Heidegger und das Denken der Technik [1. Aufl.] 9783839408407

Wie kein anderer Philosoph vor oder nach ihm thematisierte Heidegger die metaphysischen Denkschemata, die der abendländi

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German Pages 152 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
1. Die Versiegelung der Lebenswelt
2. Aus der Geschichte der Philosophie der Technik
2.1 Technisierung und die Natur des Menschen
2.2 Der Himmel auf Erden
2.3 Technikphilosophie und Anthropologie
3. Wie man über den Hammer philosophiert
3.1 Vom Zeug zum Ding
3.2 Zeichen
3.3 Vom Ding zum Zeug
4. Die stille Kraft des Möglichen
4.1 Fundamentalontologie als Anti-Anthropologie
4.2 »Heil Heidegger!«
4.3 Yorck, Dilthey und die Seinsfrage
4.4 Sorge, Eigentlichkeit, Zeitlichkeit
4.5 Ein verkürzter Begriff von Endlichkeit
5. Technik und Wissenschaft
5.1 Der Satz vom Grund
5.2 Heidegger liest Aristoteles
5.3 Energie und Bestand
6. Kunst und Technik
6.1 Die neuen und die alten Dinge
6.2 Dinge und Werke
6.3 Erde, Welt und das Rettende der Kunst
7. Bewirken, Vollbringen und die Gelassenheit
Literatur
Siglenauflösung
Schriften Martin Heideggers
Schriften anderer Autoren
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Heidegger und das Denken der Technik [1. Aufl.]
 9783839408407

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Andreas Luckner Heidegger und das Denken der Technik

2008-01-15 15-38-35 --- Projekt: T840.typo.edimopo.luckner / Dokument: FAX ID 030c168367375000|(S.

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Andreas Luckner (Prof. Dr. phil.) lehrt Philosophie an der Universität Stuttgart. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte betreffen Fragen der Philosophie der Praxis, der Technik, der Zeit und der Musik.

2008-01-15 15-38-35 --- Projekt: T840.typo.edimopo.luckner / Dokument: FAX ID 030c168367375000|(S.

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Andreas Luckner

Heidegger und das Denken der Technik

2008-01-15 15-38-36 --- Projekt: T840.typo.edimopo.luckner / Dokument: FAX ID 030c168367375000|(S.

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2008 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Satz: Alexander Masch, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-840-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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Inhalt Vor wor t 

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1. Die Ver siegelung der Lebenswelt 

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2. Aus 2.1 2.2 2.3

der Geschichte der Philosophie der Technik  Technisierung und die Natur des Menschen  Der Himmel auf Erden  Technikphilosophie und Anthropologie 

3. Wie 3.1 3.2 3.3

man über den Hammer philosophier t  Vom Zeug zum Ding  Zeichen  Vom Ding zum Zeug 





















5. Technik und Wissenschaf t  5.1 Der Satz vom Grund  5.2 Heidegger liest Aristoteles  5.3 Energie und Bestand 

  23   24   29   34   43   46   52   54





4. Die stille Kraf t des Möglichen  4.1 Fundamentalontologie als Anti-Anthropologie  4.2 »Heil Heidegger!«  4.3 Yorck, Dilthey und die Seinsfrage  4.4 Sorge, Eigentlichkeit, Zeitlichkeit  4.5 Ein verkürzter Begriff von Endlichkeit 





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6. Kunst und Technik  6.1 Die neuen und die alten Dinge  6.2 Dinge und Werke  6.3 Erde, Welt und das Rettende der Kunst  







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7. Bewirken, Vollbringen und die Gelassenheit  Literatur  Siglenauflösung  Schriften Martin Heideggers  Schriften anderer Autoren  









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Vor wor t

»Heidegger und das Denken der Technik« ist mit Absicht doppeldeutig. Zunächst einmal geht es in diesem Buch darum, eine plastische, anschauliche Darstellung dessen zu geben, was Heidegger über Technik gedacht und geschrieben hat: Heideggers Denken über Technik. Andererseits aber ist das, was Heidegger in der modernen Technik am Werke sah, eine ganz bestimmte Art des Denkens, die er unter dem Titel ›Metaphysik‹ ansprach und zu explizieren versuchte, als eine bestimmte Denkweise, die der Technik innewohnt. Diese Denkweise ist es nach Heidegger auch, welche zunehmend gefährlich alle Bereiche des Lebens bestimmt. Es ist das Denken in Ressourcen und Beständen, das Denken in Strategien des Verfügbarmachens, aber auch das Denken im Sinne der Nachhaltigkeit, der Erweiterung und des Schutzes des Bestandes an Handlungsmöglichkeiten für eine sich immer weiter entwickelnde Menschheit. Der Ariadnefaden dieses Buches, anhand dessen wir uns in das Labyrinth des heideggerschen Textkorpus wagen, ist die These, dass mit dem Technisierungsprozess der abendländischen Kultur, die seit ihrem Anbeginn die Tendenz zur Globalisierung hatte und sich heutzutage in konsequenter Weise zu erfüllen scheint, die Tilgung des selbstständigen Charakters der Dinge der Welt einhergeht. Vor allem aus Heideggers »Der Ursprung des Kunstwerks« von 1935, der auf einer werk­biographischen Wasserscheide steht, lässt sich diese These entwickeln. Aus dem Blickwinkel dieses Aufsatzes, der bislang viel zu wenig für die Rekonstruktion des heideggerschen Denkens der Technik herangezogen wurde, wird zweierlei sichtbar: Einerseits erscheinen die Analysen prototechnischer Umgangsweisen aus den existential­ontologischen Untersuchungen von Sein und Zeit auf einmal äußerst relevant für die Philosophie der Technik – und damit der frühe und früheste

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Heidegger schon als ein Technikphilosoph; andererseits wird es vom Denken der Kunst aus möglich, die Spezifik der Technikauffassung des späten Heideggers zu klären. Indem die Kunst versucht, die Dinge in ihrer Selbstständigkeit hervortreten zu lassen, in ihrer Unverfügbarkeit, ist sie nicht einfach nur ein Korrektiv der hegemonialen technomorphen Denkweise, sondern allererst der Bereich, indem diese Denkweise identifiziert werden kann. Die Selbsterkenntnis des Denkens der Technik ist der erste Schritt zur Auflösung seiner Herrschaft. Von den vielen Menschen, denen ich dafür danken möchte, zur Entstehung dieses Buches beigetragen zu haben, will ich vor allen anderen Christoph Hubig nennen, unter dessen Leitung ich das von der DFG finanzierte Projekt »Philosophie des Mittelgebrauchs« an der Universität Stuttgart bearbeiten konnte. Auch den Teilnehmern des Graduierten­kollo­quiums des Instituts für Philosophie der Universität Stuttgart, vor allem Peter Fischer, Niels GottschalkMazouz und Nadia Mazouz, danke ich für die Jahre währende Aufmerksamkeit. Den Teilnehmern des von Christoph Hubig, Nadia Mazouz und mir veranstalteten Workshops zum Thema »Handeln und Technik«, der im Oktober 2004 an der Universität Stuttgart stattfand, verdanke ich ebenfalls viele wertvolle Hinweise. Dem transcript-Verlag danke ich für die Aufnahme des Buches in seine Reihe »panta rei«.

Stuttgart und Leipzig, im September 2007

1. Die Versiegelung der Lebenswelt

Den Wasserhahn aufdrehen, um Wasser für den Morgenkaffee zu fassen: Welch ein gigantisches System wird damit im selben Moment in Gang gebracht, das Rohrnetz von Zu- und Abwasser, die Wasserwerke, Filter- und Kläranlagen, bis hin zu Staudämmen, Wassertürmen oder anderen Wasservorhaltetechniken. Den Schalter der Kaffeemaschine umlegen bedeutet Ähnliches: Damit der Apparat seinen Dienst tun kann, ist nicht nur seine interne Funktionsfähigkeit Voraussetzung, sondern auch die Existenz von Kraftwerken und -anlagen, Umspannwerken, von tausenden und abertausenden Kilometern Kabeln, von Energieversorgungs­ unternehmen, die dieses System warten und in Gang und Stand halten, Technologien des Kraftanlagenbaus und der Kabelherstellung usw. Nach dem Frühstück mit dem Fahrrad, dem Auto oder der Straßenbahn zur Arbeit fahren: Es sind ja nicht alleine diese hoch komplizierten Artefakte, die dafür in Anspruch genommen werden, nein, auch hier lässt man sich auf ein ganzes Verkehrssystem von Straßen und Wegen ein, den darin involvierten Straßenbautechnologien, Verkehrs­leitsystemen, denen man, selbst wenn man es wollte, sich nicht entziehen kann. Schließlich gelangt man an seinen Arbeitsplatz, schaltet dort einen Computer ein – und erinnert sich vielleicht noch daran, dass es einmal möglich war, einen Text tatsächlich ohne Textver­arbeitungssystem zu schreiben. Kein Zweifel, die Welt in der wir leben ist durchzogen von Techniken und Technologien, ja, man könnte hier mit dem Technikphilosophen Don Ihde von einer »technologischen Textur« (Ihde 1990) sprechen. Es ist auffällig, wie unauffällig diese riesenhafte technologische Textur unsere Lebenswelt durchwirkt – jedenfalls solange sie funktioniert. Immerhin mögen die Computer-Technologien (noch) am weitesten herausragen aus dem »Reich ursprünglicher

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Evidenzen«, wie Husserl (1976, 130) treffend die Welt, in der wir tagtäglich leben, genannt hat. Aber wie selbstverständlich einem selbst die neuartigsten Techniken schon nach kürzester Zeit werden! Diese riesenhafte Anlage, innerhalb derer wir unseren alltäglichen Dingen nachgehen – wieso bemerken wir angesichts ihrer Dichte und Größe nur so wenig von ihr, ja, wie kann es sein, dass wir in ihr uns zu Hause fühlen, so, als wäre im Prinzip immer schon alles so gewesen? Wie kann es sein, dass selbst avancierteste Techniken, wie etwa mikroelektronische Geräte, so schnell in die Selbst­verständlichkeiten der Lebenswelt absinken? Auch hier kein Zweifel, dass die technologische Textur immer dichter gewebt wird und das ein Ende dieser Entwicklung nicht abzusehen ist. Selbst wenn es immer wieder Leute geben wird, die meinen, sich der Textur so weit als möglich entheben zu können, indem sie beispielsweise auf sogenannte ›naturbelassene‹ Produkte in der Ernährung oder beim Hausbau setzen, werden nur um so tiefer in sie hinein verwoben, denn gerade sie müssen gerade auf die avanciertesten Informations- und Distributionstechnologien zurückgreifen, um sich mit den Kenntnissen und dem gewünschten ›Naturprodukt‹ zu versorgen – denn es liegt ja nicht mehr viel davon einfach so herum. Viel ist zu hören vom rasanten technischen Fortschritt, der uns fest im Griff hätte – global. Aber andererseits ist, bei allen Veränderungen, ja, Revolutionen in der Sphäre von Wissenschaft und Technik plus wohlfeil angebotener Kulturkritik, der lebensweltliche Umgang mit diesen von einer merkwürdigen Gleichförmigkeit und Kontinuität gekennzeichnet. Stimmt es denn überhaupt, dass, wie doch immer gesagt wird, sich »alles«, also die gesamte Lebenswelt durch die Technik verändert? Schüler haben in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts oft Aufsätze zum Thema »Die Welt im Jahre 2000« schreiben müssen. Sicherlich gehörte dieses Thema zu den spannenderen und wir Schüler haben uns zum größten Teil damals vorgestellt, dass Autos durch Straßenschluchten fliegen werden, Fließbänder die verschiedensten Güter überall hin transportieren, auch das Essen konnte auf Knopfdruck gefordert werden und dergleichen mehr. Dieses technische Schlaraffia war in einer Hinsicht utopisch, aber andererseits war auch schon damals klar, dass die meisten Lebensbereiche in frappierenden Weise rationalisiert sein würden. Denn der Entwurf der Welt, in der wir leben, ist gerade so

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gewesen wie heute und dies hat sich eben nicht geändert. Es sind nur mehr Bereiche, in denen Steuerung, Regelung und Kontrolle möglich geworden sind, hinzugekommen, das Klima, die globale Entwicklung der Wirtschaft etc. Hat uns im Bereich der Technik etwas in den vergangenen 30 Jahren wirklich überraschen können, außer vielleicht der Umstand, das viele der Dinge, die man vorausgesehen hatte und die im Grunde jeder voraussehen konnte, tatsächlich eingetreten sind? Worüber staunt man also, wenn man den ›unglaublichen‹ Fortschritt im Blick hat? Die technische Entwicklung überrascht, so könnte man paradox formulieren, gerade durch ihre Überraschungslosigkeit. Denn meistens, so die Lebensweisheit, kommt es ja anders, als man denkt. Im Falle des technisch-wissenschaftlich-ökonomischen Fortschritts aber kam es im Grunde genau so, wie man gedacht hat. Das liegt, wie mit Heidegger zu zeigen sein wird, am Denken der Technik selbst, welches im Kern ein metaphysisches ist, eines, das im wahrsten Sinne des Wortes ›über den Dingen‹ steht. Bedeutet dies nun nicht, dass wir die angebliche Revolutionierung der Lebenswelt durch die Technik anders einschätzen müssten? In der Tat! Der tragende Mythos für die Vorstellung, dass die Technik die Lebenswelt von Grund auf verändere, ist freilich der von Prometheus. Prometheus bringt den Menschen das Feuer und die Technik, es zu beherrschen, zu schmieden usw. Er befähigt sie dazu, ihre Kultur zu schaffen und gibt ihnen damit zugleich die Freiheit, ihre Geschicke selbst zu bestimmen – wofür er von den herrschenden Göttern an den Kaukasus geschmiedet wird (aber Herakles, der findigste Verfahrenstechniker der Menschen, wird ihn wieder entfesseln). Aber hier muss man genau hinschauen: Der Mythos des Prometheus erzählt davon, wie die Menschen überhaupt zu Techniken gekommen sind, ja, im Grunde erzählt er davon, dass die Menschen erst Menschen geworden sind durch die Techniken. Seitdem aber, so könnte man sagen, hat sich daran eigentlich nichts geändert. Unsere Lebenswelt ist immer schon von einer technologischen Textur durchzogen und sicherlich ist diese Textur immer dichter geworden; aber eben deswegen wird die Welt, in der wir leben, von der zunehmenden Technisierung gerade nicht revolutioniert, denn das hieße ja, in irgendeiner grundsätzlichen Weise geändert. Im Gegenteil, Technisierung könnte derjenige Prozess genannt werden, mit der die Einwohner einer Lebenswelt sich diese selber ausstaffieren bzw. ausstaffieren lassen. Die Sphäre

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dessen, was möglich ist, wird damit gleichsam versiegelt, d.h. im Sinne eines Bestandsschutzes sichergestellt. Dies ist nun durchaus nicht etwas, was wir im alltäglichen Denken über Technik vermuten würden. Denn wir verbinden ja mit Techniken aller Art im allgemeinen, dass sie uns Möglichkeiten eröffnen, die wir ohne sie eben nicht gehabt hätten, sei es, dass es sich dabei um einfache oder komplizierte Werkzeuge oder Maschinen oder technische Systeme wie die Kommunikations- oder Energiebereit­stellungs­techniken handelt. Natürlich würde man ohne Hämmer nicht so gut Nägel in die Wand schlagen können, ohne Automobile sich schlechter von Ort zu Ort bewegen (die Existenz von Straßen vorausgesetzt) oder ohne Telefone schlechter mit weit entfernten Menschen kommunizieren können. Aber wenn hier behauptet werden soll, dass die Lebenswelt durch Techniken versiegelt wird, soll hierbei nicht an die zweifelsohne statthabende Erweiterung des Spielraums an Handlungsmöglichkeiten gedacht werden, sondern an die damit notwendig verbundene Eingrenzung der Möglichkeiten zu sein. Hier sollte man nicht nur an die allseits bekannten Kompetenzverluste denken – also an den empirisch gut belegten Umstand, dass durch den Gebrauch von Taschenrechnern das Rechnen-Können, durch Fernsehen das Sehen-Können, durch automobile Fortbewegung die eigene Beweglichkeit nicht gerade befördert wird – sondern auch und vor allem daran, dass durch die Technologien die Form des Lebens selbst festgeschrieben oder doch nur in einer bestimmten Wese fortgeschrieben wird. Durch Techniken werden Handlungsoptionen eröffnet und sichergestellt, indem zugleich bestimmte Weisen, wie man sein kann (›Seinsweisen‹) reduziert werden. Man könnte vielleicht in Bezug auf die Technikentwicklung die Formel ausgeben: Handlungs­ optionserweiterung durch Seinsweisenfokussierung. Auch innerhalb der Technik­entwicklungen selbst ist dieser Vorgang zu bemerken, der etwas mit List zu tun hat, vielleicht sogar mit der von Hegel als treibende Kraft der Geschichte identifizierten List der Vernunft: Wo immer die Effektivität eines Mittels oder eines Verfahrens gesteigert wird, nimmt zugleich die Effizienz, die Vielfalt der Möglichkeiten der Verwendungsweisen ab. Papier und Bleistift sind weniger effektiv als ein Textverarbeitungsprogramm, aber sie sind effizienter, weil sie in Bezug auf das, was mit ihnen produziert werden soll, offener sind. Es ist, scheinbar paradox, daher gerade der Entzug von Spielräumen, der die ›Features‹ – also das, was man mit

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einem Werkzeug, einer Maschine oder in einem technischen System alles machen kann – konkret verfügbar macht. Die freie Verfügung über einen mit einer Technik zu erzielenden Effekt hat daher immer einen Preis. Gerade dadurch, dass man zum ›User‹ werden muss, um eine Technik in Gebrauch zu nehmen, ist es nämlich erforderlich, sich in einem gewissen, zu klärenden Sinn von eben dieser Technik in Gebrauch nehmen zu lassen. Oder, wie man auch sagt: Man muss ›sich einlassen‹ auf die in einer bestimmten Technik an- oder, bei Maschinen, abgelegten Verfahrensweisen. Das bedeutet nicht, dass man die Techniken nicht auch ›zweckentfremdet‹ benutzen kann, es gibt ja sogar Erfolgsgeschichten zweckentfremdeter technischer Entwicklungen wie z.B. dem Faxgerät, das eigentlich informations­technischen Absichten dienen sollte, also im Prinzip als eine Art Fernschreiber konzipiert war, dann aber weitgehend als Kommunikationstechnik in Gebrauch genommen wurde und immer noch wird. Dennoch bedeutet es natürlich weiterhin, einen Akkuschrauber als einen solchen zu benutzen, dass man mit ihm Schrauben ein- oder ausdreht und nicht etwa Sahne schlägt (was mit geeignetem Aufsatz ja durchaus möglich ist); gerade wenn wir sagen, dass ein technisches Artefakt ›zweckentfremdet‹ benutzt wird, haben wir ja implizit damit schon gesagt bzw. gedacht, dass mit ihnen ganz bestimmte Verfahrens­weisen verbunden sind, die uns in Bezug auf das betreffende Gerät, ob Werkzeug oder Maschine, schon mitgegeben sind und die unsere Ideen des Handelns in bestimmten Bahnen lenken. Die Erschließung und Sicherstellung von Handlungsoptionen, so die eben aufgestellte These, bringt mit sich, ja, setzt voraus eine Reduzierung der Seinsmöglichkeiten. Dies hat einen ganz einfachen Grund: Handlungs- und Wahloptionen sind überhaupt nur denkbar im Rahmen bestimmter Seinsweisen. Nur für den, der schon auf eine bestimmte Weise ›eingestellt‹ ist, kommen dann bestimmte Handlungsoptionen als solche überhaupt in den Blick. Nur für die, die nicht mehr (alles) selber kochen wollen, ist die Vielfalt der Optionen, die ein Supermarktregal z.B. in Bezug an Tütensuppen bereitzustellen vermag (»was man da heutzutage für Möglichkeiten hat!«) relevant – es stimmt ja auch, im Vergleich zum vorsintflutlichen Brühwürfel, der aus vielleicht nostalgischen Gründen immer noch in der untersten Reihe des Regals angeboten wird, ist die Entwicklung des reichen Angebots an Tütensuppen, das sich in den Borden darüber eröffnet, atem­beraubend! Nur

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diejenigen, um ein kontrastierendes Beispiel zu nehmen, die sich darauf einlassen, wie eine Geige behandelt werden muss, damit die Töne gut klingen, werden tatsächlich die ›Handlungsoptionen‹, die eine Geige als Instrument bereitzustellen vermag, für sich und andere erschließen können. Aber die technische Erschließung und Sicherstellung von Handlungs­möglich­keiten geht eben deswegen immer einher – und das ist einfach so, damit soll keine Wertung verbunden sein – mit der zumindest zeitweiligen Einlassung auf eine bestimmte Seinsweise bzw. Existenzform. Solche Seinsweisen oder Existenzformen sind nicht direkt wählbar wie Handlungsoptionen, die in einer bestimmten Existenzform bereitgestellt sind. Selbst im individuellen Bereich haben wir es offensichtlich nicht einfach in der Hand, wer wir sind, auch wenn wir nicht auf ein bestimmtes Wesen festgelegt sind. Und dennoch ist unsere Existenzform abhängig davon, welche Entscheidungen wir treffen, aber eben indirekt. Wir werden zu dem, was wir sind, indem wir bestimmte Wege im Leben nehmen und diese zeichnen sich dadurch aus, dass nicht klar ist, wohin sie uns letztlich führen werden. Oder, wie dies der große Pädagoge des 17. Jahrhunderts, Johann Amos Comenius in denkbar knappster Weise formulierte: Fabri­ cando fabricamur – indem wir (nicht uns, sondern anderes) verfertigen, verfertigen wir damit auch uns. Angesichts der immer dichter werdenden technologischen Textur müsste, so sollte man denken, eigentlich auch der Bedarf an philosophischer Reflexion auf das Handeln im Technotop zunehmen. Was ist die Technik, dass sie eine solche Macht besitzt? Wie muss das Verhältnis von Mensch und Technik bestimmt werden, damit erklärlich wird, warum die Macht der Technik über uns so unscheinbar und so wenig gewaltsam ist? Es ist, wie gesagt, vor allem unser Denken, welches hier in Frage steht. Das Denken der Technik muss sich davor hüten, selbst technizistisch zu sein – wenn das möglich ist. Ob – und wenn ja, wie – dies möglich ist, ist die Ausgangsfrage dieses Buches. In seiner Schrift über Die Krisis der europäischen Wissenschaften bemerkte Edmund Husserl zur näheren Charakterisierung der Lebenswelt, sie sei der Horizont aller möglichen sinnvollen, also z.B. auch der technischen und naturwissenschaftlichen Hypothesen und Veran­staltungen. Daher ist auch der Sinn dessen, was in und mit der neuzeitlichen Natur­wissenschaft und Technik intendiert wird, letztlich in der Lebenswelt fundiert und die Krise der Wis-

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senschaften und der (technologisch texturierten) Zivilisationen besteht eben darin, dass sie dieses lebensweltliche Fundament in ihrem Positivismus vergessen hat und vergessen musste. Husserl schreibt: »Die wirklich anschauliche, wirklich erfahrene und erfahrbare Welt, in der sich unser ganzes Leben praktisch abspielt, bleibt, als die sie ist, in ihrer eigenen Wesensstruktur, in ihrem eigenen konkreten Kausalstil ungeän­ dert, was immer wir kunstlos oder als Kunst tun [Husserl spielt hier auf den technê-Begriff an, A.L.]. Sie wird also nicht dadurch geändert, dass wir eine besondere Kunst, die geometrische und Galileische Kunst erfinden, die da Physik heißt.« (Husserl 1976, 51) [Hervorhebungen von mir, A.L.]

Auch Husserl vertritt hier in Ansätzen die oben genannte These, dass die Technisierung bzw. Verwissenschaftlichung die Lebenswelt gar nicht verändert, auch wenn er hier nur von »Physik« spricht. Er erläutert dies anhand eines Beispiels, des Fernglases, einem Werk­zeug des Sehens also, das nun zweifelsfrei technischen Ursprungs ist, da es nichts in der Natur gibt, was irgendwie Vorbild bei der Erfindung des Fernglases hätte sein können. Nun würden wir doch sagen wollen, dass das Fernglas unsere Fähigkeit des Sehens erweitert: Wir können einfach weiter und damit auch mehr sehen. Also wird doch durch das Fernglas der Bereich dessen erweitert, was Gegenstand unserer Erfahrung sein kann! Also müsste man dann doch auch sagen, dass sich durch die Erfindung und den allgemeinen Gebrauch des Fernglases auch unsere Lebenswelt ändert, wenn sie doch, wie Husserl (1976, 30) sagt, das »Universum der prinzipiellen Anschaubarkeit« ist? Aber es geht ausdrücklich um prinzipielle Anschaubarkeit, also eben nicht um das, was wir tatsächlich konkret sinnlich erfahren, sondern um das, was uns die konkreten sinnlichen Erfahrungen allererst erschließen lässt. Was durchs Fernglas zu sehen ist, unterscheidet sich in nichts Wesentlichem davon, was wir sonst sehen können, Farben und Formarten nämlich. Ein Fernglas erschließt also strenggenommen keine neuen oder gar ›anders­artigen‹ Phänomene. Ein neues Phänomen im strengen Wortgebrauch wäre nämlich so etwas wie eine neuartige Farbe, die wir noch nicht kennen oder eine neue Art von Form – man versuche sich einfach mal eine solche neuartige Farbe oder Form, die nicht aus anderen bekannten Formen zusammensetzbar wäre, vorzustellen! Dass wir uns sol-

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ches nicht einmal vorstellen können, verweist darauf, dass wir es mit einem einheitlichen Phänomenbereich zu tun haben, den wir kurz ›Lebenswelt‹ nennen. Was wir mit einem Fernglas vornehmen ist nach Husserl nichts anderes als eine bestimmte Seinsweise zu stabilisieren und das Fokussieren auf bestimmte Bereiche von Sichtbarkeit wird gleichsam verstärkt und damit festgeschrieben; wir richten uns ein in einer bestimmten Ausrichtung, oder mit anderen Worten, eine bestimmte Orientierung wird institutionalisiert. Was aber diese Orientierung selbst angeht, die ursprüngliche und im Denken statthabende Ausrichtung auf das Verfügbarmachen von Sichtbarkeiten – haben wir uns dafür ent­schieden? Hatten wir da eine Wahl? Standen uns hier Optionen offen, zwischen denen wir uns zu entscheiden hatten? Wenn überhaupt, dann waren es keine in diesem Sinne wählbaren Handlungsoptionen, wie etwa die, die wir nach Einführung des Fernglases hatten, nämlich dass wir nun z.B. Himmelskörper beobachten können, die wir mit bloßem Auge nicht oder nur schlecht sehen. Das können wir tun oder aber es lassen – wobei es hierbei das merkwürdige Phänomen gibt, dass die durch Techniken bereitgestellte Handlungsoptionen in gewisser Hinsicht selbst normativ aufzutreten scheinen, aber das soll uns an dieser Stelle nicht beschäftigen. Der Begriff der Lebenswelt wird bei Husserl als Universalie eingeführt; jeder Mensch lebt in (s)einer Lebenswelt, sie ist eben das, was jedem einzelnen Bewusstseinsakt immer schon im Rücken liegt und was jedem von uns Phänomene als bestimmte Gegenstände identifizieren lässt (wie die Identifizierungen dann konkret aussehen, mag dann kulturrelativ sein). Auch die fremde Kultur, wie überhaupt das Fremde, Unbekannte, Offene, sind – nicht nur beiläufige, sondern konstitutive – Bestandteile jeweils unserer Lebenswelt. Das unterscheidet den Phänomenbegriff der Phänomenologie vom Gegen­stands­­begriff im engeren Sinne: Der Jupitermond, der durch das Fernglas zum ersten Male zu Gesicht kam, war nicht ein neues Phänomen, sondern ein neu entdeckter Gegenstand, mit dem die Lebenswelt ausstaffiert bzw. bestückt wurde, aber eben deswegen gerade nicht zur Veränderung der Lebenswelt beitrug. Phänomene lassen sich gar nicht entdecken, sondern sie sind ja eben dasjenige, was seinem Begriff nach gleichsam von sich aus er­ scheint, also die Aufmerksamkeit erregt und nicht erst gesucht und gefunden werden muss. Gerade von ihrer Evidenz, von der Selbstgegebenheit der Phänomene (nicht der Gegenstände, das wäre ei-

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ne positivistische Verkürzung!) geht ein Phänomenologe in seiner Forschung aus. Das Fernglas erschließt nach diesem Verständnis von Phänomenen keinen neuen Phänomenbereich. Im Gegenteil, es werden durch das Fernglas bestimmte lebensweltlich fundierten Weisen des Sehens ›bedient‹, wie etwa im Falle der Astronomie das forschende Sehen, das seine Erfüllung in einem neuen (wenn auch schon induktiv bekannten) Gegenstand findet, oder auch ein solches Sehen, dass in einem ästhetischen Muster seine Erfüllung findet und sich des Fernglases bedient und es z.B. auf eine Baumkrone richtet, um den Baum als Ganzen aus dem Gesichtsfeld verschwinden zu lassen und nur das Gewirr der Blätter wie aus nächster Nähe betrachtet. Das alles ändert nichts an den Gegebenheitsweisen, also dem Wie, wie die Gegenstände uns gegeben sind. Auch die hoch entwickelten Systemtechniken unserer Tage ändern an diesem Umstand nichts. Die Techniken sind so, wie wir sind, sie schmiegen sich an unsere Lebenswelt an, sie verändern sie gerade deswegen nicht, im Gegenteil, sie ›unterhalten‹, bespielen sie, staffieren sie aus, versiegeln sie in ihrem Möglichkeitscharakter, indem sie bestimmte Handlungsoptionen jederzeit zur Verfügung stellen. Durch Techniken werden Bestände möglicher Operationen erzeugt; das Handeln folgt dem Sein der technisch texturierten und stabilisierten Lebenswelt gemäß dem alten Grundsatz opera­ ri sequitur esse. Zugleich damit erhält die Lebenswelt dadurch einen beruhigenden Anschein von Notwendigkeit und verliert ihre Kontingenz, d.h. ihren Charakter des Anders-sein-könnens. »Eine andere Welt ist möglich« ist ein Satz, der angesichts dieser ScheinNotwendigkeit sich immer wieder aufdrängt und er steht der Technifizierung der Lebenswelt diametral gegenüber. Techniken dienen der Sicherstellungen von Handlungsoptionen – i.e. Gewährleistung ihrer Wiederholbarkeit – durch Einschränkung der Handlungs- bzw. Seinsweise. In der Sicherstellung des lebensweltlichen Bestandes von Handlungsoptionen liegt genau deswegen die Gefahr des ›Wesensverlustes‹ des bzw. der Menschen. Niemand hat dies deutlicher gesehen als Martin Heidegger. Es soll im Folgenden, ausgehend von der These, dass Techniken die Lebenswelt versiegeln und eben nicht verändern, versucht werden, ein Licht auf das Denken der Technik bei Heidegger zu werfen. Während gemeinhin nur die (Anfang der fünfziger Jahre veröffentlichten) Aufsätze wie z.B. »Die Frage nach der Technik« oder »Die Zeit des Weltbildes« usw. in den Skopus technikphiloso­phischen

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Interesses gerückt werden, sollen hier auch und gerade die frühen, eher phänomeno­logisch orientierten Schriften Heideggers bis einschließlich Sein und Zeit von 1927 eine Rolle spielen. Dadurch wird die Sache, Heidegger und das Denken der Technik, insgesamt durchaus klarer, als sie allein durch die Analyse und Erläuterung der späten Texte sein könnte. Überdies kann man zeigen, dass das Thema Technik zu allen Zeiten seines Werkschaffens eine große Rolle gespielt hat. Sein und Zeit scheitert letztlich an einem überzogenen Pragmatismus, der gerade diejenigen metaphysisch-technischen Implika­tionen aufweist, die im Bezug auf die Technik von Heidegger im Spätwerk dann selbst the­ma­tisiert werden. Um den Kontext, innerhalb dessen Heidegger auf die Frage nach dem Denken der Technik kommt, etwas zu erhellen, will ich im darauf folgenden zweiten Kapitel zunächst einen Einstieg in technikphilosophische Frage­stel­lungen der abendländischen Denk­­ tradition anbieten. Eher schlaglichtartig soll an einige Elemente früherer Philosophien der Technik erinnert werden, die dann auch in Heideggers Denken der Technik eine Rolle spielen, auch wenn er sich hierbei explizit – von Aristoteles einmal abgesehen – nur sehr wenig auf andere Philosophen der Technik bezieht. Im dritten Kapitel soll die Analyse der Weltlichkeit mit ihren zentralen Kategorien von Vor- und Zuhandenheit, von Ding- und Zeughaftigkeit, wie Heidegger sie in den §§ 14-18 von Sein und Zeit vorgelegt hat, hinsichtlich einer Phänomenologie des Gebrauchs und Einsatzes von Mitteln – dem Hauptcharakteristikum technischen Handelns – rekonstruiert werden. Dafür wird der fundamental­ ontologische Zusammen­hang, für den die Welt­lichkeitsanalyse eine bestimmte Funktion hat, zunächst abgeblendet, auch um die solcher­­maßen gewonnene Analyse des Mitteleinsatzes anschlussfähig für technik­philosophische Diskussionen zu machen. Im vierten Kapitel wird sodann der Rahmen nachgeliefert, innerhalb dessen die Weltlichkeits­analyse ihren Ort hat, es soll ein Überblick über das fundamental­ontologische Projekt Heideggers in seinen Grundzügen gegeben werden. Es waren auch und gerade anthropologische Ansätze der Bestimmung menschlichen Daseins, gegen die die Fundamentalontologie sich richtete. Gegen jede äußerliche Wesensbestimmung ›des Menschen‹ versuchte Heidegger, die menschliche Existenz phänomenologisch zu analysieren. Weil in der heutigen Technikphilosophie bis heute anthropologische Ansätze höchste Anerkennung genießen und die Technik als

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Ganze gerne als Kompen­sationsphänomen einer dem Menschen wesenhaften biologischen Mangelhaftigkeit konzipiert wird, ist Heideggers fundamentalontologische Kritik dieser Vorstellungen von großer Relevanz. Aber auch aus dem Scheitern des fundamentalontologischen Projektes, das nun nicht einfach den anthropologischen Ansätzen Recht gibt, sondern die Schwierigkeit benennt, ein nicht-metaphysisches Denken der Technik zu entwickeln, lässt sich vieles lernen. Da Heidegger buchstäblich alles in den Pragmatismus der alltäglichen Existenz hinein nimmt, verliert das Dasein jeglichen Außenhalt; nur noch das »Sein zum Tode« kann gewährleisten, dass das Dasein sich selbst als ein Ganzes bzw. Endliches erfährt. Dies aber ist der relativ leicht sichtbar zu machende Fehler, der Heidegger unterläuft: Die Reduktion der Endlichkeit des Daseins allein auf Mortalität. Damit zusammen hängt, wie gezeigt werden soll, sein Entgleisen des Konzepts der Geschichtlichkeit – nach Heideggers eigenen Aussagen Grundlage auch seines politischen Engagements, weswegen sein zeit­weiliger Einsatz für den Nationalsozialismus ein geeigneter Aufhänger für den Einstieg in die Thematik ist. Weniger sichtbar ist, dass die grundlegende Weichenstellung für diesen Irrweg des Denkens, den Heidegger in seinem Denken nach der Kehre konzediert, schon in der im dritten Kapitel rekonstruierten Weltlichkeitsanalyse vorbereitet wird, nämlich in der Unterbestimmung des Begriffes vom Ding. Wesentliche Motive seiner späteren Kritik an der technischen bzw. metaphysischen Denkform lassen sich sowohl mit seinem Konzept von Geschichtlichkeit als auch mit der pragmatistisch überzogenen Weltlich­keitsanalyse in Zusammenhang bringen. Die These ist: Weil Heidegger in Sein und Zeit die Dinge nicht in ihrer phänomenalen Selbstständigkeit fasst, zu der das Dasein eine Alteritätsbeziehung unterhält – eine andere Form der Endlichkeit als das Sein zum Tode – kann er den existenzialen Solipsismus des eigentlichen Daseins nicht abwehren. Darin ist das Scheitern von Sein und Zeit begründet. Es ist die Auseinandersetzung mit den metaphysischen Restbeständen seines eigenen Denkens, die Heidegger darauf zu einem Denker der Technik werden lassen. Im fünften Kapitel wird auf den engen Zusammenhang von Technik und neuzeitlicher Wissenschaft einzugehen sein, der maßgeblich dafür ist, dass im Denken die Selbstständigkeit der Dingwelt aufgegeben wird. Auf dieser Grundlage kann auch das meist durch die Ausdrücke ›Gestell‹ und ›Bestand‹ bekannte späte

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Denken der Technik Heideggers neu erschlossen werden. Es wird auch gezeigt, dass Heid­egger in seinen frühen, lange vor Sein und Zeit entstandenen Aristoteles-Interpretationen schon die Konzeption der Technik gewinnt, die er in seinem späten Denken zu destruieren versucht, die aber noch in Sein und Zeit bei seinem DingBegriff bestimmend war. Im sechsten Kapitel wird durch eine Analyse des Aufsatzes »Der Ursprung des Kunstwerks« – 1935 entstanden, kurz nach dem Rückzug aus der Politik – die gegenüber der Weltlichkeitsanalyse von Sein und Zeit revidierte neue Konzeption der Dingheit herausgestellt. In der Kunst, die in Sein und Zeit so gut wie keine Rolle spielt, wird uns anschaulich, wie Dinge als Dinge sind, nämlich selbst- bzw. eigenständig. Im siebten und abschließenden Kapitel wird das technikphilosophische Erfordernis eines anderen Verständnisses dessen, was menschliches Handeln ist, verdeutlicht. Erst auf der Grundlage eines nicht-technomorphen Handlungsverständnisses, so die These, ist eine philosophische Bestimmung auch des technischen Handelns möglich. Unter den Titelworten ›Bewirken‹ und ›Vollbringen‹ können hier verschiedene Charakterisierungen des Handelns durchgespielt werden. Letztlich ist es der künstlerisch-dichterische Schaffens­prozess, die ursprüngliche Kreativität des Handelns, die das Gegenbild zum quasi-technischen Handlungsverständnis des Bewirkens eines Zweckes bilden kann. Auch das im späten Denken der Technik bei Heidegger aufscheinende Konzept von ›Gelassen­heit‹ kann vor diesem Hintergrund letztlich als eine mediale Haltung interpretiert werden, eine Haltung im Sinne der Aktualisierung einer Seinsmöglichkeit, nicht einer Handlungsoption im Sinne der Setzung eines Zwecks. Die Möglichkeit technischen Handelns muss in den Bedingungen des Handelns selbst gesucht werden. Der Grund dafür, dass wir überhaupt handelnd, d.h. sinnvoll-vernünftig tätig sein können, ist aber wiederum in unserem Denken zu finden, das nach Heidegger das wesentliche Handeln und als solches immer eine Entsprechung dessen ist, was sich uns vom Sein her zuspricht. Diese Redeweise ist keine Mystifikation, ›das Sein‹ ist kein Quasi-Subjekt, wie immer wieder missverstanden wird. Der Mensch existiert handelnd, das ist – oder: darin liegt – sein Sein. Dass wir handeln können, liegt daran, dass wir denken können; Denken ist das ursprüngliche Handeln. So kommt es, dass, wo immer das Handeln

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und damit das Sein des Menschen sich auf eine bestimmte Art und Weise reduziert, wie gegenwärtig etwa auf technische Weise, allein das Denken – auch und vor allem das Denken über Technik – die mannigfaltigen Weisen zu sein wieder zu erschließen vermag.

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Ähnlich wie die Sprache ist Technik etwas, was zwar nicht ohne uns ist, aber dennoch nichts, was wir als Ganze in der Hand hätten. Die Technik hat uns in der Hand, so wie uns die Sprache in der Hand hat, nicht gegen unseren Willen, nicht indem sie uns zwingt, etwas anderes zu tun, als wir wollen, aber indem sie schon unser Wollen leitet. Sie ist in diesem Sinne dem Menschen nicht verfügbar. Wir leben in ihr. Natürlich war es jemand, der die Glühbirne, jemand, der die Nähmaschine erfunden hat. Aber niemand hat die Technik erfunden. Viele gegenwärtige – und daher eben technizistisch zu nennenden – Technikphilosophien scheinen allerdings genau dies sagen zu wollen: Der Mensch habe sich sozusagen die Techniken und damit auch die Technik erfunden, damit er überleben kann. Dieses und damit auch ist ein Fehlschluss. Die Technik als Ganze ist nicht der Inbegriff der Mittel, das Überleben des Menschen zu sichern, denn das hieße, die Technik auf ihren instrumentellen Aspekt zu verkürzen. Aber, mit Heidegger gesprochen: Das Wesen der Technik ist nichts in diesem Sinne Technisches – was immer es sonst ist. Was es sonst ist, dem näher zu kommen ist Anliegen dieses Buches. Diejenige philosophische Disziplin nun, die sich mit der Frage beschäftigt, was Technik und technisches Handeln ›eigentlich‹ oder ›überhaupt‹ ist – an diesen zwei Worten kann man erkennen, dass es sich um eine philosophische Fragestellung handelt – heißt Technikphilosophie. In der Technikphilosophie geht es aber nicht nur um einen bestimmten Bezirk unserer Lebenswelt, wie im ersten Kapitel dargelegt wurde. Es geht in der Technikphilosophie um nicht viel weniger als um das Sein des Menschen, d.h. um die Wei-

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se, wie er ist. Daher ist es notwendig, die Frage nach generellen Bestimmungen technischen Handelns, ja, nach dem Wesen der Technik in Hinblick auf die mögliche Selbstorientierung von Akteuren im Technotop zu stellen. Ein eher umherschweifender Blick in die Geschichte der Technik­philosophie soll uns helfen, ex nega­ tivo zu erschließen, welcher Art eine Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Technik überhaupt sein könnte, bevor wir uns mit Heidegger in den daran anschließenden Kapiteln der Frage selbst zuwenden.

