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German Pages 283 Year 1994
GERLIND WISSKIRCHEN
Mittelbare Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 129
Mittelbare Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, des Europäischen Gerichtshofes und des V.S. Supreme Court
Von Gerlind Wisskirchen
Duncker & Humblot . Berlin
Die Arbeit wurde im Frühjahr / Sommer 1993 abgeschlossen.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wisskirchen, Gerlind: Mittelbare Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben : die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, des Europäischen Gerichtshofes und des US Supreme Court / von Gerlind Wisskirchen. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 129) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1992/93 ISBN 3-428-08024-6 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08024-6
Für meine Kinder in der Hoffnung, daß diese Arbeit für sie nur noch von rechtshistorischem Interesse sein wird.
Vorwort Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn im Wintersemester 1992/93 als Dissertation vorgelegen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Baron von Maydell, der das Thema der Arbeit anregte und die Untersuchung in jeder Hinsicht unterstützt hat. Während meines Forschungsaufenthaltes in den U.S.A. haben verschiedene Mitglieder der Juristischen Fakultät der Georgetown University, Washington D.C., und andere mit der Materie vertraute Juristen, insbesondere Edward Potter, Peter Robertson, Dory Mayer, Wendy Williams, Mr. Gottesman und Dennis Casey durch ihre beeindruckende Hilfsbereitschaft sehr zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Bemd Gerwing und Stefan Heinke danke ich für die genaue Korrektur und die konstruktive Kritik an der Arbeit. Zu Dank verpflichtet bin ich auch der Konrad-Adenauer-Stiftung, die mich durch Gewährung eines großzügigen Stipendiums unterstützte. Hier auch meinen Liebsten zu danken, ohne die diese Arbeit nie zustande gekommen wäre, würde ihrem Beitrag nicht gerecht werden. Die Literatur wurde bis Frühjahr 1993 berücksichtigt. Bonn, im Herbst 1993
Gerlind Wisskirchen
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
Einführung
19
Zweiter Teil
Bedeutung der mittelbaren Diskriminierung von Frauen
23
Dritter Teil
Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung in den U.S.A und in Europa
29
I. In den U.S.A. ...........................................................................................
29
1. Einfiihrung ......................................................................................... 2. Die Griggs v. Duke Power Co.-Entscheidung des U.S. Supreme Court 1971......................................................................................... 3. Die Wards Cove Packing Co. v. Antonio-Entscheidung des U.S. Supreme Court 1989...... ...... ..... .... ....... ... .... ......... ..... ..... .......... .......... 4. Der Civil Rights Act von 1991..........................................................
29
11. Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG ........................................
35
30 31 33
Vierter Teil
Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung I. Erklärungsansätze.................................................................................... 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Beweiserleichterung .......................................................................... Perpetuierung und Zukunftsorientierung........................................... Gleiche Wirkung der Diskriminierungsarten .................................... Systembekämpfung .. ........... .................... .... ......................... ..... ........ Teilhaberecht ..................................................................................... Unbeachtlichkeit funktionaler Unterschiede ... ....... .......... ... ... ...........
40 40 40 41 43 43 43 44
10
Inhaltsverzeichnis
11. Rechtsgrundlagen ....... ...... ....... ...... .......................... ............................ .....
44
1. In den U.S.A. ..................................................................................... a) Due Process und Equal Protection Clause in der Verfassung...... b) Federal Law ................................................................................. c) Uniform Guidelines in Employee Selection Procedure............... d) State Law ... .... ............. .............. ................ ....... ........... ................. 2. Im europäischen Gemeinschaftsrecht....... ............ .... .............. ........... a) Art. 119 EWGV ........................................................................... b) Richtlinie 75/117 EWG ................................................................ c) Richtlinie 76/207 EWG................................................................ 3. In der Bundesrepublik Deutschland .................................................. a) Allgemeines................................................................................. b) Art. 3 11, 111 GG............................................................................ aa) Verfassungsrechtliche Grundlage für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung............................................................ (1) Die Rechtsprechung zu Art. 3 GG.................................... (2) Die Literatur zu Art. 3 GG ............................................... (3) Kritik und eigener Ansatz................................................. bb)Bindung der Tarifvertragsparteien an Art. 3 11, III GG? ........ cc) Ausschluß von Gruppen aus dem Tarifvertrag als mittelbare Diskriminierung .......... ...... ........ ........................ .......... ........... c) § 611a BGB.................................................................................. d) § 2 I BeschFG und der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ...............................................................................................
44 44 46 47 49 49 49 51 51 54 54 55 55 55 56 58 63 65 67 68
Fünfter Teil
Voraussetzungen und Rechtsfolgen der mittelbaren Diskriminierung
70
I. Der objektive Tatbestand.........................................................................
70
1. Der Mangel einer Definition......... ........ ...... .... ....... ..... .... ........ .... ....... 2. Das Geschlecht als Anknüpfungspunkt............. ... ........ .......... ........... 3. Neutrale Regelung oder Maßnahme .................................................. a) Abgrenzung zur verdeckten Diskrimierung................................. b) Arten von Maßnahmen und Regelungen ..... ........... ....... ... .... ....... aa) Objektive und subjektive Kriterien ........................................ bb)Beschränkung auf Auswahlkriterien ...................................... cc) Vermeidbare Kriterien....... ........................ ............ ............ ..... 4. Erheblich stärkere Betroffenheit........................................................ a) Einführung ................................................................................... b) Rein ökonomische Betroffenheit? ............... ........... .......... ...... ..... c) Keine Betroffenheit wegen anderweitiger Vorteile. ..... .......... ..... d) Betroffene Gruppe ............... ............... ................. ....... ................. e) Vergleichsgruppen ....................................................................... aa) Bei der Einstellung .................................................................
70 71 72 72 73 73 76 79 80 80 81 82 83 84 84
Inhaltsverzeichnis
bb) Im bestehenden Arbeitsverhältnis ......... .................. ............ ... Negatives Kriterium..................................................................... Geringere Qualifikation ............... ............... ........... .......... ............ Frauentypisches Merkmal... .................. ...... ... ..................... ......... Das "Bottom-line" Problem ...... ............................. ........ .............. Dauer und Beginn der Betroffenheit............................................ Betroffener Mann......................................................................... Erheblich stärkere Betroffenheit ......... ... ........... .................. ......... Statistische Methoden ........................................... ........ ............ ... aa) "Four-fifths rule" .................................................................... bb)Die X2 _ Analyse...................................................................... ce) Methode der "independent proportions" ................................ n) Gewährleistung von Rechtssicherheit? ........................................ 5. Kausalität und Zurechenbarkeit......................................................... a) Bei Individualmaßnahmen ........... '" ...... ...... ... ......... .......... ... ... ..... aa) Ansätze in der Literatur.......................................................... bb)Kritik ...................................................................................... ce) Eigener Ansatz ..... .... ..... .................. ...... ...... ...... ...... ......... ...... (1) Kausalität.......................................................................... (2) Zurechenbarkeit ....... .............. .... ............ ...... ............. ........ (a) Die Adäquanztheorie als eingrenzendes Kriterium .... (b) Nichtarbeitsrechtsspezifische Nachteile ..................... b) Bei Gesetzen.......................... ...................................................... f) g) h) i) j) k) I) m)
11
85 86 86 88 88 92 93 93 95 96 98 99 101 102 102 102 103 104 104 105 105 106 106
11. Die Rechtfertigung ................... ............ ... ........ ..... ............. ..... ........ ......... 107 1. Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court und die amerikanische Gesetzgebung zur "business necessity" .... ............ ............ ......... 2. Literatur und Rechtsprechung in der Bundesrepublik ....................... a) 1. Ansicht: sachlicher Grund........................................................ b) 2. Ansicht: gleich der unmittelbaren Diskriminierung ........ ..... ... c) Vermittelnde Ansicht................................................................... aa) EuGH und BAG ..................................................................... bb)Teil der Literatur .................................................................... d) Eigener Ansatz.. .................. ............ ...... ......... ... .... ... ..... ............... aa) Fallgruppen............................................................................. bb) Nicht arbeitsplatzbezogener Rechtfertigungsgrund .... ... ........ ce) Grenzen des unternehmerischen Bedürfnisses....................... dd)Bewertung .............................................................................. ee) Keine Bewerberinnen vorhanden als Rechtfertigung? ........... ff) Anderer Rechtfertigungsmaßstab bei Gesetzen?................... gg)Weniger diskriminierende Alternativmaßnahmen .................
108 110 110 110 112 112 112 113 114 117 119 120 222 122 124
111. Die Rechtsfolgen ................................................................... '" ......... ...... 126 1. Bei Kollektivnormen.................................................................... 126 a) Problemaufriß .............................................................................. 126
12
Inhaltsverzeichnis
b) Die Rechtsprechung des EuGH ................................................... c) Kritik am EuGH........................................................................... d) Differenzierte Lösung .................................................................. e) Die Rückwirkungsproblematik ................. ...... .............. .... ........... 2. Bei sonstigen Maßnahmen des Arbeitgebers...... .............. ....... .......... a) Amerikanische Rechtsprechung................................................... aa) Vergangene geldwerte Leistungen......................................... bb)Seniority ................................................................................. cc) Einstellungsanspruch.............................................................. dd)Ersatz von zukünftigen, absehbaren Nachteilen .................... ee) Schadensersatz bei einer Gruppe als Kläger .......................... ff) Compensatory und punitive damages .................................... b) Europäische und deutsche Rechtsprechung .... ..... .... ... ...... ..... ...... aa) Ausgangslage ......................................................................... bb)Die Vorgaben des EuGH........................................................ cc) Die daraufhin ergangenen Entscheidungen des BAG ...... ...... dd) Übertragbarkeit auf die mittelbare Diskriminierung .... .......... (1) Vereinbarkeit mit deutschem Recht und mit den Vorgaben des EuGH .................................................................. (a) 1. These des BAG: Anspruchskonkurrenz von § 611a BGB zu Delikt............................................................. (b) 2. These des BAG: Regelmäßige Persönlichkeitsverletzung.................................................................... (c) 3. These des BAG: Entschädigungsanspruch wegen Persönlichkeitsverletzung .......... .... ....... ........... ........... (d) 4. These des BAG: Anspruch in Höhe eines Monatsgehaltes ............ .................. ............ ... ......... ... ......... ..... (e) Das Dekker-Urteil des EuGH...................................... (2) Anwendbarkeit der Voraussetzungen ............................... c) Andere Lösungsansätze de lege lata ..... .... ................ ....... ........ .... aa) UnanwendbarkeitlNichtigkeit des § 611 a BGB ..................... bb) Unmittelbare Anwendung der Richtlinie. ....... ... .................... cc) Vorlage beim BVerfG .... .... ........ ................. ............ ....... ........ dd)Beschwerde bei der EG-Kommission; Vertragsverletzungsverfahren................................................................................. d) Rechtsfolgenregelungen de lege ferenda ..................................... aa) Erfüllungsansprüche............................................................... bb)Geldansprüche......................................................................... (1) Ersetzungsbefugnis in Geld; entgangener Gewinn........... (2) Billige Entschädigung. ...... ....... ............ ... ... ...... ... .......... .... cc) Ausnahme bei Kleinstbetrieben ............................................. dd) Strafbewehrung .. ....................... .... ............. ..... ...... ... ..... ..... .... ee) Nichtigkeit der Regelungen des Arbeitgebers........................ 3. Die Verjährung ..................................................................................
126 127 128 130 133 133 133 134 135 136 136 136 141 141 142 144 145 145 146 148 149 149 150 151 151 151 152 153 154 155 155 156 156 157 158 159 159 160
Inhaltsverzeichnis
13
Sechster Teil
Durchsetzung des Verbots
163
I. Prozessuale Mittel. ......... ........... ..... ............ ....... ............. .... ......... ....... ..... 163
1. Class action suits oder Streitgenossenschaft? ............... ............ ......... 2. Darlegungs- und Beweislast der Parteien .... ............. .... ......... ............ a) Im u.S.-amerikanischen Recht .................................................... b) § 611a BGB.................................................................................. c) De lege ferenda ............................................................................ aa) Verlagerung der Beweislast auf den Arbeitgeber .................. bb) Auskunftsanspruch .................................................................
163 166 166 167 169 170 171
11. Staatliche Kontrolle................................................................................. 174 1. In den U.S.A. ..................................................................................... a) Equal Employment Opportunity Commission............................. b) Non-discrimination under Federal Government Contracts.......... 2. Übertragbarkeit auf die Bundesrepublik.... ....... ...... ..... ........... ... ........ a) Schaffung einer Kontrollbehörde................................................. b) Berichtspflicht der Unternehmen ............. ... ........ ......... ....... ...... ... c) Öffentliche Auftragsvergabe als Lenkungsmittel der Sozialpolitik .......... .... .......... ....... ...... .............. ......... ......... ......... ......... ....
174 174 177 177 177 178 179
Siebter Teil
Würdigung und Ausblick
181
Anhang
184
I. Griggs v. Duke Power Co.,401 U.S. 424 (1971)..................................... 184
11. Wards Cove Packing Co. v. Antonio, 109 S.Ct. 2115 (1989)................. 193 III. Tide VII des Civil Rights Act von 1964 ................................................. 222 IV. Civil Rights Act von 1991....................................................................... 238 Rechtsprechung
262
Literaturverzeichnis
270
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
a.F
alte Fassung
Abs.
Absatz
AiB
Arbeit im Betrieb
Am.U.
American University
Amn.
