Mission und Sklaverei: Die Herrnhuter Brüdergemeine und die Sklavenemanzipation in Britisch- und Dänisch-Westindien 3515112723, 9783515112727

Der Band widmet sich dem Übergang von Sklaverei- zu Postemanzipationsgesellschaften in der britischen bzw. dänischen Kar

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German Pages 238 [240] Year 2016

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INHALTSVERZEICHNIS
GELEITWORT
DANKSAGUNG
1. EINLEITUNG
1.1. MISSIONSGESCHICHTSSCHREIBUNG
1.2. FORSCHUNGSSTAND
1.3. QUELLEN
1.4. GLIEDERUNG
2. „INSELN DER MENSCHLICHKEIT“? – SKLAVEREI IN DER MISSION DER HERRNHUTER BRÜDERGEMEINE
2.1. DIE ANFÄNGE DER MISSION DER BRÜDERGEMEINE IN DEN KARIBISCHEN MISSIONSGEBIETEN
2.2. MISSION UND SKLAVENARBEIT – ÖKONOMISCHE STRATEGIEN DER MISSION IN DÄNISCH-WESTINDIEN
2.3. DEMOGRAPHIE DES SKLAVENBESITZES DER BRÜDERGEMEINE
2.4. AUF DEN „INSELN DER MENSCHLICHKEIT“ – SKLAVEREI IN DER MISSION IN DÄNISCH-WESTINDIEN
3. „THE BULWORK OF SLAVERY.“ DIE BRÜDERGEMEINE UND DIE ABSCHAFFUNG DER SKLAVEREI IN DER MISSION
3.1. DIE BRÜDERGEMEINE UND DIE ABSCHAFFUNG DES SKLAVENHANDELS UND DER SKLAVEREI
3.2. „THE WHOLE RELIGIOUS WORLD […] IS AGAINST US.“
3.3. DAS LOKALE UND DAS GLOBALE – DÄNISCH-WESTINDIEN
3.4. SURINAM
3.5. EUROPA: DIE BRÜDERGEMEINE UND DIE ANTI-SLAVERY SOCIETY
4. NACH DER SKLAVEREI – MISSION UND SKLAVENEMANZIPATION IN BRITISCH UND DÄNISCH-WESTINDIEN
4.1. VON DER SKLAVEREI ZUR „FREIHEIT“ – ASPEKTE DER SKLAVENEMANZIPATION IN BRITISCH- UND DÄNISCH-WESTINDIEN
4.2. DIE MISSION DER BRÜDERGEMEINE ZUR ZEIT DER SKLAVENEMANZIPATION
4.3. MISSION UND SKLAVENEMANZIPATION – DREI ASPEKTE
5. NACHWORT
6. QUELLEN UND LITERATURVERZEICHNIS
6.1. QUELLEN
6.2. LITERATUR
7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
8. TABELLENVERZEICHNIS
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 3515112723, 9783515112727

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Jan Hüsgen

Mission und Sklaverei Die Herrnhuter Brüdergemeine und die Sklavenemanzipation in Britischund Dänisch-Westindien

Geschichte Franz Steiner Verlag

Missionsgeschichtliches Archiv – 25

Jan Hüsgen Mission und Sklaverei

Missionsgeschichtliches archiv Studien der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte

Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes von Andreas Feldtkeller, Irving Hexham, Ulrich van der Heyden, Gunther Pakendorf und Werner Ustorf Band 25

Jan Hüsgen

Mission und Sklaverei Die Herrnhuter Brüdergemeine und die Sklaven­ emanzipation in Britisch­ und Dänisch­Westindien

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2016 Druck: Bosch Druck, Landshut Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978­3­515­11272­7 (Print) ISBN 978­3­515­11280­2 (E­Book)

INHALTSVERZEICHNIS GELEITWORT ................................................................................................. 7 DANKSAGUNG ............................................................................................ 11 1. EINLEITUNG ............................................................................................ 12 1.1. Missionsgeschichtsschreibung ............................................................ 14 1.2. Forschungsstand .................................................................................. 20 1.3. Quellen ................................................................................................ 24 1.4. Gliederung ........................................................................................... 26 2. „INSELN DER MENSCHLICHKEIT“? – SKLAVEREI IN DER MISSION DER HERRNHUTER BRÜDERGEMEINE ........................... 28 2.1. Die Anfänge der Mission der Brüdergemeine in den karibischen Missionsgebieten ................................................................................ 30 2.1.1. Theologische Rahmenbedingungen ......................................... 32 2.1.2. Strukturelle und ökonomische Rahmenbedingungen .............. 39 2.1.3. Interne Diskussionen über den Sklavenbesitz der Brüdergemeine ........................................................................ 45 2.2. Mission und Sklavenarbeit – Ökonomische Strategien der Mission in Dänisch-Westindien ................................................... 51 2.3. Demographie des Sklavenbesitzes der Brüdergemeine ...................... 63 2.3.1. Entwicklung des Sklavenbestandes der Plantage Bethel ......... 65 2.3.2. Entwicklung des Sklavenbestandes im 19. Jahrhundert .......... 69 2.4. Auf den „Inseln der Menschlichkeit“ – Sklaverei in der Mission in Dänisch-Westindien ....................................................................... 73 2.4.1. Der Missionsplatz als Lebens- und Arbeitsraum der Herrnhuter Sklaven ........................................................... 74 2.4.2. Missionierung der eigenen Sklaven ......................................... 85 2.4.3. Sklavenhandel in der Mission .................................................. 93 2.4.4. Widerstand von Sklaven ........................................................ 107 2.4.5. Bestrafung von Sklaven ......................................................... 113 3. „THE BULWORK OF SLAVERY.“ DIE BRÜDERGEMEINE UND DIE ABSCHAFFUNG DER SKLAVEREI IN DER MISSION ........................................... 119 3.1. Die Brüdergemeine und die Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei ............................................................................. 122 3.2. „The whole religious world […] is against us.“ ................................ 128

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Inhaltsverzeichnis

3.3. Das Lokale und das Globale – Dänisch-Westindien ......................... 136 3.3.1. Dänisch-Westindien – Missionare und Sklaven .................... 138 3.3.2. London – Peter Latrobe.......................................................... 144 3.3.3. Berthelsdorf – Die Ältestenkonferenz.................................... 149 3.3.4. Dänisch-Westindien – Freilassung der Missionssklaven ....... 152 3.3.5. Europa – Das Nachspiel ......................................................... 165 3.4. Surinam ............................................................................................. 168 3.4.1. Paramaribo – Niels Otto Tank ............................................... 169 3.5. Europa: Die Brüdergemeine und die Anti-Slavery Society .............. 173 4. NACH DER SKLAVEREI – MISSION UND SKLAVENEMANZIPATION IN BRITISCH UND DÄNISCHWESTINDIEN ......................................................................................... 176 4.1. Von der Sklaverei zur „Freiheit“ – Aspekte der Sklavenemanzipation in Britisch- und Dänisch-Westindien ..... 178 4.1.1. Britisch-Westindien – St. Kitts .............................................. 179 4.1.2. Dänisch-Westindien – St. Croix............................................. 184 4.2. Die Mission der Brüdergemeine zur Zeit der Sklavenemanzipation ................................................................. 188 4.2.1. Die missionarische Gesellschaft ............................................ 192 4.2.2. Missionare und Missionarinnen ............................................. 193 4.2.3. Afrokaribische Gemeindemitglieder ...................................... 196 4.2.4. Statusunterschiede in der missionarischen Gesellschaft ........ 198 4.2.5. Sozialkontrolle und Kirchendisziplin..................................... 201 4.3. Mission und Sklavenemanzipation – Drei Aspekte .......................... 204 4.3.1. Rebellion und Widerstand ...................................................... 204 4.3.2. „Erziehung zur Freiheit“? – Missionsschulen als Grundlage für eine „freie“ Gesellschaft? ......................... 210 4.3.3. Mission und indigene Lehrer ................................................. 217 5. NACHWORT ........................................................................................... 222 6. QUELLEN UND LITERATURVERZEICHNIS ..................................... 226 6.1. Quellen .............................................................................................. 226 6.1.1. Ungedruckte Quellen ............................................................. 226 6.1.2. Gedruckte Quellen ................................................................. 228 6.2. Literatur ............................................................................................. 229 7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS .............................................................. 237 8. TABELLENVERZEICHNIS.................................................................... 238

GELEITWORT In Vorbereitung des Gedenkens im Jahre 2017, wenn der 100. Jahrestag des Verkaufs der Neuen Jungferninseln von Dänemark an die Vereinigten Staaten von Amerika begangen wird, tritt auch die Geschichte des transatlantischen Dreieckshandels, das heißt Verschiffung von Versklavten von der Westküste Afrikas – Verkauf der Sklaven auf den Inseln der Karibik und Kauf von landestypischen Naturprodukten von dem Profit – Verkauf der Produkte in Europa, verstärkt in den Fokus auch des deutschen Interesses. Denn von einem auf solche Weise erzielten finanziellen Gewinn konnte dann in Afrika wieder „frische Menschenware“ erhandelt werden und der transatlantische Dreieckshandel nahm seinen Fortgang. Davon profitierten fast alle nord- und westeuropäischen Nationen und sie wurden reich dabei. Aus dem transatlantischen Sklavenhandel zogen jedoch nicht nur die damals die Welt in großen Teilen beherrschenden „großen“ Mächte Nutzen, sondern auch die „kleineren“ europäischen Staaten wie Brandenburg/Preußen, Kurland und auch Dänemark. In der Nachbarschaft der brandenburgisch-preußischen Handelskolonie an der Westküste Afrikas, Großfriedrichsburg, besaß Dänemark eigene sogenannte Sklavenfestungen, die heute zu Ghana gehören. Von dort aus wurden die versklavten Afrikaner vornehmlich auf die Karibikinsel St. Thomas und benachbarte Eilande verschifft, von denen der dänische König den Brandenburgern die genannte Insel zur Hälfte vermietet hatte. Die dänischen Sklavenhändler kauften für den Erlös aus dem Menschenhandel vornehmlich Zuckerrohr oder Melasse oder schon auf den Inseln hergestellten Rum, der dann vor allem im damals noch zum Königreich Dänemark gehörenden Flensburg zum Kauf angeboten wurde. Der dort in größerem Umfang fermentierte Rum ließ Flensburg seit Beginn des 18. Jahrhunderts in Reichtum und Glanz erstrahlen. Erst im Zuge des Gedenkens an den genannten Jahrestag hat sich in der Öffentlichkeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass Wohlstand und Reichtum in jener Region auf der „Schande der Menschheit“ beruht, wie die UNESCO den transatlantischen Sklavenhandel bezeichnete. Ausgerechnet dort, wo Deutsche in den Sklavenhandel involviert waren, nahmen spätere deutsche Missionare ihre Arbeit auf. Dazu gehörte nicht nur St. Thomas und St. Croix, wo die Herrnhuter Brüdergemeine 1732 begann zu missionieren, sondern auch Ghana, wo die aus Bremen stammende Norddeutsche Mission seit Ende des 19. Jahrhunderts tätig wurde und das in Indien gelegene Tranquebar, um das sich der Große Kurfürst von Brandenburg Mitte des 17. Jahrhunderts vergebens bemüht hatte, vom dänischen Königshaus die Handelskolonie zu erstehen, und wo seit Juli 1706 Missionare der Dänisch-Halleschen Mission arbeiteten. Man mag dies als Zufall bezeichnen, aber gibt es in der Geschichte überhaupt Zufälle?

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Geleitwort

Die Arbeit von Jan Hüsgen befasst sich mit der Sklavenemanzipation auf den damaligen britischen und dänischen Inseln der Karibik. Denn auf Sklaven waren die Missionare aus dem dargelegten Grunde gestoßen, als sie hier landeten. Die Brandenburger bzw. Preußen waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgezogen. Den aus Afrika stammenden Versklavten und zum Teil den in Unfreiheit geborenen Nachfahren wollten die deutschen Missionare Gottes Wort bringen. Aber sie brachten auch etwa anderes mit, was in der Missionshistoriographie kaum thematisiert worden ist. Nämlich die Praxis der Sklavenhaltung auf den Missionsstationen. Die vorliegende Studie widmet sich der Zeit des Übergangs von der Sklaverei hin zu Postemanzipationsgesellschaften in der dänischen bzw. englischen Karibik anhand der akribischen Auswertung vornehmlich missionarischer Quellen. Den Fokus der Arbeit bilden dabei die Missionsstationen der Herrnhuter Brüdergemeine. Die zentrale Fragestellung der Arbeit beleuchtet ein bislang wenig beachtetes Spannungsverhältnis der protestantischen Herrnhuter, die nämlich nach ihrer Ankunft auf den karibischen Inseln selbst zu Sklavenhaltern wurden. Hüsgen hinterfragt insbesondere deren Einstellung zur Abolition bzw. zu den Konflikten einzelner Missionare, aber auch deren Gemeinschaft mit der transatlantischen Abolitionsbewegung. Ausgehend von einer Analyse der älteren wie der aktuellen Missionshistoriographie bietet die Arbeit erstmals eine kritische empirische Analyse der Sklaverei innerhalb der christlichen Mission in der Karibik. Weitere Schwerpunkte der Arbeit sind die Darstellung der Umstände der Freilassung der Herrnhuter Sklaven, die in Sonderheit unter dem öffentlichen Druck der Antisklavereibewegung vonstatten ging. Schließlich wird die Interaktion zwischen Missionaren und Gemeindemitgliedern zur Zeit der Sklavenemanzipation in Britisch- (St. Kitts) und Dänisch-Westindien (St. Croix) analysiert. In der vorliegenden Untersuchung wird aufgezeigt, wie in dieser Region die ökonomischen und religiösen Ziele der Mission stets eng miteinander verbunden waren. Für die Missionare war die Sklaverei Bestandteil der von Gott geschaffenen Ordnung, weshalb sie auch keinen Widerspruch darin sahen, selbst Sklaven zu besitzen. Es zeigte sich, dass die Sklavenarbeit bis ins 19. Jahrhundert hinein wesentlich zur Finanzierung der Missionstätigkeit der Herrnhuter Brüder-Unität diente. Das von der traditionellen Missionsgeschichtsschreibung propagierte Bild einer humanen Sklaverei wird von dem Verfasser dieses Buches anhand einer Reihe von quellengestützten Argumenten widerlegt. Denn die Missionare unterhielten in ihren mittel- und südamerikanischen Arbeitsfeldern mitnichten „Inseln der Menschlichkeit“, wie selbst noch von der neueren Herrnhuter Missionshistoriographie des Öfteren formuliert worden ist, um Sklavenbesitz und Sklavenarbeit auf den Missionsstationen moralisch zu legitimieren. Jan Hüsgen gelingt es durch eine bis ins Detail gehende Auswertung der nicht wenigen missionarischen Quellen zum ersten Mal in der Forschung, das Ausmaß und die soziale Praxis des Einsatzes und der Ausbeutung der Sklaven auf den Missionsstationen der Herrnhuter Missionsgesellschaft in der Karibik herauszuarbeiten. Ein wichtiger Aspekt dafür ist die Analyse der Interaktionen der Herrnhu-

Geleitwort

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ter Missionare mit ihren afroamerikanischen Gemeindemitgliedern auf den Inseln der dänischen und englischen Karibik. Die Geschichte der Sklavenhaltung und -befreiung in der genannten Region wird vor allem durch eine Analyse der Ausgestaltung des Lebensraums der Sklaven auf den Missionsstationen und der Besonderheiten der Sklaverei in der Mission, wie etwa den Sklavenhandel, die Formen der Bestrafung und nicht zuletzt anhand der Analyse des Widerstandes der Sklaven deutlich. Der Verfasser arbeitet in seiner an der Universität Hannover angenommenen Dissertation überzeugend heraus, dass es durch die – zu unterschiedlichen Zeiten stattfindende – Abschaffung der Sklaverei in den europäischen Kolonialgebieten rund um den Erdball für die Brüdergemeine schwieriger wurde, den gesellschaftlichen status quo als Bestandsteil einer gottgewollten Ordnung zu rechtfertigen. Der Sklavenbesitz der Missionare der Brüdergemeine hatte zudem zu Konflikten mit der weltweit agierenden Antisklavereibewegung geführt, die die sofortige Freilassung der Versklavten forderte. Das nutzte dem Renommee der Herrnhuter Brüdergemeine nicht. Dennoch entließen die Missionare ihre Sklaven in ihren Arbeitsgebieten in Mittel- und Südamerika nur zögerlich. Es gab Gründe dafür: In Dänisch-Westindien und in Surinam bildeten die mit Sklavenarbeit betriebenen Gewerbe in der Mitte des 19. Jahrhunderts die ökonomische Basis der Missionstätigkeit. Eine Freilassung der Sklaven wurde deshalb zunächst hinausgeschoben. Erst eine öffentliche Kampagne der britischen Antisklavereibewegung erzwang die Abschaffung der Sklaverei in der Mission in Dänisch-Westindien und Surinam, einer Region, der Hüsgen auch Aufmerksamkeit widmet. Der Mittelpunkt seines Forschungsinteresses liegt jedoch auf der dänischen Insel St. Croix. Am Beispiel der nach Haiti zweiten erfolgreichen Sklavenbefreiung in der Karibik auf jener Insel, wo sich die Herrnhuter Missionare oftmals unwidersprochen von der Kolonialverwaltung manipulieren ließen, um die Sklaverei zu „reformieren“, ohne sie beseitigen zu müssen, wird der Prozess der Sklavenbefreiung nachgezeichnet. Die Missionare waren nämlich keinesfalls bereit, ihre wichtigste ökonomische Einnahmequelle widerstandslos aufzugeben. Im Gegenteil. Sie missbilligten die Emanzipation der Sklaven auf St. Croix. Nachdem Dänemark im Jahre 1803 und England 1807 den Sklavenhandel jedoch verboten hatten, wurde es für die Sklaven haltenden Herrnhuter zunehmend schwieriger den gesellschaftlichen status quo als Bestandteil einer gottgewollten Ordnung zu rechtfertigen. Zum Abschluss seiner Arbeit untersucht der Verfasser anhand einer Analyse der Geschichte und der Formen der Sklavenemanzipation auf den Inseln St. Kitts und St. Croix auch noch das Verhältnis zwischen Gemeindemitgliedern und Missionaren nach der Zeit der Sklavenbefreiung. Wenngleich die Kolonialverwaltungen versuchten, die Mission als Instrument struktureller Gewalt für eine Aufrechterhaltung der Sklaverei in der Postemanzipationszeit zu etablieren, konnte sie letztlich nicht verhindern, dass einige Gemeindemitglieder die Strukturen der Missionsgemeinde für die Organisation von Widerstand nutzten. Nach der Freilassung erhielten nämlich die ehemaligen Sklaven durch Konversion und Taufe

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Geleitwort

die Chance eines sozialen Aufstiegs innerhalb ihrer Gemeinden. Einigen gelang die Anerkennung zum sogenannten Nationalhelfer. In dieser Funktion wurden sie zu schreib- und lesekundigen Führungspersönlichkeiten, die – was die Missionare selbstverständlich nicht beabsichtigt hatten – eine zentrale Rolle bei der Organisation von Widerstand und Rebellion spielten; zunächst vornehmlich im kirchlichen Rahmen, zunehmen jedoch auch mit politischen Forderungen. Das vorliegende Buch ist nicht nur ein Beitrag zur Geschichte der Sklavenemanzipation auf Grundlage der Auswertung missionarischer Quellen und der Geschichte eines wichtigen Abschnittes der Entwicklung einer christlichen deutschen Missionsgesellschaft, sondern wegen des transnationalen Charakters der Herrnhuter Brüder-Unität ein wichtiges Kapitel der Globalgeschichte. Da ein Schwerpunkt der Arbeit auf Abolition und Widerstand gegen die von den Missionaren vertretene staatliche Herrschaft liegt, konnte deutlich gemacht werden, dass die christianisierten Versklavten ihre Befreiung als eine Vorbereitung für eine eigenständige Form des Christentums, ohne Kolonialkirche, ansahen oder zumindest dafür die Grundlagen schufen. Insofern ist die Arbeit auch als Beitrag zur außereuropäischen Christentumsgeschichte zu begreifen. Die überwiegende Mehrheit der ausgewerteten historischen Quellen stammt aus Missionsarchiven. Abgesehen von dem interdisziplinären und globalhistorischen Charakter der Dissertation berechtigt dieser Fakt die Aufnahme der Arbeit in die Studienreihe der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte. Ulrich van der Heyden Berlin, Juli 2015

DANKSAGUNG Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2014 von der Philosophischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover angenommen wurde. Die Arbeit an dem Thema hat viel Freude gemacht und wäre ohne die Unterstützung derjenigen, denen ich an dieser Stelle danken möchte, nicht möglich gewesen. Claus Füllberg-Stolberg hat mich für das Thema begeistert und mich in jeder Hinsicht bei inhaltlichen Fragen und der Finanzierung des Projektes unterstützt. Christine Hatzky danke ich für die Bereitschaft das Zweitgutachten zu übernehmen und für ihre sehr konstruktiven Kommentare und Anmerkungen zur Überarbeitung des Manuskriptes. Ich danke Ulrich van der Heyden für die Aufnahme des Buchs in die Reihe Das Missionsgeschichtliche Archiv. Den Kolleginnen und Kollegen Katja Füllberg-Stolberg, Brigitte Reinwald, Steffen Runkel und Ulrike Schmieder, mit denen ich im Rahmen des von der DFG-geförderten Gemeinschaftsprojektes „Nach der Sklaverei – Die Karibik und Afrika im Vergleich“ zusammengearbeitet habe, danke ich für den gemeinsamen Austausch und die vielen hilfreichen Hinweise. In den Archiven der Herrnhuter Brüdergemeine bin ich immer freundlich empfangen worden und habe von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überaus großzügige Hilfestellung erfahren. Insbesondere möchte ich Rüdiger Kröger und Olaf Nippe in Herrnhut, Paul Peucker in Bethlehem und Lorraine Parsons in London für ihre Unterstützung danken. Darüberhinaus hat diese Arbeit von der Vorstellung und Diskussion auf mehreren Tagungen und vom wissenschaftlichen Austausch überaus profitiert. Ich danke im Besonderen Brian Bredehoeft, Katharine Gerbner, Jenna Gibbs, Svend Holsoe, Jon Sensbach, und George Tyson. Ohne die großzügige Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hätte dieses Projekt, inklusive der umfassenden Archivrecherchen, nicht umgesetzt werden können, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Ein Doktorandenstipendium des Deutschen Historischen Instituts in Washington, DC und die Teilnahme am Bosch Archival Seminar for Young Historians ermöglichten zudem weitere Archivrecherchen in den USA, auch hierfür vielen Dank. Neben meinen Freunden gilt mein größter Dank Sabine, die mich unermüdlich bei meiner Arbeit an der Dissertation unterstützt hat und ohne die ich diese wohl nicht zu einem guten Ende gebracht hätte.

1. EINLEITUNG Am Mittag des 10. Juli 1738 erwarben die Missionare der Herrnhuter Brüdergemeine mit Hilfe des befreundeten Plantagenbesitzers Johan Lorentz Carstens auf einer Auktion auf St. Thomas eine Plantage.1 In einem Bericht erläuterte der damalige Vorsteher der Mission Friedrich Martin, warum der Kauf der Plantage notwendig gewesen war.2 Die Erwerbstätigkeit der Missionare reichte nicht aus, den Lebensunterhalt der Mission zu sichern und niemand war bereit ihnen eine Unterkunft zu geben.3 In dieser Situation hatte Martin die Idee einige von der Mission getaufte Sklaven zu kaufen, die bei der Seelsorge und Erwerbsarbeit helfen sollten. Denn so Martin, „keine Handwerker hatten wir die uns Brod verdienten. So wurden wir schlüssig einen Bruder und eine Schwester zu kaufen die um uns seyn sollten und das waren die 2 Christoph und Anna Maria.“4 Bei den Missionaren der Herrnhuter Brüdergemeine handelt es sich um Mitglieder einer evangelischen Freikirche, die sich aus der Ansiedlung mährischer Glaubensflüchtlinge auf dem Gut des Grafen Nikolaus Ludwig Zinzendorf ab 1722 in Sachsen entwickelte. Bereits 1732 begann die Kirche eine weltweite Missionstätigkeit, die sie auch in die Plantagengebiete der Karibik führte. Die Herrnhuter waren Apologeten des politischen Status quo, da sie selbst Sklavenhalter waren und sprachen sich zunächst nur für eine Reform, nicht aber für eine Abschaffung der Sklaverei aus. Dabei verwiesen sie auf ihre Qualitäten als Pazifizierer der potentiell gewalttätigen gesellschaftlichen Konflikte, die sich in vielen Rebellionen und Aufständen der Sklaven entluden. Andererseits besaßen sie auch, vielfach ungewollt, subversives Potenzial, weil sie die Sklaven in vielen Bereichen des Glaubens als gleichgestellte menschliche Wesen akzeptierten und nicht nur als bewegliche Ware behandelten.5 Das ließ die Konversion für viele Sklaven attraktiv erscheinen. Der eigene Besitz von Sklaven, der wesentlich zur Akzeptanz der Mission in der Kolonialgesellschaft beigetragen hatte, wurde im 19. Jahrhundert zum Problem. Er führte in der Folge zu langwierigen Auseinan1

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Carstens war ein wohlhabender Besitzer von Plantagen auf St. Thomas und Unterstützer der Brüdergemeine. 1741 kehrte er mit einigen Sklaven zurück nach Dänemark. Vgl. Sebro, Louise: Mellem afrikaner og kreol. Etnisk identitet og social navigation i Dansk Vestindien 1730–1770, Lund 2010, hier S. 99 u. S. 160. Unitätsarchiv Herrnhut (UA), R 15 Ba 3 (31), Historia. Wie die Mährischen Brüder oder ihr damaliger Vorsteher zur Plantage mit Sclaven gekomen. Kopie eines Berichtes von Friedrich Martin, erstellt am 23. Juli 1755. Oldendorp, Christian Georg Andreas: Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan, Beck, Hartmut u.a. (Hrsg.), 2 Teile in 4 Bänden, Berlin 2000–2002, hier Teil 2, Band 1, S. 265–267. UA, R 15 Ba 3 (31). Sowohl der Bericht von Friedrich Martin, als auch die Darstellung von Oldendorp betonen, dass nicht Martin selbst für die Entscheidung zum Kauf verantwortlich war, sondern von der ehemaligen Sklavin Rebecca davon überzeugt wurde. Der Begriff Sklave schließt in vorliegender Arbeit sowohl Frauen als auch Männer ein.

Einleitung

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dersetzungen mit der Antisklavereibewegung, weil die Brüdergemeine ihre Sklaven in den verschiedenen Missionsgebieten nur sukzessive freiließ. Die zu unterschiedlichen Zeiten stattfindende Sklavenemanzipation strapazierte das eigene Diktum, die Sklaverei sei Bestandteil der von Gott gegebenen Ordnung. Sie führte nicht nur zu intensiven Diskussionen innerhalb der Gruppe der Missionare, sondern hatte auch tiefgreifende Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Mission und Missionsgemeinde. Diese Arbeit widmet sich dem Übergang von Sklaverei- zu Postemanzipationsgesellschaften in zwei bisher von der Forschung wenig beachteten Gebieten. Die Karibikinseln St. Kitts und St. Croix gehören zur Inselgruppe der Leeward Islands und liegen am äußeren Rand des karibischen Meeres. Beide sind relativ kleine und dicht besiedelte Inseln vulkanischen Ursprungs. Im 19. Jahrhundert gehörte St. Kitts zum britischen Kolonialbesitz in der Karibik, während St. Croix gemeinsam mit St. Thomas und St. John, die dänischen Kolonien der Karibik bildete. Die Analyse des Transformationsprozesses in Britisch und Dänisch Westindien erfolgt in dieser Untersuchung anhand eines in der Forschung für diese Fragestellung bisher wenig beachteten Akteurs, der Mission der Herrnhuter Brüdergemeine.6 Die Missionsstationen der Brüdergemeine bilden den Ausgangspunkt dieser Untersuchung, deren Fokus auf dem Verhältnis der Mission zu Sklaverei und Sklavenemanzipation liegt. Diese Arbeit bietet die erste Analyse der ökonomischen Strategien der Mission in den karibischen Missionsgebieten sowie des Umfangs und der sozialen Praxis der Sklaverei in der Mission. Des Weiteren werden im Rahmen dieser Arbeit erstmalig die regionalen und globalen Zusammenhänge des Abolitionsprozesses in der Mission analysiert und die Handlungsstrategien der verschiedenen beteiligten Gruppen nachvollzogen. Schließlich widmet sich die Untersuchung dem grundlegenden Verhältnis zwischen Mission und Missionsgemeinde in der unmittelbaren Postemanzipationszeit auf St. Kitts und St. Croix. Die Archive der Herrnhuter Brüdergemeine in Deutschland, England und Nordamerika verfügen über ein einmaliges Quellenmaterial, das ein breites Panorama der Transitionsphasen von Sklaverei- zu Postemanzipationsgesellschaften eröffnet. Das Ziel dieser Arbeit ist es, ausgehend von der Mission der Herrnhuter Brüdergemeine, zentrale Aspekte der Sklavenemanzipation in Britisch- und Dänisch-Westindien zu analysieren. Die Untersuchung will also nicht nur eine kritische Analyse der Lebensbedingungen der Sklaven im Besitz der Brüdergemeine bieten, es handelt sich vielmehr um eine sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Analyse der Mission innerhalb der britischen und dänischen Kolonialgesellschaft. Folglich liegt, im Gegensatz zu früheren Studien, der Fokus dieser Untersuchung

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Bei dem Begriff Brüdergemeine handelt es sich um eine Eigenbezeichnung der Missionskirche, die auch unter den Begriffen Moravian Church und Unitas Fratrum bekannt ist. Die Schreibweise Gemeine kam im 18. Jahrhundert als gleichberechtigte Form neben Gemeinde vor. Die Brüdergemeine hielt an der Form Gemeine fest, während sich im Hochdeutschen die Form Gemeinde durchsetzte. Vgl. Peucker, Paul: Herrnhuter Wörterbuch. Ein kleines Lexikon von brüderischen Begriffen, Herrnhut 2000, S. 26f.

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Einleitung

nicht in erster Linie auf der theologischen Auseinandersetzung der Mission mit den verschiedenen Aspekten von Sklaverei und Sklavenemanzipation.

1.1. MISSIONSGESCHICHTSSCHREIBUNG Die Brüdergemeine begann schon im 18. Jahrhundert mit einer eigenen Geschichtsschreibung, in der die umfassende Missionstätigkeit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden sollte. Im Folgenden wird sich jedoch, aufgrund des Fokus dieser Arbeit, auf die Darstellung des Verhältnisses der Mission zu Sklaverei und Sklavenemanzipation in Dänisch-Westindien beschränkt. Das Missionsfeld in der dänischen Karibik nimmt einen besonderen Platz in der Erinnerungskultur der Brüdergemeine ein, weil es den Beginn der weltweiten Missionstätigkeit markierte. Auf der Generalsynode in Marienborn 1764 beschlossen die Teilnehmer, mehrere Darstellungen zur Geschichte der Mission zu veröffentlichen. Eine dieser Abhandlungen sollte sich mit der Mission in Dänisch-Westindien beschäftigen. Zum Autor wurde der 1721 in Groß Lafferte bei Hildesheim geborene Christian Georg Andreas Oldendorp bestimmt.7 Die Kirchenleitung räumte ihm weitgehende Freiheiten bezüglich seiner Arbeitsweise ein.8 Oldendorp konnte auf die im Archiv der Brüdergemeine in Zeist aufbewahrten Diarien sowie auf Bücher aus der Unitätsbibliothek in Barby zurückgreifen.9 Unter der von ihm zitierten Sekundärliteratur befinden sich u.a. mehrere Werke des amerikanischen Abolitionisten Anthony Benezet.10 Seine genaue Darstellung der Lebensverhältnisse der Sklaven sowie des Kolonialsystems in Dänisch-Westindien war aber v.a. das Ergebnis seiner eigenen Recherchereise. Gerade die Interviews, die Oldendorp während seines Aufenthaltes mit den Sklaven führte, sind von hoher wissenschaftlicher Bedeutung für die Afrikanistik und Afroamerikanistik.11 Daneben gibt Oldendorp eine genaue Darstellung der Sklaverei in der Mission der Brüdergemeine in der Mitte des 18. Jahrhunderts und schildert von der An- und Verkaufspraxis, über 7

Baldauf, Ingeborg: Oldendorp als Historiker, in: Gudrun Meier u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp. Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan. Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 53–142, hier S. 65. 8 Ebd., S. 67. 9 Baldauf, Oldendorp als Historiker, S. 66, 75, 83, 126. 10 Stein, Peter: Christian Georg Andreas Oldendorps Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan, insbesondere der dasigen Neger und der Mission der evangelischen Brüder unter denselben als Enzyklopädie einer Sklavengesellschaft in der Karibik, in: Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hrsg.), Das Europa der Aufklärung und die außereuropäische koloniale Welt, Göttingen 2006, S. 175–192, hier S. 188f. 11 Jones, Adam: Oldendorps Beitrag zur Afrika-Forschung des radikalen Pietismus, in: Gudrun Meier u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp. Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan. Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 181–190. Sowie Palmié, Stephan: Oldendorps Bedeutung für die Afroamerikanistik, in: Gudrun Meier u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp. Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan. Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 191–206.

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Bestrafungen bis hin zur Arbeitsteilung auf den Herrnhuter Plantagen zahlreiche Facetten der Missionssklaverei. Auch wenn seine eigene Position als Verfechter einer christlichen Sklaverei zu berücksichtigen ist,12 so bietet sein Werk doch einen ersten Ansatzpunkt für diese Arbeit. Aufgrund des enormen Umfangs des Manuskripts und der Verzögerung in der Fertigstellung entschloss sich die Kirchenleitung jedoch 1775, Johann Jakob Bossart mit der Überarbeitung desselben zu beauftragen. Die 1777 erschienene Ausgabe der Geschichte der Mission in Dänisch-Westindien war eine stark gekürzte und veränderte Variante,13 mit der sich Oldendorp selbst nicht identifizieren konnte. Es dauerte mehr als 200 Jahre, bis im Rahmen eines Forschungsprojektes das gesamte Manuskript erstmals herausgegeben wurde. Selbst die gekürzte Version der Missionsgeschichte von Oldendorp erfuhr keine große Verbreitung über die Brüdergemeine hinaus. Während z.B. David Crantz’ Geschichte der Mission in Grönland bereits 1767 in englischer Sprache erschien,14 war dies bei Oldendorps Missionsgeschichte erst 1987 der Fall.15 Die Gründe für diese Entscheidung sind nicht überliefert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Brüdergemeine allgemein eine sehr vorsichtige Publikationspolitik vertrat. In der Mitte des 18. Jahrhunderts war sie weltweit in Konflikt mit staatlichen und kirchlichen Behörden geraten. Als Konsequenz wurde das Publikationsrecht zentralisiert, d.h. das Leitungsgremium der Kirche, die Unitätsältestenkonferenz (UAC) musste zunächst ihre Zustimmung zur Veröffentlichung geben. Zusätzlich befragten die Mitglieder der UAC das Los,16 was eine Publikation insgesamt noch unwahrscheinlicher machte. Eine Publikation der Bossart Edition von Oldendorps Missionsgeschichte in England wurde zwar mehrmals angedacht, jedoch nicht umgesetzt.17 Es gibt keine Belege dafür, dass der Grund dafür eine befürchtete Auseinandersetzung mit der Antisklavereibewegung gewesen wäre. Diese formierte sich erst ab 1787, also zehn Jahre nach dem Erscheinen des Werkes.18 Allerdings ist es wahrscheinlich, dass ab diesem Zeitpunkt die dänisch-westindische Missionsgeschichte als zur Publikation ungeeignet angesehen wurde, gerade aufgrund jener Passagen, die 12 Baldauf, Oldendorp als Historiker, S. 60f. 13 Bossart, Johann Jakob: C. G. A. Oldendorp’s Geschichte der Mission der evangelischen Brüder auf den caraibischen Inseln St. Thomas. St. Croix und St. Jean, Barby 1777. 14 Jensz, Felicity: The Publication and Reception of David Cranz’s 1767 History of Greenland, in: The Library 13 (2012), S. 457–472, hier S. 460f. 15 Oldendorp, Christian Georg Andreas: History of the Mission of the Evangelical Brethren on the Caribbean Island of St. Thomas, St. Croix and St. John, Johann Jakob Bossart, in: Highfiel, Arnold R./ Barac, Vladimir (Hrsg.), Ann Arbor, MI 1987. 16 Der Gebrauch des Losentscheids wurde in der Brüdergemeine instrumentalisiert um bei wichtigen Fragen einen Gottesentscheid herbeizuführen. Peucker, Herrnhuter Wörterbuch, S. 39. 17 Moravian Church House London (MCHL), Society for the Propagation of the Gospel among the Heathen, Meeting Books (1820–1850), 18 August 1817; 22 Februar 1823; 19 Januar 1830. 18 Green, William A.: British Slave Emancipation. The Sugar Colonies and the Great Experiment 1830–1865, Oxford ²1992, S. 45f.

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sich auf den eigenen Sklavenbesitz bezogen. Als die Brüdergemeine im Zusammenhang mit der parlamentarischen Untersuchung des Sklavenhandels um eine Stellungnahme in Bezug auf die Missionstätigkeit gebeten wurde, entschied sich Christian Ignatius Latrobe, der Vorsteher der englischen Brüdergemeine, vermutlich nur für die Übersetzung einiger Beispiele, in denen die eigene Partizipation am Sklavenhandel nicht vorkam. Oldendorps Missionsgeschichte bildete aber dennoch eine wesentliche Grundlage für die weitere Missionshistoriographie. In Darstellungen zur Geschichte der Mission in Dänisch-Westindien nahm insbesondere der Erwerb des ersten Missionsplatzes auf der Insel St. Thomas einen wichtigen Platz ein. St. Thomas hatte aber auch deshalb eine besondere Stellung innerhalb der Erinnerungskultur der Brüdergemeine, weil hier Missionare aufgrund ihres Glaubens inhaftiert worden waren. Erst durch die persönliche Intervention Zinzendorfs, bei einem Besuch auf der Karibikinsel, gelang es diesem sie zu befreien. Innerhalb der Missionshistoriographie finden sich somit immer wieder Berichte über den Erwerb der Plantage auf St. Thomas, die in ihrem jeweiligen historischen Kontext eine andere Bedeutung erfahren. In seinem Gesamtüberblick der Geschichte der alten und erneuerten Brüdergemeine von 1772 berichtet etwa David Cranz, dass Zinzendorf selbst die Plantage erworben habe. Der gleichzeitige Ankauf von Sklaven wird bei ihm nicht erwähnt. Das gilt auch für die 1780 erschienene englischsprachige Ausgabe in der Cranz auf die Bossart Edition von Oldendorps Missionsgeschichte verweist. Im 19. Jahrhundert ging erstmals Peter Latrobe, der damalige Vorsteher der Brüdergemeine in England darauf ein, wie es zum Erwerb von Neuherrnhut auf St. Thomas kam.19 Erwähnt wird die Notwendigkeit, der Mission durch den Kauf eines Grundstücks in der Kolonialgesellschaft einen festen Platz zu verschaffen, als auch, dass ein befreundeter Pflanzer der Mission dabei half. Der mit dem Kauf verbundene Besitz von Sklaven wird jedoch verschwiegen. Da sich die Brüdergemeine aber 1841 auf dem Höhepunkt ihrer Auseinandersetzung mit der Antisklavereibewegung befand und unter ihren Mitgliedern der eigene Sklavenbesitz umstritten war, ist es nicht verwunderlich, dass dieser Aspekt von Latrobe übergangen wurde. Der Kauf von Sklaven wurde in den kirchen- und missionsgeschichtlichen Abhandlungen der Brüdergemeine, abgesehen von der Bossart Edition, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht erwähnt. Einzig das vom Missionar Heinrich Buchner verfasste Buch The Moravians in Jamaica erwähnt den Ankauf von Sklaven und setzt sich kritisch mit der Verflechtung von Mission und Sklaverei

19 Latrobe, Peter: Memoir of Br. Fredrick Martin, in: Periodical Accounts 16 (1841), S. 323– 333, hier S. 329.

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auseinander.20 Es handelte sich dabei aber ausdrücklich um keine offizielle Schrift der Brüdergemeine.21 In der zum 150jährigen Jubiläum der Mission in Dänisch-Westindien von August von Dewitz verfassten Jubiläumsschrift beschreibt dieser den Ankauf von Sklaven und den Anbau von Zuckerrohr auf der missionseigenen Plantage.22 Allerdings wird die Bedeutung des Kaufs für das wirtschaftliche Bestehen der Mission deutlich relativiert, indem zum einen die Arbeitsunfähigkeit eines Großteils der erworbenen Sklaven betont wird und zum anderen die Verärgerung der Pflanzer über den Kauf hervorgehoben wird. Zudem wird der Kauf aus der Notwendigkeit heraus erklärt, der Mission einen festen Platz zu verschaffen. Insgesamt entsteht dadurch beim Leser der Eindruck einer altruistischen, gegen die Pflanzerelite gerichteten Handlung. Im englischsprachigen Raum bot die von James Hutton 1922 veröffentlichte History of the Moravian Missions die erste ausführliche Darstellung der Umstände des Plantagenkaufs und dessen Motivation.23 Den Kauf der Sklaven verteidigt Hutton, denn „no one could possibly buy the land unless at the same time he also bought the slaves.“24 Das Argument, dass der Kauf der Plantage nur gemeinsam mit den Sklaven möglich gewesen wäre, widerspricht jedoch der Darstellung Oldendorps und Bossarts und scheint vielmehr als nachträgliche Rechtfertigung für diesen Vorgang zu dienen. Allerdings wird bei Hutton erstmals seit Bossart und Oldendorp darauf hingewiesen, dass der Ankauf der Sklaven auch der Missionsökonomie diente.25 Um seinen Lesern zu erklären, warum Martin Friedrich die Sklaven nach dem Kauf der Plantage nicht einfach wieder frei ließ, gibt Hutton drei Gründe an. Zum einen betont er, dass Martin die Sklaverei als Teil der weltlichen Ordnung akzeptierte.26 Des Weiteren hätte die Freilassung der Sklaven zur Ausweisung Martins aus der Kolonie geführt. Schließlich sei Martin der Überzeugung gewesen, dass die Konversion zum Christentum nicht mit dem Versprechen der Freiheit zu verbinden sei. Diese Punkte entsprachen im Wesentlichen der auch in der Abschiedsbotschaft von Zinzendorf bei seinem Aufenthalt in Westindien an die Missionsgemeinde formulierten Verhaltensdoktrin in der Sklavengesellschaft, die der Aufrechterhaltung des status quo dienen sollte. Huttons Darstellung beruht auf der Bossart Edition der Missionsgeschichte und auf der von August von Dewitz verfassten Jubiliäumsschrift. Seine These, Martin 20 Buchner, John Henry: The Moravians in Jamaica, London 1854, S. 21: „In our day, [we] regret it exceedingly, much more than we can express, that even our missionaries became slave-holders.” 21 Ebd., S. IV: „The author begs to state that what he has written, is published upon his own responsibility; and that he has not been commissioned or authorized by the authorities of the church.” 22 Von Dewitz, August: In Dänisch-Westindien. Anfänge der Brüdermission in St. Thomas, St. Croix und St. Jan, von 1732–1760, Herrnhut ²1890, S. 192, S. 295f. Erste Auflage 1882. 23 Hutton, James: A History of Moravian Missions, London 1922. 24 Ebd. 25 Ebd.: „He [Friedrich Martin] had not to toil all day in the sweat of his bow and could devote his main energies to spiritual work. [...] By his own personal conduct he could shew the other planters that a slave owner need not to be brute.“ 26 Ebd., S. 40: „On the slavery question Martin was a child of his age.“

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habe durch sein gutes Vorbild den anderen Pflanzern zeigen wollen, dass ein Sklavenhalter nicht brutal sein müsse, führte schließlich dazu, die Sklaverei in der Mission als milde zu bezeichnen.27 Zum 200-jährigen Missionsjubiläum 1932 erschien eine Gesamtübersicht des Missionswerkes der Brüdergemeine von Karl Müller.28 Er verdeutlicht, dass der Kauf aus einer Notlage heraus geschah und betont die Notwendigkeit, der Mission einen festen Wohnsitz zu verschaffen.29 Die Darstellung orientiert sich nah an der Version bei Bossart und es wird auch erwähnt, dass durch den Kauf acht Sklaven erworben wurden. Allerdings vermeidet Müller in seiner weiteren Arbeit jede Erwähnung der eigenen Sklaven, selbst dann, wenn er über den Ankauf weiterer Plantagen oder den Anbau von Zuckerrohr durch die Missionare spricht.30 Im Zentrum der Darstellung stehen die, zumindest für Müller, eigentlichen Helden, die Missionare. In diesem Sinne stellt Müller Friedrich Martins Wirken bereits in die Tradition des Kampfes gegen die Sklaverei, auch wenn er schreibt, dass man bei ihm noch keine grundsätzliche Ablehnung der Sklaverei erkennen könne.31 Einen ähnlichen Argumentationsansatz verfolgt Jan Marinus van der Linde in seinem Aufsatz Herrnhuter im karibischen Raum, der in einem Sammelband zur Missionsgeschichte der Brüdergemeine erschien.32 Van der Linde setzt sich ausführlich mit der Einstellung Zinzendorfs und Spangenbergs zur Sklavenfrage auseinander. Dabei vertritt der Autor die These, dass die Aussagen der „Gründungsheroen“ der Brüdergemeine zwar nicht als direkter Angriff auf die Sklaverei, aber doch bereits der Unterminierung des Sklavensystems dienen. Hinsichtlich des eigenen Sklavenbesitzes bemerkt van der Linde, dass es nach anfänglichen Versuchen mit gemieteten Sklaven „für alle Parteien besser [gewesen sei], selber Sklaven zu kaufen.“33 Diese wurden, wie er verdeutlicht, v.a. als Arbeitskräfte benötigt. Van der Linde beurteilt den Kauf der Plantage als Beitrag zur Entstehung einer Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Sklavengesellschaft, die nicht direkt, aber doch auf indirektem Wege zu der Befreiung der Sklaven führen sollte.34 Der Ankauf von Sklaven wird nicht geleugnet.

27 Hutton, History of Moravian Mission, S. 39: „By his own personal conduct he could shew the other planters that a slave owner need not to be a brute.“ 28 Müller, Karl: 200 Jahre Brüdermission. I. Band. Das erste Missionsjahrhundert, Herrnhut 1931. 29 Müller, Brüdermission, Band I, S. 37f. 30 Ebd., S. 54: „1763 konnte man einen eigenen Gottesacker anlegen und 1765 die Neuherrnhut benachbarte Plantage Rebhuhn hinzukaufen […]. Bethel [blieb] das Sorgenkind der Missionare, bis man 1793 beschloß, es zu verkaufen.“ 31 Ebd., S. 36. 32 Van der Linde, Jan Marinus: Herrnhuter im karibischen Raum, in: Buijtenen, Marij P./ van Dekker, Cornelis/ Leeuwenberg, Huib (Hrsg.), Unitas Fratrum. Herrnhuter Studien, Utrecht 1975, S. 241–260. 33 Van der Linde, Herrnhuter im karibischen Raum, S. 247. 34 Ebd.: „Dennoch war diese schwer verdauliche Tatsache auch noch ein Weg, aufs neue zu zeigen, dass eine Neuordnung der menschlichen Verhältnisse geschieht, jedenfalls geschehen soll, vom erneuerten Bewusstsein einer christlichen Gemeinde her.“

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Weit ausführlicher geht Hartmut Beck in seiner zum 250-jährigen Jubiläum der Mission der Brüdergemeine 1982 erschienen Gesamtübersicht des Missionswerkes auf die Sklavenfrage ein.35 Beck versucht, die Arbeit der Missionare mit Rücksicht auf den historischen Kontext zu analysieren und setzt sich dabei auch kritisch mit ihrer Rolle als Sklavenhalter auseinander. Allerdings stellt auch er die Motivation, einen festen Ort für die Mission zu erhalten, in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Beck räumt ein, dass es in späterer Zeit in der Mission vereinzelt „schlechtes Gebaren einzelner gegenüber den von ihnen abhängigen Sklaven“ gegeben habe.36 Dies hält er jedoch für Ausnahmen, weil die auf den ersten Blick abzulehnende Handlung „zugleich eine diakonische Seite hatte.“37 Damit nimmt Beck den von Hutton und van der Linde vorgegebenen Argumentationsansatz auf und deutet den Kauf von Sklaven bereits im Sinne einer Unterminierung des Sklavereisystems durch die Missionare um. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in den offiziellen Darstellungen zur neueren Kirchengeschichte der Brüdergemeine und zum Missionswerk die Darstellung des Sklavenbesitzes verschiedene Variationen und Umdeutungen erfahren hat. Dies lässt sich auch in Darstellungen, die in den ehemaligen Missionsgebieten selbst entstanden, feststellen. In Jamaika kam es zur Veröffentlichung einer ganzen Reihe von lokalen Kirchengeschichten, die v.a. auf die Arbeit Buchners und auf Auszüge aus den Periodical Accounts zurückgriffen. Für diese Arbeiten gilt ebenso wie für die größeren Gesamtdarstellungen, dass der Besitz von Plantagen und Sklaven als unumgänglich und die Sklaverei in der Mission als milde dargestellt wird.38 Die im 18. und 19. Jahrhundert, abgesehen von der Bossart Edition der dänisch-westindischen Missionsgeschichte, stark verkürzte oder falsche Darstellung der Umstände des Plantagenkaufs wurde von der Missionshistoriographie des 19. Jahrhunderts korrigiert. Der Sklavenbesitz wird nicht mehr geleugnet. Gleichzeitig lässt sich aber eine zunehmende Umdeutung des Plantagenkaufes feststellen. Wurde in den älteren Darstellungen betont, der Kauf habe dazu gedient, einen festen Wohnsitz für die Mission zu erhalten, wird er nun in die Tradition des Apostolats der Brüdergemeine gestellt und damit vorbereitend für die Sklavenemanzipation charakterisiert. Eine gute Behandlung der eigenen Sklaven durch die Missionare habe als Vorbildfunktion für die Sklavenbesitzer gedient. Zusätzlich seien der Plantagenkauf und die Mission der eigenen Sklaven bereits der Grundstein für das Entstehen einer christlichen Gemeinschaft inner35 Beck, Hartmut: Brüder in vielen Völkern. 250 Jahre Mission der Brüdergemeine, Erlangen 1981. 36 Ebd., S. 50. 37 Ebd., S. 49. 38 Hark, Walter/ Westphal, Augustus: The Breaking of the Dawn, or Moravian Work in Jamaica, 1754–1904, Belfast 1904, S. 16: „Free servants could not be procured. And the wrong of slavery had yet not been fully realized by the Christian conscience – not even by the missionaries’ conscience! […] Though it is evident that […] the Old Carmel slaves were treated with the utmost kindness.“ Ebenso Hastings, S. U./ MacLeavey, B. L.: Seedtime and Harvest. A Brief History of the Moravian Church in Jamaica, 1754–1979, Bridgetown, Barbados 1979, S. 32–37.

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halb der Sklavengesellschaft gewesen, in der die sozialen Unterschiede des Sklavensystems aufgehoben worden seien.

1.2. FORSCHUNGSSTAND Ein beinahe unüberschaubares Forschungsfeld stellen die Arbeiten zur Transformationsphase von Sklaverei zu Postemanzipationsgesellschaften dar. Der globale Prozess der Abolition der Sklaverei zog sich allein in den beiden Amerikas über ein Jahrhundert, von der erfolgreichen Rebellion der Sklaven auf der französischen Karibikinsel St. Domingue 1791/92 bis zur Abolition der Sklaverei in Brasilien 1888, hin. Die Gründe, die die Abschaffung beeinflussten sind jeweils vielfältig. Widerstand der Sklaven, Initiativen von Abolitionisten, Krieg und die sich verändernde Weltwirtschaft sind maßgebliche Faktoren, die in der Forschung intensiv diskutiert werden.39 Diese Arbeit widmet sich einem in diesem Zusammenhang bisher wenig beachteten Akteur. Die Herrnhuter Brüdergemeine stellt mittlerweile ein viel beachtetes Forschungsobjekt dar. Aufgrund ihrer globalen Missionstätigkeit hat sich eine beinahe unübersichtliche Forschungsliteratur entwickelt. Allein für diese Arbeit kann auf einschlägige Publikationen in dänischer, niederländischer, englischer und deutscher Sprache zurückgegriffen werden. Die Tätigkeit der Mission in der Karibik unter drei verschiedenen europäischen Kolonialmächten hat die Entstehung von Forschungstraditionen in den Ländern der ehemaligen Kolonisatoren und den früheren Kolonien beeinflusst. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Brüdergemeine wird häufig als Teil der Atlantischen Geschichte verstanden.40 Zahlreiche Sammelbände und Monographien haben sich in diesem Zusammenhang mit den transatlantischen Beziehungen zwischen den europäischen und nordamerikanischen Siedlungen der Gemeinschaft beschäftigt. Ein Großteil dieser Studien hat jedoch einen nordatlantischen Fokus. Gerade in den letzten Jahren wurde dabei v.a. der transnationale Charakter der „globalen Gemeinschaft“ wie Gisela Mettele die Brüdergemeine bezeichnet, betont. Diese geht in ihrer Monographie der Frage nach dem Zusammenhalt der Gemeinschaft, deren Mitglieder in exklusiven Siedlungen in Europa und Nordamerika lebten, nach. Auch wenn Metteles Fokus nicht auf der Mission der Brüdergemeine liegt, so sind ihre Ausführungen, doch gerade hinsichtlich der Kommunikation und Organisation der Gemeinschaft, ein wichtiger Ansatzpunkt für diese Untersuchung.

39 Einen guten Einstieg in die Debatte bietet Scott, Rebecca u.a. (Hrsg.) Societies after Slavery. A Selected Annotated Bibliography of Printed Sources on Cuba, Brazil, British Colonial Africa, South Africa and the British West Indies, Pittsburgh, PA 2002, S. VIII–XVII. 40 Vgl. Strom, Jonathan/ Lehmann, Hartmut/ van Horn Melton, James (Hrsg.), Pietism in Germany and North America 1680–1820, Farnham 2009; Gillespie, Michelle/ Beachy, Richard (Hrsg.), Pious Pursuits, German Moravians in the Atlantic World, New York, Oxford 2007; Mettele, Weltbürgertum.

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Erst in jüngerer Zeit widmet sich die Forschung in diesem Zusammenhang auch der Bedeutung der Kirche für das Entstehen eines Black Atlantic. Dabei ist insbesonders auf die Arbeiten von Jon Sensbach, die auf die Bedeutung der Brüdergemeine bei der Genese afro-amerikanischer und afro-karibischer Religion eingehen, hinzuweisen. Gemeinsam mit der Studie von Maureen Warner-Lewis zeichnen sie sich durch einen stärker Akteurszentrierten Ansatz aus, bei dem versucht wird, bisher marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie indigene Assistenten der Missionare in den Fokus der Untersuchung zu stellen. Ein Großteil der Forschungsliteratur, die sich mit dem Verhältnis der Missionare zu ihren eigenen Sklaven beschäftigt, leidet unter der Übernahme der in der Missionshistoriographie vertretenen Stereotype. Die bereits 1902 veröffentlichte Dissertation von Herman Lawætz bietet einen ersten Versuch der Darstellung des Missionswerkes in Dänisch-Westindien bis 1848.41 Seine stark ereignisgeschichtlich orientierte Arbeit ist jedoch keine kritische Auseinandersetzung mit dem Sklavenbesitz der Mission. Das prägnanteste Beispiel ist der 1965 erschienene Artikel zur Mission der Brüdergemeine in der Karibik von Oliver Furley, in dem der Autor behauptet, dass die Missionare „gentliest proprietors“ gewesen seien.42 Dies hätte sich dadurch geäußert, dass sie keine physische Gewalt ausgeübt hätten und die Sklaven allgemein besser behandelt wurden als anderswo. Schließlich hätte diese humane Form der Sklaverei den Ertrag der Plantagen der Brüdergemeine beeinflusst, der deutlich geringer ausgefallen wäre als auf einer gewöhnlichen Plantage. Auch wenn Furley auf englischsprachige Primärquellen zurückgreift, kann er sich doch durch seine sehr einseitigen Analysen nicht von der Missionshistoriographie lösen.43 Seine Thesen riefen erheblichen Widerstand u.a. von Mary Reckord (Turner) hervor,44 konnten letztlich aber ohne eine Analyse des Herrnhuter Quellenmaterials nicht widerlegt werden. Die Liste der stark affirmativen und teilweise pseudo-wissenschaftlichen Literatur ließe sich beliebig erweitern, ohne das in Bezug auf die Fragestellung neue Erkenntnisse gewonnen werden können.45 Auch neuere, wissenschaftliche Darstellungen zur Missionsgeschichte rezipieren im Wesentlichen die bereits bekannten Paradigmen. Erschwert 41 Lawætz, Herman: Brødremenigheden i Dansk Vestindien 1760–1848, Kopenhagen 1902. 42 Furley, Oliver: Moravian Missionaries and Slaves in the West Indies, in: Caribbean Studies 5 (1965), S. 3–16, hier S. 4f. 43 Furley, Moravian Missionaries, S. 4. In Hinsicht auf den Kauf der Plantage Neuherrnhut orientiert sich Furley an Cranz und Hutton und rezepiert somit den Fehler, Zinzendorf hätte bei seiner Ankunft auf St. Thomas den Kauf legalisiert. 44 Reckord, Mary: Missions in Jamaica before Emancipation. A Comment on: Moravian Missionaries and Slaves in the West Indies, in: Caribbean Studies 8 (1968), S. 70–74. Mary Turner war in den 1960er Jahren mit dem Dramaturgen Barry Reckord verheiratet und nahm nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen an. 45 Vgl. z.B. die Arbeiten zum Aspekt Wirtschaft und Mission, wie das zum 200-jährigen Jubiläum der unitätseigenen Firma Kersten&Co. von Albert Helman verfasste Buch, Business, mission and meditation, Paramaribo 1968 sowie die Dissertation von Danker, William: Profit for the Lord. Economic Activities in Moravian Missions and the Basel Mission Trading Company, Grand Rapids, MI 1971. Beide Werke kommen über eine Rezeption der Missionshistoriographie nicht hinaus.

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wird eine kritische Analyse der Missionssklaverei gerade in den ehemaligen Missionsgebieten dadurch, dass die wesentlichen Primärquellen sowie die neu edierte Oldendorp Historie nur in deutscher Sprache bzw. deutscher Schrift vorliegen und dem anglophonen Publikum nur schwer zugänglich sind. Dies führt dazu, dass durch eine Rezeption der älteren Missionshistoriographie Zirkelschlüsse entstehen. Letztlich stützt dies das dominante Narrativ der humanitären Sklaverei und die indirekte Vorbereitung der Sklavenemanzipation. Eine kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der Herrnhuter Mission zu Sklaverei und Sklavenemanzipation setzte erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein. Jon Sensbachs Studie zu den Lebensbedingungen der Sklaven in den Siedlungen der Brüdergemeine und den Beziehungen zwischen weißen und schwarzen Gemeindemitgliedern in North Carolina war die erste systematische Analyse ihrer Art und bildet einen wichtigen Bezugspunkt für diese Arbeit.46 Ihre Befunde können aber nur im begrenzten Rahmen auf die Verhältnisse in der Karibik übertragen werden, da bedeutende Unterschiede zwischen dem Leben in einer Siedlung der Brüdergemeine und dem auf einer Missionsstation im Missionsgebiet bestanden. Diese wirkten sich auch auf das Verhältnis zwischen Sklaven und ihren Besitzern aus. Einen zusätzlichen Ansatzpunkt für eine Analyse der Missionare als Sklavenhalter bietet Travis Glassons Studie zur Codrington Plantage auf Barbados.47 Diese Zuckerplantage im Besitz der anglikanischen Kirche sollte, ebenso wie die Plantagen der Brüdergemeine, der Seelsorge und der Finanzierung der Missionsstätigkeit dienen. Sie bietet somit eine gute Basis für eine vergleichende Bewertung der Sklaverei in der Mission der Brüdergemeine. Die Bedeutung der Mission der Brüdergemeine in der Sklavenemanzipation ist jedoch bisher wenig erforscht. Für Surinam wird das Thema in der geschlechtergeschichtlich orientierten Studie von Maria Lenders angeschnitten. Sie geht dabei auch erstmals auf die Freilassung der Herrnhuter Sklaven in Surinam ein. Die Arbeit von Karel Zeefuik, setzt sich mit der Mission in Surinam und der Beziehung zur Haagsche Maatschappij [Haagsche Gesellschaft], einer die Mission unterstützenden Hilfsgesellschaft, auseinander. Er betont, dass die eigenen Sklaven eine menschliche bzw. christliche Behandlung erfahren hätten und sie zwar nicht im juristischen Sinne, aber doch innerhalb der Gemeinde frei gewesen seien.48 Zeefuiks Annahme beruht auf einer Auswertung der Protokolle der Synode 1769, auf der das Verhältnis zwischen Mission und Sklaverei grundsätzlich geklärt werden sollte. Die dort verabschiedeten Prinzipien erlauben aber keinen 46 Sensbach, Jon F.: A Separate Canaan. The Making of an Afro-Moravian World in North Carolina, 1763–1840, Chapel Hill, NC 1998. 47 Glasson, Travis: Mastering Christianity. Missionary Anglicanism and Slavery in the Atlantic World, Oxford 2012. 48 Zeefuik, Karel: De Hernhutter zending en de Haagse maatschappij 1828–1867. Een hoofdstuk uit de geschiedenis van zending en emancipatie in Suriname, Utrecht 1973, S. 35: „een menselijke en christelijke behandeling verondersteld werd.“ [eine menschliche und christliche Behandlung wurde in den Vordergrund gestellt.] S. 36: „juridisch waren ze niet, maar als gemeenteleden wel 'vrij'.“ [juristisch waren sie [die Sklaven] nicht, aber als Teile der Gemeinde sehr wohl frei].

