zum Freudschen Unheimlichen und dessen räumlicher Repräsentation in Bildender Kunst, Literatur und Film promoviert. (Homepage: www.binotto.ch/johannes) Gsell, Monika ist Psychoanalytikerin in eigener Praxis und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Gender Studies an der Universität Zürich. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Die psychische Bedeutung von Männlichkeit und Weiblichkeit; Repräsentation von Sexualität in Literatur, Film und Kunst; Eingriffe in den menschlichen Genitalbereich aus interkultureller und psychoanalytischer Perspektive. Hearn, Jeff is Professor of Gender Studies (Critical Studies on Men) at the Linköping University Sweden and Professor of Sociology at the University of Huddersfield, UK, and Professor at the Hanken School of Economics, Finland. An elected UK Academician (AcSS) in the Social Sciences, his research focuses on men, gender, sexuality, violence, organizations, and transnationalisation. His most recent books are Sex, Violence and the Body (2008), Managers Talk About Gender (2009), and The Limits of Gendered Citizenship (2011). Herrmann, Britta ist akademische Oberrätin auf Zeit am Institut für Deutsche Philologie der LMU München. Unter anderem ist sie Mitherausgeberin des Bandes Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte

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der Männlichkeit (1997). Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Literatur- und Medientheorien, Kulturwissenschaft(en)/Cultural Studies, Wechselwirkungen zwischen Naturwissenschaften, Technik und Literatur um 1800, Poetikgeschichte und Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Horlacher, Stefan ist Professor für Englische Literaturwissenschaft an der TU Dresden. Studien- und Forschungsaufenthalte führten ihn an die Universitäten Mannheim, Strathclyde, Paris IV, Western Illinois, Cornell, Kent State University und EFLU Hyderabad. Monographien: Visualität und Visualitätskritik im Werk von John Fowles (1998); Masculinities: Konzeptionen von Männlichkeit im Werk von Thomas Hardy und D.H. Lawrence (2006). Aktuelle Herausgeberschaften: Literatur und Lebenskunst (2008); Gender and Laughter (2009); Taboo and Transgression in British Literature from the Renaissance to the Present (2010); „Wann ist die Frau eine Frau?“ – „Wann ist der Mann ein Mann?“ Konstruktionen von Geschlechtlichkeit von der Antike bis ins 21. Jahrhundert (2010); Constructions of Masculinity in British Literature from the Middle Ages to the Present (im Erscheinen). Kucklick, Christoph hat in Hamburg, Washington D.C. und Berlin Soziologie, Politik- und Kulturwissenschaften studiert und mit einer Arbeit über die Negative Andrologie an der Humboldt-Universität promoviert. Zuletzt war er mehrere Jahre in der Chefredaktion des GEOMagazins und arbeitet jetzt als freier Publizist und Berater in Berlin. Läubli, Martina promoviert an der Universität Zürich in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft. Ihr Dissertationsprojekt untersucht Subjektivität, Körper und Selbst-Erschreibung bei JeanJacques Rousseau, Karl Philipp Moritz und W.G. Sebald. Sie ist Mitglied des Graduiertenkollegs Gender Studies der Universität Zürich 2008-2011 Körper, Selbsttechnologien, Geschlecht: EntgrenzungenBegrenzungen. Loren, Scott lectures in Film and Visual Culture Studies at the University of St. Gallen, and English Language and Literature at the Universtiy of Teacher Education, St. Gallen. Together with Jörg Metelmann, he is currently co-managing the Visual Culture Studies project

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UND

A UTOREN

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Aesthetics of Irritation in affiliation with the Institute for Media and Communication Management and the research cluster Cultures, Institutions, Markets at the University of St. Gallen. Ochsner, Andrea teaches Literature and Cultural Studies at the University of Basel. She mainly specializes in the study of British culture, focusing both on literature and popular culture. She is particularly interested in the notion of class and gender, and her current research project is concerned with the representation of the British working class from the late 1960s until the present day. She is the author of Lad Trouble. Masculinity and Identity in the British Male Confessional Novel and the co-editor of Moment to Monument. The Making and Unmaking of Cultural Significance (both published 2009). Rainbow, Adrian has been working as a lecturer at the University of Zurich since February 2009. His Habilitation project is titled Ecocriticism and the Canadian Visionaries. He holds a BA in English Literature and Philosophy from the University of British Columbia, an MA (English - Critical Theory) and a PhD (English) from the University of Exeter. His dissertation The Poetics of Emancipation: Critical Pedagogy, Radical Aesthetics and Contemporary Fiction, analyses the political and pedagogical function of literature in anti-consumerist discourses. His other research interests focus on the crisis of masculinity in contemporary fiction, and violence and trauma in the fiction of J.G. Ballard. Rizzolli, Michaela studierte Erziehungswissenschaften an der LFU Innsbruck. Für ihre Diplomarbeit zu World of Warcraft als vergeschlechtlichte Welt erhielt sie den Förderpreis der Südtiroler Landesverwaltung für Diplomarbeiten und Dissertationen im Bereich Chancengleichheit. Im Rahmen ihrer Dissertation am Institut für Erziehungswissenschaften an der LFU Innsbruck erforscht sie die materielle Kultur in MMORPGs. Sahli, Sabrina promoviert an der Universität Zürich in Amerikanischer Literaturwissenschaft. In ihrem Dissertationsprojekt untersucht sie das Konzept des American Dream im amerikanischen Roman und verbindet ihn mit Stanley Cavells Verständnis des moral perfectionism bei R.W. Emerson und der Lacanschen Konzeption von Perversion.