2.1 Technisierung und die Natur des Menschen Die Disziplin der Technikphilosophie ist noch relativ jung; erstmalig mit dem 1877 in Braunschweig erschienenen Buch Grundlinien einer Philosophie der Technik ist das Thema monographisch thematisiert. Autor des Buches war der westfälische Geographielehrer und Linkshegelianer Ernst Kapp, der lange Zeit seines Lebens als Siedler in Texas zugebracht hatte. Die Erfahrungen, die er dort bei der Kolonisierung des Wilden Westens machte, sind spürbar in dieses Werk eingeflossen. Dieses Buch wird heute allgemein als die Gründungsakte einer eigenständigen Disziplin der Technikphilosophie angesehen und sie enthält auch tatsächlich einen ausführlichen anthropologischen Begründungsversuch dessen, was Technik ihrem Wesen nach ist. Technische Artefakte und Systeme sind nach Kapp im Wesentlichen Organprojektionen, der Hammer eine Projektion von Unterarm und Faust, Brille und Mikroskop eine Projektion des Auges, das Verkehrssystem eine Projektion des Blutkreislaufes, das Fernmeldesystem eine Projektion des Nervensystems und schließlich das Staatswesen eine Projektion des menschlichen Organismus. In der technisch gestalteten Welt findet sich der Mensch in seiner ganzen und wahren Größe wieder – Kapp spricht von einem »Deus ex machina« (Kapp 1877, 351), welcher der Mensch sei – und ebendies, das Zusichkommen der Menschen in der technisch gestalteten Welt ist letztlich auch der Motor jedweder technischen Entwicklung. Zugleich gibt Kapp uns ein Kriterium für gute und schlechte Technik an die Hand: Schlechte, zu meidende Technik ist eine solche, die natürliche Funktionen einfach nur zu ersetzen versucht (er hat hier vor allem Maschinen und Mechanismen aller Art im Sinn, sein Paradebeispiel ist die mechanische Greifhand

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Götz von Berlichingens, mit deren Hilfe bestimmte Funktionen der Hand prothetisch ersetzt werden). ›Gute‹, d.h. auch allerorts zu befördernde Technik ist nach Kapp dagegen eine solche, die die Gestaltungsmöglichkeiten des Menschen erweitert, vor allem die Werkzeuge und die technischen Systeme des Verkehrs, des Handels, der Kommunikation usw. Letztlich bedeutet ihm die Entwicklung der Technik nichts Geringeres als die Menschwerdung der Erde, die Humanisierung der Natur. Die Probleme einer solchen Deutung sind aber nach unseren Überlegungen im ersten Kapitel offensichtlich: Es gibt einfach zu viele technische Artefakte, bei denen es fraglich ist, wie sie als Projektionen menschlicher Organe aufzufassen wären. Auch wenn Kapp durchaus konzediert, dass ab einer bestimmten Stufe keine Formähnlichkeit der Werkzeuge mit Organen mehr bestehen muss, behauptet er doch, dass die dem menschlichen Körper entnommenen Maß- und Zahlverhältnisse bestimmend seien, wie er vor allem an Uhren und anderen Messinstrumenten demonstriert. Wovon aber ist ein Schiff eine Projektion? Oder ein Wagen (ob nun ein von Pferden gezogener Heuwagen oder ein Ferrari)? Überhaupt das Rad? Der Blitzableiter? Viele Beispiele lassen sich hier finden. Weiterhin interessiert sich Kapp weitgehend nur für die Artefakte selber, also die Geräte, Werkzeuge, Maschinen, Systeme. Aber ob etwas z.B. ein Werkzeug ist, ist nicht unbedingt nur von den Eigenschaften eines Gegenstandes alleine abhängig, sondern liegt wesentlich im Gebrauch, den wir von diesem Ding machen. Einen Felsen kann man freilich nicht als Zange benutzen, aber als Hammer dürfte er, wenn auch schlecht, so doch nicht völlig ungeeignet sein. Technik lässt sich ohne Rekurs auf den Gebrauch von Artefakten bzw. Handlungsroutinen gar nicht beschreiben. Außerdem, wenn man hier schon von Projektionen sprechen will, könnte man nicht genauso gut die umgekehrte These vertreten, dass bestehende Techniken und Technologien einer Zeit auf den Menschen und seine Organe projiziert werden? Kapp selbst hat die­se Möglichkeit der Rückprojektion sehr wohl gesehen, aber er hält dabei an seiner grundlegenden These fest, dass der ursprüngliche Bereich der Projektion der menschliche Körper ist; vom Gehirn als Datenverarbeitungs- und Funktions­steuerungssystem beispielsweise aber kann man erst sprechen, seitdem es die entsprechenden Technologien gibt, ähnlich wie früher vom Blutkreislauf als einem hydraulischen System (vgl. Käte Meyer-Drawe 1996). Diese durch Rückprojektion

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entstehenden Bilder des Menschen sind nun nicht einfach inadäquat; wer so etwas behaupten würde, müsste angeben können, was das Kriterium für adäquate Bilder wäre. Wir haben aber keinen ungebahnten Blick auf uns selbst und damit auch kein solches Kriterium. Dennoch ist klar, dass die technomorphen Bilder des Menschen das, was wir nicht kennen, im Lichte dessen zeigen können, was wir kennen bzw. als technischen Zusammen­hang kennen gelernt haben. Damit stellt sich natürlich sogleich die Frage, ob es zulässig ist, davon zu sprechen, dass es die Menschennatur ist, die sich in der Technisierung entwickele, oder ob dieser Prozess nicht einfach kontingent ist, d.h. anders denkbar. Ein anderes Menschsein aber ist immer denkbar. Obwohl die Technikphilosophie als eigenständige Disziplin der Reflexion über den Einsatz von und den Umgang mit Artefakten erst etwa hundert Jahre alt ist, gibt es das Philosophieren über Technik der Sache nach freilich sehr viel länger. Springen wir ein wenig durch die Jahrhunderte: Wie alles in der Philosophie findet sich das Thema schon bei Platon an prominenter Stelle. In Auseinanderset­zung mit der sophistischen Auffassung von Rhetorik und Politik lässt er Sokrates im Gorgias danach fragen, was eigentlich eine Technik, oder besser: eine technê von einer bloßen Geschicklichkeit, einer empeiria unterscheidet. Die Antwort ist: die Sachkenntnis, d.h. das systematische Wissen um die inneren Zusammenhänge eines bestimmten Bereichs der Erfahrung (vgl. Platon, Gorgias, 463a-466a). Musterbeispiel für eine echte technê ist etwa die Heilkunst, die Medizin. Der Arzt besitzt in der Ausübung seiner Tätigkeit ein in Hinblick auf die Gesundheit des Menschen systematisch geordnetes Wissen um die inneren Zusammenhänge der Körperprozesse, und dieses Wissen ist es, das bei der Verabreichung geeigneter Heilmittel leitend ist – im Unterschied zum Koch, dessen ›Kunst‹ lediglich darin besteht, dem Gaumen und dem Bauch zu schmeicheln (jedenfalls eines solchen, wie ihn Platon im Auge hat). Der ›Kochkünstler‹ besitzt also eigentlich nur ein Trickwissen, eine mehr oder weniger große Anzahl von mehr oder weniger zufälligen Einzelerfahrungen, also ein Wissen ohne Ein­ sicht in die betreffenden Zusammenhänge. Analog ist die Rhetorik der Sophisten, die ja mit dem Anspruch auftrat, eine echte und sogar die höchste Kunst zu sein, als eine bloße Scheinkunst anzusehen, im Unterschied zur Philosophie bzw. Dialektik, die den wahren Zusammenhängen auf der Spur ist. Festzuhalten ist, dass Tech-

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niken bestimmte Tätigkeitsformen sind, die auf der Sachkenntnis der internen Zusammenhänge eines Lebensbereiches basieren und es ermöglichen, sicher – und das heißt: jederzeit wiederholbar – bestimmte Effekte zu zeitigen und bislang unbekannte Effekte zu planen. Diesem Grundgedanken in Bezug auf die Technik als einer bestimmten Form des Wissens folgt weitgehend auch Aristoteles. Er aber unterschied die technê als derjenigen Handlungs- und Wissensform, die auf Prozesse der Herstellung (Poiesis) bezogen ist, von anderen Wissensformen, vor allem derjenigen der politischen Pra­ xis (vgl. Aristoteles, NE VI, 4; 1140 a ff.). Interessant ist dabei auch, dass er die technê als eine bestimmte Haltung des Menschen gegenüber der Wahrheit ansieht, genauer: als eine bestimmte Weise, die Wahrheit hervorzubringen. Wobei hier ›Wahrheit‹ so viel heißt wie: das, wodurch etwas ins rechte Licht gesetzt, wodurch etwas aus der Verborgenheit herausgeführt wird, eine Bedeutung, die wir auch noch in unserem Wort ›wahrnehmen‹ oder auch ›wahren‹ nachspüren können – etwa, wenn es heißt, jemand ›wahre‹ sein Gesicht oder seine Chance. Der Unterschied zu anderen Weisen des ›Wahrens‹ oder auch ›Wahrnehmens‹, wie etwa die Weise der Wissenschaft oder der Weisheit in Bezug auf immerwährende Dinge oder die Weise der Klugheit in Bezug auf die politische Praxis etwa, besteht bei der technê nun darin, dass Werke hervorbracht werden. Die ›Wahrheit‹ des Herstellens liegt im Werk. Bei allen Handwerken liegt das auf der Hand, aber es gibt auch ein Werk des Arztes, der mit seiner Kunst die Gesundheit des Patienten wieder herstellt, das Werk des Flötenspielers, nämlich das durch sein Spiel ›hergestellte‹ Musikstück, das Werk des Redners, nämlich die Rede bzw. der Vortrag. Charakteristisch ist bei allen diesen herstellenden, ›technischen‹ Tätigkeitsformen, dass die Handlungs­vollzüge Mittel zum Zweck sind. Die technê ist das diesen Herstellungshandlungen zugrunde liegende Denken, das eben Tätigkeiten als Mittel zu Zwecken auffasst. Damit eng zusammen hängt – was, wie wir noch sehen werden, technikphilosophisch erheblich ist –, dass die Vollzugstätigkeiten bei den technischen Handlungsweisen im Prinzip durch bessere, effizientere, d.h. den externen Zweck der Tätigkeit besser realisierende Tätigkeiten ersetzt werden können. Es kommt hierbei nicht auf die Tätigkeiten selber an, sondern nur auf den Grad ihrer Eignung für die Zweckrealisierung. Tätigkeiten im Sinne der Praxis dagegen, z.B. die Betätigung im Dienste der

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politischen Gemeinschaft, kommunikative Handlungen, wie wir heute vielleicht sagen würden, aber auch andere Betätigungen wie z.B. Mußebeschäftigungen oder auch das Philosophieren werden hingegen nicht als (im Prinzip ersetzbare) Mittel für den Zweck, ein der Handlung äußerliches Werk zu produzieren, angesehen; vielmehr werden diese Tätigkeiten um ihrer selbst willen ausgeführt, sie haben einen Eigenwert oder, wie man oft auch missverständlich sagt: einen Selbstzweck. Nun gibt es nach Aristoteles nicht einfach ›die‹ Technik, zunächst einmal gibt es viele Techniken, verschiedene von Einsicht getragene Fertigkeiten, durch die jeweils bestimmte Werke hervorgebracht werden und damit jeweils bestimmte Bedürfnisse befriedigt werden. Die Techniken bilden untereinander Hierarchien aus: So steht die Sattlerkunst im Dienst der Reitkunst, diese wiederum im Dienste der Kunst der Strategen. Letztlich findet eine jede Technik ihren äußeren Maßstab darin, inwieweit sie zum Erhalt und dem Gedeihen des gemeinschaftlichen, in der polis organisierten guten Lebens beitragen kann. Dieses gute Leben bzw. die eudaimonia oder schlicht ›das Glück der Menschen‹ ist aber nicht wiederum Werk einer bestimmten Technik, auch nicht einer umfassenden Supertechnik. Das Glück, die eudaimonia ist kein Werk (ergon), sondern eine bestimmte Form des Am-Werke-Sein (ener­ geia), eine bestimmte Form der Tätigkeit des Menschen mithin, nämlich derjenigen gemäß seiner spezifischen Kompetenzen (der ›Tugend‹ bzw. der Tugenden, der aretai). Es gibt daher auch keine Glückstechnik, weil Glück nicht in einem zu schaffenden Werk, sondern in der Form des Schaffens liegt. Umgekehrt: Gäbe es eine Glückstechnik, wäre Glück also ein Werk, wären im Prinzip alle anderen Techniken hinfällig. Das Wissen darum, wie das gute Leben zu gestalten ist, bezieht sich zwar auch auf die Techniken und die Herstellungshandlungen, aber kann seinerseits nicht auf Metho­den abgezogen werden, wie es für Techniken charakteristisch wäre; hier aber sind andere, nicht-technische Kompetenzen gefragt (vgl. Luckner 2005). Technische Neuerungen können daher, anders als man das heute zumeist geneigt ist zu sehen, für sich allein genommen noch nicht als Fortschritt gewertet werden; nein, technische Entwicklungen, die es in der Antike natürlich genauso gab wie heutzutage, besitzen ein ihnen äußeres Maß, eben das gute Leben und das hieß für die Griechen immer auch: das Leben in sittlicher Gemeinschaft.

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2.2 Der Himmel auf Erden An dem von Aristoteles getroffenen kategorialen Unterschied zwischen Herstellungs­handlungen einerseits und gemeinschaftlichem, kommunikativem Handeln andererseits hält das gesamte Mittelalter bis weit ins vierzehnte Jahrhundert hinein fest, indem sie das facere, Herstellen bzw. Machen dem agere, dem Handeln im engeren Sinn gegenüberstellt. Dies muss stark betont werden, weil gerade diese offenbar wichtige Unterscheidung auffälligerweise mit der Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaften verschwindet. Man könnte sagen, seit dieser Zeit wird alles Handeln tendenziell als ein Herstellen gedacht, eine These, die von (der Aristotelikerin) Hannah Arendt in Vita activa vertreten wurde (mit der Zusatzthese, dass das Herstellen mehr und mehr in den Dienst der dritten Tätigkeitsform des Menschen, nämlich der Arbeit gestellt wurde). Auch und gerade die Betätigung als Philosoph und Theoretiker – das Wissenschaftlerleben in Theorie und Kontemplation ist das aristotelische Musterbeispiel für eine Tätigkeit, die rein um ihrer selbst willen ausgeübt wird – wird nun unter dem Gesichtspunkt des Herstellens betrachtet. Schon Mitte des 13. Jahr­ hundert werden die Naturwissen­schaften von einzelnen, etwa von Robert Grosseteste oder Roger Bacon, nach dem Vorbild des Herstellens gedacht, während die Bereiche von Technik und der Naturwissenschaften bis dahin einfach nicht viel miteinander zu tun hatten. Woran liegt das? Wieso fingen die Wissenschaftler an zu konstruieren, zu messen, zu experimentieren, auszuprobieren, zu manipulieren? Wieso wurde die Naturwissenschaft auf einmal ›technisch‹ und mathematisch konzipiert? Die Frage ist nicht so sehr eine nach den historischen, sondern nach den begrifflichen Voraussetzungen, die hierfür nötig sind. Was soll denn durch die technisch-wissenschaftliche Tätigkeit letztlich hergestellt werden? Nichts Geringeres als der Himmel auf Erden! Mit der neuen Wissenschaft wird von Anfang an eine Glückserwartung verbunden, sie hat utopischen Charakter, sie soll, überspitzt gesagt, gerade die Glückstechnik sein, deren mögliche Existenz Aristoteles abgestritten hatte. Man muss sich hierfür nur die materielle Ausstattung der Bildungs- und Wissenschafts­ ministerien etwa in Francis Bacons technisch-wissenschaftlicher Utopie New Atlantis von 1627 anschauen, die immerhin Vorbild für die Britische Akademie der Wissenschaften gewesen sein soll. Die

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Wissenschaftler in Nova Atlantis arbeiten an nicht weniger als an dem allgemeinen Glück der Menschheit und sie wissen das auch. Auf der zeitlichen Wasserscheide dieses vom 13. bis ins 17. Jahr­ hundert währenden Prozesses der Neubegründung der Wissenschaften von Robert Grosseteste bis René Descartes – oder von Roger zu Francis Bacon – steht ein Text von Nikolaus von Kues, der sehr aufschlussreich für diese fundamentale Umstellung im Denken ist und zugleich eine Verbindung von Technik und Anthropologie enthält, die paradigmatisch für das Denken der Technik in der Neuzeit ist. Der Text heißt Idiota de mente, zu deutsch Der Laie über den Geist und er ist ungefähr 1450 entstanden. In ihm geht es unter anderem um die Frage, was den Menschen als Menschen auszeichnet, mit anderen Worten: was sein Wesen ist. Es handelt sich um einen Dialog zwischen einem Philosophen, d.h. einem Gelehrten, der sich vor allem gut in den Schriften des Aristoteles auskennt, und einem Laien, der nicht in den Schriften des Aristoteles, aber dafür umso besser in den Dingen der Welt bewandert ist. Freilich steht Cusanus auf Seite des Laien, der sich lieber auf sein eigenes Erfahrungsurteil verlässt, statt sich an die Autorität von Lehrmeinungen zu halten. An einer Stelle sprechen sie über die endliche Kunst des Menschen – das Beispiel ist die Kunst, Löffel zu schnitzen – und die unendliche Kunst Gottes, wie wir sie in der Schöpfung, also in und mit der Natur vor uns haben. Das Verhältnis von unendlicher Kunst Gottes und der endlichen Kunst des Menschen ist so beschaffen, dass die unendliche Kunst das Vorbild für die endliche ist (schon aus begrifflichen Gründen muss das so sein, d.h. wir können es nicht anders denken). Die Menschen als endliche Künstler ahmen nun diese unendliche Kunst nach, diese ist der Maßstab, Mitte und Ziel der endlichen Kunst. Aber die endliche Kunst ist Nachahmung der unendlichen nicht durch ihre Schöpfungen, sondern durch den Schöpfungsakt. Und genau diesen vollzieht der Techniker bzw. der Ingenieur nach, wenn er etwas erfindet. Das Beispiel des Löffelschnitzers macht dies klar: »Der Laie: ›Der Löffel hat außer der Idee in unserem Geiste kein weiteres Urbild. Und wenn auch der Bildhauer oder der Maler [also doch Künstler im eigentlichen Sinne] seine Vorbilder den Dingen entnimmt, die er nachzugestalten sich müht, so tue ich das doch nicht, ich, der ich aus Holzstücken Löffel, sowie Schalen aus Ton hervorbringe. Dabei ahme ich nicht die Gestalt irgendeines Naturdinges nach. Solche Formen von Löffeln, Scha-

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len und Töpfen kommen nur durch menschliche Kunst zustande. Meine Kunst besteht deshalb mehr im Zustandebringen als im Nachahmen geschaffener Gestalten, und darin ist sie der unendlichen Kunst ähn­licher‹.« (Nikolaus v. Kues 2002, 15)

Die Tätigkeit des Geistes wird hier offenbar nicht mehr im Sinne reiner Beobachtung und Kontemplation des Gegebenen, d.h. als Theorie im eigentlichen Sinne aufgefasst; der Geist wird vielmehr selbst als schöpferisch, als hervorbringend gedacht. Denken ist Erfinden, der Mensch, den sein Denken auszeichnet, ist seinem Wesen nach ein Techniker, ein Erfinder, ein Ingenieur, der Dinge in der Welt schafft, die es in ihr vorher nicht gab. Unter diesem Gesichtspunkt steht die Kunst, Löffel zu schnitzen, höher als die Bildhauerei, die sich ja an dem bemisst, was es schon gibt und bloße Abbilder schafft (etwas was schon Platon an der Kunst als bloßer mimesis bemängelte). Als Techniker, als Ingenieur ist der Mensch das Ebenbild Gottes, weil er dort schöpferisch ist – und zwar nur dort, denn Bildhauer und Maler bilden nur nach, was es schon gibt. Mit anderen Worten: Kennzeichnend für das neuzeitliche Denken der Technik ist einerseits der Zug, dass das Glück als etwas Herstellbares erachtet wird, gleichzeitig aber der Tätigkeitsund Vollzugsaspekt der Herstellungshandlungen betont wird. In aristotelischen Termini ausgedrückt: Die Praxis der Poiesis ist es, die der unendlichen Kunst Gottes ähnlich ist. Der Tätigkeit des Glücksherstellens kommt damit der Charakter zu, um seiner selbst willen betrieben zu werden. Der Geist des Menschen benötigt also Werkzeuge, freilich neue Werkzeuge, nicht diejenigen der scholastischen Gelehrten und Bücherwürmer, sondern eben diejenigen, die in der Folgezeit die Begründer der neuzeitlichen Wissenschaft, allen voran Francis Bacon (Novum Organon!) und René Descartes, entwickeln. Und mit diesen neuen Werkzeugen des Geistes soll es den Menschen gelingen, sich zu den Meistern, den Beherrschern der Natur aufzuschwingen und die Welt zu einer menschlichen umzugestalten. Schon früh, aber allerspätestens im 18. Jahrhundert wurden bekanntlich erste Zweifel an diesem Fortschrittsglauben angemeldet, etwa von Giambattista Vico, der 1709 in seinem Buch Vom Wesen und Weg der geistigen Bildung die Reduzierung des Menschen auf seine bloße technische Vernunft und damit den Verlust von Ur-

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teilskraft beklagt. Jean-Jacques Rousseau beantwortet in einer von der Akademie zu Dijon ausgeschriebenen Preisschrift von 1750 die Frage, ob die Neuformierung der Wissenschaften und der Künste zur Läuterung der Sitten beigetragen habe – ob also mit dem technischen Fortschritt auch ein sozialer Fortschritt einhergehe –, eindeutig mit ›Nein‹. Im Gegenteil, meint Rousseau, die zunehmende Technisierung aller Lebensbereiche untergrabe, wie wir heute sagen würden, die sozialen Kompetenzen. Gerade hier sei daher in kritischer Absicht Reflexion auf die Grundlagen der technischwissenschaftlichen Zivilisation angesagt. Vermittelt über Schiller (etwa in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung) und die deutsche Romantik spielte dieses Thema in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts in den Diskussionen der Technikphilosophen die Hauptrolle. Die zentrale Frage etwa bei Ernst Cassirer oder Ernst Jünger auf der einen, Oswald Spengler und Lewis Mumford auf der anderen Seite war, ob ›die‹ Technik Grund oder Feind der Kultur sei (vgl. Cassirer 1930), wodurch sich dann auch Technikoptimisten wie Dessauer oder Zschimmer von Technikpessimisten, wie allen voran Ludwig Klages oder eben Spengler, Fortschrittsgläubige also von Kulturkritikern unterschieden und bis heute noch unterscheiden lassen. Diese endlose Debatte, welche nur die ›Querelle‹ zwischen Modernisten und Traditionalisten wiederholt, wie sie im 17. Jahrhundert entflammt war, dominiert und behindert das Nachdenken über Technik bis heute. Heideggers Denken der Technik, auf das wir ab dem dritten Kapitel zurückkommen werden, wird oft in diesen Problemhorizont eingeordnet – Heidegger als Kulturpessimist. Dies ist einerseits verständlich, andererseits aber, wie zu zeigen sein wird, verdeckt eine solche kulturpessimistische Interpretation gerade »das Rettende in der Gefahr«, welches nur zugänglich ist aus einer möglichst frei von Wertungen aller Art sich entschlagenden nüchternen Perspektive auf Technik bzw. technologische Entwicklung. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der den Kulturpessimisten recht gegeben zu haben schien, wurde in den 50er Jahren die Frage nach Machbarkeit oder Sachzwang­haftigkeit ›der‹ Technikentwicklung breit diskutiert, etwa in der so genannten ›Technokratiedebatte‹ im Anschluss an Gehlen 1957 und Schelsky 1961. Ist der Prozess der Technisierung beeinfluss- oder gar steuerbar oder besitzt er vielmehr eine ›Eigendynamik‹ und wenn ja, warum? In einem Vortrag reizt Schelsky die These seines Lehrers Hans Freyers (vgl. Freyer

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1960), nämlich dass in der Lebenswelt die technischen Kategorien dominant werden, aus, indem er behauptete, dass die Menschen »mit der Produktion immer neuer technischer Apparaturen und damit technischer Umwelten zugleich immer neue Gesellschaft und neue menschliche ›Psyche‹ produzieren. Damit wird aber auch zugleich immer die soziale seelische und geistige Natur des Menschen umgeschaffen und neu konstituiert.« (Schelsky 1961, 460)

Aus diesem Zirkel, so Schelsky, gäbe es kein Entrinnen und es ist genau dieser Umstand, der eine souveräne Stellung des Menschen gegenüber der Technikentwicklung undenkbar macht. Teilnehmer an der Debatte war unter anderem auch Jürgen Habermas, der zwar der Technokratie-Analyse Schelskys in wesentlichen Punkten zustimmt (vgl. Habermas 1968), aber dennoch gerade Chancen für eine Korrektur der verwissenschaftlichen, technokratischen Politik sah. Durch das Verfahren herrschaftsfreier Diskurse, also durch eine kommunikative Praxis, die, wie bei Aristoteles, selbst keinem technischem Erfolgsmaßstab unterstellt ist, soll die Politik an Interessen und Bedürfnisse zurückgebunden werden. Seither traten nun eher differenzierte, sachorientierte, auf die besonderen Gegebenheiten spezifischer technischer Systeme abgestimmte Fragestellungen in den Skopus des Interesses, die in gewisser Weise die zu grobe Herangehensweise der Philosophen und Soziologen in der polarisierenden Technokratiedebatte unterliefen. Technikphilosophie, Technik­folgenabschätzung, Technikbewertung und Technikethik bildeten dabei einen Sonderdiskurs im Blick auf Problemlagen im Grenzbereich von Wirtschaft und Forschung. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aber zeigte sich mehr und mehr eine gewisse Abkopplung der Technikphilosophie aus dem philosophisch-reflexiven Diskurs. Eine erneute kritische Rückbesinnung auf »Gesamtdeutungen moderner Technik« ist notwendig geworden, um die Technikphilosophie ihrerseits vor technizistischer Verkürzung zu bewahren, denn bei aller gebotenen Praxisnähe der Disziplin scheint es, dass der Blick aufs Ganze der Technik verloren zu gehen droht. Die Technikphilosophie steht damit in der Gefahr, »schlecht abstrakt« (Hegel), d.h. vereinseitigt zu werden, so dass der einstmaligen Gefahr der ›Leere‹ und ›Ab-

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gehobenheit‹ der Technikphilosophie heutzutage die Gefahr der ›Blindheit‹ konkretistischer Zersplitterung zur Seite steht. Eine allgemeine Philosophie der Technik, eine Gesamtdeutung vor allem moderner Technik und deren Dynamik erfordert Beantwortungsversuche der Frage, was Technik bzw. technisches Handeln und Denken überhaupt bzw. eigentlich, d.h. seinem ›Wesen‹ nach ist. Nach wie vor sind es dabei die anthropologischen Ansätze in der Technikphilosophie, die hier eine starke Attraktivität besitzen, denen wir uns zunächst kritisch zuwenden wollen.

2.3 Technikphilosophie und Anthropologie Wie unser Umherschweifen in der Geschichte der Technikphilosophie gezeigt hat, liegen anthropologische Grundlegungen der Technikphilosophie offenbar ziemlich nahe – die meisten der bisher genannten Autoren denken die Technik von einer wie auch immer gearteten Natur des Menschen her. Und wie sollte dies auch nicht so sein, schließlich ist es trivial, dass es sich bei der Technik um eine Veranstaltung des Menschen handelt. Das Verhältnis von Technikphilosophie und Anthropologie soll hier nun aber nicht weiter rhapsodisch wie bisher, sondern unter einem stärker syste­ matischen Gesichtpunkt thematisiert werden. Dabei werden wir auf ein fundamentales Problem stoßen, das zugleich das Einstiegstor zum Denken der Technik bei Heidegger bilden kann. Will man die verschiedenen Ansätze in der Technikphilosophie hinsichtlich ihrer Technikbegriffe auf einen formalen Nenner bringen, so ließe sich vielleicht sagen, dass Techniken Handlungsformen sind, in denen – oft auch unter Zuhilfenahme von natürlichen oder artifiziellen Gegenständen – bestimmte schematisierte Handlungsweisen (man kann auch sagen: Verfahren), als Mittel zur Erreichung handlungsäußerer Zwecke dienen. Kurz: Techniken sind Schemata des Mitteleinsatzes, Technologien sind die dementsprechenden Wissensformen. Deshalb können wir einerseits von der Technik eines Hochspringers sprechen als einer bestimmten schematisierten Körperbewegung, die ihm als Mittel dazu verhilft, eine bestimmte Höhe beim Springen zu erreichen. Wir sprechen andererseits z.B. auch bei einer Kaffeemaschine von ›Technik‹, was auf den ersten Blick mit dem ersten Sprachgebrauch rein gar nichts zu tun zu haben scheint. Auf den zweiten Blick

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kann man aber sehen, dass es sich auch hier um ein schematisches Verfahren handelt, das eben nur als Ganzes einem mechanischen Zusammenhang übertragen wurde (der eben dadurch zu einer Maschine wird). Der Zweck, der in der Kaffeemaschine ausgelösten Prozesse ist es eben, Kaffee zu bereiten, und diesem Zweck ›dient‹ sie und das technische Handeln besteht hier lediglich darin, den Schalter zu bedienen und diesen Prozess als Mittel zum Zweck ›Herstellung von Kaffee‹ auszulösen – und der hergestellte Kaffee ist das ›Werk‹ dieser Technik. Wie wir bei Aristoteles sahen ist für das technische Handeln charakteristisch, dass die Betätigungen, die zur Realisierung des betreffenden Zweckes unternommen werden müssen im Prinzip austauschbar sind, im Unterschied zu den ›selbstzweckhaften‹ Tätigkeiten, wo dies gerade nicht der Fall ist. Es ist also eigentlich völlig egal, wie, d.h. auf welchem Wege der Zweck erreicht wird. Weil hier viele Wege zum Ziel führen, kann man sich natürlich überlegen, welche Mittel effizienter wären um denselben Zweck zu erreichen. Wenn aber das Wesentliche des technischen Handelns darin besteht, bestimmte Mittel zur Realisierung von (gegebenen) Zwecken zu finden und einzusetzen, dann stellt sich hier die für eine allgemeine Technikphilosophie grundlegende Frage: wie ist es möglich, dass etwas (eine willkürliche schematisierte Körperbewegung, ein bestimmter Gebrauch eines materiellen Gegenstandes, ein einer Mechanik übertragenes Verfahren usw.) überhaupt zu einem (potentiellen) Mittel zur Realisierung von Zwecken wird? Was macht ein Mittel zu einem Mittel? Eine bis heute äußerst gängige und auf den ersten Blick auch besonders plausibel scheinende Antwort stammt nun aus der philosophischen Anthropologie Arnold Gehlens – bei allen soziologischen, kulturphilosophischen, historischen und systemtheoretischen Ausweitun­gen, die sie erfahren hat. Und sie steht auch mit einer Begründung à la Nikolaus von Kues in einer Traditionslinie, wenn auch modern gebrochen, ohne den Hintergrund einer göttlichen, unendlichen Kunst, vor deren Goldgrund sich die menschliche Kunst abheben würde (und ein wenig vom Glanze abbekäme). Die Figur des homo faber, des Menschen, der seinem Wesen nach Techniker ist, ist das Leitbild der Neuzeit und ist bis heute bei Technikphilosophen sehr beliebt. Freilich argumentiert heute niemand mehr mit der Gottesebenbildlichkeit, aber der Gedanke ist im Grunde derselbe geblieben.

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Die anthropologische Grundidee Gehlens ist, dass ›der‹ Mensch seine natürlichen und gegebenen Organmängel mit Technik zu kompensieren vermag und die Organfunktionen technisch entlastet und erweitert (vgl. Sachsse 1978). Ein Mittel gebrauchen, erfinden, einsetzen heißt demnach letztlich: einen Organmangel kompensieren und gerade dadurch seine Handlungsmöglichkeiten erweitern Gehlen schrieb hierzu in seinem Buch Der Mensch von 1940,

»dass

die sämtlichen ›Mängel‹ der menschlichen Konstitution, welche unter natürlichen, sozusagen tierischen Bedingungen eine höchste Belastung seiner Lebensfähigkeit darstellen, vom Menschen selbsttätig und handelnd zu Mitteln seiner Existenz gemacht werden, worin die Bestimmung des Menschen und seine unvergleichliche Sonderstellung zuletzt beruhen.« (Gehlen 1940/1997, 37, Hervorhebung von mir, A.L.)

Gehlen betont, dass biologische Stufenschemata, wie etwa in der Anthropologie Schelers, deswegen verfehlt sind, weil sie im Grunde nur die traditionelle animal rationale-Anthropologie wiederholen, wonach der Mensch sich vom Tier durch seine geistigen Fähigkeiten unterscheide. Dies verkenne aber, dass schon die biologische Organisation des Menschen von Grund auf eine andere ist als die eines Tieres. Während Tiere in eine Umwelt eingelassen sind, zeichnet sich der Mensch gerade dadurch aus, dass er nicht auf ein bestimmtes Milieu spezialisiert ist.

»Die physische Unspezialisiertheit des Menschen, seine organische Mit­ tellosigkeit sowie der erstaunliche Mangel an echten Instinkten bilden also unter sich einen Zusammenhang, zu dem die »Weltoffenheit« (M. Scheler) oder, was dasselbe ist, die Umweltenthebung den Gegenbegriff bilden […]. Wir haben damit einen Strukturbegriff des Menschen, der nicht auf dem Merkmal des Verstandes, Geistes usw. allein beruht.« (Gehlen 1940/1997, 35f.)

Im Grunde hat der Mensch also gar keine Umwelt: In Anschluss an Pico della Mirandola, Herder (auf den sich Gehlen explizit bezieht), Schiller und Nietzsche fasst Gehlen den Menschen als ein ›nicht festgestelltes‹ Tier, dem seine Bestimmung nicht mit seiner Natur gegeben ist, sondern das sich seine Bestimmung allererst erarbeiten muss; was ihn als ein handelndes Wesen charakterisiert. Der

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Begriff der Handlung rückt damit ins Zentrum der Anthropologie. Der Mensch ist das handelnde Wesen, das sich seine Welt allererst als Kulturwelt schafft und schaffen muss. Es gibt den Menschen als Naturwesen nicht; oder er ist, wie sich Gehlen bewusst paradox ausdrückt, »von Natur ein Kulturwesen« (Gehlen 1940/1997, 80), das mithilfe von Techniken und Institutionen kompensatorisch seine durch die Umweltenthebung gegebenen strukturellen ›Mängel‹ ausgleicht, die Reizüberflutung, der er ausgesetzt ist, eindämmt und so seinen Antriebs­überschuss kanalisiert. Die zentrale Kategorie hierbei ist die der Entlastung. Durch die entlastende Herabsetzung des unmittelbaren Kontakts mit der Welt ist es dem Menschen möglich, die ihm eigene biologische ›Mangelhaftigkeit‹ zu kompensieren. Er tut dies, indem er den Weg zu seinen Zielen planerisch gestaltet, Zwischenstufen einbaut, nur noch mit Erfahrungsan­deutungen zu arbeitet (dies ist dann der Ursprung der Sprache) usw. Kurz: Der Mensch wird als ein handelndes Wesen zum Techniker seiner Existenz. Weil das so ist, ist auch jedwedes Handeln im Prinzip technischer Natur. Herder selbst übrigens führt den Ausdruck des ›Mängelwesens‹ in kritischer Absicht ein, gerade um zu zeigen, dass eine Anthropologie nicht auf einem solchen Begriff aufbauen kann und die Frage wäre hier, ob sich Gehlen von daher zu Recht auf Herder beruft. In seiner Abhandlung zum Ursprung der Sprache stellt Herder schon 1770 gegen Rousseau, der »die Menschen zu Tieren« (Herder 1966, 20) gemacht hätte, sehr deutlich heraus, dass die Bestimmung des Menschen als Mängelwesen nur insofern berechtigt ist, als der Mensch überhaupt mit den Tieren verglichen wird. Aber: »Lücken und Mängel können doch nicht der Charakter seiner Gattung sein« (Herder 1966, 24)! Die Gattung des Menschen stehe dagegen, so Herder, über den Tieren »nicht an Stufen des Mehr oder Weniger […], sondern an Art« (Herder 1966, 25). Es ist also ein kategorialer Fehler, den wir begehen, wenn wir den Menschen überhaupt mit den Tieren vergleichen. Die emphatische Berufung Gehlens auf Herder (vgl. Gehlen 1940/1997, 82ff.) ist daher zwar berechtigt, was die Theoreme der Umweltenthebung und Weltoffenheit und die Zurückweisung von Stufentheorien in der Anthropologie angeht, nicht aber bezüglich der Kategorie der Entlastung bzw. der Kompensation. Denn wenn der Mensch nicht wesenhaft durch einen Mangel charak­terisiert werden kann, dann auch nicht durch die Kompensation eines Mangels.

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Weiterhin ist fraglich, ob wir mit der anthropologischen Bestimmung des Menschen als Technikers seiner Existenz überhaupt eine Erklärung des Phänomens ›Technik‹ leisten können. Für den elementaren Werkzeuggebrauch und einfache Verfahren mögen Erklärungen unter Zuhilfenahme des Begriffs der Kompensation erhellend sein; der Gebrauch von Äxten, Sägen, Hämmern usw. wird natürlich in einem gewissen Sinne dadurch erklärlich, dass die Menschen sich Behausungen bauen müssen, wenn nicht gerade Höhlen in der Nähe sind, und dafür benötigen sie Baumaterial. Elementare Technologien zur Herstellung von Textilien wie Weben, Stricken usw. werden dadurch erklärlich, das die Menschen Kleidung brauchen, weil sie eben kein Fell haben. Selbst eine hochmoderne Kettensäge oder ein computergesteuerter Webstuhl lassen sich damit noch erklären. Aber welcher Mangel wird durch Kaffeekochen, ob von Hand oder mit der Maschine kompensiert, welcher durch den Wecker oder durch das Fernsehen? Welcher Mangel wird durch Kommunikations- und Verkehrstechniken kompensiert? Hier muss man nun mit dem Konstrukt ›abgeleiteter Bedürfnisse‹ operieren, wodurch das Konzept viel von seiner Plausibilität verliert, weil die Erklärungen von Technikentwicklungen ziemlich schnell beliebig werden und der Erklärungseffekt gegen null geht. Denn wo immer sich etwas in der Welt der Technik entwickelt, kann dann nur gesagt werden, dass der Motor dieser Entwicklung wohl ein entsprechendes abgeleitetes Bedürfnis gewesen ist. Dazu kommt, dass man auch hier die Gegenthese vertreten kann – und sie wurde von Ortega y Gasset (vgl. 1939/1978) vertreten – dass nämlich Technik dafür da sein könnte, Überfluss zu produzieren (wobei die Produktion von Überfluss, das Luxurierende also, wiederum zum Wesen des Menschen gehöre). Diese These ist aber sicherlich genauso einseitig und weist im Übrigen genau dieselbe Schwäche auf, die allen anthropologischen Ansätzen eigen ist: Man nimmt ein bestimmtes Phänomen unseres Weltaufenthaltes und zeichnet es als einen Wesenszug des Menschen aus, der dann alle anderen Wesenszüge mittragen soll. Vielleicht ist daher diese ganze Idee einer Begründung der Technikphilosophie mit der vorausgehenden Bestimmung eines grundlegenden Wesens des Menschen verfehlt – und zwar schon auf der Ebene der Beschreibung, nicht erst auf der Ebene der Erklärung eines adäquat beschriebenen Phänomenbestands. Nehmen wir wieder Gehlens Anthropologie: In seiner Auffassung des tech-

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nischen Handelns wird der Mensch immer nur in der Situation gezeigt, in der er angesichts der Gefahren und der Bedrohung seiner Existenz Mittel letztlich seines Überlebens entwirft und einsetzt. Technisches Handeln wäre somit die Reaktion auf einen permanenten Ausnahmezustand. Aber passt diese Beschreibung denn überhaupt auf unseren alltäglichen Umgang mit Technik, der sich doch, wie im ersten Kapitel beschrieben, durch eine geradezu unheimliche Normalität und Selbstverständlichkeit auszeichnet, also gerade nicht durch Ausnahmesituationen? Ausnahmesituationen wären hier eher die technischen Kata­strophen und Havarien – der in diesem Zusammenhang oft zu hörende Ausdruck ›menschliches Versagen‹ ist nebenbei technikphilosophisch überaus erhellend. Schon auf der Ebene der Beschreibung technischen Handelns bekommt man Probleme mit einer anthropologisch fundierten Technikphilosopie à la Gehlen. Denn wer unter einer Handlung ein bloßes Bewirken intendierter Sachverhalte durch Einsatz geeigneter Mittel versteht – so wie Gehlen und mit ihm die gesamte, an der genannten Mensch-als-Techniker-Anthropologie orientierten neuzeitlichen Handlungs­the­orie – investiert ja schon damit schon eine im Prinzip technizistische Auffassung des Handelns. Die begriffliche Grundlage des Handelns als eines Bewirkens von Zwecken eignet sich nicht zur Begründung einer Technikphilosophie, der es darum geht, Wesentliches und Spezifisches über das technische Handeln auszusagen. Die neuzeitlichen Erkenntnis- und Handlungstheorien entspringen dagegen gerade eben einem solchen Denken in technischen Kategorien. Die in philosophisch-naturalistischen Anthropologien à la Gehlen allenthalben anzutreffende Bestimmung des Menschen als Techniker seiner Existenz verhindert gerade, dass eine allgemeine Technikphilosophie überhaupt anthropologisch begründet werden könnte, denn das Handeln des Menschen wird von vorneherein schon im Sinne der Technik – als verfahrensmäßig gesicherter Einsatz bestimmter Mittel zu (kompensatorischen) Zwecken – aufgefasst. Jedwedes Handeln wird von vorneherein technisch verstanden im Sinne von Arbeit und Produktion der Lebensmittel. Eine philosophisch-naturalistische Anthropologie setzt bereits einen Begriff des Mittelgebrauchs voraus, der für die Grundlegung einer Philosophie der Technik allererst geklärt werden müsste. Das Handlungskonzept Gehlens ist in diesem Sinne technomorph, d.h. selbst schon orientiert am technischen Handeln, und so kann es

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auch nicht Wunder nehmen, dass bei einer Analyse des Handelns als Bestimmung des Menschen herauskommt, dass er wesentlich Techniker ist: Es wurde nämlich mit dem Schema von Zweck und Mittel schlicht schon das vorausgesetzt, was man auf dem Boden der Anthropologie erst hatte verstehen wollen, nämlich das technische Handeln. Das Schema von Zweck und Mittel insgesamt scheint damit zur Debatte zu stehen; zwar mag dieses Schema von Zweck und Mittel dem technischen Handeln völlig adäquat sein, vorausgesetzt, man verkürzt die technische Rationalität nicht auf ein rein instrumentelles Denken von ›Usern‹ (vgl. Hubig 2006, 107f.). Aber auch und gerade bei Betonung der kreativen, ›erfinderischen‹ Seite des technischen Denkens, dem Erschließen neuer Zwecke und Mittel usw. ist die scheinbare Erklärungsleistung dieses erfolgreichen Handlungsmodells wegen der implizierten Technizität des Handelns zugleich auch sein Manko. Mit anderen Worten: Das Schema von Zweck und Mittel als Analyseinstrument in Bezug auf technisches Handeln ist zu wahr, um gut zu sein. Gerade das Spezifische am technischen Handeln, das, was ein Handeln zu einem technischen Handeln macht, kann mit diesem Schema nicht beschrieben, geschweige denn erklärt werden. Die Crux naturalistisch-anthropologischer Ansätze in der Technikphilosophie liegt also darin, dass sie uns evtl. die Genese der Technik vorführen und er­klären können, nicht aber, warum wir zu mittelfindendem Handeln über­haupt fähig sind. Eine anthropologische Begründung von Tech­nik muss zu kurz greifen, weil sie keine Be­din­gungen der Möglich­keit technischen Handelns, sondern lediglich mehr oder weniger kontingente Umstände ihrer Entstehung thematisieren kann. Für eine all­gemeine Tech­nologie oder Technik­wissenschaft – also in erklärender Absicht – mögen letztere auch voll­kom­men ausreichen, aber technikphilosophisch– also in reflektierender bzw. verstehender Absicht – muss eine solche Erklärung unbefriedigend bleiben. Um die Frage danach stellen zu können, was ein Mittel des Handelns überhaupt zu einem solchen macht, ist es vielmehr erforderlich, sich gleichsam auf die Innenseite der Handlungsvollzüge und praktischen Weltverhältnisse zu begeben. Was es heißt, dass etwas (eine Handlung, ein Gegenstand, auch ein Mensch) in die Position eines Mittels rückt, kann nicht aus einer (naturalistisch-anthropologischen) Außenperspektive, sondern müsste aus der Perspektive des Handelnden selbst, d.h. phänomenologisch bestimmt werden.