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Rückschluss darüber, inwiefern diese im Alltag in den Missionsgebieten durchgesetzt wurden. Den ersten Versuch einer umfassenden Analyse des Verhältnisses der Brüdergemeine zur Sklavenemanzipation bietet die Untersuchung von Armando Lampe. Seine komparatistische Studie behandelt sowohl katholische als auch protestantische Missionen in den niederländischen Kolonien Surinam und Curaçao im 19. Jahrhundert.49 Lampe gelingt es, das Selbstbild der Mission als Vorbereiter und Unterstützer der Sklavenemanzipation zu widerlegen. Darüber hinaus bietet er einen umfangreichen Materialteil, in dem er wichtige Quellen in englischer Übersetzung einem breiten Publikum zugänglich macht. Teilweise kann sich Lampe aber nicht von der eigenen Missionshistoriographie lösen. So vertritt er die nicht zu haltende These, Konvertiten der Brüdergemeine hätten sich nicht an Aufständen und Rebellionen beteiligt.50 Für den Bereich der dänischen Karibik gibt es nur wenige Arbeiten, die sich mit dem Verhältnis zwischen Mission und Sklavenemanzipation beschäftigen. In seiner umfangreichen Abhandlung zur Geschichte der deutsch-dänischen Kaufmannsfamilie Schimmelmann hat sich bereits Christian Degn mit der Auseinandersetzung zwischen Brüdergemeine und Antisklavereibewegung beschäftigt. In diesem Zusammenhang verfolgt er auch den Abolitionsprozess innerhalb der Mission in Dänisch-Westindien.51 Von Hartmut Beck liegt zu dieser Thematik ein Beitrag vor, in dessen Titel er die Tätigkeit der Brüdergemeine bereits, „as a Step to Emancipation from Slavery“ sieht.52 Sein Artikel erschien aus Anlass des 150-jährigen Jubiläums der Abschaffung der Sklaverei in den dänischen Kolonien und deutete dieses Ereignis zum Teil als Ergebnis erfolgreicher Missionierung um. Anstatt das Ereignis in seiner historischen Bedeutung als eine der wenigen erfolgreichen Selbstbefreiungen der Sklaven zu würdigen, wird vielmehr die Sklavenemanzipation als eine Folge missionarischer Zivilisierungsmission verstanden.53 Einen breiteren Ansatz als Lampe verfolgt Claus Füllberg-Stolberg, der in mehreren Beiträgen das Verhältnis der Mission zu Sklaverei und Sklavenemanzipation untersucht hat.54 Dabei beschränkt sich seine Analyse nicht wie bei Lampe auf ein Missionsgebiet, sondern versucht sich, durch die Verbindungen und den Vergleich zwischen den Entwicklungen in den verschiedenen Kolonien, dem Problemfeld anzunähern. Seine Analyse ist nicht auf die Sklavenemanzipation begrenzt, sondern hinterfragt kritisch 49 Lampe, Armando: Mission or Submission? Moravian and Catholic Missionaries in the Dutch Caribbean during the 19th Century, Göttingen 2001. 50 Ebd., S. 58. 51 Christian Degn: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Zwischen Gewinn und Gewissen, Neumünster 1972. 52 Beck, Hartmut: Missions and Slavery. Remarks on the Moravian Mission in the social Structure of the Caribbean in the First half of the 18th Century as a Step to Emancipation from Slavery, in: Transactions of Moravian Dialogue Correspondence 16 (1998), 23–38. 53 Zu einer Auseinandersetzung mit dem Begriff Zvilisierungsmission vgl. Barth, Boris/ Osterhammel, Jürgen (Hrsg.), Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert, Konstanz 2005. 54 Füllberg-Stolberg, Claus: The Moravian Mission and the Emancipation of Slaves in the Caribbean, in: Schmieder, Ulrike/ Füllberg-Stolberg, Katja/ Zeuske, Michael (Hrsg.), The End of Slavery in Africa and the Americas. A Comparative Approach, Berlin 2011, S. 81–102.

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die Positionierung der Mission in der Kolonialgesellschaft von der Sklaverei bis in die Postemanzipationszeit. Dies ist aufgrund der Bedeutung, den der eigenene Sklavenbesitz der Brüdergemeine in ihrer Auseinandersetzung mit der Antisklavereibewegung einnahm, unerlässlich. Daneben sind hier insbesondere die Arbeiten von Ellen Klinkers und Gert Oostindie hervorzuheben, die sich kritisch mit dem Spannungsfeld zwischen Mission und Missionsgemeinde in der direkten Postemanzipationszeit in Surinam beschäftigen und die Instrumentalsierung der Mission als Element struktureller Gewalt untersuchen.55

1.3. QUELLEN Die für diese Arbeit verwendeten Quellenbestände wurden in Deutschland, Dänemark, England, den USA und der Karibik recherchiert. Die wichtigste Basis bildeten die umfangreichen Bestände im Unitätsarchiv der Herrnhuter Brüdergemeine in Herrnhut, im Moravian Church House in London und in den Moravian Archives in Bethlehem, PA. Daneben wurden die Bestände staatlicher Provenienz der ehemaligen Kolonialmächte England und Dänemark hinzugezogen. Zentrale Quellen wurden im Public Record Office in Kew und im Rigsarkivet in Kopenhagen, sowie in den National Archives, Maryland Park ausgewertet. Schließlich sind an dieser Stelle die Archivbestände der British and Foreign Anti-Slavery Society zu nennen, die sich im Rhodes House, Oxford befinden. An Quellen lokaler Provenienz konnten die Bestände des Recorder of Deeds auf St. Croix und der National Archives auf St. Kitts eingesehen werden. Die Brüdergemeine sammelte schon früh wichtige Dokumente über ihre eigene Geschichte und die Generalsynode von 1764 beschloss die Gründung eines eigenen Archivs. Neben der Bewahrung aus heilsgeschichtlichen und aus juristischen Gründen spielte dabei auch der Wunsch nach der Kontrolle der eigenen Geschichte eine wesentliche Rolle.56 Die Quellen in den Archiven der Brüdergemeine werden von der internationalen Forschung erst langsam erschlossen. Die erforderliche Transkription der in deutscher Schrift des 18. und 19. Jahrhundert verfassten Archivalien bedeutet mehr als eine rein sprachliche Hürde. Die Vielzahl der verschiedenen Quellengruppen aus den Missionsgebieten bietet eine außergewöhnlich dichte Überlieferungslage. Im Idealfall sind Diarien der Missionstationen, Briefe sowie Protokolle verschiedener Konferenzen und Kirchenbücher vorhanden. Gerade bei der Auswertung von Briefen und Tagebüchern ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Teil eines globalen Kommunikationsnetzes waren. 55 Oostindie, Gert: Kerstening en familieleven. Herrnhutters, slaven en vrijgemaakten in de Boven-Commenwijne, 1852–1878, in: Meel, Peter/ Ramsoedh, Hans (Hrsg.), Ik ben een haan met een kroon op mijn hoofd. Pacificatie en verzet in koloniaal en postkoloniaal Suriname; Opstellen voor Wim Hoogbergen, Amsterdam 2007, 109–132, 313–317. Klinkers, Ellen: Moravian Missions in Times of Emancipation, Conversion of Slaves in Suriname during the Nineteenth Century, in: Gillespie, Michelle/ Beachy, Richard (Hrsg.), Pious Pursuits, German Moravians in the Atlantic World, New York, Oxford 2007, S. 207–222. 56 Mettele, Weltbürgertum, S. 23–25.

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Auszüge aus Briefen und den in Kopie eingesandten Diarien wurden in Periodika der Brüdergemeine veröffentlicht. Die Verbreitung innerhalb der Gemeinschaft sollte ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und gemeinsamen Identität schaffen. Dies hatte aber auch die Zensur jener Passagen zur Folge, die über Misserfolge berichteten und Kritik am Kolonialstaat übten. Den Verfassern war dies bewusst und ihre Briefe stellen in diesem Sinne keine private bzw. vertrauliche Korrespondenz dar.57 In dieser Arbeit werden v.a. bisher nicht oder kaum beachtete Quellen aus den Beständen der Brüdergemeine ausgewertet. Insbesondere für den Teil der Untersuchung, der sich mit dem eigenen Sklavenbesitz der Brüdergemeine beschäftigt, sind die detaillierten Jahresrechnungen aus den Missionsgebieten eine hervorragende Quelle. In ihren Berichten an die Missionszentrale informierten die Missionare über die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Missionstation und in diesem Zusammenhang auch über die eigenen Sklaven. Die beiliegenden Sklavenlisten erlauben eine Analyse der demographischen Entwicklung des Sklavenbestandes. Für Dänisch-Westindien liegen diese Listen für den Zeitraum von 1784 bis 1841 vor, so dass sie eine einmalige empirische Basis für eine kritische Analyse der Missionsklaverei bieten. Darüber hinaus erlauben die Berichte Rückschlüsse in Bezug auf die Verflechtung der Missionare als Plantagenbesitzer und Unternehmer in der Kolonialgesellschaft. Detaillierte Hintergründe über die Behandlung der Sklaven bieten zudem die Protokolle der Haus- und Helferkonferenzen. In diesen Gremien wurden das Zusammenleben auf dem Missionsplatz und grundlegende Themen des Missionsfeldes verhandelt, beide enthalten darum auch Informationen über die Sklaven der Mission. Die Abschaffung der Sklaverei in der Mission der Brüdergemeine wurde in verschiedenen Gremien, von den Synoden bis zu den lokalen Konferenzen im Missionsfeld, ausführlich thematisiert. Es ist deshalb möglich, den internen Entscheidungsprozess sowie die Handlungsstrategien der verschiedenen Akteure imklusive der Sklaven auf unterschiedlichen Ebenen nachzuvollziehen. Für das Kapitel, welches sich mit dem Verhältnis zwischen Missionaren und der Missionsgemeinde zur Zeit der Sklavenemanzipation in Britisch- und Dänisch-Westindien beschäftigt, konnte auf Briefe, Diarien und die verschiedenen Periodika der Brüdergemeine zurückgegriffen werden. Ergänzt werden die Quellen der Brüdergemeine durch die Bestände kolonialstaatlicher Provenienz und die der British and Foreign Anti-Slavery Society. So ist es möglich, anhand der Volkszählungen in Dänisch-Westindien die eigenen Angaben zum Sklavenbestand der Mission zu überprüfen und die Lebenswege ehemaliger Sklaven nachzuvollziehen. Des Weiteren bieten die Akten der Kolonialadministrationen Einblicke in das Verhältnis der Mission zum Kolonialstaat etwa in Hinsicht der Gründung von Missionsschulen. Die Bestände des Recorder of Deeds in Christiansted, St. Croix ermöglichen die Rekonstruktion des Siedlungsverhaltens auf der Missionsstation nach der Sklavenemanzipation. Es ist dadurch nachvollziehbar, wer und unter welchen Umständen Parzellen auf dem Land der Missionsstation erwarb. Bei einigen der Pächter handelte es sich um ehemalige 57 Ebd., S. 75–80.

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Sklaven der Brüdergemeine, deren Lebenswege sich somit auch in der Postemanzipationsphase rekonstruieren lassen.

1.4. GLIEDERUNG Die Schilderung des Verhältnisses der Herrnhuter Brüdergemeine zu Sklaverei und Sklavenemanzipation ist in drei Teile gegliedert. Ein erstes Kapitel beschäftigt sich mit dem eigenen Sklavenbesitz der Mission in der Karibik, der Schwerpunkt liegt dabei auf Dänisch-Westindien. Hier besaß die Brüdergemeine die meisten Sklaven und der Sklavenbesitz war Bestandteil der ökonomischen Strategie zur Finanzierung der Missionstätigkeit. Der erste Teil des Kapitels bietet eine grundlegende Übersicht über die strukturellen Voraussetzungen und theologischen Rahmenbedingungen, unter denen mit der Missionstätigkeit begonnen wurde. Es werden die grundlegenden Entwicklungen bei der Eatblierurung der Mission nachvollzogen und die internen Diskussionen in der Positionierung zur Sklavenfrage diskutiert. Daran schließt sich die Analyse der wirtschaftlichen Unternehmungen der Mission in Dänisch-Westindien an. Die Plantagenwirtschaft der Brüdergemeine wird hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung untersucht. Zudem werden mögliche Ursachen für den Wechsel von der Plantagensklaverei zu anderen Formen auf Sklavenarbeit basierender Erwerbstätigkeit diskutiert. Der letzte Teil des Kapitels widmet sich ausführlich der sozialen Praxis der Sklaverei innerhalb der Mission der Brüdergemeine. Anhand der Analyse der Missionsstationen als Lebens- und Arbeitsraum der Sklaven sowie weiterer Aspekte, wie Missionierung der eigenen Sklaven, Sklavenhandel und schließlich Bestrafung von Sklaven und Sklavenwiderstand, wird die Alltagsdimension der Sklaverei in der Mission erstmals ausführlich dargestellt. Das folgende Kapitel steht in enger Beziehung zum vorherigen und beschäftigt sich mit dem langen Prozess der Abolition der Sklaverei in der Mission der Brüdergemeine und des Verhältnisses der Kirche zur Sklavenemanzipation. Ausgehend von einer kritischen Analyse der missionseigenen Darstellung als indirekte Unterstützer der Antisklavereibewegung wird die interne und externe Diskussion um die Positionierung in der Frage der Sklavenemanzipation dargestellt. Im weiteren Verlauf wird erstmals ausführlich die Freilassung der Herrnhuter Sklaven in der britischen, dänischen und niederländischen Karibik untersucht. In diesem Zusammenhang wird ausführlich auf die Strategien der verschiedenen beteiligten Akteure eingegangen. So ist es etwa möglich die Entwicklung des Verhältnisses der Mission zu ihren eigenen Sklaven nach deren Freilassung nachzuvollziehen. Abschließend wird für die Untersuchung ein breiterer Fokus gewählt, um das Verhältnis zwischen Mission und Missionsgemeinde zur Zeit der Sklavenemanzipation zu untersuchen. Die im Einflussbereich der Missionare der Brüdergemeine entstandene missionarische Gesellschaft wird in Anlehnung eines Konzeptes von Helge Wendt analysiert. Dabei werden insbesondere die Statusunterschiede innerhalb der Gruppe der Missionare und Gemeindemitglieder, wie auch gegenseitige

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Abhängigkeiten, dargestellt. Schließlich widmet sich das Kapitel drei zentralen Aspekten die für die Sklavenemanzipation auf St. Kitts und St. Croix einschlägig sind. Erstmals wird die Bedeutung der Mission für das Entstehen sowie die Teilnahme von Gemeindemitgliedern an den (Post)-Emanzipationsrebellionen auf St. Kitts 1834 und St. Croix 1848 untersucht. Es folgt eine Analyse der Entwicklung der Missionsschulen und v.a. der damit verbundenen unterschiedlichen Erwartungshaltungen von Pflanzern, Missionaren und ehemaligen Sklaven. Letztlich wird auf das Verhältnis der Mission zu den in den Schulen angestellten indigenen Lehrern eingegangen. Es wird kritisch hinterfragt, inwieweit diese tatsächlich in die missionarische Gesellschaft der Brüdergemeine integriert waren.

2. „INSELN DER MENSCHLICHKEIT“1? – SKLAVEREI IN DER MISSION DER HERRNHUTER BRÜDERGEMEINE Als „Inseln der Menschlichkeit in einer Welt der Sklaverei und wirtschaftlicher Ausbeutung“ bezeichnet Dietrich Meyer in seinem Standardwerk zur Geschichte der Herrnhuter Brüdergemeine die Lebensverhältnisse auf den Missionsstationen.2 Mit dieser Einschätzung repräsentiert er ein weit verbreitetes Urteil, die Sklaverei in der Mission der Brüdergemeine sei durch eine besonders humane Behandlung der eigenen Sklaven gekennzeichnet gewesen. In einem 1965 erschienenen Aufsatz vertritt etwa Oliver Furley die Einschätzung, dass die Missionare aufgrund ihrer engen persönlichen Beziehung zu den eigenen Sklaven, „hardly would have recognized the fact that they were slaveowners“.3 Es steht fest, dass das Verhältnis zwischen Sklaven und Missionaren auf den Missionsstationen bisher nicht wissenschaftlich untersucht worden ist.4 Der Sklavenbesitz von Missionsgesellschaften und Kirchen war in der Karibik bis zur Abschaffung der Sklaverei nicht ungewöhnlich.5 Häufig gab es nur wenige Haussklaven, die als Dienstpersonal tätig waren. Dies war z.B. bei den Pfarreien der dänisch-lutherischen Kirche in Westindien der Fall.6 Eine größere Anzahl von Sklaven besaßen v.a. die Jesuiten, Herrnhuter und die Anglikanische Kirche.7 Sie 1 2 3 4

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Meyer, Dietrich: Zinzendorf und die Herrnhuter Brüdergemeine, Göttingen 2007, S. 76. Ebd. Furley, Oliver: Moravian Missionaries and Slaves in the West Indies, in: Caribbean Studies 5 (1965), S. 3–16, hier S. 6. Sensbach, Jon, „Don’t Teach My Negroes to Be Pietists.“ Pietism and the Roots of the Black Protestant Church, in: Strom, Jonathan/ Lehmann, Hartmut/ van Horn Melton, James (Hrsg.), Pietism in Germany and North America 1680–1820, Farnham 2009, S. 183–198, hier S. 194 (Anm. 21): „The unsual relationship of masters and slaves on these plantations who were also brothers and sisters in Christ has never been thoroughly explored.“; Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 85. Bereits Eric Williams erwähnt 1944 auch den Sklavenbesitz der Brüdergemeine. Vgl. Ders., Capitalism and Slavery, Richmond, VA 1944, S. 43: „The Moravian missionaries in the islands held slaves without hesitation.“ Larsen, Jens: Virgin Islands Story. A History of the Lutheran State Church, other Churches, Slavery, Education, and Culture in the Danish West Indies, now the Virgin Islands, Philadelphia PA 1950, S. 181f. Zu den karibischen Plantagen der Jesuiten vgl. Lenik, Stephan: Mission plantations, space and social control. Jesuits as planters in French Caribbean colonies and frontiers, in: Journal of Social Archaeology 12 (2012), S. 51–71. Zum Sklavenbesitz der Anglikanischen Kirche in Barbados vgl. Glasson, Travis: Mastering Christianity. Missionary Anglicanism and Slavery in the Atlantic World, Oxford 2012, S. 141–170. Zur Sklaverei der Herrnhuter Brüdergemeine innerhalb ihrer nordamerikanischen Gemeinorte, vgl. die Studie zu Salem von Sensbach, Jon F.: A Separate Canaan. The Making of an Afro-Moravian World in North Carolina, 1763–1840, Chapel Hill, NC 1998. Zum Sklavenbesitz der Brüdergemeine in den karibischen

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alle hatten gemeinsam, dass ihr Sklavenbesitz das wirtschaftliche Bestehen ihrer Missionsunternehmungen unterstützen sollte. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Codrington Plantage mit ca. 300 Sklaven der anglikanischen Society for Propagating the Gospel (SPG) auf Barbados. Durch die Sklavenarbeit sollte in der Regel die Finanzierung der Mission sichergestellt8 und gleichzeitig die Sklavengemeinschaft christianisiert werden.9 Diese Ziele ließen sich, wie das Scheitern einer Missionierung der eigenen Sklaven auf der Codrington Plantage zeigt, in der Praxis kaum verwirklichen. Von Christian Degn wird das Beispiel der SPG deshalb als Kontrastprogramm zum Sklavenbesitz der Brüdergemeine stilisiert.10 Ob es sich bei der Sklavenhaltung in der Brüdergemeine allerdings tatsächlich um eine gelungene Symbiose ökonomischer Interessen und eines diakonischen Auftrags handelte, wie von der Missionshistoriographie propagiert, wird eine der leitenden Fragen dieses Kapitels sein. Im Folgenden soll die Sklavenhaltung in der Mission der Brüdergemeine analysiert und dabei das Urteil, bei den Plantagen der Missionare habe es sich um „Inseln der Menschlichkeit“ gehandelt, kritisch hinterfragt werden. Dabei wird nicht der Sklavenbesitz von einzelnen Mitgliedern der Brüdergemeine,11 sondern der Sklavenbesitz der Kirche in den karibischen Missionsgebieten Gegenstand der Untersuchung sein. Die Situation in Dänisch-Westindien wird den Schwerpunkt dieser Untersuchung bilden. Dies liegt v.a. darin begründet, dass es sich hier um den zahlenmäßig größten Besitz an Sklaven der Mission handelte und ein einmaliger Quellenbestand dessen empirische Analyse ermöglicht. Es soll, soweit dies anhand der Quellen möglich ist, versucht werden, sich den Lebensverhältnissen der Sklaven anzunähern. In diesem Sinne ist es das Ziel, ein möglichst umfassendes Bild der Rahmenbedingungen des Lebens in der Sklavengesellschaft der Brüdergemeine zu erhalten. Neben dem Fokus auf die Lebensumstände der Sklaven widmet sich das Kapitel auch der Diskussion um die Sklaverei innerhalb der Brüdergemeine und der Bedeutung, die die mit Sklaven betriebenen Gewerbe für das wirtschaftliche Bestehen der Mission besaßen. Das Kapitel ist in drei Abschnitte unterteilt. Zuerst werden die theologischen, strukturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Missionstätigkeit in den karibischen Plantagengebieten dargestellt. Ein zweiter Teil untersucht die Bedeutung der mit Sklaven betriebenen Gewerbe für die ökonomische Existenz der Mission und die demographische Struktur des Sklavenbestandes der Brüdergemeine. Der dritte Teil des Kapitels versucht sich den Lebensverhältnissen der Sklaven anhand von systematischen Kategorien anzunähern. Plantagenkolonien, vgl. Degn, Christian: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Zwischen Gewinn und Gewissen, Neumünster ³2000, S. 52f., S. 58, S. 448–463. 8 Lenik, Mission plantations, S. 53. 9 Glasson, Mastering Christianity, S. 141–170. 10 Degn, Die Schimmelmanns, S. 58: „Die Tätigkeit der Brüder hebt sich deutlich ab von einem Materiell viel besser fundierten Unternehmen auf der britischen Insel Barbados.“ 11 Auch Privatpersonen innerhalb der Brüdergemeine war der Besitz von Sklaven nicht verboten. Vgl. Sensbach, A Separate Canaan, S. 273–277, hier S. 273: „By 1830, the approximately 1,500 white Moravians [in North Carolina] owned about 350 slaves.“

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2.1. DIE ANFÄNGE DER MISSION DER BRÜDERGEMEINE IN DEN KARIBISCHEN MISSIONSGEBIETEN 1722 gestattete Nikolaus Graf Zinzendorf (1700–1760) einer Gruppe mährischer Glaubensflüchtlinge, die aufgrund der Gegenreformation ihre Heimat verlassen mussten, die Ansiedlung auf seinem Gut in Berthelsdorf. Unter der Beteiligung Zinzendorfs kam es 1727 zur Entstehung der Herrnhuter Brüdergemeine. Während v.a. im deutschen Sprachraum der Name Herrnhuter Brüdergemeine bekannt ist, der sich auf die neugegründete Siedlung bezog, ist im Englischen die Bezeichnung Moravian Church, in Anlehnung an die geographischen Ursprünge der Gemeinde, verbreitet. Den Anstoß zur Mission erhielt die Brüdergemeine, so die eigene Überlieferung, während einer Reise Zinzendorfs nach Kopenhagen. Zinzendorf sei im Rahmen der Krönung des dänischen Königs Christian VI., zu welcher er als entfernter Verwandter der Königin erschien, auf den „Kammermohren Anton“ getroffen, der als getaufter Sklave des Vorstandes der dänisch-westindischguineischen Kompanie nach Dänemark gekommen war. Anton habe von seiner ungetauften Schwester sowie von anderen noch unbekehrten Sklaven berichtet, welche mit Freude die Lehre vom Heiland empfangen würden. Nicht nur Zinzendorf, sondern auch die Mitglieder der Brüdergemeine seien von der Idee einer Übersee-Mission angetan gewesen und so wurden bereits im darauffolgenden Jahr, 1732, Leonhard Dober und David Nitschmann als erste Missionare nach St. Thomas entsandt.12 So eindrucksvoll diese Version der Anfänge der Mission auch sein mag, weil sie das Motiv der altruistisch handelnden Missionare in den Mittelpunkt stellt, so sehr vernachlässigt sie doch die weiteren Faktoren, die Zinzendorf und die Brüdergemeine in ihrem Handeln beeinflussten. Zinzendorf selbst war bereits von Kindheit an durch seine lutherisch-pietistische Erziehung und durch den persönlichen Kontakt mit Missionaren der dänisch-hallischen Mission während seiner Schulzeit in Halle geprägt worden. Beides sollte sein späteres Handeln als religiöse Führungspersönlichkeit beeinflussen. Seine Herkunft aus dem Hochadel und seine Funktion als Standesherr boten ihm zudem die nötigen Ressourcen und weltliche Autorität, die er als Grundlage für die Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen und die Neugründung der Brüdergemeine benötigte. Ohne Zinzendorfs religiöse Prägung und seinen weltlichen Status wäre eine Ansiedlung mährischer Glaubensflüchtlinge unter der Zusicherung von Religionsfreiheit nicht möglich gewesen. Das Zusammentreffen zwischen Zinzendorf und Anton in Kopenhagen 1731, geschah zudem nicht innerhalb eines historischen Vakuums. Im selben Jahr beschwerte sich Kaiser Karl VI., aufgrund der erneuten Aufnahme von mährischen Glaubensflüchtlingen in Herrnhut, beim sächsischen Kurfürsten. Die in der Folge 12 Füllberg-Stolberg, Claus: The Moravian Mission and the Emancipation of Slaves in the Caribbean, in: Schmieder, Ulrike/ Füllberg-Stolberg, Katja/ Zeuske, Michael (Hrsg.), The End of Slavery in Africa and the Americas. A Comparative Approach, Berlin 2011, S. 81–102, hier S. 81; Sensbach, A Separate Canaan, S. 31f.

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eingesetzte Untersuchungskommission gegen Herrnhut zog unter anderem das erste Exil Zinzendorfs nach sich. Ob die mährischen Exulanten weiterhin in Herrnhut bleiben konnten, war also zum Zeitpunkt des Treffens zwischen Anton und Zinzendorf in Kopenhagen ungewiss. Die unsichere Lage der Brüdergemeine in Sachsen verstärkte eine bereits vorhandene grundsätzliche Bereitschaft der Brüdergemeine zur Mission, zumal diese im Zusammenhang mit Siedlungsprojekten besonders reizvoll erschien.13 Die Aussendung der ersten Missionare nach Dänisch-Westindien im August 1732 bildete nur den Beginn einer weltweiten Missionstätigkeit. Prägend war in ihrer frühen Phase die Initiative Zinzendorfs und seine persönlichen Kontakte. Deutlich wird dies z.B. durch die enge Beziehung Zinzendorfs zum dänischen Königshaus und eine damit einhergehende Ausrichtung der Mission in die dänischen Kolonien. Dänemark begann erst im 17. Jahrhundert mit dem Erwerb von außereuropäischen Kolonialgebieten. Die Karibikinsel St. Thomas wurde 1671 in Besitz genommen, 1718 folgte die benachbarte Insel St. John und 1733 kaufte Dänemark von Frankreich St. Croix. Der Erwerb dieser letzten und größten Insel beendete die dänische Expansion in der Karibik.14 Die dänische Kolonisation war aber nicht auf die Karibik beschränkt. Dementsprechend kam es zur Aussendung von Missionaren nach Grönland (1733) sowie nach Tranquebar und auf die Nikobaren (1760). Durch die guten Kontakte von Zinzendorfs engem Vertrauten Spangenberg in den Niederlanden folgten weitere Missionsunternehmungen in den niederländischen Kolonien Surinam und Berbice (1737). Daneben bestanden bereits Kontakte Zinzendorfs nach England, die zur Vorbereitung einer Mission in den britischen Kolonien dienten, die 1735 in Georgia ihren Anfang nahm und schließlich zur Gründung des Gemeinortes Bethlehem in Pennsylvania (1741) führte. Nachdem gerade die frühe Phase der Mission von der persönlichen Initiative Zinzendorfs geprägt war, ist der Beginn der Mission auf den verschiedenen britischen Karibikinseln vielfach auf die Initiative von Pflanzern zurückzuführen. In Jamaika waren es John Foster Barham und William Foster, die sich 1754 an Zinzendorf mit der Bitte wandten, dass dieser ihnen Missionare für die seelsorgerische Betreuung der Sklaven auf ihrer Plantage senden möge. Im Gegenzug unterstützten sie die Mission durch die Bereitstellung von Verpflegung und Unterkunft.

13 Beck, Hartmut: Zinzendorfs Missionsmotive und die Anfänge der Mission bis 1760, in: Unitätsarchiv Herrnhut (Hrsg.), Graf ohne Grenzen. Leben und Werk von Nikolaus Ludwig Graf Zinzendorf, Herrnhut 2000, S. 82–88, hier S. 83f.; Meyer, Zinzendorf, S. 37–43. Zinzendorf wurde zudem aufgefordert, seine Güter in Berthelsdorf zu verkaufen, einen ordinierten Geistlichen anzustellen und die Schwenkfelder eine weitere protestantische Gruppe, der Zuflucht gewährt worden war, auszuweisen. 14 Degn, Die Schimmelmanns, S. 38–41; Hall, Neville A. T. (Higman, Barry W., Hrsg.): Slave Society in the Danish West Indies. St. Thomas, St. John and St. Croix, Baltimore 1992, S. 6– 17.

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Solche Einladungen von Pflanzern folgten später in ähnlicher Weise in Antigua (1756), St. Kitts (1774), Tobago (1790) und Barbados (1765).15 Es wird deutlich, dass für die Entstehung der weltweiten Missionstätigkeit der Herrnhuter Brüdergemeine viele verschiedene Faktoren zu berücksichtigen sind. Zinzendorf verfügte als Reichsgraf über die weltliche Macht, die die Voraussetzung für eine Ansiedlung der mährischen Glaubensflüchtlinge war. Seine eigene pietistische Religiosität war eine Bedingung für das Entstehen der neu gegründeten Herrnhuter Brüdergemeine. Der Beginn der Mission im Jahr 1732 folgte keiner langfristigen Planung und kann auch als Konsequenz einer Anpassung an die Bedrohung des neu entstandenen Gemeinwesens verstanden werden.

2.1.1. Theologische Rahmenbedingungen Den ersten Missionaren, die 1732 in die Karibik ausgesandt wurden, gab die Brüdergemeine keine detaillierten Missionsinstruktionen mit auf den Weg.16 Ihre Aufgabe sollte es sein, so schrieb Zinzendorf rückblickend, „eine Seele zum Heiland zu bringen, und was der Heiland sonst mehr geben würde.“17 Erst in zwei 1738 und 1740 veröffentlichten Instruktionen zur Missionsstätigkeit legte Zinzendorf grundsätzliche Verhaltensnormen für die Missionare im Missionsgebiet fest.18 Dabei bildete seine Anweisung, dass sich diese nicht der staatlichen Autorität widersetzen sollten und sich aus Politik und Handel herauszuhalten hätten, eine wesentliche Bedingung für die Akzeptanz der Mission durch die jeweilige Kolonialmacht.19 Diese Leitfäden waren durch die Erfahrungen der ersten Missions15 Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 58f., S. 166f.; Goveia, Elsa: Slave Society in the British Leewards at the End of the Eighteenth Century, New Haven, 1965, S. 271f.; Hunte, Keith: Protestantism and Slavery in the British Caribbean, in: Lampe, Armando, (Hrsg.), Christianity in the Caribbean. Essays on Church History, Kingston 2001, S. 86–125, hier S. 100f. 16 Mason, John C.: The Moravian Church and the Missionary Awakening in England 1760– 1800, Woodbridge 2001, S. 95; Bintz, Helmut (Hrsg.): Texte zur Mission von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Hamburg 1979, S. 28. 17 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von, Instruktionen an alle Heidenboten 1738, in: Bintz, Texte zur Mission, S. 50–55, hier S. 51. 18 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von, Instruktionen an alle Heidenboten 1738, in: Bintz, Texte zur Mission, S. 50–55; Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von, Einfältiger Aufsatz der Evangelisch-Mährischen Kirche wegen ihrer bisherigen und künftigen Arbeit unter den Wilden, Sklaven und anderen Heiden, 1740, in: Bintz, Texte zur Mission, S. 56–59. 19 Zinzendorf, Instruktionen, 1738, in: Bintz, Texte zur Mission, S. 53: „Im geringsten Stück gegen die Polizei handeln und die Obrigkeit ombragieren.“ Zinzendorf, Einfältiger Aufsatz, 1740, in: Bintz, Texte zur Mission, S. 56–59, hier S. 58: „Die Connexion der Obrigkeit mit den Heiden durch die Evangelischen Maximen nicht zu stören. […] Einigen Einfluß ins Politikum oder Commercia nicht zu suchen, sondern uns in nichts einzulassen.“ Zu Zinzendorfs Überlegungen zur Mission vgl. Wessel, Carola: „Es ist also des Heilands Predigtstuhl so groß so weit als die ganze Welt.“ Zinzendorfs Überlegungen zur Mission, in: Brecht, Martin/ Peucker, Paul (Hrsg.), Neue Aspekte der Zinzendorf-Forschung, Göttingen 2006, S. 163–173, die auch betont, dass es sich um keine von Zinzendorf ausformulierte Missionstheorie handelt, sondern vielmehr um verschiedene Äußerungen und Instruktionen.

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versuche der Brüdergemeine geprägt worden.20 Gerade in den karibischen Missionsgebieten war die Akzeptanz des politischen status quo eine wesentliche Voraussetzung für die Missionsstätigkeit.21 Insofern war es unumgänglich, dass sich die Mission zur Sklaverei als gesellschaftliche Institution in den karibischen Missionsgebieten positionierte. Deutlich wird dies bereits 1735 in den Verhandlungen August Gottlieb Spangenbergs mit den Direktoren der Sozietät von Surinam über die Möglichkeit eines Missionsversuches in der niederländischen Kolonie. Der 1704 geborene Spangenberg war während seines Theologiestudiums in Jena mit Herrnhuter Studenten in Kontakt gekommen und trat nach seiner Entlassung aus der Theologischen Fakultät in Halle/Saale in die Brüdergemeine ein.22 Er war neben Zinzendorf maßgeblich für den Aufbau und die Organisation der weltweiten Gemeinschaft verantwortlich, wie auch sein Engagement in Amsterdam belegt. Bevor eine Mission begonnen werden konnte, musste Spangenberg sich zunächst mit der Sozietät von Surinam auf grundlegende Richtlinien einigen. Dabei war für die Eigentümer der Kolonie v.a. die Frage, welche Einstellung die Herrnhuter zur Sklaverei haben, von wesentlicher Bedeutung. In einem Brief an seinen Amsterdamer Vertrauten Isaac Le Long gab Spangenberg seine Antwort wie folgt wieder: „Da wurde ich nun gefragt, was sie [die Herrnhuter Brüdergemeine] wegen der Sclaven sentirten? Ich antwortete, wie sie glaubten, man müsse sie suchen zu Christo zu bringen, sie aber alsdann ermahnen, doppelte Treu und Fleiss zu beweisen, und deswegen keine leibliche Freiheit zu verlangen, wohl aber mit Dank anzunehmen, wenn sie ihnen ultro gegeben würde. Hiermit waren sie zufrieden.“23

Spangenberg versicherte somit der Sozietät von Surinam, dass die Missionstätigkeit nicht das Ziel habe, die Sklaven in ihrem Wunsch nach körperlicher Freiheit zu bestärken. Er betont im Gegenteil die Attraktivität der Missionsbotschaft dadurch, dass diese die Verpflichtung der bekehrten Sklaven zu Treue und Fleiß

20 Bis 1740 hatte die Brüdergemeine Missionsversuche in Dänisch-Westindien, Surinam, Grönland, Georgia, dem Baltikum, Südafrika, der Goldküste, dem Orient und unter den Juden in Amsterdam unternommen. Insbesondere die Versuche in Georgia und Afrika erwiesen sich als Misserfolge und wurden schon bald wieder aufgegeben. Für einen allgemeinen Überblick vgl. Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 37–175. 21 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 82: „This was the necessary precondition in order for a religious congregation to be officially accepted in British, Danish and Dutch W.I. during the time of slavery.“ Beck, Hartmut: Die Jungferninseln – Phase und Modell der Missionsgeschichte, in: Meier, Gudrun, u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp, Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan, Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 9–52, hier S. 30f. 22 Mai, Claudia: Spangenberg, August Gottlieb, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb. von Schattkowsky, Martina, OnlineAusgabe: http://www.isgv.de/saebi/ (9.1.2014). 23 Zitiert nach Zeefuik, Karel: De Hernhutter zending en de Haagse maatschappij 1828–1867. Een hoofdstuk uit de geschiedenis van zending en emancipatie in Suriname, Utrecht 1973, S. 33.

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gegenüber ihren Besitzern in den Vordergrund stelle.24 Die Mission der Brüdergemeine würde die Sklaven fügsamer und fleißiger machen. Damit griff Spangenberg bereits auf jene Argumente zurück, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als Wegbereiter in den karibischen Plantagengebieten wirken sollten.25 In der Formulierung, dass die Sklaven die Freiheit mit „Dank annehmen sollen“, wenn sie ihnen „ultro“ gegeben würde, meint Karel Zeefuik, eine Forderung Spangenbergs zu erkennen, dass „die Sklaven später in der Zeit doch frei kommen müssen.“26 Spangenberg habe also hier schon die Emanzipation vorausgesehen. Ebenso wahrscheinlich ist jedoch, dass Spangenberg durch die Verwendung des Adverbs „ultro“27 auf die körperliche Freiheit christlicher Sklaven in einem Leben nach dem Tod hinweisen wollte. Eine weitere Auslegung wäre, dass er nicht die körperliche Freiheit, sondern die Freiheit von der Sünde meint, wie es auch Christoph Reichel aus Anlass des 150-jährigen Jubiläums der Sklavenemanzipation in einer offiziellen Erklärung der Kirche vorschlägt.28 Richtig ist allerdings, dass die Brüdergemeine das grundsätzliche Recht der Freigebung von Sklaven und somit eine Veränderung des weltlichen Status nicht ablehnte.29 Die Voraussetzung hierfür musste allerdings sein, dass der Eigentümer selbst seinen Sklaven die Freiheit schenkte. Eine eigene Initiative des Sklaven war in diesem Verständnis nicht vorgesehen. Zinzendorf war bewusst, dass eine weitgehende Aufhebung der sozialen Hierarchien innerhalb der Brüdergemeine von der Außenwelt als Gefahr für die bestehende Sozialordnung wahrgenommen wurde. Dies hatte sich bereits bei der Emigration Leibeigener aus Böhmen und Mähren nach Sachsen und in die Oberlausitz gezeigt, welche häufig ohne die Auflösung feudaler Bindungen geschah, und schließlich diplomatische Verwicklungen nach sich zog.30 Ähnliche Probleme erwarteten Zinzendorf bei seinem Besuch auf St. Thomas, wo vor dem Hintergrund des erst vor wenigen Jahren niedergeschlagenen Sklavenaufstandes auf St.

24 Kesler, C. K.: Hoe de eerste Herrnhutters naar Suriname kwamen, in: Tijdschrift voor Geschiedenis 50 (1935), S. 389–399, hier S. 394f.: „De voornaamste werkzaamheid der zendelingen diende erop gericht te zijn, hen tot het Christendom te brengen en hen daarbij steeds te vermanen, trouw en vlijtig hun werk te doen.“ [Das vornehmliche Ziel der Mission war darauf ausgerichtet, sie [die Sklaven] zum Christentum zu führen und dabei stets zu ermahnen, treu und fleißig ihre Arbeit zu tun.] 25 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 87. 26 Zeefuik, Herrnhuter zending, S. 33: „Niet tot revolte aanzetten, maar wel van stonde af er aan denken dat „ultro“, verder in de tijd, de slaven toch vrij zullen moeten komen.“ [Keine Revolte anzufangen, aber so bald als möglich daran denken, dass „ultro“, später in der Zeit, die Sklaven doch frei kommen müssen. Übersetzt von JH] 27 Georges, Karl Ernst: Ausführliches lateinisches deutsches Handwörterbuch, Hannover 81918 [ND 1998], Bd. 2, Sp. 3288f. 28 Reichel, Christof: 1. Juli 2013. 150 Jahre Befreiung von Sklaven in Surinam, in: http://www.ebu.de/brueder-unitaet/weltweite-kirche/ketikoti/brief-christoph-reichel/ (letzter Zugriff 12.02.2014). 29 Darauf hat bereits Kesler, Herrnhutters, S. 395 hingewiesen. 30 Zur Zuwanderung von ländlichen Unterschichten und Leibeigenen nach Sachsen vgl. Schunka, Alexander: Gäste die bleiben: Zuwanderer in Kursachsen und der Oberlausitz im 17. und frühen 18. Jahrhundert, Hamburg 2006, 34f.

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John, jedes Signal, das die Sklaverei in Frage stellen würde, von Pflanzern und Kolonialbeamten als Angriff gegen die bestehende soziale Ordnung verstanden worden wäre und zwangsläufig das Ende der Mission zur Folge gehabt hätte.31 Vor mehr als 300 Sklaven, Pflanzern, Vertretern der Kolonialregierung und den Missionaren erklärte Zinzendorf deshalb, dass die Sklaven treu und fleißig ihren Herren dienen sollten und ein jeder in dem Stand zu bleiben hätte, in dem Gott ihn gesetzt habe.32 Denn die Schwarzen, so der Graf, seien mit der Sklaverei infolge einer göttlichen Strafe belegt worden. Zinzendorf bediente sich der biblischen Episode von der Verfluchung Hams,33 die in ihrer protestantischen Interpretation als Legitimationsbasis für die Versklavung, der aus Afrika verschleppten Bevölkerung, verwendet wurde.34 Die Sklaverei war somit eine von Gott den Afrikanern auferlegte Strafe. Folglich konnte durch die Konversion zum christlichen Glauben keine körperliche Freiheit erlangt werden. Diese öffentliche Erklärung kostete Zinzendorf keine Überwindung, sondern entsprach vielmehr seinem eigenen aristokratischen und lutherisch-pietistischen Weltbild.35 In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass die Gruppe der Missionare selbst sich dagegen häufig aus niederen gesellschaftlichen Schichten rekrutierte. Unter den ersten nach Dänisch-Westindien gesandten Missionaren waren z.B. Töpfer, Zimmermänner und Schneider.36 Die sozialen Probleme der Sklaverei wurden von den Missionaren durchaus erkannt und kritisiert. Gerade die Tagebücher der ersten Missionare auf St. Thomas zeigen die enge Verbindung, die die Missionare zu ihren Konvertiten hatten.37 Auch Spangenberg äußerte sich in privaten Briefen kritisch zur Sklaverei. Er war selbst in den karibischen Missionsgebieten gewesen und hatte sowohl von Sklaven wie auch von den Missionaren Informationen über die unmenschlichen Lebensverhältnisse auf den Plantagen erhalten. So bezeichnete Spangenberg in einem Brief an Isaac Le Long die Sklaverei als menschenver31 Sensbach, Jon F.: Rebecca’s Revival, Creating Black Christianity in the Atlantic World, Cambridge/Mass. 2004, S. 142f. 32 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 351. 33 1. Buch Mose 9,25: „Sprach er [Noah]: Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte!“ Ham ist der Vater Kanaans und Sohn Noahs. Die Verfluchung seines Sohnes Kanaan bildet die Basis für die biblische Legitimation der Sklaverei. 34 Für eine Untersuchung der verschiedenen Deutungen von 1. Mose 9,25 in Bezug auf die Legtitimation von Unfreiheit, zunächst von Leibeigenen, dann für die Versklavung der Bewohner Afrikas vgl. Whitford, David: The Curse of Ham in the Early Modern Era. The Bible and the Justifications for Slavery, Aldershot 2009. Der Autor verdeutlicht den Bedeutungswandel der Textpassage in ihren historischen Kontexten und kommt zu dem Ergebnis, dass Genesis 9 als Folie für das diente was der jeweilige Bearbeiter darin sehen wollte, aber nicht dafür, was der Text selbst aussagt (Ebd. 171f.). 35 Sensbach, Rebecca’s Revival, S. 86; Sensbach, A Separate Canaan, S. 34f. 36 Raphael-Hernandez, Heike: Black Caribbean Empowerment and Early Eighteenth-Century Moravian Mission Documents, in: Slavery & Abolition 36 (2015), S. 328f. 37 Füllberg-Stolberg, Claus: Die Herrnhuter Mission, Sklaverei und Sklavenemanzipation in der Karibik, in: Hermann-Otto, Elisabeth (Hrsg.), Sklaverei und Zwangsarbeit zwischen Akzeptanz und Widerstand, Hildesheim, Zürich und New York, 2011, S. 254–280, hier S. 256; Kröger, Rüdiger (Hrsg.), Leonhard Dober und der Beginn der Herrnhuter Mission, Herrnhut 2006, S. 64–70.

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achtendes System,38 lehnte aber gleichzeitig die Emanzipation in Folge einer erfolgreichen Konversion zum Christentum ab, weil er bezweifelte, dass der befreite Sklave weiter arbeiten würde.39 Er nahm somit die Befürchtungen der Pflanzer im 19. Jahrhundert, dass sich das Plantagensystem nach der Abschaffung der Sklaverei nicht aufrecht erhalten ließe, vorweg. Mit einer solchen Position stand Spangenberg nicht allein da. Auch der aus Westindien zurückreisende Missionar David Nitschmann bezog in ähnlicher Hinsicht Stellung zur Sklavenfrage. Als die dänische Königin ihn fragte, ob nicht die Konversion der Sklaven erfolgreicher verliefe, wenn alle christlichen Sklaven die Freiheit erlangen würden, soll Nitschmann geantwortet haben, dies würde nur „Heuchler“ hervorbringen.40 Natürlich war er auch aus diplomatischen Gründen gezwungen, gegenüber einer Vertreterin der Kolonialmacht einen solchen Standpunkt einzunehmen. Gleichzeitig entsprach diese Position auch dem Herrnhuter Verständnis von Mission. Das Ziel war keine Massenkonversion, sondern vielmehr die Suche nach den wahren Gläubigen.41 Die verschiedenen Aussagen verdeutlichen, dass aus Sicht der Brüdergemeine nicht die Abschaffung der Sklaverei das Ziel der Mission sein konnte. Dennoch hatte die Missionierung unter den Sklaven einen indirekten Einfluss auf das Plantagensystem. Die Anerkennung der Sklaven „as human beings and spiritual brothers and sisters and the propagation of amelioration were“, wie Claus FüllbergStolberg schreibt, „the subversive qualities of the Moravians within the limits of slavery.“42 Schließlich gestattete die Kirchenleitung die Heirat des Missionars Matthäus Freundlich mit der Mulattin Rebekka. In der dänisch-westindischen Kolonialgesellschaft lösten sie damit einen Skandal aus, der dazu führte, dass die Missionare ins Gefängnis gesteckt wurden und erst durch die Intervention Zinzendorfs wieder freigelassen wurden.43 Darin unterschieden sich die Missionare von Kolonialbeamten, Sklavenhändlern und Pflanzern. Dies war einer der Gründe, der die Konversion für die Sklaven attraktiv machte. Durch ihren eigenen christlichen Lebenswandel konnten sich die Sklaven, zumindest auf einer spirituellen Ebene, über ihre Besitzer erheben.44 Dies darf natürlich nicht als Forderung nach einer Sklavenemanzipation, wie auch die vorher genannten Zitate verdeutlichen, missverstanden werden.

38 „Die Sklaverei in Westindien ist ein so unmenschliches Ding, daß einem die Haare zu Berge stehen.“ zitiert nach Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 46; Zeefuik, Herrnhuter zending, S. 33f. 39 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 83. 40 Hutton, James: A History of Moravian Missions, London 1922, S. 40: „That would be the way to make hypocrites.“ 41 Wessel, Heilands Predigtstuhl, S. 171; Bintz, Texte zur Mission, S.27; Füllberg-Stolberg, Herrnhuter Mission, S. 257. 42 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 84. 43 Zu Rebekka vgl. ausführlich Sensbach, Rebecca’s Revival. 44 Sensbach, Pietism, S. 189, betont, dass sich die Konvertiten durch ihr positives Verhalten von den weißen „so-called Christians“ abheben konnten: „Unfree workers now could cite the scriptures to show that the masters’ power was irrelevant in the eyes of the lord.“

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Die bisher besprochenen Äußerungen von Führungspersönlichkeiten und Missionaren der Brüdergemeine zum Verhältnis zwischen Mission und Sklaverei waren nicht Bestandteil eines festen Regelwerks. Sie bildeten jedoch den Rahmen, aus dem sich in der Folge eine offizielle Position der Brüdergemeine zur Sklaverei entwickeln sollte. Es kam zur Publikation von Missionsinstruktionen in denen auf das Verhältnis zwischen Mission und weltlicher Obrigkeit im Allgemeinen eingegangen wurde, aber auch bereits auf die Besonderheiten in den karibischen Plantagengebieten verwiesen wurde.45 Stück für Stück entstand ein Handlungsrahmen, an dem sich die Missionare orientieren konnten. Ihren vorläufigen Abschluss erreichte die theologische Auseinandersetzung des Verhältnisses zwischen Brüdergemeine und Sklaverei durch die von Spangenberg, der bestimmenden Persönlichkeit in der Brüdergemeine nach Zinzendorfs Tod, herausgegebenen Schriften. Spangenberg stand für eine konservative Neuausrichtung. Sein Ziel war es, der Gemeinschaft zu gesellschaftlicher Akzeptanz zu verhelfen. In seinem für die Entwicklung einer Missionsideologie der Brüdergemeine wesentlichem Werk, Von der Arbeit der evangelischen Brüder unter den Heiden46 (1782), setzte sich Spangenberg mit dem Verhältnis von Mission und Sklaverei auseinander. Im § 32 seiner Abhandlung ging er auf die Befürchtungen der Pflanzer ein, die sie mit einer Bekehrung der Sklaven verbanden. Dabei spielte aus ihrer Sicht die Sorge, dass durch die Bildung der Sklaven im Lesen und Schreiben, die Gefahr einer Sklavenrebellion steigen könnte, eine wesentliche Rolle.47 Dieser Besorgnis begegnete Spangenberg in seiner Darstellung. Die Missionare, so Spangenberg, würden die Sklaven daran erinnern, „daß es nicht von ohngefehr ist, sondern von GOtt [sic] kommt, daß ein Mensch, ein Herr, und der andre, ein Sclav ist“.48 Damit orientierte er sich stark an der von Zinzendorf in seiner Abschiedsrede auf St. Thomas gegebenen Legitimation der Sklaverei. Spangenberg bezog sich zudem auf die Legitimation staatlicher Autorität im 13. Kapitel des Briefs des Apostel Paulus an die Römer. Dort heißt es, dass „Jedermann der Obrigkeit Untertan sein solle, die Gewalt über ihn habe, denn jede Obrigkeit komme von Gott.“49 Folglich hatten die Missionare im Missionsgebiet die von den Kolonialregierungen vorge45 In einem Schreiben an die Missionare bei den Samojeden, in Sibirien, ermahnte Zinzendorf diese 1736, dass sie sich nicht in das „äußerliche“ einmischen sollten. Er verwies dabei auf den nach seiner Meinung bestehenden Mißstand, das die Missionare auf St. Thomas den Sklaven das Schreiben beibrachten und dadurch den Unmut der Pflanzer und Kolonialbeamten erregten. Vgl. Bintz, Texte zur Mission, S. 40: „Die Brüder in St. Thomas lehren die Mohren schreiben, das misbilligen wir [Zinzendorf] hochlich.“ 46 Spangenberg, August Gottlieb: Von der Arbeit der evangelischen Brüder unter den Heiden, Barby 1782. 47 Ebd., S. 62: „So waren auch die Herren in Westindien nicht ohne Sorgen, daß sie in Gefahr ihres Lebens kommen könten, wenn die Neger durch den Unterricht mehr Verstand kriegten. Denken sie doch nur, sagte einer von ihnen zu mir, als ich in S. Thomas war, wie das gehen kann! Wenn wir die Neger durchgehen, die auf diesem Eyland sind, so finden wir allemal hundert Neger gegen einen Blanken, das ist weissen Mann [sic]. Wenn die nun klüger gemacht werden, wie können wir sicher seyn?“ 48 Ebd., S. 63. 49 Ebd.

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gebenen rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Diese Auslegung von Römer 13 stand in der Tradition des lutherischen Verhältnisses zur staatlichen Autorität.50 Bei der Frage, ob getauften Sklaven die Freiheit zu schenken sei, verwies Spangenberg wiederum auf die Aussagen der Apostel über das Verhältnis zwischen Sklaven und ihren Herren im Neuen Testament. Nirgendwo in der Bibel würden sich Beispiele dafür finden, dass die Apostel Sklavenbesitzer aufgefordert hätten, ihren Sklaven die Freiheit zu schenken.51 Spangenbergs Buch erschien erst 1784 in englischer Sprache,52 also zu einem Zeitpunkt, als die Diskussion über die Abschaffung des Sklavenhandels bereits Gegenstand eines breiten öffentlichen Interesses war.53 Innerhalb der religiösen Gemeinschaften der Quäker und Methodisten wurde die Sklavenfrage nun intensiv diskutiert.54 Die Brüdergemeine beteiligte sich nicht an der breiten politischen Auseinandersetzung, die schließlich die Beendigung des englischen Sklavenhandels 1807 zur Folge hatte. Stattdessen veröffentlichte sie ein konservatives Gegenprogramm, das sie vor jeder möglichen Verwechslung mit abolitionistischen Kräften bewahren sollte. Sklaven, so Spangenberg, „must be taught to be obedient to their masters“ und sie sollten lernen, sich in ihr Schicksal fügen.55 Diese Instruktionen blieben bis 1836 unverändert bestehen und trugen mit dazu bei, dass, aus Sicht der Pflanzer, die Herrnhuter Missionstheologie einen positiven Einfluss auf die Aufrechterhaltung des Plantagensystems hatte.56 Spangenbergs Schriften bildeten im 18. Jahrhundert den Schlusspunkt in der Entwicklung zu einer theologischen Auseinandersetzung der Brüdergemeine mit der Sklaverei. Die Botschaft an die Sklaven lautete, dass sie sich in ihr Schicksal zu fügen hatten und nach ihrer Konversion zum Christentum keine Änderung ihres sozialen Status erwarten sollten. Das Positivbeispiel des konvertierten treu und fleißig seinem Herrn dienenden Sklaven sollte letztlich auch eine bessere Behand-

50 Beck, Jungferninseln, S. 30; Baldauf, Ingeborg: Oldendorp als Historiker, in: Gudrun Meier u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp. Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan. Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 53–142, hier S. 58; Meier, Gudrun: Quellen und Dokumente aus dem Umfeld der Missionsgeschichte von St. Thomas, St. Croix und St. Jan, in: Gudrun Meier u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp. Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan. Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 143–180, hier S. 151. 51 Mason, John C.: The Moravian Church and the Missionary Awakening in England 1760– 1800, Woodbridge 2001, S. 104. 52 Spangenberg, August Gottlieb: An Exposition of Christian Doctrine, as Taught in the Protestant Church of the United Brethren, or Unitas Fratrum, London 1784. 53 Mason, Moravian Church, S. 104. 54 Ebd., S. 103f.: „Most British evangelicals had come to believe that slavery was incompatible with Christianity.“ Drescher, Capitalism, S. 116f., weist darauf hin, dass die Entwicklung z.B. der Methodisten hin zu Abolitionisten sehr viel komplexer war, als es das Zitat von Mason so allgemein vorgibt. Auch wenn in den 1780er Jahren die Sklaverei in der britischen Metropole Gegenstand weit verbreiteter Diskussionen innerhalb der dissentistischen Kirchen war, erstreckte sich dies nicht zwangsläufig auf die Tätigkeit der Missionare in den Kolonien. 55 August Gottlieb Spangenberg, Instructions, S. 44f. 56 Mason, Moravian Church, S. 105f.

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lung der Sklaven selbst bewirken. Die Akzeptanz von Sklaverei als Bestandteil der weltlichen Ordnung war eine Vorbedingung für die Entscheidung der Brüdergemeine, selbst Sklaven zu kaufen.

2.1.2. Strukturelle und ökonomische Rahmenbedingungen Die Brüdergemeine war bereits zu Beginn, wie Gisela Mettele es formuliert, nicht nur „religiöse Gemeinschaft, sondern auch wirtschaftliche Organisation“.57 Sowohl der Wunsch nach größtmöglicher Unabhängigkeit von der Außenwelt als auch die Finanzierung des Missionsprojektes erforderten ein effektives Wirtschaftssystem.58 Die Grundlage aller ökonomischen Tätigkeiten sollten die Grundsätze christlicher Lebensführung bilden. Dies wird durch die zentrale Bedeutung, die der Arbeit auch im religiösen Leben der Brüdergemeine zukam, verdeutlicht. Die in den Chören, in die alle Mitglieder nach ihrem Alter, Geschlecht und Familienstand eingeteilt waren und gemeinsam arbeiteten,59 „gemeinschaftlich praktizierte Religiosität“ 60 wirkte sich nach Meinung von Peter Kriedte auch positiv auf die Arbeitsleistung aus. Während die wirtschaftliche Organisation der Herrnhuter Gemeinorte bereits eine große Aufmerksamkeit erfahren hat,61 sind die ökonomischen Strategien zur Finanzierung der Mission vor Ort bisher weitgehend unerforscht geblieben.62 Allerdings lassen sich beide Bereiche nicht voneinander trennen. Wie zuletzt Katherine Carté Engel am Beispiel von Bethlehem in Pennsylvania deutlich gemacht hat, dienten die wirtschaftlichen Unternehmungen im Gemeinort der Unterstützung der Missionstätigkeit.63 So wurden nicht nur die in den Gewerben erzielten Erträge zur finanziellen Unterstützung der Mission verwandt, sondern aus den Bewohnern der Siedlungen bildete sich auch die Gruppe der Missionare.64 Hatte zu Beginn v.a. die Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens der noch jungen Gemeinschaft im Mittelpunkt gestanden, so wuchsen die ökonomischen 57 Mettele, Gisela: Weltbürgertum oder Gottesreich. Die Herrnhuter Brüdergemeine als globale Gemeinschaft 1727–1857, Göttingen 2009, S. 63. 58 Ebd. 59 Mettele, Weltbügertum, S. 51; Carté-Engel, Katharine: Religion and Profit. Moravians in Early America, Philadelphia, PA 2009, S. 40f. 60 Kriedte, Peter: Wirtschaft, in: Lehmann, Hartmut (Hrsg.), Geschichte des Pietismus Bd. 4. Glaubenswelt und Lebenswelten, Göttingen 2004, S. 584–611, hier S. 592. 61 Den besten Gesamtüberblick bietet Mettele, Weltbürgertum, S. 63–76. 62 Zu einem allgemeinen Forschungsüberblick vgl. Mettele, Weltbürgertum, S. 63 (Anm. 92), in Bezug auf die Mission in der Karibik vgl. Hüsgen, Jan: Die Herrnhuter Brüdergemeine als globales Unternehmen, in: Zeitschrift für Weltgeschichte 14 (2013), S. 13–28. 63 Carté-Engel, Religion and Profit, S. 54, vgl. bes. die Kalkulation von Bischof Johannes Ettwein, der für den Zeitraum von 1747–1762 eine Summe von 14.000 £ angibt, welche von der Ökonomie in Bethlehem in die Missionsarbeit investiert wurde. Besonders deutlich wird dieser finanzielle Aufwand, setzt man ihn in Relation zu den 10.795 £, auf die der Wert der Gebäude in Bethlehem 1758 geschätzt worden war. 64 Ebd., S. 51f.

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Herausforderungen mit dem Start der weltweiten Missionstätigkeit.65 Die Missionszentrale war aber im 18. Jahrhundert nicht in der Lage, die Kosten für das globale Missionsunternehmen im vollen Umfang zu decken. Zu Anfang waren die Missionare deshalb darauf angewiesen, sich durch eigene Arbeit selbst versorgen zu können. Dies führte dazu, dass nicht eine im Hochschulstudium erworbene theologische Ausbildung, sondern handwerkliche Fähigkeiten eine wesentliche Bedingung für die Missionstätigkeit waren, weshalb Hermann Wellenreuther die Missionare der Brüdergemeine auch als „tiefreligiöse Handwerker“ bezeichnet.66 So erhielten sie die nötige Mobilität und Basis für eine wirtschaftliche Unabhängigkeit, um ohne dauerhafte Unterstützung durch die Missionszentrale zu agieren.67 Ein ähnlicher Schwerpunkt wurde mit dem Erwerb von Sklaven verfolgt. Deutlich wird dies bereits 1742 durch den Wunsch des nordamerikanischen Gemeinortes in Bethlehem, Pennsylvania, „to get rid of our white hired hands […] [and] to buy Negroes from Saint Thomas and employ them as regular servants.“68 Sklaven wurden in diesem Zusammenhang als günstige Alternative zu weißen Tagelöhnern angesehen. Einerseits boten sie den Vorteil einer dauerhaft verlässlichen Arbeitskraft gegenüber den wechselnden Kontraktarbeitern. Andererseits ließ sich die größtmögliche Autonomie des Gemeinortes von der Außenwelt durch den Rückgriff auf Sklavenarbeit erreichen.69 Die Leitung der Gemeinde in Bethlehem äußerte gegenüber internen Kritikern die Absicht, den Sklaven Gehälter zu zahlen und sie gut zu behandeln.70 Auch wenn die Bezahlung der Sklaven nicht in jedem Fall nachzuweisen ist, so wurde doch ein Großteil von ihnen in die Gemeinde aufgenommen und ein kleinerer Teil gehörte sogar zur Gruppe der Kommunikanten.71 Auch in den neugegründeten Siedlungen der Brüdergemeine in North Carolina war es zunächst der günstige Preis im Vergleich zu Tagelöhnern und die Unabhängigkeit von selbigen, die zunächst das Mieten von Sklaven besonders attraktiv machte.72 Die Entscheidung zum Besitz von Sklaven wurde hier

65 Mettele, Weltbürgertum, S. 64; Meyer, Zinzendorf, S. 118. 66 Wellenreuther, Hermann: Pietismus und Mission. Vom Beginn des 17. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Lehmann, Hartmut (Hrsg.), Geschichte des Pietismus Bd. 4. Glaubenswelt und Lebenswelten, Göttingen 2004, S. 168–194, hier S. 170. 67 Mettele, Weltbürgertum, S. 64. Die wirtschaftliche Struktur der Brüdergemeine hatte von Beginn an den Charakter einer „kleingewerblichen Handwerkerkolonie“, da die Mitglieder sich nicht an einen festen Ort binden sollten. Carté-Engel, Religion and Profit, S. 52. 68 Hamilton, Kenneth G.: The Bethlehem Diary, Vol. I (1742–1744), Bethlehem, PA 1971, S. 105f. 69 Sensbach, A Separate Canaan, S. 55f. 70 Hamilton, Bethlehem Diary, S. 106: „Who [the slaves] would receive wages, to show Pennsylvania and a conscious author, who in his writing opposed slavekeeping, how one could treat even Negroes.“ Die Identität des „conscious author“ ist unbekannt, sie verdeutlicht aber, dass auch in Bethlehem, der Rückgriff auf Sklavenarbeit nicht unumstritten war. Vgl. Sensbach, A Separate Canaan, S. 53 (Anm. 9). 71 Sensbach, A Separate Canaan, S. 53. 72 Ebd., S. 62.