Anmerkung
AP
Arbeitsrechtliche Praxis
ArbG
Arbeitsgericht
AR-Blattei
Arbeitsrechts-Blattei
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AuR
Arbeit und Recht
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAGE
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
BAT
Bundes-Angestelltentarifvertrag
BB
Der Betriebsberater
Bd.
Band
BetrAVG
Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversor gung
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BT
Bundestag
Abkürzungsverzeichnis
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
C.F.R.
Code of Federal Regulations
cert.
certiori
Cir.
Circuit
Chi.
Chicago
Co.
Company
Cong.
United States Congress
Comp.L.L.
Comparative Labor Law
Contemp.Probs.
Contemporary Problems
D.C.
District of Columbia
DB
Der Betrieb
ders.
derselbe
dies.
dieselbe(n)
Diss.
Dissertation
Drucks.
Drucksache
DVBl.
Deutsches Verwaltungs blatt
ed.
edition
EG
Europäische Gemeinschaften
etc.
et cetera
EuroAS
Europäisches Arbeits- und Sozialrecht
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschafts gemeinschaft
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
EuGRZ
Europäische Grundrechte Zeitschrift
EuR
Europa und Recht
ff.
fortfolgende
Fla.St.U.
Florida State University
15
16
Abkürzungsverzeichnis
FS
Festschrift
F.2d
Federal Reporter, Second Series
Ga.
Georgia
GG
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
h.M.
herrschende Meinung
Halbs.
Halbsatz
Hous.
Houston
Harv.
Harvard
How.
Howard
Hrsg.
Herausgeber
LV.m.
in Verbindung mit
Ill.
Illinois
Ind.
Indiana
Ind. Rel.
Industrial Relations
insb.
insbesondere
J.
Journal (in Titeln amerikanischer Zeitschriften)
JA
Juristische Arbeitsblätter
JR
Juristische Rundschau
Jura
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
KJ
Kritische Justiz
L.
Law (in Titeln amerikanischer Zeitschriften)
La.
Louisiana
Lab.
Labour
Mass.
Massachusetts
MDR
Monatsschrift des Deutschen Rechts
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
Mich.
Michigan
Abkürzungsverzeichnis
N.C.
North Carolina
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
No.
Number
N.Y.
New York
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht
Pa.
Pennsylvania
Pitt.
Pittsburgh
RdA
Recht der Arbeit
Rep.
Report
Rn.
Randnummer
Ref.
Reforrns
Rev.
Review (in Titeln amerikanischer Zeitschriften)
Rs.
Rechtssache
s.
siehe
S.
Seite
SAE
Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen
S.Ct.
Supreme Court Reporter
Sess.
Session
Slg.
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des EuGH
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
U.
University (in Titeln amerikanischer Zeitschriften)
UCLA
University of Califomia
Tex.
Texas
Tu!.
Tulane
u.U.
unter Umständen
u.a.
und andere
U.S.
United States Reports
U.S.C.
United States Code
v.
versus/vom
2 Wisskirchen
17
Abkürzungsveneichnis
18
Va.
Virginia
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
Wis.
Wisconsin
ZfA
Zeitschrift für Arbeitsrecht
ZAS
Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht
ZIAS
Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeitsund Sozialrecht
zit.
zitiert
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZTR
Zeitschrift für Tarifrecht
ZVgIRWiss
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
Erster Teil
Einführung Eine Untersuchung, die rechtsvergleichende Komponenten zwischen den U .S.A. einerseits und Europa und der Bundesrepublik andererseits im Bereich des Arbeitsrechts aufweisen soll, vermag einen Beitrag zurdeutschen Rechtsforschung nur auf einem Gebiet zu leisten, in welchem die U.S.A. einen "Vorsprung" hinsichtlich Zeit und Diskusssion hat. Diese Konstellation ist im Bereich des Arbeitsrechts als Sonderrecht der Arbeitnehmer selten anzutreffen. Als ein nicht auf die soziale Marktwirtschaft verpflichteter Staat haben die U .S.A. Schutzrechte für Arbeitnehmer in geringerem Maße entwickelt. Eines der wenigen Gebiete, das eine tiefergehende Bedeutung und rechtstheoretische Diskussion in den U.S.A. im Bereich des Arbeitsrechts erfahren hat, ist das discrimination law oder genauer das equal employment law. Die Auseinandersetzung in den U.S.A. mit der mittelbaren Diskriminierung erscheint aus verschiedenen Gründen sehr hilfreich, um das Verbot der mittelbaren Diskriminierung besser rechtlich zu durchdringen. Es gibt viele Beispiele, in denen faktische Erscheinungen, die eine rechtliche Antwort erfordern, zunächst in den U .S.A. aufgetreten sind und später Eingang in das europäische Recht gefunden haben.! So ist auch die Diskussion um die Gleichberechtigung von Mann und Frau entscheidend durch entsprechende Entwicklungen in den U.S.A. beeinflußt worden, die dort eine längere Tradition haben und größere Bereiche umfassen. Die dortige Gesetzgebung sah sich schon frühzeitig gezwungen, auf das Problem von Benachteiligungen bestimmter Gruppen im Arbeitsleben zu reagieren. Die Situation der ethnischen Minderheiten, insbesondere der Schwarzen, und die Tatsache, daß in den USA erheblich mehr Frauen als in der Bundesrepublik arbeiten2 , haben eine längere Erfahrung in
1 So auch Coester-Waltjen, ZRP 1982,217,218, die als Beispiele: Leasing, Franchising, u.a. anführt.
2 Während 1970 die Frauenerwerbsquote in beiden Ländern noch etwa gleich hoch bei ca. 48 % lag, arbeiteten im Jahre 1988 in den U.S.A. 66,8 % gegenüber 54,3 % der Frauen in der Bundesrepublik, vgl. Internationale Wirtschaftszahlen 1991, hrsg. vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Tabelle 26.
20
1. Teil: Einführung
diesem Bereich zur Folge. Die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten beweist "eine nachdrückliche Entschlossenheit, der Diskriminierung ... mit wirksamen Mitteln Herr zu werden."J Zum anderen ist das Institut der mittelbaren Diskriminierung 1971 in dem Rechtsstreit Griggs v. Duke Power vom U .S. Supreme Court4 "aus der Taufe gehoben" worden. Erst 10 Jahre später übernahm der EuGH unter Berufung auf den Supreme Court diese Konzeption in der Sache Jenkins gegen KingsgateS ,dem das BAG mit der Bilka-Entscheidung von 1986, der wiederum eine Vorabentscheidung des EuGH zugrundelag, folgte. Die europäische Rechtssprechung hat sich bei der Einführung des Institutes stark von anglo-amerikanischen Vorbildern leiten lassen. 6 Der zeitliche Vorsprung in der amerikanischen Rechtsprechung hat eine eingehendere Auseinandersetzung in den U .S.A. mit dem Thema zur Folge, als sie sich bisher in der Bundesrepublik und in Europa entwickeln konnte. Auch im praktischen Leben ist der Blick für mögliche mittelbare Diskriminierung in den U.S.A. geschärfter. Von seiten des Labor Department werden z.B. erhebliche Anstrengungen unternommen, Situationen, in denen mittelbare Diskriminierungen im Arbeitsleben auftreten, zu beseitigen. Dabei soll auch qualifizierten Frauen geholfen werden, wie die derzeitige Kampagne des Ministeriums zur Erreichung einer angemessenen Repräsentation von Frauen im oberen Management zeigt. Sie fand in dem Civil Rights Act von 199P ihren Ausdruck. 8 Das EG-Recht erscheint auf den ersten Blick im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts noch zu dürftig, um hinreichend Ansätze für eine wissenschaftliche
3
Gamillscheg, FS Aoretta, 171, 176.
4
401 U.S. 424.
S (1981) E. C.R. 911. Der Generalanwalt zitierte in seinen Ausführungen die ersten Grundsatzentscheidungen des Supreme Courts zur mittelbaren Diskriminierung im U.S.-amerikanischen Recht: Griggs v. Duke Power Co., 401 U.S.424 (1971) und Dothard v. Rawlinson, 433 U.S. 321 (1977). 6 V gl. Pfarr!Bertelsmann, Gleichberechtigungsgesetz, Rn. 192, die auf den britische Equal Pay Act und Sex Discrimination Act hinweisen. Diese wurden wiederum unter Hinzuziehung amerikanischer Experten von der Equal Employment Opportunity Commission verabschiedet.
7
Title 11, Sec. 201-210 des Civil Rights Act 1991.
Ebenso stehen Belohnungen für die Belegschaft bei Anwerbung eines neuen Kollegen zur Diskussion, weil dadurch regelmäßig Personen eingestellt werden, die der alten Belegschaft gleichen. Diese Politik stellt sich als ein Beförderungs- oder Einstellungshindernis für Frauen und Minoritäten dar. Vgl. The Wall Street Journal, 9.8.1991, B 1. 8
1. Teil: Einführung
21
Untersuchung bieten zu können. Zumindest bis zu den Maastrichter Verträgen9 oblag die Regelung dieser Gebiete weitgehend den nationalen Gesetzgebern, wobei der Auslegung des EWG-Vertrages mit seinen fragmentarischen Bezügen zur Arbeits- und Sozialpolitik nur zweitrangige Bedeutung zukam 1o, wie es insbesondere Art. 117 EWGV zum Ausdruck bringt. Dieses Modell ist getragen von dem Gedanken, daß erst die Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der einzelnen Mitgliedstaaten eine Harmonisierung des Arbeitsrechtes nach sich ziehen kann. Die nationalen Arbeitsrechtsgesetze entstammen unterschiedlichen historischen Wurzeln und sind schwer einer einheitlichen EGRegelung zugänglich. I I Im Bereich der Gleichberechtigung von Frau und Mann hat sich von den EG-Organen vor allem der EuGH trotz der Hindernisse weit vorgewagt und ein dichtes Regelungsnetz geschaffen. 12 Seine Rechtsprechung wird insoweit berücksichtigt, als sie auf das deutsche Rechtslage Einfluß genommen hat. Angesichts des äußerst umfangreichen Materials in den U.S.A. wird eine Darstellung der U.S.- amerikanischen Rechtsprechung und Literatur zu diesem Thema nur insoweit erfolgen, als sie dem Ziel der Rechtsvergleichung dienlich ist. \3 Da das Thema sich zudem als vielschichtig und facettenreich erwiesen hat, wird die Untersuchung nicht in zwei Komplexe mit einem deutsch-europäischen und einem amerikanischen Teil getrennt sein. Vielmehr sollen Differenzen, Gemeinsamkeiten und vor allem neue, in Deutschland weniger bekannte Ideen jeweils in gesonderten Kapiteln aufgezeigt werden, um ein besseres Verständnis der rechtlichen Handhabung der mittelbaren Diskriminierung zu ermöglichen. Rechtsvergleichung hat eine funktionale Aufgabe, d.h. ausgehend von demselben sozialen, faktischen Problem wird untersucht, wie verschiedene Rechtssysterne dieses zu lösen versuchen.
9 Die Maastrichter Verträge, insbes. das Abkommen über die Sozialpolitik, geben nunmehr der Gemeinschaft die Rechtsgrundlage, neben den nationalen Gesetzgebern Regelungen zu erlassen, und erweitern den Katalog der Zuständigkeit beträchtlich. 10
Vgl. zur Entwicklung der Sozialpolitik der EG, Bleckmann-Coen, Europarecht, Rn. 1837 ff.
11
Vgl. Dötsch, Wirtschaftsrecht 1993,400,401.
12 Vgl. v.Maydell, in: Soziale Grundrechte in der EG, S. 122, 128, der insofern schon von dem Bestehen eines supranationalen Arbeits- und Soziairechts ausgeht. Vgl. auch Ellis, E.C. Sex Equality Law, p.6; Buchner, 'ZiA 1993, 279ff.
13 Soweit wie möglich sind amerikanische Quellen in die deutsche Sprache übersetzt worden; wenn jedoch dadurch der Sinn nicht korrekt wiedergegeben werden konnte, wurden sie im Original belassen. Die Zitierweise der amerikanischen Literatur wurde dem sogenannten "blue book": A Uniform System Of Citation, 15th ed., Cambridge, Mass. 1990 entnommen.
22
1. Teil: Einführung
Die Einzelfallbezogenheit des anglo-amerikanischen Rechts ist nicht so sehr auf die Erstellung von abstrakten Rechtsregeln und die Entstehung von Rechtssicherheit durch gleiclunäßige Rechtsprechung ausgerichtet. Das kodifizierte Recht in den U .S.A. hat zudem nicht den Stellenwert wie im kontinentaleuropäischen Recht, sondern seine Interpretation durch die Gerichte ist das anzuwendende Recht. Eine rechtsvergleichende Arbeit wird sich im amerikanischen Teil somit eher auf die Rechtsprechung konzentrieren und versuchen, trotz der Einzelfallbezogenheit verallgemeinernde Schlüsse zu ziehen. Ziel der Untersuchung ist es, abstrakte und damit auf möglichst viele Fälle anwendbare Regeln zur mittelbaren Diskriminierung für das deutsche Rechtssystem aufzustellen, ohne den praktischen Bezug der Arbeit aus den Augen zu verlieren.