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Vor jeder anthropologischen (und das heißt: regionalontologischen) Bestimmung dessen, was ein Handlungsmittel zu einem solchen macht – nämlich der spezifische Gebrauch als ein kausierendes Instrument zur Realisierung intendierter Sachverhalte – steht daher eine Phänomenologie technischen Denkens und Handelns. In einer solchen ginge es darum, mit Husserl gesprochen, Handlungsmittel im ›Wie ihrer Gegebenheit‹ zu analysieren. Eine saubere Phänomenologie des technischen Handelns kann und darf daher nicht schon den Begriff des Mittels investieren, wenn der andererseits der Begriff des Mittels zentral für eine Konzeption technischen Handelns ist. Vertreter von anthropologischen Begründungsansätzen in der Technikphilosophie bestreiten zumeist eine Differenz von technischem und nicht-technischem Handeln. Mit Aristoteles gesprochen, der ja diese Differenz hoch hielt: Alles Handeln wird unter der Maßgabe des Herstellens gedacht. Dies ist genau der Punkt, an dem Heidegger – in dieser Hinsicht vielleicht aristotelischer als Aristoteles selbst – seinen metaphysikkritischen Hebel ansetzte.

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Wir hatten zum Ende des vorangegangenen Kapitels gesehen, dass die Mangelkompen­sationstheorien die Erscheinungsweise der Technik nicht recht erklären können. Man kann dem Konzept von Technik als Kompensation von Man­gelhaftig­keit allerdings ein Konzept von Technik als Versuch der Überwindung von End­lich­keit ge­genüberstellen. Ein solches Konzept erlaubt es nämlich, wie wir sehen werden, den Einsatz von Mit­teln phänome­no­logisch als ein wesentliches (nicht-akzidentielles) Ver­mö­gen, d.h. als Fähigkeit zu for­mulieren, dessen Herkunft aber, im Un­ter­schied zu den anthropologischen Ansätzen der Technikphiloso­phie, zu erschließen ist. Endlichkeit ist dabei dasjenige Selbstverhältnis, dass ein In­ne­ sein der eigenen Grenzen impliziert, während Mangelhaftigkeit gera­de dies nicht erfordert, ja ausschließt; ein Computer kann mangelhaft sein, wenn er den an ihn gestellten Anforderungen nicht entsprechen kann, aber er kann nicht endlich sein in dem Sinne, dass er um seine zeitlich be­grenz­te Tätigkeit hienieden wüsste. Endlichkeit ist nicht akzidentielle Eigenschaft eines Lebewesens, sondern durch Erfahrung indizierte und nur über Er­fahrung eines Subjekts, also phänomenolo­gisch im weitesten Sinne, ex­plizierbare Lebensform. Mangelhaftigkeit kann repariert oder kompen­siert werden, Endlichkeit dagegen muss über­nommen werden – oder eben nicht, wie im Falle des über sich selbst un­aufgeklärten technischen Handelns. Hier geht es um das Ver­ständ­nis dessen, warum wir fähig dazu sind, eine nicht vorgeprägte Ant­wort auf die Fragen, die eine Si­ tuation an ein Leben stellt, zu fin­den, die dann zum Beispiel in der Wahl und der Erfindung bisher nicht verwendeter Mittel liegen kann, also dem eigentlichen technischen Han­deln. Der Be­griff eines dafür verantwortlichen ›Instinktverlustes‹ benennt dabei das

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Problem eher, als dass er schon eine Lösung darstellen würde. Das Spezifi­kum der Technik scheint nun gerade in dieser Fähigkeit des Erfindens zu liegen und das Finden von Mitteln und Wegen ist auch dasjenige Moment, was die technische von einer instrumentellen (›user‹-)Vernunft unterscheidet. Die Findigkeit oder Inventionalität des Menschen als ein Haupt­charak­teristikum technischen Handelns bezeich­net somit den Kern einer Phi­losophie der Technik (vgl. Waldenfels 1988, 205; Ropohl 1991, 65). Wie aber ist diese Fähigkeit des Erfindens möglich? Günter Ropohl schreibt zu der Erfindung von Handlungsmitteln als Grundzug technischen Han­delns: Ein Be­wusstsein kann Mittel erfinden, »indem es bekannte Elemente der Wirk­lich­keit in einem ›internen Modell‹ (K. Steinbuch) neu arran­giert. So antizipiert das Bewusstsein künftige Wirklichkeit und kon­struiert in theoretischer und experimenteller Überprüfung das real Mögliche« (Ropohl 1991, 66). Die Frage nach der rechten Begründung einer Philosophie der Technik könnte man daher auch folgendermaßen zuspitzen, unter Aufnahme des Erfindungs­moments der Technik: Woher kommt es, dass wir Elemente unserer Wirk­lichkeit im Bewusstsein modellhaft neu arrangie­ren, also erfinden kön­nen? Es kommt daher, weil wir ein Verhältnis zu den Elementen unserer Wirklichkeit be­sitzen solcherart, dass sie uns als be­stimmte Elemente, d.h. abgegrenzte, uns äußerliche Objek­te er­scheinen. Diese Antwort scheint zunächst trivial zu sein, sie ist es aber genau dann nicht, wenn man hier weiter danach fragt, wie überhaupt so etwas wie Objekte konstituiert sind. Hegel gab hier eine folgenreiche Antwort in seiner Phänomeno­ logie des Geistes: Er sah die Relation von Subjekt und Objekt letztlich darin begrün­det, dass wir ein Verhältnis zu uns selbst be­sitzen können (vgl. ausführlich hierzu Luckner 1994). In Bezug auf die Technik formu­liert heißt dies nichts anderes als: Wir können aus demselben Grunde Mittel als Mittel (und das sind etwa Werk­zeuge im Unterschied zu blo­ßem Organer­satz) erfinden und gebrauchen, weil wir selbst Mittel bzw. Werkzeuge sein können – oder besser: weil wir wissen, was es heißt, ein Mittel bezogen auf einen Zweck zu sein. Der Mensch als Werkzeug, als Mittel zum Zweck aber ist der unfreie Mensch, oder, wie es bei Hegel heißt, der ›Knecht‹ (Hegel 1807/1988, 129ff.). Der ›Knecht‹ steht zu den Dingen seiner Welt in einem distanzierten Verhältnis, anders als der ›Herr‹, der sie rein genießt. Dieses Verhältnis einer ›gehemmten Begierde‹

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nennt Hegel auch ›Arbeit‹ und es ist die Arbeit an den Dingen, in dem der Knecht sie als Objekte seines eigenen Tuns erfährt. ›Arbeit‹ aber impliziert die Ge­trenntheit der Mittel von den Zwecken. Ein ›Mittel‹ ist dabei etwas, was sich zwischen die Intention und die tatsächliche Realisierung des Sachverhaltes schieben lässt, weil als tätige Wesen unsere ›Begierde‹, den Zweck direkt zu realisieren, ›gehemmt‹ ist (genauer vgl. Luckner 1993). Für Hegel ist demnach der Grund dafür, dass wir die uns umgebenden Dinge in einer technischen Weise auffassen – nämlich so, dass sie Mittel zu anderweitigen Zwecken sind bzw. sein können –, dass wir zu ihnen im Verhältnis der Arbeit stehen. Und in diesem Verhältnis stehen wir letztlich deswegen, wie Hegel zeigt, weil wir uns von uns selbst ›entfremdet‹ haben, d.h. ein bestimmtes Verhältnis zu uns selbst eingenommen haben. Aus einer hegelschen Perspektive wird das technische (die Dinge in ihrer Zweckdienlichkeit auffassende) Denken daher immer ein knechtisches sein, entgegen allen Anscheins von Souveränität. Erfinden erfordert Entfremdung. Technisches Denken und Handeln ist schon von daher eine widersprüchliche Form von Arbeit, insofern es in ihm ja gerade darum geht, Mittel dafür einzusetzen, die Mühen der Arbeit zu überwinden. Or­tega y Gasset (1939/1978, 24) schrieb, dass Technik die Anstrengung sei, An­stren­gung zu sparen; man könnte auch sagen, sie ist die Ar­beit, Arbeit zu ver­meiden. Wie auch immer, Hegel sieht sehr deutlich, dass so etwas wie ›Mittel‹ in einem (letztlich gesellschaftlichen) Umgang mit Gegenständen konstituiert werden. Die notwendige Verwiesenheit technischen Handelns auf eine (kommunikative, gemein­schaftliche) Praxis ist nun auch beim frühen Heidegger durchaus thematisch, wenn sie auch stark unterbelichtet scheint. Das liegt aber daran, dass Heidegger die gesellschaftliche Konstitution der Mittel in einer Phänomenologie allererst erschließen muss, die soziale Konstitution von so etwas wie Mitteln ist ja gerade kein Phänomen. Ging es bei Hegel um die Frage, was ein Mittel überhaupt ist – nämlich das, was uns den Bezug zur Welt der zu realisierenden Sachverhalte aufrechterhält – so geht es hier bei Heidegger nun um die Frage, wie dies geschieht. Wie, in welcher Weise, konstituieren wir Mittel als Mittel? Hier wird zunächst einmal eine Phänomenologie des Mittelgebrauchs, also eine Beschreibung des Vorgangs, wie ein Mittel gebraucht wird, vonnöten sein. Eine solche findet sich ausführlich dargelegt in Heideggers Sein und Zeit. Es handelt sich um

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die Analyse der Weltlichkeit, wie sie bei Heidegger vor allem in den §§ 14-18 und unter dem Gesichtspunkt der Zeitlichkeit noch einmal im § 69 von Sein und Zeit zu finden ist, der wir uns nun zuwenden. Sie wird, so wie auch die Analyse Hegels in der Phänomenologie des Geistes, in ihrer Relevanz für die Technikphilosophie im allgemeinen zu wenig berücksichtigt – die wichtigsten Ausnahmen sind bemerkenswerter Weise in der amerikanischen Heidegger-Rezeption zu finden (v.a. Dreyfus 1991 u. 1992 und Ihde 1990).

3.1 Vom Zeug zum Ding Ich versuche im Folgenden bewusst, die Weltlichkeitsanalyse Heideggers zunächst aus ihrem funda­mental­ontologischen Kontext herausgelöst zu präsentieren, um ihre Triftigkeit und Anschlussfähigkeit für technikphilosophische Fragestellungen, wie wir sie in den ersten beiden Kapiteln entwickelt haben, spürbar zu machen. In den folgenden Kapiteln wird die Analyse dann wieder in ihren Kontext zurückgestellt werden, nicht zuletzt deswegen, um die von Heidegger selbst vorgetragene Kritik an seiner reduktiven Dingauffassung deutlich machen zu können. Heideggers spätes Denken über Technik, ließe sich vorgreifend sagen, entwickelt sich geradezu an den Einseitigkeiten der Weltlichkeitsanalyse von Sein und Zeit. Zunächst soll hier eine so wenig wie möglich ›heideggernde‹ Paraphrase der Grundlinien seiner Analyse der Weltlichkeit stehen: So, wie wir leiben und leben, finden wir uns immer schon in einer Welt von Bezügen vor (zu Gegenständen, zu anderen Menschen). Das, was wir als ›die Welt‹ kennen, ist dabei niemals als ein ›generelles Objekt‹ gegeben. ›Die Welt‹ ist vielmehr Moment unseres Da­seins, d.h. wir existieren so, dass wir immer schon inmitten einer Welt stehen. Diese formale Grundstruktur unseres Daseins nennt Heidegger das In-der-Welt-sein bzw. die Weltlichkeit des Daseins. Die traditionelle Onto­logie hat das Phänomen der Weltlichkeit des Daseins immer schon übersprungen, weil sie von einem quasi-externen Standpunkt ein Subjekt hypostasiert, das einer bzw. seiner Welt in Erkenntnisrelationen gegenübersteht, wie ganz besonders deutlich etwa bei Des­cartes. Die beiden notorischen Probleme der neuzeitlichen Metaphysik und des auf ihr aufbau­enden natur­wissenschaftlichen Weltbildes sind dementsprechend einer-

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seits dasjenige der adäquaten Erkenntnis der Welt, andererseits dasjenige des ontologischen Status von Normen und Werten, von denen die Welt immer schon durchzogen ist, sobald wir be­stimmte innerweltliche Gegenstände näher in Betracht nehmen. Bei der Analyse des In-der-Welt-seins haben wir es demzufolge nicht primär mit den Bestimmungen einer Erkenntnisrelation zu tun, sondern mit solchen eines be­stimmten tätigen »Umgang[s] in der Welt und mit dem innerweltlich Seien­den« (SuZ 66f.). Man kann dies den Pragmatismus Heideggers nennen (vgl. auch Haugeland 1982, Brandom 1983, Okrent 1988, Gethmann 1988, Dreyfus 1991). Warum spricht er nun von ›innerweltlich Seien­dem‹ und nicht einfach von ›den Dingen‹? Nun, das kommt daher, dass ein ›Ding‹ per de­finitionem ein gegenüber anderen Dingen abgrenzbarer Gegenstand mit bestimmten Eigenschaften ist und daher von uns als Ding überhaupt nur unter einer bestimmten Perspektive thematisiert werden kann (›Umgang‹ ist dabei Heid­eggers Über­setzung von griech. praxis). Ob etwas ein Ding ist, hängt nach dieser ontologischen Re­deweise durchaus davon ab, wie wir mit diesem Etwas umgehen. Wie in Bezug auf die Welt überhaupt, könnte man hier sagen: Ohne unser praktisch-tätiges Dasein gibt es keine Dinge als Dinge. Der Umgang mit dem inner­weltlich Seienden – als dem Oberbe­griff, worunter auch ›Dinge‹ fallen – kann sich aber auf verschiedene Weisen vollziehen. Phänomeno­logi­sch lässt sich die Vorstellung, dass wir primär in einer Welt von Din­gen – also voneinander und von unseren Praxen getrennten Gegenständen – leben, überhaupt nicht belegen. Das, womit wir jeweils umgehen, ist uns primär eben gerade nicht etwa als schon vorhandenes Ding gegeben, sondern, wie Heidegger sich ausdrückt, als zuhandenes Zeug. Die Unterscheidung von Dingen und Zeugen lässt sich nun am anschaulichsten an den Handlungsschemata des Werkzeuggebrauchs zeigen. Natürlich kann ein Hammer als ein Ding aufgefasst wer­den. Aber insofern der Hammer als ein Ding aufgefasst wird, also hinsichtlich seiner Eigenschaften als harter Gegenstand, der eine bestimmte typische Form und bestimmte Materialeigenschaften aufweist, wird er gerade nicht als Hammer gebraucht. Umgekehrt gilt: Insofern ich mit einem Hammer hantiere, thematisiere ich ihn gerade nicht als ein Ding mit bestimmten Eigenschaften. Als Zeug steht der Ham­mer in einem Praxiszusammenhang, ohne den er nicht (Werk-)Zeug sein kann. Ich schlage z.B. mit ihm einen

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Nagel ein, um Bretter miteinander zu verbinden, um einen Schuppen zu bauen, damit das Feuerholz nicht nass wird. Dies wiederum mag dafür wichtig sein, dass ich im Winter heizen kann, damit ich nicht friere usw. Der Hammer steht in seinem Gebrauch als Werkzeug in vielfältigen Verweisungs­zusammenhängen, von denen er allererst isoliert werden müsste, um als ein selbstständiger Gegenstand – als ein Ding – gelten zu können. Strenggenommen gibt es daher auch keine voneinander trennbare Zeuge, sie sind, im Unterschied zu den als ›selbstständig‹ gedachten Dingen, nur in einem ›Zeugzusammen­hang‹, oder wie Heidegger auch sagt: einem »Zeuggan­zen« (SuZ 68) denkbar. Mit anderen Worten: Dinge stehen in einer Ordnung von Sachverhalten, Zeuge in ei­ner Ordnung von Funktionen, die als solche noch nicht einmal thematisch sind. Dinge und Zeuge haben demnach ontologisch verschiedene Seins- oder Gegeben­heitsweisen: Die Dinge, die uns im Erkennen präsent sind, haben den Seinscharakter der Vorhanden­heit, das Zeug, mit dem wir tätig umgehen, den der Zuhandenheit. Zuhandenheit ist dabei nicht nur ein ›Aspekt‹ eines Dinges, denn Aspekte kann etwas nur unter Voraussetzung seiner Vorhandenheit haben; ›vorhanden‹ aber sind Zeuge gerade nicht. Auch wenn man versucht, die Zuhandenheit als einen ›subjektiven Faktor‹ abzubuchen – also etwa als dasjenige subjektrelative Moment, was man mit Dingen anzustellen intendiert – ginge man an der Phänomenologie des Zeuggebrauches vorbei. Das Fundierungs­verhältnis von Vorhandenem und Zuhandenem ist vielmehr umgekehrt: »Zuhanden­heit ist die ontolo­gischkategoriale Bestimmung von Seiendem, wie es ›an sich‹ ist« (SuZ 71). In einem ziemlich wichtigen Sinne sind die Zeuge in der Tat in ihrem ›reibungslosen‹ Gebrauch ›unerfahr­bar‹, so wie eben die berüchtigten kantischen ›Dinge an sich‹. Sie können nicht positiv erfahren werden, weil sie in die Praxen ihres Gebrauchs gleichsam eingeschmolzen sind. Sie sind uns dann gewissermaßen zu nahe, als dass wir sie ›sehen‹ könnten. Wären sie positiv erfahrbar, handelte es sich eben nicht mehr um Zeuge, sondern um Dinge. Wie steht es aber mit unserem Dasein selbst: Ist das nun etwas Vorhandenes oder Zuhandenes? Weder noch, denn unser Dasein ist hinsichtlich seiner Gegenständlichkeit weder mit Ding-Eigenschaften noch Zeug-Funktionen versehen; hier gibt es einen dritten Modus des Seins, den Heidegger ›Existenz‹ nennt. Wir sind nicht nur etwas anderes als Steine, Pflanzen, Tiere, Hämmer oder Wasch-

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maschinen; wir sind anders. Be­züglich unseres Daseins gibt es kein ›Um-zu‹, keine Funktionalität und es gibt auch keine wesentlichen Eigenschaften, die uns als einer bestimmten Art von Dingen zukommen würde: Es gibt kein ›Wesen des Menschen‹. Dasein hat keinen vorab geprägten Sinn und Zweck, vielmehr existieren wir so, dass die Festlegung auf eine bestimmte Funktion oder Sinn unsres Daseins immer aussteht. Die Analyse dessen, was es heißt, in diesem Sinne zu existieren, schließt aber sowohl den Zeuggebrauch als auch die Dingkonstitution durch Wahrnehmung und Vorstellung in sich ein und ist daher fundamental. Deswegen nennt Heidegger seine Existenzialanalyse auch ›Fundamentalontologie‹ und die Analyse des Zeuggebrauches hat eine bestimmte Funktion im Rahmen der Klärung des­sen, was es überhaupt heißt, zu sein. Dies betrifft die berüchtigte Seinsfrage, über die man sich mit der metaphysischen Vorhandenheitsontologie der Tradition und dem auf diesem aufbauenden ›technisch naturwissenschaftlichen Weltbild‹ immer schon hinweggesetzt hatte, indem man das Phänomen der Weltlichkeit übersprang. Doch kommen wir zunächst noch einmal zurück zu der Analyse des Zeuggebrauches. Die Frage war: Wie ist es möglich, dass wir überhaupt etwas als ein Mittel zur Realisie­rung eines intendierten Sachverhaltes ansehen – nach der hier vorgestellten Analyse müsste doch streng zwischen dem Gebrauch von Zeug und dem Erfinden desselben unterschieden werden. Gebrauchen ist eine Sache, Erfinden eine andere (der Techniknutzer muss bekanntlich nur verstehen, welche Funktion ein Werkzeug oder ein Gerät hat, nicht aber, wie es funktioniert). Im Gebrauch des Zeugs ist dessen Funktion zwar immer gegenwärtig, kann aber nicht zugleich als Funktion thematisiert werden. Umgekehrt ist die Thematisierung von Funktionen eines Werkzeuges nicht mehr reiner Zeuggebrauch. Einen Schraubenzieher gebrauchen heißt, ihn und sich dabei vergessen (vgl. SuZ 354). Weil aber im Zeug­gebrauch keine Thematisierung der Funktion stattfindet, kann im Gebrauch auch nicht erschlossen werden, was man alles mit einem Schraubenzieher machen könnte, d.h. wo­für er ein Mittel sein könnte; für eine solche ›spielerische‹, nämlich Möglichkeiten des Gebrauchs durchspielende Haltung gegenüber dem Seienden wird das Hantieren im Gegenteil sehr schnell unmöglich. Dies legt die technikphilosophische These nahe, dass ontologisch

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gesehen nur Dinge Mittel sein können, also Gegenstände im Modus der Vor­handenheit, nicht aber Zeuge, d.h. Gegenstände im Modus der Zuhandenheit. Denn für Mittel ist es charakteristisch, dass sie einsetzbar, aber eben gerade dadurch auch ersetzbar sind, während Zeuge d.h. Gegenstände-im-Gebrauch in einem gewissen Sinne ›unersetzlich‹ sind. Etwas als ein Mittel zur Reali­sierung eines bestimmten Zwecks ansehen, heißt zunächst einmal nichts anderes als den Verweisungszusammenhang und damit die Zeuge in ihrer Funktionalität zu thematisie­ren. Genau dadurch aber werden Zeuge zu Dingen. Die Frage nach der Möglichkeit des Erfindens kann im Kontext der Weltlichkeits­analyse Heideggers also folgendermaßen (und präziser) gestellt werden: Wie kann etwas aus dem Modus der Zuhandenheit in den Modus der Vor­handenheit wechseln? Oder ganz kurz: Wie wird aus einem Zeug ein Ding? Offensichtlich ist es hierfür notwendig, ein zu­handenes Zeug auf seine Funktion bzw. Tauglichkeit hin zu thematisieren. Da sich das zuhandene Zeug immer nur vom dem Zeugganzen her bestimmen lässt, also aus dem Gesamtkontext des Umgangs mit dem betreffenden Zeug, dann stellt sich zunächst die Frage: Wann wird das Zeugganze, d.h. die Form des gemeinschaftlichen Le­bens, in dem die betreffenden Praxen (Umgangsformen also) statthaben, überhaupt zum Phäno­men? Dies scheint zunächst nur via negati­ onis möglich zu sein, nämlich dann, wenn die Welt in ihrem internen Ver­weisungscharakter gestört ist. Schon das einzelne Zeug fällt im Grunde nur dann auf, wenn es fehlt, ungeeignet, kaputt oder am falschen Platz ist. Heidegger spricht hier generell auch von der »Unzuhandenheit«, von der er wiederum drei Arten kennt: Die »Auffälligkeit«, die »Aufdringlichkeit« und die »Aufsäs­sigkeit« des Zeugs (SuZ 73f.). Nehmen wir zur Veran­schaulichung dieser negati­ven Modi der Zuhandenheit statt des üblichen langweiligen Hammers mal zur Abwechs­lung einen Schraubenzieher: Sie wollen also, statt Nägel in Bretter einzuschlagen, Schrauben in dieselben eindrehen, damit der elende Holzschuppen endlich fertig wird. Also nehmen Sie den Schraubenzieher und ein paar Schrauben zur Hand und machen sich an den Brettern zu schaffen. Solange alles funktioniert – prima, alles in Butter (ne­benbei gesagt, ein sehr treffendes Bild für die Weichheit und Plastizität des Zeugzu­sammenhangs)! Nun kommen Sie zu dem entscheidenden Punkt, die Schrauben

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fest­zuziehen und Sie bemerken dabei, dass sich die Spitze des Schraubenziehers verbiegt und damit seine Funktion nicht recht erfüllen kann. Je mehr Sie nun versuchen, durch Krafteinwendung die Schrauben end­lich in das Holz zu zwingen, desto mehr verbiegt sich die Spitze. Das Zeug fällt auf in seiner Dysfunktionalität. Dadurch wird es allerdings noch nicht als ein isoliertes Ding angesehen – Heidegger spricht hier aber immerhin schon von einem »Zeugding« (vgl. SuZ 73) – sondern weiterhin als Zeug, wenn auch als ein Zeug in seiner Auffälligkeit als unbrauchbares. Nun schauen Sie in ihrer Werkstatt oder ihrem Werkzeugkasten, ob Sie einen besseren Schraubenzieher finden können. Wenn Sie einen finden und ›er geht‹, tauchen Sie wie­der ab in die Praxis des Holzschuppenbauens. Aber nehmen wir an, Sie finden keinen; auch hier ginge es dann beim gesuchten Schraubenzieher immer noch um ein Zeug, das zwar ebenfalls nicht ›zur Hand‹, aber dennoch in einem weiteren defizienten Modus von Zuhandenheit ge­ genwärtig ist: Ein bestimmtes Zeug wird dringlich gebraucht und fehlt. Dies ist die Auf­dringlichkeit des Zeugs, durch die Sie als ein alltäglicher Besorger negativ des Zeugzu­sammenhangs gewahr werden können. Aber drehen wir die Schraube auch an der Geschichte noch etwas weiter: Zurück an Ihrem Arbeitsplatz manifestiert sich schließlich die Aufsässigkeit des Zeugs z.B. dann, wenn Ihnen bei einem erneuten Schraubversuch nun auch noch die Spitze des Schraubenzie­hers abbricht. Nicht der Schraubenzieher ist dabei aufsässig, sondern das Zeug, was nun in Form von Brettern und Schrauben, die ein Holzschuppen hätten werden sollen, un­erledigt vor Ihnen liegt und vorerst liegen bleiben muss. Was sich in dieser Situation einmal mehr und plötzlich zeigt, ist der Verweisungszusammenhang der Zeuge oder kurz: die Welt, wie sie ist und sie zeigt sich Ihnen zumindest in dieser Situation in einem sehr ungünstigen Licht. Einstmalige Werkzeuge können hier leicht zu Flugobjekten werden. Nun könnten Sie genervt anfangen zu überlegen, dass ein Schraubenzieher doch wirk­lich nur eine einzige Eigenschaft haben muss, nämlich dem Druck standzuhalten, den man auf ihn einwirken lässt, um Schrauben in das Holz zu drehen. Und das Teil in Ihrer Hand, was ein Schraubenzieher sein will, hat diese Eigenschaft offensichtlich nicht. In dieser Situation vergegenwärtigen Sie sich den Schraubenzieher offensichtlich in einem kategorial ande-

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ren Sinn, nämlich als vorhandenes bzw. momentan gerade nicht vorhandenes Ding mit bestimmten Eigenschaf­ten, d.h. so, wie er ihnen im Gebrauch gerade nicht erscheint. Die Auffälligkeit, Auf­ dringlichkeit und Aufsässigkeit, so kann man daher mit Hei­degger sagen, haben »die Funktion, am Zuhandenen den Cha­rakter der Vorhandenheit zum Vor­schein zu bringen« (SuZ 74). Und dieses Zum-Vorschein-bringen ist die gesuchte Voraussetzung dafür, dass wir etwas im Modus der Vorhandenheit thematisieren und damit Zeuge zu Dingen transformieren können.

3.2 Zeichen Bei der Transformation von Zeugen in Dinge spielen nun eine bestimmte Art Zeuge eine wichtige Rolle: Die Zeuge, mit denen wir zeigen, die Zeichen. Zeichen sind Zeige-Zeuge, wie Heidegger im § 17 (»Verweisung und Zeichen«) darlegt, denn Zeichen sind dafür da (erfüllen ihre Funktion darin), den Charakter der Verweisung, wie er für die Welt charakteristisch ist, eigens herauszustellen. So wie der Zusammenhang des Zuhande­nen vom Gebrauch herrührt, den man von dem Zeug macht, so auch hier: Die Bedeutung eines Zeichens, die Erfüllung seiner Zeigefunktion also, liegt in seinem Gebrauch; ein Zeichen, als Zeigezeug, ›ist‹ überhaupt nur in seinem Gebrauch. Das Zeichen hat also nicht nur selbst Verweisung­scharakter, wie notwendigerweise jedes Zeug im Unterschied zu Dingen, sondern dar­über hinaus auch noch eine Verweisungsfunk­ tion. Mit den Zeichen wird daher eine posi­tive Auszeichnung des Verweisungs­charakters der Welt bzw. des Zeugganzen möglich, der sich bei allem anderen Zeuggebrauch nur negativ, wie oben im Beispiel mit dem Schraubenzieher, erfahren werden kann. Ein Zeichen ist also so etwas wie ein Meta-Zeug, ein Zeug, mit dem der Verweisung­scharakter der Zeuge selbst noch einmal ›greifbar‹ wird. Zeigezeuge verweisen nicht nur, in dem sie zeigen, sondern sie zeigen zudem auch, dass sie verweisen (sonst würden wir etwas nicht als ein Zeichen auffassen). Deswegen kann das Zeichen überhaupt nur als Platzhalter für Unzuhandenes fungieren, ja, Zeichen haben überhaupt nur dadurch eine (Zeige-)Funktion, dass sie auf etwas, was nicht zuhanden ist, verweisen – sonst bräuchte man ja nicht zeigen, es gäbe keinen pragmatischen Grund dafür. Indem Zeichen auf nicht Zuhandenes zeigen, lassen sie eben da­

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durch den immanenten Verwei­sungscharak­ter der Welt aufscheinen, in der Weise, dass sich »die Welt­mäßigkeit des Zuhandenen meldet« (SuZ 80). Die Zeichen als Zeigezeuge bilden, wenn man so will, die ›Innenbeleuchtung‹ des Verweisungszusammenhangs. Dies erklärt auch den merkwürdigen Umstand, dass im Prinzip alles Innerweltliche zum Zeichen wer­den kann: der Westwind für (noch nicht fallenden) Regen, der Rauch für das (nicht sichtbare) Feuer, der verbogene Schraubenzieher für (stattgefunden habendes) gewalttätiges Vorgehen oder schlampige Herstellung usw. Im Prinzip kann alles, was an einer bestimmten Stelle des Verwei­ sungszusammenhang steht, also jedes Zeug auch als ein Zeichen, als ein Zeigezeug ver­wendet werden, d.h. eine Verweisungsfunktion zugesprochen bekommen. Jedes Zeug kann daher auch positiv den Verweisungszusammenhang zeichenhaft repräsentieren, man muss es nur als ein solches ›lesen‹. Insgesamt lässt sich an dieser Stelle gut sehen, dass die Frage nach dem Ursprung der Sprache und die Frage nach dem Ursprung des Werkzeuggebrauchs und damit Sprachphilosophie und Technikphilosophie eng zusammenhängen, wie ja auch immer wieder gesehen wurde (vgl. z.B. Cassirer 1930). Ein Zugang zum Verweisungszusammen­hang, negativ über die Dysfunktionalität des Zeuges oder positiv über die Zeigefunktion bestimmter Zeuge, ist nun eine, wenn nicht überhaupt die notwendige Voraussetzung dafür, etwas als ein Mittel be­stimmen zu können. Denn ein Mittel muss ja ›eingesetzt‹ werden in einen Funktionszusam­men­hang und das bedeutet, es muss gewissermaßen zunächst einmal als ein selbstständiges Ding mit be­stimmten Eigenschaften vergegenwärtigt werden. Für den, der ein Werkzeug konstru­iert, baut, repariert, testet usw. hat das Werkzeug – Hammer, Schraubenzieher oder was auch immer – daher auch nicht den Seins­charakter des zuhandenen Zeugs, sondern gerade des vorhandenen Dinges. Wer also nur Heideg­gers Analyse des Zeuggebrauchs bzw. der Zuhandenheit mit technischem Handeln oder poiesis in Verbindung bringt, hat es hier nur mit der halben Wahrheit über Technik zu tun. Durch den Gebrauch von Zeigezeugen, den Zeichen, ist es nun möglich, die funktionalen Zusam­menhänge, in denen der Zeuggebrauch sich abspielt, positiv zu ver­gegenwärti­gen. Dadurch wiederum ist es möglich, in diesen Zusammenhang planerisch einzugrei­ fen, indem zusätzliche Mittel eingeführt bzw. eingesetzt, getestet, optimiert, repariert und schließlich wie in einem Sta­pellauf dem

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lebensweltlichen Gebrauch zugeführt wer­den, wo sie als (zuhandene) Zeuge im Ozean der Selbstverständlichkeit verschwinden. Hans Blumenberg hat in Anschluss an Husserls Krisisschrift bemerkt, dass technischer Fortschritt zu einem Gutteil gerade darauf beruht, dass technische Neuentwick­lungen in die Fraglosigkeit der Lebenswelt zurückfallen (vgl. Blumenberg 1981, 37). So wird hier erklärlich, warum die Lebenswelt durch den Prozess der Technisierung im Grunde nur angereichert und affirmiert wird, und nicht, wie ja immer wieder behauptet wird, von Grund auf verän­ dert. Denn auch die avantgar­distischsten Techniken einer Zeit sind danach immer im Rahmen der Lebenswelt ange­siedelt und müssen dies auch sein, wenn sie Eingang in sie finden sollen. Die Vorausset­zung für Veränderung und Weiter­entwicklung, d.h. die Dynamik bzw. Möglichkeitsbe­zogenheit der Lebenswelt wird aber dadurch gerade beschnitten. Blumenberg hat diese These völlig ohne Rekurs auf Heidegger aufgestellt. Der Pro­zess der Technisierung der Lebenswelt kann aber mit den Kategorien von Vorhan­denheit und Zuhandenheit noch viel deutlicher ausbuchstabiert werden. Wie ist dieser merkwürdige Vorgang der Absenkung eines ge- bzw. erfundenen Mittels in die Fraglosigkeit des Umgangs mit ihm, und also die ›Rückverwandlung‹ eines Dinges in ein Zeug zu den­ken?

3.3 Vom Ding zum Zeug Technisches Handeln als Mittelfinden und -erfinden weist grundsätzlich eine Ambiva­lenz auf: Die er- bzw. gefundene Wirkmächtigkeit der Mittel ist, sobald diese Mittel in einen Gebrauch kommen und damit zu Zeugen werden, mit deren ›Bewusst­losig­keit‹ gekoppelt. Der Gebrauch von Techniken kann daher nicht als ein mehr oder weniger bewusst bzw. rational gesteuertes Bewirken von Zweckrea­lisierungen angesehen wer­den, weil Technik gerade nur dann funktioniert, wenn die Mittel nicht als Mittel (und das heißt: als Dinge) präsent sind, sondern eben als Zeuge: Technisches Handeln als Zeugge­brauch zeigt sich phänomenal gerade als ein SichVerlassen auf einen objektivierten bzw. schematisierten Vorgang, so dass der Umgang mit Zeug – im Unterschied etwa zum Erfinden von Mitteln zu bestimmten Zwecken – keinen direkt-intentionalen Charakter aufweist. Und hierzu gehört auch der Gedanke

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des ›Seinlassens‹ bzw. der ›Gelassenheit‹, der in der späteren Texten Heideggers das Korrektiv zur neuzeitlichen Technik als der letzten Ausformung metaphysischen Denkens eine große Rolle spielen wird (s.u. Kap. 7): Zum Gebrauch des Zeuges gehört schon diese ›Gelassenheit‹, das Sich-Überlassen an den Bewandtnis­ zusammenhang, die Auflösung der subjektiven Intentionalität. »Seiendes in seiner Zuhandenheit auffassen heißt: Es so und so sein lassen, wie es nurmehr ist und damit es so ist« (SuZ 84). Heidegger schreibt im § 18: »Der Seinscharakter des Zuhandenen ist die Bewandtnis« (SuZ 84). Man kann hier viel darüber rätseln, warum Heidegger neben dem Begriff der ›Verweisung‹ und der ›Dienlichkeit‹ des Zeuges auch noch den der ›Be­wandtnis‹ einführt; aber deutlich ist, dass dieser Ausdruck nicht notwendig auf eine ge­gebene Intention des Handelnden verweist, die dem Handeln allererst einen Sinn gäbe. Während wir bei intentionalistischteleologischen Handlungserklärungen unwillkürlich an jemanden denken, der einen bestimmten Zweck seines Tuns ›im Kopf‹ hat und nun sich daran macht, diesen Zweck zu verwirklichen, möchte Heidegger demgegenüber auf eine Handlungserklärung hinaus, die so etwas wie ›Zweckmäßigkeit ohne Zweck‹ zu denken erlaubt. Das heißt: Es gibt ein Handeln, nämlich den Umgang mit Zeug, in dem der Handelnde sich ›verlieren‹ kann und sogar muss, damit er handelt. Dreyfus 1991, 93, meint hier treffend: »Activity can be pur­ posive without the actor having in mind a purpose«. (Man kann hier freilich die Frage anschließen, ob der Zeuggebrauch überhaupt noch unter den Begriff des Handelns fallen soll. Ich sehe aber keinen Grund, warum man z.B. die selbstvergessenen Tätigkeiten eines Handwerkers nicht ›Handeln‹ nennen sollte.) In mancher Hinsicht ist daher eine intentionalistische Hand­ lungs­erklärung in Bezug auf technisches Handeln inadäquat: Sie verfehlt notwendigerweise gerade den springenden Punkt der ›bewusstlosen‹ Praxis des Werkzeuggebrauchs. Das Standard­modell der rationalen Handlungs­theorie, welches mit den Begriffen von Zweckintention und angenommenen Erfüllungs­mittel arbeitet, ist dagegen selbst schon an einem be­stimmten Paradigma technischen Handelns orientiert: eben letztlich dem der Erfindung von Mitteln. Eine Handlung wird, überspitzt formuliert, demgemäß dadurch erklärt, dass man das Problem rekonstruiert, zu dessen Lösung der Akteur tätig wird. Eine Handlung erklären heißt demnach zu klären, wozu sie als Mittel dient, d.h. welchen Zweck sie erfüllt. Das ist

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vollkommen berechtigt, führt aber in technikphilosophischen Begründungsfragen zu Missver­ständnissen, nämlich dann, wenn es instrumentalistisch-verkürzt aufgefasst wird. Die Erklärung technischer Hand­lungsvollzüge gelingt mit diesem Modell sozusagen zu leicht, um wahr zu sein; die Erklärung technischen Handelns ist in Wahrheit der blinde Fleck dieses Handlungs­modells, wenn es intentionalistisch verkürzt auftritt: Es ist aussichtslos, mit einem technomorphen Handlungsmodell die Spe­zifik technischen Handelns klären zu wollen. Hier könnte es nun gerade wichtig sein, den Blick auf den ›Bewandtniszusammenhang‹ des technischen Handelns überhaupt zu richten. Wenn man sich die Kette der Bewandtnisse anschaut, die unter Angabe der Funktion immer den Grund dazu gibt, wozu etwas gut ist, landet man irgendwann einmal bei ei­nem ›Grund‹, mit dem es keine Bewandtnis mehr hat. Heidegger schreibt: »Mit diesem Zuhandenen hat es seine Bewandtnis beim Hämmern (deswegen nennen wir es ›Hammer‹), mit diesem Hämmern hat es sein Bewandtnis bei Befestigung, mit dieser bei Schutz gegen Unwetter; dieser [Schutz] ›ist‹ um-willen des Unter­kommens des Daseins, das heißt, um ei­ ner Möglichkeit seines Seins willen.« (SuZ 84, Hervorhebung von mir, A.L.)