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erst nach intensiven, internen Diskussionen 1769 getroffen.73 Die sozialen und politischen Verhältnisse in den westindischen Kolonien erschwerten es den ersten Missionaren, das Ideal einer Symbiose aus Missionsauftrag und Erwerbsarbeit zu verwirklichen, das durch das Bild des „tiefreligiösen Handwerkers“ symbolisiert wird.74 Die auf den Plantagen lebenden Sklaven waren für die Missionare nur schwer zu erreichen. Der Arbeitsrhythmus erschwerte einen Kontakt und die vor dem Hintergrund der Sklavenrebellion auf St. John 1733 gegen Missionsversuche feindlich gestimmte Kolonialgesellschaft lehnte Missionsversuche größtenteils ab. Dies waren nur einige der Probleme, denen Leonhard Dober und David Nitschmann als erste Missionare in Dänisch-Westindien ausgesetzt waren. Zudem wurde schnell deutlich, dass auch das wirtschaftliche Bestehen der Mission gefährdet war. Dober, der versuchte, als Töpfer seinen Teil zum Verdienst beizutragen, war nicht erfolgreich. Im Sinne der Hausgemeinschaft der Missionare wurde er deshalb durch die Erträge aus Nitschmanns Zimmermannsarbeit mit ernährt.75 Es zeigte sich dadurch auch, dass beide nicht unabhängig von den äußeren Einflüssen existieren konnten, sondern auf Aufträge und Unterstützung von Mitgliedern der Kolonialgesellschaft angewiesen waren. So konnte Nitschmann für den kreolischen Plantagenbesitzer Johan Lorentz Carsten einige Arbeiten ausführen und dadurch wesentlich zum Einkommen der Mission beitragen. Allerdings kehrte er nach nur einem Jahr auf St. Thomas nach Herrnhut zurück, um die Brüdergemeine über die Entwicklung der Mission zu unterrichten. Eine zweite Gruppe von Missionaren nahm, vermutlich wegen der Kenntnisse um die schwierige Erwerbslage in Dänisch-Westindien, das Angebot Carl Adolph von Plessens an, im Auftrag der Königlich-Dänischen Westindischen und Guineischen Kompagnie als Sklavenaufseher zu arbeiten.76 Diese Gruppe von 18 Personen setzte sich nun aus Männern und Frauen zusammen. In der Person von Tobias Leupold gab es erstmals einen Vorgesetzten, der die Interessen der Gemeinschaft gegenüber dem Gouverneur vertrat.77 Die Aufgaben der Missionare als Sklavenaufseher auf den Plantagen erstreckten sich auch auf die Verantwortung für die Bestrafung sowie den An- und Verkauf von Sklaven.78 Dies stand aus ihrer Sicht nicht im Widerspruch zum Missionsauftrag. So bildete der Kauf der Plantage Neuherrnhut 1738 schließlich nur einen weiteren logischen Schritt in dieser Entwicklung. Es war die Vollendung des durch ihre Tätigkeit als Handwerker und Aufseher auf den Plantagen bereiteten Weges, so dass die Missionare nicht unabhängig neben der Kolonialgesellschaft standen, sondern als Sklaven- und Plantagenbesitzer selbst ein Teil von ihr wurden. Der Kauf von Neuherrnhut war mit der Hoffnung verbunden, durch das Betreiben eines Gewerbes auch zum wirtschaftli73 Ebd., S. 65. 74 Vgl. im Folgenden auch Hüsgen, Herrnhuter Brüdergemeine, S. 18–23. 75 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 46: „Sein Bruder [David Nitschmann] hatte zwar alles mit ihm gemeinschaftlich und erhielt ihn von seinem Verdienste.“ 76 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 69–74. 77 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 74ff.; S. 104. 78 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 108: „Zum Anfang auf St. Crux für den Oberkammerherrn kauften die Brüder zwölf Bussalen, acht Männer und vier Weiber.“

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chen Bestehen der Mission beizutragen. Allerdings wurde gerade zu Beginn auch versucht, die eigenen Sklaven, die zum Teil selbst Mitglieder der Missionsgemeinde waren, zu integrieren, worauf in einem späteren Teil dieses Kapitels noch näher eingegangen wird. Kennzeichnend für die Gemeinschaft der Missionare im Missionsgebiet war das Prinzip der gemeinschaftlichen Haushaltung. Sobald mehrere Missionare einen Missionsplatz bewohnten, sollte sich eine möglichst von der Außenwelt autarke Gemeinschaft bilden.79 Die Einrichtung eines Platzes erfolgte deshalb zunächst durch ledige Brüder. Erst wenn der Platz bewohnbar war, folgten weitere Geschwister, um die Missionsgemeinschaft zu vervollkommnen.80 Während die wirtschaftlichen Unternehmungen in den Gemeinorten der Gemeinleitung unterstanden, gab es in den Missionsgebieten zunächst keine vergleichbare Institution. Hier wurden die gewerblichen Aktivitäten nicht zentral gesteuert. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte eine stärkere Differenzierung der Missionsverwaltung ein. Mitunter war es allerdings notwendig, gerade in wirtschaftlichen Fragen rasche Entscheidungen zu treffen, ohne das vorher eine Genehmigung eingeholt werden konnte. Im 18. Jahrhundert bildeten die weiten Transport- und Kommunikationswege zwischen den Missionsgebieten und der Kirchenleitung daher ein Hindernis. Beispielhaft wird dies am Kauf der Plantage Neuherrnhut deutlich, der ohne vorherige Genehmigung getätigt und erst im Nachhinein legitimiert wurde. Aus diesem Grund wandten sich die Missionare in Dänisch-Westindien in zentralen Fragen an die Ältestenkonferenz in der nordamerikanischen Gemeinde Bethlehem, weil von dort, aufgrund der kürzeren Verkehrswege, schneller eine Antwort zu erhalten war.81 Das dadurch entstandene Nebeneinander verschiedener Entscheidungsinstanzen führte aber zunehmend zu Konflikten zwischen Herrnhut und Bethlehem.82 Nach dem Tod Zinzendorfs 1760 hatte die grundlegende Neuordnung der Brüdergemeine auch eine Zentralisierung der Entscheidungsinstanz der Verwaltung und wirtschaftlichen Organisation der Missionen zur Folge. Von den Mitgliedern der sogenannten „Engen Konferenz“, einem Vorgänger der ab 1769 eingerichteten UAC,83 wurde 1764 entschieden, dass alle Missionen von Herrnhut aus verwaltet werden sollten. In der Folge wurden die karibischen Missionsgebiete der Kirchenleitung in Herrnhut unterstellt und es wurde zudem eine zentrale Entscheidungsinstanz für wirtschaftliche Fragen geschaffen. Zwar hatte bereits seit den 1750er Jahren ein Gremium für Finanz- und Rechtsfragen der Brüdergemeine existiert, aber keine zentrale Administration zur ökonomischen Verwaltung der zahlreichen Missionsgebiete. Durch die Einrichtung der Missionsdiakonie 1762 wurden diese erstmals an ein festes Gremium für die Mission betreffende Finanzfragen verwiesen. Die UMD bestand 79 Lenders, Maria: Strijders voor het Lam. Leven en Werk van Herrnhuter Broeders en Zusters in Suriname, 1735–1900, Leiden 1996, S. 77. 80 Ebd. 81 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 625. 82 Carté-Engel, Religion, S. 169: „The mixed governance of Herrnhut and Bethlehem, the conference continued, 'had made several difficulties' and created a situation where the true circumstances in those places were very difficult to ascertain.“ 83 Meyer, Zinzendorf, S. 64f.

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nur aus drei Personen, die bei Bedarf von zusätzlichen Beratern unterstützt wurden.84 Ihre Mitglieder waren gleichzeitig Teil der UAC und konnten somit einen umfassenden Einblick in die Entwicklung der weltweiten Gemeinschaft erhalten. In ihrer Funktion als Mitglied des wirtschaftlichen Leitungsgremiums nahmen sie umfassende Aufgaben wahr. Ihnen oblag die Verwaltung und Verteilung der aus den Gemeinorten gesammelten Beiträge für die Missionsarbeit, die Organisation der Reisen der Missionare, deren materielle Ausstattung sowie die Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung der Missionsgebiete.85 Für die verschiedenen Gebiete wurde die Missionsdiakonie zu dem zentralen Verwaltungsorgan in ökonomischen Fragen. Um in wirtschaftlichen Fragen im Missionsgebiet frei entscheiden zu können, wurden die Vorsteher der einzelnen Missionen vor Ort von ihr mit einer Generalvollmacht ausgestattet.86 Damit eine geregelte Entwicklung des Missionsgebietes sichergestellt wurde, unternahm der Vorsteher der Mission, in regelmäßigen Abständen, Reisen zu den einzelnen Missionsplätzen. Daneben wurde ihm ein Assistent bei der Aufsicht über die einzelnen Gewerbe und die damit einhergehende Buchführung an die Seite gestellt.87 Dieser war auch dafür verantwortlich, die jährlichen Rechnungsabschlüsse des Missionsgebietes an die UMD zu versenden. Als zusätzliche Kontrollinstanz, auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung, dienten Visitationen von Mitgliedern der Kirchenleitung, die in unregelmäßigen Abständen durchgeführt wurden.88 Daneben entwickelten sich die von der UAC 1772 für die Missionsgebiete eingeführten Hausund Missionskonferenzen der einzelnen Missionsplätze, deren Protokolle in Kopie sowohl innerhalb des Missionsgebietes als auch zwischen Missionsgebiet und Zentrale zirkulierten, zu einer zusätzlichen Informationsquelle über die Entwicklung von Seelsorge und Wirtschaft der verschiedenen Plätze.89 Neben den wöchentlichen Konferenzen auf den einzelnen Plätzen, an denen sowohl Missionare als auch Nationalhelfer teilnahmen, gab es ab 1784 die Helferkonferenz im Ganzen, die alle paar Monate einberufen wurde. Hier beriet der Vorsteher des Missionsgebietes gemeinsam mit den Vorstehern der einzelnen Plätze über die gesamte Mission betreffende Fragen. 84 85 86 87

Carté-Engel, Religion and Profit, S. 168f. Ebd. UA, R 15 Ba 31 (8), Generalvollmacht der Mission in Dänisch-Westindien. Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1682: „Auerbach, der zum Dienst am Evangelio unter den Schwarzen, sobald er ihre Sprache könnte und insonderheit zur Besorgung der Rechnungsbücher und anderer Sachen bestimmt war, trat gleich in diese Arbeit ein.“ Hervorhebung vom Autor. Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1938. Lenders, Strijders, S. 84; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1638, nennt 1760 das Amt eines „Aufsehers der Mission.“ 88 In Dänisch-Westindien hatten nach der Visitation Zinzendorfs 1738 die Visitationen Johannes von Wattevilles (1749) und Nathanael Seidels (1753) der Überprüfung der Entwicklung des Missionsgebietes gedient. Dabei wurden sowohl das Verhältnis zur Kolonialregierung, die Entwicklung der Seelsorge als auch wirtschaftliche Entscheidungen getroffen. Vgl. Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 325ff.; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 765ff.; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 1013ff. 89 Lenders, Strijders, S. 85.

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Die einzelnen Missionsplätze waren unabhängige wirtschaftliche Einheiten, deren Gewinne oder Verluste dem Konto der gesamten Diakonie des Missionsgebietes zugeschrieben wurden. Die Wirtschaft des Gebietes bildete auf diese Weise eine Diakonie im Ganzen,90 die z.B. Reisekosten von Missionaren bezahlte, den Ausgleich von Defiziten einzelner Stationen regelte und, falls möglich, Überschüsse an die Missionsdiakonie abführte. Die Missionsökonomie hatte sich ebenso wie die Gemeinorte an der weltweiten „Solidargemeinschaft“ der Brüdergemeine zu beteiligen.91 Neben den ökonomischen Aktivitäten der Brüdergemeine selbst leisteten seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zunehmend Spenden einen beträchtlichen finanziellen Beitrag zur Missionsarbeit.92 Die Missionare im 18. Jahrhundert erhielten kein Gehalt, sondern wurden von der UMD mit den Dingen des täglichen Bedarfs ausgestattet. Die ökonomischen Aktivitäten im Missionsgebiet konnten sich abhängig von den jeweiligen geographischen, klimatischen, personellen und politischen Faktoren ganz unterschiedlich entwickeln. Gerade zu Beginn der Missionstätigkeit fehlten häufig Informationen, welche Erwerbstätigkeiten sich in den jeweiligen Gebieten erfolgreich verwirklichen ließen. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich aber eine Differenzierung durch, die die unterschiedlichen Rahmenbedingungen berücksichtigte. So war es in Labrador der Handel und in Surinam v.a. die Bäckerei und Landwirtschaft, durch die Einnahmen für die Missionsarbeit erzielt wurden.93 Die Brüder in Dänisch-Westindien waren nicht nur durch ihre Tätigkeit als Handwerker auf den Plantagen bestens mit dem Betrieb derselben vertraut, sondern hatten sich zudem bereits von Beginn an, zum Beispiel durch die Arbeit als Verwalter, grundlegende Kenntnisse des Plantagenmanagements angeeignet.94 Nach dem Erwerb von Neuherrnhut wandten sie dieses Wissen auf den eigenen Besitz an. Dies wird nicht nur durch die systematischen Investitionen in Gebäude und Maschinen zur Steigerung des Ertrags deutlich, sondern z.B. auch durch das Anlegen von Terrassen, um die Anbaufläche für Zucker auf dem hügeligen Gelände Neuherrnhuts zu vergrößern.95 Eine anonym verfasste Anleitung „Die besten und sichersten Mittel, welcher Gestalt eine Zuckerplantage angefangen und bearbeitet werden muß“, die vermutlich im Zusammenhang mit dem Kolonisati90 UA, R 15 A 65, Protocoll des Missionsdepartements in der Aeltestenkonferenz der Unität, 14. Dezember 1810, S. 141. 91 Mettele, Weltbürgertum, S. 74. 92 Erste Hilfsgesellschaften wurden bereits im 18. Jahrhundert gegründet, so etwa die Zeister Missionsgesellschaft, für die Mission in Suriname und die Londoner Missionsgesellschaft zur Unterstützung der Mission in Labrador. Vgl. Mettele, Weltbürgertum, S. 109f. 93 Vgl. z. B. die Bedeutung der Firma Kersten&Co. als wirtschaftliche Basis für die Mission in Surinam. Lenders, Strijders, S. 175–179. 94 Eine zweite Gruppe von 12 Missionaren, die 1733 als Meisterknechte für die Plantagen des Oberkammerherrn von Plessen nach St. Croix geschickt wurde, bekam unter anderem „eine Anweisung wie eine Zuckerplantage anzulegen und zu bearbeiten sei“. Vgl. Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 79f. Sowie den Vertrag zwischen den Missionaren und von Plessen Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 2163–2165. 95 Hüsgen, Herrnhuter Brüdergemeine, S. 21.

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onsversuch auf St. Croix entstand, behandelte detailliert die verschiedenen Maßnahmen, die bei Planung und Betrieb einer Plantage zu beachtenden waren.96 Dabei deckte der anonyme Autor alle praktischen Fragen der Führung einer Plantage ab, sowohl die zu Beginn benötigte Anzahl von Sklaven und deren Verpflegung, aber auch die Notwendigkeit, eine gewisse Anzahl an Gewehren und Pistolen, vermutlich zur Verteidigung im Falle eines Sklavenaufstandes, zu besitzen.97 Die wirtschaftliche Basis der Mission bildete jedoch nicht allein der Betrieb von Plantagen. Als Oldendorp 1766 die dänischen Karibikinseln besuchte, existierten fünf verschiedene Missionsplätze.98 Die dort lebenden Missionare betrieben meist Ackerbau und Viehzucht zur Selbstversorgung und gingen darüber hinaus verschiedenen Gewerben nach. Dies waren die Tätigkeit als Zimmermann, Schuhmacher oder Schmied. Eine Plantagenwirtschaft wurde nur in Neuherrnhut und auf der in direkter Nachbarschaft 1763 erworbenen Plantage Bethel betrieben.99

2.1.3. Interne Diskussionen über den Sklavenbesitz der Brüdergemeine Die Entwicklung von Sklaverei innerhalb der Brüdergemeine und die damit einhergehenden verschiedenen Ausprägungen führten bereits in den 1740er Jahren zu ersten Konflikten unter den Mitgliedern. Die Entscheidung der Missionare auf St. Thomas 1743, sich auf den Anbau von Zucker zu spezialisieren, hatte eine Auseinandersetzung mit der Gemeinde in Bethlehem, Pennsylvania zur Folge. Ausgangspunkt für diesen bei Oldendorp beschriebenen Konflikt war nicht in erster Linie der Besitz von Sklaven, sondern explizit der Zuckeranbau: „Man befürchtete, die Brüder möchten zu der dieser Pflanzerei [Zuckeranbau, JH] sehr anklebenden Gewinnsucht, Nahrungssorge, Härte gegen die Sklaven und dergleichen Dinge verleitet werden, welche mit ihrem Beruf und dem Zweck ihres Daseins nicht übereinkämen und sowohl der Missionssache als auch ihrem eigenen Herzen schädlich sein würden – wie man denn auch gar nicht dafür war, daß sie viele Sklaven haben, sondern daß sie sich soviel als möglich ohne Neger mit ihrem Handwerk durchbringen sollten.“100

Die Befürchtung der Gemeinde in Bethlehem war, dass der Anbau von Zucker die Missionare zu Habgier und einer übertriebenen Härte gegen die Sklaven verleiten könne. Die Ältestenkonferenz in Bethlehem drang deshalb darauf, dass die Missionare auf St. Thomas ihren Lebensunterhalt durch die Erträge ihrer eigenen Arbeit bestreiten sollten, um möglichst wenig von Sklavenarbeit abhängig zu sein. Die Missionare teilten diese Bedenken nicht, sondern hielten im Gegenteil Zucker „für 96 UA, R 15 Ba 3, Die besten und sichersten Mittel, welcher Gestalt eine Zuckerplantage angefangen und bearbeitet werden muß, o.D. Vermutlich Anfang des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Kolonisation St. Croix im Auftrag des Kammerherrn von Plessen. 97 Ebd. 98 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1918–1925. Neuherrnhut, Niesky, Friedensthal, Friedensberg und Bethanien sowie zwei Häuser in Charlotte Amalie. 99 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1927: „Neuherrnhut, die einzige Plantage der Brüder, auf der sie Zucker pflanzen (…). Seitdem Bethel dazu gekommen ist, liefert sie mehr.“ 100 Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 1, S. 754f.

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ein so unschuldiges Nahrungsmittel, als den Feldbau in Europa“.101 Im Gegensatz zur schwankenden Auftragslage der Handwerksbetriebe sahen sie eine Zuckerplantage als Möglichkeit, eine feste und beständige Einkommensquelle zu schaffen.102 Die Sorge, diese Arbeit würde zur harten Behandlung der Sklaven führen, wiesen die Missionare auf St. Thomas zurück und erklärten, dass ein ökonomisches Bestehen der Mission ohne Sklavenarbeit nicht möglich sei.103 Die Gemeinde in Bethlehem ließ sich von diesen Argumente nicht überzeugen und drohte damit, den Zuckeranbau zerstören zu lassen.104 Möglicherweise wurde diese Einschätzung der Ältestenkonferenz in Bethlehem durch die strukturellen Unterschiede zwischen der Sklaverei in Pennsylvania und in den karibischen Missionsgebieten beeinflusst. Der Sklavenbesitz in den amerikanischen Nordstaaten war durch eine kleine Anzahl von Sklaven und eine geringe ökonomische Bedeutung des Sklavenbesitzes gekennzeichnet.105 In den karibischen Missionsgebieten der Brüdergemeine hingegen war die Sklaverei die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Plantagensystems, welches nach einem ständigen Nachschub an Arbeitskräften verlangte.106 Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auf den karibischen Zuckerplantagen und die physische und psychische Mißhandlung der Sklaven wird auch den Mitgliedern der Brüdergemeine bekannt gewesen sein. Erst eine offizielle Visitation der Mission in Dänisch-Westindien durch Johannes von Watteville, einem engen Vertrauten und Schwiegersohn Zinzendorfs, brachte eine Entscheidung. Er billigte den Zuckeranbau und stellte fest, dass dieser eine für die „Mission unschädliche und sehr unschuldige Sache wäre“.107 Die Sklaven würden gut behandelt und im Gegensatz zu den unsicheren Einkünften aus den Handwerksbetrieben ließe sich durch die Plantage ein festes Einkommen erzielen. Allerdings betonte von Watteville auch die Notwendigkeit der Missionierung der eigenen Sklaven. Es lässt sich nicht genau überprüfen, inwieweit es sich bei dieser Passage um eine objektive Schilderung der Ereignisse durch Oldendorp handelt.

101 Ebd., S. 755. 102 Ebd., S. 755: „Hingegen konnte man bei dem Zuckerbau auf etwas Bleibendes rechnen und bei guter Ordnung und Fleiß in der Wirtschaft immer einen größeren Segen des Herrn davon erwarten.“ 103 Ebd., S. 755f.: „Man hatte diese zu vielem anderen Gebrauch und konnte ihrer nicht entbehren. Die Brüder mussten welche zum reinigen des Landes, zum Kostpflanzen und sonst zu mancher Arbeit in der Wirtschaft haben, die sie selbst nicht vermögend waren zu tun. Bei den Professionen hatte man insgeheim Neger zur Hülfe und mußte sie haben.“ 104 Ebd., S. 756: „Man bezeugte seine Unzufriedenheit mit dem angefangenen Zuckerwerke, nahm es den Brüdern sehr übel, konnte es nicht für eine dem Missionswerk zuträgliche Sache halten und drohete sogar, daß es zerstört werden sollte.“ 105 Einen sehr guten Überblich über die Entwicklung der Sklaverei in den nordamerikanischen Kolonien bietet: Finzsch, Norbert/ Horton, James Oliver/ Horton, Lois E.: Von Benin nach Baltimore. Die Geschichte der African Americans, Hamburg 1999, S. 56–58. 106 Higman, Barry W.: Plantagensklaverei in Nord-Amerika und der Karibik, in: Zeitschrift für Weltgeschichte 3 (2002), S. 7–20. 107 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 812, S. 838. Von den 23 Sklaven der Missionare sind 1749 erst drei getauft.

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Da dieser selbst die Sklaverei in der Brüdergemeine verteidigte,108 hat er bei der Darstellung womöglich stark seine eigene Überzeugung einfließen lassen. Der Streit um die „Zuckerrevolution“ innerhalb der Brüdergemeine verdeutlicht allerdings, dass unterschiedliche Auffassungen über den Umfang und die Art und Weise der Sklaverei existierten. Das diese Diskussionen innerhalb der Brüdergemeine nicht nach der Entscheidung von Wattevilles beendet waren ist naheliegend. 1769 wurde erneut auf der Synode in Marienborn über den Besitz von Sklaven verhandelt. In einem für die Synode verfassten Memorandum wiederholt Oldendorp, dass es sich bei dem Zuckeranbau um eine harmlose Form des Ackerbaus handelt, dessen Vorteile die der anderen Erwerbsformen übertreffen.109 Seine Schrift diente der Verteidigung der Sklaverei in der Mission. Er stellte die Lebensbedingungen der eigenen Sklaven insgesamt als wesentlich humaner als auf anderen Plantagen dar110 und betont die unabdingbare Notwendigkeit des Sklavenbesitzes für das Bestehen der Mission.111 Ziel seiner Darstellung ist es offenbar, auf immer noch in der Brüdergemeine bestehende Kritik an der Sklavenhaltung in den Missionsgebieten zu reagieren. Er räumt zwar ein Fehlverhalten einzelner Missionare gegenüber den Sklaven ein, doch sieht er hierin eine Ausnahme.112 Oldendorp will damit eindeutig Bedenken beseitigen und den Sachverhalt ins rechte Licht rücken.113 Die Synode von 1769 befasste sich ausführlich damit, ob „Plantagen der Mission hinderlich, oder zur Versorgung der Geschwister unbedingt erforderlich“ seien.114 Als Plantage wurde dabei allgemein jeder landwirtschaftliche Großbetrieb bezeichnet, dessen Güter für den Weltmarkt bestimmt waren.115 Dies war, unabhängig vom Sklavenbesitz, nur bei den Baumwoll- und Zuckerplantagen der Brüdergemeine der Fall. Diese 108 N.N., in: Meier, Quellen und Dokumente, S. 152: „Übrigens bringt der Verfasser der Missions Geschichte, der die Verteidigung der Sklaverei zu übernehmen scheint, keinen einzigen guten Grund für dieselbe bei.“ Es handelt sich bei dem anonymen Autor vermutlich um ein Mitglied der UAC, dass eine Bewertung zu einem Teil von Oldndorps Missionsgeschichte verfasste. 109 Oldendorp, Christian Georg Andreas: Von der Plantagen-Sache der Brüder in St. Thomas, in: Gudrun Meier, Quellen und Dokumente, S. 174–179, hier S. 174: „Eine plantage, vornehmlich aber ein Zuckerwerk, ist bei der Anlegung kostbar, aber hernach das einträglichste, und zugleich unschuldigste Nahrungsmittel.“ Hervorhebung im Original. 110 Ebd., S. 176: „Es ist gewiß, daß die Sklaven in Neu-Herrnhut vor andern glücklich sind.“ S. 179: „Ich will mit der Anmerkung schließen das auf unserer plantage ein ganz anderer Geist regiert, als sonst fast überall wahrgenommen wird.“ Hervorhebung im Original. 111 Ebd., S. 176: „Wenn nun das, daß man Sklaven hat und sie als Sklaven behandelt, dem Charakter eines Bruders an und für sich entgegen ist: so können wir auf diesen Eilanden nicht nur keine plantage, sondern auch keine Handwerke, keine Knechte und Mägde haben, und also gar nicht da sein.“ Hervorhebung im Original. 112 Ebd., S. 177: „Daß nicht manchmal ein Bruder, der ein cholerisches Temperament gehabt, sollte zu weit gegangen sein, und selber zugeschlagen haben, ist nicht zu leugnen, dabei aber zu merken, daß es am wenigsten auf unserer Plantage geschehen, sondern außer derselben.“ 113 Ebd., S. 174. 114 N.N., Aus den Sitzungsprotokollen der Synode in Marienborn 1769, in: Gudrun Meier, Quellen und Dokumente, S. 147–151, hier S. 147. 115 Häberlein, Mark: Plantage, in: Enzyklopädie der Neuzeit 10 (2008), S. 1034–1036.

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Frage gewann aber wegen der Überlegungen, ob die Missionare in Jamaika im größeren Umfang auf Sklavenarbeit zurückgreifen sollten, erneut an Aktualität.116 Ob dabei die engen Beziehungen zwischen Quäkern und Herrnhutern in Pennsylvania einen Einfluss auf eine interne Diskussion über den Sklavenbesitz ausübten, wie John Mason vermutet, lässt sich nicht belegen.117 Bereits 1688 hatte sich die Versammlung der Quäker in Germantown, Pennsylvania in einer Proklamation gegen die Sklaverei ausgesprochen.118 Die Durchsetzung dieser Entscheidung innerhalb der Gemeinschaft der Quäker und die damit verbundenen Diskussionen zwischen nordamerikanischen und karibischen Gemeinden zogen sich allerdings bis in das 18. Jahrhundert hin. Es ist anzunehmen, dass die Ablehnung der Sklaverei durch die Quäker den Mitgliedern der Brüdergemeine bekannt war und es auch unter ihren Mitgliedern verschiedene Auffassungen über den Umfang des Sklavenbesitzes und der Sklavenarbeit innerhalb der Brüdergemeine gab. Auf der Synode wurde zunächst eine allgemeine Übersicht angefertigt, die den Umfang der im Besitz der Mission befindlichen Sklaven und Plantagen soweit wie möglich erfasste. Dabei zeigte sich bereits, dass die Mission in DänischWestindien mit ihrem vergleichsweise großen Sklavenbestand eine Sonderrolle einnahm. In Surinam, Barbados und Jamaika war hingegen nur ein geringer Sklavenbesitz vorhanden und eigene Plantagen existierten nicht. Um über den Sklavenbesitz in der Mission zu diskutieren, bildete die Synode ein separates Komitee, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen sollte.119 Prominente Mitglieder dieses Gremiums waren August Gottlieb Spangenberg, Bischof der Brüdergemeine und zentrale Figur nach Zinzendorfs Tod, Johannes von Watteville, Schwiegersohn Zinzendorfs, Benjamin Latrobe, späterer Sekretär der Brüdergemeine in England sowie Joseph Foster Barham, ein reicher Plantagenbesitzer und Mitglied der Brüdergemeine.120 Sie alle hatten gemein, dass sie, sowohl durch Reisen in die Karibik als auch durch Kenntnisse der Korrespondenz mit den Missionaren, mit der Situation in den westindischen Missionsgebieten bestens vertraut waren.121 Die exklusive Zusammensetzung dieser Arbeitsgruppe zeigt bereits, wie viel Bedeutung dieser Grundsatzfrage für die gesamte Brüdergemeine beigemessen wurde. Das Komitee bestätigte die Praxis des Sklavenbesitzes als notwendige Maßnahme zum ökonomischen Bestehen der Mission. Die Missionsdiakonie hatte

116 Ebd., S. 148. 117 Mason, Moravian Church, S. 102. 118 Gerbner, Katharine: ‘We are against the traffik of men-body’: The Germantown Quaker Protest of 1688 and the Origins of American Abolitionism: Pennsylvania History, 74 (2007), S. 149–172. 119 N.N., Aus den Sitzungsprotokollen, S. 148: „Bruder Joseph schlug hierauf vor, daß, da wohl nicht tunlich, alle die dahinein schlagenden Specialia in dem Synodo zu verhandeln, zumal die wenigsten Geschwister von dergleichen Umständen hinlänglich Kenntnis hätten.“ 120 Ebd., S. 148: „Zu diesem Zweck die Missions-Diaconie, die Brüder Johannes, Joseph, Petrus, Natanael, Latrobe, Barham und Wollin ernannt.“ 121 Spangenberg und von Watteville hatten sich für Visitationen in Westindien aufgehalten, Latrobe war über die Korrespondenz mit den Missionaren bestens unterrichtet und FosterBarham war in Jamaika aufgewachsen.

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kalkuliert, dass ohne die Bewirtschaftung der Plantage ein Betrag von 6.000– 8.000 Gulden pro Jahr zur Finanzierung fehlen würde. Zudem betonte das Synodalkomitee, dass den Missionaren eine Erwerbstätigkeit unter den klimatischen Bedingungen der Karibik nicht möglich sei, sowie, dass die Plantagenwirtschaft ein sicheres Einkommen bot und mit dem Ackerbau in Europa zu vergleichen sei.122 Soweit sich die Sklavenhaltung an christlichen Regeln orientiere und mit den Sklaven ähnlich wie mit Knechten und Leibeigenen verfahren würde, hatte das Komitee nichts gegen sie einzuwenden.123 Dabei argumentierte es mit den im Neuen Testament vorgegebenen Normen für christliche Sklaverei, die einerseits den Gehorsam der Sklaven gegen ihren Herrn forderten und andererseits den Herrn zur Fürsorge gegenüber seinen Sklaven verpflichteten.124 Die Gleichsetzung der Sklaven mit Leibeigenen bzw. Knechten ist ein durchgängiges Motiv in dieser Diskussion. So argumentierte das Synodalkomitee, dass es den Missionaren in Westindien nicht den Besitz von Sklaven verbieten könne, während es den Mitgliedern der Brüdergemeine in Europa erlaubt sei, Knechte, Untertanen oder Leibeigene zu haben.125 Diese Entscheidung könnte dem Umstand geschuldet sein, dass die Brüdergemeine bis in die 1760er Jahre eine große Anzahl an adligen Mitgliedern hatte,126 in deren weltlichen Herrschaftsanspruch die Synode nicht eingreifen wollte. Schließlich verfügte auch Zinzendorf als Feudalherr auf seinem Gut Berthelsdorf selbst über Leibeigene.127 In diesem Sinne überrascht es nicht, dass er sich bei seinem Aufenthalt in Westindien für eine Beibehaltung der vorgefundenen sozialen Hierarchien ausgesprochen hatte.128 Gerade aufgrund seiner Position als Feudalherr konnte er einen möglichen Freiheitswunsch der Sklaven nicht unterstützen.129 Allerdings bestanden zwischen Sklaverei und Leibeigenschaft durchaus Unterschiede, die einen Vergleich nicht ohne weiteres zuließen. 122 N.N., Aus den Sitzungsprotokollen, S. 147: „Plantagenarbeit zuverlässig und beständig, da sie durch Neger bearbeitet werden, auch am unschuldigsten und so anzusehen wie der Ackerbau in Europa.“ 123 Mason, Moravian Church, S. 103. 124 N.N.: Aus den Sitzungsprotokollen, S. 149: „Wenn ein Bruder seine Knechte nach der Regel Pauli behandelt (wir haben Exempel, daß die Apostel mit Leibeigenen geredet, die Brüder waren, und ihnen gesagt, wie sie sich zu betragen hätten gegen ihre Herren und so auch, was letztere für Pflichten gegen ihre Knechte und Leibeigenen zu observieren), so wird’s wohl nicht auf die Farbe ankommen.“ 125 Ebd.: „Ists einem Bruder in Europa erlaubt, Knechte, Untertanen, ja Leibeigene zu haben.“ 126 Mettele, Weltbürgertum, S. 64: „Das Interesse des Adels war eng mit der Person des Reichsgrafen Zinzendorf verbunden, und entsprechend verlor die Gemeine nach dessen Tod einen guten Teil ihrer adligen Mitglieder wieder.“ 127 Meyer, Zinzendorf, S. 19. 128 Sensbach, Rebecca’s Revival, S. 141–143; Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 82f. 129 Sensbach, Rebecca’s Revival, S. 142: „With his aristocratic and Lutheran heritage resonating in every word, he invoked a standard set of ideas deeply embedded in Christian doctrine.“; van Gent, Jaqueline: Side Wounds, Sex and Savages: Moravian Masculinities and Early Modern Protestant Missions, in: Broomhall, Susan/ van Gent, Jaqueline (Hrsg.), Governing Masculinities in the Early Modern Period: Regulating Selves and Others, Farnham 2011, S. 189–208, hier S. 203: „As a feudal Lord in Upper Lusatia it was impossible for him to support slaves’ aspirations for freedom.“

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Zeitgenössische Juristen verwiesen darauf, dass es sich bei Leibeigenen nicht um eine handelbare Ware handelte, die der Willkür ihres Herrn in ähnlicher Weise ausgeliefert waren wie Sklaven.130 Dennoch war es durchaus üblich beides gleichzusetzen, wie die Bezeichnung der Leibeigenschaft in Estland als Sklaverei durch den dortigen Missionsvorsteher der Brüdergemeine zeigt.131 Nach Zinzendorfs Tod 1760 folgte eine Zeit der Veränderung.132 Die vorher nur lose und an Zinzendorf orientierte Gemeinschaft wurde stärker institutionalisiert und die Brüdergemeine gab sich jene Verfassung, die sie bis 1857 prägen sollte.133 Die neue Ordnung sollte den Zusammenhalt der Gemeinschaft sichern. Bestandteil dieser Neuordnung war es auch, die gesellschaftliche Akzeptanz der Brüdergemeine zu stärken. Die Entscheidung der Synode sich für eine Beibehaltung des status quo auszusprechen und Sklaverei wie Leibeigenschaft als gesellschaftliche Institutionen zu akzeptieren, ist als Teil einer Öffentlichkeitskampagne einzuschätzen. Damit bestätigte die Kirchenleitung abermals das Prinzip, keine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse herbeiführen zu wollen.134 Es ist anzunehmen, dass dadurch einerseits den Besitzansprüchen der Mitglieder der Brüdergemeine selbst entsprochen werden sollte, schließlich saß mit John Foster Barham ein reicher Plantagenbesitzer im Komitee. Andererseits könnte es das Ziel gewesen sein, durch den Vergleich der Leibeigenschaft und Landwirtschaft in Europa die Einstellung der Mitglieder zur Sklaverei positiv zu beeinflussen. Ein solcher Vergleich zielte also möglicherweise darauf ab, Bedenken innerhalb der Brüdergemeine zu beseitigen. Die aus der lutherischen Tradition der Brüdergemeine herrührende Akzeptanz der weltlichen Ordnung bildete die Basis für den Entschluss, Sklaven zu kaufen, um sie als Arbeitskräfte zu verwenden. Diese Entscheidung war in der Brüdergemeine nicht unumstritten, sowohl in den nordamerikanischen Gemeinorten als auch in der Karibik, führte die-

130 Blickle, Peter: Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten. Eine Geschichte der Freiheit in Deutschland, München ²2006, S. 308: „Die Leibeigenschaft Sklaverei zu nennen Verbot sich aus drei Gründen: Leibeigene hatten erstens Anspruch auf einen angemessenen Unterhalt in Form eines Hofes, nicht nur einen solchen auf Wohnung und Nahrung. Die Güter der Leibeigenen wurden zweitens ihrem erbrechtlichen Charakter anerkannt, was ihren Inhabern, anders als Sklaven, große wirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten sicherte. Eigenleuten wurden drittens, dank ihrer Fähigkeit, im Gericht mitzuwirken, politische Rechte zugeschrieben.“ 131 Für einen Vergleich spricht sich Guntram Philipp aus, der am Beispiel Estlands betont, dass sich im 17. Jahrhundert die Auffassung durchsetzte, „daß der Bauer nicht nur kein Recht zur Freizügigkeit besäße, sondern auch persönlich unfrei sei, so daß der Erbherr ein unumschränktes Verfügungsrecht an ihm habe.“ Demzufolge sprach der Missionsvorsteher Loskiel davon, dass „die Sclaverey ins ganze merklich härter u. drückender geworden ist.“ Philipp, Guntram: Die Wirksamkeit der Herrnhuter Brüdergemeine unter den Esten und Letten zur Zeit der Bauernbefreiung, Berlin 1974, S. 75 (Anm. 37). 132 Mettele, Weltbürgertum, S. 76–82. 133 Mettele, Weltbürgertum, S. 77. 134 Beck, Jungferninseln, S. 39: „Man lebte gesellschaftspolitisch […] mit der Vorstellung, dass das Vorhandensein unterschiedlicher Gesellschaftsschichten vorgegeben sei und der einzelne Mensch, wo auch immer er darin seinen Platz hatte, dies kaum verändern könne.“

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se Praxis immer wieder zu Diskussionen. Insbesondere wegen der Befürchtung, der Sklavenbesitz könne zu Müßiggang der Missionare führen.135 Durch die Beschäftigung von Sklaven erhofften sich die Mitglieder in den nordamerikanischen Gemeinorten, eine größere Autonomie ihrer Siedlungen zu erreichen.136 Der Besitz einer geringen Anzahl von Sklaven zu ökonomischen Zwecken wurde deshalb innerhalb der Gemeinschaft weitgehend akzeptiert. Die Brüdergemeine unterschied sich in dieser Praxis nicht von anderen deutschen Migrantengruppen. Es entwickelten sich allerdings von Anfang an bedeutende Unterschiede zwischen dem Sklavenbesitz der Mission in der Karibik und jenem in den Gemeinorten in Nordamerika. In der Karibik entwickelte sich der Sklavenbesitz unterschiedlich, war aber gerade in Dänisch-Westindien und Surinam so groß, dass er bereits früh die Anzahl der Missionare bei weitem übertraf. In beiden Regionen sollte der Besitz von Sklaven zu einer größeren Unabhängigkeit von der Außenwelt führen. In der Karibik hatte der Rückgriff auf Sklavenarbeit allerdings das Gegenteil zur Folge. Anstatt einer größeren Autonomie von der Kolonialgesellschaft wurde die Mission durch den Betrieb von Plantagen und Gewerben stärker mit derselben verstrickt. Für die Sklaverei innerhalb der Brüdergemeine gibt es somit keine allgemein verbindliche Definition. Sie entwickelte sich innerhalb ihrer geographischen, politischen und sozialen Gegebenheiten unterschiedlich, so dass vielmehr von verschiedenen Realitäten der Institution Sklaverei in den unterschiedlichen Kontexten der Brüdergemeine auszugehen ist.

2.2. MISSION UND SKLAVENARBEIT – ÖKONOMISCHE STRATEGIEN DER MISSION IN DÄNISCH-WESTINDIEN Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die wirtschaftlichen Unternehmungen der Missionare in Dänisch-Westindien eine wesentliche Grundlage zur Finanzierung der Missionsarbeit. Die erhaltenen Gesamtjahresrechnungen der UMD machen es möglich, die Entwicklung der einzelnen Gewerbe und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Mission nachzuvollziehen. Im 18. Jahrhundert trugen die auf den Plantagen Neuherrnhut und Bethel erzielten Einnahmen wesentlich zur Finanzierung der Mission bei. Nach der Aufgabe der Plantagenwirtschaft verlagerte sich der Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit auf den Betrieb von Gewerben. Anhand der Quellen ist es möglich, Christian Degns Urteil, die Bedeutung von Sklavenarbeit habe sich nach der Aufgabe der Plantagenwirtschaft in „engen Grenzen“ bewegt, einer kritischen Analyse zu unterziehen.137 Der Betrieb von Zuckerplantagen war ein höchst spekulatives Geschäft. Den möglichen hohen Einnahmen

135 Sensbach, A Separate Canaan, S. 64. 136 Ebd., S. 53. 137 Degn, Die Schimmelmanns, S. 456: „Landwirtschaft betrieben die Missionsstationen fortan [nach dem Verkauf von Bethel] nur noch im geringen Umfang. Wie aber stand es um das Handwerk? Auch da beschäftigten die Brüder Neger als Gehilfen. Im Allgemeinen hielt sich das in engen Grenzen.“

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standen erhebliche Investitionen in Sklaven, Land und Maschinen gegenüber. Trotz dieser Risiken hatten sich die Missionare bereits in den 1740er Jahren entschieden, in Neuherrnhut ab sofort Zucker anstelle von Baumwolle anzubauen. Diese Entscheidung widersprach einem allgemeinen Trend, der auf St. Thomas in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzte. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte es auf der Insel eine große Zahl von Baumwoll- und Zuckerplantagen gegeben.138 Der Anbau von Baumwolle ging jedoch bis zum Ende des Jahrhunderts zurück. Das Gleiche galt für die Zahl der Zuckerplantagen, die sich weiter verringerte. Beeinflusst wurde diese Entwicklung durch die, mit dem Erwerb der besser für die Plantagenwirtschaft geeigneten Insel St. Croix, verbundenen Abwanderung von Pflanzern.139 Das die Missionare sich dennoch dafür entschieden Zucker anzubauen, ist eine Folge des Eintreffens von Jean-François und Maria Reynier, zweier Mitglieder der Brüdergemeine, die auf ihrer Rückreise aus Surinam einen Zwischenstop auf St. Thomas machten. Wie Aaron Fogleman dargestellt hat, erschienen beide zu einem Zeitpunkt in Neuherrnhut, als sich die Mission in einer schweren Krise befand. Ein Teil der Missionare war ernsthaft erkrankt, die Ökonomie lag weitgehend darnieder und immer mehr Gemeindemitglieder verfielen zurück in ihre „heidnischen“ Verhaltensweisen. Den Mitgliedern der Brüdergemeine erschien in dieser Situation die Ankunft eines Arztes und einer Krankenschwester als Zeichen göttlicher Fügung. Dabei unterstützten Bruder und Schwester Reynier während ihres Aufenthaltes nicht nur die Mission durch ihre medizinischen Kenntnisse und Missionstätigkeit, sondern trugen entscheidend zur ökonomischen Neuausrichtung derselben bei. Bisher hatte die Plantage Neuherrnhut durch den geringen Anbau von Baumwolle und Ackerfrüchten mehr schlecht als recht zum Einkommen der Mission beigetragen. Auf einer Missionskonferenz im Februar 1743 entschieden sich die Missionare jedoch, nun mit dem Anbau von Zuckerrohr zu beginnen. Entscheidend war bei dieser Neuausrichtung das Urteil Jean-François Reyniers, der aus eigener Erfahrung in Surinam von den möglichen Gewinnen einer Zuckerplantage wusste. Befreundete Pflanzer liehen der Mission daraufhin Geld für die nötigen Investitionen und schenkten ihnen Setzlinge.140 Gegen den generellen Trend entschied sich die Mission auf St. Thomas Zucker anzubauen. Die Entscheidung scheint durch die persönliche Anwesenheit der Geschwister Reynier beeinflusst gewesen zu sein. In Verbindung mit ihrer Ankunft als einem scheinbaren Zeichen göttlicher Fügung, hatte Jean-François Reyniers 138 Sebro, Louise: Mellem Afrikaner og kreol. Etnisk identitet og social navigation i Dansk Vestindien 1730–1760, Lund 2010, S. 139. 1733 gab es auf St. Thomas 77 Baumwollplantagen, 49 Zuckerplantagen und 27 Plantagen, die Tabak, Nahrungsmittel oder anderes anbauten. 1755 war der Anteil der Baumwoll- (70) und Zuckerplantagen (39) bereits zurückgegangen, während hingegen jener der Plantagen, die Mischgüter produzierten, (46) stieg. 139 Die maßgebliche Studie zum Anbau von Baumwolle in Dänisch-Westindien bietet: Tyson, George F.: On the Periphery of the Peripheries: The Cotton Plantations of St. Croix, Danish West Indies, in: Ders. (Hrsg.), Bondmen and Freedmen in the Danish West Indies. Scholarly Perspectives, St. Thomas 1996, S. 83–107, hier S. 103f. 140 Fogleman, Aaron: Two Troubled Souls. An Eighteenth-Century Couple’s Spiritual Journey in the Atlantic World, Chapel Hill 2013, S. 157–165, hier bes. 163.

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Vorschlag, man solle sich doch auf den Anbau von Zuckerrohr verlegen, umso mehr Gewicht. Der Ertrag der Plantage entwickelte sich positiv. Bereits 1746 waren die Missionare in der Lage, eine eigene Mühle zur Verarbeitung des Zuckers zu bauen und sich Kessel zum Kochen desselben in Europa zu bestellen.141 Um die Anbaufläche besser auszunutzen, wurden in der Folgezeit auf dem hügeligen Terrain der Station Terrassen angelegt.142 Bereits 1756 entschloss sich die Mission zum Bau einer Windmühle, um den Ertrag der Zuckerproduktion weiter zu steigern.143 Auch ohne genauere Informationen über die Ertragslage machen die getätigten Investitionen bereits deutlich, dass der Betrieb der Zuckerplantage als wichtiger Beitrag zur Finanzierung der Mission angesehen wurde. Vermutlich aufgrund dieser positiven Entwicklung entschloss sich die Mission 1763, die in direkter Nähe zur Missionsstation liegende Plantage Bethel zu kaufen.144 Für die Plantage mitsamt dem Inventar, das aus einer Zuckermühle, einem Destillier- und Verwalterhaus, einem Sklaven namens Israel sowie acht Kühen und 50 Schafen bestand, zahlten sie 7.000 Reichstaler.145 Die Plantage lag wie Neuherrnhut im Neuen Quartier und grenzte im Westen an die Plantage Thomas der Familie von Schimmelmann. Die durch den Kauf von Bethel erreichte Vergrößerung der Anbaufläche schlug sich schon bald positiv im Betriebsergebnis nieder. Im Jahr 1767 erzielte die Mission einen Reingewinn von 2.000 Reichstalern, und damit fast dreimal soviel wie zuvor.146 Detaillierte Angaben zu Gewinn und Verlust der Plantage Bethel liegen jedoch erst ab 1784 vor.147 Davor wurde sie als administrative Einheit von Neuherrnhut behandelt und es existierte somit auch keine eigene Buchhaltung. 1784 hatte sich die Mission jedoch entschlossen, die Plantage Bethel als von der Missionsstation separates Unternehmen zu betreiben. Ein Missionar wurde als Verwalter auf der Plantage angestellt. Bei seinem Amtsantritt war das in der Plantage stehende Kapital in Grund, Gebäuden und Sklaven mit 39.488,23 Reichstalern gebucht, davon entfielen alleine 12.050 Reichstaler auf die 55 Sklaven. Damit war die Plantage Bethel der kapitalintensivste Bestandteil innerhalb der dänisch-westindischen Gesamtökonomie mit einem Anteil von 54,10 %.148 Setzt man die Plantage Bethel jedoch in Relation zu den durchschnittlichen 141 142 143 144

145 146

147 148

Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 1, S. 663f. Ebd. Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 3, S. 1333. Zu Bethel vgl. Lawætz, Herman: Brødremenigheden i Dansk Vestindien 1760–1848, Kopenhagen 1902, S. 134–139, der allerdings mit 1765 ein falsches Ankaufsdatum angibt und irrtümlich davon ausgeht, dass die Plantage nur für den Anbau von Provisionen zum Verkauf an andere Plantagen verwandt wurde. Er schließt sich deshalb Oldendorps Urteil vom ganz und gar unschuldigen Ackerbau an [„Hvis Bethel nu var blevet omdannet til en Kvægplantage […] det maatte virkelig siges at ‚være det uskyldigste og naturelleste’.“]. UA, MDF 1027, Kaufvertrag Bethel, St. Thomas, 29. Dezember 1763. Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 3, S. 1927. Als Reinerlös für Neuherrnhut werden bei Oldendorp ca. 800 Reichstaler im Jahr angegeben. Im Jahr 1767 wurde eine Zuckerernte von 41 Fässern zu je 1.000 Pfund erzielt. UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804. UA, UMD II 5a (1787), Bilanz der Gesamtökonomie. Für ganz Dänisch-Westindien wird 1787 ein Kapitalvolumen von 67.412,04 Reichstalern angegeben. Davon entfielen auf die

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Betriebsgrößen anderer Plantagen auf St. Thomas und St. Croix, so wird deutlich, dass es sich im regionalen Vergleich um eine Plantage durchschnittlicher Größe handelte.149 Der Verkauf von Zucker und Rum bildete die Einnahmequelle der Plantage, deren Gewinne als stetige und zuverlässige Unterstützung der gesamten Mission dienen sollten. Die Einnahmen der Plantage schwankten jedoch erheblich, wie Abbildung 1 zu entnehmen ist. Während in den Jahren 1788, 1793, 1796 und 1797 Erträge von jeweils über 4.000 Reichstalern aus dem Verkauf von Zucker erzielt werden konnten, fiel die Ernte 1790 ganz aus und die Plantage erholte sich 1791 nur auf niedrigem Niveau.150 Der völlige Verlust im Jahr 1790 lässt sich auf eine Dürre zurückführen, die sich auch noch auf die Ernte des darauffolgenden Jahres auswirkte.151 Verkaufserlöse der Plantage Bethel, St. Thomas 7000 6000 Reichstaler

5000 4000 Zucker

3000 Rum

2000 1000 0 1785178617871788178917901791179217931794179517961797 Jahre

Abbildung 1: Verkaufserlöse der Plantage Bethel, St. Thomas.152

Bereits 1784 hatte sich Johannes Loretz, ein Mitglied der UAC, während einer Visitationsreise dafür ausgesprochen, mehr Zuckerrohr anzubauen und den Skla-

149

150 151

152

einzelnen Stationen: Emmaus 5.539,32 (8,21 %); Bethanien 2.316,14 (3,43 %); Friedensberg 640,60 (0,95 %); Friedensthal 6.419,24 (9,52 %); Niesky 8.163,35 (12,10 %); Neuherrnhut 7.861,45 (11,66 %); Bethel 3.6471,22 (54,10 %). Hall, Slave Society, S. 73. So hatten 1792 von den 197 Plantagen auf St. Croix 70 einen Sklavenbestand von 0 bis 5 und 71 einen Sklavenbestand von 51 bis 100 Sklaven. Insgesamt machten diese bereits 71,6 % der Plantagen auf St. Croix aus. Einnahmen aus dem Verkauf von Zucker in Reichstalern: 1788: 4.242,14 R; 1793: 6.546,61 R; 1.796: 4517,11 R; 1.797: 4989,21 R. UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, darin: Johannes Verbeek, Den Ertrag der Plantage Bethel vom 1. Jan. 1786 bis ult. Dec. 1792 betreffend. UMD II 5a (1790–1792). Basierend auf den jährlichen Verkaufszahlen in: UA, UMD II 5a (1785–1797).

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venbestand der Plantage Bethel zu erhöhen, so dass ein Gewinn von 10 % pro Jahr erzielt werden könnte.153 Denn, so Loretz, „es ist ein richtiger Grundsatz, daß hier im Lande kein Pflanzer bestehen kann, wenn er nicht 10 Prozent aus der Plantage jährlich bezieht.“154 Um ein solches Ziel zu erreichen, hätten aber wesentliche Investitionen gerade in den Sklavenbestand getätigt werden müssen. Die von Loretz vorgegebene Ertragsquote war aber, wie eine spätere Analyse Johannes Verbeeks, ein Mitglied der UMD zeigt, nie erreicht worden. In einer zusammenfassenden Übersicht der ökonomischen Entwicklung der Plantage, dargestellt in Tabelle 1, wird deutlich, dass die Entwicklung Bethels hinter den in sie gesetzten Erwartungen zurückgeblieben war. Jahr

Kapitalwert der Plantage

Gewinn

1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792

39.488,23 36.471,22 37.636,05 37.826,23 36.533,15 35.427,70 36.491,72

641,15 1.337,70 3.182,63 340,14



Verlust

1.293,04 1.705,25 4.251,63 9.753,11

2.998,29

Tabelle 1: Gewinn- und Verlustrechnung der Plantage Bethel, St. Thomas.155

Verbeek hatte bei seiner Auswertung der Jahresrechnungen bereits die Erwartungen an die jährliche Gewinnquote von 10 % auf 4 % reduziert. Aus dem in den Grundbesitz, die Gebäude, Sklaven und Maschinen investierten Kapital hätte sich nach seiner Kalkulation innerhalb von sieben Jahren immer noch ein Gewinn von 10.394,97 Reichstalern erzielen lassen müssen.156 Aber auch diese Zielvorgabe hatte die Brüderplantage nicht erreichen können. Hinsichtlich der Kritik an der Profitabilität Bethels ist zu berücksichtigen, dass die Plantage, trotz ihrer vermeintlich geringen Rendite, erhebliche finanzielle Belastungen der gesamten westindischen Ökonomie getragen hatte.157 So waren die Einnahmen nicht nur 153 Degn, Die Schimmelmanns, S. 455. 154 Zitiert nach Degn, Die Schimmelmanns, S. 455. 155 Basierend auf: UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, darin: Johannes Verbeek, Den Ertrag der Plantage Bethel vom 1. Jan. 1786 bis ult. Dec. 1792 betreffend. 156 Ausgehend vom Mittelwert des in der Plantage stehenden Kapitals von 3.7124,9 Reichstalern sind 4 % 1.484,99 Reichstaler. Innerhalb von sieben Jahren hätte somit ein Ertrag von 10.394,97 erreicht werden sollen. 157 Verbeek bereinigte die jährlichen Abrechnungen der Plantage um jene Ausgaben, die von anderen Ökonomien auf sie gebucht worden waren. Nach den eingesandten Jahresrechnungen

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wiederholt für Reisekosten der Missionare und Baukosten anderer Missionsstationen, sondern auch für die Deckung von Schulden der Missionsökonomie verwandt worden.158 Insgesamt leistete die Arbeit der Sklaven auf der Plantage Bethel somit einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung der Mission. Die Plantage arbeitete also nicht grundsätzlich unwirtschaftlich, sondern übernahm im Gegenteil, zum großen Teil Kosten der übrigen dänisch-westindischen Missionsstationen. Dennoch wollten sich die Missionare von der Plantage trennen.159 Herman Lawætz betont, dass sich das von den Missionaren propagierte Ideal einer christlichen Gemeinschaft mit „dem lärmenden Leben auf einer Zuckerplantage mit etwa 50 Sklaven“ nicht vereinbaren ließ.160 Zudem hätten die Missionare begonnen, den Großteil ihrer Arbeit für die Verwaltung der Plantage zu verwenden und es sei dadurch zu befürchten gewesen, dass sie ihren Missionsauftrag vernachlässigten.161 Folgt man seiner Interpretation, so erscheint der Verkauf der Plantage als humanitärer Akt, um das eigentliche Missionsziel nicht aus den Augen zu verlieren. Betrachtet man die privaten Briefe der Missionare, so war dagegen aus deren Sicht insbesondere das Verhalten der eigenen Sklaven ein wichtiger Grund für den Verkauf.162 Diesen wurde erklärt, dass sie wegen „ihres Ungehorsam und [ihrer] Widersetzlichkeit“ verkauft würden.163 Ob aber die Ursache für den Verkauf allein im scheinbar nicht zu brechenden Widerstand der Sklaven zu sehen ist, bleibt fraglich. Es ist sicherlich richtig, dass die Sklaven durch verschiedene Formen der Arbeitsverweigerung den Ertrag einer Zuckerplantage unterminieren konnten. Allerdings taten die Missionare alles, um jede Form von Widerstand zu unterbinden. Nicht haltbar ist jedoch die Argumentation, die Missionare hätten die

158

159 160

161 162

163

der Missionare in Westindien hatte Bethel zwischen 1786 und 1792 einen Verlust von 1.961,98 Reichstalern erwirtschaftet. UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, darin: Johannes Verbeek, Den Ertrag der Plantage Bethel vom 1. Jan. 1786 bis ult. Dec. 1792 betreffend. 1786: 1.394,05 Reichstaler für Reisekosten; 1787: 3.203,13 Reichstaler für den Bau des Wohnhauses in Bethanien; 1788: 2.000 Reichstaler an die neu eingerichtete Generaldiakonie in Dänisch-Westindien. UA, R 15 Bb 20e, Helferkonferenz Dänisch-Westindien, 30. Mai 1791. Lawætz, Brødmenigheden, S. 138: „Meget forskellig fra denne Hyrde-Idyl var imidlertid det larmende Liv paa Sukkerplantagen med dens mere end halvhundrede Negerslaver, der – man omskrive det, som man vil, og kalde dem arme, ulydige Børn, der gik i Lydighedens Skole.“ [Sehr verschieden von dieser christlichen Idylle war das lärmende Leben auf der Zuckerplantage mit den fünfzig Negersklaven, die, man kann es nennen wie man will, ungehorsame Kinder waren, die in die Schule des Gehorsams gehen mußten.] Ebd. UA, R 15 Bb 20e, Helferkonferenz Dänisch-Westindien, 30. Mai 1791: „Es wurde hierbei nach der Kenntnis so man von den Kräften der Plantage hatte bezweifelt, daß sie auch in ergiebigeren Zeiten mehr zu erwerben im Stande sein solle.“ UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, Wied an Verbeek, 20. Juli 1797: „Was uns betrifft, muß ich gestehen, es ist uns die Zeit wegen der Plantagen Wirtschaft und die Aufführung unserer Neger dabey sowol hier als auch auf Bethel sehr schwer.“ UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, Wied an Verbeek, 20. Juli 1797.

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Unproduktivität ihrer Plantage als Folge der humanitären Behandlung ihrer Sklaven in Kauf genommen, wie sie etwa von Oliver Furley vertreten wird.164 Der Verkauf der Plantage Bethel, der schließlich auch die Beendigung der Zuckerproduktion auf der benachbarten Missionsstation Neuherrnhut zur Folge hatte, scheint eher eine strategische Neuausrichtung der ökonomischen Grundlage der Mission gewesen zu sein. Betrachtet man die starken Fluktuationen des Ertrages von Bethel in Abbildung 1, so ist es am wahrscheinlichsten, dass die Plantage nicht die stetige und zuverlässige Einnahmequelle geboten hatte, für die sie die Missionare in Westindien ursprünglich hielten. Den teilweise großen Gewinnen standen auf der anderen Seite enorme Verluste gegenüber. Die Plantage akkumulierte einen Großteil des Kapitals des gesamten Missionsfeldes, weshalb Ernteausfälle oder Preisschwankungen das Bestehen der Mission gefährden konnten. Schließlich folgte die Mission mit der Veräußerung ihrer Plantage einem grundsätzlichen lokalen Trend. Argumente, die Mission habe bei dem Verkauf altruistisch gehandelt, können schon deshalb nicht gelten, weil sie natürlich den Verkauf ihrer eigenen Sklaven dabei billigend in Kauf nahmen. Nach dem Verkauf der Plantage gab es eine Umorientierung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Mission. Auf den meisten Missionsplätzen trugen die eigenen Sklaven als Schuhmacher, durch Ackerbau und Viehzucht oder als Maurer, Zimmerleute bzw. Tischler weiterhin zu den Einkünften der Mission bei. Die beiden Schmieden in Friedensthal auf St. Croix und Niesky auf St. Thomas nahmen jedoch eine Sonderstellung ein. Zum einen, weil sie einen stetigen Bedarf an gut ausgebildeten und somit teuren Handwerkssklaven hatten, und zum anderen, weil sie nach der Beendigung des Zuckeranbaus die größte Einnahmequelle der Mission bildeten.165 Ihre Bedeutung als Zulieferer der Plantagenwirtschaft garantierte eine große Nachfrage seitens der Pflanzer. Es war günstiger, den Bedarf an Fussfesseln und Ketten für Sklaven sowie Kesseln und Pfannen für das Zuckerkochen dort zu decken, als eine eigene Schmiede zu betreiben.166 Besonders die Schmiede in Friedensthal wurde unter der Leitung von Johann Gottlieb Lehmann, laut Christian Degn, „der [zeitweilig] größte Gewerbebetrieb auf St. Croix.“167 Herman Lawætz bezeichnet diese schillernde Gestalt aus der Gruppe der Missionare als einen Meister seines Handwerks, der Spekulation und des Sklavenhandels.168 In seiner Person wird die ganze Bandbreite der Verflechtung einzelner Missionare und der Mission insgesamt in die Plantagengesellschaft deutlich. Bereits kurz nach seiner Ankunft auf St. Croix 1795 kaufte Lehmann systematisch Sklaven für

164 Furley, Moravian Missionaries, S. 5: „Often the economy of the estate suffered because the slaves were worked less hard than elsewhere.“ Furley bezieht sich auf die Missionsstation Carmel in Jamaika, zieht aber in seiner allgemeinen Übersicht generelle Rückschlüsse auf die Zustände in der gesamten Mission. 165 Degn, Die Schimmelmanns, S. 456. 166 Ebd. 167 Ebd. 168 Freie Übersetzung von Lawætz, Brødmenigheden, S. 145: „Han blev Haandværkets, Spekulationens og Slavehandelens Matador.“

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den Betrieb der Schmiede.169 Im Jahr 1810 arbeiteten zwölf Sklaven in der Schmiede in Friedensthal, für deren Ankauf Lehmann insgesamt die Summe von 5.503,5 Reichstalern investiert hatte.170 Die Gruppe der Sklaven, die in der Schmiede beschäftigt waren, machte somit den Großteil des insgesamt in den Sklavenbestand investierten Kapitals von 6.328,25 Reichstalern der Missionsstation Friedensthal aus.171 Die Verwaltung der im „Sklaveninventar“ aufgeführten Personen folgte dabei buchhalterischen Richtlinien. Auf jeder Station wurden die Sklaven, wie das Grundstück und die Gebäude, als gewinnbringendes Kapital betrachtet. Die dadurch entstandenen Wertschwankungen wurden von den Mitgliedern der UMD in Herrnhut kontrolliert. „Das Neger Inventarium 1815 betragend 4230 R[eichstaler], ist 1816 bis auf R 2940 um R 1290 herabgesunken, größtenteils durch starke Herabsetzung von Schmiede Negern, nebst dem Tod eines solchen mit R 200 angesetzt gewesenen. Die Verringerung an solchen, zusammen ca. 1200 R scheint die Schmiede getragen zu haben. […] Was mag wol die so beträchtliche Herabsetzung so vieler Schmiedeneger auf einmal veranlasst haben? Einer von ihnen war zum Beispiel auf 1000 R angesetzt und wurde auf 500 R erniedrigt.“172

In diesem Sinne wurde bis 1831 der Wert jedes einzelnen Sklaven geschätzt und mit seinem Ankaufs- oder Taxationswert verglichen.173 Neugeborene wurden mit einen Wert von 20 Reichstalern als Gewinn auf dem sogenannten „Negerconto“ verbucht, während Invalide und verstorbene Sklaven, aber auch Kranke und Schwache einen Wertverlust des Kontos zur Folge hatten. Die starke Wertverminderung der in der Schmiede beschäftigten Sklaven wurde damit erklärt, dass es „höchstnöthig [war], die Schmiedeneger herunter zu setzen.“174 Dies legt nahe, dass die genaue Taxation unter Lehmanns Leitung offenbar vernachlässigt worden war, so dass eine Neubewertung der in der Schmiede arbeitenden Sklaven nötig war, um die tatsächliche Wertminderung derselben darzustellen. In diesem Sinne wurden die Sklaven der Schmiede in erster Linie als Teil des Missionsvermögens wahrgenommen, der einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung zu unterziehen war und dessen aktuellen Marktwert es zu erfassen galt. Eine genaue Bewertung der Sklaven war nötig, um den eventuellen Investitionsbedarf zu berechnen, für den Fall, dass Sklaven starben oder arbeitsunfähig wurden. Die Sklaven werden in diesem Sinne in erster Linie als Betriebsmittel betrachtet, etwa ein besonders teurers Werkzeug, aber nicht als Mitglieder einer gemeinsamen Religionsgemeinschaft. Der Fokus der Schmiede lag darin, möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften, wie sollte ansonsten die stetige Investition und der Ankauf weiterer Sklaven zu erklären sein.