ZweiterTeil
Bedeutung der mittelbaren Diskriminierung von Frauen} Die Erkenntnis, daß Frauen in vielfältiger Form am Arbeitsplatz schlechter gestellt sind als Männer, ist nicht neu. Erst seit wenigen Jahren wird jedoch anerkannt, daß eine Benachteiligung auch mittelbar erfolgen kann. Das Konzept der mittelbaren Benachteiligung außerhalb des Erwerbslebens ist vom Bundesverfassungsgericht schon im Jahre 1958 in seiner Entscheidung zur Parteienfinanzierung umrissen worden: "Auch ein Gesetz, das in seinem Wortlaut eine ungleiche Behandlung vermeidet und seinen Geltungsbereich abstraktgenerell umschreibt, widerspricht dem Gleichheitssatz dann, wenn sich aus seiner praktischen Auswirkung eine offenbare Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. Nicht die äußere Form, sondern der materiell-rechtliche Gehalt ist entscheidend."2 Das Gericht prüft anschließend die Rechtfertigung für ein solches Gesetz, die es nur in einem zwingenden Grund sieht.3 Nach einem Kommissionsentwurf einer EG-Richtlinie4 1988, der sich an den Grundsätzen der Rechtsprechung orientiert, liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn eine ihrem Wortlaut nach geschlechtsneutrale Vorschrift ein Kriterium enthält, das tatsächlich für ein Geschlecht eine unverhältnismäßig nachteilige Wirkung hat, ohne daß dies durch zwingende Gründe gerechtfertigt ist, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschlecht der betroffenen Person stehen. In deutschen bundesrechtlichen Gesetzen des Arbeitsrechts und im Verfassungsrecht kommt der Begriff der mittelbaren Diskriminierung nicht ausdrücklich vor.
1 Die Verfasserin hat bewußt als Thema mittelbare Diskriminierung von Frauen gewählt und nicht allein mittelbare Diskriminierung, weil bis auf einige Fälle im Bereich der Renten versicherung Männer zumindest als Gruppe, soweit bekannt, nicht mittelbar diskriminiert werden.
2
BVerfGE 8, 51, 64.
3
BVerfGE 8, 51, 65.
4
v. 27. 5. 1988, Art. 5, ABI. Nr. C 176; BR-Drs. 304/88.
24
2. Teil: Bedeutung der mittelbaren Diskriminierung von Frauen
Er findet -soweit ersichtlich- im Bundesrecht nur in § 26 II GWB "mittelbar unterschiedlich behandeln" Erwähnung. An dieser Norm zeigt sich, daß das Phänomen im Arbeitsrecht einen anderen Inhalt als die bisher bekannten Fälle der mittelbaren Schädigungen aufweist: mittelbare Diskriminierung/Schädigung geht bisher von dem hinzutretenden Verhalten Dritter aus, das den Schaden herbeiführt. Bei der mittelbaren Diskriminierung im Arbeitsrecht geht es aber nicht um ein zusätzliches Verhalten, sondern um eine besondere Konstellation, auf die die Arbeitgebermaßnahme trifft. In den U.S.A. ist mit "disparate impact" (= ungleiche Betroffenheit) eine Bezeichnung gewählt worden, die das Kernproblem besser trifft. Man sollte auch im deutschen Recht die Bezeichnung "systematische Diskriminierung" oder "Diskriminierung aufgrund ungleicher Betroffenheit" einführen. Da sich der Begriff der mittelbaren Diskriminierung soweit etabliert hat, wird er jedoch im folgenden verwendet. Das gesetzgeberische Zögern, das Verbot der mittelbaren Diskriminierung im Arbeitsleben zu normieren, ist angesichts der praktischen Bedeutung des Verbots eine feststellbare, aber nicht zu verwundernde Lücke.s Die exakte, rechtsdogmatische Aufarbeitung einer zunächst nur faktischen Erscheinung, die nicht an bestehende Rechtsinstitute anknüpft, ist schwierig und bei dem Verbot der mittelbaren Diskriminierung bisher kaum durchgeführt worden,6 obwohl angesichts seiner praktischen Bedeutung ein Klärungsbedarf vorliegt. 7 Mit dem jetzt zur Diskussion stehenden Entwurf zum Arbeitsvertragsgesetz, vorgelegt vom Arbeitskreis "Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht", wurde in § 5 I ein erster Versuch zur Umschreibung des Verbotes unternommen. 8 Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Verbot in der Lehre ist jedoch unabdingbare Voraussetzung für einen erschöpfenden Gesetzesentwurf. 9
, Vgl. Lubnow, BB 1992, 1204, der für die gesetzgeberische Zurückhaltung hinsichtlich der SchlechtersteIlung von Teilzeitbeschäftigten als Grund ansieht, daß der Gesetzgeber schlechterdings mit der einheitlichen abstrakten Regelung so unterschiedlicher Sachverhalte überfordert ist. • Abgesehen von Hanau/Preis in ZfA 1988, 177 und PfarrIBertelsmann in verschiedenen Aufsätzen und in "Diskriminierung im Erwerbsleben", 1990 hat sich die Lehre bisher kaum mit dem Thema auseinandergesetzl Die Arbeit von Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung, München 1993 konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden. 7 So die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihrem dritten mittelfristigen Aktionsprogramm zur Chancengleichheit, November 1990, abgedruckt am 29.10.1991, BT-Os. 12/1389, S.5.
• Vgl. zum ArbVG92: Hromadka,NJW 1992, 1985;Weber,BB 1992, 1345; DäublerNZA 1992, 577; ders., AuR 1992, 129. 9 Um mit Sudhof, JZ 1991,751,752 zu sprechen:" Eine vorgreifliche Phase zunächst völliger oder weitgehender (einfach-) gesetzlicher Abstinenz geht einher mit justizieller Terrainsondie-
2. Teil: Bedeutung der mittelbaren Diskriminierung von Frauen
25
Die praktische Bedeutung der Fälle mittelbarer Diskriminierung wird möglicherweise in ihrer vollen Reichweite erst in der Zukunft sichtbar werden. Arbeitsrechtler bezeichnen das Institut als einen "noch viel zu wenig beachtete(n) Meilenstein" auf dem Weg zur Gleichberechtigung lO , der "tiefe Einschnitte in vertraute Vorstellungen" haben wird l1 • Würden unmittelbare und mittelbare Diskriminierung gleichbehandelt, bliebe nach Ansicht Däublers l2 im bisherigen Arbeitsrechtssystem kein Stein mehr auf dem anderen. Bei ausdrücklich festgeschriebenen, unmittelbaren Diskriminierungen mag es sich, wie z.T. vertreten wird\3, um Restbestände überkommener Ordnungen handeln oder um marginale Positionen. "Die offene Benachteiligung ist indessen nur die Spitze des ... Eisberges. Inuner mehr richtet sich der Blick auf das, was auch die europäische Direktive mittelbare ... Diskriminierung nennt," schrieb Franz Gamillscheg schon 1983. 14 "Das Thema der mittelbaren Diskriminierung ist bisher zweifellos unterschätzt worden. "15 Mit Einführung des Verbotes der mittelbaren Diskriminierung wird dem Gleichheitsgebot nun nicht mehr genügt, indem man formell korrekte, d.h. nicht schon offensichtlich diskriminierende Regelungen hat, sondern ihre Auswirkungen auf die Geschlechter müssen schon bei ihrer Einführung mitberücksichtigt werden. 16 Bis jetzt wurde das Thema von der europäischen und ihr folgend von der deutschen Rechtsprechung fast auschließlich anband von benachteiligten Frauen als Teilzeitbeschäftigte aufgearbeitet. l ? Andere mögliche Ansatzbereiche für
rung, danach folgt legislative Aktivität, bestätigend oder kompensierend. Diese wiederum steht zunächst zur justiziellen, insbesondere verfassungs-, evtl. europarechtlichen Disposition." 10
So Hanau/Preis, ZfA 1988, 177, 178.
11
So Pfarr, Anm. zu BAG AP Nr.1I zu Art. 119 EWGV.
12
In: Das Arbeitsrecht, Bd 11, 4. Aufl., S.625.
13
Nicolaysen, EuR 1984,380,381.
14
FS Floretta, 171, 177.
Dieterich, NZA 1987, 545, 547. Ähnlich für die Notwendigkeit eines Eingreifens des EuGH auf diesem Gebiet, Ellis, E. C. Sex Equality Law, p. 131. 15
16
Vgl. laeger, NZA 1990, I, 12.
11 Teilzeitarbeit wird typischerweise von Frauen ausgeübt, so daß eine Teilzeitkräfte benachteiligende Regelung überwiegend Frauen trifft. In keinem anderen Industrieland ist die Vollzeit- und Teilzeitarbeit so unterschiedlich auf die Geschlechter verteilt: 31 % der erwerbstätigen Frauen gegenüber 2 % der Männer arbeiten Teilzeit (zum Vergleich: in den U.S.A.liegt das Verhältnis 25 % zu 10 %), vgl. DIE ZEIT v. 21. 8.1992, S. 24.
26
2. Teil: Bedeutung der mittelbaren Diskriminierung von Frauen
eine mittelbare Diskriminierung, wie z.B. Einstellungsverfahren, lohngruppenbezogene oder nach Dauer der Betriebszugehörigkeit vorgenommene Differenzierungen, Altersobergrenzen, nicht arbeitsplatzbezogene Qualifikationen, Heimarbeit und Verheiratetenzulagen werden wahrscheinlich zukünftig die Gerichte beschäftigen. 18 Dabei muß auch differenziert werden nach der diskriminierenden Maßnahme, sei es durch Gesetz, Kollektiv- und Individualregelungen oder durch faktische Handlungen seitens des Arbeitgebers. Nachfolgend sollen einige ausgewählte Fälle erwähnt werden. Die Wartezeiten bei Erholungsurlaub und Leistungspläne, durch die Arbeitnehmer mit längeren Beschäftigungszeiten gegenüber solchen mit kürzeren Beschäftigungszeiten überproportional bevorzugt werden, können mittelbar diskriminierend wirken. Weitere typische für Frauen nachteilige Kriterien sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Nachweis ununterbrochener Beschäftigung. Die Verwendung von niedrigen Höchstalt;~rsgrenzen bei der Einstellung oder Beförderung stellt eine mittelbare Diskriminierung dar, weil Frauen durch Kindererziehung häufiger aus dem Arbeitsleben zeitweise ausscheiden oder in dasselbe später eintreten. Allein bezüglich Teilzeitbeschäftigter gibt es eine Vielzahl von Benachteiligungen gegenüber Vollzeitbeschäftigten. 19 So entschied der EuGH auf Vorlage des Berliner Landesarbeitsgerichtes20, daß ein teilzeitbeschäftiges Betriebsratsmitglied, welches an ganztägigen Schulungen teilnimmt, aufgrund des Verbotes der mittelbaren Diskriminierung einen Anspruch darauf hat, die über die normale Arbeitszeit hinausgehenden Stunden als Freizeit oder als Überstunden entgegen § 37 VI BetrVG vergütet zu bekommen. 21
18
12.
s. eine Aufzählung von Gruppen mittelbarer Diskriminierung im Sozialrecht: Jaeger, NZA, 1,
19 s. Bertelsmann/Rust, RdA 1985,146, 149f. Vgl. zur mittelbaren Diskriminierung von geringfügig Beschäftigten im Sozialrecht: Valgolio, NZA 1993, 447ff.
20 LAG Berlin v. 24.10. 1990,DB 1991,51. S. auch den Vorlagebeschluß vom ArbG Wiesbaden v.12. 11. 1991,8 Ca 132/91. 21 Urteil v. 4.6.1992, BB 1992, 2073. Die Entscheidung übersieht, daß hier ein objektiver Rechtfertigungsgrund für die mittelbare Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder vorliegt. Dieser Grund liegt in der gesetzlich festgeschriebenen Ausgestaltung des Betriebsratsamtes als unentgeltliches Ehrenamt. S. die Kritik von Schiefer/Erasmy, DB 1992, 1482ff., Schiefer, DB 1993,1822 und von Köck,ZAS 1993,21ff. Dagegen auch,LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.12. 1992, DB 1993, 1826, 1827 zum gleichgelagerten Fall einer teilzeitbeschäftigten Vertrauensfrau der Schwerbehinderten.
2. Teil: Bedeutung der mittelbaren Diskriminierung von Frauen
27
Das LAG Hamm und das ArbG Hamburg legten dem EuGH die Frage vor, ob dertarifvertragliche Ausschluß einer Überstundenzahlung an Teilzeitbeschäftigte mittelbar diskriminierend sei. 22 Das ArbG Bremen sieht eine mittelbare Diskriminierung in der vom BAT nach unten abweichenden Vergütung von Teilzeitbeschäftigten, wenn diese eine sozial abgesicherte, hauptberufliche Position innehaben. 23 Lehnt ein Arbeitgeber die sozialversicherungsfreie, geringfügige Beschäftigung einer Arbeitnehmerin ab, weil ein weiteres Arbeitsverhältnis besteht, so kann darin nach Ansicht des ArbG Bonn eine mittelbare Diskriminierung liegen. 24 Eine mittelbare Diskriminierung stellt schließlich nach Ansicht des LAG Hamm der Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten von betrieblichen oder Arbeitgeberdarlehen dar. 25 Gern. § 23 a Nr.4 BAT können auch nicht zusammenhängende Zeiten von Berufstätigkeit für die Bewährungszeit zusammengerechnet werden. Der Erziehungsurlaub, den noch zu 99% Frauen wahrnehmen, wirkt sich aber bewährungshemmend aus, so daß eine Höhergruppierung später erfolgt. 26 Die Rechtsprechung befaßte sich schon mit der Frage, ob Beurlaubungszeiten wegen Kindererziehung bei der Aufstellung von Beförderungsreihenfolgen im Rahmen des Dienstalters negativ berücksichtigt werden dürfen. 27 Die Berücksichtigung des Doppelverdienstes bei Ehepartnern bei der sozialen Auswahl zur betriebsbedingten Kündigung wirkt sich überproportional nachteilig auf Frauen aus. Ebenfalls wird bei der sozialen Auswahl der Kündigung aus betriebsbedingten Gründen eine kürzere Betriebszugehörigkeit nach dem Prinzip "last hired - first fired" für Frauen regelmäßig negativ ins Gewicht fallen.