Hubert Dreyfus (1991, 91) hat in der Kommentierung dieser Stelle ein anschauliches Beispiel gelie­fert, als er sich selbst in seiner Tätigkeit als Philosophieprofessor darstellte. Ich zitiere ihn aus der englischen Originalfassung seines Kommentars – im Englischen wird deutlicher, um was es hier geht: »I write on the blackboard in a classroom with a piece of chalk in order to draw a chart, as a step to­ wards explaining Heidegger for the sake of my being a good teacher«, wobei ›in order to‹ die Übersetzung von ›um zu‹, also die Zweckbeziehung, ›for the sake of‹ die Übersetzung des ›um…willen‹, die Beziehung zum (Sinn des) Seins ist. Das, wozu ich etwas tue, wozu ich bestimmte Mittel einsetze – also der intendierte Zweck – ist immer ein Sachverhalt, ein Weltzustand, wenn man so will. Das aber, um dessen willen ich es tue ist, wie schon Aristoteles wusste, kein Sachverhalt, kein zu erreichender Weltzustand, selbst dann nicht, wenn alle wünschenswerten Zustände meiner selbst hierin einbegriffen wären. Das, worum es mir in dieser Tätigkeit geht, ist, einer Weise zu sein tätig zu entsprechen – und das ist etwas grundsätzlich anderes, als einen bestimmten Zweck zu realisieren. Weil dieses

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›Umwillen‹ – dieses Letzte, um des­sen willen wir etwas tun – nur eine Seinsweise und nicht ein Sachverhalt sein kann (und Zwecke sind immer Sachverhalte), können wir auch den Sinn technischen Handelns in letzter Hinsicht nicht darin suchen wollen, welcher Zweck mit ihm erreicht werden soll. Die Grenzen technischer Verfügbarkeit werden hierbei deutlich: Wenn es sich bei der Existenz um eine Seinsweise handelt, der Welt­lichkeit notwendig (d.h. ›existenzial‹) einbegriffen ist, dann kann die technische ›Machbarkeit‹ aus ontologischen Gründen – und nicht etwa nur aus ethischen oder faktisch-kontingenten – nicht auf unsere Existenzbewältigung ausge­dehnt werden. Technisches Handeln bleibt dagegen not­wen­digerweise auf innerweltliche Sachverhalte bezogen. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass die Frage, wie wir leben wollen und sollen, kein Problem ist, das sich irgendwie technisch, also durch Einsatz geeigneter Handlungsschemata als Mittel zur Realisierung des Zweckes ›Daseinsbewältigung‹ lösen ließe. Am Ende steht sogar zu vermuten, dass es nicht nur keine technische, sondern gar keine ›Lösung‹ des Existenzproblems gibt. Dies nicht etwa deswegen, weil es so schwierig wäre, sein Leben zu führen; es verhält sich vielmehr so, mit Marcel Duchamp gesprochen, dass es keine Lösung gibt, weil es kein Problem gibt. Man muss, umgekehrt, so weit gehen: Einen bestimmten Weltzusammenhang als ein zu lösendes Problem anzusehen, heißt schon, ihn im Rahmen technischer Bewältigung zu sehen. Das Denken über Technik sollte sich daher entschlagen, ›die Technik‹ und die mit ihrer Entwicklung zusammenhängenden Erscheinungen im Rahmen technischer Problemlösungen zu diskutieren, denn damit würde begrifflich schon das investiert, was eigentlich erst erlärt und verstanden werden soll.

4. Die stille Kraf t des Möglichen

Das fundamentalontologische Projekt von Heideggers Sein und Zeit war der Versuch, jedwedes metaphysische Denken zu ›destruieren‹, also abzubauen bzw. zu unterlaufen. Das Denken sollte wieder in einen Bezug zu den verschiedenen möglichen Weisen, zu sein gebracht werden, von denen sich die abend­ländische Metaphysik und Philosophie auf eine einzige verlegt hatte, indem sie alles Seiende auf sein dauerndes Vorhandensein, auf seine Substanzhaftigkeit hin zurichtete. Dies ist auch schon im Kern das, was nach Heidegger die technische Denkform charakterisiert. Unter dieser Voraussetzung nimmt es nicht Wunder, dass Heidegger die neuzeitliche Technik als die konsequenteste Ausprägung metaphysischen Denkens verstand. Technik wie Metaphysik geht es letztlich darum, Bestände zu sichern. Die Analyse der Weltlichkeit, wie wir sie im vorangegangenen Kapitel nachgezeichnet haben, ist aber im Kern selbst noch metaphysisch infiziert. Heidegger selbst hat dies immer wieder bemerkt; seine Auseinan­dersetzung damit kann geradezu als der Keim seiner späten Technik­philosophie angesehen werden. Es lohnt sich, dieser Erfahrung des Denkens nachzugehen; dafür ist es notwendig, den fundamentalontologischen Rahmen der Weltlichkeitsanalyse nachzuliefern, was in diesem Kapitel geschehen soll. Heideggers Denken der Technik in den 30er bis 50er Jahren wird dadurch als eine Radikalisierung und als Reflexion der in Sein und Zeit vorgelegten Analysen lesbar. Einen guten Einstieg in Sinn und Zweck des fundamentalontologischen Projektes bietet sich die – auch aus technikphilosophischer Sicht interessante – Kritik Heideggers an der philosophischen Anthropologie an.

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4.1 Fundamentalontologie als Anti-Anthropologie In seinem zwei Jahre nach Sein und Zeit erschienenen Buch Kant und das Problem der Metaphysik schrieb Heidegger metaphysik- und anthropologiekritisch: »Ursprünglicher als der Mensch ist die Endlichkeit in ihm« (KPM 206). Dieser Satz kann geradezu als das Motto der Heideggerschen Fundamentalontologie als Anti-Anthropologie gelten. Die Zurückweisung der philosophischen Anthropologie als technikphilosophische Begründungsdisziplin, wie wir sie im ersten Kapitel am Beispiel Gehlens besprochen haben, findet einen starken Rückhalt in Sein und Zeit, ja sie lässt sich sogar als ein Hauptmotiv der ja frei von anthropologischen Aussagen konzipierten Weltlichkeits­analyse ansehen. Unter den Bestimmungen, die eine Anthropologie vornimmt, müssen ja solche vorkommen, die sich auf das beziehen, was überhaupt der Mensch sei bzw. nicht sei, was also sein Wesen oder seine Natur ausmacht – sonst wäre es keine Anthropologie. Die zahllosen Möglichkeiten, wie solche Bestimmungen vorgenommen werden können, sind der Grund für den Reichtum der Diskussionen auf anthropologischem Gebiet. Für Heidegger allerdings ist gerade die Vielfalt anthropologischer Ansätze ein Indiz dafür, dass die Konstitution des spezifischen Gegenstandsbereiches der Anthropologie ungeklärt ist. Worüber möchte eine Anthropologie denn überhaupt sprechen? Sie fragt nach dem Menschen bzw. nach dem, was das Menschsein ausmacht – aber muss sie damit nicht schon voraussetzen, dass es ein bestimmbares, fixes Wesen des Menschen gäbe? In dem Buch über Kant und das Problem der Metaphysik, das für eine Kritik an der Anthropologie neben dem ersten Kapitel von Sein und Zeit den wichtigsten Text Heideggers darstellt, heißt es weiter:

»Keine Zeit hat so viel und so Mannigfaltiges vom Menschen gewusst wie die heutige. Keine Zeit hat ihr Wissen vom Menschen in einer so eindringlichen und bestrickenden Weise zur Darstellung gebracht wie die heutige. Aber auch keine Zeit wusste weniger, was der Mensch sei, als die heutige. Keiner Zeit ist der Mensch so fragwürdig geworden wie der unsrigen.« (KPM 206)

Noch im Vortrag »Die Zeit des Weltbildes« von 1938 bringt Heideg-

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ger diese Diagnose mit der Anthropologie in Verbindung: »Anthropologie ist jene Deutung des Menschen, die im Grunde schon weiß, was der Mensch ist und daher nie fragen kann, wer er sei. Denn mit dieser Frage müsste sie sich selbst als erschüttert und überwunden betrachten« (HGA 5, 103, Hervorhebung von mir, A.L.). Warum dies? Nun: In einer philosophischen Anthropologie wird nach dem Wesen des Menschen gefragt; eine Wesensaussage liegt zum Beispiel in der berühmten Definition des Menschen als des vernunftbegabten Lebewesens vor. Wenn eine solche Wesensaussage getroffen werden soll, muss sie sich schon auf einen bestimmten Gegenstandsbereich beziehen, in unserem Falle also auf den Bereich der Lebewesen. Wegen der Bezogenheit ihrer grundlegenden Definitionen auf einen bestimmten Gegenstandsbereich kann aber dann eine Anthropologie nicht eine fundamentale, sondern muss immer eine regionale Ontologie sein, d.h. sie wird den Menschen immer nur in Abgleich mit Nicht-Menschlichem bestimmen können. Die Gedanken nehmen dann die Form an: »Der Mensch ist wie ein Tier, aber doch ganz anders als ein Tier« oder »Der Mensch ist wie Gott, aber doch ganz anders als Gott«. Weil das so ist, kann die Anthropologie nicht in eine philosophische Fundamentalstellung rücken, denn sie setzt immer schon ontologische Bestimmungen voraus. In diesem Sinne schreibt Heidegger zur Abgrenzung seiner Analyse des Daseins von der Anthropologie:

»Die für die traditionelle Anthropologie relevanten Ursprünge, die griechische Definition [des Menschen als vernünftiges Lebewesen, A.L.] und der theologische Leitfaden [der Auffassung des Menschen als Gottes Ebenbild, A.L.], zeigen an, dass über einer Wesensbestimmung des Seienden ›Mensch‹ die Frage nach dessen Sein vergessen bleibt, dieses Sein vielmehr als ›selbstverständlich‹ im Sinne des Vorhandenseins der übrigen geschaffenen Dinge begriffen wird.« (SuZ 49)

Im abschließenden vierten Abschnitt des Kantbuches, der eine ausführliche Kritik der Anthropologie beinhaltet, heißt es entsprechend:

»Wenn der Mensch nur Mensch ist auf dem Grunde des [durch Endlichkeit charakterisierten, A.L.] Daseins in ihm, dann kann die Frage nach dem, was ursprünglicher ist als der Mensch, grundsätzlich keine anthropologische sein. Alle Anthropologie, auch die philosophische, hat den Men-

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schen schon [n.b.: in bestimmter Weise, A.L.] als Menschen ge­setzt.« (KPM 207)

Wie immer es also ein Anthropologe auch anstellen mag, er kann als regionaler Ontologe immer auf seine allgemeine (oder ›fundamentale‹) Ontologie hin befragt werden und die muss auch für ihn eine nicht-anthropologische sein. Mit Heideggers eigenen Worten: Über die »Wesensbestimmung des Seienden ›Mensch‹ [bleibt] die Frage nach dessen Sein vergessen« (SuZ 49). So kommt Heidegger dazu, eine jegliche Anthropologie »Metaphysik des Menschen« (HGA 4, 61) zu nennen, wobei metaphysisch genau dasjenige Denken ist, das nach Heidegger die fundamentale Frage nach dem Sinn von ›Sein‹ nicht mehr stellt. Denn in der anthropologischen Grundfrage »Was ist der Mensch?« ist das, was wir mit dem Wörtchen ›ist‹ meinen, immer schon übergangen bzw. vorausgesetzt. Was, so die radikal ansetzende Frage Heideggers, wenn der Mensch auf eine ganz andere Weise ›ist‹? Die anthropologische Fragestellung ist demnach erst zu begründen in einer die Bedingungen der Möglichkeit jedweder Ontologie untersuchenden Fundamental­ontologie. Diese ist eben das Unternehmen, den Horizont zu eröffnen, innerhalb dessen die Frage nach dem Sinn desjenigen – was wir mit ›ist‹ jeweils meinen – überhaupt zu stellen ist. Jede Anthropologie fasst den Menschen schon so, als wäre er etwas Vorhandenes, letztlich also als ein Ding (als Träger bestimmter Eigenschaften). Heidegger zeigt die Wichtigkeit, Weisen des Seins zu unterscheiden mit der Frage »Wer ist der Mensch?« (statt: »Was ist der Mensch?«) an: Wir können auf diese Frage nicht durch die Angabe einer Wesensbestimmung (also etwas Allgemeinem) antworten, sondern nur durch die Angabe eines sich auf Individuelles beziehenden Namens. »Was ist der Mensch?« könnte also eine Frage sein, die von Grund auf falsch gestellt ist, weil wir dabei schon eine bestimmte, dem Menschen inadäquate Seinsweise, die wir bei der Frage voraussetzen, unterstellen. Der Mensch hat kein ›Was‹ im Sinne eines Wesens, einer Essenz. Freilich spricht auch Heidegger vom Wesen des Menschen, vom Wesen des Seins, hier aber durchweg nicht als essentia im Sinne der Metaphysik, also einer irgendwie grundlegenden Eigenschaft, sondern im Sinne der substantivierten Form des Verbs ›wesen‹, wie er im Deutschen in den Zusammensetzungen ›anwesen‹, ›verwesen‹,

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›abwesen(d)‹ etc. fassbar ist. Das Wesen des Menschen in diesem Sinne ist demnach nichts anderes als seine Weise zu sein, d.h. seine Existenz, die eben nicht bloße Vorhandenheit, sondern konstitutiv selbstbezüglich ist. Existieren bedeutet: Sorgen, d.h. sich um sein Sein (be)kümmern. Heidegger geht es in seiner Fundamentalontologie nun gerade darum, zu zeigen, dass ›der Mensch‹ in einem bestimmten Sinne nicht vorhanden ist und ihm aus diesem Grunde auch kein Wesen qua Essenz zugeschrieben werden kann (weshalb es Heidegger vorzieht, erst gar nicht vom Menschen zu sprechen, sondern vom ›Dasein‹). Angesichts anderer Seinsweisen als der der Vor­handenheit sind wir dennoch – aufgrund unserer ›Seinsver­gessenheit‹ – geneigt dazu, alles Denkbare als vorhanden aufzufassen (vgl. SuZ 49), d.h. als Vorkommen unter ande­rem. Die Vorhandenheitsontologie aber muss selbst fundiert sein in einer, wie Heidegger sich ausdrückt, »Genealogie der verschiedenen möglichen Weisen von Sein« (SuZ 11), d.h. einer Herkunftslehre der verschiedenen Seins­ weisen. Denn erst eine solche würde es erlauben, nach dem Sein des Menschen zu fragen, anstatt es in der Weise der Vorhandenheit vorauszusetzen. Die Anthropologie und, wie Heidegger in vielen Schriften nicht müde wurde zu betonen, die gesamte neuzeitliche Subjektphilosophie einschließlich Hegels hat dagegen schon die grundlegende Operation technischen Denkens und Handelns in ihrem Rücken, da sie den Menschen im Grunde substanzontologisch, d.h. als Träger bestimmter Funktionen und Eigenschaften auffasst: »Jede Idee von ›Subjekt‹ macht noch […] den Ansatz des subiectum (hypokeimenon) ontologisch mit, so sehr man sich auch ontisch gegen die ›Seelensubstanz‹ oder die ›Verdinglichung des Bewusstseins‹ zur Wehr setzen mag« (SuZ 46). Worum sich eine Fundamentalontologie, die diesen anthropologischen Fehlschluss vermeiden will, nach Heidegger vor allem zu kümmern hat, ist eine Revision der »Ausgangsbasis des neuzeitlichen philosophischen Fragens« (SuZ 46), des cartesischen cogito sum. Während Descartes und ihm folgend der Rationalismus, der deutsche Idealismus bis hin zu Husserl allein das cogito analysieren, um festen Boden zu erlangen, stellt die Analytik Heideggers explizit »die ontologische Frage nach dem Sein des sum« (SuZ 46), das mindestens ebenso ursprünglich angesetzt werden muss wie das cogito. In der Neuzeit werde gerade dies abgeblendet, wobei doch erst eine Klärung der Seinsweise

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des Daseins – also eine Analyse dessen, was ›sum‹ bedeutet – dazu beitragen könnte, auch die Seinsart der cogitationes bzw. des Bewusstseins begreiflich zu machen. Die Unterstellung, das Dasein, das Bewusstsein, das Subjekt usw. seien irgendwie gegeben bzw. vorhanden, so wie beliebige andere Gegenstände gegeben bzw. vorhanden seien, ist nun aber gerade die Grundoperation technischen Denkens: Etwas, ein Seiendes, wird in der Seinsart des Vorhandenseins als einsetzbar in im Prinzip beliebige Funktionszusam­ menhänge gedacht. Diese Voraussetzungen sind metaphysischer Herkunft, die sich der Welt tendenziell schon im Modus der Technik nähern. Nun springen wir in ein scheinbar völlig anderes Thema. Es wird sich zeigen, dass es aufs Engste mit dem Thema »Neuzeitliche Technik als Konsequenz metaphysischen Denkens« verknüpft ist.

4.2 »Heil Heidegger!« An einem schönen Herbsttag des Jahrs 1987 wurden nichts Böses ahnende Passanten in der Nähe französischer Zeitungskioske von 15 cm hohen schwarzen Lettern angesprungen. Die Libération titelte: »Heil Heidegger!« Was war geschehen? Am Tag zuvor war das Buch über Heidegger und den Nationalsozialismus von Victor Farías in der französischen Übersetzung erschienen. Man hatte es natürlich gewusst, dass Heidegger mit der Übernahme des Rektorats der Universität Freiburg Ende April 1933 und dem feierlichen Eintritt in die NSDAP am 1. Mai ganz klar sich auf die Seite der Nazis geschlagen hatte und sich für ihre Sache einsetzte, ja vielleicht hatte man sogar gewusst, dass Heidegger auch noch nach dem gescheiterten Rektorat auf Hitler als einem Überwinder des Nihilismus setzte. Vielleicht hatte man vor Farías’ Buch noch nicht gewusst, dass Heidegger bis 1945 Mitglied der NSDAP war. Und vielleicht hatte man, anders als im deutschsprachigen Raum, wo seit 1962 die von Guido Schneeberger herausgegebene Nachlese zu Heidegger die wichtigsten Dokumente für Heideggers NS versammelte, in Frankreich nie vorher so massiv und im Falle Farías auch suggestiv sich mit dem Nazi Heidegger konfrontieren lassen müssen. Aber all dies erklärt nicht, wieso das Buch einen solchen Wirbel im Feuilleton und in den Salons verursachte. Farías geht zu-

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dem in seinem Buch äußerst fragwürdig vor; es wird reichlich viel konstruiert und spekuliert und Spekulationsergebnisse werden wie Fakten weiterbehandelt (vgl. hierzu Aubenque 1988). Aber die Provokation bestand nicht in den Geschichtsklitterungen, sondern in den Konsequenzen, die Farías aus der geglätteten Geschichte und Psychologie Heideggers gezogen hat. Mehr als er an den philosophischen Texten belegen kann, behauptet Farías, »dass das Denken Heideggers sich in und durch diese Beziehung [zum Nationalsozialismus, A.L.] in Übereinstimmung mit seiner ganzen eigenen Vergangenheit« – gemeint ist hier die Herkunft aus dem katholischen Kleinbürgertum Meßkirchs, das einstmals zu Vorderösterreich gehörte – »und mit einer ganzen Epoche artikuliert und dass sich in dieser Beziehung die spätere Entwicklung dieses Denkens in wesentlichen Punkten abzeichnet« (Farías 1987b, 44). Es lag wohl eher an folgendem: Nicht ganz so extrem wie Adorno, der in einem Brief die Heideggersche Philosophie für »bis in ihre innersten Zelle faschistisch« (Adorno 1971, 637) hielt, behauptete nämlich auch Farías, dass Heideggers Nationalsozialismus und sein Denken nicht voneinander zu trennen sind. Emmanuel Faye hat mit seinem 2005 erschienenen Buch Heidegger, l’introduction du nazisme dans la philosophie diese These noch überboten und behauptet, dass Heidegger, wie der Titel des Buches sagt, den Nazismus in die Philosophie eingeführt hätte. Während Fayes These nur eine relativ kleine Aufregung verursachte – das Buch wurde sehr schnell als noch weniger seriös als sein Vorgänger angesehen – löste die Farías-These rund 20 Jahre früher in einer weitgehend politisch links orientierten Heideggerrezeption in Frankreich sehr heftige und lang andauernde Irritationen aus. Viele sahen sich auf einmal durch diese These vor die Frage gestellt, ob nicht ihr eigenes Denken damit ein untergründiges Verhältnis zur Unmenschlichkeit und zur Gewalt unterhielte. Die Trennung von Werk und Person, die im Falle Heideggers in Frankreich lange gut funktionierte, war auf einmal nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Streit wurde auf höchster Ebene geführt, unter Beteiligung solcher hommes des lettres wie Derrida, Blanchot, Aron, Bourdieu, Levinas, Baudrillard oder Lacoue-Labarthe. In der Tendenz kam man zu dem Ergebnis, dass es sich bei Heideggers Naziengagement weder um Unfall noch Irrtum handelte (vgl. Lacoue-Labarthe 1987, Altwegg 1988, 122). Heideggers öffentlicher Einsatz für die Nazis beschränkt sich

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nun allerdings auf die Jahre 1933/34; danach tritt er den Rückzug an. Ob es sich dabei nun um eine Art ›innere Emigration‹ handelte, wie manche wissen wollen, oder eher um den Ausdruck einer Kränkung darüber, dass die Nazis ihn, der den Führer geistig führen wollte, nicht zum Zuge kommen ließen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die ganze Diskussion über Heidegger und die Politik, sofern sie von philosophischem Interesse ist, lässt sich mit Pierre Aubenque auf folgenden größten gemeinsamen Nenner bringen: »Heidegger war eine zeitlang Nazi und danach nie ein engagierter Anti-Nazi« (Aubenque 1988, 133). Mehr an Fakten braucht nicht zu wissen, wer sich auf die Suche nach einer inneren Verbindung des Denkens und Handelns Heideggers machen will, und nur diese Frage scheint mir im ›Fall Heidegger‹ allerdings von philosophischer, ja sogar technik­philosophischer Relevanz zu sein. Denn es ist nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit dem Faschismus als »brutale Erscheinungsform des Nihilismus« (Vietta 1989, 18) und Aufgipfelung der metaphysischen Denkform im Politischen, die Heideggers spätes Denken der Technik präfiguriert. Man kann sagen, sein Denken über Technik ist (immer auch) als eine Auseinander­setzung mit seinem eigenen Denken zur Zeit seines NS-Engagements lesbar; Heidegger litt in gewisser Weise an der Metaphysik, auch und gerade an seiner eigenen. Deshalb ist das heikle Thema von großem technikphilosophischem Interesse. In der Folge des Streites um das NS-Engagement Heideggers sind Studien erschienen, die in Heideggers Texten eine Antwort auf die Frage suchen, warum er Nazi wurde. Stellvertretend für viele soll hier nur auf die die umfangreiche Studie von Dieter Thomä verwiesen werden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es sehr wohl einen internen Zusammenhang zwischen der Philosophie Heideggers, auch schon derjenigen von Sein und Zeit, und dem politischen Heidegger von 1933 gibt, zwar nicht im Sinne eines Programms, aber doch in Verbindung mit den internen Widersprüchen und dem Scheitern von Sein und Zeit (vgl. ähnlich auch schon Derrida 1987, Franzen 1988). Auch hier soll eine ganz ähnliche Position vertreten werden. Es geht allerdings dabei nicht an, sich wie Farías sich einfach auf eine mehr oder weniger kunstvoll konstruierte Faktensammlung zu berufen und die Texte Heideggers wie Fakten neben anderen zu behandeln. Es muss, etwa gegen Faye 2006, betont werden: Heideggers Denken hat nicht viel gemein mit dem, was man ›Philosophie des Nationalsozialismus‹

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zu nennen sich gar nicht traut. Es sind nicht allein die Schwierigkeiten mit der Fakultät und dem Kultusministerium gewesen, die Heidegger das Amt schon ein Jahr nach Antritt niederlegen ließen (vgl. hierzu Ott 1992, 180ff.), sondern mittelbar auch die mehr oder wenige offene Feindschaft der Naziphilosophen wie Rosenberg, Baeumler, Jaensch und Krieck. Alfred Rosenberg war als Reichsleiter des Amtes Wissenschaft ein Chefideologe der Nazis und ließ, kurz nach Heideggers Ablehnung seines (zweiten) Rufes nach Berlin ein Gutachten von Erich Jaensch über Heidegger anfertigen, das diesem vollends die Möglichkeiten größerer Aufgaben, wie etwa die Führung einer geplanten nationalsozialistischen Akademie, versperrte. Ernst Krieck fuhr schon im Februar 1934 einen öffentlichen Angriff gegen den noch amtierenden Rektor Heidegger in der nationalsozialistischen Zeitschrift Volk im Werden: »Der Sinn dieser Philosophie [Heideggers, A.L.] ist ausgesprochener Atheismus und metaphysischer Nihilismus, wie er sonst vornehmlich von jüdischen Literaten bei uns vertreten worden ist, also ein Ferment der Zersetzung und Auflösung für das deutsche Volk. In Sein und Zeit philosophiert Heidegger bewusst und absichtlich um die ›Alltäglichkeit‹; nichts darin von Volk und Staat, von Rasse und allen Werten unseres nationalsozialistischen Weltbildes. Wenn in der Rektoratsrede […] plötzlich das Heroische anklingt, so liegt darin eine Anpassung an das Jahr 1933, die im völligen Widerspruch zur Grundhaltung von Sein und Zeit (1927) und Was ist Metaphysik? (1931) mit ihrer Lehre von der Sorge, der Angst und dem Nichts steht« (zit.n. Schneeberger 1962, 225f., vgl. hierzu auch Aubenque 1988, 135).

Man könnte es sich anhand dieser Stelle einfach machen und sagen: Wenn jemand wissen musste, was zu einer nationalsozialistischen Philosophie gehört – und Heideggers Denken entsprach dem offensichtlich nicht – dann war es sicherlich Ernst Krieck. Aber so einfach ist es freilich nicht. Einmal deswegen, weil Heidegger noch 1935 in der Vorlesung »Was ist Metaphysik?« von der »inneren Wahrheit und Größe« (HGA 40, 208) des National­sozialismus spricht, die sich in seiner Realexistenz nicht mehr ohne weiteres wieder finden ließe. Dann aber auch deswegen: Es stimmt zwar, dass Heidegger die biologistische Rassenlehre, die einen zentralen Punkt der Naziideologie darstellte, immer abgelehnt hat; weiter-

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hin stimmt es, dass Heidegger die ›Werte‹ des Nationalsozialismus ablehnte – dies aber schon deswegen, weil er die Orientierung an Werten überhaupt und damit auch die Wertphilosophie als Ausdruck eines metaphysischen Subjektivismus‹ angriff. Entgegen Kriecks Behauptung spricht Heidegger allerdings sehr wohl schon 1927 in Sein und Zeit vom ›Volk‹ und die Töne, die er dabei anschlägt, sind sehr wohl schon ›heroisch‹. In Heideggers Hauptwerk kann man sie vor allem in Zusammenhang mit dem Begriff der Geschichtlichkeit hören. ›Geschichtlichkeit‹ ist nun einerseits derjenige Begriff, auf den die Analyse menschlichen Daseins in Heideggers Sein und Zeit hinausläuft, andererseits auch derjenige Begriff, der eigenen Aussagen nach eine große Rolle bei seiner Option für die Nazis gespielt haben muss. Ein wichtiges Indiz hierfür stellt eine Äußerung Heideggers gegenüber Karl Löwith dar, die dieser in seinem Bericht Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933 überliefert: 1936, anlässlich eines Vortrages Heideggers in Rom, wohin sein ehemaliger Schüler und Vertrauter Löwith wegen seiner jüdischen Herkunft emigriert war, trifft sich dieser mit der Familie Heidegger zu einem Ausflug nach Tusculum und Frascati. Heidegger trug sein Parteiabzeichen am Revers und Löwith befragte ihn nach den Gründen seiner Parteinahme für den Nationalsozialismus, die er, Löwith, im Wesen der heideggerschen Philosophie verankert sähe. Löwith schreibt: »Heidegger stimmte mir ohne Vorbehalt zu und führte aus, dass sein Begriff von der ›Geschichtlichkeit‹ die Grundlage für seinen politischen ›Einsatz‹ sei« (Löwith 1986, 57f.). Der Begriff der Geschichtlichkeit hat zudem eine zentrale Funktion im fundamentalontologischen Projekt, ja, auf diesen Begriff läuft es, wie gesagt, geradezu hinaus. Die hier zugrunde liegende These lautet: Das Projekt der Fundamentalontologie scheitert sichtbar in der Konzeptionalisierung von Geschichtlichkeit. Dies aber weist, wie zu zeigen sein wird, zurück auf eine reduktive Auffassung menschlicher Endlichkeit als Sein zum Tode. Diese wiederum ist nur deswegen möglich gewesen, weil die Analyse der Weltlichkeit, wie wir sie im dritten Kapitel rekonstruiert haben, in ihrem Pragmatismus überzogen war und daher Endlichkeit nicht in Alteritätsbeziehungen sowohl zu Personen als auch zu den Dingen selbst gedacht wird. Letztlich ist es also die Unterbestimmung des Dingbegriffs in der Weltlichkeitsanalyse gewesen, die sowohl für das Scheitern der Fundamentalontologie als auch für die begin-

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nende Auseinandersetzung mit dem Denken der (neuzeitlichen) Technik verantwortlich ist – ein Dingverständnis, das genau der Bahn des Denkens folgt, das Heidegger später als wesentlich metaphysisch-technisch erkennen wird. Dies soll nun Schritt für Schritt entwickelt werden.

4.3 Yorck, Dilthey und die Seinsfrage Zunächst: Was überhaupt und wann nennen wir etwas ›geschichtlich‹? Hier kann man grob zwei verschiedene Weisen des Begriffsgebrauchs unterscheiden. ›Geschichtliche Ereignisse‹ sind solche, von denen wir meinen, dass sie tatsächlich stattgefunden haben, im Unterschied zu solchen, die in Sagen, Legenden und Mythen erzählt werden, bei denen wir nicht davon ausgehen. Eine zweite Bedeutung von ›Geschichtlichkeit‹, wie man sie schon bei Hegel und Schleiermacher finden kann – und diese Bedeutung ist es, die uns hier interessiert – wird zur Bezeichnung eines spezifischen Grundzugs des Menschlichen bzw. Geistigen verwendet. ›Geschichtlich‹ sind hier nicht die Ereignisse, sondern die Menschen; dies allerdings nicht nur in dem Sinne, dass sie, wie alles andere auch, eine Geschichte haben, sondern dass sie zu ihrer Herkunft und Zukunft in ein Verhältnis treten und sich auch nur über diese Geschichte in ihrem Wesen verstehen können. Man kann von allem eine Geschichte erzählen, aber nur die Menschen können dies von und über sich. ›Geschichtlichkeit‹ drückt, wie auch die entsprechend verwendeten Begriffe ›Endlichkeit‹ (s.o.) und ›Zeitlichkeit‹, in diesem zweiten Sinne ein Mehr gegenüber bloßer Vergänglichkeit oder Mangel an Vollkommenheit aus. Dieses Mehr besteht darin: Die Menschen als geschichtlich existierende Wesen sind aufgrund dieses Verhältnisses zu der Beschränktheit der Möglichkeiten ihrer Existenz immer auch in der Lage, den Horizont dieser Möglichkeiten zu erweitern oder enger zu ziehen. Was ›der Mensch‹ als solcher ist, ist daher zunächst einmal unentschieden oder besser: in Entscheidung begriffen; das Wesen des Menschen ist nichts einfach hin Gegebenes. Es ist diese Unabgeschlossenheit, die die Geschichtlichkeit der Menschen ausmacht, die daher nur ein anderer Name ihrer Freiheit ist. Der Briefwechsel von Yorck und Dilthey aus den Jahren 1877 – 1897 spielt für die Entwicklung und Klärung dieses Begriffes

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von Geschichtlichkeit eine entscheidende Rolle. Im Jahre 1923 erscheint der Briefwechsel und er muss für Heidegger so etwas wie eine Offenbarung gewesen sein, wie eine Stelle am Schluss des Geschichtlichkeitskapitels in Sein und Zeit zeigt, wo er schreibt, dass es ihm darum gehe, »den Geist des Grafen Yorck zu pflegen, um dem Werke Diltheys zu dienen« (SuZ 404). Weitere Indizien, die für die Wichtigkeit des Dilthey/Yorckschen Konzeptes der Geschichtlichkeit für Heidegger sprechen: Mit Ausnahme der Anmerkungen zu Husserl (SuZ 38, 47, 50), in denen aber kaum inhaltlich Bezug genommen wird, geht Heidegger in Sein und Zeit nirgends sonst so ausdrücklich positiv auf Gedanken anderer Philosophen ein als an der genannten Stelle zu Yorck und Dilthey (negativ bezieht sich Heidegger freilich ausführlich auf andere Denker, so vor allem auf Descartes und immer wieder Hegel, aber eben nur abgrenzend, im Falle Hegels etwa in § 82 geradezu grobschlächtig, vgl. hierzu genauer auch Luckner 2001, 176ff.). Heidegger selbst schreibt zu Anfang des § 77: »Die vollzogene Auseinanderlegung des Problems der Geschichte [und damit der Zeitlichkeit des Daseins überhaupt, A.L.] ist aus der Aneignung der Arbeit Diltheys erwachsen. Sie wurde bestätigt und gefestigt durch die Thesen des Grafen Yorck, die sich verstreut in seinen Briefen an Dilthey finden« (SuZ 397). Zudem ist es auch nicht zufällig, dass der systematische Aufbau von Sein und Zeit mit der Erörterung der Geschichtlichkeit abbricht. Es folgt zwar noch das Kapitel über den Ursprung dessen, was Heidegger den »vulgären Zeitbegriff« nennt, aus der so genannten Innerzeitigkeit des Daseins. Dort wird aber nur nachgeliefert, was aufgrund der »existenzialen Interpretation« der Grundstruktur des Daseins als Zeitlichkeit erst möglich wird zu erklären: nämlich woher es kommt, dass wir gemeinhin Zeit »vulgär« bzw. verdinglicht als etwas auffassen, worin alle Geschehnisse sich befinden. Der Bug des Interpretationsschiffes aber teilt die Wellen im vorangehenden Kapitel über die Geschichtlichkeit, während die §§ 78-82 einen Blick zurück ins Kielwasser der Interpretation darstellen. Der Schlussparagraph des vorletzten, mit »Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit« überschriebenen Kapitels, kann daher als der vorläufige Zielpunkt des ganzen Unternehmens angesehen werden, ja, es dürfte nicht übertrieben sein zu behaupten, dass die These Diltheys und Yorcks, die Heidegger als Zeugen für die »Geschichtlichkeit des Lebens« aufruft, geradezu den Kristallisa-

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tionspunkt des Unternehmens von Sein und Zeit, das ja ein Torso geblieben ist, bildet. Worin besteht nun die Geschichtlichkeit des Menschen? Yorck schreibt an Dilthey: »Dass die gesammte psychophysische Gegebenheit nicht ist, sondern lebt, ist der Keimpunkt der Geschichtlichkeit« (Dilthey/Yorck 1923, 71; vgl. SuZ 401). Heidegger merkt zum Wörtchen ›ist‹, wie es Yorck hier gebraucht, an, dass es sich hierbei um ›Sein‹ im Sinne des Vorhandenseins der Natur handelt, wie es etwa ein Naturwissenschaftler thematisiert. Wenn die spe­ zifische Seinsweise des Lebendigen nicht berücksichtigt wird, wenn demnach auch historische Ereignisse nicht in ihrer Einbettung in das Leben, sondern als Fakten, die in bestimmten kausalen Zusammenhängen stehen, gesehen werden, gerät man, so Yorck und Dilthey, leicht in eine reduktionistisch-historistische Auffassung von Geschichte, wie sie etwa Ranke vertrat, der meinte, es ginge in der Historie in einem objektivistischen Sinne darum, ›wie es eigentlich gewesen ist‹. Das heißt nun umgekehrt nicht etwa, dass Geschichte etwas Subjektives sei; vielmehr ist die Geschichte der Boden, auf dem zu einer bestimmten Zeit überhaupt so etwas wie ein ›exzentrisches‹ Subjekt seiner Objektwelt gegenüber allererst zu stehen kommen kann. Diese Zeit war für Heidegger mit Yorck und Dilthey zu Ende gekommen; schon Yorck schien das zu ahnen, als er an Dilthey schrieb: »Die Wellenschwingungen, hervorgerufen durch das excentrische Prinzip, welches vor mehr als vierhundert Jahren eine neue Zeit heraufführte, scheinen mir bis zum Äußersten weit und flach geworden zu sein, die Erkenntniß bis zur Auf hebung ihrer selbst fortgeschritten, der Mensch so weit seiner selbst entrückt, dass er seiner nicht mehr ansichtig ist.« (Dilthey/Yorck 1923, 83; vgl. auch SuZ 401)

Yorck von Wartenburg zeichnet mit der Unterscheidung von bloß ›Ontischem‹ und ›Historischem‹ der Sache nach das Programm (auch des späten) Heideggers vor, verschiedene ›Seinsweisen‹ zu unterscheiden. »Lebendige Historie« im Sinne Yorck und Diltheys ist alles andere als ein Abschildern vergangener Fakten des Lebens, sondern vielmehr Kritik des Lebens (vgl. Dilthey/Yorck 1923, 19; vgl. SuZ 401) – ›Kritik‹ im Sinne der Bestimmung gegebener Möglichkeiten. Diese Kritik betrifft nach Yorck auch die Philosophie selbst: Wenn sie sich selbst nicht als geschichtlich begreifen würde

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– d.h. nicht nur als ›historisch bedingt‹, sondern als über die Zeit hinweg existierend – bliebe »in methodischer Beziehung ein metaphysischer Rest« (Dilthey/Yorck 1923, 69; vgl. SuZ 402). In der Philosophie muss es demnach primär und überhaupt erst einmal darum gehen, die Geschichtlichkeit des Menschen zu verstehen bzw. so zu beschreiben, dass hier nicht im Sinne eines Kategorienfehlers inadäquate Vorstellungen an das Feld des geistigen Lebens herangetragen werden. Die Grenze der Lebensphilosophie Yorcks und Diltheys liegt nun nach Heidegger darin, dass sie die Differenz verschiedener Seinsweisen zwar aufweist, nicht aber selbst den Boden aufsucht, auf dem diese Differenz zu bestimmen allererst möglich wird. Diesen Boden nennt Heidegger das Sein. Um ontologische Unterscheidungen treffen zu können, die uns den Bereich dessen, was ist (›des Seienden‹) strukturieren, muss das Sein – also das Wie der Gegebenheit, aus dem heraus wir diese ontologischen Unterscheidungen treffen – irgendwie schon vorausgesetzt und uns zwar bekannt, aber, mit Hegels Worten, deswegen noch lange nicht erkannt sein. Bevor wir ontologisch bestimmen können, was es alles gibt, müssen wir wissen, wie etwas uns gegeben ist. Dies ist wohlgemerkt keine erkenntnistheoretische Frage, denn jede Erkenntnistheorie zumal transzendental­philosophischer Prägung hat schon eine bestimmte Ontologie (z.B. die von ›Subjekten‹, die sich auf ›Objekte‹ beziehen) investiert, weshalb für Heidegger Erkenntnistheorie logischerweise schon unter Metaphysik und damit Dogmatismus fällt. Von der Phänomenologie Husserls übernimmt er vielmehr die Forderung, dass vor aller Gegenstandsanalyse die möglichen Gegebenheitsweisen von beliebigem Seienden analysiert und geordnet werden müssen. Die Beantwortung der Frage, wie, d.h. auf welche Weise beliebiges Seiendes ›ist‹ bzw. sein kann, ist, wie wir im vorangehenden Kapitel sahen, das selbst gestellte Ziel des Projektes einer Fundamentalontologie. Diese ist, als Genealogie möglicher Seinsweisen (vgl. SuZ 11), eine Lehre davon, woher es überhaupt kommt, dass wir bestimmte ontologische Bestimmungen treffen und andere nicht. Was Dilthey und Yorck nur thetisch als Geschichtlichkeit des Daseins vorbringen, wird daher in Sein und Zeit methodisch eingeholt und man kann die erschienenen Teile von Sein und Zeit als philosophische Begründung der Dilthey-Yorck-These lesen. Wie soll eine solche Genealogie der Seinsweisen bzw. Funda-

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mentalontologie methodisch durchgeführt werden? Das Problem der Lebensphilosophie, so hörten wir, bestand darin, dass mit ihr bloß behauptet wird, dass es verschiedene Weisen des Seins gibt, so dass ein Mensch nicht nur etwas anderes ist als ein Stein oder eine Fledermaus, sondern anders ist als Stein oder Fledermaus. Nun können wir zwar wissen, was ein Stein oder eine Fledermaus ist – im Rahmen einer bestimmten, vorausgesetzten Ontologie –, aber wir können nicht wissen, wie es ist, eine Fledermaus, geschweige denn ein Stein zu sein. Was wir aber wissen können, ist, wie es ist, ein Mensch zu sein. Und hier muss eben dann auch die Analyse beginnen, die wie die heideggersche zum Ziel hat, die Frage nach dem, was ›Sein‹ überhaupt bedeutet, für die Philosophie als deren Grundfrage wiederzugewinnen. Die berühmte und oftmals als ominös empfundene ›Seinsfrage‹ bei Heidegger hat somit gar nichts Geheimnisvolles oder gar Metaphysisches an sich. Im Gegenteil: Die Seinsfrage stellt die ontologischen (d.h. metaphysischen) Reduktionen, die darin liegen, alles, was es überhaupt gibt, mit Begriffen wie z.B. Substanz und Eigenschaft, Subjekt und Objekt, Bewusstsein und Gegenstand bzw. Außenwelt in den Griff zu bekommen, in ein kritisches Licht. Für die Erörterung der Seinsfrage allerdings den Titel »Fundamentalontologie« zu wählen, war – Heidegger sieht dies später im Rückblick selbst so (vgl. ÜH 47f.) – einigermaßen unglücklich, denn es handelt es sich ja offensichtlich gerade nicht um eine ›noch tiefer liegende‹ Ontologie. Die Fundamentalontologie will gerade kein Begründungsprojekt sein, sondern sie stellt nach Aussage ihres Projektleiters vielmehr die ›Destruktion‹ ontologischen Denkens dar. Es handelt sich also, wenn man so will, um eine analytische Philosophie im Sinne einer Freilegung der jede Ontologie tragenden begrifflichen Fundamente, also um eine Reflexion auf ontologische Festlegungen. Dadurch soll gerade die Fixierung des Denkens an bestimmte Seinsweisen gelöst werden, denn es gibt andere mögliche Weisen des Seins, die dem Denken zugänglich sind. Insgesamt geht es bei alledem um eine Befreiung des Denkens aus den Ketten ontologischer Vorurteile. Dieser emanzipa­torische Charakter des Heideggerschen Denkens, den etwa sein Schüler Herbert Marcuse gesehen hat, sollte nicht aufgegeben werden. Wir wollen nun sehen, welche systematische Funktion der von Yorck und Dilthey übernommene Begriff der Geschichtlichkeit im Aufbau der existenzialen Analyse Heideggers hat.