169 UA, UMD II 5a (1797), angekauft wird der 19-jährige Johannes für 375 Reichstaler. 170 UA, UMD II 5a (1810). 171 Zieht man die zehn Sklaven, die auf der Missionsstation geboren wurden, ab, so wurden insgesamt für die restlichen 15 Sklaven 6.328,25 Reichstaler investiert, wovon 5.503,5 Reichstaler auf die Sklaven in der Schmiede entfielen. 172 UA, UMD II 5b (1816). Hervorhebungen im Original. 173 UA, UMD II 5b (1831). 174 Ebd.

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Zwar konnte die Schmiede in Friedensthal unter der Leitung von Lehmann erheblich zu den jährlichen Einnahmen der Mission beitragen,175 allerdings standen den Gewinnen große Investitionen gegenüber.176 Die Missionsdiakonie war über Lehmanns Leitung der Schmiede v.a. deswegen beunruhigt, weil diese sich unter seiner Führung zu einem hoch spekulativen Geschäftsbereich entwickelte. Das 1816 in der Schmiede stehende Kapital betrug 80.390,04 Reichstaler, wovon alleine 67.191,05 Reichstaler auf ausstehende Schulden entfielen.177 Setzt man zu dieser Summe den geschätzten Wert der gesamten dänisch-westindischen Missionsdiakonie, die im Jahr 1816 mit 57.721,72 Reichstalern gebucht war, in Relation, so fällt auf, dass die Schmiede allein fast das anderthalbfache (139 %) an Kapital akkumulierte. Die UMD hatte Lehmann aus diesem Grund bereits 1812 zur Einschränkung der „zu weitläufig gewordenen Schmiede, u. Einziehung der vielen ausstehenden Schulden“ verpflichtet.178 Obwohl Lehmann ermahnt wurde, dass er in wirtschaftlichen Angelegenheiten an die Entscheidungen der Helferkonferenz gebunden sei, beschränkte er sein Engagement nicht auf die Schmiede. So übernahm er nach dem Konkurs eines der größten Schuldner den Posten des Verwalters auf dessen Plantage Lower Love.179 Diese Zuckerplantage lag im Westen der Insel St. Croix und gehörte mit 85 Sklaven und 77 Hektar in Zuckerkultivation stehenden Landes zu den größeren Plantagen.180 Diese Tätigkeit, die er neben der Leitung der Schmiede ausübte, brachte ihm als Bezahlung eine jährliche Ration an Zucker und Rum ein, die er auf eigene Kosten nach Flensburg verschiffen ließ, um sie dort zu verkaufen.181 Durch sein eigenmächtiges Handeln hatte Lehmann bereits seine Kompetenzen innerhalb der Gruppe der Missionare weit überschritten. Dies hielt ihn jedoch 1821 nicht davon ab, in seiner Funktion als Verwalter der Plantage, 33 illegal nach St. Croix geschmuggelte Sklaven zu erwerben, von denen er zwei in der Schmiede in Friedensthal beschäftigte.182 Das war ein eindeutiger Verstoß gegen die geltenden Kolonialgesetze und das dänische Sklavenhandelsverbot. Allerdings war dies nicht der Grund für seine Abberufung aus dem Missionsgebiet. Lehmann war mittlerweile zu wichtig, weil er als einziger die wirtschaftliche Lage der Schmiede in Friedensthal durchschaute und mit den vielen Schuldnern verhandeln konnte. Durch seine Funktion als Verwalter einer Zuckerplantage war Lehmann innerhalb der Gruppe der Pflanzer von St. Croix bes175 Degn, Die Schimmelmanns, S. 456: „In manchen Jahren erzielte man rund 16.000 Rt. Reinertrag, also etwa das Dreifache von dem, was man von der Plantage Bethel erwartet hatte.“ 176 Lawætz, Brødmenigheden, S. 146 (Anm. 1). 177 UA, UMD II 5b (1816). 178 UA, UMD II 5b (1824) Verabredung der Brüder des Missionsdepartements in der UAC mit Johann Gottlieb Lehmann die Schmiede in Friedensthal betreffend, Berthelsdorf, 18. April 1812. 179 Lawætz, Brødmenigheden, S. 146. 180 Die Zahlen für Lower Love wurden Holsoe, Svend (Hrsg.): The Estates of St. Croix 1816– 1859, o. O. /o. D., S. 118 entnommen. Die Größe des zum Zuckeranbau verwendeten Landes von Lower Love wurde mit 191 acre angegeben. Umgerechnet wurde 1 acre = 4046 m². 181 UA, UMD II 5b (1824) Verkaufsrechnung über zehn Fass Zucker und fünf Fass Rum an Peter Petersen Schmidt. 182 Lawætz, Brødmenigheden, S. 146f.; Degn, Die Schimmelmanns, S. 457f.

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tens vernetzt. Dennoch musste er 1823 überraschend das Missionsgebiet verlassen, weil er eines, aus Sicht der Mission, viel schwereren Verbrechens angeklagt wurde. Eine todkranke Missionarin beichtete gegen Ende des Jahres 1822 ihrem Mann, dass sie ihn mit Lehmann betrogen hatte. Unter diesen Umständen konnte Lehmann nicht mehr im Missionsdienst bleiben. Die Helferkonferenz entschied sich dazu, den Grund für Lehmanns Abreise geheim zu halten und beauftragte ihn damit bis Ende des Jahres 1823 die Außenstände der Schmiede in Friedensthal einzutreiben, bevor er die Insel verlassen musste.183 Lehmann sah keinen Konflikt zwischen seiner Funktion als Missionar und Handwerker der Brüdergemeine und seiner gleichzeitigen Tätigkeit als Verwalter einer Plantage und Sklavenhändler. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass nicht seine Verwicklungen in den illegalen Sklavenhandel das Skandalöse aus Sicht der anderen Missionare darstellten, sondern sein persönlicher Fehltritt. Daraus kann zumindest vermutet werden, dass Lehmanns Verhalten als Plantagenverwalter und Sklavenhändler in der Gruppe der Missionare weitgehend akzeptiert war. Erst nach seiner Abberufung wurde die Schmiede in Friedensthal verkleinert. Während die übrigen Gewerbe insgesamt stabile Einnahmen vorweisen konnten, ging ihr Gewinn in den folgenden Jahren immer weiter zurück. Bis 1843 war die Mission in der Lage gewesen, sich durch den Betrieb ihrer Gewerbe selbst zu finanzieren. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung hatte sich für die UMD bereits 1841 abgezeichnet, dass „die Dänisch Westindischen Inseln künftig zu denen gehören werden, die sich nicht mehr selbst halten können.“184 Betrachtet man die Entwicklung der Einnahmen innerhalb der letzten zehn Jahre der wirtschaftlichen Eigenständigkeit, so bestätigt dies noch einmal den steten Rückgang v.a. der Erträge aus der Schmiede. Die Einnahmen der beiden Schmieden in Niesky und Friedensthal gingen von 6.857,22 Reichstalern im Jahr 1830 auf 2.570,31 Reichstaler im Jahr 1841 zurückging.185 Die Erträge aus Viehzucht, Gartenbau und Schuhmacherwerkstätten blieben dem entgegen stabil. Vergleicht man die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben im letzten Jahrzehnt vor der Abschaffung der Sklaverei in Dänisch-Westindien (Abbildung 2), so wird deutlich, dass seit 1837 jährlich ein Defizit erwirtschaftet wurde. Dadurch entstand bis 1841 ein Gesamtdefizit von 15.058,25 Reichstalern, das die durchschnittlichen Einnahmen eines Jahres überstieg.

183 Lawætz, Brødmenigheden, S. 150f. Den Namen der Frau gibt Lawætz nicht an. Degn unterschlägt den wahren Grund für Lehmanns Abberufung. 184 UA, UMD II 5b (1841), Pro Memoria von Roederer. 185 UA, UMD II 5 b (1830–1840).

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Einnahmen und Ausgaben der Mission in Dänisch-Westindien 25000

Reichstaler

20000 15000 Einnahmen

10000 Ausgaben

5000 0 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841 Jahre

Abbildung 2: Einnahmen und Ausgaben der Mission in Dänisch-Westindien (UA, UMD II 5b).

In Abbildung 3 sind die unterschiedlichen Ausgaben der Mission aufgeführt. Die Kosten für die Versorgung der Missionare machen dabei den größten Teil aus. Setzt man die hohen Ausgaben für die Verpflegung von ca. 20 Missionaren in Relation zum Unterhalt von fast 200 Sklaven, die in Abbildung 4 an zweiter Stelle folgen, so wird deutlich, dass das in der Missionshistoriographie verbreitete Bild eines, in absoluter Armut unter den zu Konvertierenden lebenden, Missionars wohl eher ein Topos aus der Anfangszeit der Mission ist,186 zumal die Kosten für die Bekleidung, medizinische Versorgung und Reisen der Missionare separat erfasst wurden.187

186 Beck, Die Jungferninseln, S. 19. In Anlehnung an Oldendorps Missionsgeschichte beschreibt Beck die Lebensbedingungen der ersten Missionare als ein Leben „in Schmach und großer Armut“. Dies mag für den Beginn der Mission sicherlich zutreffen, darf aber so generalisierend nicht für den gesamten Zeitraum angenommen werden. 187 In Abbildung 3 wurden unter der Rubrik „Sonstiges“ die Kosten für Reisen der Missionare, Steuern u.a. kleinere Ausgaben zusammengefasst.

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Ausgaben der Mission in Dänisch-Westindien (1830-1841) 6000

Reichstaler

5000 4000 3000 2000

Ernährung Missionare Kleidung

Ärztliche Betreuung Unterhalt Sklaven Bauausgaben

1000 Sonstiges

0

Abbildung 3: Ausgaben der Mission in Dänisch-Westindien (UA, UMD II 5b).

Bis zur Aufgabe der wirtschaftlichen Eigenständigkeit 1843 hatte die Mission in Dänisch-Westindien durch mit Sklavenarbeit betriebene Gewerbe versucht, die Kosten ihrer Missionstätigkeit selbst zu decken. In den 1830er Jahren bewirkten die zunehmende Konkurrenz durch weitere Schmieden auf St. Croix sowie der steigende Import von vorgefertigten Produkten eine Verringerung der Gewinne der Schmiede in Friedensthal. Auf St. Thomas führte zudem der allgemeine Rückgang der Plantagenwirtschaft zu einer sinkenden Nachfrage der Produkte der Schmiede in Niesky. Daneben bedeuteten der Import von Lederwaren aus Europa und die zunehmende Konkurrenz von Seiten agrarischer Kleinproduzenten in Dänisch-Westindien eine zunehmende Konkurrenz für Schuhmacherei und Gartenbau.188 Sklavenarbeit war die Basis für das ökonomische Bestehen der Mission in Dänisch-Westindien. Als Plantagenbesitzer und Betreiber von Gewerben, die als Zuliefererbetriebe für die Plantagenwirtschaft fungierten, wurden sie in ihrem ökonomischen Handeln maßgeblich von derselben beeinflusst. Dies ist in diesem Unterkapitel an den, in Anlehnung an andere Zuckerplantagen, formulierten Gewinnvorstellungen sowie der Übernahme von Managementpraktiken etwa in Form der jährlichen Bewertung des eigenen Sklavenbestandes als „Negerkapital“ deutlich geworden.

188 Hüsgen, Herrnhuter Brüdergemeine, S. 26.

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2.3. DEMOGRAPHIE DES SKLAVENBESITZES DER BRÜDERGEMEINE Für eine kritische Bewertung des Sklavenbesitzes der Missionare ist es wichtig, die Anzahl der Sklaven zu kennen, um nachzuvollziehen, welche Bedeutung die Sklaverei für das Leben und Arbeiten auf den Missionsstationen hatte. Zudem ist es wesentlich, zu analysieren, ob sich der Sklavenbestand der Brüdergemeine selbst reproduzierte, da eine positive Entwicklung als Hinweis auf eine gute Behandlung zu werten ist. In Oldendorps Missionsgeschichte sind nur vereinzelt genaue Informationen über die Anzahl und Struktur des Sklavenbestandes der Brüdergemeine zu entnehmen. Im Jahr von Oldendorps Visitation der Mission in Westindien 1768 gibt dieser eine Gesamtzahl von 79 Sklaven an, die sich aus 50 Erwachsenen und 29 Kindern zusammensetzte. Der größte Teil von ihnen gehörte mit 66 Sklaven zur Missionsstation Neuherrnhut und der benachbarten Plantage Bethel.189 Der Sklavenbestand der Brüdergemeine lässt sich grob in zwei Gruppen unterteilen. Eine davon bildeten die Sklaven der Zuckerplantage Bethel, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Besitz der Brüdergemeine war. Die zweite Gruppe bestand aus den Feld-, Haus- und Handwerkssklaven auf den verschiedenen Missionsstationen, deren Arbeitsalltag sich nicht mit jenem der Sklaven auf einer Zuckerplantage vergleichen lässt. Die demographische Entwicklung der beiden Gruppen wird aus diesem Grund getrennt voneinander behandelt. Die Dokumente der UMD bilden einen wesentlichen Quellenbestand für diese Untersuchung. Anhand dieser Quellen ist es möglich, die demographische Entwicklung des Sklavenbestandes für die Mission in Dänisch-Westindien nachzuvollziehen. Zum einen wurden in den Sitzungsprotokollen des Gremiums wichtige Diskussionen über Fragen, die die wirtschaftliche Entwicklung der Missionsgebiete betrafen, festgehalten. Zum anderen bieten die jährlichen Rechnungsabschlüsse, die die UMD zu den einzelnen Missionsgebieten anfertigte, detaillierte Informationen über deren wirtschaftliche Entwicklung. Für die Mission in Dänisch-Westindien sind Sklavenlisten in den Jahresberichten von 1784 bis 1841 erhalten. Eine von den Mitgliedern der UMD erstellte Gesamtübersicht bot eine jährliche Bewertung der wirtschaftlichen Entwicklung der Mission. Investitionen in Sklaven, Vieh, Land, Gebäude und Maschinen sowie die positive demographische Entwicklung des Sklaven- und Viehbesitzes wirkten sich günstig auf die Wertentwicklung einzelner Missionsstationen und des gesamten Missionsgebietes aus. Dem entgegen standen die Verluste durch Tod und Krankheit von Sklaven und Vieh, sowie schlechte Ernten und ein ausbleibender Absatz in den Handwerksbetrieben. Diese auf den ersten Blick umfassende Quellenbasis eröffnet jedoch nur die Sichtweise der Missionszentrale auf das Geschehen im Missionsgebiet. Die Schreiben aus den Missionsgebieten an die UMD sind nicht im vollen Umfang erhalten, so dass wir auf die daraus erstellten Jahresübersichten der Mitglieder des Kommitees angewiesen sind. Gerade im 18. Jahrhundert konnte sich der Eingang 189 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1926f.

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der Berichte aus den Missionsgebieten stark verzögern, so dass die UMD erst sehr spät über Veränderungen informiert wurde. Zudem ließen sich Fehler in der Buchhaltung aufgrund der langen Nachrichtenwege nur schwer aufklären. Trotz dieser Einschränkungen waren gerade die Mitglieder der UMD über die wirtschaftlichen Verhältnisse im Missionsgebiet verhältnismäßig gut unterrichtet. Dies betraf auch den Kauf und Verkauf von Sklaven sowie die verschiedenen Aspekte des Managements der Plantagen vom Anbau des Zuckers bis zum Verkauf der Produkte. Der ersten Gesamtübersicht folgte in den jährlichen Berichten eine detaillierte Beschreibung der wirtschaftlichen Entwicklung der einzelnen Missionsstationen, die in numerischer Reihenfolge die Veränderungen im Sklavenbestand und den Handwerksbetrieben auflistete und weitere Einnahmen und Ausgaben der Missionsstation aufführte. Dazu konnten u.a. die Kosten für die medizinische Betreuung der Missionare und Sklaven sowie Reisekosten der Missionare zählen. Ein zusammenfassendes Resümee über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Mission in Dänisch-Westindien schloss die jährlichen Berichte ab. Als Beilage wurde eine Übersicht des Sklavenbestandes, geordnet nach den einzelnen Missionsstationen, erstellt. Genannt wurden Namen und Geschlecht der Sklaven sowie deren Aufgabe auf der Missionsstation. Zusätzlich wurde der Ankaufspreis oder der geschätzte Wert bei der ersten Bewertung im Jahr 1784 aufgeführt sowie die jährliche Wertentwicklung. Schließlich wurden in die Listen auch Informationen über An- und Verkäufe, Flucht und Tod von Sklaven aufgenommen. Der Versuch der UMD möglichst genaue Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung in den Missionsgebieten zu erhalten, legt die Vermutung nahe, dass über die ökonomischen Unternehmungen der Missionare eine Kontrolle ausgeübt werden sollte. Vermutlich um im Rahmen, der wie Gisela Mettele es formuliert hat, „weltweiten Solidargemeinschaft“, die Verwendung von Mitteln der UMD zu kontrollieren und eventuelle Überschüsse anzufordern.190 Durch eine Auswertung der Sklavenlisten ist eine Annäherung an die Gesamtzahl des Sklavenbestandes möglich und es konnte die demographische Entwicklung desselben nachvollzogen werden. Als Vergleichswert diente eine stichpunktartige Auswertung der Steuerlisten und Volkszählungen der einzelnen Missionsstationen. Wie andere Sklavenbesitzer auch, waren die Missionare verpflichtet, für den Besitz ihrer Sklaven jährliche Steuerabgaben zu leisten.191 Eine genaue Auswertung beider Quellenbestände zeigt, dass sowohl die Sklavenlisten der Brüdergemeine als auch die Steuerlisten der Kolonialregierung nur eine Annäherung an die tatsächlichen Zahlen bieten können. So wurden in den Steuerlisten nur abstrakte Daten erfasst, weshalb sie keinen Rückschluss auf einzelne Personen ermöglichen. Zudem war das Interesse des Plantagenbesitzers „to under-declare his holding of

190 Mettele, Weltbürgertum, S. 64. 191 Johansen, Hans: Slave Demography of the Danish West Indian Islands, in: Tyson, George F. (Hrsg.), Bondmen and Freedmen in the Danish West Indies. Scholarly Perspectives, St. Croix 1996, S. 66–82, hier S. 66f.

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slaves” groß,192 weshalb die Genauigkeit der Listen zweifelhaft ist. Umfassende Volkszählungen wurden auf den dänischen Karibikinseln erstmals 1835 durchgeführt, aber erst ab 1841 liegen für diese ausführliche Bestände vor.193 In den Formularen der Volkszählungen wurden eine Vielzahl an Informationen über die einzelnen Sklaven erfasst, weshalb sie eine deutlich detailliertere Quelle als die Steuerlisten sind.194 Aufgrund des Umstandes, dass ihre Überlieferung erst ab 1841 einsetzt, bieten sie nur einen begrenzten Quellenwert für eine demographische Auswertung des Sklavenbestandes der Brüdergemeine. Dem entgegen bieten die Sklavenlisten der Mission zwar genaue Informationen über die einzelnen Sklaven, aber Geburten oder Todesfälle wurden häufig erst spät oder teilweise gar nicht erfasst, weshalb Lücken in der auf den ersten Blick sehr guten Überlieferung entstehen.195 Zusätzlich erschwert wird die Identifikation durch Variationen in der Schreibweise der Namen und Namensänderungen z.B. im Zusammenhang mit Taufen.196

2.3.1. Entwicklung des Sklavenbestandes der Plantage Bethel Um zu untersuchen, ob die Sklaven auf der Plantage Bethel eine bessere Behandlung erfuhren als auf einer gewöhnlichen Zuckerplantage, bietet sich eine Analyse der demographischen Entwicklung des Sklavenbestandes der Plantage Bethel an. Innerhalb von 10 Jahren kam es, wie Tabelle 2 zeigt, zu einer geringfügigen Vermehrung des Sklavenbestandes (von 64 auf 69 Sklaven). Diese Zunahme ist v.a. auf eine positive Geburtenrate zurückzuführen. 13 Todesfällen standen 19 Geburten gegenüber und die durchschnittliche Geburtenquote der Sklavinnen lag jeweils bei 1,03.

192 Ebd., S. 67. 193 Ebd., S. 68. 194 Dazu gehörten u.a. die folgenden Kategorien: Name, Geschlecht, Religion, Anzahl der Kinder, Charakter. 195 UA, UMD II 5b (1830), der 1828 geborene Christoph wird erst 1830 im Sklaveninventar der Missionsstation Friedensberg eingetragen. Ebenso UA, UMD II 5b (1833), die 1832 geborenen Kinder Alexander und Paulus werden erst 1833 im Inventar der Station Friedensfeld verzeichnet. 196 UA, UMD II 5b (1816), Sklavenbestand Neuherrnhut: „Franz getauft nun Jacob.“

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Jahr

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Männer Frauen Jungen Mädchen Summe Gestorben Geboren Verkauft Gekauft

1787 28

16

12

8

64

2

1788 27

16

12

9

64

1

1789 25

19

12

7

63

2

1

1790 25

18

11

7

61

3

1

1791 23

18

10

7

58

1

1792 23

19

12

8

62

1793 26

19

9

10

64

1

2

1794 24

20

12

9

65

3

4

1795 26

19

10

12

67

1

3

1796 27

20

10

12

69

2

4

13

19



3 1

2 2

2

2

1

5

6

Tabelle 2: Entwicklung des Sklavenbestandes der Plantage Bethel (1787–1796)197.

Die Ankäufe neuer Sklaven waren mit insgesamt sechs, verteilt auf nur drei Jahre, äußerst gering. Bemerkenswert ist, dass die Plantage sogar in der Lage war, Sklaven an andere Missionsstationen abzugeben.198 Im Gegensatz dazu war der Sklavenbestand auf einer „gewöhnlichen“ Plantage von einer deutlich höheren Fluktuation gekennzeichnet. Auf der Schimmelmann-Plantage La Princesse auf der benachbarten Insel St. Croix etwa, gab es deutlich mehr Todesfälle als Geburten und wesentlich mehr Fälle entlaufener Sklaven.199 Um der Frage inwieweit sich anhand der Sklavenlisten Rückschlüsse auf die Behandlung der Sklaven der Brüdergemeine ziehen lassen, bietet sich eine zusätzliche Betrachtung des Geschlechterverhältnisses und der geschlechtsspezifischen 197 Basierend auf der Auswertung der Sklaveninventare der Plantage Bethel in: UA, UMD II 5a (1787–1796). 198 UA, UMD II 5a (1791): „Der Bestand des Neger Inventarii ist ult. Dec. 1791 um 325 R[eichstaler] geringer als 1790, welches daher rührt, daß ein damals für 300 R angesetzter Neger Thomas an Friedensberg für 400 R überlassen worden ist u. ein Kind Caspar (für 25 R) gestorben ist. An jenem wurden also 100 R gewonnen an diesem 25 R verloren. Daher in der Einnahmen Rechnung 25 R Gewinn am Neger Conto.“ 199 Degn, Die Schimmelmanns, S. 79: „Wir sehen also, daß nur in einem Jahr die Geburtenzahl größer war als die Sterbezahl. [...] Zugekauft wurden um Laufe dieses Jahrzehnts [1773– 1782] 135 Sklaven, der Bestand erhöhte sich aber nur um 54.“

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Arbeitsteilung auf der Plantage Bethel an. Die Feldsklaven in den Sklavenlisten der Brüdergemeine wurden nur grob von Handwerkssklaven und Invaliden unterschieden und nicht wie auf La Princesse in nach ihrem Alter und ihrer Arbeitskraft getrennte Gruppen, sogenannten Gangs,200 eingeteilt. Bei einer genaueren Betrachtung der Arbeitsteilung der erwachsenen Sklaven der Plantage Bethel wird deutlich, dass die Anzahl der weiblichen Sklaven einen geringeren Anteil am gesamten Sklavenbestand ausmachte (Tabelle 3). Jahr

Männer Gesamt

Frauen Gesamt

Feldsklaven

Handwerkssklaven

Invalid

1787

28

16

30 (18m/12w)

6 (m)

8 (4m/4w)

1788

27

16

30 (18m/12w)

6 (m)

8 (4m/4w)

1789

25

19

33 (18m/15w)

5 (m)

6 (2m/4w)

1790

25

18

29 (15m/14w)

7 (m)

7 (3m/4w)

1791

23

18

28 (14m/14w)

7 (m)

6 (2m/4w)

1792

23

19

29 (14m/15w)

7 (m)

6 (2m/4w)

1793

26

22

35 (17m/18w)

7 (m)

6 (2m/4w)

1794

24

20

31 (15m/16w)

7 (m)

6 (2m/4w)

1795

26

19

33 (18m/15w)

5 (m)

6 (2m/4w)

1796

27

20

36 (20m/16w)

5 (m)

6 (2m/4w)

Tabelle 3: Arbeitsteilung Plantage Bethel, St. Thomas (m= männlich; w= weiblich).

In der Gruppe der Feldsklaven kommt es jedoch zu einem phasenweise ausgeglichenen Geschlechterverhältnis bzw. zu einem kurzfristig höheren Anteil weiblicher Sklaven. Im Gegensatz zur Plantage La Princesse ist Bethel durch ein deutlich unausgeglicheneres Geschlechterverhältnis gekennzeichnet. Dieses ist jedoch eine Voraussetzung für eine positive demographische Entwicklung. Die positive Entwicklung der Geburtenquote auf der Plantage Bethel, trotz des unausgewogenen Geschlechterverhältnisses, könnte ein Hinweis auf eine bessere Behandlung der Herrnhuter Sklaven sein. Die deutlichen Folgen einer durch ungleiche Geschlechterverhältnisse und durch extreme Arbeitsbelastung hervorgerufene geringere Geburtenrate, sind beim Sklavenbestand der Codrington Plantage der anglikanischen Kirche auf Barbados zu beobachten. Hier war die Folge, wie Travis

200 Higman, Barry W.: Slave Populations of the British Caribbean, 1807–1834, Kingston 1995, S. 162–167.

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Glasson dargestellt hat, die kontinuierliche Abnahme des Sklavenbestandes, die nur durch dauerhaft hohe Ankäufe ausgeglichen werden konnte.201 In Dänisch-Westindien, wie in vielen anderen karibischen Plantagengesellschaften auch, bevorzugten die Pflanzer im 18. Jahrhundert den Ankauf von männlichen Sklaven, weil sie meinten, damit die Arbeitskraft ihres Sklavenbestandes zu steigern.202 Erst nachdem Dänemark die Abschaffung des Sklavenhandels beschlossen hatte, veränderte sich das Ankaufsverhalten der Pflanzer. In den 10 Jahren, die zwischen der Verkündung des Gesetzes zur Abschaffung des dänischen Sklavenhandels 1792 und seinem Inkraftreten 1802 verstrichen, wurde der Ankauf von Sklavinnen propagiert, um die Basis für eine sich selbst reproduzierende Sklavengesellschaft zu schaffen. Pflanzer konnten in dieser Zeit auf günstige Kredite des dänischen Staates zurückgreifen.203 Die Tatsache, dass die Plantage La Princesse bereits in den 1780er Jahren ein relativ ausgeglichenes Geschlechterverhältnis vorweisen konnte, könnte eine Auswirkung der Refomideen der Familie von Schimmelmann sein. Es zeigt sich dort allerdings auch, dass dieses ausgewogene Ankaufsverhalten allein keine Grundlage für ein positives demographisches Wachstum bot. Deutlich wird, dass innerhalb des Plantagensystems der Plantage Bethel kaum Arbeitsbereiche für Frauen außerhalb der Feldarbeit bestanden (Tabelle 3). Abgesehen von den Sklavinnen, die als Invalide eingetragen wurden, bilden die übrigen die Gruppe der Feldsklaven. Es gilt somit auch für die Plantage der Brüdergemeine, was Barry Higman generell als Ursache für den überproportionalen Anteil von Frauen an den Feldarbeitern ausmacht, dass „males were put to a fairly wide range of occupations, whereas females were confined almost entirely to field or domestic tasks.“204 Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der Plantage Bethel entspricht somit dem Standard auf karibischen Zuckerplantagen. Auf Frauen wurde bei der Einteilung für die körperlich anstrengendere Feldarbeit keine Rücksicht genommen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Sklavenbestand der Plantage Bethel durch eine natürliche Reproduktion gekennzeichnet war. Trotz eines unausgewogenen Geschlechterverhältnisses und der Beschäftigung der Sklavinnen in der körperlich anstrengenden Feldarbeit gab es mehr Geburten als Todesfälle. Die Sklaven wurden also vermutlich, was die Ausgestaltung ihrer materiellen Lebensbedingungen anging, besser behandelt als auf der Plantage La Princesse. Dies bedeutet aber nicht, dass diese bessere Behandlung aus altruistischen Motiven geschah. Im Gegensatz zur Familie Schimmelmann verfügten die Missionare eben nicht über die finanziellen Mittel, jedes Jahr eine große Anzahl neuer Sklaven zu

201 Glasson, Mastering Christianity, S. 150: „In a self-perpetuating cycle, low birth rates and high death rates led to labor crisis, which led to overwhelmingly male purchases, which further skewed sex ratios and hurt birth rates.“ 202 Hall, Slave Society, S. 84f.; Thode Jensen, Niklas: For the Health of the Enslaved, Slaves, Medcine and Power in the Danish West Indies, 1803–1848, Copenhagen 2012, S. 48. 203 Degn, Schimmelmann, S. 348f.; Hall, Slave Society, S. 84f. 204 Higman, Slave Populations, S. 191.

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kaufen. Um so mehr könnte es im Interesse der Mission gewesen sein, die eigenen Sklaven besser zu behandeln.

2.3.2. Entwicklung des Sklavenbestandes im 19. Jahrhundert Mit dem Verkauf der Plantage Bethel 1797 fiel der Zuckeranbau als wirtschaftliches Betätigungsfeld innerhalb der Missionsökonomie weg. Dennoch besaß die Mission in Dänisch-Westindien bis 1844 eigene Sklaven. Diese waren nun aber nicht mehr in einem auf die Produktion von Exportgütern ausgerichteten Plantagenbetrieb beschäftigt. Ihr Beschäftigungsfeld erstreckte sich im Gegenteil auf die Betätigung als Haus- und Handwerkssklaven, den Gartenbau und die Viehhaltung der Mission. Diese Tätigkeiten lassen sich mit denen der auf Zuckerplantagen beschäftigten Sklaven nicht vergleichen. Allerdings ist eine Untersuchung des Sklavenbestandes auch nach dem Verkauf der Zuckerplantage von Interesse, um den Umfang des Sklavenbesitzes der Mission im 19. Jahrhundert nachzuvollziehen. Nur so kann die Kritik an der Sklaverei der Brüdergemeine durch die britische Abolitionsbewegung bewertet werden. Hierfür wurden die Sklavenlisten der Jahre 1810–1841 ausgewertet, da sie eine einheitliche Struktur aufweisen und sich gut mit der Gesamtentwicklung in Dänisch-Westindien vergleichen lassen. Der Sklavenbestand der dänischen Karibikinseln befand sich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts in einem steten Abwärtstrend. Zu hohe Sterbe- und zu geringe Geburtenraten führten zu einer stetigen Verringerung des Sklavenbestandes, die ohne die Einfuhr von Sklaven aus Afrika nicht mehr ausgeglichen werden konnte. Der Sklavenbestand der Brüdergemeine entwickelte sich dagegen positiv. Allerdings handelte es um Sklaven, deren Tätigkeit nicht mit der Arbeit auf einer Zuckerplantage zu vergleichen ist. Anhand der Abbildung 4 ist sehr gut zu erkennen, dass sich der Sklavenbestand im Verlauf von 30 Jahren positiv entwickelte.

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Sklavenbestand in Dänisch-Westindien (1810-1840) Anzah der Sklaven

240 220 200 180 160 140 120 100 1810 1813 1816 1819 1822 1825 1828 1831 1834 1837 1840

Jahre Abbildung 4: Entwicklung des Sklavenbestandes in Dänisch-Westindien (1810–1840)205.

Ausgehend von einer Gesamtzahl von 162 Sklaven im Jahr 1810 stieg die Zahl derselben bis 1840 um 40 auf 202 Sklaven. Vergleicht man diese Gesamtübersicht mit der demographischen Entwicklung einzelner Missionsstationen so ergibt sich ein differenzierteres Ergebnis. Deutlich wird, dass das in der Gesamtbetrachtug positiv verlaufende Wachstum des Sklavenbestandes der Mission zwischen den einzelnen Missionsstationen variierte. Den größten, allein auf eine natürliche Repoduktion zurückzuführenden Zuwachs konnte die Station Emmaus auf St. John verbuchen. Hier nahm der Sklavenbestand von 32 Sklaven im Jahr 1810 um 13 auf 45 im Jahr 1840 zu. Diese positive Entwicklung liegt wohl darin begründet, dass der Sklavenbestand der Station während des Untersuchungszeitraumes durch ein zeitweise ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bzw. eine Mehrzahl an weiblichen Sklaven gekennzeichnet war. Aufgrund der damit verbundenen positiven demographischen Entwicklung in Emmaus wurden Sklaven von hier an andere Missionsstationen verkauft, wenn sich dort ein Bedarf an Arbeitskräften ergab.206 Diese grundsätzlich positive Entwicklung des Sklavenbestandes lässt sich bei vier der sieben Missionsstationen beobachten (Abbildung 5).

205 Basierend auf der Auswertung der Sklavenlisten in: UA, UMD II 5b (1810–1841). 206 UA, UMD II 5b (1824): Beilage zur Gesamtjahresrechnung von E. Hohe, Neuherrnhut, St. Thomas 27 März 1824, „Von Emaus wurden in diesem Jahr 5 Neger verkauft wie die Liste zeigt.“ UA, UMD II 5b (1827), vier Sklaven von Emmaus nach Neuherrnhut verkauft.

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Abbildung 5: Entwicklung der Demographie der einzelnen Missionsstationen (1810–1840)207.

Es wird deutlich, dass auf jenen Missionsstationen, auf denen die Schmieden den wichtigsten Tätigkeitsbereich bildeten, deutlich mehr Todesfälle als Geburten zu verzeichnen sind. Dies ist einerseits auf die Bevorzugung männlicher Sklaven für die Arbeit in der Schmiede und dem damit einhergehenden unausgewogenen Geschlechterverhältnis begründet. Zusätzlich kann natürlich die körperlich härtere Arbeit in der Schmiede, die sich in einer deutlichen Herabsetzung der Taxierung einzelner in der Schmiede beschäftigter Sklaven auch in den Sklavenlisten niederschlug, zu einer grundsätzlich kürzeren Lebenserwartung geführt haben. Im Gegensatz zu den Missionsstationen Friedensthal, Neuherrnhut und Niesky sind alle anderen Stationen durch ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Geburten- und Sterbezahlen gekennzeichnet oder sie weisen einen Überschuss an Geburten auf (Tabelle 4). Vergleicht man die Anzahl der Geburten und Todesfälle im Untersuchungszeitraum, so ergibt sich eine Zunahme des Gesamtbestandes um 27 Individuen. Im Vergleich ergibt sich somit eine Diskrepanz von 13 Personen, da die Anzahl der Sklaven insgesamt um 40 stieg. Diese 13 Sklaven wurden höchstwahrscheinlich extern angekauft, angekauft, um den Bedarf an Arbeitskräften, insbesondere in den Schmieden, zu decken. Neben der Auswertung der Listen zur ungefähren Erfassung der Gesamtzahl der Sklaven wurden auch soweit angegeben, die Tätigkeiten der Sklaven auf den Missionsstationen ausgewertet. ausgewertet. Diese Angaben variieren jedoch zwischen den einzelnen Jahrgängen stark und fehlen teilweise ganz. Gerade bei Kindern fehlt oft der Hinweis, welche Tätigkeiten ausgeübt wurden. Dies bedeutete aber nicht, dass nicht auch ihr Arbeitspotential z.B. beim Hüten von Vieh, im Haushalt oder Ackerbau genutzt wurde.

207 Basierend auf der Auswertung der Sklavenlisten in: UA, UMD II 5b (1810–1840).

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Geburten

Todesfälle

Neuherrnhut

17

19

Niesky

29

36

Friedensberg

18

10

Bethanien

18

18

Emmaus

34

13

Friedensthal

15

21

Friedensfeld

20

7



151

124

Tabelle 4: Anzahl der Geburten und Todesfälle verteilt nach Missionsstationen (1810–1840)208.

In den Sklaveninventaren ist auf den ersten Blick erkennbar, dass der Großteil der Sklaven eine Tätigkeit ausübte, die im weitesten Sinne der Gruppe der Feldsklaven zuzurechnen ist. Die zweitgrößte Gruppe umfasst die Haussklaven, also jene Sklaven, die größtenteils als Köchinnen, Wäscherinnen, Haus- und Kindermädchen für die Missionare auf der Missionsstation tätig waren. Dieser Tätigkeitsbereich ist größtenteils eine Domäne weiblicher Sklaven. Dagegen sind alle Bereiche, die eine handwerkliche Ausbildung erfordern, wie im Großteil des übrigen karibischen Sklavensystems auch, ein von männlichen Sklaven dominierter Arbeitsbereich.209 Unter den Schuhmachern, Schmieden, Zimmerleuten und Maurern der Mission finden wir keine weiblichen Sklaven. Sowohl der mit der handwerklichen Ausbildung verbundene Status als auch die besseren Verdienstmöglichkeiten verschafften dieser Gruppe von Sklaven eine größere Mobilität und einen Vorteil, wenn es z.B. darum ging, sich freizukaufen.210 Alle Stationen verfügten über eine unterschiedlich hohe Anzahl an Feld- und Haussklaven, da diese beiden Gruppen sowohl zur Bedienung der Missionare als auch zum Anbau der für den Eigenbedarf bestimmten Agrarproduktion unabdingbar waren. Die im Gegensatz zu den übrigen Missionsstationen deutlich höhere Anzahl an Feldsklaven in Bethanien und Emmaus auf St. John sowie in Niesky auf St. Thomas weist aber bereits darauf hin, dass diese Stationen über den eigenen Bedarf hinaus produzierten und ihre Erzeugnisse an andere Pflanzer und auf dem Markt verkauften. Unter den einzelnen Stationen hatten sich Standortspezialisierungen in der Erwerbstätigkeit entwickelt. Die beiden Schmieden in Niesky und Friedensthal sind dafür das deutlichste Beispiel. Aufgrund der mit dem Betrieb einer Schmiede benötigten Absatzmärkte wurde dieses Gewerbe nur auf den beiden größeren Inseln St. Thomas und St. Croix betrieben. Dadurch war einer208 Basierend auf der Auswertung der Sklavenlisten in: UA, UMD II 5b (1810–1840). 209 Higman, Slave Societies, S. 161–179. 210 Ebd.

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seits sichergestellt, dass die Schmieden nicht untereinander in Konkurrenz gerieten, andererseits garantierte ihre Lage im suburbanen Gebiet Christiansteds bzw. Charlotte Amalies, dass sie sowohl Plantagenbetriebe als auch städtische Gewerbetreibende zu ihren Kunden zählen konnten. Zahlenmäßig deutlich verbreiteter war das Schuhmacherhandwerk, welches abgesehen von der Plantage Bethel zeitweise auf jeder Missionsstation ausgeübt wurde. Im Gegensatz zur Schmiede war eine Schuhmacherei nicht mit hohen Investitionskosten verbunden und auch nicht in ähnlicher Weise abhängig von einer spezifischen Kundschaft. Während die Schmieden v.a. Aufträge von Plantagenbesitzern erhielten, ist anzunehmen, dass die Schuhmacher ihre Erzeugnisse auch an Sklaven verkauften. Jene Sklaven, die als Maurer oder Zimmerleute arbeiteten, wurden an andere Plantagen ausgeliehen, um ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.211 Hinweise auf diese Praxis finden sich schon in Oldendorps Missionsgeschichte.212 Diese Gruppe machte aber im 19. Jahrhundert nur noch einen geringen Anteil am Sklavenbestand aus. In der Art und Weise der Unterteilung des Sklavenbestandes in verschiedene Tätigkeitsfelder unterschied sich die Brüdergemeine nicht von den Managementpraktiken auf anderen Plantagen. Diese Übernahme spezifischer Charakteristika des Plantagensystems wird noch deutlicher, zieht man die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung hinzu. Diese entspricht aufgrund ihrer einerseits völligen Ausgrenzung von Frauen aus allen handwerklichen Arbeitsbereichen und andererseits deren Einsatz als Haus- oder Feldsklaven dem Standard in den karibischen Plantagengebieten.

2.4. AUF DEN „INSELN DER MENSCHLICHKEIT“ – SKLAVEREI IN DER MISSION IN DÄNISCH-WESTINDIEN Dieser Abschnitt versucht eine Annäherung an die Lebensbedingungen der Sklaven der Brüdergemeine in den karibischen Missionsgebieten v.a. DänischWestindien. Wesentliche Quellen sind dabei Oldendorps Missionsgeschichte und die Protokolle der Haus- und Helferkonferenzen der Missionare. Während die Sklavenlisten und Jahresrechnungen der UMD v.a. Daten über die Anzahl sowie die demographische Entwicklung des Sklavenbestandes liefern, enthalten die Protokolle der Konferenzen zahlreiche ergänzende Informationen zu Arbeitsbedingungen, Verpflegung, Seelsorge, Sklavenhandel, der Bestrafung von Sklaven und schließlich auch zum Sklavenwiderstand. Gemeinsam mit den Informationen aus den Quellen der UMD ist es so möglich, Einblicke in die Lebenswelt der Sklaven der Brüdergemeine zu erhalten. 211 Bis 1820 führte die Missionsstation Neuherrnhut auf St. Thomas aus diesem Grund ein eigenes Konto für die Einnahmen der Handwerksneger. Vgl. UA, UMD II 5b (1820), Anmerkungen bey die Rechnungen von 1820, 15 Juni 1821: „Das Handwerks Neger Cto. hat aufgehört, weil der alte Christian nichts mehr verdienen kann.“ 212 Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 2, S. 324.

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2.4.1. Der Missionsplatz als Lebens- und Arbeitsraum der Herrnhuter Sklaven Die Plantagen und Missionsstationen der Brüdergemeine waren der wesentliche Lebens- und Arbeitsmittelpunkt der Herrnhuter Sklaven. Der folgende Abschnitt versucht, sich den Arbeits- und Lebensbedingungen anzunähern. Dies umfasst einerseits die räumlichen und materiellen Verhältnisse der Sklaven im Kontext der Mission und andererseits deren sozialen Beziehungen untereinander. Ein vom Missionar Rasmus Holt verfasster Aufsatz für die Helferkonferenz, der zentralen Entscheidungsinstanz im Missionsgebiet, bietet die Möglichkeit, seine Aufgaben und die seiner Frau als Verantwortliche für die Ökonomie des Missionsplatzes Neuherrnhut aus Sicht der Mission nachzuvollziehen. Rasmus Holt war v.a. mit der Verwaltung der Plantage Bethel betraut. Seine Frau hatte die Aufsicht über die Haussklaven, führte den gemeinsamen Haushalt der Missionare und verwaltete den Gartenbau, d.h. sie organisierte den Anbau und den Verkauf von Obst und Gemüse. Jeden Morgen ordnete Rasmus Holt die Sklaven in Gruppen ein, teilte Rationen an Zucker und Rum aus und bestimmte die Arbeitsaufgaben.213 Mittags und abends kontrollierte er deren Fortschritt gemeinsam mit dem Vorarbeiter, dem sogenannten Bomba. Er besuchte das Feld, die Zuckermühle, das Kochhaus und überwachte das Abfüllen von Zucker und Rum. Die Verantwortung der Geschwister Holt erstreckte sich somit auf die gesamte wirtschaftliche Verwaltung der Missionsstation und beinhaltete dabei sowohl die Fragen der Hauswirtschaft als auch die des Plantagenbetriebs. Dies umfasste in Abstimmung mit dem Vorsteher der Mission in Dänisch-Westindien den An- und Verkauf von Sklaven, die Taxation derselben, aber auch die Arbeitsorganisation und die Beaufsichtigung der Sklaven. Zudem war Holt für die Bestrafung der Sklaven zuständig, die er durch den Bomba ausführen ließ. Die Entscheidung auf der eigenen Missionsstation Zucker anzubauen, hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Herrnhuter Sklaven. Im Gegensatz zum Anbau von Baumwolle stellte „Zucker“ wie Barry Higman betont, „die größten Anforderungen und war, was nicht verwundert, mit den härtesten Existenzbedingungen verbunden.“214 Schon die Rodung des bergigen Geländes der Missionsstation Neuherrnhut und das Anlegen von Terrassen, um die Anbaufläche zu vergrößern, muss erhebliche Anforderungen an die physische Arbeitskraft der Sklaven gestellt haben.215 Dazu kommt, dass der Anbau von Zuckerrohr mit einer intensiven Pflege verbunden war. Zunächst mussten Löcher gegraben werden, um die Setzlinge zu pflanzen. Während das Zuckerrohr wuchs, war es nötig, kontinuierlich Unkraut zu jäten und die Ernte selbst zog sich über mehrere Monate hin.216 Oldendorp berichtet, dass die Zuckerernte der Mission

213 UA, R 15 Bb 20 a, Hauskonferenzen Dänisch-Westindien ab 1779, hier Aufsatz von Rasmus Holt als Einlage zum Eintrag vom 02. Februar 1782. 214 Higman, Plantagensklaverei, S. 13. 215 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 662. 216 Higman, Plantagensklaverei, S. 13–16; Mintz, Sidney: Die süße Macht. Eine Kulturgeschichte des Zuckers, Frankfurt am Main ²2007, S. 75–81.

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1767 von Ende Februar bis Anfang Juni dauerte.217 War die Zeit für die Ernte gekommen, mussten die bis zu sechs Meter hohen Zuckerrohrpflanzen sofort geschlagen und weiterverarbeitet werden. Andernfalls bestand die Gefahr, dass sich der Zuckergehalt in den Stängeln verringerte oder die abgeschnittenen Pflanzen austrockneten und vergärten.218 Dadurch wurde es nötig, das Zuckerrohr direkt auf der Plantage zu verarbeiten. Eine Zuckermühle und das Siedehaus bildeten jenen Komplex, der aufgrund seiner „Produktionsorganisation“ wie Sidney Mintz schreibt, „ein industrielles Unternehmen war.“219 Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass die Missionare bereits 1746 in Neuherrnhut eine eigene Zuckermühle und Siederei errichteten, da der Transport zu einem benachbarten Pflanzer nicht nur langwierig, sondern v.a. teuer war.220 Die Organisation der Zuckerplantage erstreckte sich aber nicht nur auf die Errichtung des als Fabrik bezeichneten Verarbeitungskomplexes. Der Sklavenbestand selbst musste in den Produktionsprozess mit eingebunden werden. In den Inventaren der Plantage Bethel wird dies dadurch deutlich, dass die für eine Zuckerplantage typische Arbeitsteilung sich auch hier niederschlägt. In der Gruppe der Handwerkssklaven finden sich verschiedene, für den Betrieb der Plantage unabdingbare, Tätigkeitsbereiche. So gab es zwei als Zuckerköche bezeichnete Sklaven, Johannes und Josua, deren Aufgabe es war, den von der Mühle erhaltenen Zuckersaft solange einzukochen bis er kristallisierte und in Fässer gefüllt werden konnte. Daneben besaß die Mission einen Rumbrenner namens Joseph, der aus der Melasse, einem Nebenprodukt der Zuckerproduktion, Rum produzierte. Die weitaus größte Gruppe bildeten die Feldsklaven, die häufig auch als „Kamina Neger“ bezeichnet werden.221 Bei der Ernte des Zuckers war es notwendig, dass die Arbeitsaufgaben zwischen den einzelnen Gruppen des Sklavenbestandes aufeinander abgestimmt wurden. Für diese Arbeitsorganisation und die Durchsetzung der Disziplin war der als Bomba bezeichnete Vorarbeiter zuständig. In enger Abstimmung mit dem Verwalter der Plantage teilte er die Sklaven in Gruppen ein und beaufsichtigte deren Arbeit. Der Anbau von Zucker hatte eine dauerhaft hohe Arbeitsbelastung der Sklaven zur Folge. Der Arbeitstag begann meist vor Sonnenaufgang um vier Uhr und endete erst spät am Abend. In der Zeit, die den Sklaven zur Zubereitung des Frühstücks oder als Mittagspause zugestanden wurden, waren sie darüber hinaus damit beschäftigt, die Tiere der Plantage zu versorgen.222 Während der Ernte nahm die Arbeitsbelastung zu, denn der Verarbeitungsprozess des Zuckers erforderte einen

217 218 219 220 221

Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1683. Mintz, Die süße Macht, S. 49f. Ebd., S. 79f. Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 662. UA, UMD II 5a (1794). Zur Arbeitsorganisation auf einer Zuckerplantage vgl. Turner, Mary: Slaves and Missionaries. The disintegration of Jamaican slave society, 1787–1834, Kingston ²2000, S. 41–43, sowie Higman, Slave Societies, S. 283–300, die die Verbindung zwischen der Arbeitsorganisation und dem entstehen einer Hierarchie unter den Sklaven betonen. 222 Sebro, Mellem afrikaner, S. 140.

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dauerhaften Betrieb der Zuckermühle und des Siedehauses.223 Die mit dem Anbau von Zuckerrohr verbundenen Arbeitsbedingungen der Sklaven hatten die Mitglieder der Brüdergemeine in Bethlehem dazu bewogen, sich gegen ein solches Engagement auszusprechen.224 Diesen Vorwürfen hat Oldendorp in seiner Missionsgeschichte mehrmals widersprochen. In Abgrenzung an die Arbeitsverhältnisse auf anderen Plantagen äußerte er sich zu der Situation in Neuherrnhut folgendermaßen: „Die Neger in Neuherrnhut haben, wie es im Lande gewöhnlich ist, den halben Sonnabend und ganzen Sonntag frei, außer wenn die Zuckerernte ist, da sie wenns Not tut, den ganzen Sonnabend arbeiten. […] Man läßt sie auch dabei nicht in die Nacht hinein oder wohl gar die ganze Nacht hindurch arbeiten, wie es auf anderen zu geschehen pflegt. Sie haben auch sonst nie Donkerwerk225 oder Nachtarbeit, womit die Sklaven auf anderen Plätzen sehr gequält und der nötigen Ruhe und Erholung beraubt werden. Sie gehen früh aus der Arbeit und haben ihren guten Mittag.“226

Bei der Bewertung dieser Darstellung ist zu berücksichtigen, dass Oldendorp den Sklavenbesitz der Missionare verteidigte und deshalb ein grundsätzlich positives Bild der Missionssklaverei zeichnete. Allerdings ging die Brüdergemeine bei der Gewährung eines freien Sonntags und halben Samstags weiter, als es die Gesetzgebung verlangte. Das 1733 von Philip Gardelin verabschiedete Sklavengesetz, dass für mehr als 100 Jahre in Kraft bleiben sollte, stellte in erster Linie das volle Verfügungsrecht der Pflanzer über ihr „Eigentum“ sicher und sah folglich keine Begrenzung der Arbeitszeit der Sklaven vor.227 Die von Oldendorp beschriebene Regelung entspricht dem eigenen Idealbild der Mission als christliche Sklavenbesitzer. Zumal die Einhaltung der christlichen Feiertage ihrem eigenen Missionsauftrag entsprach. Darüber hinaus gaben sie vermutlich ihren Sklaven den halben Samstag frei, um ihnen die Möglichkeit zur Bearbeitung ihrer provision grounds zu geben und somit solche Tätigkeiten möglichst am Sonntag zu vermeiden. Auch wenn Oldendorp einräumen muss, dass die Umstände der Zuckerernte zumindest eine Verlängerung der Arbeitszeit bedeuteten, so scheint seine Darstellung auf eine relativ milde Behandlung der Sklaven hinzuweisen. Das Fehlen von sogenannten Plantagenjournalen für die Plantagen der Brüdergemeine erschwert in diesem Punkt eine kritische Analyse der von Oldendorp beschriebenen Verhältnisse. Gestützt wird seine Darstellung durch die spätere Zustimmung der Brüdergemeine im Zuge der dänisch-westindischen Ameliorationsmaßnahmen den eige223 Die hohe Arbeitsbelastung der Sklaven während der Zuckerernte wurde noch dadurch forciert, wie Mintz, Die süße Macht, S. 78f., schreibt, dass man fälschlicherweise annahm, „daß Zuckersirup, wenn er einmal koche, nicht abkühlen dürfe, ehe er nicht 'geschlagen' sei.“ 224 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1935: „Die Bedenklichkeiten wegen des Zuckerbaues und der dazu erforderlichen großen Anzahl von Sklaven, da man in der Conferenz zu Bethelehem besorgte, daß eine Hinderung und Vernachlässigung der Hauptsache, ja gar ein Erdgewühle und eine Gewinnsucht und die damit insgemein verbundene harte Anstrengung der Schwarzen, […] mit dem Sinn Christi nicht bestehen könnte.“ 225 Mit Donkerwerk ist die Nachtarbeit gemeint. Vom ndl. donker = dunkel. 226 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1935. 227 Hall, Slave Society, S. 56–59.

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nen Sklaven jeden Samstag frei zu geben.228 Der dänische Gouverneur Peter von Scholten hatte dazu 1841 alle Sklavenbesitzer und folglich auch die Missionare der Brüdergemeine befragt. Diese hatten den Vorschlag angenommen und zeigten sich besonders dankbar, weil sie hofften, dass sich dadurch der von der Mission verhasste Sonntagsmarkt abschaffen ließe.229 Damit die Mission dennoch den Betrieb ihrer Schmiede auch am Samstag aufrechterhalten konnte, wurden die darin beschäftigten Sklaven für ihre zusätzliche Arbeit bezahlt.230 Ob die Missionare aber in der Lage gewesen wären, die Reformen der dänischen Kolonialregierung zu befolgen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch eine Zuckerplantage besessen hätten, bleibt zumindest zweifelhaft. Schließlich hatte auch Oldendorp bereits im 18. Jahrhundert eingeräumt, dass sich eine Beachtung des heiligen Sonntags bei der Zuckerernte nicht aufrechterhalten ließ. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Initiative zur Gewährung eines weiteren freien Tages neben dem Sonntag nicht mit einem geringeren Arbeitsaufkommen gleichzusetzen ist.231 Ebenso ist davon auszugehen, dass die Sklaven der Brüdergemeine, die in der Hauswirtschaft und in der Betreuung des Viehs und der Gärten beschäftigt waren, auch am Samstag und Sonntag ihrem Dienst nachgehen mussten.232 Neben der zentralen Bedeutung der Missionsstationen als Arbeitsplatz der Herrnhuter Sklaven ist auch deren Bedeutung als Lebensraum für dieselben zu berücksichtigen. Die räumliche Struktur der karibischen Zuckerplantagen richtete sich danach, ein Maximum an Profitabilität aus der Bewirtschaftung der Plantage zu erzielen.233 Dies wird bereits durch die Konzentration der Zuckermühle und des Siedehauses zu einem Gebäudekomplex deutlich.234 Die Hütten der Sklaven 228 Hall, Slave Society, S. 202f.; Degn, Die Schimmelmanns, S. 435f. 229 National Archives Record Administration (NARA), Record Group 55, Entry 82, Box 303, Name of Plantation and Number of Blacks if the Owners and Administrators in This Way Wish to Allow Their Unfree Population Each Saturday the Year Round to Their Own Free Use, 1841. Kongens Quarter, Nr. 6, Friedensfeld; West End Quarter, Nr. 6, Friedensberg; Company Quarter, Nr. 2, Friedensthal. 230 Moravian Archives Bethlehem (MAB), Eastern West Indies (EWI) C 15.2, Protokoll der Helferkonferenz (1843–1848), 23. Mai 1843. 231 Vgl. die kritische Bewertung der Auswirkungen des zusätzlichen freien Tages in: MAB, EWI, C 15.4, Beilagen zum Protokoll der Helferkonferenz im Jahr 1847: „Der freie Sonnabend wird nicht zum Segen, entweder die Plantagenbesitzer miethen ihre eigenen Leute für weitere Dienste, oder diese vermiethen sich anderswohin und dadurch kommen die Leute nicht zur Kirche.“ 232 MAB, EWI, C. 15.2, Helferkonferenzen Dänisch-Westindien (1843–1847), 23. Oktober 1843: „Obgleich die Freigebung des Sonnabend die Hausneger nicht betrifft so sollen sie doch an diesen Tagen nur das durchaus nöthigste zu thun haben; dies gilt jedoch nur für die wenigen in St. Croix.“ 233 Higman, Barry W.: The spatial economy of Jamaican sugar plantations. Cartographic evidence from the eighteenth and nineteenth centuries, in: Journal of Historical Geography 13 (1987), S. 17–39, hier S. 24, S. 28: „The site of the estate labourers’ village was determined very largely by the location of the works. [ …] Thus location of the village close to the works minimized the time-cost of movement during the intense crop season.“ 234 Ebd., S. 24. Auf besonders großen Plantagen entstanden mehrere voneinander unabhängige Produktionskomplexe.

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befanden sich meist in direkter Nähe dieses Verarbeitungskomplexes, um möglichst kurze Arbeitswege sowie größtmögliche Kontrolle der Sklaven sicherzustellen.

Abbildung 6: Die Missionsstation und Plantage Neuherrnhut, St. Thomas (UA, TS 265 02, C. G. A. Oldendorp 1768).

Die graphischen Darstellungen Christian Oldendorps bilden die einzige Bildquelle für die Wohnsituation der Herrnhuter Sklaven im 18. Jahrhundert (Abbildung 6). In Anlehnung an die Herrnhuter Missionshistoriographie wäre davon auszugehen, dass die Missionsstationen in Dänisch-Westindien gleichsam ein Symbol für die erfolgreiche Umsetzung des Missionsprojektes im Sinne einer humaneren Behandlung der eigenen Sklaven bzw. einer Durchsetzung der eigenen Missionsziele waren.235 Dafür spricht sich z.B. Neville Hall aus, der aus den graphischen Darstellungen von Missionsstationen in Oldendorps Missionsgeschichte eine „presumably more humane ownership“ zu erkennen glaubt.236 Louise Sebro hat 235 Hutton, History of Moravian Mission, S. 39: „By his own personal conduct he could shew the other planters that a slave owner need not to be a brute.“ 236 Hall, Slave Society, S. 77: Certainly on the Moravian estates, judging from the illustrations in Oldendorp’s History depicting New Herrnhut estate, a presumably more humane clerical ownership, followed the established pattern used by the lay planter class.“

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dem entgegen darauf hingewiesen, dass es sich um idealisierte Darstellungen der Missionsplätze handelt. Sie vermutet, dass diese nicht einfach ein Abbild der Missionssiedlung bieten sollten, sondern vielmehr „ein Symbol für den Wandel und die Zivilisation der Afrikaner“ selbst waren.237 Die Missionsstation wird somit, laut Sebro, zum Sinnbild einer erfolgreichen Zivilisierungsmission. Die Häuser der Sklaven der Missionsstation Neuherrnhut befanden sich in direkter Nähe der Missionsstation und des Verarbeitungskomplexes der Plantage. Es handelte sich um einfache Hütten aus Lehm und Holz, die über ein Dach aus getrockneten Zuckerrohrblättern verfügten. Gerade die Deckung des Daches mit Zuckerrohr war gefährlich, da die Gebäude leicht in Brand geraten konnten.238 Aus diesem Grund gab es in der Regel ein separates gemeinsam genutztes Kochhaus.239 Die räumliche Aufteilung der Häuser war unterschiedlich. Aus einer Erfassung des Zustands der Wohnsituation der ehemaligen Sklaven aus der Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich schließen, dass es neben einfachen Häusern mit nur einem Zimmer auch größere in mehrere separate Zimmer unterteilte Gebäude gab, die von Familien bewohnt wurden.240 Die als Dorf bezeichnete Ansammlung mehrerer Häuser der Sklaven unterlag dabei keiner geordneten Planung.241 Meistens waren die Sklaven für die Instandsetzung und den Bau ihrer Häuser selbst verantwortlich.242 Die Häuser der Herrnhuter Sklaven waren in keinem wesentlich besseren Zustand als die der Sklaven auf anderen Plantagen. Teilweise gab es Renovierungen, wenn aufgrund von Stürmen oder durch Brände Teile der Unterkünfte zerstört worden waren. Größtenteils wurde jedoch die Instandhaltung und in manchen Fällen auch der Bau, den Sklaven selbst überlassen. Als der baptistische Missionar William Knibb 1842 St. Thomas besuchte, bezeichnete er die Unterkünfte der Sklaven der Brüdergemeine als „by no means better than those in which the slaves resided in Jamaica.”243 Diesem Urteil schloß sich wenige Jahre später der französische Abo-

237 Sebro, Mellem afrikaner, S. 165: „Tegningen, som har været forlæg for dette kobberstik,blev således en del af den herrnhutiske mytologi og symboliserer andet og mere end bloten plantage. Det er et symbol på den forandring og civilisering, som afrikanerne undergik ifølgeden herrnhutiske forestillingsverden.“ 238 1793 war das Sklavendorf der Plantage Bethel abgebrannnt, dass sich in einer Hanglage und deshalb in einer besonders dem Wind exponierten Position befunden hatte. Vgl. UA, UMD II 5a (1793): „Man wird sich erinnern, daß vor einigen Jahren sämtliche Negerhäuser auf der Plantage wegbrannten; und Br. Göttling sagt, daß die Lage derselben auf dem Berge, wo sie der Wind leicht fassen kann, bey etwaiger Unvorsichtigkeit leicht wieder ein solches Unglück von neuem entstehen könnte, zumal sie alle in einer Linie liegen. Aus Mangel an gehörigen Zuckerblättern konnten die Neger ihre Häuser damals nicht wieder in völligen Stand setzen, und sie haben sich bis jetzt damit beholfen.“ 239 MAB, C 15.4, Beilagen zum Protokoll der Helferkonferenz im Jahr 1847, Beschreibung der Zustände auf der Mission in Dänisch-Westindien im Juny 1847. 240 Ebd.: „Niesky = (1 Negerhaus für 4 Familien; 3 gute Negerhäuser; 4 ganz alte Negerhäuser; 1 Küche für Neger).“ 241 Higman, Slave Populations, S. 218–223, hier S. 219. 242 UA, R 15 Bb 20a, Haukonferenzen Dänisch-Westindien, 24. April 1780: „Wegen Tobias und sein Weib L(...) wurde geredet, daß sie sich im Hofje ein Haus bauen.“; 243 William Knibb an Henry Sturge, in: The Anti-Slavery Reporter, 7. September 1842, S. 143.