22 LAG Hamm, Beschluß v. 22.10. 1992, EzA Schnelldienst, Nr.25/l992, S.I 5. ArbG Hamburg, Beschlüsse vom4.11. 1992 und v. 6.11. 1992,NZA 1993,573. Bejahend Schüren,NZA 1993,529. Dagegen, LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 27.5. 1993, LAGE § 2 BeschFG, Nr.22, das eine Diskriminierung dabei "nicht einmal erahnt". Die Gewährung von Zuschlägen an Teilzeitbeschäftigte würde nach seiner Ansicht vielmehr zu einer Benachteilung von Vollzeitbeschäftigten führen. 23
So der Vorlagebeschluß an den EuGH v. 12.5. 1993, OB 1243.
,. Urteil v. 8.1. 1993, OB 1993, 1148. 25
LAG Hamm, Urteil v. 19.3. 1993, BB 1993, 1593.
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So auch Mauer, NZA 1991,501,503.
27 Eine mittelbare Diskriminierung bejahten das VG Kassel, Urteil v. 30.11.1990, 1/3 G 229/90 und der HessVGH, Urteil v. 5.4.1991, 1 TG 245/91, vgl. dazu die Besprechung von Buglass/ Heilmann, AuR 1992, 353ff..
28
2. Teil: Bedeutung der mittelbaren Diskriminierung von Frauen
Ein interessantes Beispiel aus dem Bereich der Ausbildung ist folgendes: An der juristischen Fakultät Heidelberg waren im WS 1989/90 zunächst nur 5 von 320 Erstsemestern Frauen, da bevorzugt Personen mit abgeleistetem Wehrund Zivildienst sowie freiwilligem sozialen Jahr genommen wurden. 28
Die Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtseinheit erfordern, daß für die in Zukunft von den Gerichten zu entscheidenden Fälle -von denen einige Beispiele gerade genannt wurden- die auftretenden Probleme geklärt werden: 1. Wie läßt sich das Verbot der mittelbaren Diskriminierung begründen? Auf welche Rechtsgrundlagen stützt es sich? 2. Wann liegt der Tatbestand und die Rechtswidrigkeit einer mittelbaren Diskriminierung vor? Welche Rolle spielen Statistiken? 3. Welche Rechtsfolgen knüpfen sich an die Feststellung des Vorliegens der mittelbaren Diskriminierung? 4. Wer darf klagen? Wer trägt für welche Behauptungen die Darlegungs- und Beweislast? 5. Wie läßt sich das Verbot der mittelbaren Diskriminierung praktisch durchsetzen? Zur Lösung dieser Probleme soll die Arbeit mit Hilfe der Rechtsvergleichung einen Beitrag leisten. Durch das Verbot der mittelbaren Diskriminierung können aber weder jahrhundertelange Benachteiligungen von Frauen kompensiert werden, noch ist jeder im Arbeitsleben auftretende Nachteil für Frauen nunmehrnicht mehr hinzunehmen.
28 Ein ähnliches Beispiel gab es in Massachusetts, wo vorrangig Kriegsveteranen im öffentlichen Dienst eingestellt und befördert wurden, s. Personnel Administrator ofMassachusetts v. Feeny, 442 U.S. 256 (1979).
DritterTeil
Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung in den U.S.A und in Europa I. In den U .S.A. 1. Einführung! Die "disparate impact" Theorie wurde vom Supreme Court zum ersten Mal 1971 in der Entscheidung Griggs v. Duke Power Company anerkannt. Seitdem ist dieses Rechtsinstitut in den U.S.A. benutzt worden, um Einstellungstest, persönliche Qualifikationsanforderungen wie high school diploma, Größe- und Gewichtserfordernisse, Berufserfahrungen sowie andere Maßnahmen von Arbeitgebern als entweder für Schwarze oder für Frauen mittelbar diskriminierend und ungültig zu erklären. Zu dem Problemkreis der mittelbaren Diskriminierung werden sowohl Fälle, die nur Schwarze oder Minderheiten betrafen, als auch solche, die sich auf das Geschlecht bezogen, herangezogen. Auch wenn es zeitweise umstritten war, ob sich die Grundsätze zum Verbot der Diskriminierung von Schwarzen auf die Diskriminierung von Frauen übertragen ließen, sind im Bereich der mittelbaren Diskriminierung im Arbeitsleben für beide Gruppen immer die gleichen Maßstäbe angewendet worden. Das liegt darin begründet, daß im Arbeitsleben die mittelbare Diskriminierung sowohl von Rassendiskriminierung als auch des Geschlechts regelmäßig am sozialen Status der betroffenen Gruppe anknüpft und biologische Unterschiede irrelevant sind. 2 Anspruchsgrundlage der Diskriminierten für die meisten dieser Fälle, und das Kernstück der Gesetzgebung ist Title VII des Civil Rights Act von 19643 , der die Diskriminierung auf Grundlage des Geschlechts für alle Bereiche und Bedingungen des Arbeitsverhältnisses inklusive Einstellungen, Kündigungen und Beförderungen verbietet. Er wurde mit dem Ziel erlassen, Einzelnen und Minderheits1
Vgl. zur Entwicklung bis zur Griggs-Entscheidung, Blumenrosen, 71 Mich. L. Rev. 59.
Das BVerfG hat ebenfalls das deutsche Arbeitsrecht als typisches Beispiel für einen Bereich genannt, wo wesentliche Elemente den Geschlechtern gemeinsam sind, BVerfGE 6, 389, 422. 2
3
Title VII des Civil Rights Act 1964 ist im Anhang auf S. 222ff. abgedruckt.
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3. Teil: Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung
gruppen zu ihrem Recht zu verhelfen, die hohe Rate von Arbeitslosen unter den Minoritäten und Frauen zu verringern und langfristig menschliche Ressourcen für die Gesamtwirtschaft nutzbar zu machen. 4 Während der Gesetzgeber damit ursprünglich allein die direkte Diskriminierung (=intentional discrimination), also das Ergebnis einzelner vorurteilsbehafteter Handlungen zu eliminieren suchte, gab die Griggs-Entscheidung die Wende zu einem neuen, weiteren Ansatz von Diskriminierung.S Der Gesetzgeber war sich 1972, als er Tide VII reformierte, dieses Problems bewußt. Das Protokoll der beratenden Sitzung im Congress gibt folgendes wieder: "In 1964, employment discrimination tended to be viewed as aseries of isolated and distinguishable events, for the most part due to ill-will on the part of some identifiable individual or organization. It was thought that a scheme that stressed conciliation rather than compulsory processes would be most approriate for the resolution of this essentially 'human' problem, and that litigation would be necessary only on an occasional basis. Experience has shown this view to be false."6 "Employment discrimination as viewed today is a far more complexand pervasive phenomenon. Experts familiar with the subject now generally describe the problem in terms of'system' and 'effects' ratherthan simply wrongs .. .'o?
Der Gesetzgeber erkannte also, daß man von dem bis dahin alleinigen Ansatz der direkten Diskriminierung Abschied nehmen mußte, nicht allein, weil es vielfach schwierig war, eine Diskriminierungsabsicht nachzuweisen, sondern weil sie oft gar nicht vorhanden war, die Diskriminierung sich jedoch in unterschiedlichen Auswirkungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen manifestierte. Neben Handlungsunrecht sollte auch Erfolgsunrecht sanktioniert werden.
2. Die Griggs v. Duke Power Co.-Entscheidung des V.S. Supreme Court 19718 Die Bedeutung dieses Urteils kann nicht hoch genug eingeschätzt werden9 ; dies gilt nicht nur für das amerikanische Recht, sondern auch für das europäische und
• Vgl. zu den gesetzgeberischen Motiven, Caldwell, 46 U. Pitt. L. Rev. 555, 574-583. S Vgl. Coen, OB 1987,2041, der ohne Zitierung Blumenrosen, 71 Mich.L.Rev. 59,62 wörtlich wiedergibt.
6
Rep. No.91-1137, 91st Cong., 2d Sess., p.4 (1970).
7
Rep. No. 92-415, 92d Cong., ist Sess., p.5 (1971).
8
401 U.S. 424 (1971).
9 Nach Schlei/Grossman, Employment Oiscrimination Law, p.5 ist die Entscheidung "the most important court decision in employment discrimination law."
I. In den U.S.A.
31
deutsche Recht, wenn man bedenkt, auf welchem Wege das Verbot der mittelbaren Diskriminierung Eingang gefunden hat. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: lo Vor 1965, als der Civil Rights Act mit dem Verbot von Diskriminierung in Kraft trat, arbeiteten alle schwarzen Arbeitnehmer der Duke Power Company in dem labor departement und waren ausschließlich mit einfachen Arbeiten beschäftigt. Positionen in anderen Abteilungen waren allein für Weiße reserviert. Diese Situation war typisch für Unternehmen zu dieser Zeit. Die Duke Power Company war durch die Einführung von Title VII des Civil Rights Acts gezwungen, zumindest formal diese Diskriminierung zu beenden. Die Einstellungspolitik wurde dahingehend geändert, daß es eines High-school Diploms und des Bestehens von zwei standardisierten Einstellungstests bedurfte, um in den allein Weißen vorbehaltenen Abteilungen arbeiten zu können. Bisherige Arbeitnehmer, die in eine andere Abteilung wechseln wollten, mußten zumindest ein High-school Diplom innehaben. 11 Diese Erfordernisse machten es vor allem Schwarzen unmöglich, die Tätigkeit innerhalb des Unternehmens zu wechseln. Das Gericht erklärte die Anforderungen für nichtig, benannte aber nicht generell die Kriterien für die mittelbare Diskriminierung. Erst 1977 nahm der U.S. Supreme Court die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung auf und legte die Voraussetzungen für letztere fest: "[Disparate impact] involve employment practices that are facially neutral in their treatment of different groups but that in fact fall more harshly on one group than another and cannot be justified by business necessity. Proof of discriminatory intent...is not required" Y 3. Die Wards Cove Packing Co. v. Antonio-Entscheidung des V.S. Supreme Court 198913 Diese Entscheidung stellt den derzeitigen Abschluß einer knapp zwei Jahrzehnte währenden Rechtsprechung zur mittelbaren Diskriminierung dar. Sie wird von vielen als konträr zur Griggs-Entscheidung gesehen und gab deswegen Anlaß für verschiedene Gesetzgebungsinitiativen im Congress, die in dem Civil Rights Act von 1991 mündeten. 10
Das Urteil ist im Anhang auf S. 184 ff. abgedruckt.
Nach Beschwerden von weißen Arbeitnehmern, die kein entsprechendes Diplom hatten und in den am schlechtesten bezahlten Positionen arbeiteten, erachtete die Unternehmensleitung das Bestehen der Tests für ausreichend, um in eine andere Abteilung wechseln zu können. 11
12
Teamsters v. United States, 431 U.S. 324,335 n.15 (1977).