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4.4 Sorge, Eigentlichkeit, Zeitlichkeit Zunächst einige terminologische Klärungen, die in Bezug auf Heideggers Denken heutzutage oft notwendig sind: Die Weise, wie der Mensch ist, die Seinsweise des Menschen, nennt Heidegger, abweichend vom in der Philosophie herkömmlichen Sprachgebrauch, Existenz. Um Verdinglichungstendenzen, die mit dem Ausdruck ›Mensch‹ verbunden sind, zu umgehen, spricht Heidegger vom ›Dasein‹. Der Begriff ›Dasein‹ hat allerdings etwas andere logisch-grammatische Eigenschaften als der Begriff ›Mensch‹. So gibt es keinen Plural von Dasein, so dass sich Dasein durchaus auch auf eine Gemeinschaft von Menschen beziehen kann; man kann auf das Dasein nicht zeigen, es hat keine raum-zeitliche Existenz, sondern begreift Raum und Zeit in sich. Dennoch ist es universalisierbar: geschichtliches Dasein ist überindividuell, es gibt, wie gesagt, auch das Dasein einer Gemeinschaft. In allen diesen Eigenschaften hat der Begriff ›Dasein‹ eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Begriff ›Geist‹, dessen Nachfolge er in Absetzung von jeglicher Kulturphilosophie, die nach Heideggers Meinung lediglich ›blutarme‹ Geistkonzeptionen vertritt, antreten soll. So wie Heidegger das Wort verwendet, ›existiert‹ nur der Mensch bzw. das Dasein; Dinge ›existieren‹ nicht, sondern sind ›vorhanden‹. Wir haben nun zumindest implizit ein Wissen davon, was es heißt, zu existieren, bzw. sein Dasein auf Erden zu fristen. Dieses Wissen lässt sich durchaus explizieren und analysieren und man ist, wenn man hierbei phänomenologisch sauber vorgeht, nicht gezwungen, irgendwelche ontologischen Konstruktionen hinter den Analysen aufzustellen. Diese Analyse der Existenz führt auf nicht weiter rückführbare Bestimmungen der Existenz, die Heidegger – in Analogie zu Kategorien bei Gegenstandsbestimmungen – Existenzialien nennt. Der zweite Abschnitt, mit dem Sein und Zeit in der veröffentlichten Form auch schon endet (in der Einleitung wurden immerhin sechs Abschnitte in Aussicht gestellt, vgl. SuZ 39f.) enthält neben weiteren Analysen, deren methodischer Status noch genauer zu betrachten ist, vor allem »eine ursprüngliche existenziale Interpretation« (SuZ 231) der Ergebnisse dieser Existenzial­­­ analyse, worunter dann eben auch die Bestimmung des Begriffes der Geschichtlichkeit fällt. Das Dasein (vulgo: der Mensch als solcher) ist im Unterschied

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zu beliebigen Dingen, wie wir hörten, nicht einfach vorhanden. Dass wir existieren bedeutet, dass wir in einer solchen Weise ›sind‹, dass es uns in unserem Sein um dieses Sein geht, also kurz: dass wir ein Verhältnis zu unserem Sein haben. Diese selbstbezogene Grundstruktur des Daseins nennt Heidegger ›Sorge‹. Erst aufgrund dieser Sorgestruktur des Daseins sind die Dinge und Personen, mit denen wir in Verbindung treten, in einem Bewandtniszusammenhang, d.h. sie bilden unsere Welt. Die Vorstellung, wir hätten es in unserer Welt primär mit beobachtbaren Gegenständen zu tun, mit denen wir dann praktisch in Beziehungen treten, ist die Grundkonstruktion modernen wissenschaftlichen Bewusstseins, das aber den Phänomenen des In-der-Welt-seins nicht adäquat ist. Denn dort haben wir es primär mit Bewandtniszusammenhängen zu tun, die nur, wenn sie gestört sind, so etwas wie Gegenständlichkeit bzw. Dinghaftigkeit zulassen, wie wir im vorangehenden Kapitel sehen konnten. Nun könnte man sagen, dass sich doch auch die Ameisen – wie man aus der Fabel weiß, im Unterschied zu den Grillen – ›sorgen‹, dass es ihnen doch auch um ihr Sein geht. Aber das ist nicht gemeint. ›Sorge‹ betrifft nicht irgendein individuelles oder artspezifisches Selbsterhaltungsprogramm, sondern einen Selbstbezug, der hinsichtlich Ziel und Mittel allererst gestaltet werden muss. Wir sind demnach so, dass wir erst werden müssen und was wir werden, ist nirgends festgeschrieben bzw. programmiert, sondern nur in einem Entwurf unseres Lebens zugänglich (auch diejenigen, die etwa sagen, dass der Mensch durch seine Gene programmiert sei, haben einen solchen Entwurf: eben den des programmierten Menschen). Daher existieren wir immer auch so, dass wir uns durch diesen Entwurf ›schon vorweg‹ sind, d.h. die Gestalt unseres Lebens antizipieren. Damit beziehen wir uns auf unser Seinkönnen bzw. auf die Möglichkeiten, die wir jeweils als die unsrigen erachten. Das nennt Heidegger die ›Existenzialität‹ des Daseins oder auch dessen ›Sich-vorweg-sein‹. Andererseits aber sind uns diese Möglichkeiten überhaupt nur zugänglich und verstehbar, weil wir uns immer schon in einer Welt von Bezügen und Ansprüchen befinden, in die wir, wie Heidegger sich ausdrückt, ›geworfen‹, d.h. herkunftsmäßig bestimmt sind. Das nennt Heidegger auch die ›Faktizität‹ des Daseins oder das ›Schon-sein-in‹. Existenzialität (›Sich-vorweg-sein‹) und Fa­k­ti­ zität (›Schon-sein-in‹) sind nicht aufeinander reduzierbar, sie sind

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›gleichursprüngliche‹ Strukturelemente des Daseins bzw. der Sorge. Hinzu kommt als drittes Element dasjenige, was Heidegger das ›Verfallen‹ nennt. Damit ist gemeint, dass wir als faktisch Existierende die unaufhebbare und nicht zu tilgende Tendenz haben, in den Weltbezügen, in denen wir immer schon stehen, aufzugehen. Das liegt daran, dass wir nicht, wie es die neuzeitliche Konstruktion will, von vorneherein als weltlose Subjekte einer Objektwelt gegenüberstehen, was sich phänomenologisch gar nicht ausweisen lässt und zudem zu den bekannten aporetischen erkenntnistheoretischen Problemen führt, wie sie der Cartesianismus über die Jahrhunderte mit sich führte (das Problem der Existenz der Außenwelt u. ä.). Nach Heidegger sind wir immer schon bei den Dingen und Sachverhalten und mit anderen (mehr oder weniger für uns wichtigen) Leuten, indem wir schon in die Strukturen die Welt eingelassen sind und haben es im Grunde erst dann mit ›Objekten‹ oder überhaupt Gegenständen zu tun, wenn wir Strukturelemente der Lebenswelt unter bestimmten Gesichtspunkten (gar nicht mal erst in den Wissenschaften) als solche thematisieren. Die Welt ist also eine Funktion des individuell und sozial vorstrukturierten Daseins, nicht umgekehrt. Jeder von uns ist in eine Welt gesetzt, die aus Ansprüchen, Bewandtnissen, Sinnzusammenhängen besteht, und die er mit seinen eigenen Entwürfen und Projektierungen gemeinsam mit anderen (ob er will oder nicht) mitgestaltet und auf die er angewiesen ist, um zu existieren – nicht nur in einem physischen Sinne, sondern überhaupt. Bezüglich dieser in seinen Grundelementen analysierten Seinsweise des Menschen gibt es nun zwei Grundmöglichkeiten des Existierens: Jeder von uns kann in seinem Weltaufenthalt ›er selbst‹ sein – Heidegger nennt dies die ›Eigentlichkeit‹ des Daseins – oder aber nicht eigentlich er selbst, nämlich ›man selbst‹ sein – entsprechend ›Uneigentlichkeit‹ genannt. Das, was Heidegger nun sich hat auffallen lassen, ist die nur scheinbare Selbstverständlichkeit, dass vollgültige, das heißt als solche anerkannte Personen – Leute wie Du und Ich also – zumeist gar nicht ›sie selbst‹ sind, d.h. unselbstständig existieren. Nicht nur Kinder, nein, Personen überhaupt können und sind oft unselbstständig, nicht im Sinne einer Eigenschaft, die an ihnen kleben würde, sondern im Sinne einer zumindest zeitweiligen Weise, zu sein bzw. zu existieren. Meistens halten wir uns an das, was man von uns will, was man

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sagt, macht und tut, was üblich ist usw. Aus der Sicht der Theoretiker einer freien (aber zunächst einmal weltlosen) Subjektivität könnte dies nur als ein Mangel beschrieben werden und so kommt es auch, dass die meisten philosophischen Anthropologien mit dem Konzept des Mängelwesens Mensch operieren, der die Institutionen einerseits, die Technik andererseits zur Kompensation seiner Mangelhaftigkeit nötig hat. Wo ein Mangel ist, ist aber auch ein Ideal und es ist eben dieses anthropologische Ideal, das Heidegger angreift, indem er die Institutionalität als wesentliches (›existenziales‹) Moment des Daseins ausmacht und nicht als auf einen logisch primären Mangel sich beziehendes sekundäres Kompensat. Woher kommt es aber dann, dass wir nicht immer oder sogar nur selten ›wir selbst‹ sind? Offenbar ist es der Existenzstruktur (›Sorge‹) nach sogar möglich, sein ganzes Leben in Uneigentlichkeit zu verbringen; in der Tat sieht Heidegger diesen Fall vor, denn nur das Verfallen und damit die Unselbstständigkeit oder Uneigentlichkeit bilden ein konstitutives Merkmal der Grundstruktur des Existierens. Das Verhältnis von Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit als den beiden möglichen Grundweisen des Existierens ist daher auch nicht so zu verstehen, als hätten wir es mit zwei Möglichkeiten zu tun, die hier zur Option eines Entscheidungssubjektes stünden. Dies wäre ein existentialistisches Missverständnis (vgl. hierzu Kuhl/Luckner 2007, auch schon Luckner 2001), denn es gibt ja nach dem Aufriss der existenzialen Analyse gar kein eigentliches Leben jenseits von Institutionalität. Sie selbst (also: ›eigentlich‹) kann eine Person nur durch eine, wie Heidegger sagt, »existenzielle Modifikation des Man« (SuZ 130) sein. Dies bedeutet, dass sie zu dem, was sie, immer schon in Institutionen gebunden (also: ›uneigentlich‹) tut und denkt, wiederum ein Verhältnis gewinnt. Damit aber kann sie sich die bestimmten herrschenden Regeln und Standards des Denkens und Handelns aneignen, d.h. als für sie gültig anerkennen, oder aber mit ihnen brechen und neue Wege gehen, was letztlich nichts anderes heißt, als gemeinsam mit anderen an neuen Institutionen zu arbeiten. Dies sind nur die beiden Extreme des Umgangs mit Institutionen, alle Grade dazwischen sind möglich und es handelt sich hierbei um Entscheidungen einzelner Personen. Die ›Eigentlichkeit‹ – oder auch: Selbstständigkeit – der Person besteht also gerade darin, darin, einen bestimmten Umgang mit den Institutionen zu finden. Da wir faktisch in diesen Institutionen leben, ist

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aber die Uneigentlichkeit des Daseins keine Option unserer Wahl: Wir können uns nicht dafür entscheiden, unselbstständig zu sein, denn Unselbstständigkeit heißt eben: sich nicht entscheiden zu können. Wegen des Strukturmomentes ›Verfallenheit‹ ist die Angewiesenheit auf Institutionen aber nicht etwas, was überwunden werden könnte: Solange wir existieren, besteht die Tendenz zur Institutionalisierung des Tuns (eben ›Verfallenheit‹). Es verhält sich bei den Institutionen daher wie mit dem Beton, von dem ein alter Werbespruch sagte, dass es darauf ankäme, was man aus ihm mache. Entsprechend hier: Um sich als Person in den Stand der Eigentlichkeit versetzen zu können, d.h. in dieser Welt der Bezüge selbstständig zu werden und eigentlich selbst sein zu können, benötigt eine Person das, was Heidegger ›Entschlossenheit‹ nennt. Dieser Begriff ist nun auch zentral für unser Thema und er führt uns einen Schritt weiter in Richtung Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit. Mancher assoziiert mit dem Ausdruck ›Entschlossenheit‹ vielleicht aufgepflanzte Bajonette oder eine militärpolitische Sprechblase und hat damit so etwas wie Rücksichtslosigkeit im Sinn. Aber man muss sich nur einmal den Gegenbegriff, nämlich ›Unentschlossenheit‹ vor Augen führen, um zu sehen, dass es sich bei Entschlossenheit nicht um eine aggressivkriegerische Tugend handelt, sondern dass dieser Begriff in enger Verbindung zu solchen wie ›Selbstständigkeit‹, ›Verantwortung‹, ›Courage‹, ›moralische Stärke‹ steht, die durchaus das Gegenteil von Rücksichtslosigkeit implizieren. Aus systematischen Gründen kann es sich nun bei dem existenzanalytischen Begriff der Entschlossenheit nur um ein rein formales Konzept handeln, denn schließlich ist sie so etwas wie das principium individuationis und daher per se inhaltlich nicht allgemein bestimmbar. Der bekannte Witz, der unter Heideggers Marburger Studenten kursierte: »Wir sind ja alle so entschlossen, wir wissen nur noch nicht, wozu« trifft daher nicht wirklich den Nerv des Gedankens (obwohl es natürlich trotzdem ein guter Witz ist). Denn es ist im Rahmen der Existenzanalyse aus notwendigen Grün­ den nichts Allgemeines darüber auszumachen, was man da tut, wenn man entschlossen ist, selbst zu sein. Das muss eben wirklich jeder selbst sehen, weil das gänzlich abhängig ist von der Situation, in der sich der Einzelne befindet (und nur so ist er überhaupt ›der Einzelne‹). Zusammenfassend könnte man also sagen: »ich existiere«

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heißt, dass ich, ausgehend von herkunftsmäßigen Bestimmungen der Welt, in die ich eingelassen bin, im Horizont eines Entwurfes dessen, was ich als Person allgemein oder als diese konkrete Person sein kann, den Bezug zu diesen Bestimmungen als ganzes fremd- oder selbstbestimmt gestalten kann. Dies alles sind nun offenbar zeitliche Bezüge, so dass Heidegger die Zeitlichkeit als den »Sinn der Sorge« (SuZ 301) bezeichnet, d.h. dasjenige was ›Sorge‹ im Grunde bedeutet. Sich um sein Dasein sorgen heißt, einen zeitlich strukturierten Selbstbezug zu besitzen, während z.B. ein Selbsterhaltungstrieb nicht in diesem Sinne zeitlich strukturiert ist, weil er als Trieb nur auf Gegenwärtiges geht – und damit auf Präsenz. Aufgrund der ihm eigenen Zeitlichkeit ist es dem personalen Dasein möglich, in seine zukünftige Ganzheit per Entwurf ›vorzulaufen‹ und von daher auf seine eigene Gegenwart zurückzukommen und sie aufgrund der sich darbietenden Möglichkeiten zu gestalten. Heideggers Akzent liegt dabei auf der Zukünftigkeit des Daseins. ›Zukunft‹ ist also nicht ein Jetzt, was noch nicht ist – eine solche Zeit bzw. Zukunftsvorstellung nennt Heidegger ›vulgär‹ – sondern eine ›Ekstase‹, d.h. ein Bereich, in den das Dasein hinaus steht. Aus der Zukunft, wie sie im Entwurf zugänglich ist, kommt es auf sich zurück. Nicht weil sie in der Zukunft existierten (das tun sie offensichtlich nicht), sind Personen also ›zukünftig‹, sondern weil die Zukunft eine Dimension ihrer Existenz ist. Ähnlich hatte schon Augustinus im 11. Buch der Confessiones die Zukunft als Gegenwart der Zukunft, und die Zeit allgemein als ›Ausdehnung der Seele‹ (distentio animi) bestimmt. Der Begriff ›Zeitlichkeit‹ verweist nicht darauf, dass wir in der (irgendwie schon vorausgesetzten) Zeit leben, sondern dass wir als Zeit leben. Die Beschreibung, dass wir als Personen zu einem Zeitpunkt t 1 und dann zu einem Zeitpunkt t2 existieren, wobei wir es dann auf mysteriöse Weise schaffen, dieselben zu bleiben, obwohl wir uns dabei sogar verändern (können), ist eine von Grund aus schiefe und phänomenologisch auch völlig unausgewiesene Beschreibung. Das Selbst setzt sich nicht wie aus lauter kleinen Mosaikteilchen bestehend zu einem Bild oder wie Einzelbilder zu einem Film zusammen (denn: wer würde hier dann zusammensetzen?), sondern gerade umgekehrt: die Zeitlichkeit der Person, ihre Erstrecktheit als Zeit ermöglicht, eine bestimmte Gegenwart als solche zu bestimmen – wenn wir hier

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personale Mosaikteilchen antreffen, haben wir es daher eher mit Anzeichen eines Persönlichkeitszerfalls zu tun. Dem ›eigentlich selbst sein‹ und dem ›uneigentlich selbst sein‹ entsprechen nun verschiedene Modi der Zeitlichkeit: der uneigentlichen Existenzweise die ›Alltäglichkeit‹ (vgl. SuZ 334ff.) der eigentlichen Existenzweise die ›Geschichtlichkeit‹ (vgl. SuZ 372ff.). Die Alltäglichkeit zeichnet sich durch all die Eigenschaften der Zeiterfahrung aus, die wir eben aus dem Alltag kennen: man ›hat nie Zeit‹ oder ›alles geht seinen Gang‹, die Minuten ›fließen nur so dahin‹ oder ›dehnen sich endlos‹, es gibt Zeitdruck (Stress) oder Zeitleere (Langeweile) usw. Die Zeit hat in allen diesen Phänomenen einen quasi-objektiven Charakter, erscheint wie eine fremde Macht und es ist ein Abstraktum dieser Zeitlichkeit qua Alltäglichkeit, die wir als ›Weltzeit‹ mit Uhren und Kalendern messen und datieren. Das unselbstständige Da­sein weicht seiner Endlichkeit aus und hält sich an das nur gerade Wirkliche, nicht an seine existenziellen Möglichkeiten. Die Zeitlich­keit des Wirklichen ist daher das ›Heute‹, der Alltag. Die Vergan­genheit wird rein aus der Gegenwart, dem Heute verstanden und die uneigentliche Existenz sucht nur das, was die Vergangenheit hinter sich lässt, eben das ›Moderne‹, das immer Neue. Auch der Blick auf die Geschichte selbst kann davon infiltriert sein, so dass in der Geschichte immer nur das interessiert, was ›schon damals‹ fast wie heute war und damit den ›Fortschritt‹ anzeigt. Dagegen wird im eigentlichen Dasein Ge­schichte als »›Wiederkehr‹ des Möglichen« (SuZ 391), nicht als Fort­schritt des Wirklichen verstanden. Das eigentliche personale Selbstsein existiert dagegen geschichtlich, d.h. in einer bewussten Beziehung auf seine Herkunft und in Hinblick auf den Entwurf seiner selbst, seiner Zukunft. Weil auch hier gilt, dass die eigentliche Form die existenzielle Modifikation der uneigentlichen ist, hat es nach Sein und Zeit auch keinen Sinn, darauf zu hoffen, dass man dauerhaft nichtalltäglich existieren könnte, sozusagen im Zustande ewiger Eigentlichkeit. Denn dann existierte man überhaupt nicht: Alltäglichkeit und Verfallenheit an Institutionen ist ein Existenzial, etwas, was wir nicht überwinden können, ja, noch nicht einmal uns stimmig denken können. Aber wir können die Institutionen ändern oder uns aneignen (und sie allein dadurch schon verändern). ›Geschichtlich‹ und damit ›eigentlich‹ existieren wir dabei nicht schon dann, wenn wir in

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einer die Spielräume des Denkens und Handelns bestimmenden Geschichte kontingenter Weise stehen, sondern erst dann, wenn wir die auf uns gekommenen Seinsmöglichkeiten als die unsrigen begreifen und sie uns aneignen – auch und gerade solche, welche noch niemals aktualisiert worden sind. Dies ist nicht im Sinne eines Rückgreifen auf Bewährtes zu verstehen, so wenn wir uns z.B. einfach nur an das Übliche halten – gerade das bedeutet ja Uneigentlichkeit –, sondern im Sinne einer »Wiederholung« (SuZ 385), einer Reaktivierung von Seinsmöglichkeiten unter den Vorzeichen einer veränderten Situation, die es uns ermöglicht, sozusagen ›nach vorne heraus‹, der Zukunft zugewandt zu leben. Nicht ein Traditionalismus ist also mit dem Begriff der Geschichtlichkeit angezeigt, sondern das Begreifen der eigenen Situation als eine, die Seinsmöglichkeiten birgt, d.h. gerade als historisch gewordene offen ist hinsichtlich der Zukunft. ›Geschichtlich existieren‹ heißt: ins Offene gestaltend hinein leben zu können, insofern die Gegenwart dem zum Selbstsein entschlossenen personalen Dasein eine Fülle von überlieferten Seinsmöglichkeiten bietet. Nur wenn die bezüglich der Handlungsspielräume historisch bedingte Situation weder sklavisch im Sinne einer ›Logik der Sachzwänge‹ bedient noch schwärmerisch einfach überflogen wird, sondern die in ihr liegenden Seinsmöglichkeiten als reale bzw. zu realisierende erkannt und sich angeeignet, d.h. ergriffen werden, existieren wir geschichtlich. Damit liegt die Aufgabe der Geschichte als Historie darin, die »stille Kraft des Möglichen« (SuZ 394) zu überliefern, nicht in der Herstellung einer kausalen Ordnung tatsächlich sich ereignet habender Fakten, sondern durch die Erschließung des Entwurfs- und Möglichkeitshorizontes gewesenen Daseins. Das zentrale Thema der Historie ist damit die Erschließung und Bewahrung von Seinsmöglichkeiten, so Heidegger in Anschluss an Dilthey und Yorck. Nur deswegen kann sie sich überhaupt an bestimmte Fakten als Spuren personalen Daseins halten, denn dass bestimmte Geschehnisse histo­risch relevant, also überhaupt ›historische‹ Ereignisse sind, ist überhaupt nur aus einem Bereich der Daseinsmöglichkeiten heraus bestimmbar und thematisierbar.

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4.5 Ein verkürzter Begrif f von Endlichkeit Soweit eine formale Rekonstruktion der heideggerschen Existenzial­ ontologie, die ich für methodisch vertretbar und ernst zu nehmen halte, bei der aber ein wichtiger – um nicht zu sagen: entscheidender – Teil noch fehlt. Ungeklärt ist hier noch die Frage: Wie wird man ›eigentlich selbst‹? Wie führt man die »existenzielle Modifikation des Man« durch? In einer anderen Terminologie: Wie kommt man dazu, sich als eine autonome Persönlichkeit zu begreifen? Gibt es hierfür Kriterien? Damit sich eine Person dazu entschließt, sie selbst zu sein und sich aus der Alltäglichkeit und dem Dahinlaufen ihrer Existenz herauszureißen, benötigt sie irgendwie einen Zugang zu sich als Ganze, sie muss auf sich zurückkommen können, denn nur dann kann sie ihr Leben ›in die Hand nehmen‹, das Leben selbst ändern und nicht nur etwas in ihrem Leben ändern. Dass es ein solches Auf-sich-Zurückkommen gibt, zeigt Heidegger eindrücklich in seinen berühmten Analysen der Angst und des Gewissens, wo es – unreflektiert im ersten, reflektiert im zweiten Falle – jeweils ›ums Ganze‹ der betreffenden Person geht. Wie und auf welcher Grundlage dies möglich ist, ist allerdings damit noch nicht gezeigt, und erst, wenn diese Frage beantwortet ist, werden Phänomene wie Angst und Gewissen in ihrer existenzialen Dimension überhaupt verständlich; diese Phänomene verweisen uns auf die dem Dasein zugrunde liegende Endlichkeit qua Zeitlichkeit. Die Frage lautet allgemein formuliert: Wie kann sich das Dasein als ein Ganzes überhaupt erfahren? Paradox scheint dabei zu sein, dass es dazu ja gleichsam ›außer sich‹ sein müsste. Aber genau das meinen wir, wenn wir z.B. sagen, dass wir uns ›mit den Augen eines anderen‹ betrachten. Eine analoge Frage wäre: Wie kann das Auge sich selbst sehen? Nun, es muss in einen Spiegel schauen und ganz ähnlich ist es auch bezüglich des personalen Daseins, nur dass wir es hier freilich nicht mit einem räumlichen, sondern mit einem zeitlichen Spiegel zu tun haben, nämlich mit dem jeweils eigenen Ende des Lebens, mit dem Tod als der, wie Heidegger sagt, äußersten, d.h. »unüberholbare[n] Möglichkeit des Daseins« (SuZ 258f.), nämlich mit der Möglichkeit seines Nichtseins. Das Dasein erfährt sich als ein Ganzes, wenn es sich auf diese äußerste Möglichkeit seiner selbst hin entwirft, in seinen Tod ›vorläuft‹ und mit diesem Grenzgang von innen an den

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Horizont der äußersten Möglichkeit auch die Möglichkeit hat, auf sich als ein ganzes Leben ›zurückzukommen‹. Der Unterschied von eigentlichem und uneigentlichem Dasein besteht bei Heidegger dann genau darin, dass das uneigentliche personale Dasein vor diesem durch die Angst gegebenen Selbstverhältnis flieht, sich zerstreut und ausweicht. Das eigentliche, selbstständige personale Dasein zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass es ›angstbereit‹, d.h. eben ›entschlossen‹ der Angst standhält bzw. ihr nicht ausweicht: eine Form existenzieller Tapferkeit. Der methodische Fehler, der Heidegger dabei mehr oder weniger bewusst unterläuft, ist dabei folgender: War das ›Sein zum Tode‹, wie es sich in Angst und Gewissen manifestiert, als Beispiel prägnant, identifiziert er nun an systematisch zentraler Stelle die Angst ums Dasein mit der Todesangst und damit die Bezogenheit des Daseins auf sich als Ganzes (›Sein zum Ende‹, ›Endlichkeit‹) allein mit dem Sein zum Tode. Paradigmatisch für die Endlichkeit bzw. das Ganzseinkönnen eingeführt, wird ihm das Sein zum Tode unter der Hand zur einzigen Form der Endlichkeit. Es sind aber durchaus andere Formen von Endlichkeit neben der Mortalität denkbar, die Heidegger schlichtweg nicht diskutiert. Wieso soll ein Dasein sich nur angesichts seines Todes als ein Ganzes erfahren können? Haben nicht viele Philosophen, wie z.B. Augustinus oder der junge Hegel, davon gesprochen, dass man durch die Liebe, von der man sagt, dass sie selbst den Tod überwindet, ›ganz‹ wird? Auch die Liebe wäre ja, als Verhältnis zu einer anderen Person, ein ›Sein zum Ende‹, also eine Form von Endlichkeit als Erfahrung eigener Grenzen, und auch sie wäre ein Verhältnis, das nicht auf Institutionalität (dem ›Man‹) beruht, sagt man doch treffend von der Liebe, dass sie keine Regel und kein Gesetze kennt. Obwohl Heidegger dieses Verhältnis zur anderen Person, die Liebe als Vollbegriff einer unentfremdeten Alterität, im Begriff der »eigentlichen Fürsorge« (SuZ 122) sogar kennt und analysiert, macht er dies unbegründeter Weise nicht in systematischer Hinsicht fruchtbar. Heidegger selbst fragt sich zu Anfang des Geschichtskapitels: »Ist denn in der Tat das Ganze des Da­seins hinsichtlich seines eigentlichen Ganzseins in die Vorhabe der existenzialen Analyse gebracht?« (SuZ 372). Diese Rückfrage erstaunt doch einigermaßen, Heidegger selbst macht schließlich damit darauf aufmerksam, dass der Tod nur ein Ende ist, über das ein personales Dasein sich

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auf sich selbst beziehen kann, während es in der Konzeption der Entschlossenheit als das einzige Ende erscheint, von dem aus wir auf uns selbst zurückkommen können. Nun sagt er, die Geburt sei das »andere Ende«, nämlich der Anfang und erst »das Seiende ›zwischen‹ Geburt und Tod stellt das ge­suchte Ganze dar« (SuZ 373). Aber man muss sich fragen, warum er dies erst an dieser Stelle und nicht schon an der Stelle diskutiert, an der er die Endlichkeit personalen Daseins mit der Mortalität identifiziert. Wieso also stellt er erst hier und nachträglich ein ›Sein zum Anfang‹ als Form der Endlichkeit heraus? Hannah Arendt war es, die dieses ›Sein zum Anfang‹ unter dem Titel Natalität (natality) als die elementare Fähigkeit des Menschen, etwas von Grund auf neu beginnen zu können, konzipierte (vgl. Arendt 1958/1981, 243) Dies ist allerdings ein ›Sein zum Anfang‹, von dem Heidegger nichts wissen will. Die faktischen Seinsmöglichkeiten, auf die hin sich das personale Leben entwirft, können für Heidegger weder ›neu geschaffene‹ im Sinne der Natalität noch zusammen und in Auseinandersetzung mit anderen Personen erschlossene im Sinne der Alterität sein, sondern ausschließlich aus dem »Erbe« (SuZ 383) stammen. Das Erbe wiederum können nur solche Personen antreten, die sich selbst als endliche, was hier nur heißt: sich als Todgeweihte begreifen. Nur solchen würde sich nach Heidegger die testamentarischen Möglichkeiten gewesenen Daseins überliefern, die sie dann in situationsadäquater Weise aktualisieren bzw. ›wiederholen‹ können: Dadurch übernehmen sie ihr »Schicksal« (SuZ 384). Heidegger schreibt in diesem Zusammenhang: »Die ergriffene Endlichkeit der Existenz reißt aus der endlosen Mannigfaltigkeit der sich anbietenden nächsten Möglichkeiten des Behagens, Leichtnehmens, Sichdrückens zu­rück und bringt das Dasein in die Einfachheit seines Schicksals« (384), wobei hier eben allein die Mortalität, nicht etwa Natalität oder gar Alterität entscheidend sind. Mit ›Schicksal‹ ist dabei durchaus kein Fatalismus angesprochen; denn die Seinsmöglichkeiten sind dem personalen Dasein zwar ›geschickte‹ d.h. von gewesenem personalen Dasein überlieferte, aber diese müssen doch auch eigens angenommen, ja sogar »erwidert« (SuZ 386) werden. Man kann sie auch verfehlen. Durch die entschlossene Wahl in Hinblick auf die eigene Endlichkeit überliefert sich das Dasein in der heideggerschen Fassung selbst dem Tod »in einer ererbten, aber gleichwohl gewählten Möglichkeit« (SuZ

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384). Dies ist eben kein Paradox, wenn wir die zugrundeliegende Da­seinsstruktur im Blick behalten, die es dem Dasein ermöglicht, verfallen oder aber eigentlich sein zu können. Dennoch gilt: Jeder ist mit seinem Schicksal allein, und eben das soll dann das Gemeinsame sein. Aus diesem Solipsismus des Seins zum Tode heraus versucht Heidegger so die bislang vernachlässigte Dimension der Gemeinschaft mit anderen Personen zu rekonstruieren. »Wenn aber das schicksalhafte Dasein als Inder-Welt-sein wesenhaft im Mit­sein mit Anderen existiert, ist sein Geschehen ein Mitgeschehen und bestimmt als Geschick. Damit bezeichnen wir das Geschehen der Gemeinschaft, des Volkes« (SuZ 384). Was also für den Einzelnen sein Schicksal, ist für die Gemeinschaft das ›Geschick‹. Sechs Jahre später, in der Rektoratsrede, heißt es denn auch über die Deutschen: »Dies Volk wirkt an seinem Schicksal, indem es seine Geschichte in die Offenbarkeit der Übermacht aller weltbildenden Mächte des menschlichen Daseins hineinstellt und sich seine geistige Welt immer neu erkämpft.« (Rektoratsrede, 15). Hier wird nicht mehr vom Geschick, sondern tatsächlich vom ›Schicksal‹ des Volkes gesprochen. Was in Sein und Zeit noch methodisch getrennt erscheint, ist hier nun zusammengeworfen: Das Volk wird selbst wie ein Individuum gesehen. Aber auch schon in Sein und Zeit lässt sich bemerken, dass die Gemeinschaft mit anderen bloß analogisch besteht und nicht aus der besonderen Beziehung der Einzelnen zueinander gewonnen wird, wie sie etwa durch die wechselseitige Anerkennung, also durch Endlichkeit qua Alterität beschrieben werden könnte. Genau an dieser Stelle rächt sich die solipsistische Vereinseitigung des Seins zum Ende als Sein zum Tode, der Endlichkeit auf Mortalität. Die Gemeinschaft der Menschen kann nämlich unter diesen Bedingungen entweder nur als verschworene Schicksalsgemeinschaft oder aber als entfremdete Öffentlichkeit beschrieben werden, wenn man einmal von dem schon angesprochenen zarten Pflänzchen der »eigentlichen Fürsorge« (SuZ 122) absieht, die immerhin so etwas wie dialogische Beziehung zwischen Personen zu implizieren scheint. Sie wird aber eher beiläufig und wohl nur der Vollständigkeit halber auf einer halben Seite angeschnitten, noch einmal wird von ihr kurz im Zusammenhang mit dem Gewissen gesprochen (vgl. SuZ 298). Immerhin ist das Mitsein mit anderen, wovon diese Art der Fürsorge – die den anderen in seine Freiheit

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setzt – eine Form darstellt, ein Existenzial, d.h. etwas, ohne das es personales Dasein nicht geben kann. Aber Heidegger macht hieraus keinen Punkt. Weil der kommunikative und auch agonale Aspekt des Zusammenlebens wie auch die Konstitution von Unverfügbarkeit etwa in Kunst und Religion von Heidegger nicht als auf Alteritätsbeziehungen, d.h. auf Formen von sich wechselseitig als Personen anerken­nenden Personen, basierend gedacht wird, kommt Heidegger hier auch immer mehr zu geradezu martialischen Ausdrucksweisen, die nicht mehr allein aus dem Zeitgeist heraus erklärt werden können. Als Beispiel: »Nur Seiendes, das wesenhaft in seinem Sein zu­künftig ist, so daß es frei für seinen Tod an ihm zerschellend auf sein faktisches Da sich zurückwerfen lassen kann« (SuZ 385) vermag als geschichtlich-eigentliches Dasein die Situation, in der es lebt, daraufhin zu begreifen, was zu tun ist. Auch hier wieder: Das »nur« ist falsch. Eine am Dialog orientierte Verkehrsform personalen Daseins, die auch andere Bestimmungen der Geschichtlichkeit des Daseins – z.B. im Sinne einer Kommunikation zwischen den Generationen oder im Sinne eines für die Pädagogik relevanten Bezugs zu den Zukünftigen – ist für Heidegger in unbegründeter Weise ausgeschlossen. In der Literatur wurde die Reduktion der daseinskonstitutiven Endlichkeit (qua ›Sorge‹) auf Mortalität, auf das pure Sein zum Tode oft gesehen und kritisiert. Die ›Todesfixiertheit‹ der heideggerschen Existenzialanalyse wird kritisiert von Levinas, Arendt, Marcuse, Löwith, Jaspers und vielen anderen. Thomas Rentsch hat in seinem Buch Das Sein und der Tod Heideggers »Reduktion der Analyse des menschlichen Daseins auf die zeitlich-geschichtliche Faktizität« und den »existenzialen Subjektivismus, der in der Todesangst gipfelt« (Rentsch 1989, 229) bemängelt. Hans Ebeling (1990, 142) hat für denselben Sachverhalt die noch deutlicheren Worte gefunden: »Der methodische Kardinalfehler von Sein und Zeit ist die Vereignung der sich selbst behauptenden Existenz nur mit ihrem eigenen Tod.« Im Falle Ebelings ist nun dieser Umstand Grund genug, die heideggersche Existenzialanalyse überhaupt abzulehnen; mir scheint aber, dass damit das Kind mitsamt dem tendenziell braunen Bade ausgeschüttet wird. Mit oder gegen Heidegger kann darüber nachgedacht werden, ob es nicht alternative Konzeptionen von Endlichkeit geben könnte, durch die die wertvollen Ergebnisse der existenzialen Analyse gerettet werden können. Es ist doch auf-

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fällig, wie wenig von ›Tod‹ und ›Zeit‹ in Heideggers Spätwerk die Rede ist und ein Grund hierfür scheint mir darin zu liegen, dass Heidegger auch und gerade die ›thanatologische Engführung‹ (vgl. Rentsch 1989) in seiner ursprünglichen Interpretation gesehen hat. Die weiterführende, schon mehrfach genannte These, die wir noch einzuholen haben, besagt, dass diese Engführung letztlich aus dem überzogenen Pragmatismus der existenzialen Weltanalyse herrührt, wie er sich in der reduktiven Dingauffassung von Sein und Zeit zeigt. Es ist letztlich die fehlende Gegen- und Widerständigkeit des Seienden in der Welt, wenn man so will: die fehlende Begegnungsmöglichkeit in Bezug auf Dinge und andere Menschen, die Heidegger den Anker der Existenzialanalyse in die Thematik des Todes werfen lassen. Die Angst vor dem Tod aber ist aber nur paradigmatisch für Endlichkeit und damit ›Ganz-sein-können‹ des Daseins, weil der Tod als äußerste Möglichkeit des Daseins gewiss ein Moment von Unverfügbarkeit aufweist. Aber Mortalität ist, wie gesehen, nicht notwendiger Weise die einzige Möglichkeit, sich als endlich zu erfahren. Auch der und das Andere (das können sowohl Dinge als auch Personen sein) können in diesem Sinne als unverfügbar, d.h. nur negativ erfahren werden und in dieser (wie immer auch angstvollen, nur eben nicht todesängstlichen) Beziehung zu etwas Fremdem kann das Dasein ein eigentliches sein. In Sein und Zeit gibt es in gewisser Weise nichts dem Dasein anderes außer dem Tod; andere Personen und die gesamte Welt der Dinge und Zeuge sind dem Dasein integral, als Mit-daseiendes, als Vorhandenes und Zuhandenes. Sehr deutlich wird die dadurch bedingte Außenhaltlosigkeit des Daseins Heideggers philosophisch-methodischer Fehler besteht in der Reduzierung der Endlichkeit auf die pure Mortalität, auf das Sein zum Tode. Dieser Fehler stellt allerdings nicht den Aufbau der existenzialen Analyse in Frage, sondern macht lediglich deren Erweiterung um andere Formen der Endlichkeit erforderlich. Sehr wohl hatte diese Reduktion des Begriffes der Endlichkeit, wie wir sehen konnten, Auswirkungen auf den von ihm abhängigen Begriff der Geschichtlichkeit. Aufgrund der allein auf der Sterblichkeit aufbauenden Geschichtlichkeit personalen Daseins, wird Geschichte zu einem reinen Vererbungsgeschehen. Der existenziale Solipsismus der Mortalität, die nach Heidegger für die Eigentlichkeit des Daseins allein bürgen soll, wird dadurch auf die über die Zeit hinweg verschworene Volksgemeinschaft im Sinne eines

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inkohärenten ›Solipsismus der Gemeinschaft‹ ausgedehnt. Die Volksgemeinschaft wird so zu einem großen Selbst, in dem das einzelne Dasein gleichsam aufgehoben wird. Dieser enge Begriff von Geschichtlichkeit ist nun allerdings kompatibel zu den bündisch-totalitären Vorstellungen der Nazis. Aufgrund seines zu engen Begriffs der Geschichtlichkeit mochte es Heidegger scheinen, dass es doch einen Weg gäbe, die Verfallenstendenz des Daseins durch institutionelle Formen des Zusammenlebens zu überwinden. Dies kommt einem Selbstmissverständnis gleich, denn er hat damit zentrale Einsichten in die Strukturen personalen Daseins, die seine eigene Analyse an den Tag brachte, außer Acht gelassen. Indem er die Möglichkeit einer kollektiven Entschlossenheit dachte, als deren Teilhaber und Mitinitiator er sich 1933 sah, hat er die Endlichkeit des Daseins, auf die er so viel philosophischen Wert legte, nicht konsequent genug gedacht. Und genau dies ist der metaphysische Rest in Heideggers Sein und Zeit, durch den er philosophisch und politisch irre geleitet wurde. Im gemeinsamen Handeln, das notwendiger Weise durch die – wie auch Heidegger eigentlich wusste, als er die Verfallenheit an die Institutionen als Existenzial, d.h. als für die Selbstständigkeit der Individuen notwendige Bestimmung des Daseins analysierte – ist die Geschichte, in der sich die Akteure gemeinsam situieren, natürlich der Hort einer »stillen Kraft des Möglichen«. Aber die Form deren Aktualisierung ist dadurch noch nicht bestimmt. Es sind hierfür von den jeweiligen sich als ›geschichtlich‹ begreifenden Akteuren weitere Tugenden erfordert als die bloße Entschlossenheit, ihr Dasein gründen zu wollen. Andernfalls entfesseln sich, wie eingangs schon gesagt, die geweckten stillen Kräfte als pure Gewalt des Wirklichen, welche sich, wie im Falle Heideggers ja auch, gegen die Akteure selbst wenden kann. Heideggers Naziengagement steht also durchaus in Kohärenz zu seinem Denken. Das bedeutet nun eben nicht, dass man aus seiner Philosophie eine bestimmte Politik oder Ethik direkt hätte ableiten könnte wie etwa aus Hitlers Mein Kampf. Dies meinten auf unterschiedlichem Niveau etwa Adorno, Farías oder Faye. Der Grundtenor der hitzigen Diskussion, die vor nunmehr fast zwanzig Jahren entflammte, war denn auch, dass die Philosophie von Sein und Zeit aufgrund ihrer mangelnden ethischen und politischen Bestimmtheit Heidegger zumindest nicht vom NS-Engagement hat abhalten

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können (so etwa Pierre Aubenque oder Otto Pöggeler). Aber selbst Anklageführer wie Nicolas Tertulian gestanden zu, dass es sich bei Heideggers Nationalsozialismus »um eine mögliche, nicht aber notwendige Entwicklung existentialanalytischer Bestimmungen im Sinne ihrer politischen Konkretion« (zit.n. Rippel 1990, 90) handele. Allerdings: Nicht, weil eine Ethik in Sein und Zeit fehlen würde, scheitert Heidegger philosophisch und politisch – das ganze Projekt der Fundamentalontologie ist ›ethisch‹, wenn man so will – sondern weil er die Geschichte zu einer Schicksalsmacht stilisiert, der sich das Individuum im Interesse seines Selbstseins zu unterstellen hat. Die Reduktion der daseinskonstitutiven Endlichkeit auf das ›Sein zum Tode‹ muss methodisch unausgewiesen bleiben, ein philosophischer Fehler, der sich in der Konzeption der Geschichtlichkeit rächt, die dadurch kriteriale Funktionen hinsichtlich der Wahl eigentlicher Daseinsmöglichkeiten bekommt. In einem Brief an Herbert Marcuse vom 20. Januar 1948, in dem er dessen Aufforderung, seine Stellung zum Nationalsozialismus zu erklären, nachkommt, schreibt Heidegger: »Zu 1933: ich erwartete vom Nationalsozialismus eine geistige Erneuerung des ganzen Lebens, eine Aussöhnung sozialer Gegensätze und eine Rettung des abendländischen Daseins vor den Gefahren des Kommunismus« (zit.n. Tertulian 1990, 58). Es hört sich merkwürdig an, wenn man sagt, dass Heidegger nicht konsequent – oder soll man sagen: nicht entschlossen – genug war, die Endlichkeit der Menschen radikal zu denken. Aber genau dies ist der Fall. Die eigentliche fundamentalontologische Absicht, die ja einen Überstieg der Existenzanalyse hin zu der Seinsfrage (die alle Seinsweisen, nicht nur die Existenz des Daseins betrifft) beinhaltet hätte, scheiterte. Und sie scheiterte gerade deswegen, wie wir in diesem Kapitel sehen konnten, weil Heidegger – nach eigenen Worten – »mithilfe der Sprache der Metaphysik«, die er in Sein und Zeit noch verwendet habe, nicht zum Seinsdenken »durch« (ÜH 19) kam. Heideggers Kritik an der Anthropologie, wie wir sie zu Anfang dieses Kapitels dargestellt haben, holt daher letztlich auch seinen eigenen Entwurf ein, denn dieser hat die Endlichkeitsbedingungen des Daseins unzulässig reduziert und nicht radikal genug gefasst, wie wir vor allem am Begriff der Geschichtlichkeit des Daseins sehen konnten. Auch in der Absetzung von der Anthropo-

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logie wird dies nun deutlich: Die Daseinsanalyse, so muss gegen Heidegger gesagt werden, ist aus methodischen Gründen nicht in dieser Weise abschließbar und erfordert ein neu anzustrengendes phänomenologisches Untersuchen vor allem der Alteritätsbeziehungen in Hinblick auf deren Beitrag zum Ganzseinkönnen des Daseins. Heidegger dagegen versuchte mit der Reduktion der Endlichkeit auf Mortalität die Phänomenologie in Sein und Zeit abzu­ brechen und genau dies macht den ›metaphysischen Rest‹ bei Heidegger aus. ›Mensch‹ und ›Technik‹ können, so weit soll Heidegger gefolgt werden, im Grunde erst auf dem Boden einer jede regionale Ontologie begründenden Fundamentalontologie, die die Frage nach dem jeweiligen Sein des Seienden stellt, zusammen thematisiert werden. Wenn die Daseinsanalyse allerdings als ein work in pro­ gress aufgefasst wird, was auch dem phänomenologischen Ansatz bei weitem mehr entspräche als die metaphysisch infizierte Vorgehensweise, wie sie Heidegger in Sein und Zeit unternimmt, dann fiele auch die schroffe Frontstellung zur Anthropologie weg und Bestimmungen der conditio humana wären als notwendige, aber durchaus revidierbare Hypothesen, die eine eigene Geschichte haben, zu lesen. Heidegger selbst hat die hier genannten Schwierigkeiten der Fundamentalontologie eingestanden, wenn er sie auch nicht seinem Text bzw. seinem Ansatz, sondern vielmehr der Verständnisfähigkeit seiner Leser anlastet. In einer Freiburger Vorlesung von 1941, lange nach Sein und Zeit, äußert er zu seinem Versuch folgendes:

»Wenn ›Sein und Zeit‹ keine Anthropologie sein will, was soll dann diese fortgesetzte Analytik des menschlichen Daseins überhaupt darstellen? So muss allerdings gefragt werden. Und unter dem Zwang dieser Frage müssen wir endlich anfangen, darüber nachzudenken, was denn sonst noch und wie denn sonst noch gefragt werden könnte oder müsste oder sogar muss. Die Zumutung, darüber [über die Analytik des Daseins, A.L.] nachzudenken, wirklich zu denken oder gar jahrelang darauf die Besinnung zu richten, übersteigt das zulässige Maß der Inanspruchnahme wirklichen Denkens. Dieser Meinung bin ich auch. Daher wäre es gut, man ließe endlich ›Sein und Zeit‹, das Buch und die Sache, für eine unbestimmbare Zukunft auf sich beruhen.« (HGA 49, 34)

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Die Anti-Anthropologie Heideggers war damit letztlich noch an das verwiesen, wogegen sie sich wendet; das Scheitern des fundamental­ ontologischen Projekts hatte ähnliche Gründe wie das von Heidegger konstatierte Scheitern anthropologischer Ansätze hinsichtlich der Bestimmung des Menschenwesens. Von technikphilosophisch großem Interesse ist der Umstand, dass sich die Selbstkritik Heideggers vor allem auf die mangelhafte und phänomeninadäquate Analyse des Dingverständnisses beziehen lässt, wodurch die Analyse der Weltlichkeit einer Revision unterzogen werden muss. Es ist die Auseinandersetzung mit den metaphysischen Restbeständen seines eigenen Denkens, die Heidegger zu einem Denker der Technik werden lassen. Auch das zeitweilige Engagement für den Nationalsozialismus hat eine wichtige technikphilosophische Dimension, wie wir sehen konnten. Heideggers Denken der Technik ist auch eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und damit auch mit seinem Engagement für ihn gewesen.