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litionist Victor Schœlcher bei einem Besuch der Missionsstation Friedensthal auf St. Croix an. Besonders schockiert war er vom Kontrast zwischen den großen geräumigen Häusern der Missionare und den „miserablen Hütten” der Sklaven.244 Die Verpflegung der Herrnhuter Sklaven erfolgte durch die Bereitstellung von Lebensmittelrationen und durch deren eigene Nahrungsmittelproduktion. In der Regel erhielten sie von den Missionaren eine Grundversorgung an Mehl, getrocknetem Fisch, Salzfleisch und Bohnen.245 Es war zudem üblich, am Morgen ein Stück Zucker und während des Pflanzens und Erntens des Zuckerrohrs sowie an die in der Schmiede beschäftigten Sklaven Rum auszuteilen.246 Die Austeilung alkoholischer Getränke war am Sonntag jedoch untersagt.247 Eine Austeilung von Rum am Sonntag an die eigenen Sklaven wäre mit den normativen Erwartungen der Mission an ihre Gemeindemitglieder nicht zu vereinbaren gewesen. Im 18. Jahrhundert existierten keine kolonialstaatlichen Vorgaben zur Verpflegung der Sklaven. Als im Zuge der Gesetze zur Reform der Sklaverei erstmals verbindliche Richtlinien vorgegeben wurden, orientierte sich die Mission daran.248 In einer Übersicht zum Status der Mission auf St. Thomas gibt Eugenius Hartwig die Austeilung einer wöchentlichen Ration, der sogenannten „Allowance“ bestehend aus Maismehl, Weizenmehl, Cassaba oder Brot und Jams an. Daneben erhielten die Sklaven „Pott“, d.h. ein gekochtes Mittagessen in der Regel aus gesalzenem Fisch oder Fleich und Gemüse.249 Die Missionsstationen verfügten über einen von den Missionaren im 18. Jahrhundert als „Hofje“ bezeichneten Bereich.250 Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine kleinere Landfläche zur Nahrungsmittelproduktion in der direkten Nähe des Missionsplatzes.251 Neben der Tätigkeit in den Gewerbebetrieben und auf der Plantage wurden die eigenen Sklaven im Anbau von Obst und Gemü-

244 Schœlcher, Victor: Les colonies étrangères dans l’Amérique et Hayti, 2 Bde., Paris 1843, Bd. 2, S. 24: „Il y a un triste et choquant contraste entre ces misérables niches et les maisons larges, spacieuses, fraîches, où se retirent les ministres.” [Es ist ein trauriger und schockierender Kontrast zwischen diesen miserablen Hütten und den großen, geräumigen, kühlen Häusern, in denen die Missionare residieren. Übersetzt vom Autor.] 245 UA, R 15 Bb 20a, Haukonferenzen Dänisch-Westindien, 25. Oktober 1779: „In der Haus Conferenz wurde ernstlich erinnert, daß unser Mehl, wenn wir Brodt für unsere Neger backen, bald zu Ende geht.“; 23. Dezember 1781: „Es wurde erinnert, daß unsere erwachsenen Neger zu groot Sondag jeder ein Stück Slaz-Fleisch und 1 Pott Bohnen [...] kriegen.“; 246 Ebd., 23. November 1780: „Es wurde beschlossen daß es alle Morgen 1 Stück Zucker geben sollte.“; MAB, EWI, C. 15.2, Helferkonferenzen Dänisch-Westindien (1843–1847), 23. Mai 1843: „Die Neger erhalten jeden Morgen einen Löffel Zucker u. 2 mal tägl. ein Glas Rum, nämlich nach dem Frühstück um 10 Uhr u. um 1 Uhr.“ 247 MAB, EWI, C. 15.2, Helferkonferenzen Dänisch-Westindien (1843–1847), 23. Mai 1843:„Sonntags wird kein Rum, sondern nur morgens Zucker verabreicht.“ 248 Für eine Übersicht der dänischen Kolonialgesetze in Bezug auf die Verpflegung der Sklaven vgl. Thode-Jensen, For the Health, S. 155–162. 249 MAB, EWI, C. 15.3, Beilagen zum Protokoll der Helferkonferenz 1846. 250 UA, R 15 Bb 20a, Haukonferenzen Dänisch-Westindien, 24. April 1780. 251 Turner, Slaves and Missionaries, S. 43; Higman, Slave Populations, S. 204.

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se auf dieser Fläche beschäftigt.252 Die Ackerfrüchte waren sowohl für den Verzehr der Missionare und Sklaven als auch für den Verkauf bestimmt.253 Die Versorgungslage der Mission war im 18. Jahrhundert aufgrund von Dürren häufig prekär. Zusätzlich problematisch war die Abhängigkeit des Imports von Vorräten wie etwa Mehl und von Arbeitsmaterialien wie Leder, Eisen oder Kupfer in der Schuhmacherei und Schmiede. Insbesondere zur Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges konnte sich die Ankunft dringend benötigter Waren und Lebensmittel aus Nordamerika oder Europa erheblich verzögern.254 Das die Missionare während dieser Notlagen ihre Vorräte mit ihren Sklaven teilten, ist nur teilweise als Aspekt einer humanen Sklavenbehandlung anzusehen. Es ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sie, ohne die zumindest rudimentäre Versorgung der eigenen Sklaven, letztlich die Arbeitskraft des eigenen Sklavenbestandes gefährdet hätten. Neben der Grundversorgung durch die Mission hatten die Sklaven der Brüdergemeine Zugang zu sogenannten provison grounds, größeren, häufig am Rand der Plantage liegenden Landflächen, die nicht zum Anbau des Zuckers genutzt wurden und ihnen deshalb zur eigenen Kultivation zur Verfügung standen. Die von ihnen dort selbst betriebene Nahrungsmittelproduktion bildete ein wesentliches Element ihrer eigenen Versorgung.255 Daneben ermöglichte diese den Sklaven auch eine wirtschaftliche Autonomie von der Missionsstation, weil sie die über den eigenen Verbrauch hinaus erzeugten Produkte auf den Sonntagsmärkten verkaufen konnten. Teilweise verdienten sich auch die Handwerkssklaven der Brüdergemeine, insbesondere die Schmiede und Zimmerleute, durch Nebentätigkeiten etwas hinzu.256 Die Mission war in ihrer Funktion als Sklavenbesitzer auch für die grundlegende Ausstattung der Sklaven mit Kleidung und deren medizinische Versorgung verantwortlich. Das dänische Sklavengesetz von 1733 hatte diesen Bereich, wie auch die Verpflegung der Sklaven, nicht geregelt.257 Für die Missionare selbst war jedoch eine Ausstattung der eigenen Sklaven mit Kleidung wichtig. Es entsprach ihrem Empfinden von Sitte und Anstand, dass die Sklaven nicht nackt oder kaum bekleidet waren.258 Von ihren Gemeindemitgliedern erwarteten sie beim Besuch 252 Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 2, S. 919: „Welcher [Thomas] dazu gekauft worden war, daß er mit seiner Frau auf dem neuen Brüderlande bei Christianstadt wohnen und den Garten besorgen solle.“; Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 3, S. 1451f. 253 MAB, EWI C. 15.2, Prokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 8. Mai 1843. 254 Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 3, S. 1412f. 255 Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 3, S. 1451f.; Ebd., S. 1936f.: „Sie bauen sich ihre Kost, wie es gewöhnlich und ihnen selber am liebsten ist, und bekommen dazu hinlänglich freie Zeit. Wenn sie dennoch Mangel leiden, so greift man ihnen unter die Arme.“ 256 MAB, EWI C. 15.2, Prokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 23. Mai 1843: „Es soll künftig keinem Neger erlaubt sein für eigene Rechnung in unserer Schmiede zu arbeiten.“ 257 Higman, Slave Populations, S. 223–225. 258 Oldendorp, Historie Teil 1, Bd. 1, S. 539–544, hier S. 540: „Eine anständige Bedeckung der Schwarzen haben auf den dänischen Inseln die Missionarien der Brüderkirche vornehmlich

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der Kirche angemessene Kleidung und legten auch bei ihren eigenen Sklaven viel Wert darauf. Neben der Bereitstellung von Leinen, aus dem sich die Sklaven ihre Kleidung nähen sollten, fertigten die Missionare teilweise selbst Kleidung für ihre Sklaven an.259 Die Sklaven waren für die Mission als Arbeitskräfte wichtig. Deshalb lag auch die möglichst lange Erhaltung ihrer Arbeitskraft in ihrem Interesse. Bei Krankheitsfällen wurden die eigenen Sklaven gepflegt und es war üblich, dass die Missionare, wie andere Sklavenbesitzer auch, Ärzte zur medizinischen Versorgung konsultierten.260 Die Kosten für die medizinische Betreuung von Missionaren und Sklaven bildeten einen festen Bestandteil in den jährlichen Rechnungsübersichten der UMD. Über eigene Krankenstationen, wie auf größeren Plantagen üblich, verfügte die Mission jedoch nicht.261 Kranke Sklaven erhielten teilweise eine spezielle Verpflegung, z.B. eine Extraration Zucker,262 und wurden entweder von ihrer Tätigkeit freigestellt oder in andere Arbeitsbereiche eingeordnet, die sie trotz ihrer Krankheit ausüben konnten.263 Dies hieß nicht, dass man auf ihre Arbeitskraft verzichten konnte, wie das Beispiel der Sklavin Anna zeigt. „Da unsere Negerin Anna welche der hiesigen Oeconomie schon 14 Jahre dienlich gedienet und die letzten Jahre insbesonders bei der Wäsche nun schon 64 Jahre alt ist u. seit einiger Zeit über Fieber-Anfälle u. Schwäche ihres Körpers sehr zu klagen anfängt; so fühlten wir uns durch Mitleiden gedrungen – angeregt wie man es dieser alten Mutter bei zunehmenden Alter u. Entkräftung ihres Körpers leicht u. erträglich machen könnte. Man beschloß also, sie von der Wäsche zu entlasten, u. sie nur zu leichter Arbeit zu gebrauchen z.B. im Schneiderhause allerlei Handreichung zu thun, Baumwolle zu spinnen u. dergl. wobei sie dennoch ihre Zeit nützlich verbringen kann.“264

Alter und Krankheit der Sklaven bedeuteten also nicht grundsätzlich, dass diese nicht mehr in die ökonomischen Aktivitäten der Mission eingebunden waren. Vielmehr war es üblich, die Sklaven anderen Tätigkeitsbereichen zuzuweisen, so dass auch im Alter ihre Arbeitskraft noch sinnvoll genutzt werden konnte. Dies gilt z.B. auch für die Sklaven, die in der Schmiede tätig waren und denen, wenn

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veranlasset. Für die Bekehrten war es ungeziemend, ganz bloß vor andern zu erscheinen und halb nackend in die Kirche zu kommen.“ Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 3, S. 1413: „Stättner machte für sie und ihre Neger […] die nötig Kleidung und bewies sich in diesem Geschäft sehr fleißig.“ UA, UMD II 5 a (1795): „Versorgung der Neger mit wollenen Jacken.“ Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 2, S. 1321f.; UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen Paramaribo (1789–1836), 02. Juli 1792: „Es wurde folglich mit dem Herrn Kamel darüber gesprochen, welcher sich das Bein nochmals ansah u. gute Hoffnung bezeugte das der Neger die Operation aushalten werde.“ Zur Organisation der medizinischen Versorgung auf den Plantagen in Dänisch-Westindien vgl. Jensen, For the Health, S. 59–66. UA, R 15 Bb 20a, Hauskonferenzen Dänisch-Westindien, 23. November 1780: „Die kranken Neger aber wenn sie etwas kriegen haben an einem Eßlöffel voll genug.“ Ebd., 21. August 1780: „Da der neue Junge Josua wegen böser Füße nöthig hat einige Zeitlang hierauf in die Cur zu komen, so wurde resoltiert, dass der kleine Nathanael so lange nach Crumbay ginge.“ UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen Paramaribo (1789–1836), 24. Oktober 1791.

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sie ihre dortige Arbeit nicht mehr ausüben konnten, eine andere Tätigkeit zugewiesen wurde.265 Neben ihrer Funktion als Wohn- und Arbeitsort bildete die Plantage darüber hinaus auch eine wesentliche Grundlage für einen Teil der sozialen Beziehungen der Sklaven untereinander.266 Die Sklaven waren nicht nur durch ihren gemeinsamen Wohnort, die gleiche Kirchengemeinde, ihrer Tätigkeit auf der Plantage sondern auch durch ihre familiären Beziehungen untereinander verbunden. Gerade letzteres ist aber auch bei den Missionsstationen der Brüdergemeine aufgrund unzureichender Quellen nur schwer darzustellen. Die Plantagen- und Kirchenhierarchie beeinflusste zudem das Zusammenleben der Herrnhuter Sklaven. So konnte es sein, dass der eigene Nachbar und Abendmahlsgenosse in seiner Funktion als Aufseher die Bestrafung eines anderen Sklaven übernahm. Während auf diese Aspekte des Zusammenlebens und die damit einhergehenden Konflikte im weiteren Verlauf der Arbeit eingegangen wird, sollen hier die familiären Beziehungen der Herrnhuter Sklaven im Vordergrund stehen. Davon ausgehend, dass die Missionsstationen als Idealbild für die Plantokratie dienen sollten, müssten sich Elemente der Missionsideologie auch in der Ausgestaltung der sozialen Beziehungen der eigenen Sklaven niederschlagen haben.267 Ein zentrales Anliegen der Mission war bereits im 18. Jahrhundert die Implementierung des eigenen an europäischen Normen orientierten kulturellen Programms unter der afrokaribischen Bevölkerung. Der hauptsächliche Fokus lag dabei auf einer am europäischen Vorbild orientierten bürgerlichen Kleinfamilie. Diese sollte als Kontrast für alles, was mit afrikanischer heidnischer Kultur in Verbindung gebracht wurde, dienen. Die Mission konnte eine Anerkennung der christlichen Ehe durch die Pflanzer jedoch nicht erreichen. Sie versuchte aber, die Praktizierung monogamer Beziehungen unter ihren Gemeindemitgliedern durchzusetzen.268 Die Möglichkeiten der Missionare waren auf den Plantagen häufig begrenzt. In der Regel konnten sie etwa in die räumliche Ausgestaltung der Wohnsituation ihrer Gemeindemitglieder nicht eingreifen. Eine Trennung der Mitglieder der Missionsgemeinde nach Geschlechtern und Familienstand, wie in den Gemeinorten der Brüdergemeine, ließ sich nicht verwirklichen.269 Umso mehr versuchten die Missionare, zumindest Grund265 UA, UMD II 5a (1823): „Lukas vorher in der Schmiede nun im Feld.“ U.a.m. 266 Sebro, Mellem afrikaner, S. 139: „Plantagen var en institution, der definerede de fleste af rammerne omkring deres liv, men som samtidig lå til grund for en del af de sociale relationer, afrocaribiere opbyggede deres liv omkring.“ [Die Plantage war eine Institution, die den Großteil der Rahmenbedingungen die ihr [der Afrokariben] Leben umgab definierte, sie war aber gleichzeitig auch die Grundlage für einen Teil der sozialen Beziehungen auf den die Afrokariben ihr Leben aufbauten. Übersetzt von JH.] 267 Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 49: „Für die Brüder war es [der Erwerb der Plantage] zusätzlicher Spielraum für ihre Arbeit, mehr Freiraum inmitten aller gegebenen Abhängigkeiten und die Probe aufs Exempel, wie es bei ihnen mit der Brüderlichkeit gehen würde.“ Hervorhebung vom Autor. 268 Sebro, Louise: Den kulturelle mission – Brødremenigheden i Dansk Vestindien, in: På sporet af imperiet: Dansk tropefantasier, Roskilde 2005, S. 38–49, hier S. 44f. 269 Sebro, Mellem afrikaner, S. 143; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 1129: „An eine weisliche Absonderung des einen Geschlechts vom dem andern wie in den Brüdergemeinorten […],

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züge ihrer Ideale innerhalb der eigenen Sklavengemeinschaft zu erreichen. Aus diesem Grund beschäftigten sich die Hauskonferenzen, jenes Gremium in dem v.a. die Fragen des Zusammenlebens der Missionare und wirtschaftliche Entscheidungen des einzelnen Missionsplatzes besprochen wurden, detailliert mit der persönlichen Lebensplanung einzelner Sklaven. Somit beschäftigte sich die Hauskonferenz auch mit der Verheiratung der eigenen Sklaven. Für die Vermittlung einer Ehe war in der Brüdergemeine die Ältestenkonferenz eines Gemeinortes die zentrale Instanz. Ein lediger Bruder musste sich zunächst an dieses Gremium wenden und konnte hier seine Partnerin vorschlagen. Wenn die Ältesten mit seiner Wahl einverstanden waren, befragte die Konferenz die Schwester, ob sie damit einverstanden sei. Stimmte sie zu und bestätigte ein Los die Wahl, so konnten beide heiraten.270 Dieses Prozedere lief zumindest für die afro-amerikanischen Gemeindemitglieder in North Carolina ähnlich ab. In der Karibik bediente sich die Mission einer vereinfachten Prozedur. So vermerkt das Protokoll vom Oktober 1779 über die Beziehung zwischen den beiden Sklaven Paris und Phoebe in Neuherrnhut, daß „wenn sie denn hätten [vor] einander zu heirathen, daß man schaffen sollte es zu befördern.“271 Schon in der nächsten Sitzung wird berichtet, daß Paris und Phoebe damit einverstanden seien. Erst nachdem die Verbindung zwischen den beiden offiziell von der Mission legitimiert worden war, wurde ihnen gestattet in Paris Haus zusammenzuziehen.272 Deutlich wird in diesem und anderen Fällen, dass die Zustimmung beider Partner eine Voraussetzung für die Heirat war. Dadurch wurde den Sklaven ein gewisser Handlungsspielraum eingeräumt. Sexuelle Beziehungen der Sklaven untereinander wurden von der Mission reglementiert. Verstießen Sklaven gegen diese Regeln, mussten sie damit rechnen, von den Missionaren bestraft zu werden.273 Die Ausgestaltung des Lebens- und Arbeitsraums der Herrnhuter Sklaven orientierte sich an den Grundlagen des karibischen Plantagensystems. Das die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Herrnhuter Sklaven durch eine möglichst genaue Orientierung an dänischen Kolonialgesetzen gekennzeichnet, sind ist nicht verwunderlich. Es entspricht vielmehr der Obrigkeitstreue der Mission. Wie andere Pflanzer auch, teilten sie ihre Sklaven in verschiedene Arbeitsgruppen ein und schufen so eine Hierarchie innerhalb ihrer Sklavengemeinschaft.

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war unter den Negern gar nicht zu gedenken, auch nicht einmal an eine recht schickliche Einrichtung für die jungen Leute in den Häusern der Familien.“ Sensbach, A Separate Canaan, S. 131f. UA, R 15 Bb 20a, Hauskonferenzen Dänisch-Westindien (1779–1784), 25. Oktober 1779: „Drittens wurde von Paris u. Phoebe geredet, wenn sie denn hätten einander zu heirathen, daß man schaffen sollte es zu befördern.“ Ebd., 02. November 1779: „Zweytens daß mit Paris und Phoebe war geredet worden, u. sie gewillig wären, u. könnten erst in Paris Haus zusammenziehen.“ Ebd., 09. Juni 1782: „3tens wurde ausgemacht das Domingo die Christina auf ihr begehren einander nehmen sollten, womit ein jeder zufrieden war.“ UA, R 15 Bb 20 e, Helferkonferenzen Dänisch-Westindien, 3. Mai 1784; UA, R 15 Bb 20a, Hauskonferenzen Dänisch-Westindien (1779–1784), 16. Juli 1781: „6tens kam vor, daß die 2 Jungens Joachim und Cornelius, weil sie öffentlich mit einem jungen Mädchen gefasst, sollten scharf dafür mit Tamerinden gegeißelt u. gezüchtigt werden.“

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Die Wohnsituation der Sklaven unterschied sich in Bezug auf die Qualität der Häuser nicht von der auf anderen Plantagen. Es ist wohl eher sogar von einer Verschlechterung auszugehen, berücksichtigt man die Kommentare zeitgenössischer Beobachter des 19. Jahrhunderts. Auch die materielle und medizinische Versorgung der Sklaven bewegte sich im Rahmen des üblichen. Allerdings bestanden durchaus Unterschiede dahingehend, dass die Mission versuchte, z.B. die Beschäftigung ihrer Sklaven am Sonntag, einzuschränken. Dies war aber gerade im 18. Jahrhundert als die Mission selbst im Besitz einer Zuckerplantage war nicht immer möglich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Einschränkung der Arbeit am Sonntag, eine sittliche Kleidung sowie ein Tanz- und Alkoholverbot Bestandteil der eigenen normativen Erwartungen der Mission an ihre gesamte Missionsgemeinde waren. Eine genaue Durchsetzung dieser Normen diente nicht nur dem Ideal der Nächstenliebe den eigenen Sklaven gegenüber, sondern sollte gleichzeitig eine Symbolwirkung für Pflanzer und Sklaven haben. Die Mission versuchte zumindest innerhalb ihrer Sklavengemeinschaft jene normativen Erwartungen durchzusetzen, die sie auf den Plantagen mangels Interventionsmöglichkeit nicht umsetzen konnte. Dies bezog sich auch gerade auf die persönlichen Beziehungen der Sklaven untereinander.

2.4.2. Missionierung der eigenen Sklaven Der Kauf der Plantage Neuherrnhut hatte nicht nur das Ziel, die Ökonomie der Mission zu unterstützen, sondern er sollte auch der Seelsorge dienen. Nur drei der beim Kauf erworbenen Sklaven waren getaufte Mitglieder der Gemeinde. Erst durch weitere Zukäufe kamen vereinzelt zusätzliche Mitglieder auf die Plantage. Ähnlich dem Beispiel der Codrington Plantage in Barbados stellt sich die Frage, ob das Ziel der Missionierung der eigenen Sklaven durch die gleichzeitige Notwendigkeit, Gewerbe und Plantagenwirtschaft gewinnorientiert zu betreiben, unterminiert wurde.274 Bei seiner Visitation im Jahr 1749, mehr als zehn Jahre nach dem Erwerb der Plantage, äußerte Johannes von Watteville den Wunsch, dass aus Neuherrnhut eine Ortsgemeine werden sollte und dass „alle Neger der Brüder Geschwister wären und zur Gemeine gehörten.“275 Bei Ortsgemeinen handelte es sich um exklusive Siedlungen für die Mitglieder der Brüdergemeine, deren Zusammenleben durch Gemeindeordnungen genau geregelt wurde.276 Die Voraussetzung für das Leben in einem Gemeinort war die Mitgliedschaft in der Brüdergemeine. Die Missionare erklärten von Watteville, dass bald einige der Sklaven bereit sein würden, die Taufe zu erhalten. Vermutlich um die Bindung zwischen Missionaren und Sklavengemeinschaft auf Neuherrnhut zu stärken, wurde während des Besu274 Glasson, Mastering Christianity, S. 141: „The religious program on the estate was repeatedly undermined by efforts to maximize the plantation’s profitability.“ 275 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 728. 276 Mettele, Weltbürgertum, S. 49f.

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ches von Watteville ein gemeinsames Liebesmahl gefeiert.277 Diese in der Brüdergemeine besondere Art einer religiösen Feier wurde als „Symbol und Affirmation der spirituellen Einheit und Gleichheit der Mitglieder“ regelmäßig in den Gemeinorten abgehalten.278 Eine gemeinsame Liebesmahlfeier mit den eigenen Sklaven sollte die Basis für einen Austausch in einer Umgebung spiritueller Gleichheit schaffen. Von den 23 Sklaven, die an der Feier teilnahmen, waren nur die Helfer Abraham, Johannes und Dorothea getaufte Mitglieder der Gemeinde. Von den restlichen zwanzig waren acht bereits Taufkandidaten. Während diese am darauffolgenden Sonntag getauft wurden und einen neuen christlichen Namen erhielten,279 war eine Taufe der übrigen Sklaven zunächst nicht möglich. Sechs von ihnen waren Kinder, die wegen ihres zu hohen Alters nicht mehr für die Kindstaufe geeignet waren. Bei den restlichen sechs handelte es sich um Bussalen, also gerade aus Afrika in Westindien eingetroffene Sklaven, bei denen aufgrund fehlender Verständigungsmöglichkeiten keine Seelsorge hatte stattfinden können.280 Die Taufe bildete die Basis für eine Mitgliedschaft in der Gemeinde und konnte erst nach einer Auseinandersetzung mit den Grundlagen des christlichen Glaubens empfangen werden.281 Dieser Prozess lief nicht linear ab. In den Lebensberichten der Konvertiten wird er selbst als spirituelle Odyssee beschrieben, zu deren formelhaften Bestandteilen Selbstzweifel, weltliches Leben und Glaubenskrisen ebenso gehörten, wie am Ende die Konversion als Ergebnis einer seelischen Reinigung stand.282 Aus den karibischen Missionsgemeinden sind nur äußerst wenige Lebensberichte von afrokaribischen Gemeindemitgliedern erhalten. Diese Schilderungen, die meist in der dritten Person aus Sicht der Seelsorger ver277 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 742: „Den 16. May wurde den 23 Negern, die auf Degnatel wohnten, ein Liebesmahl gemacht, damit sie Johannes einmal beisammen sehen und mit ihnen reden könnte.“ 278 Mettele, Weltbürgertum, S. 61. Das Liebesmahl ist dabei nicht mit dem Abendmahl zu verwechseln, es handelt sich vielmehr um ein spirituelles Gemeinsames Mahl in Anlehnung an die neutestamentalischen Liebesmahlfeiern und hatte in der Brüdergemeine eine hohe Bedeutung. 279 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 744: „Isaac sonst Quaschi, Nathanael sonst Akkra, Joseph, sonst Koffee, alle drei von Degnatel, […] Justina, des Justus Frau, Tabea, Anna Louise, sonst Louise, Rebecca sonst May, Isaacs Frau Hanna, sonst alte Madlene, des alten Paulus Frau und der Negerin Maria in Herrnhag Mutter, alle 5 von Degnatel.“ 280 Ebd., S. 742f.: Von Kindern waren 6 da, alle ungetauft und zur Kindertaufe schon zu groß. Die übrigen 6 Schwarzen waren neue Bussalen, mit denen zum Teil niemand recht reden konnte.“ 281 Highfield, Arnold R.: Patterns of Accomodation and Resistance. The Moravian Witness to Slavery in the Danish West Indies, in: Ders. (Hrsg.): Time Longa’ Dan Twine. Notes on the Culture, History, and People of the U.S. Virgin Islands, St. Croix 2009, S. 203–233., S. 210f.; Wellenreuther, Pietismus und Mission, S. 170f. 282 Sensbach, A Separate Canaan, S. 111: „That spiritual odyssey, documented in thousands of Moravian memoirs, followed, a fairly formulaic progression. […] Paralyzed by feelings of depravity and mortality, the wayward came to understand they were helpless and lost until they acknowledged Christ’s ransom. The revelation of knowledge flowing from that crisisturned-catharsis inevitably ended in conversion and a sanctified life in the church.“

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fasst wurden, bildeten eine Synthese aus der mündlichen Überlieferung des Konvertiten und der eigenen Interpretation des Autors.283 Für eine Sklavin der Missionsstation Neuherrnhut ist ein solcher Lebenslauf überliefert, der die Problematik dieser Quelle verdeutlicht. „Gegen Abend war das Begräbnis unserer eigenen Negerin Anna Louise. Sie war eine Criolin und hier auf Neuherrnhut geboren, wurde 1749 durch den Br. Westermann getauft, u. noch dasselbe Jahr des Heils theilhaftig. Wir können ihr das Zeugnis geben, daß sie als eine ware Sünderin mit ihrem Herzen am Heiland hing, auch bis an ihr seliges Ende in ihrem Glauben geblieben ist. Im äußeren diente sie den Geschwistern treulich, wie sie denn zu verschiedenen Geschäften gebraucht werden konnte. So lange es ihr alter und Gesundheit zuließ that sie alles mögliche. [...]. Gestern Nachmittag verrichtete sie noch ihren Hausdienst, wie gewöhnlich legte sie sich auch noch ganz munter zu Bette, u. in der Nacht beförderte ein Schlag ihr Ende.“284

Der Fokus des Berichts über das Leben der Sklavin Anna Louise liegt auf ihrer religiösen Biographie, die von der Taufe und Aufnahme in die Missionsgemeinde geprägt ist. Beschrieben wird ihr Leben allein aus der Sicht des Missionars. Zusätzlich ist der Quelle zu entnehmen, dass Anna Louise auf Neuherrnhut vermutlich als Kind einer anderen Sklavin geboren wurde und bis zu ihrem Tod in den verschiedenen Arbeitsbereichen dieser Missionsstation eingesetzt war. Der Informationsgehalt des Lebenslaufes ist in dieser Form sehr gering, er gibt v.a. nicht Anna Louises Sichtweise auf ihr Leben wieder. Ausgehend von dem Diktum, dass die Missionare mit ihren eigenen Sklaven ein Exempel für die Sklavengesellschaft, in Form einer Gemeinschaft, in der die gesellschaftlichen Unterschiede aufgehoben wurden hätten schaffen wollen, ist es wichtig zu wissen, wie viele der eigenen Sklaven Mitglieder der Missionsgemeinde wurden. Die Basis für eine zumindest spirituelle Gleichheit hätte schließlich nur erreicht werden können, wenn ein Großteil der eigenen Sklaven als Mitglieder in die Gemeinde aufgenommen worden wären. Oldendorp bietet dahingehend keine genauen Informationen, weist aber auf die wiederholt zu besonderen Anlässen mit den eigenen Sklaven gefeierten Liebesmahle und die Seelsorge der Kinder der Sklaven hin. Wie sich bereits bei von Wattevilles Visitation 1749 gezeigt hatte, konnten die Voraussetzungen zur Taufe aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht gegeben sein. Zudem hatten verschiedene Auffassungen über die Taufpraxis innerhalb der Gruppe der Missionare zeitweise selbst zu einem Rückgang der Taufen in den 1740er Jahren geführt.285 Anhand der Aufzeichnungen über Taufen von Kindern und Erwachsenen sowie Listen der Kommunikanten lassen sich detaillierte Informationen über die Mitgliedschaft der eigenen Sklaven rekonstruieren. Die erstmals 1841 für ganz Dänisch-Westindien durchgeführten Volkszählungen bieten die Möglichkeit, die Religionszugehörigkeit der Sklaven auf den Missionsstationen aus der Sicht der Kolonialregierung zu erfassen. Demnach werden 1841 insgesamt 71 Sklaven im 283 Ebd. 284 Gemeinnachrichten 1774, S. 364f. 285 Fogleman, Troubled Souls, S. 138f.

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Besitz der Brüdergemeine auf St. Croix verzeichnet.286 Von diesen waren 66, also der bei weitem größte Teil, als Mitglieder der Brüdergemeine eingetragen und nur vier gehörten anderen Konfessionen an bzw. einer war nicht getauft. Dies ist in Tabelle 6 veranschlaulicht. Station

Sklaven Brüdergemeine DänischLutherisch

Anglikanische Nicht getauft Kirche

Friedensthal

28

25

1

3

1

Friedensfeld

25

25

-

-

-

Friedensberg

24

23

-

-

-



71

66

1

3

1

Tabelle 5: Kirchenzugehörigkeit der Sklaven auf St. Croix 1841 (Rigsarkivet, St. Croix Census 1841).

Zu Recht hat Humphrey Lamur jedoch darauf hingewiesen, dass zwischen Kolonial- und Kirchenstatistik in Bezug auf die Religionszugehörigkeit erhebliche Diskrepanzen bestehen können.287 Insbesondere ist dies der Fall bei den sogenannten „Neuen Leuten“, die von den Kolonialbeamten häufig zu Mitgliedern der Brüdergemeine gerechnet wurden. Bei ihnen handelt es sich aber um Personen, die sich mit der Bitte um eine Aufnahme an die Missionare wandten.288 Im vorliegenden Beispiel wurde im Rahmen der Erhebung der Statistik auch das Datum der Taufe vermerkt. Die Taufe ist nicht mit der Aufnahme in die Brüdergemeine gleichzusetzen, sie bildete vielmehr die Basis für eine weitere Mitgliedschaft.289 Auffällig ist, dass von den 66 Sklaven, bei denen als Religionszugehörigkeit die Brüdergemeine angegeben wurde, mit 64 der Großteil getauft ist und davon 61 die Taufe im Kindesalter erhalten haben. Bei zwei zur Brüdergemeine gezählten Personen ist kein Taufdatum verzeichnet, hier ist unklar, ob sie aufgrund der örtlichen Verbundenheit zur Kirche als zur Brüdergemeine gehörig gerechnet wurden. Die drei Sklaven, welche die Taufe im Erwachsenenalter erhalten haben, waren vermutlich zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Brüdergemeine zu alt für die Kindstaufe, so etwa im Beispiel des erst im Alter von 24 Jahren, 1824, getauften 286 Rigsarkivet, St. Croix Census 1841: Est. Friedensthal Company Quarter; Est. Friedensfeld, Kongens Quarter; Hospital St. 01–10, Frederikstedt. Bei der Auswertung der Religionszugehörigkeit wurden nur die Individuen herangezogen, welche im Besitz der Brüdergemeine waren. Daneben verzeichnet der Zensus auch die Missionare und Personen, die als Lebenspartner von Sklaven der Brüdergemeine auf den Missionsstationen lebten. 287 Lamur, Humphrey/ Boldewijn, N/ Dors, R.: Charlottenburg 1780–1860, Catalog D, Sociale Banden Tussen Slaven, Paramaribo 2009, S. VIII: „Some [governmental] sources did not take account of the definition of the term 'member' that was used by the EBG.“ Hervorhebungen im Original. 288 Ebd., S. VII. 289 Lamur, Sociale Banden, S. XI: „Baptism admitted a slave into the community.“

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Andreas von der Missionsstation Friedensberg. Er gehörte vermutlich zur Gruppe der letzten Sklaven, die vor dem dänischen Sklavenhandelsverbot nach St. Croix importiert wurden, da als sein Geburtsort Afrika angegeben wird.290 Er wird erstmals 1821 in den Sklavenlisten der Missionsstation Friedensberg verzeichnet, ohne dass ein Hinweis auf seine genaue Herkunft gegeben wird.291 Als Erwachsener hatte er den gleichen Konversionsprozess aus Unterweisung und Sozialkontrolle zu durchlaufen wie viele andere Kandidaten der Brüdergemeine. Allerdings wurde seinem Wunsch nach der Taufe bereits im Januar 1824 entsprochen.292 Nur in seltenen Fällen kam es vor, dass Eltern von neugeborenen Sklaven der Brüdergemeine explizit wünschten, dass ihr Kind vom Priester einer anderen Kirche getauft wurde.293 Die Konversion erfolgte nach dem Verständnis der Brüdergemeine in erster Linie zum Christentum und nicht zum Herrnhutertum.294 Erst durch weiteren Unterricht und eine den Normen der Mission entsprechende Lebensführung konnte das Mitglied weiter in der Gemeindehierarchie aufsteigen, deren Abschluss der Status als Kommunikant bildete.295 Die Taufe war ein wesentliches Ereignis im religiösen Leben des Sklaven und gab ihm eine neue Identität. Dies wurde durch eine christliche Namensgebung verdeutlicht.296 Da ein Großteil der Sklaven auf den Missionsstationen geboren wurde, erhielten diese bereits zur Geburt einen christlichen Namen. Trotzdem war aber bei Taufen erwachsener Sklaven die Vergabe eines neuen Namens üblich. Es gibt keine Hinweise in den Quellen, welche Praxis bei der Auswahl der Namen angewandt wurde.297

290 Risgarkivet, St. Croix Census 1841: Hospital St. 01–10, Nr. 8: Andreas, Birthplace: Africa. 291 UA, UMD II 5b (1821). 292 Rigsarkivet, St. Croix Census 1841: Hospital St. 01–10, Nr. 8: Andreas, Baptized: 18.01.1824. 293 UA, UMD II 5b (1822), auf der Missionsstation Bethanien wurde das neugeborene Kind Jane Eluise vermutlich auf den ausdrücklichen Wunsch seiner Eltern „vom dänischen Priester getauft.“ 294 Mettele, Weltbürgertum, S. 106f.: „Die getauften Mitglieder waren ebenso wenig wie die Diasporaanhänger automatisch auch vollwertige Mitglieder der Brüdergemeine. Sie wurden zunächst einmal zum Christentum, nicht zum Herrnhutertum bekehrt.“ 295 Lamur, Sociale Banden, S. XII: „Even after a slave had reached the highest class [had become a communicant], his or her conduct was observed very closely by the missionaries.“ 296 Sensbach, A Separate Canaan, S. 83. 297 In North Carolina erfolgte die Auswahl des neuen Namens aus einer Vorauswahl per Losentscheid. Vgl. Sensbach, A Separate Canaan, S. 83.

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Nr Name .

Geschlecht Taufe

Aufnahme

Kommunikant

1

Andreas Carl

m

09/1806

02/1826

02/1841

2

Heinrich Levy

m

03/1809

09/1825

3

John Christoph

m

04/1801

08/1822

4

Henrietta

w

07/1797

09/1811

5

Judith

w

04/1784

02/1807

6

Juliane

w

11/1818

11/1840

7

Naemi

w

10/1805

01/1822

8

Rosina

w

12/1804

05/1822

Tabelle 6: Entwicklung des Mitgliedsstatus nach Kindstaufe298 (m= männlich; w= weiblich).

Um Informationen zu erhalten, in welchem Umfang die eigenen Sklaven über ihre Taufe hinaus in die Missionsgemeinde integriert wurden, ist eine Auswertung der Kirchenbücher notwendig. Eine Auswertung des Kirchenbuchs der Missionsstation Friedensthal wurde in den Tabellen 7 und 8 dargestellt. Dabei konnten in den verschiedenen Kategorien insgesamt 27 Individuen identifiziert werden, deren Mitgliedschaft über den Status der Konversion zum Christentum hinausging. Setzt man dies in Relation zu den ca. 77 Personen, die als Sklaven auf der Station während des Untersuchungszeitraums lebten,299 waren immerhin 35 % der Sklaven der Missionsstation Friedensthal Mitglieder der Brüdergemeine.Deutlich wird, dass die Taufe nur die Grundlage für eine Aufnahme in die Gemeinde bildete. Gerade bei Taufen im Kindesalter erfolgte die Aufnahme erst im Erwachsenenalter. Bei den Personen in der Tabelle 8, bei denen keine Taufe in der Brüdergemeine vermerkt ist, ist davon auszugehen, dass sie bereits von einem Priester einer anderen Konfession getauft wurden.300 Wiedertaufen lehnte die Mission grundsätzlich ab.301 Verdeutlicht wird anhand des Kirchenbuchs, dass ein qualitativer 298 MAB, EWI, C. 19.1, Kirchenbuch Neger, Friedensthal 1744–1832. 299 Auf Basis der Auswertung der Sklavenlisten in: UA, UMD II 5a (1784–1810), u. UA, UMD II 5b (1811–1841). 300 Insbesondere Sklaven, die aus den Einflussgebieten katholischer Kolonialmächten von Westafrika nach Westindien transportiert wurden, waren häufig bereits in Afrika getauft worden. Vgl. Zeuske, Michael:, The Names of Slavery and Beyond: the Atlantic, the Americas and Cuba, in: Schmieder, Ulrike/ Füllberg-Stolberg, Katja/ Zeuske, Michael (Hrsg.), The End of Slavery in Africa and the Americas. A Comparative Approach, Berlin 2011, S. 51–80, hier S. 57f. Oldendorp, Historie, Teil 1, S. 741: „Unter denen Schwarzen, die aus portugiesischen Ländern oder deren Nachbarschaft Guinea nach Westindien kommen, sonderlich aus dem Congo, sind viele, die […] von katholischen Priestern die Taufe empfangen haben.“ 301 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1996: „Bei allen, die getauft werden sollen, wird zuvor sorgfältig nachgefragt und untersucht, ob sie schon in einer anderen Kirche getauft worden sein, damit nicht eine Wiedertaufe geschehe, die man verabscheuet.“

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Nr.

Christl. Name

Geschlecht

Taufe

Aufnahme

Kommunikant

1

Anna

w

07/1773

06/1775

2

Anna Rosina

w

05/1753

07/1760

3

Anna Susanna

w

03/1788

03/1795

4

Benigna

w

12/1804

11/1808

5

Christiana

w

10/1805

1808

6

Judith

w

01/1785

1796

7

Magdalena

w

02/1786

03/1806

8

Maleachi

m

12/1771

02/1773

9

Johannes

m

12/1807

07/1811

10

John William

m

11/1811

11

Jacob

m

11/1824

12

Anton

m

07/1773

11/1775

13

Lucas

m

12/1778

04/1785

14

David

m

01/1786

05/1808

15

Johannes

m

06/1803

09/1809

16

Christian

m

05/1805

12/1818

17

Joseph

m

04/1808

01/1811

18

Thomas

m

03/1809

01/1814

19

Daniel

m

01/1810

03/1815

Tabelle 7: Entwicklung des Mitgliedstatus nach Erwachsenentaufe302 (m= männlich; w= weiblich).

Unterschied in Bezug auf die Mitgliedschaft in der Brüdergemeine zwischen der Kinds- und Erwachsenentaufe bestand. Anders lassen sich die verschiedenen Phasen, etwa in der religiösen Biographie von Andreas Carl, nicht erklären. Dieser wurde 1806 als Kind der beiden Sklaven Benigna und Andreas auf der Missionsstation geboren.303 Getauft wurde er bereits kurz nach seiner Geburt im September, seine Aufnahme in die Gemeinde erfolgte aber erst 1826 und in die Gruppe der Kommunikanten wurde er erst 1841 aufgenommen. Dem entgegen stehen jene Fälle, in denen die Taufe im Erwachsenenalter erfolgte bzw. in denen eine Taufe

302 MAB, EWI, C. 19.1, Kirchenbuch Neger, Friedensthal 1744–1832. 303 MAB, EWI, C. 19.1, Kirchenbuch Neger, Friedensthal 1744–1832, Taufen von Knaben: 28.09.1806.

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nicht mehr nötig war, weil das zukünftige Mitglied bereits getauft war.304 Auch in diesen Fällen konnten zwischen Taufe und Aufnahme in die Gemeinde einige Jahre vergehen. Den höchsten zu erreichenden Grad der Mitgliedschaft, den Status als Kommunikant und damit einhergehende Aufnahme in die Abendmahlsgesellschaft, konnten insgesamt nur drei Sklaven erlangen. Dies ist aber aufgrund der allgemeinen Exklusivität dieser Position nicht ungewöhnlich.305 Allerdings wäre zu vermuten gewesen, dass die Mission unter ihren eigenen Sklaven aufgrund der besseren Möglichkeiten der religiösen Unterweisung und Sozialkontrolle einen größeren Anteil an Kommunikanten hätte. Vermutlich ließ sich jedoch religiöse Gleichheit mit der Hierarchischen Ordnung des Sklavensystems nur schwer vereinbaren. Ausgehend vom empirischen Befund der Missionsstation Friedensthal ist es wahrscheinlich, dass sich die Mitgliedschaft der eigenen Sklaven auf den anderen Missionsplätzen ähnlich entwickelte. Neuherrnhut wurde kein Gemeinort, wie es sich Johannes von Watteville bei seiner Visitation 1749 gewünscht hatte. Es ist allerdings deutlich geworden, dass sich die Missionare zumindest im 18. Jahrhundert aktiv um die Bekehrung ihrer eigenen Sklaven bemühten. Ob die Missionare in Dänisch-Westindien ihre weltliche Macht als Sklavenbesitzer dazu nutzten, ihren eigenen Sklaven den Kirchenbesuch zu befehlen, wie es der Herrnhuter Missionar John Lang in Jamaika tat,306 ist nicht überliefert. Der Großteil der Sklaven auf den Missionsstationen der Brüdergemeine war getauft und ein Teil sogar als Mitglied in die Missionsgemeinde aufgenommen. Den Status eines Kommunikanten und die, durch die gemeinsame Teilnahme am Abendmahl mit den Missionaren verdeutlichte, spirituelle Gleichheit erlangten aber nur sehr wenige Sklaven der Brüdergemeine. Vergleicht man den Anteil der zum Christentum bekehrten Sklaven der Missionsstationen der Brüdergemeine mit jenen, die auf der Codrington Plantage konvertierten, so fällt auf, dass die Christianisierung der SPG unter ihren eigenen Sklaven scheiterte. Die Missionare der Brüdergemeine hatten bei der Missionierung ihrer eigenen Sklaven allerdings zwei wesentliche Vorteile. Ihr Sklavenbestand war durch eine natürliche Reproduktion gekennzeichnet. Das bedeutete, dass die Mission sich nicht mit immer neuen, aus Afrika verschleppten Sklaven und deren afrikanischen kulturellen Wurzeln auseinanderzusetzen hatte. Zusätzlich gilt es zu bedenken, dass auf den einzelnen Missionsstationen im größten Fall 35 Sklaven lebten, d.h. der eigene Sklavenbestand ließ sich viel besser kontrollieren, als es auf einer Plantage mit mehreren hundert Sklaven möglich gewesen wäre.

304 Aus diesem Grund wird ist die dafür vorgesehene Spalte im Kirchenbuch auch mit dem Hinweis „Taufe/Aufgenommen“ tituliert. 305 Lamur, Sociale banden, VII. 306 Furley, Moravian Missionaries, S. 4.

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2.4.3. Sklavenhandel in der Mission Der Handel mit Sklaven war in der Mission der Brüdergemeine sehr viel umfassender, als das er sich durch die Begrenzung auf den An- und Verkauf derselben erfassen ließe. Neben diesen beiden Bereichen gab es einen internen Austausch von Sklaven, der sowohl den Handel unter den Missionsstationen als auch mit dem Gemeinort der Brüdergemeine in Bethlehem, Pennsylvania umfasste, sowie die Praxis des Leihens und Verleihens. Dem Kauf von Sklaven konnten ganz unterschiedliche Interessen zugrunde liegen, sowohl die Errettung von Gemeindemitgliedern als auch die Produktivitätssteigerung der Gewerbe. Dieser Abschnitt wird die unterschiedlichen Bereiche und Motive umfassend darstellen. Dabei wird aufgrund der differenzierten Quelleninterpretation deutlich, dass die Motivationen für den Ankauf von Sklaven komplexer waren, als das eine einseitige Deutung, die Missionare seien mit dem Sklavenankauf ihren humanitären Ambitionen gefolgt, haltbar wäre. Die Häfen der dänischen Karibikinseln in Christiansted, Frederiksted und Charlotte Amalie waren mehrmals im Jahr das Ziel von Sklavenhändlern, die den Plantagen der Inseln Nachschub für ihren stetigen Bedarf an Arbeitskräften anboten.307 An der afrikanischen Westküste und auf anderen westindischen Inseln hatten die Händler Sklaven erworben, um sie in Dänisch-Westindien weiterzuverkaufen.308 Mit dem Erwerb von St. Croix 1733 war der Bedarf an Sklaven auf den dänischen Karibikinseln gestiegen.309 Die Insel bot aufgrund ihrer relativ ebenen und fruchtbaren Böden beste Bedingungen für eine umfangreiche Plantagenwirtschaft. Während sich Christiansted auf St. Croix im 18. Jahrhundert somit 307 Dänemark hat im internationalen Vergleich keine große Rolle im transatlantischen Sklavenhandel gespielt und liegt mit einer ungefähren Anzahl von 111.041 Sklaven bis 1825 an siebter Stelle hinter Portugal, Großbritannien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und den USA (vgl. http://www.slavevoyages.org/tast/assessment/estimates.faces, letzter Zugriff am 27.12.2013). Umfassende Studien zu Struktur und Umfang des dänischen Sklavenhandels liegen v.a. in den Arbeiten von Svend Green-Pedersen vor, vgl.: Ders., Slave Demography in the Danish West Indies and the Abolition of the Danish Slave Trade, in: Eltis, David/ Walvin, James (Hrsg.), The Abolition of the Atlantic Slave Trade: Origins and Effects in Europe, Africa and the Americas, Madison, WI 1981, S. 231–255. Eine gut lesbare Übersicht der die auch neuere Forschungsergebnisse berücksichtigt bietet Highfield, Arnold R.: The Danish Atlantic and West Indian Slave Trade, in: Ders. Time Longa’ Dan Twine. Notes on the Culture, History, and People of the U.S. Virgin Islands, St. Croix 2009, S. 81–106. 308 Ein Großteil der Sklaven, die St. Croix erreichten kam direkt aus Afrika (69%), die übrigen wurden von anderen Karibikinseln importiert. Vgl. Highfield, Danish Atlantic, S. 89. Für eine Übersicht der dänischen Kolonisation und des dänischen Sklavenhandel in Westafrika vgl. Hall, Slave Societies, S. 70–72; Degn, Die Schimmelmanns, S. 119–155, sowie die maßgebliche Monographie von Hernæs, Per: Slaves, Danes and African Coast Society. The Danish Slave Trade from West Africa and Afro-Danish Relations on the Eighteenth-century Gold Coast, Trondheim 1995. 309 Highfield, Danish Atlantic, S. 88. Im Jahr 1791 lebten ca. 4.214 Sklaven auf St. Thomas und 1.845 auf St. John. Auf St. Croix war der Sklavenbestand mit 18.291 Sklaven dagegen mehr als drei Mal so groß. Diese ungleiche Verteilung war das Ergebnis der sinkenden Bedeutung der agrarischen Produktion auf St. Thomas und St. John.

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zu dem wichtigsten Zielhafen für die noch junge Plantagenökonomie entwickelte, wurde der Hafen von Charlotte Amalie auf St. Thomas ein bedeutsamer Umschlaghafen im transatlantischen Sklavenhandel.310 Dieser Handel war für die dänische Regierung so profitabel, dass auch nach dem Inkrafttreten des dänischen Sklavenhandelsverbots am 1. Januar 1803 der Handel mit Sklaven in Charlotte Amalie nicht beendet war. Erst eine britische Invasion 1807 setzte dem weiterhin offiziell legitimierten Handel ein Ende.311 Die Sklaven, die für die Plantagen auf St. Croix bestimmt waren, wurden in den Handelshäusern der Dänisch-Guineischen-Westindien-Kompagnie zum Verkauf angeboten. Im Hof des Handelshauses der Kompagnie im Hafen von Christiansted gab man den potenziellen Käufern zunächst Gelegenheit zur Begutachtung der Sklaven, bevor die Neuankömmlinge versteigert wurden.312 Dieser gesamte Prozess konnte sich unter Umständen mehrere Wochen hinziehen, wenn z.B. aufgrund einer geringen Nachfrage nicht alle Sklaven sofort verkauft werden konnten. Bis in die 1830er Jahre wurden Sklaven in Dänisch-Westindien meist auf öffentlichen Auktionen versteigert. Unter den Besuchern einer solchen Auktion befand sich am 20. Juni 1788 Martin Mack, Vorsteher der Mission der Brüdergemeine, der neue Sklaven kaufen wollte. Seine von der UMD erhaltene Generalvollmacht befähigte ihn dazu, „zum Sorgen der Plantagen und der damit verbundenen Wirtschaften, auch der gemeinschaftlichen Oekonomie, nöthigen Falls sowohl Neger, als Vieh anzukaufen, auch nach Befinden hier wiederum zu verkaufen“.313 An diesem Freitagmorgen erwarb er für 150 westindische Reichstaler ein Mädchen (en pige).314 Es ist nicht möglich zu rekonstruieren, welche Gründe Mack zum Kauf des Mädchens bewegten, aber es ist sicher, dass dieser Kauf nicht der Errettung eines Gemeindemitgliedes diente. Wie schon die Formulierung der Generalvollmacht nahelegt, hatte der An- und Verkauf von Sklaven in erster Linie

310 Highfield, Danish Atlantic, S. 92. Zwei wesentliche politische Faktoren für die Bedeutung Charlotte Amalias als Umschlagplatz waren die Einrichtung des Freihafens 1767 und die Abschaffung von Zöllen auf Ein- und Ausgehende Sklaven 1785, die beide zur Entwicklung als Durchgangshafen beitrugen. 311 Die dänische Regierung gestattete explizit eine Fortführung des Handels sofern die Schiffe nicht unter dänischer Flagge segelten und der Handel nicht auf dänischem Territorium ausgeführt wurde. Praktisch bedeutete dies, dass der Freihafen für eine Fortführung des Sklavenhandels genutzt wurde. Vgl. Highfield, Danish Atlantic, S. 93; Degn, Die Schimmelmanns, S. 365. Für die weitere Bedeutung insbesondere Charlotte Amalies als Umschlagplatz des transatlantischen Sklavenhandels in den 1820er und 1830er Jahren vgl. Dorsey, Joseph: Slave Traffic in the Age of Abolition. Puerto Rico, West Africa and the Non-Hispanic Caribbean, 1815–1859, Gainesville, FL 2003. 312 Seit der Fertigstellung des Handelshauses der Westindien Kompagnie in Christiansted, die Sklaven im Hof desselben angeboten und verkauft wurden. Vgl. Degn, Die Schimmelmanns, S. 151. 313 UA, R 15 Ba 31 (8), Generalvollmacht der Mission in Dänisch-Westindien o. D. 314 NARA, Record Group 55, Box 723, Entry 313, Records of the Sale of Slaves imported by the Royal Guinea Trade Directors on his Majesty’s Account, 1778–80: „Sælgt en pige til Forstanderen for de Mæhriske Brødre Hrr. Martin Mack for at hundrede at halvtredsindstyve Rigs Daler.“

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ökonomische Gründe. Auch die Tatsache, dass Mack das Mädchen nicht gekannt haben kann, legt nahe, dass ihr Kauf einer wirtschaftlichen Verwendung, z.B. als Haussklavin, diente. Der Ankauf von Sklaven war zu diesem Zeitpunkt in der Mission der Herrnhuter Brüdergemeine nicht ungewöhnlich. Tatsächlich war es bereits vor dem Kauf der Plantage Neuherrnhut 1738 Friedrich Martins Intention gewesen, einige Nationalhelfer, indigene Assistenten der Missionare, zu erwerben, um sicherzustellen, dass diese nicht weiterverkauft würden und dadurch für die Missionsarbeit verloren seien.315 Diese sollten daneben aber auch zum wirtschaftlichen Bestehen der Mission beitragen.316 So war es auch bei der Versteigerung jener Plantage, die später der Missionsplatz Neuherrnhut werden sollte, zunächst vorgesehen, nur einige getaufte Gemeindemitglieder zu erwerben.317 Als die Missionare sich entschlossen, die gesamte Plantage mit Sklaven zu ersteigern, gelangten neben den beiden getauften Sklaven Christoph und Anna Maria sieben weitere in ihren Besitz, von denen jedoch ein Großteil kaum mehr zu schwerer körperlicher Arbeit in der Lage war.318 Andere Mitglieder der Gemeinde konnten im Nachhinein durch Rückkauf wieder auf die Plantage zurückgeholt werden.319 Beim Ankauf von Sklaven, so wird es bereits in den Überlegungen Friedrich Martins deutlich, spielten also viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Neben ihrer möglichen Bedeutung für die Missionsarbeit war auch ihre Arbeitskraft ein zumindest nicht unwesentlicher Faktor bei der Kaufentscheidung. Dies entsprach dem originären Ziel, die Plantage der Brüdergemeine zu einem Herrnhuter Gemeinort zu entwickeln, dessen Mitglieder eine Arbeits- und Religionsgemeinschaft bilden sollten. Religiöse Motive spielten in jenen Fällen eine Rolle, in denen die Missionare getaufte und ungetaufte Sklaven erwarben, um sie für ein Leben in der Brüdergemeine nach Europa zu bringen.320 Bereits 1734 hatten die Brüder ein siebenjähriges Kind namens Oly (Carmel), das nach seiner Taufe in Ebersdorf den Namen Josua erhielt, auf St. Thomas gekauft.321 Es handelte sich um einen Bussalen, also einem gerade aus Westafrika nach Dänisch-Westindien importierten Sklaven. Dieser gab an, dass er aus dem zentralafrikanischen Königreich Loango stammte und seine Angehörigen in einer Schlacht verloren hatte, in deren Folge er gefan315 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 250: „Die Wegführung dieser Helfer, welche noch bei mehrern zu befürchten war, brachte Martin auf die Gedanken, ob es nicht möglich gemacht werden könnte, solche Schwarze, die sich bekehrt und zum Dienst in Jesu Reich eine Gabe hätten loszukaufen.“ 316 Ebd., S. 265: „Die Missionarien gingen noch immer damit um, einige der getauften Sklaven zu kaufen und zu ihrer Hülfe bei sich zu haben.“ Ebd., S. 265: „Diese beiden Schwarzen wurden nicht nur zum Dienst an den Seelen im Segen gebraucht, sondern die Brüder glaubten auch, daß sie ihnen im Äußerlichen sehr nützlich sein würden.“ 317 Ebd., S. 266. 318 Ebd., S. 267: „Wovon nur die ersten drei als zur Arbeit tüchtig anzusehen waren.“ 319 Ebd., S. 376. 320 Für eine Übersicht der im 18. Jahrhundert nach Europa kommenden Afrokariben vgl. Peucker, Paul: Aus allen Nationen. Nichteuropäer in den deutschen Brüdergemeinen des 18. Jahrhunderts, in: Unitas Fratrum 59/60 (2007), S. 1–35. 321 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 110, S. 140.

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gengenommen und in die Sklaverei verkauft worden war. Er wurde von Leonhard Dober mit nach Europa genommen, wo er nach wenigen Monaten verstarb.322 Einige Jahre darauf erwarb auch Graf Zinzendorf in St. Eustatius einen nordamerikanischen Ureinwohner und einen westindischen Sklaven, die beide wie Josua nach Europa gebracht werden sollten.323 Sie waren aber so unglücklich, dass sie sich bereits vor ihrer Abreise auf St. Thomas das Leben nahmen.324 Ob der Kauf dieser Individuen das Ziel hatte, „personelle Beziehungen zu den in Übersee entstehenden oder entstandenen Gemeinden [zu] konkretisieren und [zu] stärken [...] und so auch Leute für ihren Dienst im eigenen Volk zu rüsten“, wie Hartmut Beck meint, lässt sich zumindest nicht in diesem Maße mit generalisierender Gültigkeit festhalten.325 Paul Peucker hat in einer differenzierten Untersuchung die unterschiedlichen Motivationen, die hinter diesen Kaufentscheidungen lagen, dargestellt. Teilweise ist diese Art des Sklavenerwerbs tatsächlich im Zusammenhang mit Zinzendorfs Erstlingsidee zu sehen, z.B. die Verheiratung der Sklaven Andreas und Maria in Bethlehem, damit sie zur Unterstützung der Mission wieder zurück nach St. Thomas geschickt würden.326 Maria war 1742 von der Brüdergemeine auf St. Thomas gekauft worden, kam mit Zinzendorf 1743 nach Europa, wo sie aktiv an Synoden teilnahm und schließlich 1745 als vermutlich erste schwarze Frau ordiniert wurde.327 Fraglich ist, in wieweit der Aufstieg innerhalb der Kirchenhierarchie auch mit einer Veränderung von Marias rechtlichen Status als Sklavin einherging. Zumindest ihre Position innerhalb der Gemeinde lässt aber darauf schließen, dass sie nicht den Status einer Sklavin hatte. Diese Änderung des sozialen Status war aber nur jenen vorbehalten, die als Mitglieder in den exklusiven Siedlungen der Brüdergemeine, den sogenannten Gemeinorten, lebten.328 Eine andere Motivation für den Ankauf von Sklaven sieht Jaqueline van Gent in Zinzendorfs paternalistisch-aristokratischen Habitus.329 Der Ankauf von Sklaven, um sie als Statusobjekte zu besitzen, war im Europa des 18. Jahrhunderts weit verbreitetet und ist vielfach belegt.330 So bemühten sich auch Zinzendorf und sei322 Ebd., S. 141: „[Josua] kam wieder nach Herrnhut und ging daselbst im folgenden Jahre, den 28. Merz vergnügt zu seinem Erlöser.“ 323 Ebd., S. 362. 324 Ebd., S. 382. 325 Beck, Jungferninseln, S. 40 (Anm. 78). 326 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 523: „Sodann [Andreas] wieder nach St. Thomas gehen und seiner Nation, sonderlich den Eheleuten, zum rechten Segen und zum Beispiel sein sollte.“ Zu Maria vgl. Peucker, Aus allen Nationen, S. 1–3. 327 Peucker, Aus allen Nationen, S. 3. 328 In Nordamerika waren die Schwarzen, die in den Gemeinorten lebten, im 18. Jahrhundert in die Gemeinde integriert. In den Südstaaten ist im 19. Jahrhundert allerdings ein Separatismus zwischen Weißen und Schwarzen Mitgliedern zu beobachten, der schließlich zur Gründung von eigenen Gemeinden für Schwarze führte. Ebd., S. 4f. Sowie zu der Situation in den Südstaaten, Sensbach, A Separate Canaan, passim. 329 Van Gent, Side Wounds, S. 203, beschreibt das Eingreifen Zinzendorfs in die interne Organisation der Mission auf St. Thomas und seinen Kauf von Sklaven als Teil einer Strategie „to assert his aristocratic and paternal power.“ 330 Martin, Peter: Schwarze Teufel, edle Mohren, Hamburg 1993.