13
109 S. Ct. 2115. Die Enscheidung ist im Anhang auf S. 193 ff. abgedruckt.
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3. Teil: Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung
Wards Cove Packing Co. warein Unternelunen, das verschiedene Lachsverpackungsfabriken in entfernten Gegenden Alaskas betrieb. Die Anzahl der Beschäftigten variierte von Jahr zu Jahr, abhängig vom Lachsbestand. Die Fabriken arbeiteten nur in den Sommermonaten. Die zwei vorhandenen Ebenen von Positionen lösten den Streit aus: es gab qualifizierte Positionen, die nichts mit dem Verpacken des Fisches zu tun hatten. Sie waren fast ausschließlich von weißen Arbeitnelunern besetzt, die in den Wintermonaten in anderen Abteilungen des Unternelunens beschäftigt wurden. Die eigentlichen Verpackungsarbeiten ("unskilled jobs") verrichteten zu 52 % Phillipinos und Alaska Ureinwohner, die auch nur während der Sommermonate beschäftigt waren. Der Supreme Court wies die Ansicht der Vorinstanz zurück, daß allein die Statistiken des Klägers, die eine hohe Prozentzahl von nicht-weißen Arbeitern in den Verpackungspositionen und eine niedrige Zahl dieser Arbeitneluner in den qualifizierten Positionen auswiesen, für die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung ausreichen sollten. Vielmehr betonte der Supreme Court: "[Plaintiffs] will also have to demonstrate that the disparity they complain of is the result of one or more employment practices that they are attacking here, specifically showing that each challenged practice has a significantly disparate impact on employment opportunities ... " 14. Eine Klägerin muß also darlegen, daß die ungleiche Betroffenheit gerade wegen bestimmter Maßnahmen des Arbeitgebers entstanden war. Schließlich erlegte das Gericht der Klägerpartei auf, die diskriminierende Arbeitgebermaßnahme genau zu identifizieren und sich nicht mit der Benennung einer Gruppe von Praktiken zu begnügen. Der Rechtfertigungsstandard für den Beklagten wurde von dem Gericht dahingehend gesenkt, daß es nunmehr ausreichte, wenn die angegriffene Maßnahme "serves, in a signifant way, the legitimate employment goals ofthe employer"ls. Die Maßnahme mußte also nicht mehr, wie in Griggs v. Duke Power Company notwendig oder unabdingbar für den Geschäftsbetrieb sein und auch nicht mehr einen Bezug zu der angestrebten Position des Klägers aufweisen. Schließlich befand das Gericht, daß die Beweislast in jedem Stadium des Verfahrens beim Kläger liege. Das gelte auch für den Rechtfertigungsgrund, dessen zugrundeliegende Tatsachen der Beklagte zwar vorbringen müßte (sogen. "burden of production of evidence"), der Kläger aber weiterhin die Beweislast (sogen. "burden of persuasion") trage. Darlegungs- und Beweislast fallen hier,. 109 S.Ct. 2115,2125 (1989). H
109 S.ct. 2115,2125 (1989).
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1. In den U.S.A.
nach auseinander. Der Grund für die Beweiserleichterung auf der Beklagtenseite lag in der Sorge des Gerichtes, daß sich bei bestehender Rechtslage eher eine generelle Bevorzugung von Minderheiten durchsetzen würde, als daß sich Arbeitgeber auf kostspielige Prozesse einließen. 16 Damit erhöhte der Supreme Court die Beweislast des Klägers, während er gleichzeitig den Standard für den Beklagten senkte; er hatte sich damit weit von den Vorgaben in Griggs v. Duke Power Company entfernt. l7 4. Der Civil Rights Act von 1991
18
Über fast zwei Jahre hinweg ergingen sich der Congress und das Weiße Haus in einem langwierigen Streit über die neue Civil Rights Bill, die Title VII des Civil Rights Acts von 1964 und einige andere Gesetze im Hinblick auf "intentional and disparate impact discrimination" umfassend reformieren sollte. Die Vorsitzenden der Arbeitsrechtsausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus brachten eine Gesetzesvorlage ein, die u.a. die Beweislast zugunsten des Klägers in mittelbaren Diskriminierungsfallen ändern sollte. Präsident Bush legte sein Veto mit der Begründung ein, dies sei eine Quotenregelung, da ein Arbeitgeber sich den Konsequenzen eines Diskriminierungsprozesses nicht mehr entziehen könne, sobald die Arbeitnehmerschaft des Unternehmens nur eine irgendwie geartete Disparität aufweise, und jedes Unternehmen letztlich zu quotierten Einstellungen und Beförderungen von Minderheiten und Frauen greifen müsse. 19 Ein neuer Vorschlag wurde in der neuen Legislaturperiode unter Senator Danforth im Dezember 1990 eingebracht.
16 Belton. 64 Tu!. L. Rev. 1359,1379. Nach Ansicht einiger Autoren hatderU.S. Supreme Court sich zu Unrecht auf die Beweislastregeln der Entscheidung, Texas Department of Community Affairs v. Burdine, 450 U.S. 248 (1981) zur unmittelbaren Diskriminierung gestützt, wobei das Gericht übersehe, daß es in solchen Fällen zwei Gründe für die Regelung gebe, die bei der mittelbaren Diskriminierung gerade nicht vorhanden seien: zum einen die geringe Beweislast der Klägerpartei und zum anderen die Tatsache, daß sie eine Diskriminierungsabsicht des Beklagten nachzuweisen versucht. Vg!. auch Gould, 64 Tu!. L. Rev. 1485, 1497; Kovacic-Fleischer, 39 Am. U. L. Rev. 615, 659f. 17 Vg!. Player, 17 Fl. St. U. L. Rev. I, 14,derdaraufhinweist, daßderSupreme Court diesen neuen Standard schon 1988 in Watson v. Fort Worth Trust angedeutet hat.
18
Der Civil Rights Act von 1991 ist im Anhang auf S. 238 ff. abgedruckt.
Die Diskussion über den neuen Civil Rights Actkann hiernicht vollständig dargestellt werden, ohne den Rahmen der Arbeit zu sprengen. Sehr umstritten war u.a. die Frage, ob mit dem neuen Gesetz die oben genannte Supreme Court Entscheidung Wards Cove Packing v. Antonio aufgehoben und der Griggs-Entscheidung wieder zur Geltung verholfen würde. 19
3 Wisskirchen
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3. Teil: Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung
Es dauerte jedoch fast ein Jahr, bis Einigkeit über insbesondere die Definition der Rechtfertigung des Beklagten "business necessity" und die Rechtsfolgen der Diskriminierung erzielt wurde. Im November 1991 wurde eine Gesetzgebungsvorlage, die die bestehende Rechtsgrundlage Title VII änderte, mit folgendem Inhalt verabschiedet: 1. Eine Maßnahme des Unternehmens ist dann mittelbar diskriminierend, wenn die klagende Partei aufzeigen kann, daß der Beklagte eine bestimmte Regelung durchführt, die einen ungleichen Effekt auf eine Gruppe des gleichen Geschlechts, der gleichen Rasse, Religion oder nationaler Herkunft verursacht. 2. Kann die klagende Partei nachweisen, daß die angegriffene Unternehmenspolitik nicht einer weiteren Zerlegung in Einzelmaßnahmen zugänglich ist, so gilt die gesamte Politik als eine Maßnahme. Eine Kausalität zwischen Arbeitgebermaßnahme und Ungleichheit muß nicht nachgewiesen werden, ausreichend ist vielmehr, daß die Maßnahme dazu beigetragen hat. 20 3. Der Arbeitgeber kann zu seiner Verteidigung entweder nachweisen, daß die angegriffene Maßnahme nicht den behaupteten mittelbar diskriminierenden Effekt hat oder er kann zeigen, daß "the challenged practice is job-related for the position in question and consistent with business necessity"21. 4. Die klagende Partei vermag trotz eines Rechtfertigungsgrundes des Arbeitgebers zu obsiegen, wenn sie eine Alternativmaßnahme aufzeigen kann, die einen geringeren oder keinen mittelbar diskriminierenden Effekt in sich birgt. Der Civil Rights Act hat, indem er die Beweislast zur Rechtfertigung der mittelbar diskriminierenden Maßnahme auf den Beklagten übertrug und dem Kläger die Möglichkeit eröffnete, auch eine Gesamtmaßnahme anzugreifen, die Wards Cove Entscheidung des U .S.Supreme Courts teilweise wieder rückgängig gemacht. Die divergierenden Ansichten des Congress und des Weißen Hauses ließen eine Definition von "business necessity" nicht zu, so daß die Ausfüllung dieses Begriffs weiterhin den Gerichten überlassen bleibt. Der Civil Rights Act enthält für direkte Diskriminierung zwei in Title VII bisher nicht vorgesehene Formen des Schadensersatzes. Diskriminierte können
20 s. House Comm. on Education and Labor, Civil Rights Act of 1990, H.R.Rep. No.644, IOlst Cong.,2d Sess., Part I, S.26-27 (1990): "A complaining party may be unable to ascertain which factor or factors in that decision were responsible for a disparate impact, although the ultimate employment decision clearly has a disparate impact on qualified minorities or women." 21 Hier wurde die wörtliche Fassung gewählt, weil gerade der amerikanische Wortlaut Anlaß für viele Diskussionen gab, s. unten 5. Teil, 11. 1.
11. Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG
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nurunehr"compensatory und punitive" darnages erhalten. Compensatory darnages sollen in diesem Zusammenhang neben dem Ersatz für künftige materielle Verluste vor allem Ersatz für Schmerzen und Emotionen umfassen 22 ; punitive darnages dienen der Abschreckung und der Bestrafung. Letztere sind in dem Civil Rights Act nach Größe des Unternehmens gestaffelt bis zu einer Maximalsurnrne von $ 300,000. Civil Rights Gruppen haben angekündigt, daß sie sich sowohl für die Abschaffung des Limits, als auch für die Ausdehnung der punitive und compensatory damages auf die mittelbare Diskriminierung einsetzen werden.
11. Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG Bis vor kurzem konnte man von der Existenz eines europäischen Arbeitsrechts nicht sprechen. Für die Umschreibung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung hat der EuGH jedoch grundlegende Entscheidungen getroffen. Wohl in keinem anderen Bereich des Arbeitsrecht hat die Rechtsprechung des EuGH so entscheidend das deutsche Recht geprägt wie im Bereich des Diskriminierungsverbotes wegen des Geschlechts. 23 Die für das deutsche Recht maßgeblichen Entscheidungen des EuGH und des BAG für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung werden im folgenden kurz aufgeführt. Durch den EuGH wurden folgende Fälle entschieden: Vom britischen Employment Appeal Tribunal wurde der EuGH im Falle Jenkins g. Kingsgate angerufen und entschied arn 31.3.1981 in dieser Sache.24 Der EuGH stellte fest, daß Art. 119 EWGV grundsätzlich die Sicherstellung des gleichen Entgelts für Männer und Frauen für die gleiche Arbeit bezwecke. Allein die differenzierte Bezahlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten stelle keine Diskriminierung dar, erst durch die Tatsache, daß eine erheblich geringere Zahl von weiblichen Arbeitnehmern als männliche Beschäftigte Vollzeit arbeitete und deswegen seltener einen Anspruch auf den höheren Stundenlohn habe, stehe im Widerspruch zu Art. 119 EWGV. 22 Compensatory damages umfaßt generell auch tatsächlich erlittene Vermögensschäden, die aber hier schon vom Civil Rights Act von 1964 erfaßt wurden, vgl. Civil Rights Act von 1991, Sec. 102, Sec. 1977 A, (b)(2). 23 So auch Wißmann, OB 1991, 650; umgekehrt läßt sich feststellen, daß die europäische Rechtsangleichung im Arbeits- und Soziahecht weitgehend auf das Gebiet der Gleichbehandlung der Geschlechter beschränkt geblieben ist, vgl. Hilf/Wilms, JuS 1992,368,369 f. Oäubler, NZA 1992,577, zählt noch folgende Gebiete des Arbeitsrechts auf, die unter starkem europäischem Einfluß stehen: Wanderarbeitnehmer, Betriebsübergang, Arbeitsschutz und Massenentlassungen.
24
Rs.96/80, AP Nr. 2 zu Art. 119 EWGV.
36
3. Teil: Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung ...
Eine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Bezahlung könne vorliegen, wenn der Arbeitgeber einen Anreiz zur Vollzeitbeschäftigung geben möchte. Die Feststellung der Diskriminierung sei in Anbetracht der tatsächlichen Umstände, der Vorgeschichte und der Beweggründe des Arbeitgebers zu beurteilen. Mit dieser Entscheidung legte der EuGH den Grundstein zur Einführung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung, auch wenn er den Begriff nicht erwähnte und mit dem Kriterium der Beweggründe des Arbeitgebers noch ein subjektives Moment berücksichtigte, welches er in späteren Entscheidungen wiederholte. Auf Vorlage des BAG erging die Weber von Hartz g. Bilka-Kaufhaus Entscheidung vom 13.5.1986.2S Nach Auffassung des Gerichts stellt die Personalpolitik eines Unternehmens, welches Teilzeitbeschäftigte von der betrieblichen Altersversorgung ausschließt, eine von Art. 119 EWGV verbotene Diskriminierung dar, wenn die Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer betrifft. Eine Betriebsvereinbarung26 , die zwar Teilzeitbeschäftigten den Erwerb der Altersrente ermöglicht, diesen aber von der Voraussetzung abhängig macht, daß die Arbeitnehmerin von ununterbrochener 20-jähriger Betriebszugehörigkeit mindestens 15 Jahre vollbeschäftigt war, ist ebenfalls mittelbar diskriminierend. Die Diskriminierung ist gerechtfertigt, wenn das gewählte Mittel einem Bedürfnis des Unternehmens dient und für die Erreichung des Zieles geeignet und erforderlich ist. Das ArbG Oldenburg legte dem EuGH den Fall Rinner-Kühn g. FWW Spezialgebäudereinigung zur Entscheidung vor, die am 13.7.1987 erging?7 Danach steht § 1 III Nr.2 LFZG, welcher Teilzeitbeschäftigte von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle ausschließt, grundSätzlich im Widerspruch zu Art. 119 EWGV, es sei denn, er sei durch objektive Faktoren gerechtfertigt. Die Einlassung der Bundesregierung, Teilzeitbeschäftigte seien weniger in den Betrieb eingegliedert und mit ihm verbunden, stelle kein objektives Kriterium zur Rechtfertigung der Unterscheidung dar. Vielmehr könne ein solcher Grund in dem Umstand gesehen werden, daß das Gesetz einem notwendigen Ziel der Sozialpoltik diene und zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich sei. 28 25
Rs. 170/84, AP Nr. 10 zu An. 119 EWGV.
26
So 1973 bei dem Bilka- Unternehmen eingeführt.
27 Rs.171/88, NZA 1990,437. Das ArbG Oldenburg, Un. v. 14. 12. 1989, EWiR 1990, 181 und ihm folgend das LAG Köln, Un. v. 31. l. 1991, EWiR 1991,705, verwarfen schon vordem BAG die in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe für den Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten. Nach Ansicht von Plagemann, EWiR 1990, 181, 182 und Däubler, EWiR 1991,705,706 war damit das Schicksal des § I m Nr. 2 LFZG besiegelt, ohne daß es einer Aufhebung durch das BVerfG bedurfte.