5. Technik und Wissenschaf t

Die Analyse und Deutung neuzeitlicher Technik ist ein, wenn nicht sogar das zentrale Thema des späteren Heideggers, weil er – spätestens seit Mitte der dreißiger Jahre, wie wir gleich noch genauer sehen werden – die Einsicht gewonnen hat, dass sich in der Technik nicht weniger als das abendländische Denken überhaupt und mit ihm die Philosophie als Metaphysik vollendet. Im Zeitalter der Technik ist nach Heidegger eine ›Kehre des Denkens‹ im wahrsten Sinne des Wortes ›notwendig‹ geworden. Im Wort ›Kehre‹ schwingen die Bedeutungen von ›Einkehr‹, ›Bekehrung‹ und ›Umkehr‹ mit. Die Not des ›Seinsverlustes‹ in der von der Technik geprägten Moderne kann nur gewendet werden, wenn das Sein durch ein Denken gewahrt wird, dass sich einerseits dem technischen Denken stellt und es andererseits zugleich unterläuft. Es geht dabei gerade darum, die Technik in ihrem Wesen zu denken, d.h. so, wie sie ist bzw. ›anwest‹ und dies zugleich auf eine untechnische Weise, also nicht wiederum unter der Perspektive einer Problemlösung, nicht unter der Maßgabe der Konstruktion eines kohärenten technikphilosophischen Gedankengebäudes, nicht im Sinne der Steuerung und Regelung eines Denkbetriebes in Bezug auf technische Entwicklungen. Das Wesen der Technik ist »ganz und gar nichts Technisches« (VA 9), wie Heidegger in seinem wohl bekanntesten Aufsatz zum Thema schrieb (nämlich in »Die Frage nach der Technik« aus den frühen fünfziger Jahren). Dies bedeutet, dass die Technik nicht so gedacht werden kann, als wenn sie als Ganze ein verfügbares, wiederholt einsetzbares Mittel zu einem Zweck, etwa den der Daseinsfristung, des Selbsterhaltes und der Selbststeigerung etc. wäre. Weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, kann auch ihre Entwicklung nicht in einem technischen Sinne gesteuert bzw. geregelt werden; schon wenn man

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Technik

die mit der Entwicklung der Technik zusammenhängenden Probleme als technisch lösbar ansieht, ja, wenn man sie überhaupt als Probleme ansieht – etwas als Problem ansehen, heißt ja im Grunde nichts anderes als eine im weitesten Sinne technische, d.h. verfahrensmäßige Lösungsmöglichkeit unterstellen – investiert man schon ein Denken in technischen Kategorien. Einem solchen Denken, dem Denken der Technik (gen. obj.) kann es nicht gelingen, das Technische in seinem Wesen zu erfassen, wenn es auf dem Denken der Technik (gen. subj.) schon beruht.

5.1 Der Sat z vom Grund Heideggers Denken der Technik ist, anders als dies gemeinhin angenommen wird, durchaus von einer Kontinuität gekenn­zeichnet, die es fraglich macht, in Bezug auf die berühmte ›Kehre‹ seines Denkens nach Sein und Zeit hin zum so genannten ›Seinsdenken‹ an so etwas wie eine Positions­änderung zu denken. Die ›Kehre‹ Heideggers ist kein werkbiographischer, sondern ein systematischer Begriff. Man könnte sagen, dass mit der ›Kehre des Denkens‹ so etwas wie ein grundlegender Perspektivenwechsel gemeint ist, weg vom daseinsinternen Blick auf die phänomenologisch zu beschreibenden Zusammenhänge des Seienden hin auf die diese ermöglichenden Strukturen und Bestimmungen des Seins selbst (vgl. SuZ 19). Das Thema der engen Verschränkung von einerseits den möglichen Weisen, zu sein und den Weisen, zu denken bleibt dabei immer dasselbe. Die Technik ist eine bestimmte Form der Seinsverwahrung, der Auffassung dessen also, was ›sein‹ heißt. Im Vortrag »Der Satz vom Grund« von 1956 heißt es entsprechend, dass es das Denken der Technik ist, das – unaufhaltsam! – dahin drängt, ihre Einrichtungen in die größtmögliche, allumfassende Perfektion zu treiben: »Diese Perfektion besteht in der Vollständigkeit der berechenbaren Sicher­stellung der Gegenstände des Rechnens und der Sicherung der Berechenbarkeit der Rechnungsmöglichkeit« (HGA 10, 177). Dahinter steht das Denken, wie Heidegger analysiert, nach Maßgabe des Satzes vom Grund, der sich als basal für das abendländische Denken überhaupt (und dann eben auch explizit in der neuzeitlichen Metaphysik) herausstellt. Die Technik ist nur mehr der letzt- und vollgültige Ausdruck dieses Denkens bzw. dieser Seinsweise. Der Satz vom Grund – »Nichts ist

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ohne Grund« – ist näher hin der Grundsatz des vernünftigen Vorstellens im Sinne des sicherstellenden Rechnens. Dass alles einen Grund haben muss und dass dieser Grund auch gegeben werden können muss, ist ein Erfordernis des Denkens, das darauf dringt, die Welt so einzurichten, dass alle Handlungsoptionen ständig zur Verfügung stehen. Denn »Nichts ist ohne Grund« heißt nichts anderes als: »Jegliches gilt dann und nur dann als seiend, wenn es für das Vorstellen als ein berechenbarer Gegenstand sichergestellt ist« (HGA 10, 177). Es ist aber dieses auf dem Satz vom Grunde beruhende, mit allen Gegenständen rechnende Denken, das an sich selbst eine Grenze aufweist: Zwar ist der Satz vom Grund ein Grundsatz, aber doch nicht in der Weise, dass er unhintergehbar wäre, denn er sagt zwar, wie jegliches Seiende aufzufassen ist – nämlich als gegründet in einem anderen – aber er sagt nichts über den letzten Grund aus. Der letzte Grund alles Seienden ist aber das Sein selbst – und das Sein hat keinen Grund, weil es der Grund ist. Der Satz vom Grund, obwohl er als Aussage über das Seiende aufgefasst wird, gibt also gleichsam unausgesprochen zugleich den Wink, dass er der Grundsatz einer begrenzten, nämlich der metaphysischen Denkweise ist, die dem Willen nach universeller Sicherung eines Bestandes an Handlungsmöglichkeiten dient. Der durch den Satz vom Grund geprägte Denkstil ist in letzter Konsequenz ›materialistisch‹ im weitesten Sinne (wobei zu betonen ist, dass Materialismus eben nicht selbst etwas Materielles, sondern eine bestimmte Form des Geistes ist). Dementsprechend ist die Erschließung anderer Seinsmöglichkeiten als die der Verfügung über Bestände in eins mit dem Verständnis des Handels als einer Entscheidung zwischen Handlungsoptionen nur im und durch das Denken zu erwarten. Ganz in diesem Sinne heißt es am Ende des Vortrags »Der Satz vom Grund«: »Sind wir nicht daran gehalten, Wege zu finden, auf dem das Denken dem Denkwürdigen zu entsprechen vermag, statt, behext durch das rechnende Denken am Denkwürdigen vorbei zu denken? Das ist die Frage. Es ist die Weltfrage des Denkens. An ihrer Beantwortung entscheidet sich, was aus der Erde wird und aus dem Dasein des Menschen auf dieser Erde.« (HGA 10, 189)

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Gegen das die abendländische Neuzeit charakterisierende ›rechnende‹ und ›stellende‹ Denken auf der Grundlage des Satzes vom Grund versuchte Heidegger seit etwa Mitte der dreißiger Jah­- re – nicht unerheblich von seinem politischen Irrlauf beeinflusst, wie wir im dritten Kapitel sehen konnten – das ›besinnliche‹ Denken zu setzen (vgl. HGA 10, 178; vgl. auch die Schrift Besinnung, HGA 66, v.a. 16ff., 173-186; 411-448). Das Wesen der neuzeitlichen Technik sei aber selbst nicht wiederum etwas Technisches, so Heidegger, d.h. es besteht nicht allein in einem schematisierten Gebrauch von Handlungsmitteln, sondern vielmehr in einer spezifischen Weise des Hervorbringens dessen, was ist. Der antianthropologische und antikulturalistische Zug des Denkens Heideggers richtet sich gegen die Reduktionismen, die mit dem Begriff des Menschen (als so und so bestimmten) und der Kultur (als so und so bestimmter) verbunden sind und die einen adäquaten Blick auf die Möglichkeit von Technik versperren, weil sie selbst noch viel zu sehr der ›Logik der Technik‹ gehorchen. So ist es ein, vor allem von Seubold 1986 hervorgehobenes Charakteristikum des heidegger­schen Denkens der Technik, dass sie die zwei Teilthesen der gängigen anthropologisch-instrumentalen Technikauffassung nicht unterschreibt: 1. die These, dass Technik nur Mittel zum Zweck sei, und 2. die These, dass sie ein souveränes Tun des Menschen sei. Während die Zurückweisung der ersten Teilthese immerhin mit den Begriffen ›Eigendynamik der Mittel‹ und den berühmten ›Sachzwängen‹ Eingang selbst in das Alltagsverständnis von Technik und Technologien gefunden hat, scheint die zweite Teilthese völlig abwegig zu sein. Denn wer sonst sollte Subjekt technischen Handelns sein, wenn nicht der Mensch bzw. die Menschen? Es ist nun nicht so, dass Heidegger sehr der anthropologischinstrumentalen These von der Technik – also dass die Technik mittelorientiertes Handeln des Menschen sei – widersprechen würde; vielmehr hebt er deren Trivialität hervor. Natürlich ist diese These nicht falsch, aber sie ist ihrem Gegenstand unangemessen; so wie der Satz »Ein Gedicht ist eine Ansammlung von Wörtern« ebenfalls nicht falsch ist, aber das Wesentliche – das, was ein Gedicht zu einem Gedicht macht – nicht erfasst (vgl. zu diesem erhellenden Beispiel Seubold 1986, 32.). So wie nicht jede Ansammlung von Wörtern ein Gedicht ist, ist auch nicht jedes mittelorientierte Handeln technisches Handeln. Es kommt darauf an, wie Mittel und

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Zweck aufeinander bezogen sind, es kommt darauf an, wie das Tun hierbei gestaltet ist. Technik hat vor allem mit einer bestimmten Form des Wissens zu tun – wir würden es heute ›Verfügungswissen‹ nennen – wie Heidegger in Anschluss an den Begriff der technê bei Aristoteles erläutert. So heißt es etwa im Aufsatz »Der Ursprung des Kunstwerks«, mit dem wir uns weiter unten noch eingehend beschäftigen werden: »Das Wort technê nennt […] eine Weise des Wissens« (UK 46) und damit eben eine bestimmte Weise, wie das Seiende als Ganzes aufgefasst bzw. ›entborgen‹ wird. Deswegen kann Heidegger, ebenfalls in Anschluss an Aristoteles, die Technik als eine bestimmte Weise, die Wahrheit (alêtheia) zu wissen, kennzeichnen. Es gibt hier aber noch andere Möglichkeiten; bei Aristoteles etwa die sophia oder die phronesis, die Heidegger im Blick gehabt haben dürfte, als er vom ›besinnlichen Denken‹ sprach. Überhaupt ist es bemerkenswert, wie stark Heidegger die praktische Philosophie des Aristoteles ›wiederholt‹ und sie für unsere Zeit fruchtbar zu machen versteht.

5.2 Heidegger liest Aristoteles So hat Volpi 1984 deutlich gezeigt, dass der gesamte Text von Sein und Zeit von den praktisch-philosophischen Unterscheidungen des Aristoteles durchzogen ist (vgl. auch schon Gadamer 1960, 317ff., sowie Volpi 1989b); freilich hat Heidegger die Spuren dort ziemlich verwischt. Durch die jüngeren Veröffentlichungen im Rahmen der Heidegger-Gesamtausgabe, v.a. der frühen Freiburger und Marburger Vorlesungen können die wesentlichen Bestimmungen der Daseinsanalyse zurückbezogen werden auf die Interpretationen vor allem der Nikomachischen Ethik, dort insbesondere des Buches VI über die dianoëtischen Tugenden. Besonders deutlich in dieser Hinsicht sind der sogenannte ›Natorp-Bericht‹ von 1922, veröffentlicht unter dem Titel Phänomenologische Interpretationen zu Aristo­ teles, und die 1926 in Marburg gehaltene Vorlesung zu Platons So­ phistês (= HGA 19), die mit einer großangelegten Interpretation der aristotelischen Ethik beginnt. Letztere Vorlesung ist geradezu so etwas wie ein Rosettastein, der es uns ermöglicht, das Aristotelische ins Heideggersche und umgekehrt zu übersetzen. Hinsichtlich des technê-Konzeptes lässt sich bei genauerer Betrachtung sogar noch weiteres vermuten: Dass nämlich auch Heideggers spätes Denken

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der Technik sich zurück binden lässt an diese Interpretationen. Die Analyse der Weltlichkeit in Sein und Zeit würde aus diesem Blickwinkel wie der Versuch der Wiederholung einer aristotelischen Technik-Konzeption erscheinen, der dann aber in einer Sackgasse mündet, weil er sich nicht von den metaphysischen Vorannahmen des Aristoteles befreien kann. Der späte Heidegger wiederum nimmt das technê-Konzept des Aristoteles sehr viel kritischer auf und versucht nun eben gerade die metaphysische Grundstellung dieses Technikdenkens noch einmal zu unterlaufen und damit auch die überzogen-pragmatistische Technikauffassung von Sein und Zeit. Die Kontinuität in Heideggers Technikdenken scheint mir sehr viel größer zu sein, als gemeinhin angenommen wird; Sein und Zeit ist in gewisser Hinsicht sogar weiter entfernt von den Aristoteles-Interpretationen Heideggers in seiner frühen Freiburger und Marburger Zeit als seine späte Technikphilosophie. Doch schauen wir uns beide genannten Texte in Bezug auf das Verständnis von technê einmal genauer an: Im so genannten Natorp-Bericht, den Heidegger zu Zwecken der Berufung auf das vakante Extraordinariat in Marburg verfasste und der in nuce die Heideggersche Interpretation der aristotelischen technê enthält, ist zu lesen: »Ein möglicher Umgang im Sinne des ausrichtenden, besorgt überlegenden besteht hinsichtlich des Seienden, das auch anders sein kann, als es gerade ist, das im Umgang allererst zu bewerkstelligen, zu behandeln und herzustellen ist. Diese Weise der Seinsverwahrung ist die technê« (PhIA 43). Hinsichtlich des Seienden, das nicht anders sein kann ist die entsprechende ›Seinsverwahrung‹ die epistêmê, das »hinsehend bestimmende Verstehen« (ebd.). Heidegger interpretiert die von Aristoteles in der Nikomachischen Ethik genannten intellektuellen Tugenden von epistêmê, technê, sophia und phronêsis als je bestimmte Arten, wie wir das Sein des Seienden auffassen bzw. ›wahren‹, alle sind sie bestimmte Weisen des ›Vernehmens‹, des noein bzw. des noûs. Nun ist es nach der heideggerschen Interpretation gerade die technê, die für Aristoteles den ursprünglichen Sinn dessen, was ›Sein‹ heißt, hergibt. Auf die Frage: »Welches ist der der Sinn von Dasein, in dem die Lebensauslegung den Gegenstand Mensch im vorhinein ansetzt?« (PhIA 40) bemerkt Heidegger in Bezug auf Aristoteles, dass es nicht das »Seinsfeld der Dinge« (ebd.) qua epistemisch-theoretisch, sachhaft erfasster Gegenstände, sondern das der »hergestellten, umgänglich in den Gebrauch genommenen Ge-

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genstände« (ebd.) sei – also das, was in Sein und Zeit gerade unter ›Zeugen‹ verstanden wird. Die ursprüngliche Seinserfahrung ist also die des Umgangs mit Zeug und der »herstellende, verrichtende und gebrauchende Umgang ist das Worauf, auf das die ursprüngliche Seinserfahrung abzielt« (PhIA 41) oder kurz: »Sein besagt Hergestelltsein, und, als Hergestelltes, […] Verfügbarsein« (ebd.) Daher kommt es, so Heidegger, dass bei Aristoteles Seiendes vor allem hinsichtlich seines ›Aussehens‹ (eidos), im Grunde also hinsichtlich seiner Eigenschaften für den Gebrauch in den Blick kommt, ganz so, wie wir dies im zweiten Kapitel mit der Zeug-und Ding-Analyse rekonstruiert haben. Hier zeigt sich deutlich, dass die Weltlichkeitsanalyse direkt aus einer technê-epistêmê-Interpretation der aristotelischen Ethik geschöpft ist. Das Sein der Gegenstände, aristotelisch gesprochen: ihre ousia, ist nichts anderes als ihr Fertigsein, ihr Hergestelltsein im Sinne des »umweltlich zu Gebrauch Verfügbaren« (PhIA 42). Heidegger weist an diese Stelle auch darauf hin, das ousia ursprünglich Haus- und Besitzstand, kurz ›Habe‹ bedeutet. Es ist also ein ganz bestimmter Logos, mit dem das Sein der Gegenstände ›angesprochen‹ wird und Heidegger wird schon 1922 nicht müde, zu betonen, dass diese bei Aristoteles zu bemerkende Fundierung des ursprünglichen Seinssinns auf das Hergestelltsein prägend für das gesamte abendländische Denken ist. In der neuzeitlichen Naturwissenschaft und Technik kommt dieses Denken gleichsam zu sich selbst, indem dort, in einem weiteren Schritt, alles, was das Prinzip seines Hergestelltseins in sich trägt, die Naturdinge, ebenfalls in technischer Weise aufgefasst wird als letztlich der Verfügung zu sichernder Bestand von Handlungs- bzw. Manipulationsmöglichkeiten. Der von Leibniz erstmalig formulierte Satz vom Grund spricht daher im Grunde nur das aus, was 2000 Jahre zuvor schon auf die Denkbahn gesetzt wurde. Die Weltlichkeitsanalyse in Sein und Zeit ist aber ebenfalls geprägt von einer solchen Reduktion des Sinnes von Sein auf Verfügbar-sein-zu-möglichem-Gebrauch. Mit der Kritik an der metaphysischen Verkürzung des Seinssinns auf Hergestelltsein, kommt damit, einmal mehr, auch seine eigene Analyse der Seinsweise des in der Welt agierenden Daseins als letztlich ›metaphysisch‹ in den Blick und muss, einhergehend zusammen mit der gesamten abendländischen Ontologie destruiert werden, um die ontologischen

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Fundamente desjenigen – ›metaphysisch‹ genannten – Denkens freizulegen, wie es in der modernen Technik ihren letztgültigen Ausdruck findet. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die ausführlichen Interpretationen der aristotelischen technê-Konzeption, wie Heidegger sie vier Jahre später in der in Marburg gehaltenen Vorlesung zu Platons Sophistês (= HGA 19) bringt. Dem eigentlichen Thema der Vorlesung, Platons Lehre von den Ideen bzw. der Teilhabe an den Ideen ist dort, als systematische Einführung, eine ausführliche Analyse der beim späteren, uns näher stehenden Aristoteles ausgeführten Weisen, der Wahrheit teilhaftig zu sein, vorangestellt – es sind natürlich auch hier die intellektuellen Tugenden gemeint, deren eine die technê ist. In der Vorlesung heißt es nun, dass schon bei Aristoteles die technê als eine uneigentliche Weise des ›Wahrens‹ des Seins aufgefasst wird, weil bei künstlich hergestelltem Seienden das Prinzip der Bewegung außerhalb dieses Seienden angesiedelt ist, während das bei den Dingen, die sich selbst herstellen, den Naturdingen, nicht der Fall ist. Die ar­ chê, der Ursprung der Bewegung, befindet sich bei den technisch hergestellten Dingen nicht in diesen selbst; deshalb kommt bei den technischen Dingen dieselbe archê auch nicht in den Blick, sie ist gleichsam verstellt. Weiterhin heißt es: »Die technê hat also das ergon [Werk] zum Gegenstand des alêtheuein [des ›Wahrens‹, A.L.] nur solange, als es noch nicht fertig ist. Sobald das Werk fertig ist, fällt es aus dem Herrschaftsbereich der technê heraus: Es wird Gegenstand des betreffenden Gebrauchs.« (HGA 19, 41f.) Dies bedeutet aber nun gerade, dass die Technik sich nur auf Seiendes bezieht, sofern es im Werden begriffen ist. Vom Werden aber gibt es dreierlei Arten: das natürliche, was sich selbst herstellt, das künstliche/technische und das zufällige, was hier nicht in Betracht kommt. Nun ist es aber für die technisch hergestellten Gegenstände charakteristisch, dass der Grund ihres Entstehens ihr eidos ist: So ist beispielsweise die antizipierte Gestalt des Hauses, wie sie ein Architekt in seinen Zeichnungen festhält, Grund für den Bau und damit die Entstehung des Hauses. Bei jeder Technik steht am Anfang des entstehenden Seienden also die Idee; für die Naturdinge, die sich damit sozusagen selbst herstellen, gilt das nicht, weil die den Grund ihrer Entstehung nicht außerhalb von sich als Idee, sondern, entelechisch, in sich tragen (es wird an dieser Stelle deutlich, dass in der christlichen

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Schöpfungstheologie, in der die Welt tendenziell als Produkt eines Herstellungsaktes begriffen wird, die Auffassung der Naturdinge ab ovo eine andere sein muss, s.u.). Mehr noch: Nur in der technê, als der Weise, das Sein als Hergestelltsein aufzufassen, kommt das eidos bzw. die Idee als initiierendes Moment zum Tragen; nur in der Technik bzw. im technischen Denken kommt es dazu, dass ein eidos bzw. eine Idee isoliert vom Geschehen betrachtet motivationales Moment, d.h. archê einer kinesis werden kann: »Die technê ist der Boden, auf dem so etwas wie das eidos zunächst sichtbar wird« (HGA 19, 47). In der Marburger Sophistês-Vorlesung also wird deutlich, dass Heidegger das gesamte abendländische Denken als von der Technik her bestimmt denkt, von der universalen und omnipräsenten Auffassung des Seins als Zur-Verfügung-Hergestelltsein. Was Heidegger in diesen seinen frühen Aristoteles-Interpretationen allerdings nicht zu Wort kommen lässt, ist die spezifische Weise, in der die Kunst ihre Werke entstehen lässt. Diese Weise wird mehr und mehr zum Vorbild einer anderen Denkform, die, wenngleich auch technisch verfahrend, das technische Denken zu befreien vermag. Bevor wir uns im nächsten Kapitel ausführlich dem Thema ›Technik und Kunst‹ zuwenden, muss noch der Zusammenhang von Technik und Wissen im Sinne neuzeitlicher Wissenschaft betrachtet werden.

5.3 Energie und Bestand Die neuzeitliche Technik ist, nach Heidegger, zunächst einmal alles andere als der Inbegriff neutraler Mittel, die dem neuzeitlichen Menschen in die Hand gegeben sind. Vielmehr bildet die Technik generell einen Anspruch, übt eine normative, orientierende Kraft auf unser Handeln und Denken aus, dem einzig ein anderes, nicht nur technisches Denken entsprechen kann. Die Technik fordert daher letztlich den Menschen in seinem Wesen heraus, insofern er sich in der Blickbahn technischen Denkens auch sich selbst dem Bereich verfügbarer Ressourcen zurechnet. Dies nennt Heidegger auch die ›Gefahr‹, der wir in unserem Denken und Handeln zu entsprechen haben. Der Umgang mit der Technik ist daher eher als Aufgabe denn als Antwort – wie etwa in den Kompensationstheorien der Technik in der philosophischen Anthropologie – zu sehen.

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Es kann nicht genug betont werden, dass Heidegger Technik nicht als angewandte Naturwissenschaft ansieht, wie dies vielerorts heute immer noch gängige Auffassung ist. Es ist genau umgekehrt, die Naturwissenschaften neuzeitlicher Prägung bedienen von vorneherein ein technisches Interesse, wie wir uns schon im zweiten Kapitel 2 ansatzweise vorgeführt haben. In den Bremer und Freiburger Vorträgen – auf welche die später unter den Titeln »Die Frage nach der Technik« und »Das Ding« veröffentlichten Aufsätze zurückgehen – heißt es dementsprechend: »Die moderne Technik ist nicht angewandte Naturwissenschaft, vielmehr ist die neuzeitliche Naturwissenschaft Anwendung des Wesens der Technik« (BFV 43). Dabei stellt sich ein sich seines Vorstellens reflektierend bewusstes Subjekt die Natur als regelhaften und damit als im Prinzip beherrschbaren Bereich von Gegenständen vor. Die Wirkzusammenhänge dieser Gegenstände aber wiederum, das eigentlich Reale, Sachhaltige ist das Messbare, nämlich die Kräfte und deren gesetzmäßiger Zusammenhang. Die Natur wird damit als ein Funktionszusammenhang von Kräften (und das heißt einer von möglichen Wirkungen) vorgestellt. Auch wenn es noch keine direkten Anwendungen geben mag, so produziert daher die Naturwissenschaft fortlaufend Wissen über mögliche Mittel, »Mittel auf Vorrat« (Gottschalk-Mazouz 2007, 148). Dies macht sich schon bemerkbar im mathematischen Entwurf der Natur. Die Grundoperation des methodischen, nach Heidegger »nachstellend-sicherstellenden« Vorge­hens ist charakteristisch für die gesamte neuzeitliche Naturwissenschaft bis heute: Messbarkeit bzw. exakte Berechenbarkeit ist ein Kriterium dafür, dass überhaupt etwas als ein Naturvorgang angesehen wird. Das bedeutet aber nichts anderes, wie man in Anschluss an Heidegger zeigen kann, dass die neuzeitliche Wissenschaft ab ovo technisch, d.h. auf die Möglichkeit des Herstellens hin angelegt ist. Technik und Naturwissenschaft sind identischen Wesens. Dies zeigt sich etwa auch in der naturalistischen Interpretation des Satzes vom Grund, der als Begründungspostulat wahrer Aus­ sagen mit Beginn der Neuzeit im Sinne des Gesetzes universaler Kausalität (»Alles hat eine Ursache«) verstanden wird. Die durch die neuzeitlich-wissenschaftliche Einstellung konstituierte Natur als Gegenständigkeit bzw. Objektivität erlaubt nämlich die Applikation des Satzes vom Grund als Naturprinzip. Dies wiederum aber ist die Voraussetzung dafür, dass Natur als Bereich univer-

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saler Gesetzmäßigkeiten aufgefasst werden kann, was letztlich zur Auflösung von ›Gegenständigkeit‹ in den ›Bestand‹ führt. Die Natur als verfügbar zu machenden Bestand möglicher Wirkungen (= Kräften bzw. Energien), als Universalressource gleichsam, ist nur die letzte Konsequenz ihrer Vergegenständlichung. Schon im mathematischen Entwurf der Natur also (etwa bei Galilei, Kepler und Descartes) manifestiert sich das von Heidegger ›Gestell‹ – als dem Gesamt der Tätigkeiten des Vor-, Her- und Nachstellens – genannte Wesen neuzeitlicher Technik und Naturwissenschaft, wie dann eben auch in Konsequenz davon im ›herausfordernden Stellen‹ moderner Energietechniken. Als ein Verhältnis zur Natur sind Technik und Naturwissenschaft aber wiederum selbst keine eingesetzten Mittel, weshalb instrumentale und damit anthropologische Bestimmungen der Technik als von Menschen aufgrund bestimmter gegebenen ›Mängel‹ kompensatorisch eingesetzter Mittel zu kurz greifen. Das technisch-wissenschaftliche Verhältnis zur Natur liegt vielmehr in der vom Herstellungs­paradigma geleiteten Forderung nach der Sicherung des Bestandes an Kräften, d.h. Wirk­ möglichkeiten. Die Erfolge der neuzeitlichen Technik, die letztlich auf Speicherung, Verfügbarmachung und Umwandlung von Energien abzielen (auch ›ökologisches‹ Denken als ein Denken in Ressourcen ge­horcht noch diesem Naturverhältnis), überhaupt der Fortschritt und die Entwicklung der Technik sind im mathematischen Entwurf der Natur schon präformiert; Natur wird als ein gesetzmäßiger (sozusagen mechanischer/maschinenartiger) Zusammenhang entworfen. Dieser Entwurf bestimmt von vorneherein die Sicht auf die Phänomene der Natur, die allein auf ihre Beherrschbarkeit und Berechenbarkeit abzielt. In leichter Abwandlung eines wittgensteinschen Gedankens: So wie bei einer großen und gut sitzenden Brille nichts im Gesichtsfeld darauf schließen lassen muss, dass das Gesehene durch ein Brillengestell gesehen wird, so ist es auch mit dem Gestell als der Weise des abendländisch-neuzeitlichen Menschen, die Welt ›zu sehen‹: Es ist selbst nicht ohne weiteres zu erkennen, nur über Spuren können wir diese Seinsweise als eine solche erschließen. Letztlich müsste man sagen, dass der Mensch in der neuzeitlich gedachten Natur immer nur sich selbst in seiner Wirksamkeit findet, aber niemals die Natur im aristotelischen Sinne als dasjenige, was von sich her ohne unser Zutun da ist. Im Gegenteil, die

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Natur als ein Bestand von kraftmäßigen Kausalbeziehungen ist überhaupt nur durch die technische Vermittlung zugänglich, die Zugänglichkeit zur Natur damit offenbar abhängig von ihrer technischen Erschließung: Nur das ist demnach überhaupt als ›real‹ gedacht, was als Ressource genutzt werden kann. Hier zeigt sich auch der fundamentale Unterschied von moderner und vormoderner Technik, wie er etwa in der Differenz von Wasser- bzw. Windmühle und Wasser- bzw. Windkraftwerk anschaulich wird. In der Wassermühle wird die Bewegung des Flusses (als etwas Selbstständigem) genutzt, im Wasserkraftwerk (selbst wenn es sich dabei um eine äußerlich exakte Kopie einer Wassermühle handeln würde) aber die Bewegungsenergie des Wassers (das eben zufällig ein Fluss ist). Mit anderen Worten: durch das Wasserkraftwerk wird der Fluss zu einer Energiequelle, zu einer Ressource der Energiegewinnung. Anders als die genutzte Bewegung (die nicht umgewandelt, sondern lediglich umgelenkt wird) ist Energie ähnlich wie Geld etwas Abstraktes, das gespeichert und jederzeit anderweitig genutzt werden kann und damit der im Prinzip omnipräsenten Verfügbarkeit unterstellt ist. Der Fluss, mit anderen Worten, wird auf sein Dasein als Druck- bzw. Energielieferant abgestellt, was keinen graduellen Unterschied zu vormodernen Techniken darstellt, sondern einen qualitativen. So ist Seubold 1986 zu widersprechen, der hier eben letztlich nur einen solchen Unterschied des Grades sieht und daher etwa von »Formen der Energie im Mittelalter« (Seubold 1986, 82) schreiben kann. Hier meint Mößgen 2007 zu Recht, dass nach Heidegger die Technik der Antike und des Mittelalters keine Formen von Energiegewinnung waren, ja, in einem gewissen Sinne: »Energie gab es nicht« (Mößgen 2007, 172). Auch wenn wir aus dem naturwissenschaftlichen Denken den Vorgang der Nutzung in der Wassermühle als einen Vorgang beschreiben, in dem Energie umgewandelt wird, handelt es sich dabei doch um eine abstrakte, inadäquate Beschreibung, in der aus der neuzeitlichen Perspektive Bestimmungen wie Energie, Kraft usw. auf vorneuzeitlich gedachte Technik projiziert werden. Es handelt sich aber bei beiden Techniken um ein toto coelo verschiedenes Denken. Im vormodernen Denken ist das naturhaft Seiende für sich bestehend, in der Neuzeit wird der Fluss in das Kraftwerk verbaut, ja, die gesamte Natur in die Technik eingebaut (vgl. Mößgen 2007, 173). Energie ist überhaupt etwas, was in einem prinzipiellen Sinne unzugänglich ist und erschlossen werden muss. Die Bewegung des

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Wassers dagegen muss nicht erschlossen werden, sie kann direkt genutzt werden. Deswegen wird im neuzeitlichen Naturverhältnis die gesamte Natur zum Bestand verfügbarer Wirkmöglichkeiten, während im vorneuzeitlich technischen Denken die Eigenständigkeit des genutzten Naturgegenstandes gewahrt bleibt – und zwar gerade dann, wenn sie technisch genutzt wird. ›Bestand‹ ist, im Unterschied zu ›Gegenstand‹ der Begriff einer Disposition, einer beständigen Möglichkeit des Wirkens, die im Prinzip jederzeit aktualisiert werden kann. Es ist der Begriff der universalen Verfügung, der sogar die Gegenständigkeit der Dinge auflöst in Richtung ihrer potentiellen Herstellbarkeit. Was Bestand ist, ist uns gerade nicht mehr als Gegenstand gegeben, sondern als etwas Herauszuforderndes. Schon der neuzeitliche Begriff der Kraft verweist auf ein praktisches Können, auf Machbarkeit; es handelt sich bei diesem grundlegenden Begriff neuzeitlicher Naturwissenschaft nun also gerade nicht um einen Gegenstand. In den neuzeitlichen, auf dem Begriff der Kraft aufbauenden Naturwissenschaften wird die Natur also von vorneherein auf nichts anderes als auf ihre Manipulationsmöglichkeiten hin untersucht, so dass es nicht wunder nimmt, dass die technische Entwicklung den wissenschaftlichen Fortschritt sowohl voraussetzt als auch befördert, denn es handelt sich hierbei um ein und denselben Prozess. Aber wie passt dies zu der doch eben herausgestellten Gegen­ständigkeit als dem Grundbegriff des neuzeitlich-wissenschaftlichen Naturverständnis­ses? Die Antwort auf diese zentrale, auch von Heidegger zu wenig behandelte Frage, ist die folgende: Der praktische Begriff der Kraft, dessen Schema die beständig mögliche Herstellbarkeit ist, hat in der Wissenschaft eine theoretische, gegenstandskonstitutive Funktion (vgl. Mößgen 2007, 176ff.). Indem man in den Naturwissenschaften über Kräfte redet, sieht es so aus, als handele es sich dabei um Realitäten bzw. Gegenstände Die Vorstellung des regelhaft-gesetzmäßigen Ganzen eines Kräftezusammenhangs – also eigentlich eines per se der Vergegenständlichung sich Entziehenden wie eben Kraft bzw. Energie – erlaubt es aber nun, den Satz vom Grund als ein Naturprinzip aufzufassen und von nun an immer weitere Gründe aufzusuchen und die Gesetzmäßigkeiten nutzbar zu machen, d.h. zu erschließen, aufzuschließen, der Berechenbarkeit und Sicherung zugänglich zu machen. Dieser Prozess wiederum löst die Gegenständigkeit eines jeden einzelnen Naturdinges

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auf und macht sie zum Bestandsstück eines Bestandes an Wirk­ möglichkeiten. Dieser Prozess ist weder abschließbar – denn hier ist eine immer weitergehende Perfektionierung möglich –, noch steuer-, beherrsch- oder planbar; der Prozess der Technisierung ist unaufhaltsam (mit anderen Worten: besitzt eine ›Eigendynamik‹) und, was die eigentliche Gefahr ist, er macht den Menschen selbst zum manipulierbaren Bestandsstück und am Ende zur nutzbaren Ressource. Aber wir können auch anders.