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ne Frau, von dem befreundeten dänischen Plantagenbesitzer Johann Lorentz Carstens eine Sklavin als Dienstmagd zu erhalten.331 Zudem ließ sich der Graf für seine Frau Erdmuth Dorothea, seine Tochter Benigna und seinen Sohn Christian Renatus jeweils einen Sklaven als Geschenk aus der Karibik mitbringen, wie Paul Peucker nachgewiesen hat.332 Schließlich scheint es, dass Zinzendorfs Motive auch in einem grundlegenden anthropolgischen Interesse begründet sein können. Er hatte bereits 1726 die Gräfin von Schaumburg-Lippe darum gebeten, dass ihm der bei Hameln aufgegriffene sogenannte „Wilde Peter“333 überlassen werde, damit er an ihm die Existenz „angeborener Ideen“ und „die Bildbarkeit noch des Rohesten und Unzivilisiertesten“ beweisen könne.334 Neben der Motivation für den Ankauf von Sklaven aus religiösen Motiven, als Statussymbol und Forschungsinteresse bestand für die Mission eine grundsätzliche Notwendigkeit, Sklaven für den Betrieb ihrer Gewerbe und Plantagen sowie für den Erhalt der Sklavengemeinschaft zu kaufen. Mit der Einrichtung weiterer Missionsstationen waren weitere Sklaven für deren Haushaltung sowie für Landwirtschaft, Viehzucht und die Handwerksbetriebe notwendig. Daneben mussten eventuelle Verluste, die sich nicht aus dem eigenen Sklavenbesitz ersetzen ließen, durch Zukäufe ausgeglichen werden. Der Besuch auf einer Sklavenauktion, wie er zu Beginn geschildert wurde, war deswegen keine Seltenheit und beschränkte sich nicht auf Dänisch-Westindien, sondern gehörte auch in anderen karibischen Missionsgebieten zum alltäglichen Geschäft des Vorstehers einer Mission.335 Die Missionare hatten bereits 1734 auf St. Thomas im Auftrag des Oberkammerherrn von Pleß zwölf Sklaven auf einer Auktion erworben, um damit den Sklavenbestand der Plantagen der dänischen Westindien Kompagnie auf St. Croix zu vergrößern.336 In den darauffolgenden Jahren erwarben die Missionare mehrere Sklaven auf Auktionen, um ihre eigene Ökonomie zu verstärken.337 Dabei wurde nach 331 Peucker, Aus allen Nationen, S. 8f. 332 Ebd., S. 12. 333 Bei dem sogenannten „Wilden Peter“ handelt es sich um einen 1724 bei Hameln gefundenen vermutlich geistig behinderten jungen Mann, der als vermeintliches Wolfskind zu einer überregionalen Berühmtheit gelangte. Vgl. Blumbach, Johann Friedrich: Beiträge zur Naturgeschichte Bd. 2, Göttingen 1811, S. 11–44; Martin, Schwarze Teufel, S. 301. 334 Blumbach, Beiträge zur Naturgeschichte Bd. 2, S. 18f.: „[Die Nachricht von der Gefangennahme Peters] traf in die Zeit, wo gerade der Streit über die Frage ob es angeborene Begriffe gebe, mit voller Lebendigkeit und respectiver Hitze geführt ward. Und da schien Peter ein erwünschtes Subjekt zur Entscheidung derselben. […] Graf Zinzendorf wandte sich zu Anfang 1726 an die Gräfin von Schaumburg-Lippe nach London, um ihre Vermittlung, daß Peter ihm überlassen werden möchte, um die Entwicklung der angeborenen Begriffe an demselben zu erproben.“ Zitiert nach Martin, Schwarze Teufel, S. 501f. 335 UA, R 15 Lb 24a, Protokoll der Hauskonferenz in Paramaribo (1791–1838), z. B. 7. August 1816 u. 13. August 1817. 336 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 109. 337 Ebd., S. 659: „Im Junius kauften sie für ihre Wirtschaft auf einer Bussalenauction einen großen Knaben.“ [1746]; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 713: „Die Neger der Brüder wurden im Januar durch 3 Bussalen, die man auf einer Sklavenauktion kaufte, vermehrt.“ [1749]; Ebd., S. 857: „Im Februar kauften sie auf einer Negervendüe zween Bussalen, weil einer von denen, so sie gehabt, und zwar der allerstärkste gestorben und ein anderer makron war und

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dem Prinzip gehandelt, den aktuellen Bedarf an Arbeitskräften bestmöglich abzudecken, wenn z.B. Sklaven speziell für die Haushaltung oder ihren Einsatz als Zimmerleute erworben wurden.338 Daneben wurden aber auch Sklavinnen als Partnerinnen für die eigenen Sklaven gekauft, damit diese keine Frauen von einer anderen Plantage nahmen.339 Laut den Missionaren war dies die Ursache für viel „Unordnung“ innerhalb der Sklavengemeinschaft und konnte natürlich die dauerhafte Trennung des Paares nach sich ziehen, sollte einer der beiden von seiner Plantage verkauft werden. Tatsächlich kam es sehr häufig vor, dass Lebenspartner auf unterschiedlichen Plantagen lebten und sich gegenseitig besuchten. Aus Sicht der Mission war dabei einerseits sicherlich die mögliche Trennung der Familien ein Grund gegen ein solches Verhältnis, aber genauso die nur geringe Möglichkeit der Sozialkontrolle über den auf einer anderen Plantage lebenden Partner. Letztlich kann der Zukauf von Sklavinnen aber auch dem ganz profanen Grund entsprochen haben, die eigene Reproduktion des Sklavenbestandes zu fördern. Schließlich wären die Kinder eines Herrnhuter Sklaven, sofern sie von seiner Partnerin auf einer anderen Plantage geboren worden wären, in den Besitz ihres Plantagenbesitzers übergegangen. Die Kaufentscheidungen der Missionare wurden aber auch von Kosten- und Nutzen-Abwägungen beeinflusst. Gerade gut ausgebildete Sklaven waren oft so teuer, dass die Helferkonferenz die gezielte Ausbildung eigener Sklaven zuweilen einem Ankauf vorzog. So wurde etwa der Wunsch des Missionars Hühnerbein, der die Schmiede der Missionsstation Niesky leitete, im April 1817 einen „Neger der die Profession versteht“ zu erwerben, abgelehnt, weil ein Mangel an gut ausgebildeten Sklaven vorherrschte und ein solcher zu einem angemessenen Preis nicht zu bekommen war.340 Die Kostenfrage bildete auch in jenen Fällen die Grenze des Handelns, in denen es den Missionaren um den Erwerb von Gemeindemitgliedern ging. So wurde bei den Überlegungen, eine Schwester zurückzunichts tun konnte.“ [1750]; Ebd., S. 919: „Erst den 11. November ging Weber dahin ab und nahm den Bruder Thomas, den ehemaligen Matamba, mit, welcher dazu gekauft worden war, daß er mit seiner Frau auf dem neuen Brüderlande bei Christianstadt wohnen und den Garten besorgen solle.“ [1751]; Ebd., S. 1124: „Im May kauften sie einen Bussalen, den sie wie andere das Zimmerhandwerk lehrten und darin zu ihrem Dienste gebrauchten.“ [1755]; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1622: „Die Brüder kauften […] eine Negerin, die Köchin gewesen und ihre Stelle in Ansehung der Küche vertreten sollte.“ [1760]; Ebd., S. 1620: „Die Brüder kauften einen um billigen Preis ihnen angebotenenen tüchtigen Neger aus St. Eustatius, der zur Zimmerei gebraucht werden sollte.“ [1760]; Ebd., S. 1688: „Die Brüder kauften im May einen Bussalen zum Zimmerhandwerk.“ [1767]; u.a. m. Hervorhebung vom Autor. 338 UA, R 15 Bb 20a, Hauskonferenzen Dänisch-Westindien, Konferenz vom 11. November 1781. Da die Haussklavinnen der Geschwister Mack wegen der Geburt ihrer eigenen Kinder der Arbeit nicht mehr im vollen Umfang nachkommen können, legt die Haus-Konferenz fest: „Wenn Sclaven von Portorico sollten ankommen so sollte man ihnen zwey davon kaufen.“ 339 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1838: „Im August wurden für die Plantage zwo ledige Bussalnegerinnen gekauft, aus der Ursache, dass die dasigen unverheirateten Neger nicht nötig hatten, Weiber von anderen Plantagen zu nehmen.“ 340 UA, R 15 Bb 20e, Helferkonferenz Dänisch-Westindien, Konferenz vom 23. April 1817.

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kaufen, die nach Puerto Rico verkauft worden war, bemerkt, „daß [es] sehr schwer, ja fast unmöglich sein würde sie zu kaufen, und, wenns auch möglich wäre, einen ungemeinen Aufwand erfordern würde.“341 Während es also teilweise ein tatsächliches Interesse gab, Mitglieder der Gemeinde als Sklaven zu erwerben, so waren doch auch diesem Ziel in Abhängigkeit der Marktsituation Grenzen gesetzt. Dabei lagen wiederum nicht in erster Linie religiöse Motive vor, sondern auch hier wurde zunächst diskutiert, inwieweit Mitglieder eine sinnvolle Ergänzung für die Ökonomie der Mission bilden würden. Als die Hauskonferenz der Mission in Paramaribo 1817 überlegte, ihre gemietete Wäscherin durch eine eigene Sklavin zu ersetzen, wurde zunächst diskutiert, welches der auf der nächsten Auktion angebotenen Gemeindemitglieder für diese Funktion am ehesten geeignet sei. So einigte sich die Hauskonferenz, entweder Henrike Freda oder Therese Regine zu erwerben, die beide als gute Wäscherinnen bekannt seien und für die man bis zu einem gewissen Betrag mitbieten wollte.342 Immer wieder wurden Sklaven auch erworben, um ihnen die Möglichkeit zu verschaffen, sich freizukaufen.343 Für die Mission bargen diese Ankäufe ein gewisses Risiko, da sich nicht sichergestellen ließ, dass die vorgestreckte Summe zurückzahlt werden konnte. Mit einem solchen Fall mussten sich die Missionare in Friedensthal auf St. Croix 1791 auseinandersetzten. Auf Initiative des Schuhmachers Lukas hatten sie seine Frau Rebecca, die nun auf der Missionsstation als Köchin arbeitete, gekauft.344 Ebenso war eine Sklavin namens Lydia mit ihren Kindern erworben worden, damit sie sich freikaufen konnte. Diese verstarb allerdings, bevor sie ihre Schulden hatte zurückzahlen können, und auch Rebecca war offenbar nicht in der Lage, dies zu tun. Die Mission in Friedensthal taxierte deshalb Rebecca und die Kinder von Lydia und übertrug sie in ihr Sklaveninventar.345 Bis zu ihrem Tod 1815 gelang es Rebecca nicht, ihre Schuld gegenüber der Missionsstation Friedensthal zu begleichen.346 Auch kam es vor, dass eigenen Sklaven die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich freizukaufen. So sicherten die Missionare dem Zimmermann Maleacki zu, dass er sich zum Preis von 400 Reichstalern freikaufen könne, was immerhin 500 Reichstaler unter seinem Taxa341 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1439. 342 UA, R 15 Lb 24a, Protokoll der Hauskonferenzen in Paramaribo (1791–1838), 7. August 1816. 343 Von einem solchen Fall berichtet bereits Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1639. Allerdings war auch Sarah nicht in der Lage, ihre Schuld gegenüber der Mission abzuzahlen, weshalb sie zunächst in Niesky und dann in Neuherrnhut als Wäscherin beschäftigt wurde. 344 UA, UMD II 5a (1791). Lukas wird als Schuhmacher und Rebecca als Köchin im Sklaveninventar geführt. 345 Ebd.: „4. Friedensthal: Es standen unter den ausstehenden Schulden Rebecca Lucas Weib, u. Lydia mit ihren zwei Kindern, sie wollten sich frei kaufen, da aber allen Anschein nach nichts daraus werden wird u. die Lidia auch heimgegangen ist, so haben wir die Rebcca u. die 2 Kinder Christian David u. Nathanael taxiert, u. unter den Negern die zur Oeconomie gehören mit aufgelistet.“ 346 UA, UMD II 5b (1815): „Dürfte es aber wohl so gehen wie mit einer anderen dergleichen, einer Rebecca, die nun R 102,63 die jetzt verstorben ist, da man diese Schuld hat abzuschreiben.“

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tionswert lag.347 Die Missionare kamen ihm also entgegen, indem sie es ihm erleichterten, seine Freiheit zu erlangen. Aufgrund seiner guten zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten als Handwerkssklave gelang es Maleacki, innerhalb von zehn Jahren die Gesamtsumme aufzubringen.348 Er bildete jedoch eine Ausnahme. Der Großteil der Sklaven war nicht in der Lage, den notwendigen Betrag zu beschaffen. Sogar die eigens zu dem Zweck des Freikaufs erworbenen Sklaven konnten ihre Schulden gegenüber der Mission meistens nicht begleichen und wurden schließlich entweder zum Sklavenbestand der Brüdergemeine gerechnet oder, falls sie vorher verstarben, als Verlust verbucht.349 Die Mitglieder der UMD rieten der Mission in Westindien aufgrund des hohen finanziellen Risikos von solchen Transaktionen ab.350 Ein zusätzliches Argument gegen den Freikauf der eigenen Sklaven war aus ihrer Sicht, dass dies zu einem Verlust an Arbeitskräften führte. So gelang es dem bereits erwähnten Zimmermann Maleacki bereits 1798, seine beiden Söhne Johann Martin und Christian David freizukaufen. Beide hatten ihre Ausbildung zum Maurer beziehungsweise Schuhmacher gerade beendet und waren für jeweils 130 Reichstaler im Sklaveninventar taxiert. Maleacki bezahlte 458,23 Reichstaler für sie, so dass die Missionsstation einen Gewinn von 198,23 Reichstalern erzielte. Die Mitglieder der Missionsdiakonie kritisierten allerdings, dass „es ausgelernte Leute [waren], mit denen sich die Brüder geplagt hatten“ und wiesen darauf hin, dass auch Maleacki für einen viel zu geringen Preis seine Freiheit erhalten hatte.351 Mit der Tätigkeit der beiden Handwerkssklaven hätte die Mission ein gutes Einkommen erzielen können. Aus Sicht der Missionsdiakonie beeinträchtigte die Möglichkeit des Freikaufs ausgebildeter Sklaven nachhaltig die Entwicklung der Missionsökonomie und war deshalb einzuschränken.352 Als problematisch erwiesen sich auch Ankäufe, bei denen die hohe Investition in Sklaven nicht refinanziert werden konnte. Mehrmals hatte die Mission auf Auktionen Sklaven erworben, bei denen sich im Nachhinein herausstellte, dass sie krank und für die Arbeit nicht zu gebrauchen waren.353 Außerdem konnte es vorkommen, dass sich die gekauften Sklaven nicht in die ihnen zugewiesene Rolle innerhalb der Sklavengemeinschaft fügten und durch ihr widerständiges Verhalten

347 UA, UMD II 5a (1791): „Dem voriges Jahr mit 900 R angesetzt gewesene Maleacki hat man seine Freiheit für 400 R zugesagt, worauf er auch bereits 80 R gezahlt hat.“ 348 UA, UMD II 5a (1801). 349 UA, UMD II 5b (1811), Nota von Br. Hohe; UA, UMD II 5a (1791), Einige Anmerkungen über mitfolgende Rechnungsabschlüsse vom Jahr 1791: „Die Negerin Maria […] starb voriges Jahr und hinterließ uns die Schuld von 180,7 R.“ 350 UA, UMD II 5a (1791): „Jener Verlust uebrigens dadurch entstanden das besagte Negerin welche ao 1782 von Br. Mayer auf ihre Bitte gekauft worden war, u. sich nach u. nach frey kaufen wollte, voriges Jahr starb, u. 180,7 schuldig blieb die nun abgeschrieben werden mußten. Dergleichen mehr zu tun möchte unseren Brüdern vielleicht lieber zu widerrathen seyn.“ 351 UA, UMD II 5a (1798). 352 Ebd. So wird auch im Zusammenhang mit dem Freikauf des Schuhmachers Andreas darauf hingewiesen, dass dadurch der Missionsökonomie Einnahmen in Höhe von 220 Reichstalern pro Jahr verloren gehen. 353 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 857; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1620.

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bald als ungeeignet erschienen.354 Beides sind mögliche Ursachen dafür, dass die Missionare in Dänisch-Westindien soweit möglich auf Sklaven aus ihrem eigenen Besitz zurückgriffen und nach Bedarf Sklaven intern untereinander verkauften. Daneben nutzten die Missionare die Möglichkeit des Tausches, um Sklaven, die für die Missionstätigkeit wichtig waren, in ihren Besitz zu bekommen, so z.B. im Fall des Helfers Abraham,355 den sie gegen ihren eigenen Sklaven Christoph eintauschten. Dabei nahmen sie in Kauf, dass einer ihrer Sklaven die Plantage verlassen musste, damit der für die Missionsarbeit wichtige Abraham zu ihnen kommen konnte.356 Neben dem Erwerb von Sklaven aus einem aktiven Eigeninteresse gab es auch vereinzelt Fälle, in denen Gemeindemitglieder den Ankauf von Sklaven an die Missionare herantrugen oder in denen befreundete Pflanzer den Brüdern Sklaven schenkten. Vor seiner Rückkehr nach Dänemark kaufte der kreolische Plantagenbesitzer Johann Lorentz Carstens Sklaven, um sie den Missionaren zu überlassen.357 Ein Sonderfall stellen bei dieser Art der Unterstützung sicherlich aus der Sklavengemeinschaft kommende Initiativen zum Ankauf von Sklaven dar. So kam es 1758 zum Erwerb einer Haussklavin für die Missionsstation in Friedensthal, der durch eine Kollekte der Missionsgemeinde finanziert wurde.358 Auch der Erwerb des Sklaven Martinus auf St. John wurde durch die Fürsprache von Gemeindemitgliedern herbeigeführt.359 Bei beiden Beispielen ist nicht die Tatsache bemerkenswert, dass Sklaven sich bereitfanden, ihrerseits den Ankauf von Sklaven zu unterstützen,360 sondern vielmehr die bereitwillige und umfassende finanzielle Hilfe der Missionsgemeinde sowie die Einflussnahme derselben bei Ankäufen. Ob, wie Oldendorp meint, die Sklaven der Brüdergemeine fühlten, dass die Missionare ihnen mit dem Erwerb etwas Gutes tun wollten, bleibt Spekulation.361 354 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 381f.: „Sie [Valentin und Sam] waren sehr störrige Menschen, in ihrem Lande des Herumstreichens gewohnt gewesen und zu keiner ordentlichen Lebensart und Arbeit zu bringen.“ Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 859. 355 Sebro, Mellem afrikaner, S. 153f. 356 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 609. 357 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 384: „Ein paar Tage vorher kaufte er [Johan Lorentz Carstens] noch für die Brüderplantage zwo Negerinnen, Louisa und Christina, für 700 holländische Gulden.“ Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 525: „Die Brüder bekamen in diesem Monate einen schwarzen Knaben geschenkt.“ 358 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 1375f. 359 Sebro, Mellem afrikaner, S. 105: „Disse kristne overtalte missionærerne til at købe Martinus, og dermed kom han til at arbejde for dem og blev senere døbt.“ 360 Beck, Jungferninseln, S. 41: „Im Jahr 1758 wird zur Hilfe für das Missionsehepaar Höpfner auf der Plantage Prinzeß auf St. Croix auf Betreiben der (schwarzen) Helfer (!) eine Sklavin mit Mitteln aus einer dafür eigens gesammelten Kollekte (!) gekauft.“ Hervorhebungen im Original. Der inflationäre Gebrauch des Ausrufezeichens durch Beck ändert nichts an der Tatsache, dass Sklavenbesitz von Sklaven nichts Ungewöhnliches war und die Quelle als solche keinen Nachweis für eine besonders humane Sklaverei der Brüdergemeine bietet. 361 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 523 (Anm. 86): „Die Brüder ihrerseits hatten das Gefühl, den von ihnen erworbenen Menschen etwas Gutes zu tun, was im Rahmen der umgebenden Gesellschaftsordnung unbedingt zutraf und von den betroffenen Sklaven in der Regel auch so gefühlt wurde.“ Hervorhebung vom Autor.

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Auch das von Hartmut Beck als Nachweis für eine unter den Sklaven verbreitete Überzeugung, dass es sich bei den Missionaren um besonders gute Sklavenbesitzer handele, angeführte Beispiel ist anzuzweifeln. In der Bitte eines Sklaven, beim Erwerb des späteren Missionsplatzes Bethanien auf St. John, dass er beim Kauf der Plantage mit seiner Frau und seinen Kindern mit derselben erworben werden möge,362 sieht Beck sich bestätigt.363 In diesem Zusammenhang ist aber vielmehr die ökonomische und ideologische Bedeutung der Plantage für die Sklaven selbst, durch den Zugang zu provision grounds zu berücksichtigen sowie die Angst vor einer mit dem Verkauf einhergehenden Trennung einer Familie. Neben dem Ankauf von Sklaven war der Verkauf derselben ein fester Bestandteil des Lebens auf den Missionsstationen. Sklaven, die Mitglieder der Brüdergemeine waren, hatten dabei den Vorteil, dass sie nur in seltenen Fällen verkauft wurden. So bemerkte die Hauskonferenz in Paramaribo, Surinam, im Fall der vom Missionsplatz Bambey fortgeschickten Sklavin Sophia und ihrer Familie,364 „daß sie Gemein Glieder sind, u. es allerdings sehr hart ist solche zu verkaufen, wenn wir nicht wissen in welche Hände sie fallen mögen.“365 Ein wesentliches Argument scheint die Sorge zu sein, dass nicht sichergestellt werden kann, welche Behandlung Sophia durch ihren neuen Besitzer erfahren würde. Ähnliche Bedenken ließen die Hauskonferenz in Paramaribo auch von einer Vermietung der Haussklavin Lydia absehen, die als Wäscherin in der Mission nicht mehr benötigt wurde. Die Konferenz sah es als unmöglich an, eine Abendmahlsschwester an einen Fremden zu vermieten.366 Dabei spielten neben der Sorge um die Behandlung Lydias v.a. Bedenken, dass sie an einen säumigen Zahler geraten könnte, eine Rolle. Grundsätzlich wurde der Verkauf von Sklaven, bei denen es sich um Geschwister handelte, jedoch nicht ausgeschlossen, wie die Formulierung, dass dies „sehr hart [sei]“ nahelegt. Im Fall von Sophia wurde demzufolge von der Hauskonferenz entschieden, lieber „ein paar von unseren ungetauften Negern zu verkaufen.“367 Die Missionare erwählten daraufhin die Sklavin Claringe, Mutter von zwei Kindern sowie ihre Wäscherin Maria.368 Bei ihnen wurde somit in Kauf genommen, dass sich ihre Lebensverhältnisse beim Weiterverkauf verschlechterten. Um den Sklaven dennoch die Möglichkeit zu geben, selbst aktiv die Wahl 362 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 809: „Ein dazugehöriger Neger mit einem Weibe und 3 Kindern bat Martin mit Weinen, ihn mit derselben zu kaufen.“ 363 Beck, Jungferninseln, S. 41. 364 UA, R 15 Lb 24a, Protokoll der Hauskonferenzen in Paramaribo (1791–1838), 21. Dezember 1812. Sophia musste den Missionsplatz Bambey verlassen, weil Mitglieder der Missionsgemeinde behaupteten, sie sei eine Hexe. Die dadurch entstehenden Konflikte wollten die Missionare in Bambey durch die Entfernung Sophias lösen. 365 Ebd. 366 UA, R 15 Lb 24a, Protokoll der Hauskonferenzen in Paramaribo (1791–1838), 16. Mai 1791: „Bei diesem Vorschlag aber fand man gegründete Bedenken: 1) es könnte einen Meister treffen, der ein schlechter Bezahler wäre, von dem man das Wochen Geld nicht gehörig bekäme u. 2) ist die Lydia eine Abendmahls Schwester u. ihr Mann Renatus wohnt auf unserem Platze, so daß man es auch aus dem Grunde nicht wohl thun könne.“ 367 Ebd., 21. Dezember 1812. 368 Ebd., 8. Januar 1813.

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ihres neuen Besitzers zu beeinflussen, stellte ihnen die Mission ein Schreiben aus, das sie dazu berechtigte, sich diesen selbst zu einem festgesetzten Preis zu suchen.369 Dies war ein durchaus häufiger Vorgang, der nicht nur auf die Mission in Surinam beschränkt war. Die Sklaven versuchten im Falle eines Verkaufs ihr Schicksal selbst zu lenken. Dies zeigt auch die Diskussionen einiger Sklaven mit Mitgliedern der Hauskonferenz in Neuherrnhut auf St. Thomas im Vorfeld des Verkaufs der Plantage Bethel. Diese war mit der in direkter Nachbarschaft bestehenden Missionsstation Neuherrnhut in wirtschaftlicher Hinsicht eng verbunden. Sklaven beider Ökonomien waren im Zuckeranbau der Plantage Bethel beschäftigt. Im Vorfeld der Veräußerung der Plantage ließ sich deshalb das zu Neuherrnhut gehörende Ehepaar Friedrich und Dorothea, das auf Bethel arbeitete, von der Hauskonferenz versichern, dass sie im Falle eines Verkaufs im Besitz der Brüdergemeine verbleiben würden.370 Als sich bald darauf unter den Sklaven der Plantage Bethel die Nachricht verbreitete, dass die Missionare sie mitsamt der Plantage verkaufen würden, gab es ein breites Spektrum an Reaktionen. Laut Matthäus Wied wollten sich einige Sklaven „die Haare aus den Köpfen reissen, ueber das unerhörte, das wir damit an ihnen begehen“, während andere sich darüber freuten.371 Ein Teil der Sklaven war v.a. deshalb verärgert, weil sie sich nicht selbst neue Besitzer hatten suchen dürfen.372 Der Verkauf der Plantage mit ihnen als Inventar beschränkte aus Sicht der Sklaven maßgeblich ihre eigene Handlungsfähigkeit. Die eigene Suche nach einem neuen Besitzer hätte ihnen dagegen die Möglichkeit geboten, ihre Lebensverhältnisse maßgeblich selbst zu beeinflussen. Zum einen ist anzunehmen, dass innerhalb der Sklavengemeinschaft Kenntnisse über die Lebensbedingungen auf den verschiedenen Plantagen zirkulierten, so dass diese Informationen auch zum eigenen Vorteil hätten genutzt werden können. Zum anderen hätten die Sklaven ihren Verkauf auf diese Weise auch zu einer Familienzusammenführung nutzen können, indem sie sich den Besitzern ihrer Partner angeboten hätten. Die Missionare dagegen wollten dies den Sklaven vermutlich deshalb nicht gestatten, da der vorherige Ausverkauf des Sklavenbestandes zu einer generellen Wertminderung der Plantage geführt hätte. Schon bei der Inspektion des Besitzes hatte sich

369 Ebd., 27. März 1813: „Es wird ihm ein Zettel gegeben werden auf welchem der Preis von Fl 2500 angesetzt ist, und darauf er sich einen beliebigen Herrn suchen kann.“ Von einem ähnlichen Verfahren, allerdings als Möglichkeit des Sklaven sich unabhängig vom Interesse des aktuellen Eigentümers einen neuen Besitzer zu suchen wird am Beispiel Limas berichtet. Vgl. Christine Hünefeldt, Paying the Price of Freedom. Family and Labor among Lima’s Slaves, 1800–1854, Berkeley 1994, S. 177: „Slaves could purchase, rent, and also sell themselves. For this final option, a possibility was to go out into the streets to search for a new owner, sometimes with the aid of a friend, sponsor, or other loved one.“ 370 UA, R 15 Bb 20e, Helferkonferenz Dänisch-Westindien, 11. November 1794. 371 UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, Wied an Verbeek, 20. Juli 1797. 372 Ebd.: „Man hätte ihnen [den Sklaven] solches sollen sagen, ihnen Zettel geben sich andere Herren nach ihrem belieben zu suchen.“

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der Interessent James Lytton gegenüber dem Wunsch der Missionare, zwei Handwerkssklaven aus der Verkaufsmasse zu entfernen, abgeneigt gezeigt.373 Teilweise wurden die eigenen Sklaven auf öffentlichen Auktionen verkauft. Im Juli 1800 bot der Missionar Georg Zorn, der Vater des später mit abolitionistischen Ideen sympathisierenden Jacob Zorn, sechs Sklaven zum Verkauf an. Darunter eine Mutter mit Kind sowie drei Erwachsene männliche Sklaven und eine Erwachsene Sklavin. Für alle konnte er marktübliche Preise in Höhe von jeweils 390-635 Reichstalern erzielen.374 In diesem Fall ist wenig über die Käufer der Sklaven bekannt. Es lässt sich somit nicht genau feststellen, ob es etwa beim Verkauf der Mutter mit Kind darum ging, dass diese von ihrem Partner freigekauft wurde. Dies scheint aber der Fall in einem späteren Beispiel zu sein. 1835 erwarb der Plantagenaufseher Matthew McKin die Sklavin Rebecca und ihre beiden Kinder Maria und Johannes auf einer Auktion von der Brüdergemeine.375 Neben dem externen Verkauf, das heißt dem Verkauf über die Grenzen der Brüdergemeine hinaus, gab es einen internen Austausch zwischen den einzelnen Missionsstationen. Dies hatte nicht nur den Vorteil, dass die Mission den Bedarf an Arbeitskräften auf den einzelnen Missionsplätzen zu deutlich günstigeren Preisen als am Sklavenmarkt decken konnte,376 sondern auch, dass bei diesen Sklaven eher sichergestellt werden konnte, dass sie den normativen Erwartungen des Lebens auf den Missionsplätzen entsprachen.377 Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Brüdergemeine in Bethlehem dafür entschied, lieber einen versklavten Bruder der Mission auf St. Thomas zu erwerben, als weiter auf externe Tagelöhner zurückgreifen zu müssen.378 Zudem wurden vereinzelt Sklaven, die Mitglieder der Brüdergemeine waren, in die Gemeinorte geschickt, damit sie, wie etwa im Fall von Andreas, der 1742 nach Bethlehem kam, „die Sitten und Regeln des Volks Gottes gründlich lernen“ konnten.379 Das Ziel ihrer Ausbildung sollte es sein, für eine spätere Missionstätigkeit ausgebildet zu werden. Der Verkauf und die Verschickung von Sklaven aus St. Thomas nach Pennsylvania blieb aber die Ausnahme. Der Großteil des internen Sklavenaustausches fand zwischen den verschiedenen Missionsstationen in Dänisch-Westindien statt. Vor der Einrichtung 373 UA, UMD IX Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, Weidenbach an Verbeek, 18. Juli 1797. 374 RA, Vestindiske Lokalarkiver, Christiansted byfoged (1734–1901), Auktionsprotokoller, Box 38.37.27, 21. Juli 1800. 375 Ebd., Box 38.37.45, 15. August 1835. 376 UA, R 15 Bb 20e, Helferkonferenzen Dänisch-Westindien, 23. April 1817. Die Konferenz verweigert Br. Hühnerbeins Wunsch, einen Handwerkssklaven zu kaufen mit dem Hinweis auf die großen Kosten und beschließt stattdessen, einen ungelernten Sklaven aus Niesky das Schmiedehandwerk erlernen zu lassen. 377 Vgl. z.B. UA, UMD II 5a (1797): „Im Jahr 1797 aber, da die Plantage verkauft werden sollte, wünschten die Brüder einige zu derselben gehörige Neger u. Negerinnen samt ihren Kindern, die sie schon als bräuchlich kannten, zur Ergänzung einiger der ihrigen, die sich dem Alter näherten zu kaufen.“ 378 Bethlehem Diary, Bd. 1, S. 105: „And should we be compelled to keep hired hands, it would be preferable to buy negroes from St. Thomas.“ 379 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 1, S. 523.

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einer Ökonomie im Ganzen für die Mission 1784 wurden die Sklaven zwischen den einzelnen Missionsstationen je nach Bedarf getauscht, ohne dass dadurch ein förmlicher Kaufvertrag zwischen ihnen zustande gekommen wäre. So entschied etwa im November 1781 die Hauskonferenz den Geschwistern Mack die Sklavin Christine zu schicken, weil deren eigene Haussklavin kurz vor der Niederkunft stand.380 Dabei handelte es sich meist um eine zeitlich begrenzte Form des Austausches, der einen vorübergehenden Personalmangel ausglich. Sklaven wurden aber auch auf andere Missionsplätze geschickt, um sie dort in bestimmten Fertigkeiten weiterzubilden, so etwa wenn Lorenz von der Missionsstation Bethanien die Möglichkeit erhielt, sich in der Feldarbeit fortzubilden. Die Hauskonferenz schickte ihn aus diesem Grund nach Niesky, „damit er sich selber wie andere Neger durchzubringen lerne.“381 Die spätere Gliederung der Missionsstationen in eigenständige wirtschaftliche Einheiten, die gemeinsam eine dänisch-westindische Gesamtökonomie bildeten, hatte zur Folge, dass der interne Austausch von Sklaven zur geschäftlichen Transaktion zwischen den beteiligten Missionsstationen wurde. Dabei hatte der Verkauf von Sklaven auch zur Folge, dass die verkaufende Ökonomie alle Rechte an ihrem ehemaligen Eigentum an die neuen Besitzer abtrat. So wurden 1784 von der Mission in Neuherrnhut 200 Reichstaler für den 16jährigen Thomas an die Mission in Friedensthal gezahlt, die daraufhin keine Verfügungsgewalt über ihren ehemaligen Sklaven mehr besaß.382 Der interne Handel mit Sklaven bildete bis in die 1830er Jahre die Hauptquelle bei der Deckung von personellen Engpässen der einzelnen Missionsstationen. Durch die positive demographische Entwicklung des Sklavenbestandes war es möglich, auf externe Zukäufe weitgehend zu verzichten. Für den Verkauf von eigenen Sklaven konnte es vielfältige Gründe geben. Sieht man vom internen Sklavenhandel ab, der dazu dienen sollte, die Missionsgemeinschaft mit den benötigten Arbeitskräften zu versorgen, so lassen sich v.a. ökonomische und disziplinarische Gründe anführen. Im oben dargestellten Beispiel der Sklavin Sophia aus Paramaribo wurden die nicht getauften Sklaven verkauft, weil es nach der Aufnahme Sophias und ihrer Familie keine Verwendung mehr für sie gab.383 Die ökonomische Eigenständigkeit der Missionsgebiete erforderte es, den eigenen Sklavenbestand auch immer vor dem Hintergrund seiner Profitabilität zu hinterfragen. Wenn versklavte Mitglieder der Gemeinde für eine Tätigkeit in den Gewerben der Missionsstation ungeeignet waren oder durch einen geringeren Bedarf an Hauspersonal Änderungen nötig waren,384 so mussten sie 380 UA, R 15 Bb 20a, Haus-Konferenzen Dänisch-Westindien ab 1779, 11. November 1781. 381 UA, R 15 Bb 20a, Haus-Konferenzen Dänisch-Westindien ab 1779, 24. April 1780. Ab 1784 wird Lorenz dann wieder im Sklaveninventar der Missionsstation Bethanien verzeichnet. 382 UA, R 15 Bb 20e, Helferkonferenz Dänisch-Westindien, 2. April 1784: „Die dortige Oeconomie zahlt 200 Rs und gibt alle Rechte an ihm auf.“ 383 UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen Paramaribo (1791–1838), 21. Dezember 1812: „Bestimmte die Conferenz dahin, alles zu thun diese Familie bey uns unterzubringen u. lieber ein paar von unseren ungetauften Sclaven zu verkaufen.“ 384 UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen Paramaribo (1791–1838), 16. Mai 1791: „Da sich nun unsere Anzahl seit der Abreise der Geschwister Liebisch u. Wagners nach Europa vermindert;

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extern ein Einkommen für die Mission aufbringen. In Paramaribo wurden die Sklaven deshalb auf die Straße geschickt, um dort „Wochen Geld“ zu verdienen.385 Durch den Verkauf von gesammeltem Holz oder durch die Arbeit als Tagelöhner sollten sie so einen Beitrag für die Ökonomie leisten.386 Im Gegensatz zu den nicht getauften Sklaven wurde von der Mission versucht, bei Gemeindemitgliedern möglichst eine andere Lösung als einen Verkauf zu finden. Dies wird auch im selektiven Rücktransfer von versklavten Gemeindemitgliedern beim Verkauf der Plantage Bethel auf St. Thomas deutlich. Neben ökonomischen Gründen konnte ein Verkauf auch damit begründet werden, dass sich der Sklave nicht den normativen Erwartungen der Missionsgemeinschaft fügte. Ein wiederholter Verstoß gegen die Regeln des Lebens auf den Stationen konnte den Verkauf des jeweiligen Sklaven zur Folge haben. Die Mission schloss eine solche Maßnahme grundsätzlich nicht aus.387 Bereits 1749 schickten die Missionare einen Sklaven nach St. John, da er „Streiche machte, die […] Schande und Verantwortung bringen konnten.“388 Oldendorp berichtet nicht, in welcher Art und Weise genau das Verhalten des Sklaven seine Entfernung von der Plantage nötig machte, aber die Formulierung legt nahe, dass die Missionare die Disziplin auf ihrer Plantage gefährdet sahen. Sofern ein undiszipliniertes Verhalten der eigenen Sklaven nicht bestraft wurde, konnte dies für die Besitzer schwerwiegende Folgen haben. Schließlich war die Aufrechterhaltung der Disziplin und Hierarchie auf der Plantage von einer Durchsetzung der Plantagenordnung abhängig. In einem Fall führte z.B. das durch übermäßigen Alkoholkonsum des Sklaven Nava hervorgerufene schlechte Benehmen, dazu, dass die Hauskonferenz in Paramaribo sich 1816 entschloss, ihn zu verkaufen.389 Ebenso wurde in Friedensberg auf St. Croix 1814 die Sklavin Johanna Maria verkauft, weil sie „beständig mit den anderen Negern zankte, und zuletzt gar nichts mehr verdienen wollte.“390 Die Entscheidung Johanna Maria zu verkaufen, war also sowohl durch den von ihr nach Meinung der Missionare gestifteten Unfrieden unter den Sklaven, als auch durch ihre Weigerung zum Einkommen der Missionsstation beizutragen beeinflusst. In den meisten Fällen fehlen jedoch Angaben für die Gründe, die zum Verkauf von Sklaven der Mission führten.

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so war man schon dieser Tage darauf bedacht gewesen eine unserer Wäscherinnen zu entlassen, um sie wieder ihr eigenes „Wochen-Geld“ aufbringen zu lassen.“ UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen Paramaribo (1791–1838), z.B. 16. Mai 1791, 6. Juni 1791, 4. Juni 1792. Das „Wochen Geld“ wurde individuell für den jeweiligen Sklaven festgesetzt und konnte je nach Qualifikation zwischen 10 Schilling und 21 Schilling liegen. UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen Paramaribo (1791–1838), 16. Mai 1791 u. 6. Juni 1791. Die Sklavin Lydia wird aus der Wäscherei ausgewiesen und soll 10 Schilling in der Woche auf der Straße verdienen um „ Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1936. Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 859. UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzenen Paramaribo (1791–1838), 3. Dezember 1816: „Der Garten Neger Nava wird uns durch sein oftmaliges Betrinken sehr lästig; er beträgt sich ins ganze genommen sehr schlecht. Man wünscht daher ihn gelegentlich zu verkaufen.“ UA, UMD II 5b (1814), Anmerkung zum Status von 1814.

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Insgesamt wird deutlich, dass es ein breites Spektrum verschiedener Motivationen und Methoden des An- und Verkaufs von Sklaven in der Mission der Herrnhuter Brüdergemeine gab. Es ist nicht möglich, diese auf die zugespitzte These von der Errettung von Gemeindemitgliedern im 19. Jahrhundert zu vereinfachen.391 Der Ankauf von Sklaven wurde, wie gezeigt werden konnte, von einer Vielzahl an Entscheidungen beeinflusst. Die Missionare kauften zwar Sklaven aus religiösen oder altruistischen Motiven, aber in den überwiegenden Fällen geschah es aufgrund der Produktivitätssteigerung von Gewerben, der Vergrößerung des Sklavenbestandes und dem Erwerb von Statussymbolen. Deswegen war auch der Verkauf von Sklaven für sie jederzeit denkbar. Das, wie im Fall von Bethel auf St. Thomas, eine ganze Plantage verkauft wurde, bestätigt diese Annahme. Die Art und Weise des Sklavenverkaufs unterschied sich dabei nicht wesentlich vom Handeln anderer Sklavenbesitzer. Die Missionare verkauften ihre Sklaven sowohl auf öffentlichen Auktionen als auch direkt von ihren Missionsstationen. Teilweise wurde den Sklaven die Möglichkeit gegeben sich selbst neue Besitzer zu suchen und dadurch deren eigene Handlungsmöglichkeit beim Verkaufsprozess gesteigert. Neben wirtschaftlichen Zwängen konnte der Verkauf auch darin begründet sein, einen ungehorsamen Sklaven von der eigenen Plantage zu entfernen. Sklaven die Mitglieder der Brüdergemeine waren, wurden in der Regel nicht verkauft. Insgesamt bietet sich ein komplexes Panorama der Beteiligung der Brüdergemeine am Sklavenhandel.

2.4.4. Widerstand von Sklaven Widerstand der Sklaven gegen die Sklaverei war ein elementarer Bestandteil des Systems. Die Sklaven fügten sich nicht in die Machtverhältnisse, sondern widersetzten sich in unterschiedlichen Formen. Zu den bekanntesten Arten des Widerstandes zählen Aufstand und Flucht. Allerdings überwog die Menge der Gerüchte über bevorstehende Aufstände bei Weitem die kleine Zahl tatsächlich durchgeführter Rebellionen. Zudem waren außer dem Sklavenaufstand in St. Domingue 1791 und dem auf St. Croix 1848 keine Sklavenaufstände dauerhaft erfolgreich.392 Daneben war die Flucht von Sklaven ein ebenso dauerhaftes wie weitverbreitetes Phänomen des Widerstandes. Diese konnte individuell, in kleinen oder größeren Gruppen und temporär oder dauerhaft sein. Motive für die Flucht lagen oftmals in dem persönlichen Wunsch nach Freiheit und nicht im Kampf gegen das System. Allerdings waren die Grenzen hierbei fließend. Aus größeren Gruppen von Flüchtlingen konnten autonome Gesellschaften ehemaliger Sklaven entstehen, wie

391 Motel, Hans-Beat: Herrnhuter Theologie und Sklaverei. Die Brüdergemeine und die Sklaverei in Surinam, in: Herrnhuter Bote. Mitteilungen aus der Herrnhuter Brüdergemeine, 232 (2013), S. 8–11, hier S. 10: „Die Herrnhuter besaßen in Surinam und auch auf einigen Karibikinseln selbst Sklaven, allerdings im 19. Jahrhundert vor allem deshalb, um diese möglichst bald freikaufen zu können.“ 392 Hall, Slave Society, S. 208–227, hier S. 208.

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z.B. in Jamaika und Surinam. Aber auch diese Gruppen kooperierten unter Umständen mit den kolonialen Eliten und sicherten z.B. in Verträgen die Auslieferung geflohener Sklaven zu. Trotz dieser Einschränkungen hat die Flucht der Sklaven wegen des Verlustes der Arbeitskraft für den Plantagenbesitzer wirtschaftliche Einbußen zur Folge, die als Form von Widerstand zu werten sind. Neben diesen besonders sichtbaren und bekannten Arten des Sklavenwiderstandes gab es aber auch eine Vielzahl alltäglicher, kultureller und religiöser Formen der Opposition gegen das eigene Schicksal. Zum alltäglichen Widerstand zählten u.a. die Arbeitsverweigerung oder die Sabotage von Produktionsmitteln. Obwohl die Arbeitsverweigerung durch z.B. eine selbst herbeigeführte Verstümmelung nicht auf den ersten Blick als Akt des Widerstandes gewertet werden mag, so bedeutete doch der Arbeitsausfall eine finanzielle Einbuße für die Plantage und richtete sich somit indirekt gegen das System. Zum kulturellen Widerstand kann man die Schaffung kultureller Nischen zählen, die die Sklaven nutzten, um sich Elemente afrikanischer Kultur unabhängig von der Kolonialgesellschaft zu bewahren.393 Die Missionare der Brüdergemeine hatten sich in mehrfacher Hinsicht mit Sklavenwiderstand auseinanderzusetzen. Zum einen als Mitglieder der Kolonialgesellschaft, in der sie sowohl als Mediatoren für entlaufene Sklaven als auch als Verteidiger der kolonialen Ordnung agierten. Zum anderen in ihrer Position als Sklavenbesitzer, in der sie auf den Widerstand ihrer eigenen Sklaven reagierten, sich aber gleichfalls auch gegenüber aufständischen Sklaven zu wehren hatten. Ausgehend vom Diktum, dass es sich bei den Missionsstationen der Brüdergemeine um „Inseln der Menschlichkeit“ gehandelt habe, wäre zu vermuten, dass die eigenen Sklaven kaum gegen ihr Schicksal aufbegehrten. Tatsächlich lässt sich nicht belegen, dass die Sklaven der Brüdergemeine sich an Sklavenrebellionen beteiligt hätten. Dabei sind allerdings die Umstände des Sklavenbesitzes in den verschiedenen karibischen Missionsgebieten zu berücksichtigen. In den britischen Kolonien besaß die Brüdergemeine nur sehr wenige Sklaven, wobei es sich größtenteils um Haussklaven handelte. Bei dieser Gruppe ist generell von einer geringeren Bereitschaft zur Beteiligung an Rebellionen auszugehen.394 In Dänisch-Westindien waren alle eigenen Sklaven bereits vor der Rebellion von 1848 freigelassen worden. Ein Teil von ihnen lebte noch am Missionsplatz, beteiligte sich aber nicht an dem Aufstand. In Surinam sind keine Sklavenaufstände für die Zeit belegt, in der die Brüdergemeine selbst als Sklavenhalter aktiv war. Auch wenn sich keine Beteiligung der eigenen Sklaven nachweisen lässt, so war sie doch zumindest denkbar. Kritiker des Sklavenbesitzes der Mission in der Karibik, wie Peter Latrobe, befürchteten in der Folge der Christmas Rebellion in Jamaika 1831/32, dass sich die eigenen Sklaven in den dänischen Kolonien an einem Auf393 Patterson, Orlando: The Sociology of Slavery. An Analysis of the Origins, Development and Structure of Negro Slave Society in Jamaica, Norwich 1973, hier S. 261–283; Morgan, Philip: Slave Cultures: Systems of Domination and Forms of Resistance, in: Palmié, Stephan/ Scarano, Francisco A. (Hrsg.), The Caribbean. A History of the Region and Its People, Chicago/ London 2011, S. 245–260. 394 Frucht, Richard: Emancipation and Revolt in the West Indies: St. Kitts 1834, in: Science and Society 39 (1975), S. 199–214, hier S. 208.

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stand beteiligen könnten. Dies führte Latrobe u.a. auf deren schlechte Behandlung zurück.395 Ängste dieser Art waren nicht auf die Karibik beschränkt. Auch in North Carolina befürchteten die Mitglieder der Brüdergemeine, dass sich ihre Sklaven an einem Aufstand beteiligen könnten.396 Sehr viel häufiger als die Konfrontation mit Rebellen war die Auseinandersetzung der Missionare mit geflohenen Sklaven. In mehreren Fällen wandten sich diese an die Missionare und baten um Fürsprache gegenüber ihren Besitzern.397 Bei diesen oftmals nur temporären Fluchten kehrten die Sklaven freiwillig zurück und hofften, durch Vermittlung der Missionare eine Verminderung ihrer Strafe zu erhalten.398 Daneben waren die Küchengärten und provision grounds der Missionsstationen häufiger Ziel von Überfällen entlaufener Sklaven, die durch Diebstahl versuchten, ihren Bedarf an Lebensmitteln zu decken.399 In DänischWestindien gab es wegen der dichten Besiedlung und Rodung der Inseln für die Plantagenwirtschaft nur sehr begrenzte Rückzugsmöglichkeiten für geflohene Sklaven.400 Die besten Voraussetzungen lieferte aufgrund ihrer geographischen Eigenheiten die Insel St. John, auf der die Missionsstationen der Brüdergemeine noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Ziel von Überfällen entlaufener Sklaven waren.401 Ein Großteil der Sklaven versuchte, über das Meer entweder Puerto Rico oder, nach Beendigung der apprenticeship, der britischen Transferphase von der Sklaverei in die „Freiheit“, in den britischen Kolonien, das benachbarte Tortola zu erreichen.402 Die flüchtenden Sklaven in Dänisch-Westindien wurden, weil sie gezwungen waren, das Meer als Rückzugsraum zu nutzen, von Neville Hall auch als „Maritime Maroons“ bezeichnet.403 Fluchtversuche von Sklaven der Brüdergemeine sind in Dänisch-Westindien kaum belegt und auch allgemein, wie das Beispiel der Sklaven in den Gemeinorten in North Carolina, zeigt eher gering.404 Es ist anzunehmen, dass die begrenzten Rückzugsmöglichkeiten auf den Inseln eine dauerhafte Flucht erschwerten. In den Sklavenlisten der Missionsdiakonie wird nur zweimal der Verlust von Sklaven aufgrund einer erfolgreichen Flucht vermerkt. In Niesky floh 1790 der Feldsklave Josua. Die Ursache für sein Fehlen im Sklaveninventar des darauffolgen395 Latrobe an Hüffel, 27. Februar 1832, in: Lampe, Mission or Submission. 396 Sensbach, A Separate Canaan, S. 88. 397 Oldendorp Historie Teil 2, Bd. 1, S. 610; Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 2, S. 1126; Oldendorp Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 1247f., u.a. m. 398 Degn, Die Schimmelmanns, S. 40. 399 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 807; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 1326 u.a. m. 400 Hall, Neville A. T.: Maritime Maroons: Grand Marronage from the Danish West Indies, in: Beckles, Hilary/ Shepherd, Verene (Hrsg.), Caribbean Slave Society and Economy. A Student Reader, Kingston 1991, S. 387–400, hier S. 389. 401 Report from Emmaus, in: Periodical Accounts 2 (1802), S. 174f. 402 Hall, Maritime Maroons, S. 396. 403 Ebd., S. 389: „The experience of the Danish West Indies therefore provides empirical foundation for a theorem: that in small islands where geographical factors were hotile to the foundation of permanent maroon communities, grand maroonage tended to mean maritime maroonage.“ Hervorhebung im Original. 404 Für North Carolina vgl. Sensbach, A Separate Canaan, S. 89f., S. 99, S. 150.

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den Jahres fiel erst auf, als die Mitglieder der Missionsdiakonie das Diarium der Station zu Rate zogen, wo vermerkt wurde, dass er weggelaufen war.405 Mehr als zwanzig Jahre danach wurde die Flucht des 22-jährigen Martin mit der Notiz „ist nach Porto Rico gelaufen“ im Sklaveninventar vermerkt.406 Obwohl Martin seit seiner Geburt 1790 in Niesky vermutlich bei seinen Eltern und innerhalb der Sklavengemeinschaft der Brüdergemeine aufwuchs, entschloss er sich, das Risiko einer Flucht einzugehen.407 Es ist also anzunehmen, dass sein Verlangen nach persönlicher Freiheit größer war, als dass er ein weiteres Leben als Feldsklave in Niesky vorgezogen hätte. Über die Umstände seiner Flucht kann nur spekuliert werden. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass er nicht alleine versucht hat, nach Puerto Rico zu fliehen, sondern sich einer Gruppe von Sklaven anschloss.408 Gerade weil für eine Flucht über die offene See der Zugang zu gestohlenenen oder selbstgebauten Booten nötig war, erfolgte die Vorbereitung und Durchführung von Fluchten häufig in kleineren Gruppen. Allein für St. Croix haben George Tyson und Poul Olsen 312 Individuen identifizieren können, die einen solchen Fluchtversuch unternahmen und von denen 225 Puerto Rico erreicht haben sollen.409 Trotz der mit der Flucht über das Meer verbundenen Gefahren, war die spanische Kolonie bis in das 19. Jahrhundert das wichtigste Ziel der fliehenden Sklaven. Erst das Ende der apprenticeship in Tortola 1838 hatte eine spürbare Zunahme der Fluchtversuche von St. John auf die nahegelegenen britischen Jungferninseln zur Folge. Das weitere Schicksal des Sklaven Martin wird in den Quellen nicht erwähnt. Somit bleibt ungeklärt, ob seine Flucht erfolgreich war. Das beide Fluchten von der Missionsstation Niesky erfolgten, ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, da die direkte Nähe zum Meer bessere Voraussetzungen zur Flucht bot als z.B. Neuherrnhut. Als Mitglieder der Kolonialgesellschaft waren die Missionare, wie andere Plantagenbesitzer auch, verpflichtet, sich an der Suche nach entlaufenen Sklaven zu beteiligen.410 Oldendorp berichtet, dass sie zu diesem Zweck einen ihrer eigenen Sklaven schickten. Die Initiative zur Verfolgung von Maroons konnte aber auch von den Missionaren selbst ausgehen. So z.B. im Februar 1801 als eine Gruppe Maroons aus Tortola die Felder und Vorratskammern der Missionsstation Niesky immer wieder zum Ziel ihrer Beutezüge machte.411 Die Missionare forderten ihre eigenen Sklaven und Gemeindemitglieder auf, diese Übergriffe zu been-

405 UA, UMD II 5a (1790): „Zur Ansehung des Neger Stocks ist anmerklich, daß unter denselben der voriges mal mit 230 angesetzt gewesene Josua ganz fehlt; aber nur aus dem Diario wissen wir das er entlaufen ist, folglich abgeschrieben werden musste.“ 406 UA, UMD II5b (1812). 407 UA, UMD II5a (1790). 408 Hall, Maritime Maroons, S. 390–392. 409 Tyson, George, Olsen, Poul, Maritime Maroonage from St. Croix to Puerto Rico 1734–1848, St. Croix 2012, hier S. 5f. 410 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 1326: „Die Brüder schickten ihren besten Neger dem Officier zur Hülfe, wozu ein jeder, der Neger hat, in solchen Vorfällen verpflichtet ist.“ 411 Periodical Accounts 2, S. 174f.

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den.412 Stolz berichteten die Missionare in den Periodical Accounts, dass es so gelang, aus der Gruppe der Maroons, die sich im Busch versteckten, sieben Männer und Frauen gefangen zu nehmen und sie der Polizei zu übergeben.413 Sicherlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Überfälle eine Bedrohung für die Nahrungsgrundlage der Mission darstellten, und zwar sowohl für die Missionare als auch für die eigenen Sklaven, deren provision grounds sich in der Regel am Rand der Plantagen befanden und somit ein leichtes Ziel für Plünderungen waren. Allerdings macht die Quelle auch deutlich, dass die Missionare nicht nur als Vermittler auf Seiten der Sklaven in Konflikten mit entlaufenen Sklaven involviert waren, sondern letztlich auch die Jagd auf diese aus eigenem Interesse unterstützten. Die Aufnahme einer solchen Episode in die Periodical Accounts hatte vermutlich das Ziel, die Mission als Unterstützer des politischen und sozialen status quo in den Missionsgebieten zu profilieren. Gegenüber ihren eigenen Sklaven und Mitgliedern der Missionsgemeinde betonten die Missionare deshalb mehrfach, dass sich die Flucht von den Plantagen nicht mit der christlichen Lehre vereinbaren ließe. Zwar wurde berücksichtigt, dass die schlechte Behandlung der Sklaven ein Motiv für deren Flucht war, aber dies wurde nicht als Rechtfertigung anerkannt. Mit dem Verweis auf einschlägige Passagen im Neuen Testament wurden Mitglieder der Missionsgemeinde ermahnt, ihr Schicksal zu erdulden.414 Eine Ursache für diese Einstellung lag vermutlich in der Befürchtung, von der Kolonialgesellschaft als Unterstützer des Sklavenwiderstandes angesehen zu werden, wenn Konvertiten sich in größerem Umfang an Fluchtversuchen beteiligten. Um sich gegenüber Pflanzern und der Kolonialregierung in dieser Hinsicht abzusichern, hatte die Flucht für Mitglieder der Brüdergemeine nicht nur kolonialrechtliche, sondern auch kirchenrechtliche Folgen. Mitglieder, die ihren Besitzern fortliefen, mussten mit einem Ausschluss aus der Gemeinde oder einer Degradierung ihres Status in der Gemeinde rechnen und konnten erst nach ihrer Rückkehr und Buße wieder aufgenommen werden.415 Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass die Zahlen der geflohenen Sklaven, die Mitglieder der Brüdergemeine waren, auch im Beispiel der von den Missiona-

412 Ebd., S. 175: „The latter [the Missionaries] applying to the Negroes, if possible, to put a stop to these outrages.“ Der Autor ist der Meinung, dass sich der Begriff „Negroes“ an dieser Stelle sowohl auf die eigenen Sklaven als auch auf die Gemeindemitglieder bezieht, da Ersteres keine ausreichende Anzahl Erwachsener in Niesky ergeben hätte. 413 Bei den Maroons handelte es sich um Männer und Frauen. 414 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 2, S. 1145: „Man führte den Schwarzen das Gebot 1 Petr. 2,18. Ihr Knechte seid untertan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen, zu Gemüte und ermahnte sie, in harten Umständen lieber Unrecht zu leiden und mit Geduld auszuharren, als durch Marongehen […] auf die ganze schwarze Gemeine eine Schmach und übele Nachrede zu bringen.“ Hervorhebung im Original. 415 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1802f.; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1804: „Daß man Leute, die sich mit sowas einließen, nicht mehr für Brüder und Schwestern halten, noch teil daran nehmen und für sie reden könnte.“

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ren der Brüdergemeine betreuten Plantage Mesopotamia in Jamaika, sehr gering sind.416 Neben Rebellion und Flucht von Sklaven bleibt schließlich noch der Bereich des alltäglichen bzw. kulturellen und religiösen Widerstandes. Hierbei ist festzustellen, dass die Quellen nur äußerst spärliche Informationen zu diesem Thema enthalten. Eine Form des alltäglichen Widerstandes konnte extrem langsames bzw. schlechtes und ineffektives Arbeiten sein, mit der Intention, die Produktivität der Plantage und somit den Gewinn des Besitzers zu verringern. Ob allerdings als Nachweis hierfür die wiederholten Vorwürfe der Missionare, dass ihre Sklaven auf der Plantage Bethel aufsässig und faul seien, ausreichen, bleibt fraglich. Genauso gut kann es sich bei diesen Kommentaren um rassistisch geprägte Stereotype handeln. Noch spärlicher sind die Informationen hinsichtlich eines möglichen kulturellen Widerstandes der eigenen Sklaven. Diese hatten sich an den von der Mission formulierten Verhaltensnormen zu orientieren. Dazu gehörte unter anderem auch das Verbot von Tanz und Trommeln, welche als Ausdruck heidnischen Aberglaubens empfunden wurden.417 Über diese Verbote setzten sich die eigenen Sklaven jedoch zum Teil hinweg. Als den Sklaven der Plantage Bethel verkündet wurde, dass die Mission sie verkaufen werde, waren nicht alle verzweifelt über diese Nachricht. Ein Teil von ihnen erklärte, dass sie an diesem Tag „einen Tanz mit Combée (eine heidnische Art Trommel)“ geben wollten, da sie es „bisher hätten [...] heimlich thun müssen [...] aber dann woll[t]en sie es […] öffentlich thun.“418 Offensichtlich hatten sie sich Teile ihrer afrikanischen Identität und Kultur auch gegen den Willen der Missionare bewahren können. Am schwersten ist sicherlich die Frage nach dem religiösen Widerstand unter den Sklaven der Mission zu beantworten. Anhand der staatlichen Steuerlisten und aufgrund der christlichen Namensgebung in den Sklavenlisten der Missionsdiakonie ist ersichtlich, dass ein Großteil der Sklaven getauft war. In den Steuerlisten wird unter „Religion“ das Kürzel MB für die Mitgliedschaft in der Brüdergemeine angegeben.419 Eine Analyse der Kirchenzugehörigkeit in einem vorherigen Kapitel hat gezeigt, dass ein Teil der Sklaven auch als Mitglieder in die Brüdergemeine aufgenommen wurden. Allerdings gab es auch Sklaven, die ihre Kinder nicht von den Herrnhutern taufen ließen und die nicht zur Brüdergemeine gehören wollten. Die Motivationen dafür können aber nicht immer nachvollzogen werden. Dies kann neben einer Art des religiösen Widerstands, wie sie etwa Travis Glasson in der Verweigerung des Kirchenbesuchs der Sklaven der SPG in Barbados sieht,420 auch durch die andere Religionszugehörigkeit des Lebenspartners der Sklaven begründet sein. In wenigen Einzelfällen kam es vor, dass nicht getaufte Sklaven 416 Dunn, Richard S.: Moravian Missionaries at Work in a Jamaican Slave Community, 1745– 1835, in: The James Ford Bell Lectures 32 (1994), 1–23, hier S. 20f. 417 Meier, Zinzendorf, S. 76f.; Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 97f. 418 UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, Verbeek an Wied, Neuherrnhut 20. Juli 1797. 419 Das Akronym setzt sich aus den ersten Buchstaben der dänischen Bezeichnung für die Brüdergemeine „Mæhriske Brødre“ zusammen. 420 Glasson, Mastering Christianity, S. 159–162.

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verkauft wurden. Ob dies aber ein Beleg dafür ist, dass diese sich aktiv einer Missionierung widersetzten und deswegen veräußert wurden, bleibt spekulativ und ist letztlich nicht zu belegen. Insgesamt gibt es nur äußerst spärliche Informationen über Widerstand von Sklaven innerhalb der Mission der Brüdergemeine. Diese belegen aber, dass es auch unter den Herrnhuter Sklaven einzelne Personen gab, die sich nicht in ihr Leben als Sklave der Mission fügten. Zumindest für Teile der eigenen Sklaven, so wird deutlich, waren die Missionsstationen nicht die soziale Utopie und die Missionare nicht die Wohltäter, für die sie in der Missionshistoriographie verklärt werden.