28 Das BAG ist in einem späteren Urteil mit ähnlichem Sachverhalt der Auffassung des EuGH gefolgt und hat § I IU Nr.2 LFZG für unanwendbar erklärt, Urt. v. 9.10.1991, NZA 1992,259.
11. Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG
37
Die Urteile Kowalska g. Freie und Hansestadt Hamburg vom 27.6.199029 und Nimz g. Freie und Hansestadt Hamburg des EuGH am 7.2.199po befaßten sich ebenfalls mit mittelbar diskriminierenden Regelungen. Dort sah der EuGH Regelungen des BAT, nach denen Teilzeitbeschäftigte von der Zahlung eines Übergangsgeldes beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ausgenommen wurden und doppelt solange auf den Aufstieg in die nächst höhere Vergütungsgruppe warten mußten, als mittelbar diskriminierend und unvereinbar mit Art. 119 EWGV an. In letzterer Entscheidung weist der EuGH das Argument der größeren Erfahrung von Vollzeitbeschäftigten gegenüberTeilzeitbeschäftigten als zu pauschal zurück und verlangt eine konkrete Einzelfallprüfung. Aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts dürften die Gerichte nicht die Neuregelungen der nunmehr unwirksamen Tarifvertragsnorrnen durch die Tarifparteien abwarten, sondern seien verpflichtet, der benachteiligten Gruppe denselben Anspruch wie der bisher begünstigten Gruppe zu gewähren. Bemerkenswert ist, daß der EuGH die mittelbare Diskriminierung einerseits nur im Zusammenhang mit Voll- und Teilzeitbeschäftigten und andererseits wegen der alleinigen Bezugnahme auf Art. 119 EWGV - nur hinsichtlich Lohndifferenzierungen anspricht. Der Anwendungsbereich des Verbotes ist nach dieser Rechtsprechung noch relativ eng und hinsichtlich der Disparität zwischen den Geschlechtern einfach zu bestimmen. Durch das BAG ergingen folgende Urteile 3l : Auf der Grundlage des durch den EuGH ergangenen Urteils Weber von Hartz g. Bilka übernahm das BAG am 14.10. 1986 die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Verbot der mittelbaren Diskriminierung32 hinsichtlich des Ausschlusses von Teilzeitbeschäftigten von der betrieblichen Altersversorgung. Teilzeitbeschäftigte müßten in das Versorgungswerk miteinbezogen werden und zwar sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. Dem Arbeitgeber stehe es für die Zukunft frei, eine neue Betriebsvereinbarung wegen der anfallenden Kosten anzustreben. Rückwirkend gelte jedoch die alte Versorgungsordnung als Maßstab. 29 RS.C33/89,NZA 1990,771. Vgl. auch LAG Düsse1dorf, Urteil v. 13.2. 1992,NZA 1993,227, das den in § 62 I, m Nr. 2b BAT enthaltenen Ausschluß der Teiizeitbeschäftigten von dem Bezug des Übergangsgeldes als einen Verstoß gegen § 2 I BeschFG, Art. 3 I GG sah. 30
Rs. C 184/89, NJW 1991,2207.
31
s. auch die Übersicht von Hunold, DB 1991, 1670.
AP Nr. 11 zu Art. 119 EWG V. Es handelt sich hierbei um das zweite Revisionsverfahren im Bilka-Prozeß, nachdem das BAG im ersten Revisionsverfahren festgestellt hatte, daß eine Benachteiligung von Teiizeitbeschäftigten, die nur mit der schlechteren Arbeitsmarktsituation von Frauen zusammenhänge, gegen Art.3 II GG verstoße und die Sache an das LAG zurückverwies. 32
38
3. Teil: Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung ...
Gegen dieses Revisionsurteillegte Bilka Verfassungsbeschwerde ein, die das BVerfG mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen hat. 33 Am 25.9.1991 erging das Urteil, wonach es den Bewährungsaufstieg im öffentlichen Dienst als nicht mit § 2 BeschFG vereinbar befand und damit indirekt seine frühere Rechtsprechung34 aufgab, die noch die doppelte Zeit zum Bewährungsaufstieg für Teilzeitbeschäftigte für gerechtfertigt ansah. Mit Urteil vom 2.12.1992 bestätigte das BAG im Anschluß an die Nimz-Entscheidung des EuGH seine Rechtsprechung und erklärte § 23a S.2 Nr.6 BAT, wonach bei Teilzeitbeschäftigten die Beschäftigungszeit auf die Bewährung nur zur Hälfte anzurechnen sei, als mittelbar diskriminierend. 3s Schließlich fällte das BAG das Urteil vom 14.3.1989, wonach eine betriebliche Altersversorgung, die Teilzeitbeschäftigten und in befristeten Arbeitsverhältnissen Tätigen keinen Anspruch gewährte, mittelbar diskriminierend ist. 36 Dem EuGH folgend hat das BAG nachstehende Kriterien für das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung aufgestellt: - Der objektive Tatbestand liegt vor, wenn durch eine geschlechtsunspezifische, d.h. neutrale Regelung wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen sind und diese ungleiche Wirkung gerade auf dem Geschlecht beruht. - Eine solche Regelung oder Maßnahme ist jedoch gerechtfertigt, wenn sie einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmers dient und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist. - Eine Diskriminierungsabsicht ist nicht erforderlich. Die vom EuGH und BAG entwickelten Kriterien sind ersichtlich an die vom U .S. Supreme Court entworfenen Grundsätze angelehnt. Die mittelbare Diskriminierung in den U .S.A. wurde jedoch nur im Bereich von Individualmaßnahmen, nämlich Auswahl, Einstellung und Beförderung untersucht. Es gibt sogar ausdrücklich Stimmen in der amerikanischen Literatur, die das disparate-impact Modell auf reine" selection practices " beschränken wollen. 37 Diesem Anwendungsunterschied scheinen die europäischen Gerichte keine Bedeutung beigemessen zu haben. 33
I BvR496/87,DB 1992,2511,NZA 1993,213.
34
Urteil v. 14.9. 1988, AP Nr. 24 zu § 23a BAT.
3'
DB 1992,2557.
NZA 1990,25; s. dazu auch die ausführliche Besprechung von Steinmeyer, EzA § 1 BetrA VG Gleichberechtigung Nr.6. 36
37
Vgl. McDowell, "Disparate Impact", S.67.
ß. Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG
39
Ebensowenig wurden von den Gerichten diesseits des Atlantiks Folgeprobleme der aufgestellten Voraussetzungen oder die Übertragbarkeit auf andere Bereiche der mittelbaren Diskriminierung erörtert. Trotz der richterlichen Bindung an den konkreten Fall wäre es wünschenswert gewesen, wenn der EuGH bei Einführung dieses neuen, dem europäischen Recht bisher nicht bekannten Rechtsinstituts präzisere Ausführungen zu Tatbestand, Rechtfertigung und Rechtsfolgen des Verbotes gemacht hätte. Es gibt Anlaß zu Zweifeln, daß das BAG und der EuGH den Anspruch erheben, allgemeingültige Voraussetzungen für das Vorliegen einer mittelbaren Diskrimi nierung gefunden zu haben, obwohl sie sich in ihren vergleichsweise wenigen Entscheidungen bisher ausschließlich mit Teilzeitbeschäftigten und Tarifverträgen auseinandergesetzt haben.
Vierter Teil
Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung I. Erklärungsansätze Weder der EuGH, noch das BAG haben Hinweise darauf gegeben, warum für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung ein Bedürfnis besteht. Die gerichtlichen Ausführungen erschöpfen sich darin, die Voraussetzungen der mittelbaren Diskriminierung vage zu skizzieren. Es bedarf keiner Erläuterung, warum Geschlechtsdiskriminierung generell verboten ist. Dennoch ist es zur Begründung eines neuen Rechtsinstitutes wie dem der mittelbaren Diskriminierung notwendig, Erklärungsansätze zu finden.· Bieten sich hinreichenden Erklärungen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung, so ist zu untersuchen, auf welche Rechtsgrundlagen es sich im europäischen und deutschen Recht stützen kann. Soweit die Rechtsgrundlagen nicht oder nicht ausreichend sind, sollen Ansätze für eine Kodifizierung des Verbots entwickelt werden. 1. Beweiserleichterung Besonders in den U.S.A. wurde das Verbot der mittelbaren Diskriminierung eingeführt, um Arbeitgeber davon abzuhalten, neutrale Regelungen als Vorwand und Deckmantel für eine Diskriminierung zu benutzen.2 Diese Situation trat häufig in den U.S.A. in den 70er Jahren auf, als Unternehmen ihre bisher offene diskriminierende Politik gegenüber Minoritäten nunmehr durch neutrale Maßnahmen kaschierten, an ihrer fortbestehenden Diskriminierungsabsicht aber nicht zu zweifeln war. Ein solcher Fall lag z.B. bei der Duke Power Company
1 Vgl. zur amerikanischen Dogmatik, Blumenrosen, 71 Mich. L. Rev. 59,71 ff., der das Verbot im Deliktsrecht, in den Grundrechten und in dem Wortlaut des Title Vll, der alle Formen der
Diskriminierung zu erfassen sucht, begründet sieht. 2
So Rutherglen, 73 Va. L. Rev. 1297,1298, 1315.
I. Erklärungsansätze
41
vor. 3 Durch das Verbot auch der mittelbaren Diskriminierung mußte die klagende Partei nun nicht mehr die Diskriminierungsabsicht beweisen, was sich oft als schwierig erwies. Sie konnte sich allein auf objektive Daten stützen. Insofern brachte die Entdeckung der mittelbaren Diskriminierung Klägern auch eine Beweiserleichterung.4 In der Bundesrepublik scheint diese Erklärung für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung von Frauen, soweit es sich um mittelbar diskriminierende Normen in Tarifverträgen handelt, nicht zu passen. Eine durch neutrale Regelung kaschierte Diskriminierungsabsicht ist den Tarifvertragsparteien Ld.R. nicht zu unterstellen, eher Nichtwissen um die Folgen einer Regelung. Bei Individualmaßnahmen mag es entsprechende Fälle der versteckten Diskriminierung, die gleichzeitig die Voraussetzungen der mittelbaren Diskriminierung erfüllt, geben. Dann wird es für eine Klägerin regelmäßig einfacher sein, einen Verstoß der mittelbaren Diskriminierung nachzuweisen, nämlich die unterschiedliche Betroffenheit der Geschlechter, als eine Diskriminierungsabsicht, die für die unmittelbare Diskriminierung Voraussetzung ist. Dieser Vorteil begründet ein Bedürfnis nach dem Verbots der mittelbaren Diskriminierung.
2. Perpetuierung und Zukunftsorientierung Der Perpetuierungsgedanke erscheint auch als ein denkbarer Erklärungsansatz.
Am Anfang stand die Wertentscheidung des (Grund-)Gesetzgebers, daß Frauen
die gleichen Chancen wie Männer auf dem Arbeitsmarkt haben sollten. Während es kein allgemeines Diskriminierungsverbot gibtS, sollte zumindest das Geschlecht keinen Anknüpfungspunkt für eine Benachteiligung darstellen.
Mittelbare Diskriminierung perpetuiert, wie die unmittelbare Diskriminierung, die Unterrepräsentation von Frauen in der Arbeitswelt, da sie in der Regel an soziale Umstände anknüpft, die das Ergebnis von Diskriminierung in der Vergangheit sind. Frauen, die an sich geeignet sind für eine bestimmte Position, wird durch eine mittelbar diskriminierende Regelung, die nicht gerechtfertigt ist, der Zugang verwehrt. Durch die Ahndung der mittelbaren Diskriminierung
3
401 V.S. 424 (1971).
• Vgl. Rutherglen, 73 Va. L. Rev. 1297, 1298. S Auch Title VII des Civil Rights Act verbietet nur bestimmte Kategorien, auf die eine Entscheidung im Arbeitsleben nicht basieren darf; der amerikanische Congress hat diese Kategorien zunehmend ausgeweitet, vgl. Schulman/Abemathy, The Law ofEqual Employment Opportunity, § 1.01(1).
42
4. Teil: Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung
werden zwar Frauen nicht sofort entsprechend ihrer Zahl oder Fähigkeiten eingesetzt werden, aber das Verbot bewirkt zumindest die Beendigung von vergangener Diskriminierung. Der Perpetuierungsgedanke paßt jedoch nicht zu allen Fällen der mittelbaren Diskriminierung. Bei mittelbar diskriminierenden Kriterien, wie Größe und Gewicht, ist der ungleiche Effekt nicht auf vergangene Diskriminierung zurückzuführen, sondern kann in immer vorhandenen Gegebenheiten liegen. Zum anderen vermag der Perpetuierungsgedanke nicht hinreichend zu erklären, warum ausschließlich der "perpetuierende" Diskriminierer haftet und nicht derjenige, der die Ungleichheit ursprünglich ausgelöst hat. 6 Dagegen läßt sich einwenden, daß auch vergangene Diskriminierung geahndet werden kann und nicht durch die Haftung des daran anknüpfenden mittelbaren Diskrimierers ausgeschlossen ist. Der mittelbare Diskriminierer begeht eigenes Unrecht, wenn er vergangene Benachteiligungen fortsetzt und vertieft. Gleichzeitig werden durch das Verbot Arbeitgeber angehalten, ihre Maßnahmen darauf hin zu untersuchen, ob sie eine ungleiche Betroffenheit bei Arbeitnehrnergruppen auslösen. Das langfristige Ergebnis wird dann ebenfalls in der repräsentativen Vertretung der Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt liegen.? Allmählich wird das Verbot von mittelbarer Diskriminierung eine gleichmäßigere Repräsentation von benachteiligten Gruppen nach sich ziehen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß ein Verbot von mittelbarer Diskriminierung zu Quotenregelungen für Frauen führt, wie in den U.S.A. vielfach befürchtet wird. Geht man von der aristotelischen Unterscheidung der austeilenden und der ausgleichenden Gerechtigkeit aus, so ist das Verbot der mittelbaren Diskriminierung der letzteren Kategorie zuzuordnen. 8 Das Institut schafft also keine Kompensation für vergangene Ungerechtigkeiten oder Rechtsansprüche auf Leistungen, die nicht schon ohnehin bestehen. 9 Insofern werden nur gleiche
6
So Willborn, 34 Am. U. L. Rev. 799, 809.