6. Kunst und Technik

Heidegger hat konsequenter Weise an vielen Stellen seines Werkes versucht – nicht nur im Aufsatz über den »Ursprung des Kunstwerkes«, sondern vor allem auch in seinen Erläuterungen zu den Dichtungen Hölderlins, Rilkes und Trakls, die voll von Bezügen zur Eigenart neuzeitlich-technischen Denkens sind –, das Verhältnis von Kunst und Technik auszubuchstabieren. Mit der Kunst der Dichter verband Heidegger das Vorbild einer anderen Weise des Hervorbringens und Produzierens als das ›stellende‹ und ›fordernde‹ neuzeitlicher Technik. Diese andere Art des Hervorbringens ist zwar geschichtlich mit der technê bzw. der ars aufs Engste verbunden und bei den Griechen ungetrennt. In der Neuzeit aber wird die Kunst zum Gegenbild des technischen Weltverhältnisses; vor diesem Gegenbild können die Bestimmungen neuzeitlicher Technik kontrastierend erkannt werden. Schon rein äußerlich ist der Kunstwerk-Aufsatz, der Mitte der dreißiger Jahre entstand, in Bezug auf das Thema ›Heidegger und die Technik‹ interessant, weil in ihm erstmalig der Ausdruck ›Gestell‹ gebraucht wird, der ja später zentral sein wird: »Geschaffensein des Werkes heißt: Festgestelltsein der Wahrheit in die Gestalt. […] Was hier Gestalt heißt, ist aus jenem Stellen und Ge-stell zu denken, als welches das Werk west, insofern es sich auf- und herstellt« (UK 59). In den Zusätzen zum Aufsatz, 1956 geschrieben, erstmalig in der Reclam-Ausgabe von 1960 veröffentlicht, schreibt Heidegger, dass damit der späte, das Wesen neuzeitlicher Technik bezeichnende Begriff des Gestells hier sozusagen schon angedacht sei:

»Nun ist in der Tat das später als ausdrückliches Leitwort für das Wesen der modernen Technik gebrauchte Wort ›Gestell‹ von jenem Ge-Stell

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her gedacht […]. Jener Zusammenhang ist ein wesentlicher, weil seinsgeschichtlicher. Das Ge-stell als Wesen der modernen Technik kommt vom griechisch erfahrenen Vorliegenlassen, lógos, her, von der griechischen poiesis und thesis. Im Stellen des Gestells, d.h. jetzt: Im Herausfordern in die Sicherstellung von allem, spricht der Ausdruck der ratio reddenda, d.h. des logon didonai, so freilich, dass jetzt dieser Anspruch im Gestell als Herrschaft des Unbedingten übernimmt und das Vorstellen aus dem griechischen Vernehmen [noein!] zum Sicher- und Fest-Stellen sich versammelt. Wir müssen uns einerseits beim Hören der Worte Fest-Stellen und Gestell die neuzeitliche Bedeutung von Stellen und Ge-stell aus dem Sinn schlagen und dürfen doch zugleich andererseits nicht übersehen, dass und inwiefern das die Neuzeit bestimmende Sein als Ge-stell aus dem abendländischen Geschick des Seins hekommt und nicht von Philosophen ausgedacht, sondern den Denkenden zugedacht ist.« (Heidegger 1960, 97f.)

Aber auch von seiner internen Struktur her ist der Kunstwerk-Aufsatz für unser Thema interessant, da er eine Analyse der Seinsweise von Zeugen, Werken und eben Dingen in einer Weise vorträgt, die deutliche Differenzen zu der Weltlichkeitsanalyse von Sein und Zeit vor allem hinsichtlich der Dingkonzeption aufweist, zudem starke Affinitäten zur späteren Technikphilosophie enthält, so dass wir es hier nicht viel weniger als mit einem Schlüsseltext des heideggerschen Denkens über Technik zu tun haben dürften; natürlich ist er keine ästhetische Schrift, sondern, wie fast alles von Heidegger, eine ontologische, genauer eine fundamentalontologische. Die berühmte ›Kehre‹ des Denkens bei Heidegger ist eine Bewegung des Denkens, die sich (unter anderem auch) gegen die pragmatistische Verkürzung des Dingverständnisses kehrt, wie sie in Sein und Zeit exponiert wurde. Dies zeigt der Kunstwerkaufsatz deutlich: Heidegger ordnet nämlich die traditionell metaphysischen Bestimmungen dessen, was ein Ding ist – erstens Bündel bzw. Träger von Eigenschaften, zweitens geformter Stoff bzw. drittens Wahrnehmungskorrelat – allesamt der Sphäre des Zeuggebrauchs zu, d.h. der des Machens, Herstellens und Verfertigens und damit also dessen, was er unter dem Titelwort ›Technik‹ fasst. Von hier aus ist auch seine These, dass die neuzeitliche Technik Vollendung der Metaphysik bzw. des metaphysischen Denkens wäre, auch gar nicht mehr so exotisch, wie sie beim ersten Hören oder Lesen klingen mag. Denn wenn die Bestimmungen dessen, was Dinge sind

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ab ovo aus der Sphäre des Herstellens und des Verfertigens, des Formens von Stoffen, der Bearbeitung von Eigenschaften und des Wahrnehmungsdesigns stammen, so ist es kein Wunder, das früher oder später dieses Denken, wenn die Grundbegriffe einmal in dieser Weise imprägniert sind, sich auf alles bezieht, was überhaupt ist. Damit wird eine Seinsweise, letztlich die des Zeuges, nämlich die Zuhandenheit und ihr abkünftiger Negativmodus, die Vorhandenheit des ›bloßen‹ Dinges verabsolutiert und genau deswegen als eine mögliche Seinsweise nicht mehr erfahrbar. Sein wird dann eben als Vor- und Zuhandenheit des Seienden aufgefasst, nicht mehr und nicht weniger. Substanz und Eigenschaft, Stoff und Form etc. sind also, nach Heideggers Revision der Begriffe von Zeug und Ding, Bestimmungen der Zeugheit, nicht der Dingheit. Charakteristikum des Dinges aber ist, dass es nicht in einer Dienlichkeit, einem Wozu verschwindet, sondern dass es vielmehr ›eigenständig‹, ja ›eigenwüchsig‹ ist, wie Heidegger sagt. Woran denken wir zunächst und zumeist, wenn wir den Ausdruck ›Ding‹ hören oder lesen? An Anorganisches, Gegenstände des Gebrauchs, ja, es scheint uns bisweilen sogar unangemessen, von Lebewesen als Dingen zu sprechen, auch das aus anderen Denktraditionen bekannte Verdikt über ›verdinglichende‹ Redeweisen legt dies nahe. Das Verdinglichungsverbot, so könnte man mit Heidegger sagen, weist aber nicht auf eine Hochschätzung der nicht zu verdinglichenden Entitäten wie etwa Personen oder auch Lebewesen, sondern umgekehrt auf die Ge­ ringschätzung des Dinges als solchem. Wir verstehen aber das Ding nicht als Ding, das Werk nicht als Werk und das Zeug nicht in seinem Zeugsein, wenn wir alles Seiende mit dem vom Zeugsein abgeleiteten Bestimmungen von Stoff und Form bzw. von Substanz und Akzidens kategorisieren. Wir verfehlen im Denken die jeweils spezifische Weise des Seienden, zu sein, so wie wir auch das menschliche Dasein, also die ›Existenz‹ im emphatischen Sinne denkend verfehlen, wenn wir sie im Sinne der Seinsweise eines x-beliebigen Gegenstands auffassen, was zu vermeiden ja ein Hauptanliegen schon der Funda­mental­ ontologie von Sein und Zeit gewesen war. Auch das menschliche Dasein wie auch die von und in ihm produzierten Kunstwerke sind nicht nur etwas anderes als Dinge oder Zeuge, sie sind anders, existieren auf andere Weise. Diesen Unterschied von Seinsweisen im allgemeinen nicht zu beachten, ist, wie wir schon im vierten Ka-

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pitel sahen, der schlichte Sinn von ›Seinsverges­senheit‹: Es ist der Zustand des Denkens, in dem und durch den alles Seiende auf eine einzige Weise zu sein reduziert wird, charakteristischerweise auf die Seinsweise der Vorhandenheit oder, noch schärfer gefasst, auf die der Zuhandenheit, nämlich des Bestandes bzw. der Ressource, d.h. der Möglichkeit ständiger Verfügung. Die Differenz zwischen dem Seienden, das jeweils auf eine bestimmte Weise ist, und dem Sein, das der Name für den Möglichkeitsbereich dieser verschiedenen Weisen ist, i.e. die berühmte ontologische Differenz, wird dabei übersehen. Es sind aber die Werke der Kunst, an denen wir erfahren können, was Dinge ihrem Sein nach sind (oder kürzer: wie Dinge sind) und was Zeuge ihrem Sein nach sind (oder kürzer: wie Zeuge sind). In den Werken der Kunst, so Heidegger, erhalten wir Aufschluss darüber, was es mit dem Sein von Dingen und Zeugen auf sich hat, denn dieses Sein wird als Wahrheit ins Werk gesetzt bzw. eigens hervorgebracht. Das geht, weil Werke sowohl mit den Zeugen als auch mit den Dingen elementare Bestimmungen gemeinsam haben: Zeuge und Werke haben gemeinsam, dass sie konstitutiv ›von Hand‹ hervorgebracht sind; es gibt kein Zeug an sich, so wie es auch keine Werke an sich gibt; mit der aristotelischen Unterscheidung ausgedrückt: Sowohl Zeuge als auch Werke haben das Prinzip ihres Daseins außer sich und verweisen auch darauf, weshalb es für die Griechen auch nur ein Wort für die Erfassung dieser beiden Sphären gibt, eben technê. Sie ist das Wissen darum, wie etwas hervorgebracht wird, und zwar: in seinem Sein. Technik ist daher ursprünglich gedacht auch nicht einfach die Tätigkeit im Sinne von Machen, sondern das Hervorbringen des Seienden: »das Anwesende wird als solches aus der Verborgenheit her eigens in die Unverborgenheit [alêtheia] seines Ansehens vor gebracht« (UK 47). Handwerk und Kunst gründen zwar in der technê, aber technê ist nicht das Handwerk oder die Kunst, sondern, nach Aristoteles, die aretê, die ›Tugend‹, d.h. die Haltung, solches zu tun. Das künstlerische Schaffen geht daher weit über das reine handwerkliche Herstellen von Zeug hinaus, denn es wird nicht weniger als die Wahrheit ins Werk gesetzt, eingerichtet, gestiftet; ›Schaffen‹ ist dabei nicht allein Bewirken von Wirkungen, das auch, aber darüber hinausgehend ist es das ›Vollbringen des Seins‹ (damit ist, wie wir im letzten Kapitel noch ausführlich behandeln werden,

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eine umfassende Weise des Handelns angesprochen, die es uns umgekehrt erlaubt, technisches Handeln als eine bestimmte Weise des Handelns aufzufassen – und damit dem Denken über Technik einen festen Grund zu geben). Anders als beim Zeug nun ist das Hervorgebrachtsein in das Werk ›mit hineingeschaffen‹. Ein Zeug ist genau dann fertig zum Gebrauch, wenn gerade der Umstand, dass es hervorgebracht wurde, nicht auffällt, d.h., wenn es im Gebrauch so weit als möglich ›verschwinden‹ kann. Umgekehrt erfahren wir am Werk, was es heißt, geschaffen zu sein: »Das Dass des Geschaffenseins tritt am Werk hervor, beim Zeug verschwindet es in der Dienlichkeit« (UK 53). Während also das Zeug den Stoff, aus dem es besteht, in seinen Dienst nimmt, lässt das Werk den Stoff, aus dem es besteht, gerade nicht verschwinden, sondern ›allererst hervorkommen‹: »Der Fels [auf dem das Kunstwerk, in diesem Falle der Tempel, steht, A.L.] kommt dadurch erst zum Tragen und Ruhen und wird dadurch erst Fels, die Metalle kommen zum Blitzen und Schimmern und dadurch werden sie erst Metalle« (UK 53). Soweit zum Verhältnis von Zeugen und Werken. Werke und Dinge nun haben gemeinsam – und dies ist etwas, was im Kontext von Sein und Zeit nicht thematisiert wurde, ja, nicht thematisiert werden konnte – dass sie selbstständig sind. Sie stehen, anders als die Zeuge, für sich. Schauen wir noch einmal kurz zurück auf Sein und Zeit um den Unterschied im Dingbegriff, der in diesem Buch der Unterschied ums Ganze ist, deutlich zu machen.

6.1 Die neuen und die alten Dinge Der Begriff des Dinges blieb, wie wir im dritten Kapitel schon se­ hen konnten, in den Analysen von Sein und Zeit unterbestimmt. Zunächst einmal gibt es auch noch weiteres innerweltlich begegnendes Seiendes, was weder Ding noch Zeug ist: so etwa, in Sein und Zeit, andere Personen (Korrelate des ›Mitseins‹), welche weder vor- noch zuhanden sind, sondern die ›mit da‹ sind, d.h. koexistieren (auch zu ihnen aber, so muss man sagen, hat das Dasein keine Beziehung der Alterität, sondern, wie im vierten Kapitel ausführlich dargelegt, nur zum Tod). Dann aber gibt es, in Sein und Zeit nicht thematisiert, auch noch die Kunst-Werke, die also ebenfalls nicht nur etwas anderes sind, sondern auf andere Weise sind als Dinge und Zeuge. Werke treten im Kontext der Zuhandenheits­

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analyse von Sein und Zeit lediglich als das Wozu der Zeuge auf, haben also selbst, wie Heidegger im Widerspruch zu seiner eigenen früheren Analyse bemerkt, selbst die Seinsart des Zeugs, Zuhandenheit. Ein Ding, Korrelat von Vorhandenheit, ist nach der Auffassung des frühen Heideggers aber lediglich so etwas wie ein Zeug, das der Dienlichkeit entbehrt, aus welchen Gründen auch immer. Vorhandenheit ist, so gesehen nicht viel mehr als Unzuhandenheit. Der Unterschied von Dingen und Zeugen als ein kategorialer wird daher in Sein und Zeit mehr behauptet als verdeutlicht. Wie Heidegger aber nun, in den 30er Jahren in Auseinandersetzung mit seinen philosophischen und politischen Irrwegen sieht, sind die Werke der Kunst mit den Kategorien von Zu- und Vorhandenheit phänomenologisch nur inadäquat zu fassen. Nach der Analyse des frühen Heideggers, so eine Konsequenz, lässt aber auch gar kein mögliches Dasein fassen, das einen ande­ ren Umgang mit Zeugen und Dingen finden könnte als eben den in Sein und Zeit analysierten. Umgekehrt bedeutet dies: Mit der Weltlichkeitsanalyse von Sein und Zeit wird der Umgang mit Zeugen und Dingen gar nicht als eine Seinsmöglichkeit des Daseins ersichtlich, denn wir sind gleichsam darauf festgelegt, uns solchermaßen zu innerweltlich begegnenden Seienden zu verhalten. Dies ändert sich erst, wenn, wie im Kunstwerkaufsatz, in den Blick gerät, welche anderen Verhältnisse zu diesem Seienden möglich sind. Noch einmal mit anderen Worten: Wenn man Dinge so wie in der Weltlichkeitsanalyse von Sein und Zeit auffasst, bleibt die Dingheit des Dinges unterbestimmt, also das, was ein Ding zu einem solchen macht. Denn es ist etwas anderes im Kontext von funktionalen Zusammen­hängen aufgrund einer Dysfunktionalität von Routinen auf Widerständiges zu stoßen oder ob man sich von einem Ding gewissermaßen ansprechen lässt, d.h. es gerade deswegen in den Blick nimmt, weil es einem als etwas für sich Seiendes, etwas Eigenständiges gegenübertritt. Wir können die Dinghaftigkeit etwa eines Bergs, wie er sich uns auf einer Wanderung zeigt, nicht aus seiner Unzuhandenheit erklären; dies wäre ein überzogener, absurder Pragmatismus. »Ist das ein Ding!« würde man (wenn überhaupt) angesichts eines mächtigen Berges gerade wegen dessen Selbstständigkeit oder Eigenwüchsigkeit sagen wollen, nicht aber wegen dessen Unzuhandenheit für den Hausgebrauch. Die phänome­nologische Qualität der (Natur-)dinge, die so erfahren werden, dass sie von sich aus das sind, was sie sind, ist

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phänomenologisch adäquat also auch nur so zu beschreiben, dass sie eben nicht auf die Sphäre des Besorgens zurückzubiegen ist. Schon in Sein und Zeit hat Heidegger dieses Problem bemerkt. Im § 15 schreibt er, dass, insofern alles unter dem Blick­winkel eines möglichen Umgangs betrachtet wird, auch Na­turdinge zunächst nur durch diesen Verweisungszusammen­hang erscheinen: Wir könnten sonst nichts von ihr bemerken. Allerdings ist dies nicht das letzte Wort über die Natur: Flüsse, Holz, Erz, Tiere wer­den nur zunächst in ihrer Verwertbarkeit qua Naturprodukte ent­deckt. Von dieser Verwertbarkeit kann dann auch abgesehen wer­den. Natur kann uns auch anders als im Modus der Zuhandenheit, wo der Wald Forst, der Fluss Wasserkraft, das Tier Nahrung und Klei­dung, die Sonne Licht- und Wärmespenderin – dieses letzte Beispiel wird in § 22 im Zusammenhang der Räumlichkeit des Zuhandenen ausgeführt –, kurz: die Natur Umwelt darstellt, begegnen. Die Natur als Inbegriff der Vorhandenheit, wie sie in den Na­turwissenschaf­ ten vorgestellt wird, ist dabei nicht die einzi­ge andere Möglich­keit gegenüber dem Zweckdenken des umsichtigen Daseins, denn weder die ›zuhandenen‹ Pflanzen des Medika­menten­herstellers noch die ›vorhandenen‹ Pflanzen des Botanikers sind »die Blumen am Rain« (SuZ 70). An dieser Stelle führt Heidegger den angedeu­teten Gedanken eines nicht-kate­goria­len, d.h. existenzialen Naturver­hält­ nis­ses nicht weiter; genau dies aber ist das zentrale Thema seiner späteren Aufsätze, in denen das technische Naturverhältnis des neuzeitlichen Denkens thematisiert wird. So heißt es im Vortrag »Bauen, Wohnen Denken« von 1951 dementsprechend:

»Unser Denken ist es freilich von altersher gewohnt, das Wesen des Dinges zu dürftig anzusetzen [und so auch er selbst in Sein und Zeit, A.L.]. Dies hatte im Verlauf des abendländischen Denkens zur Folge, dass man das Ding als ein unbekanntes X vorstellt, das mit wahrnehmbaren Eigenschaften behaftet ist.« (VA 148)

Die Nähe zu den Dingen, die adäquate Haltung ihrer Selbstständigkeit gegenüber, kann nur durch einen »Schritt zurück aus dem nur vorstellenden, d.h. erklärenden Denken in das andenkende Denken« (VA 174) erfolgen, wie es im Vortrag »Das Ding« von 1949 heißt, dem ersten von vier Vorträgen, aus denen auch der Aufsatz »Die Frage nach der Technik« hervorgegangen ist. Dass Heidegger,

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14 Jahre nach »Der Ursprung des Kunstwerks« davon spricht, dass die neuzeitlichen Wissenschaften »die Vernichtung des Dinges als Ding« (VA 162) betreibt, und dies in unmittelbarer Nähe zur Darlegung der Frage nach der Technik behandelt, bestätigt einmal unsere Vermutung, dass es hierbei immer auch um eine Auseinandersetzung mit dem eigenen, noch technizistischen Dingverständnis als einem metaphysischen Restbestand geht. Wir müssen auf eine ausführliche Erläuterung des Vortrages »Das Ding« hier leider verzichten. Es geht ja gar nicht so sehr um die Frage nach dem Ding selbst, sondern eben um die Frage nach der Technik; insofern in der Technik dasjenige Denken wirkt, dass dem Ding nicht gerecht werden kann, weil es seine Selbstständigkeit zu tilgen versucht. Es reicht daher an dieser Stelle, wenn wir einsehen, dass Heidegger Dinghaftigkeit seit 1935 als Selbstständigkeit denkt. Der spätere Vortrag »Das Ding« geht in der Entfaltung dessen, was ein Ding ist, freilich sehr viel weiter, indem er die Selbstständigkeit der Dinge in ihrem versammelnden Charakter ansetzt (vgl. VA 159). Eine Erläuterung dessen, wie Dinge dies tun (wie sie »Welt dingen«) und was sie versammeln, würde bei weitem den Rahmen dieses Buches sprengen. Nur so viel: Das substanzialistisch verkürzte neuzeitliche Denken verhindere, so Heidegger, dass ein jegliches Ding als das wahrgenommen wird, was es lebensweltlich bedeutet: nicht nur ein Mittel zu einem bestimmten Zweck, nicht nur ein Hergestelltes, noch auch nur ein bloßer Gegenstand der Betrachtung, sondern Knotenpunkt der vielfältigsten Bezüge. Ein Ding steht inmitten dessen, was Heidegger das ›Geviert‹ von ›Himmel und Erde‹, ›Göttlichen und Sterblichen‹ nennt, das sich historisch und kulturell jeweils verschieden ausprägt (vgl. VA 166; auch VA 147). Er bezieht sich hier explizit auf die Bedeutung des germanischen ›thing‹ als (Rats-)Versammlung. Die Sterblichen sind hier nun nicht einfach nur die, die sterben, sondern die, die in einem Verhältnis zu ihrem Ende und damit der Möglichkeit des Nicht-Seins stehen – eine deutliche Wiederaufnahme der Mortalitätsthematik von Sein und Zeit, die hier, im Zusammenhang mit der veränderten Dingauffassung und gleichsam von den Din­ gen her gesehen wird. Genau dies aber war ja auch mit der ›Kehre des Denkens‹ gemeint, durch die der oben geschilderte ›existenziale Solipsismus‹ mit seinen unhaltbaren Konsequenzen einzig vermieden werden konnte. Die Sterblichen, also wir, sind es, in denen solchermaßen das Sein via negationis zu sich in einem Ver-

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hältnis steht: »Sie sind das wesende Verhältnis zum Sein als Sein« (VA 171). Ein Ding wird hier, anders als in Sein und Zeit, also als ein Ort der Versammlung von Praktiken aufgefasst, nicht als bloß vorhandene Gegenstände, unzuhandene Zeuge, die aus bestimmten Praktiken herausgefallen sind bzw. eigens herausgenommen wurden. Es handelt sich auch hier durchaus weiterhin um einen Pragmatismus der Dingkonstitution, aber einen von anderer Art. Hubert Dreyfus schrieb in Anlehnung an Albert Borgmann über die Dingauffassung des späten Heidegger treffend: »Things […] can focus practices« (Dreyfus 1993, 316). Dinge versammeln, weil sie in einen universalen Praxiszusammenhang eingelassen sind, der sich gleichsam in ihnen lokalisiert. Am Ende dieses Buches wird auf diesen Punkt noch kurz eingegangen werden. Kommen wir aber nun zurück zum Verhältnis von Dingen und Werken, wie es im Kunstwerkaufsatz konzipiert wird. Was Heidegger in den §§ 14-18 von Sein und Zeit im Blick hatte, betrifft, wie gesagt, seinem eigenen Bekunden nach nicht die Dinge in ihrer Dinghaftigkeit bzw. in ihrem Ding-Sein, sondern, die ›bloßen Dinge‹, d.h. letztlich die Zeuge ohne Dienlichkeit.

6.2 Dinge und Werke Dinge und Werke haben aber, im Unterschied zum Zeug (und dem ›bloßen‹ Ding, das im Rahmen von Sein und Zeit lediglich als Korrelat negativer Zuhandenheit gefasst wird) gemeinsam, dass sie selbstständig sind. Werke sowohl als auch Dinge sinken daher nicht einfach in den Gebrauch ab; sie sind als solche nicht verfügbar d.h. (direkt) nutzbar, andernfalls verschwände eben ihr Charakter der Selbstständigkeit. (Kunst-)Werke haben freilich auch immer einen dinglichen ›Unterbau‹, teilen also mit den Dingen, dass sie auf der ›Erde‹, als dem Inbegiff des Unverfügbaren, aufruhen. Seine Selbstständigkeit bezieht das Werk daraus, dass es, indem es auf etwas verweist, gleichsam immer auch auf sich selbst zeigt, ja, sein Zeigen zeigt. Dies letztere ist das eigentlich Konstitutive eines Werkes, weshalb es auch ungegenständliche (nicht-auf-anderesverweisende) Kunstwerke geben kann, wie vor allem die moderne Kunst zeigt, aber auch die Musik als nicht darstellende Kunst. Die herkömmlichen Konzeptionen dessen, was ein Ding ist, nämlich geformter Stoff bzw. Bündel von Eigenschaften bzw. Kor-

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relat der Wahrnehmung versperren deswegen das Verständnis der Dinghaftigkeit, weil sie letztlich nach Maßgabe des Zeugseins gedacht werden. Es sind die Werke der Kunst, die erfahrbar machen, wie Zeuge als Zeuge und Dinge als Dinge sind. Die Künstler und Dichter stellen dabei nicht einfach wie die Handwerker Dinge her – das tun sie freilich auch, insofern ein Kunstwerk freilich immer auch selbst dinglichen Charakter hat – sondern sie verschwinden gleichsam hinter ihren Werken, zumindest in der großen Kunst. Heidegger sagt an einer Stelle: Die großen Künstler sind nicht Hersteller, sondern »fast wie ein im Schaffen sich selbst vernichtender Durchgang für den Hervorgang des Werkes« (UK 26) – und insofern auch diejenigen, die dem Sein des Menschen entsprechend handeln. Noch einmal: Kunstwerke, etwa Skulpturen oder Gemälde zeigen nicht einfach nur Dinge, sondern diese Dinge in ihrer Dinghaf­ tigkeit, also so, wie die Dinge sind. Deshalb haben es Werke mit dem (spezifischen) Sein der Dinge zu tun. Das Kunstwerk ist also auch nicht einfach ein Zeug, das dann auch noch ästhetischen Wert hat, der sich sozusagen von ihm ablösen ließe, so wie man ihn dem Kunstwerk angeheftet hat. Das Werk freilich selbst immer dinghaft, hat sozusagen einen dinglichen Unterbau, aber es geht darin nicht auf, es ist mehr. Im Werk ist immer etwas am Werk (ergon – energeia): »Die Eröffnung des Seienden in seinem Sein, das Geschehnis der Wahrheit« (UK 24) und insofern ist es ein Grundzug des Kunstwerkes, dass es die Welt für Erfahrungen von Unverfügbarem offen hält; im Unterschied gerade zu den alltäglichen Praxen und technischen Routinen, die diese Offenheit verschwinden lässt. Das Werk gibt uns damit einen Stoß ins Offene möglichen Andersseins (vgl. UK 31) und, für unsere Fragestellung entscheidend: »Das Werk als Werk ist in seinem Wesen herstellend« (UK 31). Im Grunde heißt dies also: Im Kunstwerk wird das Herstellen, die poiesis selber als Tätigkeit, als praxis vorgeführt. Mehr noch: Am Kunstwerk erfahren wir, dass unser Verfügungswillen letztlich in einer (immer mit anderen geteilten) Praxis wurzelt, über deren Existenz wir als Einzelne niemals verfügen können. Das (Kunst-)Werk hat demnach, zusammengefasst, zwei Wesenszüge: Einerseits ›stellt es eine Welt auf‹, d.h. eröffnet das Seiende hinsichtlich dessen, wie es ist. Es stellt Zeug bzw. Zeuge, z.B. ein paar Bauernschuhe wie im Bild van Goghs, nicht einfach nur

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dar, sondern stellt es in seinem Zeugsein, d.h. in seiner Dienlichkeit dar; es stellt Dinge, wie z.B. Cézanne die Montaigne St. Victoire, nicht einfach nur dar, sondern lässt Dinge in ihrem Ding-Sein erscheinen, nämlich als selbst und eigenständig Seiendes. Andererseits stellt das Kunstwerk ›die Erde her‹, als dasjenige, worin das Seiende als solches und überhaupt gründet, auch das Zeug, ohne dass dies im Zeuggebrauch noch irgend thematisiert werden sollte oder könnte. Mit der Verflachung des Dingbegriffes – eine Sache, die im Denken geschieht und die auch nur durch das Denken aufgedeckt werden kann – wird die Dimension der ›Erde‹ getilgt. Was soll das heißen? In gewisser Weise ist ›Erde‹ der Zentralbegriff des Kunstwerksaufsatzes, der Punkt, von dem aus die ontologische Unterscheidung von Dingen, Zeugen und Werken möglich wird und es ist gerade die Dimension, welche Eigenständigkeit, Vonsich-her-sein verbürgt. ›Erde‹ ist, wie man unschwer sehen kann, Heideggers Übersetzung des griechischen physis. Hier darf man nun eben nicht an ›die Natur‹ denken, jedenfalls nicht an Natur als einen Zusammenhang von Kräften oder Molekülen und Atomen usw. sondern eher an die Bereiche der Lebenswelt, die von sich her da sind, die nicht gemacht, sondern entstanden sind, über die also nicht verfügt werden kann. ›Physis‹ ist wie ›Erde‹ für Heidegger ein Name des Seins. Wie so oft orientiert er sich auch hier an einer aristotelischen Unterscheidung, nämlich derjenigen von physis und thesis. Vom ›Gestell‹ sagt er ja ausdrücklich, dass es das griechische thesis übersetzt (was wir ja wiederum normalerweise ›Setzung‹ übersetzen, obwohl wir andererseits sagen, dass wir diese Setzungen, Thesen eben, ›aufstellen‹). Auch die Unterscheidung von den physei onta und den technê onta ist hier einschlägig. Heidegger übersetzt diese beiden aristotelischen Termini in seinem Aufsatz »Vom Wesen und Begriff der physis. Aristoteles, Physik B 1« aus dem Jahre 1939 mit die Gewächse und die Gemächte (vgl. HGA 9, 250). Das Seiende im Sinne der technê onta trägt das Prinzip ihres Soseins außerhalb ihrer selbst, in der Idee und in der Umsetzung des technisch Handelnden eben, während das naturhaft Seiende, die physei onta, das Prinzip ihres Soseins, genauer: ihrer daseinsträchtigen Beweglichkeit in sich haben. Es ist ein ontologischer Unterschied zwischen Gemachtem und Gewachsenem, denn nur ersteres ist geplant – wobei der Plan des Entstehenden selbst hergestellt ist – während dies bei den ›natürlichen‹ Dingen

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nicht der Fall ist (weswegen es auch verfehlt wäre, hier von ›Autopoiesis‹ in Bezug auf das Lebendige zu sprechen; hier ist gar keine poiesis am Werke). Wir neigen heute dazu, Dinge, überhaupt Seiendes, als etwas aufzufassen, was gemacht wurde, während für die Griechen, wie Heidegger auch an Heraklit und Parmenides zu zeigen nicht müde wurde, Dinghaftigkeit offenbar vom Lebendigen her gedacht haben, vom Gewachsenen und d.h. vom durch sich selbst Entstandenen. Eine wichtige Rolle spielt dabei immer wieder der Gedanke, dass unterm christlichem Gedankenhimmel jedwedes Naturding – von den Griechen noch im Sinne der physis, des von sich her Bestehenden, gedacht – auch und gerade ein mächtiger Berg, als Teil der Schöpfung und daher als geformter Stoff, als Korrelat erhabener Empfindung und letztlich als Träger der Eigenschaft, Symbol der Allmacht Gottes zu sein, aufgefasst wird. Die Welt als Schöpfung ist von einer prinzipiellen Veränderbarkeit und Verfügbarkeit gekennzeichnet, sie wird zum Bild, zum Ressourcenfeld, im Grunde zum Verfügungs­bereich von Manipulationen eines Schöpfersubjektes. Die physei onta werden unter dem Blickwinkel der technê onta interpretierbar. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Unterscheidung von existentia und essentia, die zwar im griechischen Denken angelegt ist, aber erst im christlichen Kontext die zentrale Bedutung bekommt, die sie bis heute hat: Denn nur wenn Was-sein und Dass-sein, Essenz bzw. Natur einer Sache und die Existenz derselben Sache unterschieden werden, kann man sich eine planvolle Schöpfung überhaupt vorstellen. Es ist aber auch hier im Grunde ein handwerkliches Prinzip gedanklich leitend: Formung eines Stoffes, Bündelung von Eigenschaften, Herstellung eines Wahrnehmungs­korrelates.

6.3 Erde, Welt und das Rettende der Kunst Kommen wir noch einmal zurück zum Unterschied von Werken und Zeugen: Im Unterschied zum Zeug lässt »das Werk […] die Erde eine Erde sein« (UK 32). Weil es die Erde ist, auf der der Mensch sein Dasein allein nur gründen kann und welche er bewohnt braucht er die Werke, um sich der Grundlage des Daseins, der ›Erde‹, zu versichern. Genau durch diesen Vorgang wird aber das Sein der Dinge als Eigenständigkeit gewahrt und die Haltung

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des Künstlers, der durch sein Schaffen das Sein der Dinge vorliegen lässt, zum Vorschein bringt, vollzieht ein Handeln und Denken, das dem Sein der Dinge gemäß ist. Die ›Erde‹, d.h. das, ›was von sich her aufgeht‹, ist das, was am Werk erfahren wird (vgl. UK 28). Die ›Erde‹ ist aber zugleich das, worin der Mensch sein Wesen gründet und einzig auch nur gründen kann. Das Werk, das ja eine Welt (den Raum möglicher Erfahrungen) eröffnet, gibt genau deswegen den Dingen ›ihr Gesicht‹, d.h. stellt sie auf die Erde zurück, wie Heidegger sich ausdrückt. Das Werk vermag dies, weil es nicht die Dinge als Seiende, sondern in ihrem Sein darstellt. Ein Künstler stellt nicht einfach die Welt dar, sondern wie es ist, in ihr zu sein. Die ›Erde‹, als die Sphäre, der die Dinge entstammen, ist nun etwas, in das man nicht eindringen kann. Man kommt der ›Erde‹ auch nicht durch Messungen im weitesten Sinne näher. Jedwede Messung transformiert das, was hier ›Erde‹ genannt wird, in ein ihr Fremdes, Verfügbares; dies ist ja gerade der Sinn von Messungen. Und doch setzt jede Messung diese Unverfügbarkeiten voraus; so kann man unmessbare Farbqualitäten verschiedenen messbaren Wellenlängen im elektromagnetischen Feld zuordnen und dann gewissermaßen anfangen, mit Farben zu rechnen usw. Die spezifische Seinsqualität einer Farbe, das Rote oder die Röte, ist nicht verfügbar, nur ihre theoretisch-technischen Zuordnungen. Das Rote ist als solches auch nicht messbar, denn es ist Qualität, nicht Quantität. Es ist das, was dem Messakt voraus liegt. Wenn man dies vergisst, denkt man gewissermaßen abgehoben, schlecht-ab­ strakt. Denn, noch einmal gesagt, indem durch ein Werk eine bzw. die Welt eröffnet wird hinsichtlich ihrer Seinsmöglichkeit, wird zugleich die Erde ›hergestellt‹, produziert, hervorgebracht (dies natürlich nicht im Sinne des technischen Herstellens, sondern in dem alten Sinn von technê, nämlich des Wissens um die poiesis, was ursprünglich ein Entstehen-lassen-können bedeutet). ›Welt‹ und ›Erde‹ sind zwar wesentlich voneinander verschieden, aber nicht getrennt bzw. voneinander zu trennen. Welt ist das Offene des Seienden, Erde das notwendig dem Zugriff und dem Blick Verborgene des Seins, das ist ein gewisses Gegeneinander, das Heidegger dann auch den ›Streit‹ nennt. Im Kunstwerk streiten Erde und Welt, wobei das so aufzufassen ist, dass durch diesen Streit Welt und Erde erst jeweils zu ihrem eigenen kommen: So wird die Wahrheit ins Werk gesetzt, die Unverborgen­heit des

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Seienden, also das Seiende in seinem Sein, im Kunstwerk ereignet sich die Wahr­heit. Und das ist eben niemals ein Zustand des Seienden, sondern etwas grundsätzlich Un­verfügbares. (Die ›Welt‹ ist dabei nicht einfach das Offene des Seienden, ›Erde‹ nicht einfach das Verschlossene; zumindest die Erde ist das, was sich als das SichVerschließende zeigt). Ein Kunstwerk ist nun zweifellos etwas, was geschaffen wird. ›Schaffen‹ ist Hervorbringen von Sein, nicht einfach Verfertigen von (schon) Seiendem. Im ursprünglichen Sinn von technê ist also das ›Vollbringen des Seins‹ durchaus enthalten und wirkt daher mit am ›Wunder aller Wunder‹, nämlich dass Seiendes ist. Erst später wird Technik in ihrer neuzeitlichen Form eben zum Wissen um die Verfertigung von Seiendem. Vollbringen des Seins unter den neuzeitlichen Bedingtheiten des abendländischen Denkens heißt demgemäß nichts weiter als: Die Welt als Bestand sichern. Die Kunst stellt, wie wir sehen konnten, den Praxisaspekt des Herstellens heraus, der an den Werken – im Unterschied zu den technischen Artefakten – negativ erfahrbar wird. Die dynamische, d.h. auf den Bereich der Seinsmög­lichkeiten aufmerksame Haltung des Künstlers ist daher der Haltung des Technikers geradewegs entgegengesetzt: Diese ist vielmehr statisch, d.h. an der Herstellung eines bestimmten Zustands im Bereich des Seienden interessiert. Während in der Kunst die Wahrheit ›ins Werk gesetzt‹, d.h. gestiftet wird, muss sie in allen technischen Produktionsprozessen als wissensmäßig gegeben vorausgesetzt werden. Erst aber in der Stiftung der Wahrheit – Stiften im dreifachen Sinne von Schenken, Gründen und Anfangen (vgl. UK 63) – entsprechen die Menschen ihrer Endlichkeit, so Heidegger. Allerdings ist das technische Denken, das Denken in Funktions­zusammenhängen – oder, mit Musil gesprochen, der Wirklichkeitssinn – nicht nur ein defizienter Modus künstlerischen Denkens bzw. des Möglichkeitssinnes; denn es ist ja das feststellende, vorstellende, repräsentierende Denken, das gleichsam die Ausgangsbasis abgibt für alle ›dynamischen‹, seinsmöglichkeitsbezogenen Verdichtungen, wie sie ein Künstler im Sinn haben kann. Deshalb ist eine ›Technikfeindlichkeit‹ nach Heidegger auch völlig unangebracht – und damit die einseitigen, kultur- und zeitkritischen Anknüpfungen an Heidegger zumindest problematisch, wenn nicht verfehlt. Die einzelnen Techniken als Gegenstände der herkömmlichen Technikphilosophie haben einen unbestreit-

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baren Sitz im Leben der Menschen, aber sie können andererseits niemals den ›Möglichkeitssinn‹ der Kunst ersetzen. Und dies ist es, was Heidegger als ›Gefahr‹ der zunehmenden Technisierung der Lebenswelt gesehen hat: die Reduzierung des Menschen allein auf die funktionalen Zusammenhänge, in denen er steht. Die angemessene Haltung gegenüber den technischen Dingen ist aber eben dann, wie in der Kunst auch, die Gelassenheit, d.h. diejenige Haltung, die die Dinge selbstständig sein lässt und sich eben nicht von den Dingen als faktischen Mitteln die Dynamisierung der Lebenswelt verspricht. Schon 1928/29, in der Vorlesung »Einleitung in die Philosophie« spricht Heidegger vom Philosophieren als der befreienden, »ursprüngliche[n] Gelassenheit des Daseins« (HGA 27, 401), welche im »Geschehenlassen der Transzendenz« (ebd.) besteht. Gelassenheit bzw. Philosophieren ist nichts anderes als das »Vertrauen des Menschen zum Da-Sein in ihm und zu dessen Möglichkeiten« (ebd.). Das Denken, das hinter der neuzeitlichen Technik steht, ist nicht gelassen, indem es versucht, die innere Medialität des Handelnden, sein Sein-lassen-können zurüstet mit der – Weltzustände sicherstellenden – äußeren Medialität technischer Mittel. Wir werden im letzten Kapitel noch näher auf das Thema ›Gelassenheit‹ eingehen, dort im Zusammen­hang mit einem erweiterten Verständnis dessen, was eigentlich ›Handeln‹ ist. Durch Techniken werden, so Heidegger, nämlich gar keine Möglichkeiten im eigentlichen Sinne erschlossen, auch wenn es sich dem Anschein nach gegenteilig verhält. Techniken eröffnen spezifische Möglichkeiten zu handeln – klar! Aber doch nur in dem Sinne, dass bestimmte Intentionen nur mit entsprechenden Techniken realisiert werden können, z.B. fliegen mit Flugzeugen usw. Techniken eröffnen Handlungsoptionen. Durch die Eröffnung von Handlungsoptionen werden aber, wie wir im ersten Kapitel behauptet hatten, Seinsmöglichkeiten gerade fixiert. Indem der Optionsraum möglichen Handelns gleichsam sichergestellt, ja versiegelt wird, sind wir auf eine bestimmte Daseinsform festgelegt, sobald wir einen solchen strukturell bestimmten Optionsraum (wie z.B. den der technischen Lösungen) betreten. Darin besteht eine Gefahr, nämlich den des Seins­verlustes, der immer auch ein Verlust von Denkmöglichkeiten ist. Hieran aber kann man auch sehen, dass dies alles andere als ein notwendiges Schicksal bedeutet. Heidegger in der Vorlesung zum Satz von Grund im WS 1955/56:

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»Dass Menschen durch Technik ›versklavt‹ werden ist oberflächlich gedacht. Denn warum lassen sie sich denn versklaven, es ist ja ein bestimmtes Denken [welches dahinter steht, A.L.]. Denken heißt immer: dem Zuspruch des Seins, dem Geheiß des Seins entsprechen und im Falle der neuzeitlichen Technik, die auch das neuzeitliche Denken durchwaltet eben [dem Geheiß, A.L.] des Satzes vom Grund« (HGA 10, 31).