2.4.5. Bestrafung von Sklaven In Dänisch-Westindien waren die Sklaven, wie in anderen karibischen Kolonien auch,421 einem Rechtssystem unterworfen, das die Interessen ihrer Besitzer in Bezug auf die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft sicherstellen sollte.422 Zusätzlich hatten sich die Sklaven der Brüdergemeine den Regeln des Lebens auf den Missionsstationen zu unterwerfen, die sich nach der Kirchendisziplin der Brüdergemeine richteten. Um möglichen Widerstand der Sklaven zu unterdrücken und die Einhaltung der normativen Ordnungen der Mission sowie der Gesetze der Kolonialgesellschaft sicherzustellen, wurden Zuwiderhandlungen gegen diese beiden Rechtsordnungen bestraft. Den Pflanzern wurden bei der Bestrafung ihrer Sklaven weitreichende Freiheiten eingeräumt. Allerdings waren die Kenntnisse der Sklaven über koloniales Recht und ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten innerhalb des kolonialen Rechtssystems sehr viel größer, wie Gunvor Simonsen anhand von Fallstudien nachgewiesen hat,423 als es die ältere Forschung vermutete.424 Die Missionare hatten sich in ihrer Rolle als Sklavenbesitzer nach den Gesetzen und Proklamationen zu richten. Das erste Sklavengesetz in DänischWestindien wurde 1733 von Gouverneur Philippe Gardelin erlassen. Dieses sollte 421 Für einen vergleichenden Überblick siehe: Goveia, Elsa: West Indian Slave Laws of the Eighteenth Century, in: Beckles, Hilary/ Shepherd, Verene (Hrsg.), Caribbean Slave Society and Economy, Kingston 1994, S. 346–362. 422 Simonsen, Gunvor: Legality outside the Courtroom. Practices of Law and Law enforcement in the Danish West Indies at the End of the Eighteenth Century, in: Quaderni Fiorentini 33/34 (2004/2005), S. 921–961, hier S. 921: „Instead the interest of the plantocracy in exploiting enslaved labour coincided with the practice of a law that has been seen to epitomize the exploitation of the slaves in the Caribbean.“ 423 Ebd., S. 959: „The many links between Africans and Afro-Caribbeans […] with the institutional similarities between colonial law enforcement and plantation discipline, provided plantation slaves with a good introduction […] to colonial law and legality. […] This offered them insights into the concerns of the colonial state and thereby they gained restricted possibilities for using colonial legalities for their own purpose.“ 424 So untersuchen Degn und Hall zwar die maßgeblichen Sklavengesetze für DänischWestindien, betrachten die Sklaven dabei aber nur in ihrer passiven Rolle als Objekte der Gesetzgebung, vgl. Degn, Die Schimmelmanns, S. 54–60; Hall, Slave Society, S. 56–69.

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Fluchtversuche und Rebellion unterbinden, indem es mit drastischen Strafen abschreckte. Beides ließ sich jedoch trotz der Androhung der Todesstrafe nicht verhindern, wie der Ausbruch der Sklavenrebellion auf St. John kurz nach der Veröffentlichung des Gesetzes im November 1733 sowie die stetige Bereitschaft der Sklaven zur Flucht zeigen. Nach der Übernahme der Inseln von der dänischen Westindischen-Guinea-Kompagnie durch den dänischen Staat 1755 wurden erstmals rechtsstaatliche Institutionen, wie Polizei und Amtsgerichte, in Anlehnung an den Zentralstaat eingerichtet.425 Die rechtlichen Verhältnisse der Sklaven wurde in diesem System einerseits nach dem fünften Buch des dänischen Gesetzbuches Danske Lov [Dänisches Gesetz], das sich mit Besitz, Vermögen und Schulden beschäftigte, geregelt, andererseits nach einer ganzen Reihe von lokalen Erlassen der Kolonialregierung.426 Die Brüdergemeine hatte die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres eigenen Sklavenbesitzes auf der Synode in Marienborn 1764 diskutiert. Dabei betonten die Mitglieder des Komitees, dass neben der Beachtung der Landesgesetze, die mit dem Besitz von Sklaven verbunden waren, auch ein missionsinternes Reglement nötig sei, um die Verhältnisse zwischen Sklaven und Missionaren auf den Missionsplätzen festzulegen.427 Diese Vorschriften, die ein „unordentliches, liederliches Leben und sündliche Ausschweifungen“ verhindern sollten, wurden in regelmäßigen Abständen den Herrnhuter Sklaven vorgelesen.428 Die Missionare wollten sich aufgrund ihrer fragilen Position innerhalb der Kolonialgesellschaft durch eine möglichst genaue Beachtung ihrer Plantagenordnung auszeichnen. Der Text dieser Ordnung ist jedoch nicht überliefert, weshalb eine mögliche Rekonstruktion des Inhaltes nur indirekt möglich ist. Als strafbare Tätigkeiten werden häufig Tanzen, Trommeln und unerlaubte sexuelle Beziehungen der Sklaven untereinander genannt. Diese konnten kirchenrechtliche Sanktionen wie einen Ausschluss vom Abendmahl oder Degradierung im Kirchenrang, wenn es sich um Gemeindemitglieder handelte, nach sich ziehen.429 In Bezug auf die körperliche Bestrafung der Sklaven hatten die Mitglieder der Synode eine personelle Trennung der für die Seelsorge und Beaufsichtigung der eigenen Sklaven zuständigen Missionare empfohlen. Der Missionar, der mit der Aufsicht über die Sklaven betraut war, entschied über deren Bestrafung, 425 Simonsen, Legality outside the Courtroom, S. 925. 426 Ebd., S. 926. 427 Oldendorp, Historie Teil 2, Bd. 3, S. 1935f.: „Man hat gewisse billige und nötige Plantagenordnungen, nach welchen sich die Schwarzen um so mehr richten müssen, da jedermann auf die Plantage der Brüder siehet.“ 428 Ebd.; UA, R 15 Bb 20a, Hauskonferenzen Dänisch-Westindien, 15. Dezember 1781: „Es sollte auch mit Sebastian gründlich geredet und die Ordnungen gründlich gesagt werden.“ 429 Aus den Sitzungsprotokollen der Synode in Marienborn 1769, in: Meier, Quellen und Dokumente, S. 150: „Bei der Anmerkung eines Bruders, daß, wenn ein Neger, der zum Abendmahl geht, unordentlich wandelte in seinem Beruf, so gehöre ihm die geistliche Kirchen-Zucht; wurde erwiedert, daß solchen Falls er allerdings vom AbendMahl ausgeschlossen werden müsste. […] Es gehöre ihn manchmal auch die nach Maße seines Verbrechens übliche Landes-Zucht.“; Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1639: „An beiden Orten [Niesky, Neuherrnhut] gab es bisweilen Umstände mit ihr [Sarah], um deretwillen sie des Abendmahls entbehren mußte.“

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die Ausführung der Strafe delegierte er an den Vorarbeiter, mit der Begründung, dass dieser „allemal ein Neger [sei]“.430 Die persönliche Ausführung der Bestrafung wurde möglicherweise als nicht statthaft für einen Missionar empfunden. Allerdings kam auch dies teilweise vor. So lobte etwa der Vorsteher der Mission, Johann Gottlob Mieke, den Verwalter der Plantage Bethel, Rasmus Holt, dass dieser „in der einen Hand mit der Peitsche und in der anderen mit dem Evangelium“ vortrefflich sein Amt ausüben würde.431 Sklaven, so beschloss es das Synodalkomitee, „müss[t]en in Subjection gehalten werden“ und seien „nicht im Stande, zuviel Gütigkeit zu ertragen.“432 Diese Ausführungen müssen dem vorgeblichen Ziel, das Ideal einer christlichen, auf spiritueller Gleichheit basierenden Gemeinschaft mit den eigenen Sklaven zu erreichen, entgegen gestanden haben. Der Hinweis, dass die Missionare sich in ihrer Behandlung der eigenen Sklaven nach den Regeln des Neuen Testaments richten sollten, beinhaltete auch die körperliche Bestrafung.433 Zwar war diese nicht nur auf die Sklaven der Brüdergemeine beschränkt, sondern auch bei Mitgliedern der Brüdergemeine und Leibeigenen üblich,434 doch hatte Oldendorp in seinem Bericht an die Synode bereits eingestanden, dass Misshandlungen der eigenen Sklaven vorkamen.435 Auch wenn er diese im Vergleich zu anderen Plantagen deutlich geringer ansetzt, so räumte Oldendorp doch ein, dass einige Brüder in dieser Hinsicht ungeeignet für ihre Arbeit in Dänisch-Westindien seien.436 Dabei wandten die Missionare unterschiedliche Varianten der Bestrafung an. Die körperliche Züchtigung war nur eine Möglichkeit, Verstöße gegen die Verhaltensnormen der Herrnhuter Plantagengemeinschaft zu sanktionieren. Deutlich wird dies bei einem Fall, den die Helferkonferenz im Jahr 1784 behandelte. Die Sklavin Maria Magdalena, die auf der Plantage Bethel lebte, hatte ein Kind geboren. Sie befand sich aber in keiner von den Missionaren genehmigten festen Partnerschaft und der Vater des Kindes war 430 Aus den Sitzungsprotokollen der Synode in Marienborn 1769, in: Meier, Quellen und Dokumente, S. 149: „Darauf wurde von den mit den West-Indischen Umständen bekannten Brüdern erwiedert, daß der Bruder, welcher zur Inspection der Neger gesetzt sei, sich ordentlicher Weise mit der Lehre und der Bedienung der Sacramente nicht befasse.“ 431 Zitiert nach Degn, Die Schimmelmanns, S. 301. Vgl. auch den Hinweis von Lawætz, Brødmenigheden, S. 138, auf das cholerische Temperament des Missionars Rasmus Holt. 432 Aus den Sitzungsprotokollen der Synode in Marienborn 1769, in: Meier, Quellen und Dokumente, S. 149. 433 Vgl. Evangelium nach Lukas, 12,47: „Der Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt, hat aber nichts vorbereitet noch nach seinem Willen getan, der wird viele Schläge erleiden müssen.“ 434 Mason, Moravian Church, S. 103: Moravians in North Carolina, for example used to whip their children, white apprentices and slaves alike.“; Sensbach, A Separate Canaan, S. 90 (Anm. 30): „White Brethren were not averse to administering corporal punishment to miscreant whites as well.“ 435 Von der Plantagen Sache der Brüder in St. Thomas, in: Meier, Quellen und Dokumente, S. 177: „Daß nicht manchmal ein Bruder, der ein cholerisches Temperament gehabt, sollte zu weit gegangen sein, und selber zugeschlagen haben, ist nicht zu leugnen.“ 436 Ebd.: „Wenn eine Behandlung eines Negers vorgekommen, die nicht unter die bloßen Versehen zu rechnen, sondern absolut wider das Herz Jesu, und den Charakter eines Bruders und Apostels ist [so hat] sich ein solcher zum Apostolat selber untüchtig gemacht.“

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unbekannt. Erst durch intensives Nachforschen kam heraus, dass der Vater des Kindes der auf derselben Plantage lebende Paulus war. Dieser hatte sich durch seine nicht von der Mission genehmigte Beziehung zu Maria Magdalena der „Unzucht“ schuldig gemacht. Um weitere Vorfälle dieser Art zu unterbinden, einigte sich die Helferkonferenz darauf, dass Paulus „100 Schläge durch den Bomba kriegen sollte“.437 Dabei wurde betont, dass dieses Strafmaß sich an der regulären Praxis in der Mission orientieren würde.438 Auch im Vergleich mit der Bestrafungspraxis auf anderen Plantagen handelt es sich bei dieser Anzahl von Schlägen um eine sehr harte Art der Bestrafung. Um einen möglichst großen Effekt unter der Sklavengemeinschaft der Brüdergemeine zu erzielen, fanden diese Züchtigungen meist öffentlich statt. So wurde die Sklavin Maria Susanna, die mehrmals die Ehefrau ihres Geliebten verprügelt hatte, zur Strafe dafür vom Bomba im Hof der Plantage Bethel öffentlich geschlagen. Der Verwalter der Plantage, der Missionar Johannes Weidenbach, hat diese Bestrafung in einem Brief ausführlich geschildert. „Nach einer guten halben Stunde kam der Bomba, sie [Maria Susanna] legte sich auf den Boden u. wurde von 2 Negern u. 2 Negerinnen gehalten, bey den ersten 3-4 Schlägen sagte sie Danky Baas [Danke Herr] zu jedem, zu einigen folgenden Bomba beet Baas Barton [Aufseher bitte den Herrn um Vergebung] und dann fing sie an Baas Barton mie [Herr vergebe mir], da sie etwa 10 Schläge bekommen, so ließ ich inne halten und sprach mit ihr, da sie sehr klein that und alles gute versprach, worauf ich Bartonde [Vergebung] mit ihr sagte wonach sie uns künftig zu richten habe und wir waren froh, daß die wenigen Schläge so anschlugen, daß wir glaubten nicht nötig zu haben ihr hier diesmal mehr zu geben.“439

Die Bestrafung Maria Susannas fand unter Beteiligung eines Großteils der Sklavengemeinschaft statt. Neben jenen, die sie fixierten, und dem Bomba, der den Akt der Bestrafung durchführte, ist anzunehmen, dass das Ereignis von den auf der Plantage lebenden Sklaven verfolgt wurde. Auch wenn der Missionar nicht selbst die Schläge ausführte, so verdeutlicht die Quelle doch, dass er aktiv in die Bestrafung involviert war und maßgeblich deren Dauer und Härte bestimmte. Die Tatsache, dass Maria Susanna sich ohne weitere Aufforderung auf den Boden legte, als der Bomba kam, lässt zudem vermuten, dass diese Art der Bestrafung eine gewisse Routine auf der Plantage besaß. Maria Susanna ließ sich dabei zunächst nicht durch die Schläge des Bomba einschüchtern, ihr Ausspruch „Danky Baas“ erscheint in diesem Zusammenhang eher trotzig. Ließ die körperliche Bestrafung der Sklaven keinen Erfolg im Sinne der Missionare erkennen, so blieb der Brüdergemeine die Möglichkeit, diese für einen zeitlich begrenzten oder unbegrenzten Zeitraum von der Missionsstation zu entfernen. Ersteres nutzten die Missionare 1841 als Mittel zur Bestrafung der Haussklavin Susanna, die des Diebstahls überführt worden war. Sie wurde von der 437 UA, R 15 Bb 20e, Helferkonferenzen Dänisch-Westindien, Konferenzen vom 3. Mai u. 7. April 1784. 438 Ebd.: „So wie bey unseren ersten Brüdern üblich gewesen, nächsten Tage 100 Schläge durch den Bomba kriegen sollte.“ 439 UA, UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804, Weidenbach an Verbeek, Bethel, St. Thomas, 9. August 1797. Hervorhebung vom Autor.

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Missionsstation Friedensthal auf die Plantage Princeß geschickt, wo sie gemeinsam mit den Kindern der Plantage zur Feldarbeit eingeteilt wurde. Selbst wenn sie dort nicht zu der am härtesten arbeitende Gruppe der Feldsklaven kam, so darf dabei nicht übersehen werden, welch enormen Statusverlust diese Strafe für sie bedeutete. Schließlich hätte eine Einteilung der Sklavin in die First Gang auch eine dauerhafte Schädigung ihrer Arbeitskraft zur Folge haben können und wäre dann zum Nachteil der Mission gewesen.440 Der Verkauf von Sklaven bildete die letzte Möglichkeit der Bestrafung, falls alle anderen Mittel als unzureichend erachtet wurden. Von den Missionaren selbst wurde das Weiterverkaufen einzelner Sklaven und die damit einhergehende Trennung von Familien als eines der schlimmsten Übel der Sklaverei charakterisiert. Trotzdem behielten sie sich selbst die Möglichkeit vor, eigene Sklaven, die sich nicht den Regeln der Sklavengemeinschaft unterordneten, zu verkaufen. Wenn „weder Güte noch Schärfe“ helfen würden und es zu befürchten sei, dass durch den Sklaven sich die „Plantage Schmach und Schande zuziehen werde“, so Oldendorp, „sucht man seiner loszuwerden und ihn von derselben zu entfernen.“441 Zwar lassen sich nicht für jeden Verkauf die Gründe rekonstruieren, doch sind auch Fälle aus Dänisch-Westindien, North Carolina und Surinam bekannt, in denen Sklaven der Mission verkauft wurden, weil sie sich nicht in die Sklavengemeinschaft der Brüdergemeine fügten.442 Dabei wurde die Entscheidung über einen möglichen Verkauf unter anderem davon beeinflusst, ob es sich bei den Sklaven um Mitglieder der Brüdergemeine handelte. Diese konnten im Vergleich zu den übrigen Sklaven darauf hoffen, nicht verkauft zu werden. Während die Missionare durch körperliche Bestrafung oder Verkauf die Aufrechterhaltung der Disziplin auf ihren Plantagen durchzusetzen versuchten, mussten sie sich in Fällen von Mord oder Totschlag der Kolonialgerichtsbarkeit unterstellen. So führte etwa der Totschlag durch einen Sklaven der Plantage Neuherrnhut 1759 zu einer gerichtlichen Untersuchung. Dieser hatte den Sklaven einer benachbarten Plantage beim Diebstahl erwischt und ihn in der folgenden Auseinandersetzung so stark verletzt, dass er starb. Das Gericht kam zu dem Urteil, dass der Besitzer des verstorbenen Sklaven für seinen Verlust zu entschädigen sei und verurteilte den Sklaven der Brüdergemeine zu mehreren Stockschlägen.443 In einem anderen Fall führte ein Konflikt innerhalb der Sklavenhierarchie der Brüdergemeine zum Totschlag des Helfers und Verwalters des Missionsplatzes Niesky. Der Täter, ebenfalls Sklave der Brüdergemeine, wurde vom Gericht in Charlotte Amalie zum

440 Häuser an Breutel, Friedensthal, St. Croix, 01. Oktober 1841, in: UA, R 15 Bb 26h (1833– 1843): „So gaben wir sie für längere Zeit auf die Plantage Groot Princesse wo sie mit den Kindern auf dem Feld arbeitet.“ 441 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1936. 442 Sensbach, A Separate Canaan, S. 91, die in der Taverne beschäftigten Sklavin wird „because of her bad behaviour“ an einen Fremden verkauft. UA, R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen Paramaribo (1791–1838), Konferenz vom 03. Dezember 1816, der Sklave Nava wird verkauft, weil er durch sein häufiges Betrinken den Frieden der Mission stört. 443 Oldendorp, Historie, Teil 2, Bd. 3, S. 1414f.

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Tode verurteilt.444 Die Missionare hatten als Angehörige der Kolonialgesellschaft die gesetzlichen Bestimmungen, die bei Kapitalverbrechen ihrer eigenen Sklaven Anwendung fanden, zu akzeptieren und taten dies ohne Ausnahme. Um Widerstand von Sklaven zu unterbinden bzw. um die Einhaltung der Verhaltensnormen in der Sklavengesellschaft der Mission zu gewährleisten, wandten die Missionare verschiedene Instrumentarien der Bestrafung an. Diese reichten von der körperlichen Züchtigung bis zu subtileren Formen der Gewalt, wie dem Ausschluß von der Abendmahlsgemeinschaft oder der Androhung des Verkaufs. Auf den Missionsstationen so wird deutlich, „galten [nicht nur] die Gesetze der christlichen Theokratie“,445 wie Dietrich Meyer meint, es war vielmehr die Kombination aus Kolonial- und Kirchenrecht der sich die Sklaven der Brüdergemeine zu unterwerfen hatten. Die Missionare waren aktiv, wie bei der Verfolgung von flüchtigen Sklaven und durch die Anwendung von Kolonialrecht auf ihre eigenen Sklaven, in die Ausübung der kolonialen Gesetzgebung eingebunden. Die Rechtmäßigkeit der menschenverachtenden Sklavengesetze stellten sie dabei nicht in Frage.

444 Ebd., S. 1470f. 445 Meyer, Zinzendorf, S. 76.

3. „THE BULWORK OF SLAVERY.“1 DIE BRÜDERGEMEINE UND DIE ABSCHAFFUNG DER SKLAVEREI IN DER MISSION Der Sklavenbesitz der Brüdergemeine in der Karibik und in Nordamerika sollte sich im 19. Jahrhundert als große Bürde erweisen. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem daraus entstehenden Konflikt zwischen der Herrnhuter Brüdergemeine und der Antisklavereibewegung. Mit letzterer ist zum einen die 1823 gegründete britische Anti-Slavery Society und ihre Unter- und Folgegruppierungen gemeint,2 sowie allgemein Aktivisten gegen die Sklaverei, sowohl in England als auch darüber hinaus.3 Die Kirchenleitung der Brüdergemeine wollte sich zur Frage der Sklavenemanzipation nicht positionieren. Dabei sind viele verschiedene Gründe zu berücksichtigen, die im Folgenden ausführlicher dargestellt werden sollen. Die Sklavenemanzipation ereignete sich in den verschiedenen Kolonialgebieten zu unterschiedlichen Zeiten. Diese Ungleichzeitigkeit stellte die Mission vor ein Problem. Wie sollte sich ein gesellschaftlicher Status als Bestandteil der göttlichen Ordnung erklären lassen, wenn er bereits in der nächsten Kolonie in Frage gestellt wurde? Daneben bestand in einigen Missionsgebieten immer noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Sklavenbesitz. Darüberhinaus existierten innerhalb der Mitglieder der Brüdergemeine selbst, unterschiedliche Auffassungen über die Rechtmäßigkeit von Sklaverei. Kennzeichnend für den Konflikt war, sowohl auf Seiten der Anti-Slavery Society als auch auf Seiten der Brüdergemeine, die Meinungsheterogenität der Mitglieder. In der Brüdergemeine gab es ein breites Spektrum, von mit der Sklavenemanzipation sympathisierenden und die eigene Sklaverei ablehnenden Mitgliedern, bis hin zu reaktionären Verfechtern der Sklaverei.4 Unter den Abolitionisten ist ebenfalls zwischen progressiven und

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William Johnston, Delegierter der American and Foreign Anti-Slavery Society über den Sklavenbesitz von Kirchen, in: Proceedings of the general Anti-Slavery Convention. Called by the Committee of the British and Foreign Anti-Slavery Society, London 1843, S. 203. Der offizielle Name war Society for the Mitigation and Gradual Abolition of Slavery Throughout the British Dominions vgl. Temperley, Howard: British Antislavery 1833–1870, Columbia 1972, S. 10, 12f. 1831 bildeten die jüngeren und radikaleren Mitglieder der AntiSlavery Society das sogenannte Agency Committee, das die Sklavenemanzipation über eine Mobilisation der Bevölkerung vorantreiben wollte. 1833 führten ideologische Differenzen über das apprenticeship system und die Entschädigung der Sklavenbesitzer zur Abspaltung des Agency Committee. Temperley, British Antislavery, S. IX: „To be an abolitionist in this sense unsually entailed, besides an organisational affiliation, a commitment to attitudes and policies not shared by the majority of his fellow countrymen, sincerely opposed to slavery although they were.“ Füllberg-Stolberg, Claus: The Moravian Mission and the Emancipation of Slaves in the Caribbean, in: Schmieder, Ulrike/ Füllberg-Stolberg, Katja/ Zeuske, Michael (Hrsg.), The End of Slavery in Africa and the Americas. A Comparative Approach, Berlin 2011, S. 81–102, hier

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reaktionären Gruppierungen zu unterscheiden, die in der Frage des Vorgehens gegen die Brüdergemeine unterschiedlicher Auffassung waren.5 Gerade die öffentlichen Proteste gegen die Brüdergemeine wurden nicht von den etablierten Vertretern, sondern den jungen, radikaleren Kräften der Anti-Slavery Society geprägt.6 Bisher ist die Freilassung der Missionssklaven v.a. aus der Perspektive der Brüdergemeine und nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Vorgänge in den britischen, dänischen und niederländischen Kolonien sowie in Nordamerika betrachtet worden.7 Komparatistische Darstellungen des Emanzipationsprozesses, die diesen sowohl in die lokalen als auch globalen Prozesse einbinden, sind die Ausnahme.8 Die von der älteren Forschung vertretene These, es habe ausgehend von einer indirekten Unterstützung der Initiative zur Abschaffung des Sklavenhandels ein gutes Verhältnis zwischen der Brüdergemeine und den Abolitionisten in den 1830er Jahren bestanden,9 ist bereits von Armando Lampe und Claus FüllbergStolberg widerlegt worden.10 Aber auch die Bezeichnung der Haltung der Brüdergemeine zur Sklavenemanzipation als „uneindeutig“ wie Gisela Mettele sie be-

S. 93 „Comparing the reports from different colonies we find a range of attitudes and expectations in regard to slave emancipation in the W.I.“ 5 Temperley, British Antislavery, S. 12f., 17.; Hall, Catherine: Civilising Subjects. Metropole and Colony in English Imagination 1830–1867, London u. Chicago 311f., nennt als Beispiel die Auseinandersetzung um das apprenticeship system. Eine Gruppe um Joseph Sturge brachte zum Missfallen großer Teile der englischen Anti-Slavery Society eine Petition gegen die apprenticeship ein. 6 Green, William A.: British Slave Emancipation. The Sugar Colonies and the Great Experiment 1830–1865, Oxford ²1992. 7 Literatur in Auswahl: Dänisch-Westindien: Beck, Hartmut: Die Jungferninseln – Phase und Modell der Missionsgeschichte, in: Meier, Gudrun, u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp, Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan, Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 9–52, hier S. 46f.; Beck, Hartmut: Brüder in vielen Völkern. 250 Jahre Mission der Brüdergemeine, Erlangen 1981, hier S. 186; Degn, Christian: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Zwischen Gewinn und Gewissen, Neumünster ³2000, S. 460–463. Britisch-Westindien: Lampe, Armando: Mission or Submission? Moravian and Catholic Missionaries in the Dutch Caribbean during the 19th Century, Göttingen 2001, S. 68–70; Warner-Lewis, Maureen: Archibald Monteath. Igbo, Jamaican, Moravian, Kingston 2007, S. 176f. Suriname: Lenders, Maria: Strijders voor het Lam. Leven en Werk van Herrnhuter Broeders en Zusters in Suriname, 1735–1900, Leiden 1996, S. 217– 220; Klinkers, Ellen: Moravian Missions in Times of Emancipation, Conversion of Slaves in Suriname during the Nineteenth Century, in: Gillespie, Michelle/ Beachy, Richard (Hrsg.), Pious Pursuits, German Moravians in the Atlantic World, New York, Oxford 2007, S. 207– 222; Nordamerika: Sensbach, Jon F.: A Separate Canaan. The Making of an Afro-Moravian World in North Carolina, 1763–1840, Chapel Hill, NC 1998, S. 298–302. 8 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 90–97. 9 Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 185: „Aber die Stiefbrüder hätten werden können, waren und blieben miteinander Brüder.“. Furley, Oliver: Moravian Missionaries and Slaves in the West Indies, in: Caribbean Studies 5 (1965), S. 3–16, hier S. 16. 10 Lampe, Mission or Submission, S. 68–70; Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 96.

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wertet, lässt sich, wie das Kapitel zeigt, nicht aufrecht erhalten.11 Ebenfalls zweifelhaft ist die von Hartmut Beck immer wieder vorgebrachte Argumentation, die Brüdergemeine habe nicht gezögert umzudenken und eine Veränderung der Verhältnisse zu erreichen,12 sowie sein Argument, die kolonialen Verhältnisse hätten eine Freilassung der Missionssklaven unmöglich gemacht.13 Zumindest in Hinsicht auf die rechtliche Legitimation derselben ist dies anzuzweifeln. Letztlich ist auch die Heroisierung einzelner Mitglieder der Brüdergemeine, wie Peter Latrobe und Niels Otto Tank zu Abolitionisten, abzulehnen. Bei beiden Personen handelte es sich um Mitglieder der Brüdergemeine, die aufgrund ihrer herausragenden Positionierung in der Auseinandersetzung mit der Sklavenemanzipation eine Sonderrolle einnehmen. Einerseits Peter Latrobe als einflussreiche Persönlichkeit der englischen Brüdergemeine und andererseits Niels Otto Tank als Leiter der Mission in Surinam. Das Verhältnis der Mitglieder der Brüdergemeine zur Sklavenemanzipation war, das wird auch bei Latrobe und Tank deutlich, sehr viel komplexer, als das es eine klare Trennung zwischen Sympathisanten und Gegnern erlauben würde. Im Folgenden soll zuerst die Leitung der Herrnhuter Brüdergemeine in ihrer Auseinandersetzung mit der britischen Abolitionsbewegung und den eigenen Gemeindemitgliedern positioniert werden. Die UAC versäumte es, in dem über mehrere Jahrzehnte andauernden Konflikt auf die divergierenden Meinungen ihrer Mitglieder und externen Kritiker einzugehen. Die Kirchenleitung hielt an ihrer anachronistischen Haltung der biblischen Legitimation von Sklaverei fest. Einen Synodalbeschluss einer Kirchenprovinz, der die Sklaverei verurteilte und die eigene Rolle der Kirche als Sklavenhalter kritisierte, gab es erst 1996.14 Trotz ihrer reaktionären Haltung konnte die UAC aber schon im 19. Jahrhundert nicht verhindern, dass ihre Einstellung zur Sklavenemanzipation und der eigene Sklavenbesitz von den Mitgliedern kontrovers diskutiert wurde. Ein zweiter Schwerpunkt des Kapitels bildet die Freilassung der Missionssklaven in den jeweiligen Missionsgebieten unter Berücksichtigung der beteiligten Akteure. Die Kirchenleitung, die Missionare im Missionsgebiet, die Kolonialregierungen und Sklavenbesitzer, die Abolitionisten und die Sklaven verfolgten ganz unterschiedliche Interessen. Den jeweiligen Zielen und Motivationen der unterschiedlichen Gruppen soll dabei nachgegangen werden. Die Emanzipation der eigenen Sklaven vollzog sich als ein langwieriger Prozess, bei dem die Ältes11 Mettele, Gisela: Weltbürgertum oder Gottesreich. Die Herrnhuter Brüdergemeine als globale Gemeinschaft 1727–1857, Göttingen 2009, S. 109: „Die Brüdergemeine verhielt sich hier in einer für sie typischen Weise uneindeutig.“ 12 Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 186. 13 Ebd.: „Es erwies sich dabei, daß es für sie gar nicht so leicht war, die Sklaven wieder loszuwerden, die sie hatten. Damit hätten sie nicht nur ihr Gewissen erleichtern, sondern auch für das ganze Land ein Zeichen setzen können. Auch wenn er sich über das erstere wenig Gedanken gemacht haben sollte, konnte das letztere dem Gouverneur nicht gleichgültig sein. Es mußte ihm sogar als politisch gefährlich erscheinen.“ 14 Provincial Synod of the Southern Province of the North American Moravian Church, Winston-Salem, NC 1996, S. 122f.

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tenkonferenz immer nur soweit ihren Kritikern entgegenkam, wie es die jeweiligen Umstände erforderten. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Peter Latrobe, der als Sekretär der Brüdergemeine in England der Verhandlungspartner der Anti-Slavery Society war. Latrobe war sein ganzes Leben in die Auseinandersetzung zwischen Brüdergemeine und Abolitionsbewegung involviert. Bereits 1824 hat er an der Synode teilgenommen, auf der die Brüdergemeine erstmals von der Abolitionsbewegung mit der Sklavenfrage konfrontiert wurde.

3.1. DIE BRÜDERGEMEINE UND DIE ABSCHAFFUNG DES SKLAVENHANDELS UND DER SKLAVEREI In der eigenen Missionshistoriographie nehmen die guten Beziehungen, die führende Mitglieder der englischen Provinz der Brüdergemeine zu der britischen Antisklavereibewegung unterhielten, einen festen Platz ein. Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung Christian Ignatius Latrobes, des Sekretärs, der in London angesiedelten Society for the Propagation of the Gospel Among the Heathen in Foreign Parts (SFP).15 Der Familie Latrobe war es gelungen, das Ansehen, das die Brüdergemeine in England in den 1750er Jahren verloren hatte, wieder herzustellen. Damals hatte die Publikation von Herrnhuter Schriften aufgrund der spielerisch religiösen und erotischen Inhalte zu Hohn und Spott geführt.16 Die Mitglieder des Committee for the Abolition of the Slave Trade baten nun Latrobe, ihnen Material über die Missionserfolge in den Plantagengebieten der Karibik zur Verfügung zu stellen.17 Diesem Wunsch entsprach Latrobe und steuerte zum Report des Kommittees zur Abschaffung des Sklavenhandels eine Abhandlung über die Missionstheologie und die Missionsziele der Brüdergemeine bei.18 Diese Schrift kann aufgrund ihrer Legitimation durch die UAC als offizielles Statement der Kirche angesehen werden. Latrobe betonte darin die Notwendigkeit einer christlichen und moralischen Erziehung der Sklaven. Es gelang ihm, sowohl die Erwartungen der Abolitionisten als auch der Pflanzer zufriedenzustellen. Gerade letztere nahmen die Betonung des disziplinarischen Elements der Hernnhuter Missionstheologie positiv auf.19 15 Mason, John C.: The Moravian Church and the Missionary Awakening in England 1760– 1800, Woodbridge 2001, S. 121, bezeichnet ihn als „abolitionist at heart.“ 16 Es handelte sich z. B. um Kirchenlieder, die unter dem Einfluss, der sogenannten Sichtungszeit, laut Peucker, Paul: Herrnhuter Wörterbuch. Kleines Lexikon von brüderischen Begriffen, Herrnhut 2000, S. 49, eine Phase „spielerische[r] Leichtsinnigkeit, die durch eine exzessiv schwärmerische und erotisierende Sprache gekennzeichnet“ war. Vgl. auch Mason, Moravian Church, S. 9–11. 17 Mason, Moravian Church, S. 120–138. 18 Ebd., S. 133–136. 19 A short account of the endeavours of the Episcopal Church, known by the name as Unitas Fratrum, or United Brethren, for promoting true Christianity amongst the Heathen, particularly amongst the Negroes in the West India Islands, in: Report Of The Lords of the Committee of Council appointed for the Consideration of all Matters relating to Trade and Foreign Plantations […], 11 Februar 1788, Report on the Lords of Trade of the Slave Trade 1789, S.

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Die Entwicklungen in England beeinflussten die Entstehung des dänischen Gesetzes zur Abschaffung des Sklavenhandels. Es kam 1791 zur Gründung einer vom dänischen König eingesetzten Kommission um den deutsch-dänischen Plantagenbesitzer Ernst von Schimmelmann, die einen Gesetzesentwurf ausarbeitete. Während die britische Abolitionsbewegung durch eine Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten gekennzeichnet war, war es im absolutistisch regierten Dänemark eine kleine Elite von Regierungsmitgliedern. Es spielten dabei weniger moralische Überlegungen eine Rolle, auch wenn Ernst Schimmelmann mit den Ideen der Aufklärung sympathisierte,20 als vielmehr eine Kosten-Nutzen Abwägung.21 Dies wird auch dadurch deutlich, dass in den zehn Jahren vor Inkrafttreten des Sklavenhandelsverbots am 1. Januar 1803, der Import von Sklaven erleichtert wurde. Auf diese Weise sollte das Ziel einer sich selbst reproduzierdenden Sklavengesellschaft erreicht werden. Dänemark verbot somit noch vor England, das am 25. März 1807 folgen sollte, den Sklavenhandel. Die Mission der Brüdergemeine spielte bei den Überlegungen zur Abschaffung des Sklavenhandels in Dänemark eine noch geringere Rolle als in England. Zu Beginn der 1820er Jahre zeigte sich, dass die mit dem Handelsverbot von den Abolitionisten erhoffte Verbesserung der Lebensverhältnisse der Sklaven in den britischen Kolonien nicht eingetreten war.22 Dasselbe gilt für die Lebensverhältnisse der Sklaven in Dänisch-Westindien. In England kam es unter anderem deswegen schließlich 1823 zur Gründung der Anti-Slavery Society, deren Leitung 1824 Thomas Fowell Buxton übernahm. Als Nachfolger von William Wilberforce wurde er gleichzeitig Interessenvertreter der Antisklavereibewegung im britischen Parlament. Die in der britischen Öffentlichkeit ausgetragene Auseinandersetzung zwischen den Interessenvertretern der westindischen Pflantagenbesitzer und den Vertretern der Antisklavereibewegung, der sogenannte „War of representation“23, mobilisierte einen Großteil der Bevölkerung. In dieser Phase der sich neu mobilisierenden Antisklavereibewegung tagte im Juli 1824 die Provinzialsynode der englischen Provinz in Fairfield/Lancastershire. Über mehrere Wochen trafen sich die Delegierten und diskutierten Grundsatzentscheidungen für die weitere Entwicklung der Kirche. Am Morgen des 10. Juli erhielt Carl August Pöhlmann, Pfarrer der Brüdergemeine, ein anonymes Paket aus London. Es enthielt ein Pamphlet mit dem Titel „On Slavery“ und den Vermerk „For the Provincial Conference of the Unitas Fratrum in Fairfield.“ Pöhlmann bat darum, das Schriftstück der Synode vorzulegen. Nach kurzer Diskussion

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469–472, hier S. 471: „With respect of the Behaviour of the Slaves to their Masters, it is needless to say much; Obedience, Diligence, Faithfulness, Submission, not only to the good and gentle.” Degn, Die Schimmelmanns, S. 256–280. Gøbel, Erik: The Danish Edict of the 16 March 1672 to Abolish the Slave Trade, in: Jeremy Black (Hrsg.), The Atlantic Slave Trade. Vol. IV Nineteenth Century, Aldershot u.a. 2006, S. 2–10, hier S. 6. Der Sklavenhandel selbst war für den dänischen Staat unprofitabel und die Unterhaltungskosten für die Festungsanlagen an der westafrikanischen Küste hoch. Temperley, British Antislavery, S. 7–9; Green, British Slave Emancipation, S. 100f. Hall, Civilising Subjects, 107–115. th

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wurde jedoch entschieden, dass die Konferenz zu diesem anonym eingesandten Schriftstück keine Stellung beziehen wolle. Die private Einsichtnahme in die Schrift wurde den Teilnehmern aber freigestellt.24 Obwohl die Synode keine Diskussion zur Sklavenfrage führen wollte, wurde eine grundsätzliche Resolution zu diesem Thema verabschiedet: It is the unanimous opinion of the conference that, while it declines all interference with the judgement and conduct of individuals the Brethren, in their collective capacity as a church right, under existing circumstances, to observe silence and neutrality on the much agitated question of Negro-Slavery.25

Damit berief sich die Synode auf das Prinzip der Nichteinmischung in politische Angelegenheiten, wie es bereits in den Instruktionen Spangenbergs für die Missionsarbeit 1782 festgehalten worden war.26 Die englische Brüdergemeine wollte als Kirche der Initiative zur Sklavenemanzipation neutral gegenüberstehen. Einzelnen Mitgliedern räumte die Synode in Fairfield jedoch ein, sich selbst ein Urteil zu bilden. Dadurch ermöglichte sie die Grundlage für eine Meinungsbildung in der Sklavenfrage in der englischen Brüdergemeine. Dies hatte weitreichende Folgen, weil im Gegensatz dazu die Generalsynode am status quo und der Rechtfertigung der Missionssklaverei festhielt. 1818, also nur wenige Jahre vor der Synode in Fairfield, hatte die Generalsynode noch die bereits 1769 festgelegten Rahmenbedingungen für die Missionssklaverei wiederholt bestätigt.27 Auch wenn die Kirchenleitung in Herrnhut auf dem Prinzip der Nichteinmischung in politische Fragen bestand, so konnte sie doch eine Diskussion innerhalb ihrer weltweiten Gemeinschaft nicht verhindern. Die entstehenden Bruchzonen der Kirchendoktrin beschränkten sich dabei nicht nur auf die englische Provinz, auch in den Missionsgebieten kam es in der Folge zu einer teilweisen Positionierung der Missionare in der Sklavenfrage. Selbst in der Missionszentrale wurde auf den folgenden Synoden und in der Ältestenkonferenz die Sklavenemanzipation wiederholt thematisiert. Zwar geben die Synodalverlasse keine Hinweise auf divergierende Positionen innerhalb der Brüdergemeine, dies ist jedoch in der Eigenart dieser Quelle begründet, die schließlich nur die Ergebnisse der Synode auch vor dem Hintergrund der Sicherung einer gemeinsamen Identität der Gemeinschaft festhalten sollte. Die Protokolle der Synoden werden in dieser Hinsicht deutlicher. So wird 1825 vermerkt: „Daß unsere Missionarien auf einigen Missionsplätzen zur Betreibung von Professionen u. zur Besorgung der Oeconomie Neger besitzen, ist von einzelnen Missions Brüdern in Eng-

24 Kurze Erwähnung bei Degn, Schimmelmanns, S. 458 ohne Angabe der Quelle. Vgl. Moravian Church House, London (MCHL), Minutes of the Provincial Conference for the Brethren’s Congregation in England & Ireland, held at Fairfield in the year 1824, p. 91. 25 MCHL, Extract of the Journal of the Proceeding & Resolution of the Provincial Conference assembled at Fairfield from June 30th to July 15th 1824, Nr. 7. Hervorhebungen im Original. 26 Spangenberg, Gottlieb August: Von der Arbeit der evangelischen Brüder unter den Heiden, Barby 1782, S. 64: „Wir wollen den Heiden immer erinnerlich machen, was Paulus gesagt hat: Jedermann sey unterthan der Obrigkeit, die Gewalt ueber ihn hat.“ 27 Mason, Moravian Church, S. 103.

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land sehr getadelt worden; sie sähen es am liebsten, daß die Brüder alle ihre Negersclaven abschafften u. in Zukunft zur Besorgung der nöthigen Geschäfte Neger miethen.“28

Bei den in der Quelle genannten „Missions Brüdern“ kann es sich sowohl um Mitglieder der englischen Brüdergemeine als auch um Vertreter anderer britischer Missionsgesellschaften handeln.29 Deren Kritik am Sklavenbesitz der Brüdergemeine konnte keine Änderung der Verhältnisse herbeiführen. Sie verdeutlicht allerdings, dass der Sklavenbesitz der Mission schon früh Vorwürfe von Seiten der britischen Antisklavereibewegung auf sich zog. Immerhin war die Kirchenleitung in der Sklavenfrage mittlerweile so sensibilisiert, dass sie den Passus des Protokolls, in dem die Behandlung der Missionssklaven mit der von Leibeigenen verglichen wurde, wieder strich. Im 18. Jahrhundert war dieser Vergleich noch ganz bewusst gezogen worden, um die „milde“ der Sklaverei in der Brüdergemeine zu betonen. „Dies ihr [der englischen Missionsgesellschaften, JH] Verlangen rührt aber von dem unrichtigen Begriff her den sie von dem Worte „Sclave“ u. von der Behandlungsart der Brüder in Hinsicht der Neger Sclaven haben, indem sie glauben, daß sich auch Negersclaven der Brüder in einer so harten Lage wie bey anderen unchristlichen Eigenthümern befinden müssten. Dies ist aber nicht der Fall die Brüder behandeln ihre Neger milde und ungefähr so wie hier zu Lande Knechte u. Mägde von ihren Herrschaften behandelt werden.“30

Der Kirchenleitung war bewusst, dass eine Rechtfertigung des eigenen Sklavenbesitzes mit einer guten Behandlung der Sklaven nicht mehr möglich war. Auch der Vergleich zwischen Sklaverei und Leibeigenschaft ließ sich, vor dem Hintergrund des mit verstärkter Dynamik betriebenen Prozesses der Bauernbefreiung, nicht aufrechterhalten. Der Vergleich mit einem sozialen Status, dessen Aufrechterhaltung im alltäglichen Umfeld der Brüdergemeine bereits ebenso umstritten war wie die Sklaverei, konnte kaum der Legitimation des Sklavenbesitzes in den Missionsgebieten dienen. Es muss zwangsläufig für die Kirchenleitung absehbar gewesen sein, dass das Festhalten am status quo zu einem Konflikt mit der Antisklavereibewegung führen würde. Im Synodalverlass wurde jedoch ein weiteres Mal erklärt: „In den Streit über die Menschenrechte der Neger und Eigentumsverhältnisse der Herren will die Brüdergemeine sich nicht mengen, so wenig Paulus es tat.“31 Damit knüpfte die Mission an die im 18. Jahrhundert entstandenen und in von August Gottlieb Spangenberg publizierten Missionssinstruktionen an. Dieses Urteil betraf auch den eigenen Sklavenbesitz. Zwar forderte die UAC schließlich 1827 die Missionare auf St. Kitts auf, keine weiteren Sklaven mehr zu

28 UA, R 2 B 51 d, Protokoll des Synodus 1825, S. 266. 29 Sensbach, A Separate Canaan, S. 300 vertritt die These es handele sich ausschließlich um Mitglieder der Englischen Brüdergemeine. Ebenso wahrscheinlich ist jedoch, dass es sich um Vertreter anderer Missionsgesellschaften handelt, die im Missionsgebiet auf den Sklavenbesitz ihrer Kollegen aufmerksam wurden. Vgl. Hall, Civilising Subjects, S. 54. 30 UA, R 2 B 51 d, Protokoll des Synodus 1825, S. 266. Im Original ist diese Passage durchgestrichen. 31 UA, R 2 B 4, Synodalverlass 1825.

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kaufen, zu einer Freilassung der eigenen Sklaven konnte sie sich dennoch nicht entscheiden.32 Die Weigerung der Kirchenleitung, auf die Sklavenemanzipation zu reagieren, hatte erhebliche Folgen. Die Brüdergemeine war wie andere Missionsgesellschaften hierarchisch geordnet. Jon Miller hat am Beispiel der Basler Mission die Bedeutung der „unbedingte[n] Hingebung“ der Missionare unter die Führungsdirektive des Leitungsgremiums in Missionsfragen betont.33 Auch wenn Millers Beobachtungen nicht in allen Punkten auf die Struktur der Brüdergemeine übertragen werden können, so bildet doch die Ältestenkonferenz ähnlich dem Leitungsgremium der Basler Mission, die maßgebliche Entscheidungsinstanz der Gemeine zwischen den Synoden.34 Das völlige Fehlen einer klaren Positionierung für oder gegen die Sklavenemanzipation führte letztlich zu einer Verunsicherung der Missionare im Missionsgebiet.35 Die Ältestenkonferenz befand sich in dem Dilemma, das gemäß ihrer theokratischen Verfassung eine Entscheidung in der Sklavenfrage zu einem Konflikt mit ihrem eisernen Prinzip des Gehorsam36 gegenüber der Obrigkeit führen musste.37 Denn während 1834 die Sklaverei in den britischen Kolonien abgeschafft wurde, blieb sie in den dänischen und niederländischen Kolonialgebieten bestehen. Zudem führten die unterschiedlichen Meinungen der Mitglieder in Bezug auf die Sklavenfrage und die Tatsache, dass nicht nur die Kirche, sondern insbesondere in Nordamerika auch einige Mitglieder der Brüdergemeine selbst Sklavenbesitzer waren, zu der Befürchtung, dass eine Entscheidung zu einer Spaltung führen könnte. Während sich andere Missionsgesellschaften, wie etwa Baptisten und Methodisten, in der Diskussion um die Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei zunehmend politisierten, beharrte die Brüdergemeine auf ihrem Prinzip der Nichteinmischung in die Politik.38 Davon ausgehend könnte man vermuten, dass es unter ihren Mitgliedern keine Abolitionis-

32 Lenders, Strijders, S. 217. 33 Miller, Jon: Missionary Zeal and Institutional Control. Organizational Contradictions in the Basel Mission on the Gold Coast, 1828–1917, London 2003, hier S. 100: „The official written guide that defined the relationship between the Committee and the missionaries began with the call for 'unconditional submission' (unbedingte Hingebung) on the part of the missionaries and 'fatherly care' (väterliche Fürsorge) on the part of the Committee.“ Hervorhebungen im Original. 34 Baldauf, Ingeborg: Oldendorp als Historiker, in: Gudrun Meier u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp. Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan. Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 53–142, hier S. 54. 35 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 83: „However, the Elders Conference, […] was not prepared to make an unequivocal decision […] and left the missionaries in the different regions of the world where slavery was practised to the demands of the respective status quo.“ 36 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 84. 37 Zum Verhältnis von Theokratie und Luthers Zwei-Reiche-Lehre in der Brüdergemeine vgl. Beck, Jungferninseln, S. 46f.; Mettele, Weltbürgertum, S. 84f., Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 84. 38 Turner, Mary: Slaves and Missionaries. The disintegration of Jamaican slave society, 1787– 1834, Kingston ²2000, S. 170f.; Füllberg-Stolberg, The Moravian Mission, S. 83, S. 90f.; Hall, Civilising Subjects, S. 112f.

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ten gegeben habe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Situation ist viel komplexer, schließlich gestattete der Beschluss der Synode in Fairfield den Teilnehmern der englischen Provinz, implizit eine eigene Meinung zur Sklavenemanzipation zu vertreten und es ist anzunehmen, dass die fehlende Direktive der Ältestenkonferenz diese Effekte verstärkte. Die Gemeinschaft in England befand sich zudem nicht in einem politischen Vakuum, so dass die gesellschaftlichen Diskurse über die Abschaffung der Sklaverei auch unter ihren Mitgliedern zirkulierten. In der englischen Provinz gab es zunehmend Mitglieder der Brüdergemeine, die sich für soziale Reformen wie die Sklavenemanzipation einsetzten, ganz im Gegensatz zu den Mitgliedern auf dem Kontinent.39 Ähnliches gilt für die Missionare in Westindien, die alltäglich mit den brutalen Auswüchsen der Sklaverei konfrontiert waren. In beiden Gruppen gab es Personen, die die Sklaverei und die Einstellung der Kirche kritisierten.40 Bereits 1824 suspendierte der Missionsvorsteher in Barbados, Christian Berg, einen Kollegen, weil dieser mit der Antisklavereibewegung sympathisierte. Der Missionar John Sanderson hatte seinen Dienst erst ein Jahr zuvor angetreten. Er kritisierte die körperliche Züchtigung der Sklaven im Allgemeinen und die strenge Behandlung der Missionssklaven im Besonderen. Mehrmals wandte er sich an die UAC, die aber nicht intervenierte.41 Während Sanderson von seinem eigenen Kollegen und Vorgesetzten die Ausreise nahegelegt wurde, kam es auch vor, dass die Kolonialregierung Missionare der Brüdergemeine ausweisen ließ. So etwa in Dänisch-Westindien, wo 1828 zwei Missionare, die für die Sklavenbefreiung eintraten, von der Kolonialverwaltung außer Landes geschickt wurden.42 Bei beiden Beispielen handelte es sich um Brüder der englischen Provinz, die durch ihre Sympathien für die Antisklavereibewegung auffielen. Dies legt einen Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Initiative zur Sklavenemanzipation und deren Rückwirkung auf die englischen Mitglieder der Brüdergemeine nahe. Neben dem verstärkten Engagement radikalerer abolitionistischer Kräfte waren es v.a. die von den Sklaven ausgehenden Initiativen zur Abschaffung der Sklaverei, die sich in den Rebellionen in Demarara 1823 und Jamaika 1831/32 entluden und die Diskussion über eine Abschaffung der Sklaverei in England beeinflussten. An den Mitgliedern der englischen Brüdergemeine wird diese Entwicklung nicht ohne Folgen vorbeigegangen sein. Die Beziehungen, die die englische Brüdergemeine seit dem späten 18. Jahrhundert zu prominenten Vertretern der Antisklavereibewegung unterhielt, hatten 39 Zum Einfluss insb. des englischen und nordamerikanischen Protestantismus auf die Entwicklung sozialer Bewegungen vgl. Lehmann, Hartmut: Die neue Lage, in: Ders. (Hrsg.), Geschichte des Pietismus Bd. 3. Der Pietismus im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Göttingen, 2000, S. 1–26, hier S. 11f., Beck, Jungferninseln, S. 46. 40 Die Annahme von Lampe, Mission or Submission, S. 67, es habe in Westindien keine abolitionistisch eingestellten Missionare gegeben, ist falsch. Vgl. Warner-Lewis, Archibald Monteath, S. 177–181. 41 Lampe, Mission or Submission, S. 62f. 42 Müller, Karl: 200 Jahre Brüdermission. I. Band. Das erste Missionsjahrhundert, Herrnhut 1931, S. 335.

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dabei nur einen geringen Einfluss. Ob sich etwa Christian Ignatius Latrobe, wie John Mason vermutet, als „abolitionist at heart“ der Gratwanderung bewusst war, die eine enge Verbindung zwischen Abolitionisten auf der einen und Sklavenbesitzern auf der anderen Seite bedeutete, bleibt zweifelhaft. Es liegt nahe, dass er, da er selbst im Namen der SFP Eigentümer von 28 Sklaven in Fairfield, Jamaika war, keinen Widerspruch darin sah.43 Eine solche Einstellung scheint bis in die 1830er Jahre typisch für einen Großteil der Brüdergemeine gewesen zu sein und entspricht dem Wunsch, das System der Sklaverei nicht abzuschaffen, sondern zu reformieren.44 3.2. „THE WHOLE RELIGIOUS WORLD […] IS AGAINST US.“45 Im November 1830 berichtete Peter Latrobe, der seinem Vater Christian Ignatius im Amt des Sekretärs der SFP nachfolgte, der UAC erstmals ausführlich über Forderungen der Abolitionsbewegung, die im Besitz der Brüdergemeine befindlichen Sklaven freizulassen. In den folgenden Jahren sollte Latrobe zur zentralen Figur im Konflikt mit der britischen Antisklavereibewegung werden. Hineingeboren 1795 in eine der einflussreichsten Herrnhuter Familien Englands wurde er in der Tradition der Brüdergemeine erzogen. Nach dem Schulbesuch in Erziehungsanstalten in England und Deutschland übernahm er früh Aufgaben in der Kirchenverwaltung der englischen Provinz. Peter Latrobe konnte an die guten Beziehungen seines Vaters zu anderen Missionsgesellschaften anknüpfen und nahm wie dieser eine Rolle als Vermittler zwischen Abolitionisten und Sklavenbesitzern ein.46 Schließlich war die Familie Latrobe selbst entfernt mit Sklavenbesitzern wie John Foster-Barham verwandt.47 Seine Position als Sekretär der SFP erforderte es zudem, zwischen beiden politischen Lagern mit größter Vorsicht zu agieren. Die Folgen der neutralen Position der Brüdergemeine im Verhältnis zu den sich in der Frage der Sklaverei politisierenden Baptisten, Methodisten und Quäkern beschreibt Peter Latrobe folgendermaßen: „the interested Moravians keep aloof, they are beginning to experience a decline of the good opinion, hitherto entertained of themselves to their missions in certain quarters.“48 Die übrigen Missionsgesellschaften hatten bereits in England seit der Auseinandersetzung um 43 Public Record Office (PRO), T 71/68, Office of Registry of Colonial Slaves and Slave Compensation Commission, A Return of Slaves in the Parish of Manchester in the possession of the Rev. J. Ellis, as Attorney of the Mess. Christian Ignatius Latrobe and Edward Moore, 28 Juni 1826. 44 Müller, 200 Jahre Brüdermission, S. 334f. Die Brüdergemeine sei zum einen gegen die Sklavenemanzipation gewesen, weil sie die Feindschaft der Pflanzer fürchtete, zum anderen, weil sie überzeugt war, dass die Emanzipation weder im Interesse der Pflanzer noch Sklaven gewesen sei. 45 Peter Latrobe an Christian Gottlieb Hüffel, in: Lampe, Mission or Submission, S. 211. 46 Mason, Moravian Church, S. 122. 47 Peter Latrobe heiratete 1825 Mary Louisa Foster, eine Großnichte von John Foster-Barham. 48 Hervorhebung im Original. Zitiert nach Lampe, Mission or Submission, S. 68.

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die Abschaffung des Sklavenhandels eine lange politische Tradition. Die Antisklavereibewegung mobilisierte große Teile der Bevölkerung war und nicht auf ihre prominenten Anführer wie William Wilberforce beschränkt. Die politische Einmischung der dissentistischen Kirchen in England hatte die Verfolgung der Missionare in den Kolonien zur Folge, weshalb diese angewiesen wurden, jede Einmischung in die politischen Verhältnisse zu unterlassen. Seit den 1820er Jahren kam es, im Rahmen der englischen Politik zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Sklaven, zu einer zunehmenden Politisierung der Missionare in den westindischen Kolonien. Diese erreichte nach der brutalen Niederschlagung der Christmas Rebellion in Jamaika 1831/32 und der damit einhergehenden Zerstörung von baptistischen und methodistischen Kirchen und der Verfolgung von Missionaren ihren Höhepunkt.49 Die neutrale Position, die die Brüdergemeine in der Sklavenfrage einnehmen wollte, so Latrobe, würde von den Gegnern der Sklaverei als Eigennützigkeit interpretiert werden. Den Abolitionisten wäre der Interessengegensatz zwischen ihren Zielen und der Haltung der Brüdergemeine klar: „You can not join us. They will say. Because you are yourself slave holders and your own interests will be affected by our success.“50 Latrobe verdeutlicht, welche Folgen eine neutrale Position der Kirche in der Sklavenfrage haben würde. Seiner Meinung nach wirkte sich die Tatsache, dass die Brüdergemeine der sozialen Frage der Sklavenemanzipation von offizieller Seite nur freundliches Interesse entgegengebrachte bereits auf das Ansehen der Mission aus. Viel schlimmer, so Latrobe, sei der zu erwartende Angriff der radikaleren Strömungen innerhalb der Abolitionsbewegung aufgrund des eigenen Sklavenbesitzes der Mission.51 Im Mai 1831 beschäftigte sich die UAC auf Drängen Latrobes und verschiedener privater sowie offizieller Eingaben aus der englischen Provinz erstmals ausführlich mit dem Sklavenbesitz der Mission. In einem Schreiben an die Mitglieder der UAC stellte Latrobe fest, dass der Herrnhuter Sklavenbesitz der Öffentlichkeit in England weitgehend unbekannt sei. Es habe sich aber gezeigt, dass dort, wo er publik gemacht wurde, bereits „Vorurtheile“ gegen das Missionswerk hervorgerufen wurden. Bei „dem wachsenden Eifer der sogenannten Emancipations-Parthey“ sei zu erwarten, „daß dieser sich nicht zu verhelende Flecken unseres Bekehrungswerkes unter den Negern“ früher oder später zu Anfeindungen in England führen werde, bei denen alle Erklärungsversuche nichts nutzen würden.52 Latrobe vermied es, die grundsätzliche Rechtmäßigkeit von Sklaverei in Frage zu stellen. Damit bewegte er sich in der Tradition der Herrnhuter Missionstheologie, die von einer Akzeptanz des weltlichen status quo in den Missionsgebieten ausging. Er lehnte aber die unmenschlichen Auswüchse des Sklavensystems ab. Damit bewegte er sich im Rahmen der von der Brüdergemeine vorgegebenen Verhaltensnormen, die ein vorsichtiges Agieren gegenüber politischen Fragen verlangten. Allerdings wird auch deutlich, dass Latrobe den radikalen Mitgliedern der Aboli49 50 51 52

Turner, Slaves and Missionaries, S. 12–16, S. 102–131; Hall, Civilisng Subjects, 107–112. Latrobe an Hüffel, 3. Juni 1831, in: Lampe, Mission or Submission, S. 203. Lampe, Mission or Submission, S. 68. UA, UAC, 3. Mai 1831, S. 116–123.

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tionsbewegung ablehnend gegenüber stand. Erkennbar wird dies in seiner Wortwahl, mit der er die Zustände in England beschreibt. So nennt Latrobe die sich in England 1831 zuspitzenden öffentlichen Proteste gegen die Sklaverei eine „prevailing mania“ und vermutet als Motivation der Abolitionisten den Neid auf den Missionserfolg der Brüdergemeine.53 Welche Auswirkungen es haben könnte, wenn der Sklavenbesitz der Brüdergemeine bekannt würde, beschrieb Latrobe am Beispiel der anglikanischen SPG, die wegen des Besitzes der Codrington Plantage in Barbados öffentlich angegriffen worden war.54 Sie setzte schließlich unter dem Druck der Abolitionsbewegung Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Sklaven auf der Plantage um. Die öffentlichen Anfeindungen von Sklavenbesitzern könnten Latrobe an die Krise der Brüdergemeine in England im 18. Jahrhundert erinnert haben und er befürchtete vermutlich eine ähnliche gesellschaftliche Stigmatisierung. Latrobe sprach jedoch nicht für alle Mitglieder der Brüdergemeine in England. Zumal ein großer Teil von ihnen sich nicht ähnlich zurückhaltend verhielt wie der Sekretär der SFG. Viele Mitglieder der englischen Provinz sandten Bittschriften an die UAC, mit der Aufforderung, die eigenen Missionssklaven freizulassen. Von den Mitgliedern der Ältestenkonferenz in Yorkshire erhielt die UAC zudem ein in „starken Ausdrücken abgefasstes Memorial“.55 Einzelne Geistliche der englischen Brüdergemeine beteiligten sich an offiziellen Petitionen zur Abschaffung der Sklaverei oder besuchten Versammlungen der Anti-Slavery Society. Teilweise hielten sie Reden, in denen sie die Abschaffung der Sklaverei forderten.56 Dabei verstießen sie gegen das von der UAC vorgegebene Gebot der politischen Neutralität. Allerdings stand ihr Verhalten im Einklang mit dem Beschluss der Provinzialkonferenz in Fairfield 1824. Diese hatte eine private Meinung zur Sklavenfrage implizit legitimiert. Eine zunehmende Politisierung der Mitglieder in der englischen Brüdergemeine konnte die UAC nicht ignorieren. Dem Hinweis von Peter Latrobe „ob es nicht weit rathsamer seyn möchte, einen Schritt, zu welchem wir uns wahrscheinlich in kurzer Zeit unter Vorwürfen u. Anfeindungen gezwungen sehen werden, lieber bey Zeiten freiwillig zu thun“, schloss sich die UAC an.57 Allerdings wollte sie zunächst genaue Kenntnisse über den Umfang der Sklavenhaltung auf ihren Missionsplätzen in den karibischen Missionsgebieten erlangen und vor allem Auskunft über die möglichen Folgen einer Freigebung einholen. Aus diesem Grund verfasste Christian Gottlieb Hüffel im Auftrag der 53 Latrobe an Hüffel, 12. April 1831, in: Lampe, Mission or Submission, S. 210: „When the indefatigable research activity and zeal of the Antislavery partizans are taken into consideration and connected with them the jealousy of our missiony, work, prevailing among many of our fellow -christians of other denominations.“ 54 Latrobe an Hüffel, 12. April 1831, in: Lampe, Mission or Submission, S. 210f.; Hunte, Protestantism and Slavery, S. 108. 55 Ebd., S. 118. Die Ältestenkonferenz in Yorkshire sandte es zunächst an die Provincial Helpers Conference, die es dann an die UAC weiterleitete. Vgl. Lampe, Mission or Submission, S. 220f. 56 Latrobe an Hüffel, 12. April 1831, Lampe, Mission or Submission, S. 211f. 57 UA, UAC, 3. Mai 1831, S. 118.