7
Vgl. Rutherlen, 73 Va. L. Rev. 1298, 1314.
a Anders Blomeyer, FS Müller, 5.53; ihm folgend: Kyriazis, Die Sozialpolitik der EWG, 5.86,
wonach das Verbot eine redistributive Funktion im Sinne der austeilenden Gerechtigkeit habe.
• So zwar auch PfarrIBertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, Rn. 232, wonach das Verbot nicht dazu dient, außerhalb des Erwerbslebens faktische SchlechtersteIlungen der Frauen auszugleichen; dies. in: Diskriminierung im Erwerbsleben, 5.120, im Anschluß an Wank, RdA 1985, 1,21, der Arbeitgeber sei nicht dazu verpflichtet, allgemeingesellschaftliche DefIzite auszugleichen. Sie heben diese Einschränkung aber wieder auf, indem sie das Verbot damit umschreiben, daß dem Arbeitgeber verboten ist, "außerhalb und in anderen Bereichen des Erwerbslebens gegebene Ungleichheiten oder Ungleichbehandlungen der Geschlechter in das einzelne Arbeitsverhältnis" umzusetzen.
I. Erklärungsansätze
43
Ausgangsbedingungen für Frauen und Männer geschaffen, die vorher nicht gegeben waren. 3. Gleiche Wirkung der Diskriminierungsarten Aus der Perspektive von diskrimierten Arbeitnehmern ist das Verbot nur ein folgerichtiger Schritt aus dem Gebot der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung, da sich die unmittelbare Diskriminierung in ihren benachteiligenden Auswirkungen für die Arbeitnehmerin nicht von der mittelbaren Diskriminierung unterscheidet. 10 4. Systembekämpfung Von einigen amerikanischen Autoren wird die mittelbare Diskriminierung auch "systemic discrimination" genannt. Darin liegt eine wichtige Aussage, die eine weitere Erklärung für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung bietet. Das Verbot gibt Gerichten eine Handhabe, ein System zu ändern und nicht lediglich vergangene Handlungen einzelner Personen zu untersagen und Individuen zu entschädigen. Damit vermag langfristig die Gleichberechtigung der Geschlechter effektiver durchgesetzt zu werden, als dies bisher bei der Ahndung unmittelbarer Diskriminierung möglich war. Durch Veränderung des Systems wiederum erlangt nicht nur die Klägerin einen Vorteil, sondern gleichzeitig die gesamte betroffene Gruppe. 5. Teilhaberecht Ein rein gruppenbezogener Ansatz wäre die Erklärung, daß Frauen als Gruppe einen Anspruch auf Teilhabe am ökonomischen "Kuchen" haben ll und dieser Anspruch gerade durch mittelbare Diskriminierung vereitelt werde. Dieser Ansatz könnte dazu verleiten, aus dem Verbot die Legitimation für Quotenregelungen zu ziehen. Dies gilt nur dann, wenn der Teilhabeanspruch auf Neuverteilung von Jobs und Vermögen gerichtet wäre. Dies könnte nur auf
10 Iustice O'Connorhat diesen Ansatz in Watson v. Ft. Worth Bank 108 S.Ct. 2777, 2786, 2787 (1988) deutlich gemacht: "If an employer's undisciplined system of subjective decisionmaking has precisely the same effects as a system pervaded by impermissible intentional discrimination, it is difficult to see why Title vn's proscription against discriminatory actions should not apply." 11
Vgl. Chandler, 46 U. Chi. L. Rev. 911,921 - 925 für das amerikanische Recht.
44
4. Teil: Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung
Kosten der bisher bevorzugten Gruppe geschehen. Aufgrund der Zukunftsgerichtetheit des Verbotes der mittelbaren Diskriminierung vermittelt seine Durchsetzung jedoch regelmäßig zunächst nur eine Umverteilung von Chancen auf dem Arbeitsmarkt in dem Sinne, daß eine Chancengleichheit erreicht wird. 12 Die Umverteilung von Arbeit und Vermögen und damit ein gleicher Anteil am ökonomischen "Kuchen" stellt sich dann vielfach als Folge davon ein. Ein Gruppenanspruch auf die gerechte Verteilung zumindest von Arbeitsmarktchancen entspricht dem demokratischen Prinzip der Chancengleichheit. 6. Unbeachtlichkeit funktionaler Unterschiede
Das BVerfG hat in seinem Urteil zum nordrhein-westfälischen Hausarbeitstag l3 die funktionalen Unterschiede der Geschlechter als zulässiges Differenzierungskriterium verworfen. Herkömmliche Vorstellungen über die Rollenverteilung der Geschlechter seien für Art.3 GG unmaßgeblich. Mittelbare Diskriminierung knüpft typischerweise an funktionale Unterschiede der Geschlechter an. Die funktionalen Unterschiede bergen an sich schon regelmäßig einen Nachteil für Frauen. Wenn nach Auffassung des BVerfG diese offensichtlichen Nachteile durch den Normgeber nicht mehr kompensiert werden dürfen, dann muß zumindest verhindert werden, daß solche Nachteile weitere negative Folgen haben. Dieses Ziel erreicht das Verbot einer mittelbaren Diskriminierung. Diese Erklärungsansätze machen das Bedürfnis für das Verbot gerade auch der mittelbaren Diskriminierung deutlich.
11. Rechtsgrundlagen 1. In den U.S.A. a) Due Process und Equal Protection Clause in der Verfassung
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist nicht ausdrücklich in der amerikanischen Verfassung verankert. Die Due Process Clause im 5. Amendment
12
Vgl. Caldwell, 46 U. Pitt. L. Rev. 555,576.
13
BVerfGE 52, 369.
ll. Rechtsgrundlagen
45
und die Equal Protection Clause im 14. Amendment der amerikanischen Verfassung garantieren das Recht auf ein korrektes Gerichtsverfahren und die gleichen Rechte für jeden. 14 Für Klagen wegen Diskriminierung, die sich auf die Verfassung stützten, wurden diese beiden Bestimmungen am häufigsten herangezogen. Die amerikanische Verfasssung ist abernur für "state action" anwendbar, Klagen gegen private Arbeitgeber können nicht auf sie gestützt werden. Nur Arbeitnehmerinnen, die in einem Beschäftigungsverhältnis zum Staat stehen, könnten sich daraufberufen. Doch bestehen auch dann in der Regel einige Hindernisse, die die Anwendbarkeit der Verfassungsnormen stark einschränken. Der Supreme Court hat sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen, die für Title VII geltenden Grundsätze zur mittelbaren Diskriminierung auch im Bereich des Verfassungsrechts anzuwenden. 15 Eine Verletzung der Equal-protection-clause erfordere zunächst die Feststellung einer Diskriminierungsabsicht. Dafür reiche nicht aus, wenn der Gesetzgeber eine Regelung erlasse, um deren nachteilige Wirkung auf Frauen er wisse; vielmehr müsse er dieses wegen der benachteiligenden Wirkung tun. 16 Diese Auffassung führt dazu, daß mittelbar diskriminierende Gesetze nicht angegriffen werden können. Die Tarifvertragsparteien üben keine legislative Funktion aus: sie sind deswegen nicht an entsprechende Bestimmungen in der amerikanischen Verfassung gebunden. Den Gewerkschaften obliegt lediglich die "duty offair representation", d.h. ihre Vertreter bei den Tarifverhandlungen sind verpflichtet, die Interessen aller Mitglieder ohne Diskriminierungsabsichten zu berücksichtigen. 17 Diese Verpflichtung ist das Korrelat zum exklusiven Vertretungsrecht bei Tarifverhandlungen. IR Die Verfassung bietet also den Klägerinnen in der Regel keine Grundlage, um sich gegen Diskriminierung zu wehren. Die durch die Griggs-Entscheidung weitgefaßte Interpretation von Title VII vermag teilweise den Mangel an einem Gleichberechtigungssatz in der Verfassung auszugleichen. Unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzverteilung zwischen Judikativen und Legislativen erscheint es auch sinnvoller, Individuen Rechte auch aus einfachen Gesetzen zu gewähren. In den U.S.A. bedeutet dies, daß in erster Linie dem Bundes- und Staatengesetzgeber die Aufgabe zufällt, Antidiskriminierungspolitik zu betrei14 Die Due Process Clause besagt: "No person shall be deprived oflife, liberty or property without due process oflaw." Die Equal Protection Clause besagt: " ... nor shall any State deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws." IS
In: Washington v. Davis, 426 V.S. 229,238 (1976).
16
Vgl. Personell Administrator of Massachusetts v. Feeny, 442 V.S. 256 (1979).
17
Vgl. 66 West's Federal Practice Digest, 3rd, 219, m.w.N.
18
Vgl. Dycus v. N.L.R.B., 615 F.2nd 820.
46
4. Teil: Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung
ben, und daß diese Verantwortung nicht auf den die Verfassung interpretierenden Supreme Court abgewälzt wird. Amerikanische Gerichte haben sich schon immer leichter damit getan, einfach-gesetzliche Normen extensiv zu interpretieren als Verfassungsrechte "zu kreieren", d.h. aus weitgefaßten Verfassungsartikeln subjektive Rechte herzuleiten. Die Griggs-Entscheidung hat dies durch eine extensive Interpretation des Title VII unterstützt. 19
b) Federal Law Kern der Antidiskriminierungsgesetzgebung ist Title VII des Civil Rights Act von 1964. 20 Er verbietet jegliche Diskriminierung im Arbeitsverhältnis aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht und Herkunft. Seetion 703(a)(1) des Title VII verbietet jedem Arbeitgeber "to disciriminate against any individual with respect to his compensation, terms, conditions, or privileges of employment, because of such individual's ... sex.,,21 Diese Vorschrift verbietet nach der Rechtsprechung lediglich die unmittelbare Diskriminierung. Ein ausdrückliches Verbot der mittelbaren Diskriminierung besteht nicht, aber Seetion 703 (a)(2) des Title VII bietet durch folgende Passage eine hinreichende Grundlage für eine entsprechende Interpretation: " It shall be unlawful for an employer...to ... adversely affect...his status as an employee, because of such individual's race, color, religion, sex or national origin."22 Nach Auffassung des U.S. Supreme Court umschreibt dieser Paragraph das Verbot, Beschäftigungschancen zu nehmen oder einzuschränken. Durch die mittelbare Diskriminierung werden gerade künstliche Barrieren aufgestellt, die gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt verhindern. 23 Title VII selbst macht also den Gerichten zur Aufgabe, ihr Augenmerk verstärkt auf die Konsequenzen einer möglicherweise diskriminierenden Maßnahme zu richten. Weil manchmal nicht das weibliche Geschlecht an sich, sondern nur Frauen betreffende Umstände der Anknüpfungspunkt für eine nachteilige Regelung sind, hat der Congress 1978 dem Title VII das Pregnancy Discrimination 19
Vgl. Blumrosen, 71 Mich. L. Rev. 59, 63.
20
42 U.S.C. §§ 2000 e - 2000 e-15 (1970).
21
42 U.S. Section 2000e-2(a)(1) (1982).
42 U.S.C. Section 2000e-2(a)(2) (1970).Der Begriff" adverse impact/affect" wird heutzutage synonym zu "disparate impact" verwendet, s. nur Schlei/Grossman, Employment Discrimination Law, und Five-year Cumulative Supplement. 22
23 Zur Unterscheidung von Section 703 (a)(1) zu Section 703 (a)(2) und zur Betonung von "employment opportunities" im Zusammenhang mit der mittelbaren Diskriminierung, s. Teal v. Connecticut, 457 U.S. 440, 448 - 451 (1982).