306 | M ÄNNLICHKEITEN DENKEN

Sie ist Mitglied des Graduiertenkollegs Gender Studies der Universität Zürich 2008-2011 Körper, Selbsttechnologien, Geschlecht: Entgrenzungen-Begrenzungen. Steiner, Enit K. schrieb ihre Dissertation Jane Austen and the Civilized Woman: Moral Development and Gender an der Universität Zürich und der University of California, Los Angeles (UCLA). Sie ist Assistentin am Englischen Seminar und Mitglied des Graduiertenkollegs Gender Studies der Universität Zürich 2008-2011 Körper, Selbsttechnologien, Geschlecht: Entgrenzungen-Begrenzungen. Ihre albanische Übersetzung von Jane Austen’s Pride and Prejudice gewann die Ada-Editing-House Auszeichnung. Zurzeit ediert und annotiert sie den Roman The History of Julia Mandeville von Frances Brooke (1763), der bei Pickering & Chatto erscheinen wird.

Gender Studies Dorett Funcke, Petra Thorn (Hg.) Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform 2010, 498 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1073-4

Udo Gerheim Die Produktion des Freiers Macht im Feld der Prostitution. Eine soziologische Studie August 2011, ca. 338 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1758-0

Stefan Krammer, Marion Löffler, Martin Weidinger (Hg.) Staat in Unordnung? Geschlechterperspektiven auf Deutschland und Österreich zwischen den Weltkriegen November 2011, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1802-0

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Gender Studies Ralph J. Poole Gefährliche Maskulinitäten Subversive Blicke auf Männlichkeit am Rande der Kulturen August 2011, ca. 280 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1767-2

Julia Reuter Geschlecht und Körper Studien zur Materialität und Inszenierung gesellschaftlicher Wirklichkeit Juli 2011, 252 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1526-5

Elli Scambor, Fränk Zimmer (Hg.) Die intersektionelle Stadt Geschlechterforschung und Medienkunst an den Achsen der Ungleichheit August 2011, ca. 170 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1415-2

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Gender Studies Kerstin Bronner Grenzenlos normal? Aushandlungen von Gender aus handlungspraktischer und biografischer Perspektive

Gerlinde Mauerer (Hg.) Frauengesundheit in Theorie und Praxis Feministische Perspektiven in den Gesundheitswissenschaften

Januar 2011, 274 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1643-9

2010, 240 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1461-9

Mart Busche, Laura Maikowski, Ines Pohlkamp, Ellen Wesemüller (Hg.) Feministische Mädchenarbeit weiterdenken Zur Aktualität einer bildungspolitischen Praxis

Hanna Meissner Jenseits des autonomen Subjekts Zur gesellschaftlichen Konstitution von Handlungsfähigkeit im Anschluss an Butler, Foucault und Marx

2010, 330 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1383-4

2010, 306 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1381-0

Andreas Heilmann Normalität auf Bewährung Outings in der Politik und die Konstruktion homosexueller Männlichkeit

Uta Schirmer Geschlecht anders gestalten Drag Kinging, geschlechtliche Selbstverhältnisse und Wirklichkeiten

Januar 2011, 354 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1606-4

2010, 438 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1345-2

Katharina Knüttel, Martin Seeliger (Hg.) Intersektionalität und Kulturindustrie Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen

Barbara Schütze Neo-Essentialismus in der Gender-Debatte Transsexualismus als Schattendiskurs pädagogischer Geschlechterforschung

März 2011, 288 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1494-7

Doris Leibetseder Queere Tracks Subversive Strategien in der Rock- und Popmusik 2010, 340 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1193-9

2010, 272 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1276-9

Nadine Teuber Das Geschlecht der Depression »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« in der Konzeptualisierung depressiver Störungen Mai 2011, 324 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1753-5

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