Der ›fliegende Mensch‹ im Flugzeug ist eben immer noch derselbe Mensch wie auf der Erde und er ist dies auf dieselbe Weise. Nicht in der Technik, sondern erst in der Kunst werden tatsächlich andere mögliche Weisen zu sein, d.h. auch: andere Sichtweisen auf die Welt als Ganze erschlossen. Techniken, sofern man sich auf sie einlässt, schreiben dagegen einen Aktualisierungsvollzug bestimmter Möglichkeiten vor (im simpelsten Falle im Sinne des »So wird das gemacht!«); dagegen kann das, was »die Kunst stiftet, […] durch das Vorhandene und Verfügbare nie aufgewogen oder wettgemacht werden. Die Stiftung ist ein Überfluss, eine Schenkung« (UK, S. 63). Die Kunst zeige, wie jeder eröffnete Sinnzusammenhang (›Welt‹) einer Sphäre des Unbestimmten (›Erde‹) abgerungen ist und gerade darin mit diesem zusammengehört. So wird in der Kunst, die als Spiel von Präsenz und Absenz, als ›Unverborgenheit‹ verstandene ›Wahrheit‹ (alêtheia) ins Werk gesetzt. Während Kunst damit den Prozess der Herstellung – also das, was Herstellen ausmacht – selbst durchschaubar macht bzw. offenbart, orientieren sich Technik und Wissenschaft lediglich an der ›Richtigkeit‹, d.h. an der Deckung mit einem vorab gegebenen ›Bild‹ von der Welt. Das Denken in Beständen bzw. Ressourcen, das weder Dingen in ihrer Selbstständigkeit noch gar den Kunstwerken adäquat sein kann, ist in gewisser Weise bodenlos, denn insofern es das Seiende auf seine beständige Aktualisierungsmöglichkeit und Verfügbarkeit von Wirkungen hin befragt, ist es letztlich ein unmögliches Denken; denn die Erde als das Tragende lässt sich weder sichern noch überhaupt in Gebrauch nehmen. Dieses Denken verfehlt damit die Seinsmöglichkeiten menschlichen Dasein, oder genauer: es richtet das menschliche Dasein auf eine bestimmte Bahn aus. Was es ist, ein Ding zu sein, korrespondiert damit, wie es ist, ein Mensch zu sein (vgl. ähnlich Dreyfus 1993, 295). Wie Heidegger in seinen Aufzeichnungen aus den späten dreißiger Jahren schreibt, die unter dem Titel »Die Überwindung der Metaphysik« veröffent-

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licht sind, geht es dagegen darum, »das Sein zu hüten und über die Unverletzlichkeit des Möglichen zu wachen« (VA 94). Aber – wenn das Mögliche unverletzlich ist, wieso ist es nötig, eigens darüber zu wachen? Dies ist nicht deswegen notwendig, weil die Erde als der Grund, auf dem die Menschen wohnen und bauen, zerstört würde – Heidegger ist nicht ohne Weiteres für eine ökologische Ethik zu vereinnahmen, vielmehr würde er gerade die an den Leitbildern des Ressourcenerhalts, der Nachhaltigkeit und der Bestandssicherung orientierte Politik der nicht-besinnlichen, metaphysischen Denkform zuordnen. Nein, es ist nötig, über das unverletzlich Mögliche zu wachen, weil wir uns sonst selbst verfehlen würden, indem wir das Unmögliche versuchen – was nicht verwerflich ist, sondern schlichtweg dumm, denn wir können gar nicht ernsthaft wollen, was wir auf technischem Wege zu können vermeinen. Es ist gerade die Herstellung und Sicherung der universellen Verfügung über Ressourcen und Handlungsoptionen, welche die oft beschworene Seinsvergessenheit anzeigt. Diese ist kein ›Problem‹, was irgendwie gelöst werden könnte, sondern vielmehr die Voraussetzung dafür, dass sich das Denken allererst an das, was Sein heißt, erinnern kann. Interessanterweise ist es ja nach Heidegger die Erde selber, die jedwede Form rechnerischen Zugriffs in eine Zerstörung umschlagen lässt. Nicht die Menschen verwüsten die Erde, denn sie sind ohnmächtig gegenüber der Erde als dem von sich her Bestehenden; es kann auch letztlich keine Herrschaft über die Natur geben, es kann nur einen Fortschritt in der zunehmenden technisch-wissenschaftlichen Vergegen­ständlichung der Natur geben. Wir produzieren damit zwar fortwährend neue Zeuge, aber die ›geerdeten‹ Dinge bleiben davon unberührt. Und eben dies erfahren wir in an den Kunstwerken.

7. Bewirken, Vollbringen und die Gelassenheit

Heideggers Denken der Technik ist radikal, weil es die Axt an die Wurzeln des Stammes der Wissenschaften, an die Metaphysik anlegt. Die Radikalität des Denkens der Technik zeigt sich bei Heidegger u.a. darin, dass er die begrifflichen Grundlagen des Denkens über das Handeln – und letztlich des Denkens selbst als einer emphatischen Handlungsweise – einer Revision unterzogen werden müssen. So beginnt der Brief »Über den Humanismus« mit dem Satz: »Wir bedenken das Wesen des Handelns noch lange nicht entschieden genug« (ÜH 5). Handeln ist nach Heidegger nicht, wie in der heutigen Handlungstheorie allgemein angenom­men, das ›Bewirken‹ eines Zweckes, d.h. eine durch einen bestimmten Mittel­einsatz kausierte Realisation eines intendierten Sachverhaltes, sondern in seinem Wesen ein ›Vollbringen des Seins‹ (ÜH 5). Wer unter einer Handlung ein bloßes Bewirken intendierter Sachverhalte durch Einsatz geeigneter Mittel versteht, investiert daher eine verkürzte Auffassung des Handelns. Der Verdacht liegt nahe, dass die neuzeitlichen Erkenntnis- und Handlungs­theorien allesamt einem Denken in technischen Kategorien entspringen. Dies sollten wir uns Schritt für Schritt klar machen. Handeln, so eine übliche Definition, ist freiwilliges und zweckbzw. zielgerichtetes – ›intentionales‹ – Tun oder Lassen (z.B. Steigleder 1992, 120). ›Intentionalität‹ im Kontext von Handlungsbeschrei­ bungen und -erklärungen wird dabei zumeist so verstanden, dass ein Handlungssubjekt direkt in seinem Tun auf einen Zweck be­ zo­gen ist. Wer nun ›Zweck‹ sagt, muss auch ›Mittel‹ sagen; die­ se beiden Ausdrücke sind fest miteinander verbunden. Es muss einem Zweck zuzuordnende Mittel geben, um überhaupt von einem Zweck des Handelns sprechen zu können, wie natürlich um­gekehrt Mittel immer Mittel für einen bestimmten Zweck sind.

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›Handeln‹ hieße nach diesem Schema also: eine bestimmte Tätigkeit als Mittel zur Realisierung eines Zweckes einsetzen. Offenbar passt dieses Schema zu technischem Handeln wunderbar: Wo immer wir es mit technischem Handeln zu tun haben, sei es, beim Bedienen von Geräten, sei es beim Erfinden von Werkzeugen und Maschinen, sei es bei der Nutzung von Systemen der Datenverarbeitung, des Transportes oder der Kommunikation, immer haben wir es hier mit Zweck-Mittel-Verbindungen zu tun, auf die wir uns dabei einlassen müssen. Aber in Bezug auf das technische Handeln ist dieses Schema, wie oben schon gesagt, zu schön, um wahr zu sein. Denn es ist dieses Schema prinzipiell ungeeignet, technisches Handeln in seiner Spezifik zu erklären, denn jedwedes Handeln erscheint in der Perspektive dieses Modells als ein technisches Handeln, d.h. als Problemlösen im weitesten Sinne. Das liegt nicht daran, dass man das Schema zu wenig komplex, etwa instrumentell interpretieren würde (vgl. Hubig 2007), sondern daran, dass das Schema von Zweck, Mittel und Intention dem technischen Handeln abgeschaut ist. Was aber technisches Handeln überhaupt ist – oder besser: wie es ist, technisch zu handeln bzw. sich in technischer Weise auf die Welt zu beziehen – kann nicht mit einem solchen technomorphen Handlungsmodell bestimmt werden; dieses Modell erweist sich damit auch als der blinde Fleck gängiger Technikphilosophien (s.o. drittes Kapitel). Umgekehrt bedeutet dies aber, dass eine Gesamt­deutung der Technik, wenn überhaupt, nur auf einer begrifflichen Grundlage vollzogen werden kann, welche das Zweck-Mittel-Modell als Modell einer speziellen Form des Handelns, nämlich des technischen, zu spezifizieren erlaubt. Es kann und soll nicht bestritten werden, dass jedes Handeln eine (im Prinzip angebbare) Handlungs­intention aufweisen muss. Was bestritten werden soll ist allerdings die Gleichsetzung einer jeden Handlungs­intention mit der direkten Bezogenheit auf einen (äußeren) Zweck. Nur unter der Voraussetzung, dass ›Handeln‹ in ›Zweckrealisation‹ aufgeht, lassen sich allerdings konkrete Handlungsvollzüge überhaupt als Mittel verstehen. Nicht alle Handlungsintentionen sind aber solche direkten Intentionen, es gibt auch ein Handeln aufgrund indirekter oder reflexiver Intentionen, Handeln ohne äußeren Zweck, wenn man so will. Wenn nicht, wäre alles Handeln in der Tat technischer Art, der Mensch reduzierbar auf den homo faber und der Ingenieur Krone der Schöpfung.

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Gegen solche Zumutungen schrieb Martin Heidegger im »Brief über den Humanismus«: »Man kennt das Handeln nur als das Bewirken einer Wirkung. Deren Wirklichkeit wird geschätzt nach deren Nutzen. Aber das Wesen des Handelns ist das Vollbringen. Vollbringen heißt: etwas in die Fülle seines Wesens entfalten, in diese hervorgeleiten, producere. Vollbringbar ist eigentlich nur das, was schon ist. Was jedoch vor allem ›ist‹, ist das Sein.« (ÜH 5)

Das Wesen des Handelns ist über das Handeln als Bewirken hinaus, also das Vollbringen des Seins. Handeln als ›Bewirken‹ ist, wenn man Heidegger folgt, also wiederum nur als eine Art und Weise des Handelns aufzufassen, eben als eine spezifische Weise, das Sein zu vollbringen, nämlich der ›technischen‹ Weise, wie sie für Neuzeit und Moderne prägend ist. ›Vollbringen‹ soll hier also für die schon angesprochene umfassende Konzeption des Handelns stehen, in deren Rahmen dann das ›Bewirken‹ eingefügt werden kann. Wie aber kommen wir vom Begriff des Handelns als ›Bewirken‹ zum Begriff des Handelns als ›Vollbringen‹? Dies sollen die folgenden Überlegungen zeigen, bei denen ich mich zunächst weitgehend von Heidegger lösen möchte. Dies hat seinen Grund vor allem darin, dass Heidegger in seiner späten Phase nur sehr wenig explizit über das Handeln selbst geschrieben hat. Die folgenden Überlegungen lassen sich aber durchaus als eine Interpretation der eben zitierten Textstelle verstehen und ähneln damit ein wenig den Metallrohren, die bei der Rekonstruktion von Dinosaurierskeletten für die fehlenden Knochen eingesetzt werden. Damit soll die Verbindung zum Konzept der ›Gelassenheit‹ geschlagen werden, derjenigen Haltung also, die sich im Technotop einzunehmen anempfiehlt, damit die Möglichkeiten, zu sein, gewahrt bleiben. In vielen Interpretationen des Denkens der Technik bei Heidegger (so etwa bei Schirmacher 1983 oder Seubold 1986), sowie bei diesem selbst hängt der Begriff der Gelassenheit dagegen eigenartig in der Luft. Um von einem Handeln zu sprechen, müssen wir eine Intention unterstellen. Ein Handelnder muss freilich nicht unbedingt ›wissen‹ (im Sinne von. ›sagen können‹), um welche Intention es sich jeweils genau handelt, aber er weist sie auf durch sein Handeln, sie

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zeigt sich in seinem Handeln (auch ihm selbst). Die Intention muss nicht wissentlich, aber sie muss ›willentlich‹ sein. Ein Mensch, der in seiner Tätigkeit aufgeht – man denke an einen Musiker, der ganz in seinem Spiel versunken ist – handelt, denn sein Tun ist zweckmäßig und geordnet, willentlich, weist Intentionen auf – aber werden durch sein Tun (als Mittel) Zwecke realisiert? Natürlich kann die Tätigkeit so beschrieben werden, als läge hier eine Intention auf einen (äußeren) Zweck vor – und diese Beschreibungsmöglich­ keit muss es sogar geben können, wenn wir von einem Handeln sprechen. Aber es ist keine Beschreibung, die diesem Handlungs­ phänomen des ›Versunken-Seins‹ in der Tätigkeit adäquat wäre. Eine Tätigkeit als eine Handlung auffassen, heißt, jederzeit eine Intention zuschreiben zu können (unabhängig davon, ob sie tatsächlich vorliegt oder nicht). Die Unterstellbarkeit einer Intention ist konstitutiv für den Handlungsbegriff. Wenn nun zwar der Begriff des Handelns mit dem der Intention steht und fällt, sind dennoch verschiedene Konzeptionen von »Intention« möglich. So ist in der Phänomenologie, aber auch im Pragmatismus die Intention nicht primär aktivisch als Setzung und Verfolgung von Zwecken, sondern passivisch, als zum Zuge kommen lassen von (präreflexiven) Strebungen konzipiert. Diese sind indirekt bzw. reflexiv auf Zwecke bezogen. Zur Erläuterung: ›Passivisch‹ ist nicht gleich ›passiv‹; ›aktivisch‹ ist nicht gleich ›aktiv‹. Passivisch verhält sich jemand, der es aktiv und aufmerksam zulässt, dass die Dinge ihren Lauf nehmen (wo er dies für richtig hält), aktivisch verhält sich dementsprechend jemand, der dies nicht zulässt (z.B. weil er es nicht für richtig hält, die Dinge laufen zu lassen). Mit diesen Ausdrücken wird also auf ein reflexives Moment in der Handlungs­bestimmung verwiesen. Nach dem zweckrationalen resp. technisch-instrumentellen Modell des Handelns wird die Klammer und das Identifikationskriterium der Handlung allein durch die direkte Zweckintention des Akteurs gestiftet: Ein Akteur hat Zwecke, auf die er gleichsam schon vor allem Handeln gerichtet ist und nun tritt er in die Welt ein und findet – nun auch hier in der Tat in Berücksichtigung der besonderen Umstände – geeignete Mittel zur Realisierung dieser Zwecke. Hieran kann man nun sehen, dass das Modell zweckrationalen Handelns grundsätzlich auf einer grundsätzlichen Trennung von Erkennen und Handeln beruht. Die Alternative, die sich hier anbie-

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tet, ist, dass Erkenntnis und Wahrnehmung gar nicht der eigentlichen Handlung vorgeordnet sind, sondern selbst als Phasen der Handlung anzusehen sind. Die Setzung von Zwecken geschieht eben nicht, in einem – dann seinerseits mysteriös bleibenden – Willens-Akt vor dem eigentlichen Handeln, sondern ist, so Hans Joas, »Resultat einer Reflexion auf die in unserem Handeln immer schon wirksamen vorreflexiven Strebungen und Gerichtetheiten« (Joas 1992, 231). Schon das Begreifen einer Situation, die Wahrnehmung des Jetzt-und-Hier-Erforderlichen – und es handelt sich hierbei, wie schon Aristoteles wusste, um eine Wahrnehmung, eine aisthesis, eine spezifische ›Sensibilität‹ also – gehört zur Handlung. Wahrnehmen und Erkennen sind nach dieser Auffassung nicht Beziehungen, die ein Subjekt zur Welt unterhält, sondern Operationen am offenen Herzen der lebenspraktischen Orientierungen; die Dinge sind an sich nicht anders, als sie uns hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für die lebensweltlichen Praxen erscheinen – so der antidualistische Grundsatz, auf den sich Phänomenologie und Pragmatismus einigen könnten. Aber selbst im Rahmen dieses Modells gestaltet sich die Realität des Handelns doch so, dass die Zwecke, auf die die direkten Intentionen gerichtet sind – z.B. fünf Kilo abzunehmen, das Examen zu schaffen oder so schnell wie möglich an einen bestimmten Ort zu kommen – unterbestimmt sind. Nur in und aus der Situation heraus sind Handlungsvollzüge als Zweckrealisationen zu bestimmen; nur aus der Situation heraus auch kann bestimmt werden, wie (jeweils) ich es konkret und am besten schaffe, die gesteckten Ziele zu erreichen. Wir müssen uns also bei der Handlungsinterpretation selbst nach dem Zweck-Mittel-Schema in die Situation des Handelnden hineinversetzen, um heraus bekommen zu können, was seine Zwecke sind, auf die er intentional bezogen ist, auf die er ›aus ist‹. Handeln ist also generell gesprochen immer Antworten auf eine Situation (vgl. Böhler 1985, Waldenfels 1999, vgl. ausführlicher zu diesem Punkt: Luckner 2006); hier pickt der Behaviourismus mit seinem Response-Modell des Handelns ein Körnchen Wahrheit (weshalb die übliche Übersetzung von engl. ›response‹ mit ›Reaktion‹ auch irreführend ist). Die Art der Antwort ist dabei nicht festgelegt; es muss nicht eine technische Art sein, d.h. eine solche, welche die jeweilige Situation als eine problematische – unter Aufbietung von Mitteln einer Lösung zuzuführende – auffasst. Wenn es sich aber so verhält, dann gibt es andere Wege des

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Handelns als die technischen, andere Weisen des Denkens als die technische. Dies ist für eine Philosophie der Technik von großem Belang: Weil Handlungen, um welche zu sein, sich als direkte Zweckrealisierungen interpretieren lassen können müssen, ist es also möglich, jedwedes Handeln unter technischen Aspekten zu sehen. Dies ist aber, wenn es der Fall ist, klarerweise nicht unumgänglich oder gar notwendig! Wer die Konstruktivität dessen, was wir Handeln oder eben auch Technik nennen, einsieht, löst sich ansatzweise schon aus dem Bann, in dem das Denken der Technik uns hält: ›Technik‹ ist dann nämlich als ein Reflexionsbegriff aufzufassen, also ein solcher Begriff, der eine bestimmte Weise des Denkens beschreibt, die Weise nämlich, uns auf Gegenstände so zu beziehen, als wären sie uns verfügbar. Auch ›Natur‹ ist dann ein solcher Reflexionsbegriff, weil er den Bereich von Gegenständen bezeichnet, von denen wir denken, sie seien unserer Verfügung entzogen (vgl. zu diesen Punkten ausführlich Hubig/Luckner 2006, 290ff.). Es gibt Handeln ohne direkte, irreflexive, aktivische Intentionen, nämlich solches, das nur indirekt, reflexive, passivische Intentionen hat, also vorreflexive Strebungen zum Zuge kommen lässt. Ein schönes Beispiel hierfür sind Lachen und Weinen. Zwar ›müssen‹ wir oft genug lachen bzw. weinen, so dass man meinen könnte, hier handele es sich doch nicht um Handlungen, sondern unwillkürliche Reflexe. Aber das »Lachen müssen« ist freilich nichts Trieb- oder Zwanghaftes im Sinne einer blinden Animalität, sondern zeigt nur die Unmöglichkeit direkter, aktivischer Intentionalität an. Handeln aber im Sinne einer passivischen, indirekten Intention ist auch in diesem Falle möglich, etwa dann, wenn eine Person in einer komischen bzw. traurigen Situation Lachen bzw. Weinen in einer bestimmten Weise zulässt, während alles ›gewollte‹ Lachen und Weinen eben deswegen, weil es ›gewollt‹ ist, künstlich bzw. unecht wirkt. Indem wir, nach Plessner 1941, angesichts einer Überkomplexität ablassen davon, etwas direkt zu wollen, entlädt sich unser Handlungsimpuls in einem Lachen oder Weinen. Offenbar geht hierbei sogar die Herrschaft bzw. Kontrolle über den Körper verloren, und doch liegt diesen Verhaltens­weisen eine Intentionalität und Haltung zugrunde, die aber eben nicht aktivischzweckbezogen, sondern indirekt ist. Lachen und Weinen sind gewissermaßen Antworten auf ›direkt‹ unbeantwortbare Situationen,

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d.h. solchen, deren Fragestellung sich nicht durch Setzung eines Zweckes lösen lassen. Aber das Handeln aufgrund reflexiver, indirekter Intentionen ist nicht auf randständige Phänomene allein bezogen. Selbst und gerade die sogenann­ten ›Basishandlungen‹ – nach Danto 1965 ja solche, zu deren Ausführung keine anderen erforderlich sind (vgl. auch Davidson 1971) – sind in dieser Weise modellierbar: Den Arm heben heißt letztlich: zulassen, dass der Arm ›sich‹ hebt; Malen heißt letztlich: ein Bild entstehen lassen, wie ›es‹ sein muss; Sprechen heißt: die Worte, Denken heißt: die Gedanken kommen lassen, und zwar so, wie sie ›wollen‹ und sollen. Verallgemeinernd könnte man daher aus dieser Perspektive sagen: ›Zwecke setzen‹ bedeutet: ›Zwecke sich setzen lassen‹. Handlungen mit direkten Intentionen lassen sich daher als einen Sonderfall der reflexiven Intentionen auffassen, wobei dies nun genau die Stelle ist, an der man das zweckrational-kausalistische Handlungs­konzept, das ›Bewirken‹ einer Zweckrealisation also, rekonstruktiv als spezifische Weise des Antwortens auf Situationen, des ›Vollbringen des Seins‹ einführen kann, was uns wieder zurück zu Heidegger führt. Offenbar hängt die Antwort auf die Frage, ob eine Tätigkeit technischer Art sei oder nicht, davon ab, wie wir die zugrundeliegenden Intentionen, die sich zeigen, interpretieren, ob als direkte oder indirekte, aktivisch-gesetzt oder eben passivisch. Technikphilosophie ist eben deswegen eine genuin praktische Philosophie, d.h. nicht nur eine solche, die eine bestimmte Praxis bloß zum Gegenstand theoretischer Betrachtung hat, sondern selbst, indem sie auf die Grundlagen bestimmter Praxen reflektiert, diese auch moduliert. Es geht letztlich, mit Heidegger gesprochen, um ein anderes Denken des Handelns, also um eine bestimmte Praxis des Denkens über das Handeln (und damit auch über sich selbst, denn das Denken ist Handeln in eminentem Sinn). Denn es ist das Denken, dass unsere Tätigkeit zu einem bestimmten Handeln formt und es entweder reduziert auf ein Mittel zur Realisation von Zwecken oder aber als Ausdruck eines bestimmten Seins. Über unser Denken allerdings können wir nicht willkürlich verfügen. Es ist einer der entscheidenden Punkte des späten Denkens Heideggers über die Technik, dass es nicht in unserem Belieben steht, Handeln ›technisch‹ zu denken oder eben nicht. Vielmehr sind wir nach Heidegger in eine Epoche des Seins gestellt, in

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der wir – affirmierend oder kritisch, das spielt hierbei keine Rolle – die Dinge eben technisch, d.h. im Sinne ihrer Verfügbarkeit als Bestand und in Hinblick auf zu lösende Probleme denken müssen, nicht etwa z.B. als Gaben, denen wir durch Opfer zu entsprechen hätten (was eine seinsgeschichtlich frühere Denkweise gewesen sein mag, die uns heute nicht mehr ansteht). Wir verfügen eben nicht – jedenfalls noch nicht – über Kompetenzen, ein solches Denken zu praktizieren, das nicht in die Extreme von Technik-Affirmation oder -Kritik fällt. Weil dieses Denken unser Sein, wie es gegenwärtig ist, betrifft, ist auch eine Abkehr vom »rechnenden Denken« hin zu einem »besinnlichen Denken« (G 15) nicht einfach zu bewerkstelligen. Dabei betont Heidegger gegen alle Romantiszismen: Nur aus dem technischen Denken selbst heraus kann eine Kehre des Denkens erfolgen. Dazu ist es notwendig, ein anderes Denken über das technische Handeln zu entwickeln, etwa nach folgendem Muster: Auch eine im Sinne der Zweckrationalität handelnde Person setzt sich ihre Zwecke aus dem Dialog mit der Situation heraus, in der sie steht. Einen Zweck zu setzen heißt einfach nur, die Antwort auf eine bestimmte Weise zu geben, nämlich so, dass dadurch eine neue Situation als Zielzustand eines Hinwirkens antizipiert wird, also im Sinne des ›Bewirkens‹. Eine Person muss aber nicht notwendigerweise so verfahren, um dennoch selbstorientiert und sogar geradlinig, konsequent und situationsadäquat handeln zu können. Das situative Sein einer Person bestimmt ihr Handeln im Sinne passivischer Intentionalität – ganz im Sinne des augustinischen Prinzips operari sequitur esse. Die handelnde Person vollbringt das bzw. ihr Sein, indem sie auf die Situation, in der sie sich vorfindet, eine angemessene Antwort zu geben im Stande ist und damit die Situation handelnd begreift. Zweckrationales Handeln ist dabei genau dann angemessen, wenn man es mit einem technischen Problem zu tun hat, d.h. einem solchen, bei dem nicht Zwecke in Frage stehen, sondern lediglich die Mittel, um die Zwecke zu reali­ sieren. Die kreativen bzw. originellen Antworten, die jemand handelnd auf die Fragestellungen der Situation, in der er sich befindet, geben kann, fließen aus seinem personalen So-Sein, das nicht ohne Rekurs auf die Praxisgemeinschaft bestimmt werden kann. Das Sein einer Person aber ist nicht fixiert, ein für allemal festgelegt, sondern birgt eine Potentialität, die handelnd erschlossen wird. Indem

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eine Person sich als ein bestimmtes Wesen ›produziert‹ vollbringt es das (ihr) Sein. Die Produktionsverhältnisse sind dabei von gänzlich anderer Art als bei Produktionen im Sinne der instrumentellen Rationalität. Hinter dem Ausdruck ›Handeln als Vollbringen des Seins‹, wie er im Brief über den Humanismus vorgebracht wird, verbirgt sich also nichts Mysteriöses. Sehr wohl aber etwas, was in der Tradition der Mystik – allen voran bei Meister Eckhardt – immer wieder zur Sprache gekommen ist: Das Handeln des Menschen ist in seinem Vollsinne Handeln nur dort, wo er sich befreit von allen weltlichen Zwecksetzungen, wie er sie in sich als fremde vorfindet; aber gerade durch diese ›Gelassenheit‹ zu den Dingen bleibt er der Welt werdend verbunden, als Organ des Schöpfungsprozesses, das die bloß äußerliche Me­dialität der Technik unterläuft und tilgt, indem er selbst zum Medium göttlichen Wirkens wird. Die rasende Entwicklung moderner Technik, die gleichwohl die Lebenswelt im Modus der Vorhandenheit versiegelt, ist dagegen in einer bestimmten Art christlicher Anthropologie fundiert, nach der der Mensch sich als Ebenbild Gottes als ein Schöpfer, als homo faber versteht. Die ständige Weiter­entwicklung und Neuerfindung von Techniken scheint unter anderem deswegen schon nahe zu liegen, weil das techniktypische Zurückfallen von Neuerungen in die Selbstverständ­lichkeit der Lebenswelt für das Selbstbild des Menschen als homo faber bedrohlich ist. Denn das allgemeine, transkulturelle Phänomen, von dem hier zu Beginn ausgegangen wurde, dass nämlich selbst avancierteste Techniken nach kurzer Zeit ›angenommen‹ werden und lebensweltlich ›nicht mehr wegzudenken‹ sind, bringt es mit sich, dass die technischen Artefakte ihren Werkcharakter verlieren, d.h. ihren Charakter des Geschaffenseins. Die Erfindung neuer Techniken würde damit gleichsam zum Selbstzweck in dem Sinne, dass sich nur so, in der Erfindung und Einführung neuer Techniken, das Selbstbild vom homo faber als alter deus bzw. imago dei aufrechterhalten ließe. Hierfür kann nun die Tradition mystischen Denkens, an die Heidegger positiv anknüpft, ein Remedium anbieten, da sie den Schöpfungsakt nicht als Akt der Herstellung begreift, der im Hergestelltsein von etwas terminiert, sondern den Vollzugscharakter und Eigenwert gerade auch von Herstellungs­handlungen betont (vgl. die Ausführungen am Ende des zweiten Kapitels). Der Mensch ist demgemäß gerade dadurch Ebenbild Gottes, dass er nicht seiner Schöpfung gegen­

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übersteht, sondern gleichsam in ihr aufgeht. Dies bedeutet ja letztlich auch ›Gelassenheit‹ im eckhartschen Sinne: Vom je eigenen Schöpfungswillen abzusehen und die Dinge sein bzw. werden zu lassen – was gerade nicht Weltflucht bedeutet, wie oft missverstanden wird, sondern im Gegenteil erforderlich macht, dass man sich als Medium der Schöpfung begreift, als das Werkzeug in der Hand Gottes, durch das er das ist, was er ist (Gott ›braucht‹ uns, das weiß der Mystiker). Nicht aktiv im Sinne planerisch-konstruktiven Vorgehens inklusive Zwecksetzung und Mittelwahl ist hier das Handeln zu verstehen, auch nicht passiv in der bloßen affirmativen Kontemplation, dessen was ist – dies betrifft das Vorurteil gegenüber der Mystik – sondern eben passivisch, oder, gäbe es ein solches Genus verbi in der deutschen Sprache, medial, d.h. solcher Art wie der große, d.h. nicht-akademische Künstler sein Werk durch seine Hände entstehen lässt. Allein an den Kunstwerken – Werken also, die dem Gebrauch fern stehen – können wir unsere Weise zu sein, erfahren. Die Hinweise auf die mystische Tradition der Auffassung mensch­lichen Handelns in Heideggers Werk sind spärlich; aber schon im Sommersemester 1918 hatte er in seiner (nicht gehalte­ nen) Vor­lesung zur »Phänomenologie des religiösen Lebens« einen Ab­schnitt ausgearbeitet, der die philosophischen Grundlagen der mittelalterlichen Mystik behandelte; schon hier wird die Mystik als Gegenbild des aristotelisch-metaphysischen Denkens ins Spiel gebracht, allerdings ohne Bezüge auf ein Handlungskonzept. Beim späten Heidegger nun sind die Bezüge zur Mystik, die der metaphysisch-abendländischen Tradition entgegen läuft, deutlicher. 1955 hält Heidegger in Meßkirch zum Andenken des dort geborenen Komponisten Conradin Kreutzer eine Gedenkrede mit dem Titel ›Gelassenheit‹, wie oben schon ausgeführt, einem der Grundbegriffe Meister Eckhardts. Die Rede ist sehr einfach, für ein allgemeines Publikum gehalten und wiederholt die Ergebnisse seiner Analyse, wie wir sie aus den Aufsätzen wie z.B. »Die Frage nach der Technik« kennen. Einige Passagen können hier abschließend als Zusammenfassung dienen, erweitert um ein ethisches, um nicht zu sagen ›erbauliches‹ Moment, wie sie für eine Festrede angemessen ist. Es heißt dort über das neuzeitliche wissenschaftliche Denken: »Die Natur wird zu einer einzigen riesenhaften Tankstelle, zur Energie-

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quelle für die moderne Technik und Industrie. Dieses grundsätzlich technische Verhältnis des Menschen im Weltgan­zen entstand zuerst im 17. Jahrhundert und zwar in Europa und nur in Europa. Es blieb den übrigen Erdteilen lange Zeit unbekannt. Es war den früheren Zeitaltern und Völkerschicksalen völlig fremd.« (G 18)

Über die modernen Techniken schreibt er dort: »Was wir heute als Film- und Fernsehtechnik, als Verkehrs-, im besonderen Flug­technik, als Nachrichtentechnik, als medizinische Technik, als Nahrungsmitteltechnik kennen, stellt vermutlich nur ein grobes Anfangsstadium dar […] Die Mächte, die den Menschen überall und stündlich in irgendeiner Gestalt von technischen Anlagen und Einrichtungen beanspruchen, fesseln, fortziehen und bedrängen – diese Mächte sind längst über den Willen und die Entscheidungsfähigkeit des Menschen hinaus­gewachsen, weil sie nicht vom Menschen gemacht sind [… und gleichwohl natürlich nicht ohne den Menschen sind, A.L.] Dabei ist das eigentlich Unheimliche nicht dies, dass die Welt zu einer durch und durch technischen wird. Weit unheimlicher bleibt, dass der Mensch für diese Weltveränderung nicht vorbereitet ist, dass wir es noch nicht vermögen, besinnlich [und eben nicht ›rechnend‹, A.L.] in eine sachgemäße Auseinandersetzung mit dem zu gelangen, was in diesem Zeitalter eigentlich herauskommt.« (G 19f.)

Demnach wäre es also »töricht, blindlings gegen die technische Welt anzurennen. Es wäre kurzsichtig, die technische Welt als Teufelwerk verdammen zu wollen. Wir sind auf die technischen Dinge angewiesen; sie fordern uns sogar zu einer immerzu steigenden Verbesserung heraus. Unversehens sind wir jedoch so fest an die technischen Gegenstände geschmiedet, dass wir in die Knechtschaft zu ihnen geraten. Aber wir können auch Anderes. […] Wir können die technischen Gegenstände im Gebrauch so nehmen, wie sie genommen werden müssen. Aber wir können diese Gegenstände zugleich auf sich beruhen lassen als etwas, was uns nicht im Innersten und Eigentlichen angeht. […] Unser Verhältnis zur technischen Welt wird auf eine wundersame Weise einfach und ruhig. Wir lassen die technischen Gegenstände in unsere tägliche Welt hinein und lassen sie zugleich draußen, d.h. auf sich bestehen als Dinge, die nichts Absolutes sind, sondern selbst auf Höheres angewiesen bleiben. Ich möchte diese Haltung des gleichzei-

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tigen Ja und Nein zur technischen Welt mit einem alten Wort nennen: die Gelassenheit zu den Dingen. In dieser Haltung sehen wir die Dinge nicht mehr nur technisch. Wir werden hellsichtig und merken, dass die Benützung von Maschinen uns zwar ein anderes Verhältnis zu den Dingen abverlangen, das gleichwohl nicht sinn-los ist. […] So regiert denn in allen technischen Vorgängen ein Sinn, der das menschliche Tun und Lassen in Anspruch nimmt, ein Sinn, den nicht erst der Mensch erfunden und gemacht hat. […] Der Sinn der technischen Welt verbirgt sich.« (G 22f.)

Deswegen ist es erforderlich, das Denken auf eine nicht-technische, nicht-rechnende, sondern ›besinnliche‹ Weise anzustrengen. Hierfür wiederum ist notwendig, neben der Gelassenheit zu den Dingen die ›Offenheit für das Geheimnis‹ zu wahren, des Geheimnisses der Technik nämlich, deren Sinn sich uns spürbar entzieht. Im selben Jahr, 1955, hält Heidegger an der Universität Freiburg die oben schon erwähnte Vorlesung »Der Satz vom Grund«, Grundlage auch des wenig später entstehenden gleichnamigen Vortrags. Hier nun gibt es einige Stellen, die erhellend für die heideggersche Wiederholung speziell der Handlungskonzeption der Mystik sind. Den Satz vom Grund, nihil est sine ratione, bestimmt Heidegger in dieser Vorlesung als den zentralen Satz des abendländisch-metaphysischen Denkens, wie es in der modernen Technik letztgültig zum Ausdruck kommt, auch wenn der Satz erst im 17. Jahrhundert von Leibniz formuliert wurde. Dieser Satz sagt allerdings nichts darüber aus, was ein oder der Grund ist, nur, dass alles Seiende einen Grund hat. Der Grund allen Seienden aber, der Grund dafür, dass Seiendes ist, ist das Sein selbst. ›Sein‹ heißt im abendländisch-metaphysischen Denken schlichtweg: ›Grund (ra­ tio) haben‹ und genau dies spricht der Satz vom Grund zwar aus, aber damit bleibt gerade der Grund selbst, das Sein des Seienden, verdeckt. Aber genau um diesen Grund des Seienden als solchen muss es dem Denken gehen, damit es nicht nur ein mit den Gründen rechnendes, sondern eines ist, das sich auf den Grund, das Sein, besinnt. Das Sein hat keinen Grund, es ist grundlos, abgründig, hat kein ›Warum‹. Heidegger demonstriert nun diesen Gedanken an einem Spruch aus dem Cherubinischen Wandersmann des schlesischen Mystikers Angelus Silesius mit dem Titel »Ohne Warum«: »Die Ros ist ohn warum; sie blühet, weil sie blühet/Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht ob man sie siehet« (HGA 10, 53, vgl. auch 61f. u.

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84f.). Natürlich gilt von der Rose, wie von jedem anderen Seienden auch, der Satz vom Grund, denn man muss ja angeben können, welche Faktoren gegeben sein müssen, damit die Rose blühen kann usw. Aber es ist ein Unterschied zu sagen, dass alles, was ist, einen Grund hat, oder dass alles, was ist, das, was es ist, aus Gründen ist oder nicht. Und natürlich ist der Prozess des Wachstums einer, der für sein Vorkommen nicht weitere Gründe benötigt; so wie auch im aristotelischen Verständnis der Physik ganz allgemein die Naturdinge dadurch charakterisiert sind, dass sie das Prinzip ihrer (jeweiligen) Bewegung, z.B. des Wachstums in sich tragen. So auch hier: Der Grund des Rosenblühens ist nicht außerhalb des Blühens zu suchen, es selbst ist »ohn warum«, sie blüht, weil sie blüht (›weil‹ heißt etymologisch ja auch zunächst einmal nichts anderes als ›in der selben Zeit‹, ›dieweil‹). Der Unterschied liegt also darin: »Damit die Rose blüht braucht sie nicht die Zustellung der Gründe, darin ihr Blühen gründet« (HGA 10, 57) – im Unterschied zum Handeln, wie es in der Neuzeit zumeist konzipiert wird (das Bild der grundlos, d.h. kontingenter Weise blühenden Rose ist ja letztlich eines für das menschliche Handeln). Heidegger: »Das Ungesagte des Spruches [des Angelus Silesius, A.L.] – und darauf kommt alles an [Hervorh. V. mir. A.L.] – sagt […], dass der Mensch im verborgensten Grunde seines Wesens erst dann wahrhaft ist, wenn er auf seine Weise so ist wie die Rose – ohne Warum« (HGA 10, 57f.). Wer immer daher nach (externen) Gründen für sein Handeln fragt, nach den rationes, fällt in das mit Gründen rechnende Denken, besinnt sich nicht auf sein Sein. Die ›technische‹ Interpretation des Handelns verstellt geradezu den Ursprung der Bewegung, den motiva­tionalen Impuls, der eben nicht subjektiv-intentional zu rekonstruieren ist, wie wir im vorigen Abschnitt dieses Kapitels schon ausgeführt haben. Das Blühen ist der Grund, so wie das Handeln das Sein des Menschen ist, seinen Grund in sich selbst hat. Dass Heidegger hier durchaus meint, was weiter oben die Situationsbezogenheit und Antworthaftigkeit des Handelns genannt wurde, zeigt sich einmal mehr in seinem Rekurs auf die künstlerische Produktion. Er erläutert dazu einen zweiten Spruch des Angelus Silesius mit dem Titel »Das Lautenspiel Gottes«: »Ein Herze, das zu Grund Gott still ist, wie er will/wird gern von ihm berührt: es ist sein Lautenspiel«. Mozarts briefliche Selbstauskunft über den Prozess seines Komponierens (vgl. HGA 10, 99f.) illustriert

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diesen Spruch, der nichts anderes besagt, als dass Handeln sich begreifen lässt als Vollbringen des Seins, indem man sich auf die jeweiligen Situationen mit ihren jeweiligen Anforderungen diesen antwortend einlässt. Der Satz vom Grund gilt, wie von allem, was ist, natürlich auch in Bezug auf das Handeln, aber er gilt nicht zwangsläufig, so wenig wie für das Blühen der Rose, für das Handeln. Alles, was der Mensch tut, hat einen Grund, aber es muss dieser Grund nicht für ihn gelten. Die Schwierigkeit gerade beim menschlichen Handeln ist, dass der Mensch das Vermögen hat, aus (externen) Gründen zu handeln, er kann Gründe haben für sein Handeln, und immer, wie wir weiter oben sahen, muss bei einem Handeln die Möglichkeit bestehen, Gründe (im Sinne von Zweckintentionen) zuzuschreiben. Aber er muss sie tatsächlich nicht selber haben, um dennoch handeln zu können. Wenn er sich aber selbst in metaphysischer Weise als animal rationale fasst – als ein Wesen, das Gründe benötigt, wie man ja auch übersetzen könnte – dann vergisst er sich in seinem Sein, das eben grundlos ist. Es gibt keinen Grund dafür, dass überhaupt Menschen handeln, wie diese in den metaphysisch-anthropologischen Konzeptionen des Menschen immer wieder gesucht wurden; sein Handeln ist vielmehr sein Sein, genauer gesagt: das Vollbringen seines Seins und dieses ist grundlos, weil es den Grund erst gibt. Der Mystiker Silesius drückt dies dadurch aus, dass er sagt, dass es das göttliche Wirken ist, das sich durch den Menschen in der Welt realisiert, dass der Mensch, insofern er handelt, Instrument bzw. Medium, »Lautenspiel« dieses Wirkens ist. Dieses göttliche Wirken ist nun freilich kein Handeln im Sinne der Realisation von Zwecken, es ist, einmal mehr, das Sein, das wir handelnd vollbringen. Es könnte sein, dass es das ist, was Heidegger meinte, als er mit Hölderlin sagte, dass in der Gefahr selbst das Rettende liegt. In und an der Technik und am Prozess der Technisierung können wir erfahren, was es heißt, dass wir in Anspruch genommen werden zu einem bestimmten Tun und Denken, wir erfahren, was es heißt, medial bzw. passivisch zu sein und gerade diese Medialität ist es ja auch, welche Heidegger ›Gelassenheit‹ nennt. Das Sein hat keinen Grund, es ist, selber grundlos, Grund. Diese Grundlosigkeit und absolute Kontingenz, ja vielleicht Absurdität des Seins ist es aber, auf die die Menschen sich im Namen eines ›anderen Anfangs‹ einzulassen hätten. Die philosophische Aufdeckung dieses Zusammenhangs be-

7. B e wirken , Vollbringen

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trifft deswegen nichts weniger als das, was man traditionellerweise als die Aufgabe der Philosophie ansieht: die Rettung der Phäno­ mene. Es geht hierbei also um ein Denken, dass in eine Entsprechung zu dem tritt, was als Unverfügbares ist. Deswegen haben wir es beim Denken über Technik auch nicht nur mit einem mehr oder minder interessanten Teilgebiet der Philosophie zu tun, sondern mit nicht viel weniger als dem Herzstück der Metaphysik, also derjenigen Denkform, die für die Tradition der abendländischen Philosophie konstitutiv ist und in der heutigen Zeit zur Vollendung gelangt. Dieses Denken kann nicht einfach überwunden werden, denn wir haben keine Alternativen oder können uns diesem Denken entschlagen; nur in einer Besinnung auf die Technik und ihr Wesen kann die Rettung der Phänomene erwachsen. Hierfür ist ein anderes Denken notwendig, ein solches nämlich, das nicht seinerseits technomorph ist, wenn anders es das Wesen des Technischen nicht verfehlen soll. Die Unverfügbarkeit zeigt sich zuerst und vor allem im Denken der Technik selbst: »the drive to control everything is precisely what we do not control« (Dreyfus 1993, 307). Was wir versuchen können, und darum ging es in diesem abschließenden Kapitel, ist, das Denken der Technik zu invertieren. Das würde auch bedeuten, das Denken in Problemen und Problemlösungsstrategien, das Denken der Technik nicht selber als ein Problem aufzu­fassen, welches wir theoretisch oder gar praktisch zu lösen hätten. Es reicht, wenn wir es vor uns stellen können als eine Möglichkeit des Denkens. Auch das meint ›Gelassenheit‹ und diese ist nicht mit Zynismus zu verwechseln. Denn die Gelassenheit zu den Dingen und den Denkformen ist das Gegenteil von Weltflucht und wird indirekt Wirkungen haben, welche direkt anzustreben weder möglich noch klug wäre.

Literatur

Siglenauflösung BFV = G = HGA = KPM = NE = SuZ = ÜH = VA = Rektoratsrede =

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