ß. Rechtsgrundlagen
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Amendment hinzugefügt. Danach umfaßt der Begriff "wegen des Geschlechts" auch Schwangerschaft, die Geburt und andere damit verwandte medizinische Umstände. 24 Adressaten der Norm sind alle Arbeitgeber, inklusive der Gewerkschaften, der öffentlichen Arbeitgeber und Arbeitsvermittlungsstellen. Lediglich Arbeitgeber mit weniger als 15 Arbeitnehmern werden von ihrem Geltungsbereich ausgenommen. Der Equal Pay Act von 1963 legt die Lohngleichheit der Geschlechter für gleiche Arbeit fest. Die Executive Order 11.246 verbietet allen Unternehmen, die von der Bundesregierung Aufträge mit einem Volumen von mindestens $ 10,000 erhalten, die Geschlechtsdiskriminierung und legt ihnen ein affirmative action program auf, um sicherzustellen, daß Einstellungen ohne Ansehung des Geschlechtes erfolgen. 25 c) Uniform Guide/ines in Employee Selection Procedure
Amerikanische Unternehmen benutzen eine Vielfalt von Tests bei der Einstellung, Beförderung und anderen unternehmerischen Entscheidungen, um die Auswahl der Bewerber zu erleichtern. Wegen ihrer Verbreitung und ihres Einflusses auf Entscheidungen, die den einzelnen Arbeitnehmer betreffen, ist es besonders wichtig, daß sie keine diskriminierende Wirkung haben. Deswegen wurden 1978 von der Equal Employment Opportunity Commission (E.E.O.C.), der Civil Service Commission sowie dem Arbeits- und dem lustizministerium die Uniform Guidelines in Employee Selection Procedure26 erlassen. 27 Der Congress gab der E.E.O.C. keine Gewalt zur Durchsetzung der AntiDiskriminierungsgesetze oder ein Auslegungsmonopol derselben. Von ihrer Rechtsnatur sind also Richtlinien nur "interpretive", nicht "legally binding" und sie gelten offiziell nur für den behördeninternen Gebrauch. Aufgrund ihrer Detailliertheit und der in ihnen sichtbar werdenden Erfahrung der E.E.O.C.
24
U.S.C. Section 2000e(k) (1982).
2S
s. genauer dazu unten 6. Teil, ß. 1. b).
26
29 C.F.R. § 1607.
Bis dahin hatte jede Behörde ihre eigenen Richtlinien, weil sich ihre Kompetenzen überschnitten und der private und der öffentliche Sektor unterschiedlich behandelt wurden. Das führte jedoch zu Unstimmigkeiten und Arbeitgeber erhielten oft gegensätzliche Verhaltensanweisungen, s. Connolly, Use of Statistics, § 8.01[2]. 27
48
4. Teil: Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung
haben sie aber in der Rechtspraxis eine große Bedeutung. 28 Gesetze sind in den U.S.A. oft in ihrer Terminologie recht vage; deshalb geben die sogenannten Federal Agencies, also Bundesämter mit bestimmten Aufgaben, anschließend interpretierende Richtlinien heraus. Die Uniform Guidelines erfordern, daß jeder Test oder sonstiges Auswahlverfahren durch ausgefeilte statistische Methoden daraufhin untersucht wird, ob er bzw. es der Voraussage der "job-performance" dient. Das bedeutet, daß nur solche Qualifikationen und Eigenschaften des Arbeitnehmers geprüft werden sollen, die gerade für die infrage stehende Position von Bedeutung sind. Die Richtlinien suchen vornehmlich den mittelbar diskriminierenden Charakter von Auswahlpraktiken zu unterbinden. 29 Erweist sich eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, die nicht gerechtfertigte Maßnahme zu unterlassen oder dahingehend zu ändern, daß sie die bis dahin betroffene Gruppe nicht mehr benachteiligt. Die Richtlinien beinhalten zwei "Faustregeln". Die erste besagt, daß eine Vermutung für eine mittelbar diskriminierende Maßnahme besteht, wenn die Auswablquote einer betroffenen Gruppe nur 4/5 der Anzahl der Einstellungen der bevorzugten Gruppe, im der Regel weiße Männer, darstellt. Unter Berücksichtigung jeweils der Anzahl von Männern und Frauen, die sich beworben haben, müssen also mindestens 80% der Frauen im Verhältnis zu den eingestellten Männern angenommen werden, damit die Vermutung nicht greift. Als zweites ist zu beachten, daß einzelne Auswahlkriterien innerhalb dieses Entscheidungsprozesses nicht auf ihre mittelbar diskriminierende Wirkung untersucht werden, wenn die Unternehmenspolitik hinsichtlich Einstellung oder Beförderung im Ergebnis keine Ungleichheit zeigt. Dieser sogenannte "bottom line" Ansatz erfährt aber einige wichtige Ausnahmen, auf die später eingegangen wird. Festzuhalten ist, daß diese in den Richtlinien angegebenen Maßstäbe nur eine Richtschnur darstellen, wann Auswahlverfahren i.d.R. einen mittelbar diskriminierenden Effekt haben. Amerikanische Gerichte haben die Vorgaben vielfach geändert und verfeinert.
28 Der U.S. Supreme Court bezieht sich z.B. in seiner ersten Entscheidung zur mittelbaren Diskriminierung ausdrücklich auf die E.E.O.C. Guidelines, die das Rechtsinstitut schon vorher anerkannt hatten, s. Griggs v. Duke Power Co., 433 U.S. 424,433 n.9; vgl. Blurnrosen, 63 Chi.-Kent L. Rev. I, 15 -17 (1987).
2. 29 C.F.R. § 1607.3 A.
ß. Rechtsgrundlagen
49
d) State Law
Schließlich weisen praktisch alle Bundesstaaten (Ausnahme: Alabama, Arkansas) Employment Discrimination und Equal Employment Laws30 auf. Etwa 15 Staaten haben sogar Antidiskriminierungsvorschriften in ihre Verfassungen aufgenommen. Sie spielen aber für Diskriminierungsfälle keine entscheidende Rolle. 31
2. Im europäischen Gemeinschaftsrecht Die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen ist in Art. 119 EWG, sowie in fünf EG-Richtlinien verankert. 32 Unterstützend wurden bisher drei Aktionsprogramme von der Kommission33 ins Leben gerufen. Bis auf Art. 2 I in der EG-Richtlinie 76/207 wird die mittelbare Diskriminierung aber nicht genannt. Eine intensive Rechtsprechung des EuGH in diesem Bereich hat zu einem hohen Verpflichtungs grad der Mitgliedsstaaten geführt und einen entscheidenden Beitrag gerade zur Durchsetzung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung auf nationaler Ebene geleistet. a) Art. 119 EWGV
Art. 119 EWGV nonniert nur den Grundsatz der Lohngleichheit, wobei sich der Wortlaut an den Text der Equality of Renumeration Convention der International Labor Organization anlehnt. 34 Im 3. Defrenne-Urteil35 stellte der EuGH 30
Vgl. Kheel, Labor Law, Vol.lO, Chapter 58.
31
Vgl. Larson/Larson, Employment Discrimination, Chapter 2.
32 Neben den unten aufgeführten Richtlinien handelt es sich um die Richtlinie des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der GIeichbehandlung von Männem und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, 79/9 EWG v. 19.12.1978; zur Verwirklichung dieses Grundsatzes bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, 86/378 EWG v. 24.7.1986; und zur Verwirklichung des Grundsatzes bei Männem und Frauen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, 86/613 EWG v. 11.12.1986. 33 Erstes Aktionsprogramm 1982-1985, KOM (81) 758 endg. v. 9.12.81; Zweites Aktionsprogramm 1986-1990, KOM (85) 801 endg. v. 9.12.85; Drittes Aktionsprogrammv. 1991-1995, KOM (90) 449 endg. v. 6.11.1990. 34 Nr.lOO vom 29.7.1951, 165 V.N.T.S. 303, vgl. Common Market Reporter § 3941-3942, BGBI.ß 19565.24; während das Übereinkommen auch gleichwertige Arbeit umfaßt, bezieht sich Art.119 EWG V nur auf gleiche Arbeit. 35
EuGH v. 15.6.1978, Sig. 1978, 1365.
4 Wisskirchen
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4. Teil: Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung
fest, daß die Nonn keiner darüberhinausgehenden Interpretation zugänglich ist und sich insofern nur auf Fragen, die in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Lohn stehen, bezieht. 36 Dem Wortlaut nach verpflichtet die Nonn nur die Mitgliedstaaten, den Grundsatz umzusetzen. Der EuGH hat aber sowohl die vertikale als auch die horizontale subjektive Wirkung des Art. 119 EWGV im 2. Defrenne-Urteil bejaht. Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich also auch um eine privatrechts gestaltende Nonn im Individualrechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Damit begründet die Nonn ein subjektives Recht des Arbeitnehmers gegen seinen privaten oder öffentlichen Arbeitgeber auf Gleichbehandlung beim Entgelt.3? Es ist damit zu einem echten Gemeinschafts grundrecht geworden. Einschränkend fügte das Gericht hinzu, daß diese unmittelbare Anwendung des Art. 119 EWGV nur bei "direkten, offenen" Diskriminierungen, nicht bei solchen mittelbarer Art gelte. Dabei ging der EuGH von der Vorstellung aus, "unmittelbare, offene" Diskriminierungen ließen sich einfach anhand der Merkmale gleiche Arbeit und gleiches Entgelt feststellen, wohingegen "mittelbare, versteckte" Diskriminierungen zunächst Durchführungsvorschriften bedürften.38 In der Erkenntnis, daß die Bildung der Begriffspaare unkorrekt war3 9 , stellte der EuGH in Jenkins g. Kingsgate fest: "Soweit das innerstaatliche Gericht anband der Merkmale gleiche Arbeit und gleiches Entgelt, ohne auf gemeinschaftsrechtliche oder nationale Maßnahmen angewiesen zu sein, feststellen kann, daß die Gewährung eines geringeren Stundenlohnes für Teilzeitarbeit als für Vollzeitarbeit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, ist Art.119 EWG-Vertrag auf eine Sachlage unmittelbar anwendbar."4O Diese unmittelbare Wirkung des Art. 119 EWGV gilt zwar nunmehr auch für mittelbare Diskriminierung, bleibt aber auf eindeutige Fälle im Bereich der Teilzeitbeschäftigung beschränkt.
36 EuGH, Sig. 1978,1365; Schaub, NZA 1984,74; Nicolaysen, EuR 1984,380,381. Der Entgeltbegriff wird jedoch vom EuGH extensiv ausgelegt und umfaßt die betriebliche Altersversorgung, Übergangsgelder beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bis zu vergünstigten Bahnfahrkarten im Ruhestand. Vgl. zum Lohnbegriff ausführlich Ellis, E.C. Sex Equality Law, p. 42 et seq. 37
EuGH, Urteil v. 8.4.1976 (Defrenne II), Sig. 1976,455; BB 1976, 841.
3. So EuGH, a.a.O.,S. 473, s.auch EuGH v. 27.3.1980, Rs. I 29n9, Marcarthy's Ltd. g. Wendy Smith, Sig. 1980,1275,1287. 3.
s. Schlußanträge von Generalanwalt Warner in Jenkins und Worringham.
40 So der Leitsatz in Jenkins g. Kingsgate, Urteil v. 31.3.1981, Rs 96/80, AP Nr. 2 zu Art. 119 EWGV; auch Worringham und Humphreys g. Lloyds Bank; Sig. 1981,767,791.
ß. Rechtsgrundlagen
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b) Richtlinie 75/117 EWG41 Die sogenannte Lohngleichheitsrichtlinie dient der Ausfüllung des Art.119 EWGV und somit der Verwirklichung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer. Sie strebt die "Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts" an. 42 Nach dem EuGH soll die Richtlinie die konkrete Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts erleichtern, dient demnach als Auslegungshilfe, der Umfang des Grundsatzes wird dadurch jedoch nicht beIÜhrt. 43 Die Richtlinie findet Anwendung auf alle Arbeitnehmer im privaten und öffentlichen Dienst. 44 c) Richtlinie 76/207 EWG45
Die Richtlinie enthält ein über Art.119 EWG V, also über die bloße Lohngleichheit hinausgehendes Gleichbehandlungsgebot, das ausdlÜcklich gern. Art.2 (1) das Verbot der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung umfaßt. Da zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie im Jahre 1976 das Institut der mittelbaren Diskriminierung noch nicht Eingang in die europäische Rechtsprechung gefunden hatte, bestehen jedoch Zweifel, ob der in der Richtlinie verwendeten Begriff mit der von der Rechtsprechung verwendeten Definition übereinstirnmt. 46 Der EuGH hat sich in seinen Grundsatzurteilen zur mittelbaren Diskriminierung jedenfalls nicht auf die Richtlinie berufen, weil es sich in den zu entscheidenden Fällen um Benachteiligungen im Entgeltbereich handelte, die von Art. 119 EWGV abgedeckt werden. 47 Im Dekker-Urteil zog der EuGH jedoch bei der Frage, ob die Ablehnung einer geeigneten Bewerberin wegen Schwangerschaft eine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung im Sinne der Richtlinie 206n6 sei, als Maßstab heran, inwieweit es sich bei dem Ablehnungsgrund um einen Faktor handelt, den unterschiedslos beide Ge-
41
vom 10.2.1975, ABI. EG Nr. L45 vom 19.2. 1975 S.19.
42
Art. 1 (1) der Richtlinie.
43
EuGH, Urteil v. 31.3.1981, Rs.96/80 (Kingsgate g. Jenkins), AP Nr.2 zu Art.119 EWGV.
44
EuGH v. 9.6.1982, Rs.58/81, Kommission g. Luxemburg, Slg. 1982,1275.
4S
Vom 9.2.1976, ABI. EG Nr. L 39 vom 14.2.1976, S.4O.
46 Zweifelnd: Hanau, FS Herschel, S.217; Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbotes, S. 479, m.w.N.
41 s. EuGH, Jenkins g. Kingsgate, AP Nr.2 zu Art. 119 EWGV (niedriges Lohnniveau für Teilzeitbeschäftigte); Weber g. Bilka, AP Nr.1O zu Art. 119 EWGV (Ausschluß von der betrieblichen Altersversorgung für Teilzeitbeschäftigte).
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4. Teil: Rechtliche Grundlagen für das Verbot der mittelbaren Diskriminierung
schlechter erfüllen oder nur ein Geschlecht. 48 Diese Unterscheidung deutet