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UAC ein Circulär und sandte es an Latrobe zur Übersetzung. Letzterer kommentierte das Schreiben an die Missionare in einem ausführlichen Antwortbrief. Latrobe erörterte insbesondere die verheerenden Folgen, die zu erwarten seien, sollten sich die Missionare im Missionsgebiet für eine Beibehaltung ihres Sklavenbesitzes entscheiden: „daß wenn wir unserer Seits bey dem bisherigen System, eigene Sclaven zu haben, beharren sollten, dadurch der Nachtheil für uns erwachsen möchte, daß wir nicht nach dem von uns ausgesprochenen Grundsatz unserer Kirche aus würden frey erhalten können von aller Hineinmengung in äussere politische Angelegenheiten; indem jetzt wo die Sclaven Emancipation zum Gegenstand öffentlicher Verhandlungen geworden ist unser bestehendes Verflochtenseyn als Parthey bey dieser Frage u. der Frage Auftreten gegen jede Anmuthung mit Berufung auf unsere Nicht Anteilnahme an politischen Dingen unthümlich machen muß, und wenn wir selbst zurückhalten wollten, dies uns von Feinden sowohl, als Freunden unserer Missions-Sache sofern diese für die Freilassung der Negersclaven sind als Eigennutz und Widerstreben gegen die Förderung der guten Sache ausgelegt werden würde.“58

Eindrücklich machte Latrobe den Mitgliedern der UAC deutlich, dass eine neutrale Position der Brüdergemeine in der Sklavenfrage gar nicht existierte, solange die Kirche im Besitz von Sklaven sei. Die Brüdergemeine konnte sich nicht in der Frage der Sklavenemanzipation neutral verhalten, weil wie Latrobe es formuliert, das „bestehend[e] Verflochtenseyn“, das durch den eigenen Sklavenbesitz bestand, dies verhinderte. In weiteren Punkten ergänzte Latrobe den Entwurf des Circulärs der UAC. So sprach er sich für ein grundsätzliches Verbot des Kaufs und Verkaufs von Sklaven in allen Missionsgebieten aus.59 Zudem argumentierte er, dass von Seiten der Pflanzer nur vorübergehend Widerstand gegen eine Freilassung der Missionssklaven zu erwarten sei. Sobald diese sehen würden, dass die Freilassung keine Auswirkungen auf die Missionsarbeit habe, werde ihr Protest nachlassen. In ihrem Beschluss folgte die UAC nur teilweise der Argumentation Latrobes. Sie beschloss ein Verbot des An- und Verkaufs von Sklaven, was die Freilassung derselben anging, wollte sie aber zunächst die Antworten der Missionare abwarten. Dabei räumte die Kirchenleitung ein, dass sich die Freilassung „aus dem moralischen Gesichtspunkt betrachtet durchaus empf[ehle].“60 Im August und September 1831 erhielten die Missionare in der Karibik das Circulär. Auf ihren Missionsplätzen in den britischen Kolonien besaß die Mission insgesamt nur eine geringe Anzahl an Sklaven. Es gab aber bedeutende Unterschiede zwischen den einzelnen Missionsstationen. Während die Missionare in Basseterre, St. Kitts nur sieben Sklaven besaßen, befanden sich im Besitz der Missionsstation Fairfield in Jamaika 29 Sklaven.61 Dies war allerdings die Aus58 UAC, 21. Juni 1831, S. 130. Vgl. Latrobe an Hüffel, 3. Juni 1831, in: Lampe, Mission or Submission, S. 203f. 59 Ebd. 60 Ebd. 61 PROD, T 71/259. Return of the Missionaries of the United Brethren in Basseterre, St. Christopher, George Robbins 7th January 1831. National Archives London, T 71/68. A Return of Slaves, in the Parish of Manchester in the Possession of the Rev. John Ellis, as Attorney of Christian Ignatius Latrobe, on the 28th day of June in the year of the Lord 1826.

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nahme. Es handelte sich in Fairfield größtenteils um die Sklaven der 1823 aufgegebenen Missionsstation Carmel. Auf dieser Station hatten Sklaven wie in Dänisch-Westindien zum wirtschaftlichen Bestehen der Mission beigetragen, was die größere Anzahl erklärt. Das Schreiben aus Berthelsdorf problematisierte nun erstmals den Besitz von Sklaven. Inwieweit dies bereits zu Konflikten mit anderen Missionsgesellschaften im Missionsgebiet selbst geführt hatte, ist anhand der Quellen nicht zu beantworten. Es ist aber anzunehmen, dass Methodisten und Baptisten in den Kolonien vom Sklavenbesitz der Brüdergemeine wussten.62 Eine Kritik daran wäre sicherlich in die Berichte der Missionare an die UAC aufgenommen worden. Das dieses Problem im Privaten diskutiert wurde, ist jedoch aufgrund des engen Kontaktes, den die Missionare verschiedener Denominationen untereinander pflegten, wahrscheinlich. Das Schreiben der UAC ließ keinen Zweifel daran, dass die Kirche unter dem Druck der Abolitionsbewegung agierte. So wurde darauf hingewiesen, dass man in nicht unerheblichem Maße von der finanziellen Unterstützung christlicher Kreise abhängig sei.63 Gemeint ist in diesem Zusammenhang vermutlich die 1817 gegründete London Society in Aid of Moravian Missions (LSAMM), deren Mitglieder, unter anderem auch Baptisten und Methodisten, durch Beiträge und Kollekten in Kirchengemeinden zur Finanzierung der Missionsarbeit erheblich beitrugen.64 Hinsichtlich der Sklavenemanzipation als gesellschaftliche Frage wurde aber wiederum darauf verwiesen, dass sich ein Verbot der Sklaverei nicht mit der Bibel begründen ließe.65 Damit berief sich die Kirchenleitung weiterhin auf den von Spangenberg in seinen Werk Von der Arbeit der evangelischen Brüder unter den Heiden formulierten Handlungsrahmen.66 Um die nötigen Informationen für eine Umsetzung der Sklavenbefreiung zur erhalten, enthielt das Circulär drei Fragen an die Missionare: „I Ob die Freigebung ihrer Sclaven ohne verantwortlichen Schaden für die Missions Haushaltung, besonders aber ohne Erzeugung des Unwillens der dortigen weißen Plantagenbesitzer und der Colonialbehörden zu bewirken seyn würde? II Wie hoch sich die Unkosten und andere mit der Freigebung verbundene Ausgaben belaufen, und worin die Verpflichtungen bestehen möchten, welche fürs künftige in Folge der Freigebung gesetzlich zu übernehmen wären?

62 So ließ sich etwa der Besitz von Sklaven auf der Missionsstation Basseterre auf St. Kitts, die sich in einer Stadt befand nicht verheimlichen. Zudem besuchten sich auch die Missionare verschiedener Gesellschaften häufig gegenseitig, so dass andere Missionsgesellschaften vom Sklavenbesitz der Brüdergemeine gewusst haben müssen. 63 Lampe, Mission or Submission, S. 205. 64 Ebd., S. 67. 65 UA, R 15 Ba 33 (2b), Circulär der UAC, vom 24. Juni 1831. Die bei Lampe, Mission or Submission, S. 204 angegebene Datierung ist falsch. Das Zirkulär wurde in der Sitzung am 11. Mai entworfen und dann Latrobe zur Übersetzung gesandt, erst nach der Sitzung vom 21. Juni wurde es verschickt. Der deutsche Originaltext mit handschriftlichen Korrekturen ist ebenfalls vorhanden (UA, R 15 Ba 33 (2a)). 66 Spangenberg, Von der Arbeit, S. 65.

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III Wie hoch sich die Anzahl der auf unseren Missionsplätzen befindlichen Sclaven beläuft? Mit Angabe ihres Alters, Geschlechts und was man für Gedanken wegen ihrer künftigen Stellung und Lage im Zustande der Freiheit habe?“67

Die Fragen bezogen sich auf die zentralen Diskussionspunkte innerhalb der UAC. Im Falle einer möglichen Freilassung sollten Prognosen für die Auswirkungen sowohl auf die ökonomische Grundlage der Mission selbst als auch auf die externen Faktoren, wie Pflanzer und Kolonialregierung, getroffen werden. Die Kosten einer Sklavenbefreiung spielten für die UAC und insbesondere für das Missionsdepartement eine zentrale Rolle. Aus diesem Grund war es wichtig, Informationen über die gesetzlichen Bedingungen in den Kolonien, die mit einer Freigebung verbunden waren, einzuholen. Daran schloss sich die letzte Frage an, mit der genaue Informationen über die Demographie des Sklavenbesitzes der Mission in Westindien erhoben werden sollten. Bevor die UAC weitere Maßnahmen traf, benötigte sie zunächst weitere Informationen. Die Rückmeldungen aus den Missionsgebieten erreichten Berthelsdorf schon in den nächsten Monaten. Im September 1831 erhielt die UAC Nachricht von Bennett Harvey von der Missionsstation in St. John’s auf Antigua. Dieser teilte mit, dass alle Mitglieder der Mission die Freilassung befürworteten und sich nur sechs Sklaven im Besitz der Station befänden, wovon drei Invaliden seien. Allerdings, so Harvey, sei bei der Freigebung eine Verwaltungsgebühr fällig, die je Sklaven acht Pfund betrage. Harveys trotzige Reaktion darauf war, dass das Missionsdepartement diese Kosten der Anti-Slavery Society in Rechnung stellen sollte.68 Insgesamt wurde zur Erleichterung der UAC deutlich, dass sich eine Freilassung in den britischen Kolonien ohne größere Probleme verwirklichen ließ. Die Umsetzung der Maßnahme zog sich aber bis zum April 1833 hin. Die infolge der Christmas Rebellion feindliche Stimmung von Pflanzern und Kolonialbehörden gegen Missionare verzögerte eine Freilassung. Aus Angst, ein falsches Zeichen zu geben, schob man die Sklavenbefreiung immer weiter hinaus.69 Dies war nicht nur in Jamaika selbst der Fall, auch aus dem weit entfernten Barbados kamen noch im September 1832 Nachrichten, ob nicht eine Freilassung aufgrund der „gereizten Stimmung unter den Pflanzern in Bezug auf die Christmas Rebellion“ hinauszuzögern sei.70 Der um die Jahreswende 1831/32 auf Jamaika ausgebrochene Sklavenaufstand und das damit verbundene erhebliche Blutvergießen beeinflussten die Sklavenemanzipation in den britischen Kolonien.71 Er wirkte aber auch auf das eigene Verhältnis zu den Herrnhuter Sklaven. Latrobe wies die UAC darauf hin, welche Gefahren der Sklavenbesitz in den weiteren Missionsgebieten mit sich brachte. Im Falle einer Rebellion in Dänisch-Westindien oder Surinam sei auch mit einer Beteiligung der eigenen Sklaven an einem Aufstand zu rechnen. Als Grund führte er die physisch und psychisch schlechte Behandlung der Sklaven an, 67 68 69 70 71

UA, UAC, 21. Juni 1831, S. 86. UA, UAC 8. September 1831, S. 156. Warner-Lewis, Archibald Monteath, S. 177. UAC, UA 15. September 1832, S. 306. Green, British Slave Emancipation, S. 112f.

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denn, so Latrobe „I fear that Carmel and Sharon (under Berg [gemeint ist der Missionar Christian Berg auf Barbados]) are not the only places, where harshness and inconsideration have been manifested towards our bondsmen.“72 Der Aufstand verdeutlichte aber nicht nur das Gewaltpotenzial des Sklavenwiderstandes, er verschärfte zudem die Debatte um die Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonien. Die UAC wies die Missionare an, dass die Freigebung der Sklaven nun zügig erfolgen müsse. In Barbados erhielten die acht Sklaven der Missionsstation Sharon am 8. April 1833 ihre Freiheit, nur wenige Monate bevor das britische Parlament das Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien verabschiedete.73 Teilweise wurden die ehemaligen Sklaven als Hausangestellte für die Mission weiterbeschäftigt, wie aus den Rückläufen eines Circulärs von Peter Latrobe, die er für die Generalsynode 1836 zusammenstellte, hervorgeht. In Antigua waren jene Sklaven, die ein Gewerbe erlernt hatten, schon bald von den Missionsplätzen fortgezogen, während die Alten und Kranken in der Versorgung der Mission blieben.74 Die Taktik der UAC, stillschweigend die Freilassung ihrer Sklaven in den britischen Kolonien voranzutreiben und sich einer öffentlichen Stellungnahme zu entziehen, ging nicht auf. Ein Sekretär der London Mission Society musste sein Amt aufgeben, weil bekannt wurde, dass er Geld in Zuckerplantagen investiert hatte.75 Gerade der Anbau von Zucker symbolisierte die ganze Unmenschlichkeit der Sklaverei und wurde deshalb von den Abolitionisten in der öffentlichen Debatte instrumentalisiert. In London sah sich Peter Latrobe nun auch erstmals öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt. Ein Mitglied des jüngeren und radikaleren Flügels der Anti-Slavery Society hatte eine Resolution eingebracht, „calling upon the Direction of the Bn. Mission, to take immediate steps for the abolition of slave-holding.“ Zwar scheiterte diese, aber die radikaleren Strömungen innerhalb der Abolitionsbewegung bedienten sich anderer Mittel.76 Der Baptist John Ivimey, der bis vor Kurzem noch zu den Förderern der LSAMM gehört hatte, veröffentlichte einen Artikel, in dem er den Sklavenbesitz der Mission erstmals einem breiten Publikum bekannt machte.77 Besonders brisant war dabei, dass er darin unter anderem Christian Ignatius Latrobe des Besitzes einer Zuckerplantage beschuldigte.78 Der Artikel erschien zuerst in der dissentistischen Zeitschrift Patriot, wurde aber bald durch einen erneuten Abdruck im Morning Chronicle, einer täglich in 72 Latrobe an Hüffel, 27 Februar 1832, in: Lampe, Mission or Submission, S. 217–219, hier S. 219. 73 UA, R 15 Ba 33 (9), Copy Deed of Manumission Mission Negroes Sharon Barbados 1833. 74 UA, R 2 B 52e, Beilagen zum Synodus 1836 VII. John Ellis an Peter Latrobe o.D. 75 Latrobe an Hüffel, 27 Februar 1832, in: Lampe, Mission or Submission, S. 217–219, hier S. 219. 76 Ebd. 77 Vgl. Lampe, Mission or Submission, S. 68. UA, UAC, 21. April 1832. Zur Mitgliedschaft Ivimeys in der London Society for Aid of the Moravian Missions vgl. The Third Report of the London Association in Aid of the Moravian Missions commonly called Moravians, London 1825, S. 32. 78 Ivimey, Joseph: Slavery, in: Morning Chronicle, 28. April 1832.

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London erscheinenden Zeitung mit einer Auflage von 7000 Exemplaren einem größeren Publikum bekannt. Ivimeys Artikel erhöhte den Druck auf Latrobe, denn nun forderten weitere Unterstützer der Mission der Brüdergemeine eine Erklärung von ihm, unter anderem der Schatzmeister der Hilfsgesellschaft William Leach. Aber auch der evangelikale Geistliche John Alexander aus Norwich, der unter diesen Umständen kein Geld zur Unterstützung der Mission sammeln wollte, schloss sich den Kritikern an.79 Latrobe war gezwungen, selbst aktiv zu werden. Er verfasste ein Schreiben, das an ausgewählte Mitglieder der Hilfsgesellschaft für die Mission der Brüdergemeine verschickt wurde und als Antwort auf Ivimeys Artikel am 3. Mai im Morning Chronicle erschien.80 Darin beantwortete er nach bestem Wissen die Fragen zur Sklavenhaltung der Missionare und die Einstellung der Brüdergemeine zur Sklavenemanzipation. Latrobe bestätigte die Tatsache, dass die Missionare Sklaven besaßen, doch handele es sich nur um eine geringe Zahl von Haussklaven und Maßnahmen für deren Freilassung würden vorbereitet. Zudem widersprach er der Unterstellung Ivimeys, dass die Mission Zuckeranbau betreibe. Unter den Mitgliedern der Kirche, so Latrobe, seien weder Verteidiger noch Apologeten der Sklaverei. Das grundlegende Problem einer einheitlichen Positionierung der Brüdergemeine sei die globale Struktur der Kirche und die unterschiedliche Bedeutung des Emanzipationsgedankens in den politischen Diskursen der verschiedenen Länder und Kolonien, in denen die Brüdergemeine Mitglieder und Missionsstationen hatte. Die Sklavenemanzipation, „however important, involves no fundamental principle of their (Herrnhuter Brüdergemeine) union“. Dies gelte insbesondere für Deutschland, Dänemark und die Niederlande.81 Um weiteren öffentlichen Angriffen vorzubeugen, unterrichtete er die AntiSlavery Society von seinem beabsichtigten Besuch in Berthelsdorf und den für Britisch Westindien eingeleiteten Maßnahmen der Brüdergemeine. Die Mitglieder der Anti-Slavery Society hatten zwar Verständnis für die Umstände, in denen die Mission in den Besitz der Sklaven gekommen war, drängten aber auf eine baldige Freilassung derselben.82 Latrobe wird sich zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sein, dass ein deutliches Zeichen der Kirchenleitung nötig war, um einen drohenden Imageschaden und finanzielle Verluste durch einbrechende Spendenbereitschaft abzuwenden. Die UAC war von Latrobes Vorgehen nicht überzeugt und warf ihm bei seinem Besuch in Berthelsdorf im Juli 1832 vor, das „eiserne Prinzip“83, sich nicht in politische Angelegenheiten einzumischen, durch sein eigenmächtiges Handeln verletzt zu haben.84 Latrobe war nach Deutschland gekommen, um sich über das weitere Vorgehen zu verständigen und v.a. um genaue Informationen über die Sklaverei in den dänisch-westindischen und surinamischen Missionen zu erhalten. 79 Latrobe an Hüffel, 13 März 1833, in: Lampe, Mission or Submission, S. 219f. 80 Latrobe, Peter: To the Editor of the Morning Chronicle, in: Morning Chronicle, 3. Mai 1832. 81 UA, R 15 A 21 (10), Dokumente betreffend die Sklavenemanzipation. Hervorhebungen im Original. 82 Anti-Slavery Society an Latrobe, 4. Juli 1832, in: Lampe, Mission or Submission, S. 206f. 83 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 83. 84 UA, UAC, 17. Juli 1832, S. 61.

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Zudem brachte er zum wiederholten Male die Anfrage der Helferkonferenz in Yorkshire vor, die eine ausführliche Erklärung von der UAC forderte.85 Deren Schreiben vom Vorjahr sowie die Bitte um eine Erklärung von Mitgliedern der schottischen Hilfsgesellschaft der Mission waren immer noch nicht beantwortet worden. Zur Frage der „moralische[n] Statthaftigkeit oder Unstatthaftigkeit des Sclavenhaltens“ wollte die UAC noch immer keine Stellung beziehen.86 Diese Frage sei, da sich darauf keine eindeutige Antwort in der Bibel finde, nur von der Synode zu beantworten. Zudem seien sowohl die Geschwister in Großbritannien in dieser Frage uneinig als auch die Gesellschaft als solches darüber zerstritten. Die größte Sorge der UAC war, dass eine eindeutige Erklärung, die die Befürworter der Sklavenemanzipation besänftigen würde, „unfehlbar die günstige Meinung der Pflanzer u. der Colonialbehörden, von unserer Missionsthätigkeit vernichten [müsse].“87 Ein Jahr bevor das britische Parlament das Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien verabschieden sollte und als die öffentliche Meinung in England sich infolge der Christmas Rebellion weitgehend für die Sklavenbefreiung ausgesprochen hatte, wollte die UAC immer noch keine Stellung zur Frage der Sklavenemanzipation beziehen. Die Befürchtung, man könne das gute Verhältnis mit Kolonialbehörden und Pflanzern aufs Spiel setzen, überwog. Selbst die Idee einer Erklärung zum eigenen Sklavenbesitz verwarf man, als die Proteste nach Latrobes Artikel im Morning Chronicle zurückgingen. Latrobe war sich bereits bewusst, dass das wirkliche Problem nicht mit der Freilassung der wenigen Sklaven in den britischen Kolonien gelöst war. Denn in Dänisch-Westindien und Surinam, so wusste auch Latrobe, besaß die Mission sehr viel mehr Sklaven. Er hoffte aber, dass die Abolitionisten so sehr mit der Umsetzung ihrer Ziele in den britischen Kolonien beschäftigt seien, dass sie den dänischen und niederländischen Kolonien keine Beachtung schenken würden. Die von einer erfolgreichen Sklavenemanzipation ausgehende Signalwirkung würde, so Latrobe, zu einer baldigen Abschaffung der Sklaverei in den übrigen Kolonien führen und auf diese Weise würden dann auch die eigenen Sklaven ihre Freiheit erhalten.88 Diese Hoffnung erfüllte sich allerdings nicht und es kam auf der folgenden Synode 1836 zu keiner Entscheidung der Kirche in der Sklavenfrage. Der einzige Beschluss auf den sich die Teilnehmer einigen konnten, war ein Verbot des An- und Verkaufs von Sklaven in Dänisch-Westindien und Surinam.

3.3. DAS LOKALE UND DAS GLOBALE – DÄNISCH-WESTINDIEN Der Hafen von Charlotte Amalie auf St. Thomas war einer der wichtigsten Tiefseehäfen in der Karibik. Bis auf 30 Meter Tiefe fällt der Küstengrund hier ab und bietet einen sicheren und strategisch günstigen Ankerplatz. Seit 1804 Freihafen, 85 86 87 88

Ebd., S. 58. Ebd., S. 60. Ebd. Latrobe an Wied, 6. August 1833, in: Lampe, Mission or Submission, S. 221f.

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wurde er zu einem bedeutenden Umschlagplatz im internationalen Warenhandel.89 Im 18. Jahrhundert waren noch in Charlotte Amalie der Sklavenhandel und Zwischenhandel mit Kaffee und Zucker die wichtigsten Handelsgüter gewesen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte es sich zu einem des größten Importhäfen in der nördlichen Karibik. 1839 gab es in Charlotte Amalie 39 größere Handelshäuser, die z.B. Lebensmittel, Eisenwaren und Textilien importierten. Die geographische Lage von St. Thomas machte den Hafen zu einem verkehrsgünstigen Ziel der europäischen und nordamerikanischen Schiffsverbindungen. Von 1816 bis 1916 legten jährlich zwischen 2000–5000 Schiffe in Charlotte Amalie an.90 In den 1840er Jahren hatte der Hafen mit dem zunehmenden transatlantischen Schiffsverkehr immer mehr an Bedeutung gewonnen.91 Viele Schiffsverbindungen von Europa nach Nordamerika liefen über St. Thomas, zudem diente die Insel als Knotenpunkt für weitere Ziele in der Karibik. Mit der beginnenden Dampfschifffahrt wurde der Hafen als Vorratsplatz für Kohle genutzt. Große Reedereien lagerten ihre Vorräte ein, um den immensen Bedarf decken zu können.92 Anya AnimAddo vermutet, dass Plätze, wie die Bekohlungsanlage für die Schiffe der Royal Mail Steam Paket Company (RMSPC) im Hafen von Charlotte Amalie, eine Art Bruchzonen der Sklavenemanzipation gebildet hätten: „literally [the vessels] circumnavigated emancipation by taking on fuel at pre-emancipation islands such as St. Thomas.“93 Seit 1838 war auf der nur wenige Kilometer entfernten britischen Insel Tortola die apprenticeship beendet und die Freiheit für die Sklaven auf St. John und St. Thomas in greifbare Nähe gerückt. Auch Jahre nach der Emanzipation in den britischen Kolonien griff die RMSPC in ihrer karibischen Zentrale auf St. Thomas noch auf Sklavenarbeit zurück. Der Versorgungspunkt auf St. Thomas wurde ein Ort, an dem sich Ungleichheit manifestierte, charakterisiert durch „legally inscribed bondage, as much as by the liberty to move“.94 Nachrichten in englischen Zeitschriften über die Abhängigkeit der RSMPC von Sklavenarbeit prägten die Diskussion über Sklaverei und Emanzipation zwischen Kolonie und Metropole. Sie führten der englischen Öffentlichkeit vor Augen, dass die Sklaverei nun zwar in den britischen Kolonien beendet war, aber noch lange nicht auf der ganzen Welt. Nachrichten wie diejenige, dass die RSMPC auf Sklavenarbeit zurückgriff, dienten im England der Postemanzipationszeit der Anti-

89 Hall, Neville A. T. (Higman, Barry W., Hrsg.): Slave Society in the Danish West Indies. St. Thomas, St. John and St. Croix, Baltimore 1992, S. 131. 90 Gøbel, Erik: Management of the Port of Saint Thomas, Danish West Indies, during the Nineteenth and Early Twentieth Centuries, in: The Northern Mariner (1997), S. 45–63. 91 Vogt, Anette Christine: Ein Hamburger Beitrag zur Entwicklung des Welthandels im 19. Jahrhundert. Die Kaufmannsreederei Wappäus im internationalen Handel Venezuelas und der dänischen sowie niederländischen Antillen, Stuttgart 2003, S. 67 u. 77. 92 Anim-Addo, Anya: „A wretched and Slave-like Mode of Labor“: Slavery, Emancipation, and the Royal Mail Steam Packet Company’s Coaling Stations, in: Historical Geography Volume 39 (2011): S. 65–84. 93 Ebd., S. 73. 94 Ebd., S. 74.

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Slavery Society als wesentliches Argument zur Ausweitung ihrer Ziele und mündeten schließlich in der Organisation der World Slavery Convention. Die Schiffe und Versorgungspunkte waren Kontaktzonen, die nicht nur der Mobilität von Gütern dienten. Internationale Häfen, wie der auf St. Thomas, waren für die Sklaven ein Ort, an dem ihnen eine Flucht aus der Sklaverei gelingen konnte. Die Mannschaften der Schiffe ließen sich nur schwer von den Hafenbehörden kontrollieren und aufgrund des steten Personalbedarfs gelang einigen Sklaven über die Zwischenstation als Hafenarbeiter die Flucht. Auch die Missionare der Brüdergemeine waren über den Hafen in Charlotte Amalie in einen globalen Kommunikationsprozess eingebunden. Die An- und Abreise von Missionaren und alle Nachrichten mit der Missionszentrale in Sachsen oder den Mitgliedern der Gemeinde in Nordamerika liefen über den Hafen. Es war allerdings kein einseitiger Austausch, gleichzeitig brachte der Hafen eine stetig steigende Zahl an Besuchern auf die Inseln und auf die Missionsstationen der Brüdergemeine. In zeitgenössischen Reiseberichten finden sich zahlreiche Nachrichten über Besuche bei den Missionaren. Diese Berichte, die auch den Sklavenbesitz der Missionare erwähnen, beeinflussten entscheidend die Freilassung der missionseigenen Sklaven in den dänischen Kolonien.

3.3.1. Dänisch-Westindien – Missionare und Sklaven Im Juli 1842 erreichte der baptistische Missionar William Knibb auf seiner Rückreise aus England nach Jamaika St. Thomas. Seinen Aufenthalt nutzte er, um eine Missionsstation der Brüdergemeine zu besuchen.95 Knibb war schockiert von den Lebensverhältnissen der Sklaven in den dänischen Kolonien, aber er war außer sich, als er sah, dass die Mission der Brüdergemeine im Besitz von Sklaven war. In einem Brief an Henry Sturge, der im September 1842 im Anti-Slavery Reporter erschien, berichtete Knibb: „with the most poignant grief I assure you that for the first time in my life, I found slaves associated with a mission establishment.“96 In Hinblick auf die Lebensumstände der Sklaven im Besitz der Mission schrieb er: „The huts in which the slaves belonging to the Moravian station, whom I saw live, are by no means better than those in which the slaves resided in Jamaica.“97 Knibb war nicht der Erste, der explizit auf den Besitz von Sklaven der Missionare in Dänisch-Westindien hingewiesen hatte, aber er war einer der bekanntesten baptistischen Missionare seiner Zeit und einflussreiches Mitglied der Anti-Slavery Society. Seine Aussage hatte Gewicht. Allerdings ist seine diese zumindest in dem Punkt er habe zum ersten Mal in seinem Leben Sklaven in Besitz von Missionaren gesehen unglaubwürdig. Es ist wohl vielmehr eine bewusste Übertreibung, um dem englischen Leser das Ungeheuerliche zu verdeutlichen. Schließlich befand sich Knibb seit den 1820er Jahren in der Karibik und ihm wird der Sklavenbesitz, 95 Hinton, James: Memoir of William Knibb. Missionary in Jamaika, London 1847, S. 445–448. 96 William Knibb an Henry Sturge, in: The Anti-Slavery Reporter, 7. September 1842, S. 143. 97 Ebd.

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den die Brüdergemeine in Jamaika gehabt hatte, nicht entgangen sein. Peter Latrobes Ahnung, dass das wirkliche Problem der Brüdergemeine der Besitz von Sklaven in den außerenglischen Kolonien sein werde, schien sich zu bestätigen. Die zunehmende globale Vernetzung des Schiffsverkehrs und die Unmengen von reisenden Missionaren verschiedenster Denominationen trugen zu einer Verbreitung der Vorwürfe bei. Bereits 1837 hatte sich der anglikanische Geistliche John Alexander aus Norwich zur Klärung einiger Fragen wiederholt an William Leach, den Sekretär der LSAMM, gewandt, weil die in New York erscheinende Zeitschrift Emancipator berichtete, dass die Missionare auf St. Thomas Sklavenhalter seien.98 Wenige Jahre darauf teilte der evangelikale Quäker Joseph Gurney in seinem Reisebericht A Winter in the West Indies seinen Lesern ebenfalls mit, dass die Herrnhuter Missionare Sklavenbesitzer seien und dies ihrem positiven Einfluss auf die Sklaven im Wege stehe.99 Auch in Dänemark selbst thematisierte die liberale Zeitschrift Fædrelandet [Vaterland] die Einstellung der Brüdergemeine zur Sklavenemanzipation. Dabei schrieb das Oppositionsblatt, dass die Missionare „um so eifrigere Gegner der Sklavenemanzipation seien, als sie selbst Sklaven bes[äßen].“100 Am deutlichsten in seiner Kritik war der französische Abolitionist Victor Schœlcher. Für sein umfangreiches Werk Les colonies étrangères dans l’Amérique et Hayti hatte er 1840 eine mehrmonatige Reise durch die britische, französische, spanische und dänische Karibik unternommen.101 Dabei untersuchte er die Auswirkungen der britischen Sklavenemanzipation auf die Kolonien. Im Dezember 1840 besuchte er St. Thomas und St. Croix. In seine Analyse bezog Schœlcher die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Sklaven, die von der Kolonialregierung vorgenommenen Reformen und die religiöse Unterweisung der Sklaven ein. Den Missionaren der Brüdergemeine brachte er aufgrund ihres Einsatzes für die Sklaven durchaus Sympathien entgegen, sie seien „Männer des Volkes“, die die Sklaven durch ihr gutes Beispiel Sittsamkeit und Arbeitsamkeit lehren würden. Allerdings stieß auch bei Schœlcher der Sklavenbesitz der Missionare auf Unverständnis. Ebenso wie William Knibb kritisierte er die schlechten Lebensbedingungen der missionseigenen Sklaven, „wenn man jemals eine Geschichte der Emanzipation in den Kolonien des modernen Europa verfasst“, so Schœlcher „so werden die Mährischen Brüder von St. Croix und St. Thomas keine Erwähnung darin finden.“102

98 UA, R 15 Ba 33 (12), Dokumente die Sklavenemanzipation betreffend. 99 Gurney, Joseph: A Winter in the West Indies. Described in familiar letters to Henry F. Clay, London 1840, S. 28. Ähnlich äußert sich auch ein Reisebericht in einer in New York erscheinenden Zeitschrift: UA R 15 Ba 33 (17), New York Observer 30. Juli 1842. 100 Fædrelandet 1841, Nr. 467. Zitiert nach Degn, Die Schmimmelmanns, S. 448. 101 Schœlcher, Les colonies étrangères, S. 3–34. Zur kritischen Beurteilung der Herrnhuter Mission durch Schœlcher vgl. Degn, Die Schimmelmanns, S. 448–450 u. Füllberg-Stolberg, Dänisch-Westindien, S. 58. 102 Schœlcher, Victor: Les colonies étrangères dans l’Amérique et Hayti, Bd. 2, Paris 1843, S. 25: „Si jamais on fait une histoire de l’émancipation des esclaves dans les colonies de

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Es waren allerdings nicht nur externe Kritiker, die den Sklavenbesitz der Mission anprangerten. Latrobe erhielt auch von Mitgliedern der Brüdergemeine, wie den Missionaren Jacob Zorn, Joseph Römer und Hermann Kochte, Anfragen sowie von „almost every other Brother, German or American who has had an opportunity of visiting our stations in those islands.“103 Auch sein Bruder Charles Joseph Latrobe, der sich im Auftrag der britischen Regierung in Westindien aufhielt, wandte sich an ihn. Die Vielzahl der Berichte, in denen der Sklavenbesitz der Brüdergemeine publik gemacht wurde, blieb nicht ohne Folgen. Zweifellos ist der Abdruck von William Knibbs Brief im Anti-Slavery Reporter, in dem er seine Hoffnung zum Ausdruck bringt, dass „the religious public will take up this matter“, als der Auslöser für die erneute Auseinandersetzung mit der Anti-Slavery Society anzusehen, die schließlich die Abschaffung der Sklaverei in der Mission in DänischWestindien beschleunigte.104 Bereits im April 1832 hatte Peter Latrobe in einem Schreiben an die UAC genaue Informationen über den Sklavenbesitz der Mission in Dänisch-Westindien gefordert. Gerade wegen der Nähe zu den methodistischen und baptistischen Missionen in Tortola, keine zwei Kilometer von der dänischen Karibikinsel St. John entfernt, sei es wichtig, dass er auf etwaige Vorwürfe entsprechend reagieren könne.105 Die Mitglieder der UAC hatten aber selbst nur geringe Kenntnisse über die Verhältnisse des Sklavenbesitzes in den Kolonien. Dies wird deutlich aus der Antwort auf Latrobes Frage, ob es denn Zuckerplantagen im Besitz der Mission gäbe. Die UAC erwiderte, dass „niemals von unseren Brüdern in DänischWestindien Zucker erbaut worden ist.“ Dies entsprach nicht der Wahrheit. Auf Drängen Latrobes wurden die Missionare in den dänischen Kolonien gefragt, inwieweit eine Befreiung der eigenen Sklaven möglich sei.106 Die UAC erarbeitete einen Fragenkatalog ähnlich dem, der an die Missionare in Britisch Westindien versandt worden war. Sie wollte mehr über die Lebensumstände der Sklaven erfahren, z.B. wie viele der Sklaven verheiratet waren oder wer von ihnen Mitglied der Brüdergemeine war. Zudem sollten insbesondere Informationen über die Arbeit und Bestrafung sowie die Einhaltung der Feiertage durch die Sklaven abgefragt werden. Dies alles waren Aspekte, die die UAC im Falle erneuter Angriffe gegen ihre Mission als Belege für die „Milde“ der Sklaverei, wie sie in ihrer Mission betrieben wurde, anführen wollte. Latrobe wies die UAC erneut darauf hin, der Helferkonferenz mitzuteilen, dass keine Sklaven mehr gekauft werden sollten.107 Im August 1832 erhielt der Ältestenrat eine erste Antwort der Helferkonferenz in Dänisch-Westindien. Die Missionare sprachen sich gegen den Vorschlag

103 104 105 106 107

l’Europe moderne; (…) on n’y inscrira pas les frères Moraves de Sainte-Croix et de SaintThomas.“ UA, R 15 Ba 33 (19), Memorandum von Peter Latrobe, 8. September 1840. William Knibb an Henry Sturge, in: The Anti-Slavery Reporter, 7. September 1842, S. 143. UA, UAC, 21. April, S. 91. UA, UAC, 10. Mai, S. 157. UA, UAC, 31. Juli 1832, S. 64f. Vgl. Lampe, Mission or Submission, S. 70.

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einer Freilassung ihrer Missionssklaven aus. Dies wäre nicht nur zum ökonomischen Nachteil der Mission, es würde auch den Unwillen der Pflanzer und das Misstrauen der Kolonialregierung erregen. Nicht ohne Grund, so die Meinung der Missionare, schließlich sei zu beachten, dass eine solche Maßnahme die „Aufregung der zum Freiheitsschwindel nur zu geneigten Negerbevölkerung“ erregen würde.108 Die Helferkonferenz befürchtete, dass sie unbeabsichtigt zum Vorbild für eine allgemeine Sklavenemanzipation werden und durch dieses Missverständnis eine Rebellion auslösen könnte. Die Befürchtungen der Missionare reflektieren die angespannte Lage zwischen Pflanzern, Sklaven und Missionaren in der Folge der Christmas Rebellion. Die UAC und das Missionsdepartement stimmten mit den Missionaren in Dänisch-Westindien überein. Weitere Versuche zur Freilassung der Missionssklaven wurden in den nächsten Jahren nicht unternommen. Allerdings hatte die britische Sklavenemanzipation indirekte Auswirkungen auf die Verhältnisse in den dänischen Kolonien. Seit dem Ende der apprenticeship in Tortola 1838 stiegen die Zahlen der Sklaven, die versuchten, von St. John zu fliehen.109 Des Weiteren beeinflusste sie die Verabschiedung einer Reihe von Gesetzen in den 1830er Jahren, die die Sklaverei reformieren sollten. Für die Brüdergemeine war dabei die Einführung eines Systems von Landschulen wichtig, da sie mit der Betreuung derselben beauftragt wurden. Als Johann Breutel, Mitglied der UAC, die Mission in Dänisch-Westindien im Rahmen einer Visitation im August 1840 besuchte, war die Anzahl der missionseigenen Sklaven durch die positive demographische Entwicklung weiter gestiegen. Statt 182 Sklaven waren die Missionare nun im Besitz von 198.110 Obwohl der Hauptgrund für Breutels Besuch die Inspektion der Landschulen für die Sklaven auf St. Croix war, so versuchte er doch, auch mit dem dänischen Generalgouverneur Peter von Scholten über die Sklavenbefreiung zu verhandeln. Bei einem Treffen wies dieser die Anfrage Breutels hinsichtlich einer sofortigen Freilassung der Sklaven jedoch zurück.111 Er befürchtete, dass eine kurzfristige Emanzipation aller Sklaven im Besitz der Missionare für Unruhe bei Sklaven und Pflanzern sorgen würde. Allerdings gab es innerhalb der Kolonialgesetze keine Begrenzung, wie viele Sklaven ein Eigentümer freilassen durfte.112 Die gesetzli108 UA, UAC, 23. August 1832, S. 223f. 109 Hall, Neville A. T.: Maritime Maroons: Grand Marronage from the Danish West Indies, in: Beckles, Hilary/ Shepherd, Verene (Hrsg.), Caribbean Slave Society and Economy. A Student Reader, Kingston 1991, S. 387–400, S. 392f. 110 UA, UMD II 5a (1840). 111 Tatsächlich scheint es, als habe von Scholten zunächst einer allgemeinen Freigebung der Missionssklaven zugestimmt, dies aber kurz darauf widerrufen. Vgl. UA, UAC, 20. September 1842, S. 265 „Indem die von General Gouverneur von Scholten unseren Brüdern zugestandene, aber gewissermaßen wieder zurückgenommene Erlaubnis unsere Sclaven frey zu sprechen auf die ausdrückliche Bedingung gestellt war, daß sie mehrere Jahre lang an die Mission gebunden bleiben sollten.“ 112 Anordning hvorved Frie-Negerne paa de danske Americanske Eilande forsikres deres friheds Stand, samt adskillige ved Negernes Frigivelse sammesteds i Svang gaaende Misbrug hemnes, Fredensborg Slot, den 10de October 1776, in: Lawaetz, Eva: Free Coloured in St. Croix 1744–1816. The History, Statistics and selected Information Concerning the Free Col-

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chen Bestimmungen regelten vielmehr die Ausweispflichten der Emanzipierten und die Publikationspflicht des Freizulassenden. Zudem ist fraglich, wie groß die Auswirkungen einer Freilassung von 198 Sklaven, verteilt auf sieben Missionsplätze und drei Inseln, tatsächlich gewesen wäre. Die Weigerung von Scholtens entspringt somit eher seiner persönlichen Ablehnung gegen einen Vorgang, mit dem er das Missfallen der Plantokratie auf sich ziehen und seine eigene Popularität in diesen Kreisen gefährden könnte. Aber auch die Mitglieder der Helferkonferenz wollten die Emanzipation der Sklaven nicht gegen den Willen der Kolonialregierung vorantreiben.113 Auf seiner Rückreise nutzte Breutel die Gelegenheit, das Thema bei einer Audienz mit dem dänischen König anzusprechen, doch auch dieser verweigerte die sofortige Freigebung aller Missionssklaven.114 Zurück in Berthelsdorf wandte sich Breutel noch einmal in einem offiziellen Schreiben der UAC an den Gouverneur. Darin schlug er eine schrittweise Freigebung der Sklaven vor. Gleichzeitig erkundigte er sich, mit welchen Bedingungen die Missionare die Freilassung ihrer Sklaven verknüpfen könnten, z.B. ob die Fürsorge für Alte und Invaliden sowie für Kinder nicht deren Angehörigen auferlegt werden könne. Von Scholten erwiderte, dass gemäß der Kolonialgesetzgebung kein Sklave freizulassen sei, der nicht in der Lage sei, sich selbst zu versorgen.115 Gegen eine Freigebung einzelner Sklaven sei nichts einzuwenden, würden diese aber der öffentlichen Fürsorge zur Last fallen, so würde die Brüdergemeine dafür aufkommen müssen.116 Zudem fielen Verwaltungskosten für das Ausstellen des Freibriefs an und die Freigebung musste zwei Monate im Voraus bekannt gemacht werden, damit etwaige Gläubiger ihre Ansprüche geltend machen konnten.117 Die letzte Bedingung erließ von Scholten den Missionaren vermutlich, um keine öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Auf diese Bedingungen ging die Brüdergemeine ein. Es wurde ein Preis für jeden Sklaven angesetzt, den dieser abzuarbeiten hatte. Die Erlöse sollten auf ein spezielles Konto fließen, das die finanzielle Unterstützung für jene Sklaven bereitstellen sollte, die nicht dazu in der Lage waren sich freizukaufen.118 Somit begann die Mission in Dänisch-Westindien 1841, sukzessive ihren Sklavenbesitz zu verringern. Das mit Peter von Scholten vereinbarte Prozedere hätte allerdings mehrere Jahre gedauert.

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oured in the Danish West Indies, with Special Reference to St. Croix, from 1744–1816, Christiansted, St. Croix 1979, S. 19–21. UA, R 15 Ba 33 (32), Church and House Ordinances for the Danish West Indian Mission 1841, in: Lampe, Mission or Submission, S. 227: „We are well aware that the holding of slaves exposes us to the prejudice of the friends of emancipation. Besides this (…) we must be silent. At the same time nothing should be neglected on our part to seek for ways and means in order to remove as much as possible the cause of prejudice without however interfering in the least with the design of government.“ UA, UAC, 18. März 1841, S. 274. UA, R 15 Ba 33 (26), Resolution von Scholten an Breutel, 19. Mai 1841. Degn, Die Schimmelmanns, S. 460. Vgl. zur Kolonialgesetzgebung Hall, Slave Societies, S. 183f. Hall, Slave Societies, S. 146. Degn, Die Schimmelmanns, S. 460.

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Das Thema wurde aber bereits 1842 zum wiederholten Mal in der Helferkonferenz diskutiert. Die Konferenzen der Missionsstationen in Friedensberg und Friedensfeld auf St. Croix sprachen sich für eine sofortige Freilassung der Missionssklaven aus. Allerdings nicht im Sinne einer Abschaffung der Sklaverei in der Mission, sondern um sich „aller Erwachsenen zu entledigen […] und ein Neues mit der jüngeren Generation an[zu]fange[n].“119 Die Idealvorstellung einer Symbiose aus Glaubens- und Arbeitsgemeinschaft, in der versklavte und freie Brüder miteinander lebten, hatte sich nicht verwirklichen lassen können. Davon war die Realität weit entfernt, wie die Antwort von Johann Ernst Mentzel an die UAC verdeutlicht: Sie [die Sklaven] für die Arbeitsamkeit zu gewinnen, sei es jetzt zu spät, nachdem es früher damit verfahren worden sei, sie thäten nur soviel, als ihnen beliebe, und die Aufsätzigen welche vormals nach der Einsicht der Missionare bestraft werden konnten, müsste nun die vom Gesetz zu erkennende Strafe treffen.120

Die Aussage macht deutlich, dass Schœlchers kritische Bewertung der Zustände recht treffend gewesen zu sein scheint.121 Insbesondere das Bedauern Mentzels, dass die Reformgesetze der Bestrafung der Sklaven Grenzen setzen, kann nur als zutiefst reaktionäre, anti-abolitionistische Haltung verstanden werden und verdeutlicht, wie stark die Positionen einzelner Mitglieder der Brüdergemeine zur Sklavenemanzipation variierten. In einem Circulär an die Mission in DänischWestindien informierte Breutel die Missionare darüber, dass eine unmittelbare Abschaffung des Sklavenbesitzes nicht möglich sei, und selbst wenn dieses Ziel erreicht sei, würde „ein großer Theil unserer Neger, Alte, Schwache, Kinder noch in unserer Versorgung bleiben müssen.“122 Das Ziel, vom Sklavenbesitz loszukommen, dürfe nicht aus den Augen gelassen werden. Um dieses zu erreichen, forderte Breutel die Missionare auf, insbesondere junge Negerinnen freizulassen.123 Diese Forderung war jedoch nicht selbstlosen Motiven geschuldet. Die Bevorzugung von Sklavinnen sollte eine mögliche natürliche Reproduktion des Sklavenbesitzes unterbinden und die Mission in Dänisch-Westindien finanziell entlasten.124 In Fällen, in denen die Versorgung der Kinder nicht von den Müttern geleistet werden konnte, sollten sich die Missionare dafür einsetzen, diese in den missionseigenen Betrieben auszubilden, so dass sie in der Lage wären, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Viele Sklaven sahen jedoch keine Vorteile darin, sich freizukaufen und die Missionsplätze zu verlassen. Zum Einen waren gerade für ungelernte Sklaven die Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des Plantagensektors gering, zum Anderen bestand so gut wie keine Möglichkeit zum Er119 120 121 122

UA, UAC, 20. September 1842, S. 264f. UA, UAC, 20. September 1842, S. 265. Degn, Die Schimmelmanns, S. 458. MAB, EWI, 1 C 21, Circulär der Unitäts Ältestenkonferenz an die Helferkonferenz in Dänisch-Westindien vom 26. Oktober 1842. 123 Ebd. 124 Ebd., „Wir wollen versuchen den Zuwachs dadurch abzuschneiden, daß wir junge Negerinnen zur Freiheit verhelfen, u. sie u. ihre Kinder aus unserer Versorgung bringen.“

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werb von Land für ehemalige Sklaven.125 Abgesehen von der finanziellen Belastung war der Freikauf für die Sklaven der Brüdergemeine in vielen Fällen mit der Ausweisung derselben von der Missionsstation verbunden und unterband somit deren Verbindung zum Verwandtschafts- und Gemeinschaftsgefüge der Sklavengemeinschaft sowie den Zugang zu den provision grounds.126 Während die Mission das Auseinanderbrechen von Familien durch den Weiterverkauf einzelner Familienmitglieder zutiefst verurteilte, nahm sie es bei ihren eigenen Sklaven bewusst in Kauf.

3.3.2. London – Peter Latrobe Am 7. September 1842 erschien William Knibbs Brief im Anti-Slavery Reporter, und der Sklavenbesitz der Brüdergemeine wurde wieder Gegenstand der öffentlichen Diskussion in England. Im November berichtete Peter Latrobe auf einem Treffen der SFG, dass „some particular attack [had been] made upon our mission in the Danish Islands by Mr. Knibb, the well known Baptist Missionary.”127 Latrobe informierte die UAC und drängte darauf, direkt Maßnahmen zur Sklavenbefreiung einzuleiten, denn „so lange die gegenwärtigen Verhältnisse od. vielmehr Missverhältnisse in Dän. Westindien und Surinam existieren, könne an keinen dauernden Frieden mit unseren Gegnern gedacht werden.“128 William Knibbs Brief war nicht der erste Bericht dieser Art in einer britischen Zeitung. Wie bereits weiter oben dargestellt, war das Wissen um den Sklavenbesitz der Brüdergemeine in den außerenglischen Kolonialgebieten weit verbreitet. Auch nach dem Ende der Sklaverei in der britischen Karibik hatte Latrobe immer wieder einzelnen Vorwürfen begegnen müssen. Im November 1837 hatte sich John Alexander aus Norwich zum wiederholten Male an William Leach, den Vorsitzenden der LSAMM, gewandt mit der Bitte um eine Stellungnahme zu den von methodistischen Missionaren in Tortola und Antigua verbreiteten Nachrichten, dass die Brüdergemeine im Besitz von Sklaven sei.129 Latrobe bedauerte gegenüber den Kritikern den Besitz von Sklaven, verwies jedoch auf die Probleme, welche die niederländische und dänische Kolonialregierung einer Freilassung entgegenstellen würden. Er versicherte immer wieder, dass die Brüdergemeine trotz der schwierigen Lage bereits Maßnahmen unternommen habe, die die Befreiung vorbereiten würden. Zudem würden die Sklaven in den Finanzstatistiken der Mission nicht mehr als zinsbringendes Kapital geführt, und im Falle einer vollständigen Sklavenemanzipation in den Missionsgebieten wolle man, wie in Britisch Westindien, keine Kompensation für den Verlust der eigenen Sklaven verlangen.130 125 126 127 128 129

Vgl. Hall, Slave Society, 1992, S. 22. Vgl. Turner, Slaves and Missionaries, S. 64; Degn, Die Schimmelmanns, S. 462. MCHL, SFG Meetings, 21. November 1842. UA, UAC, 7. Januar 1843, S. 16. UA, R 15 Ba 33 (12), Kopie eines Briefs von John Alexander an Peter Latrobe, 16. November 1837. 130 UA, R 15 Ba 33 (13), Peter Latrobe an John Alexander, 16. November 1837.

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Latrobes Vorgehen war erfolgreich und es gelang ihm, zwischen 1832 und 1842 größeres Aufsehen zu verhindern. Die finanzielle Unterstützung der Mission durch evangelikale Kreise litt nicht unter den immer wieder auftauchenden Vorwürfen. Die Situation änderte sich jedoch ab 1839. Bisher war das Ziel der AntiSlavery Society die Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonialgebieten gewesen. Dieses meinte man mit dem vorzeitigen Ende der apprenticeship 1838 erreicht zu haben. Bei ihrer Neugründung 1839 gab sich die Gesellschaft nun das Ziel, sich für die globale Abschaffung der Sklaverei einzusetzen. Auf der in London 1840 stattfindenden ersten World Slavery Convention, bei der sich erstmals Abolitionisten aus den Amerikas und Europa trafen, wurde eine Resolution „On the Essential Sinfulness of Slavery“ verabschiedet. In Punkt vier griff die Resolution die Autonomie einzelner Kirchen in der Sklavenfrage an: „4. That this Convention, while it disclaims the intention or desire of dictating to Christian communities, the terms of their fellowship, respectfully submits, that it is their incumbent duty to separate from their communion, all those persons, after they have been faithfully warned, in the spirit of the gospel, continue in the sin of enslaving their fellow-creatures, or holding them in slavery.”131

Der Beschluss richtete sich nicht namentlich gegen die Brüdergemeine, allerdings ist deutlich, welche Folgen er für diese haben würde. Kirchen, die selbst Sklaven hielten oder ihren Mitgliedern dies gestatteten, wurden als „bulworks of slavery“ angesehen.132 Auf der Konferenz war in diesem Zusammenhang über die Positionierung des Urchristentums in der Sklavenfrage diskutiert worden. Denn unter den Mitgliedern der ersten christlichen Gemeinden hatte es auch Sklavenbesitzer gegeben, und dieser Umstand wurde immer noch, v.a. in Nordamerika, zur Rechtfertigung des Sklavenbesitzes angeführt. Der Großteil der Delegierten vertrat im Gegensatz dazu die Meinung, dass die Sklaverei im frühen Christentum und Paulus’ Aussagen darüber in ihrem historischen Kontext zu sehen seien und nicht als Rechtfertigung für die moderne Sklaverei angeführt werden könnten.133 Das entzog auch der in diesen Punkten auf das Neue Testament zurückgreifenden Brüdergemeine die argumentative Grundlage. Die Resolution „On the sinfulnes of Slavery“ wurde als gedrucktes Pamphlet an alle Kirchen geschickt und wird somit auch der Brüdergemeine zugänglich gewesen sein. Die Beschlüsse der Konferenz boten die nötige Brisanz für eine grundlegende Verschärfung des Konfliktes zwischen der Herrnhuter Brüdergemeine und der Anti-Slavery Society. Die von Latrobe erhoffte Zentrifugalkraft der britischen Sklavenemanzipation war nicht eingetreten. Durch das langwierige Zögern der UAC war die Situation nun gefährlicher. Denn der Verstoß gegen einen Beschluss der Anti-Slavery Society würde wirtschaftliche Einbußen zur Folge haben. Nicht nur aufgrund des einbrechenden 131 Proceedings of the general Anti-Slavery Convention. Called by the Committee of the British and Foreign Anti-Slavery Society, London 1841, S. 301. Ein erster Entwurf der Resolution wird auf S. 267f. vorgestellt. 132 Ebd., S. 589. 133 Ebd., S. 56–76.

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Spendenaufkommens der LSAMM, das nur einen geringen Anteil an den Gesamteinnahmen ausmachte,134 sondern auch wegen des in der Folge zu erwartenden Rückganges der außerordentlichen Geschenke und Vermächtnisse. Die englische Provinz brachte durch die Einwerbung von Spenden einen Großteil des jährlichen Etats für die Missionsarbeit auf, wie eine von Johann Roederer für die Synode 1848 angefertigte Gesamtübersicht der Einnahmen und Ausgaben der Missionsdiakonie zeigt.135 Im ausgewerteten Zeitraum von 1836 bis 1847 wurde in der englischen Provinz durch Gemeinbeiträge, Spenden und Vermächtnisse der größte Anteil am Gesamtaufkommen aufgebracht. Dabei ist der Anteil der englischen Provinz meist doppelt so hoch wie der der festländischen Provinz. Die Auswertung stützt die Vermutung, dass in erster Linie die Sorge um ökonomische Einbußen ein Motiv für das Handeln der UAC war. Die Politik der UAC zielte darauf ab, einen öffentlichen Konflikt zwischen Abolitionisten und der Brüdergemeine zu verhindern.136 Obwohl durch die World Slavery Convention die Grundlage für einen Ausschluss der Brüdergemeine von der überkonfessionellen finanziellen Unterstützung geschaffen war und sich mit William Knibb ein prominenter Ankläger der Sache annahm, dauerte es bis zum Mai 1843, bis Peter Latrobe ein offizielles Schreiben der Anti-Slavery Society erhielt. Dies lag zum einen daran, dass Latrobe eine weitere Verbreitung des Artikels hatte erfolgreich verhindern können, zum anderen an der Uneinigkeit der Anti-Slavery Society selbst.137 Ebenso wenig wie in der Brüdergemeine eine einheitliche Position zur Sklavenemanzipation existierte, so heterogen waren die Positionen über ein weiteres Vorgehen gegen letztere in der Anti-Slavery Society. Dies hatte sich bereits 1832 gezeigt. Die einzigen die Brüdergemeine öffentlich anklagenden Personen, kamen aus den Reihen der Baptisten. Andere Denominationen verlangten zwar Informationen von Latrobe, sahen jedoch von einer öffentlichen Bloßstellung ab. Ein Antrag, eine Resolution in Bezug auf den Sklavenbesitz der Mission zu verabschieden, war damals gescheitert. Die Unterteilung der Antisklavereibewegung in progressive und reaktionäre Kräfte war für Latrobe von Vorteil gewesen. So hatte sich der presbyterianische Geistliche John Alexander für eine Unterdrückung der Vorwürfe gegen die Brüdergemeine eingesetzt. Nach einer nun aber für alle in der Anti-Slavery Society vertretenen Konfessionen verbindlichen Definition ließen sich offizielle Schritte derselben nicht vermeiden. Anfang Mai 1843 erhielt Latrobe ein Schreiben vom Sekretär der Anti-Slavery Society John Scoble.138 Es enthielt sowohl die auf der 134 Turner, Slaves and Missionaries, S. 96 (Anm. 15), Turner gibt die jährlichen Einnahmen mit ca. 8000 £ an. Diese Zahl bezieht sich aber auf die durchschnittlichen Gesamteinnahmen der Missionsdiakonie. Der Anteil der Society for Aid of the Moravian Mission war deutlich geringer. So erzielte sie in ihrem Gründungsjahr 1818–1819 1287 £ wovon 1155 £ an die SFG zur Unterstützung der Missionsarbeit überwiesen wurden. 135 UA, R 15 A (6), Bericht der Missions Diaconie an die Synode 1848. 136 Temperley, British Antislavery, S. 190f 137 UA, UAC 18. März 1843, S. 273f. 138 MCHL, SFG 29. Mai 1843. Das Schreiben wurde von Scoble an Latrobe geschickt und nicht direkt an die UAC, wie Lampe, Mission or Submission, S. 69 annimmt.

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Anti-Slavery Convention 1840 verabschiedete Resolution als auch einen auf dem Treffen der Gesellschaft am 28. April verfassten Beschluss in Bezug auf die Brüdergemeine. Die Mitglieder der Anti-Slavery Society wiesen die Brüdergemeine nachdrücklich auf die Unrechtmäßigkeit der Sklaverei und deren Unvereinbarkeit mit der Bibel hin. Des Weiteren verlangten sie die „immediate and unrestricted liberation of the slaves pertaining to their establishments.“139 Latrobe ging in seiner Antwort auf den Sachverhalt selbst nicht ein, versicherte aber, dass die Brüdergemeine sehr unzufrieden über diesen Umstand sei und alles versuchen würde, um vom Besitz der Sklaven loszukommen.140 Das von Scoble erhaltene Schreiben leitete er nach Berthelsdorf weiter, mehr konnte er in seiner Position als Sekretär der SFG und Secretarius Unitatis Fratrum in England nicht tun. Im Juni besuchte Latrobe die zweite in London stattfindende Anti-Slavery Convention, wo er eigenen Aussagen zufolge freundlich empfangen wurde.141 Am 17. Juni wurde von George William Alexander, der über die Sklaverei in Dänisch-Westindien und über die Chancen für eine Sklavenemanzipation in den dänischen Kolonien berichtet hatte, auch der Sklavenbesitz der Brüdergemeine zum Gegenstand der Versammlung gemacht.142 Er informierte die Delegierten über die bereits von der Anti-Slavery Society unternommenen Maßnahmen und das diese überzeugt sei, eine Freilassung der missionseigenen Sklaven werde den Emanzipationsprozess positiv beeinflussen. In den bisherigen Gesprächen hätten die Vertreter der Brüdergemeine erläutert, wie wichtig ein gutes Verhältnis zu Pflanzern und der Kolonialregierung für ihre Missionsarbeit sei und das sie dieses nicht durch eine Freigebung ihrer Sklaven gefährden wollten.143 Des Weiteren hätten sie ausgeführt, dass „although slavery might be a great evil, it was not, under all circumstances a crime.“ Damit meinten die Vertreter der Brüdergemeine die ihrer Meinung nach guten Lebensbedingungen der eigenen Sklaven. Einer solchen Argumentation konnte sich die Anti-Slavery Society nicht anschließen. Sie erinnerte nochmals daran, dass Sklaverei generell als Verbrechen betrachtet werde und als unvereinbar mit dem Christentum. Als Lösungsvorschlag bot Alexander der Brüdergemeine an, dass die Anti-Slavery Society ihnen die Sklaven abkaufen würde, um sie nach Tortola zu bringen, wo sie als freie Menschen leben könnten. In ähnlicher Weise wandten sich 1841 Mitglieder der Basler Mission an die Ältestenkonferenz in Berthelsdorf, um vorzuschlagen, einige der Sklaven der Brüderge-

139 Scoble an Latrobe, 17. Mai 1843, in: Lampe, Mission or Submission, S. 69. 140 Latrobe an Scoble, Mai 1843, in: Lampe, Mission or Submission, S. 70. MCHL, SFG 29. Mai 1843. 141 MCHL, SFG, 26. Juni 1843. Latrobe wird von Alexander als „highly respected person“ bezeichnet. Vgl. Proceedings 1843, S. 200. 142 Proceedings 1843, S. 199–204. 143 Proceedings 1843, S. 200. Auch wenn nicht explizit Peter Latrobe und William Mallalieu als Quelle erwähnt werden, so ist doch anzunehmen, dass sich Alexander auf die Kommunikation mit ihnen bezieht.

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meine als Kolonisten nach Westafrika zu schicken.144 Die Delegierten wiesen Alexander zum Abschluss seiner Rede darauf hin, dass die Mission der Brüdergemeine von interkonfessioneller finanzieller Unterstützung abhängig sei und stellte zur Disposition, ob diese nicht in Folge des andauernden Verstoßes gegen die Beschlüsse der Anti-Slavery Convention von 1840 eingestellt werden solle.145 In der sich anschließenden Diskussion sprach sich unter anderem Joseph Sturge, der schon bei früheren Vorwürfen seine Unterstützung der Herrnhuter Missionsschulen eingestellt hatte, für ein Ende der Finanzhilfen aus, wenn die Mission bei ihrem Sklavenbesitz bliebe.146 Ein Beschluss, der die weitere finanzielle Unterstützung unterband, konnte nur durch die Fürsprache John Scobles verhindert werden. Dieser bat darum, der Brüdergemeine noch Zeit für eine Antwort zu geben, mit der Begründung, dass Latrobe in seinem Antwortschreiben bereits deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass die Mission im Sinne der Anti-Slavery Convention handeln wolle.147 Es war Latrobe für diesen Moment noch einmal gelungen, die drohende Katastrophe von der Brüdergemeine abzuwenden. Nur wenige Wochen nach seinem Besuch der Anti-Slavery Convention nutzte Latrobe die Gelegenheit bei einem Treffen mit dem dänischen Generalgouverneur Peter von Scholten, das Thema der Freilassung der Missionssklaven erneut zu verhandeln. Letzterer wurde nun während seines Aufenthalts in London von Latrobe aufgefordert, den Missionaren die Möglichkeit einer beschleunigten Befreiung der Missionssklaven einzuräumen. Dabei hatte der Gouverneur zunächst jede Möglichkeit, die Freilassung der Sklaven voranzutreiben, abgewiesen, weil er sonst in den Verdacht käme „a partisan of the Anti-Slavery Party in Denmark“ zu sein.148 Von Scholten drohte sogar dem Vertreter der Brüdergemeine mit der Ausweisung der Missionare aus der Kolonie für den Fall, dass sie eine kurzfristige Freilassung ihrer Sklaven in die Tat umsetzen würden.149 Es gelang Latrobe aller144 UA, UAC, 5 October 1841, S. 11f.: „In wie fern man hoffen könne, aus der bedeutenden Zahl unserer eigenen Neger in Dän. Westindien, welche unsere Mission zur Last sind, einige Colonisten für Afrika abzugeben?“ 145 Ebd., S. 201. Alexander weist die Delegierten darauf hin, dass die Brüdergemeine auf eine mögliche Kompensation für ihren Sklavenbesitz in den dänischen und niederländischen Kolonien verzichten würde. Sie hätte allerdings eine Kompensation für ihre Sklaven in den britischen Kolonien erhalten. Das ist nicht korrekt und wurde später von Alexander öffentlich korrigiert. Vgl. Mr. G. W. Alexander and the Moravian Missionaries, in: The British and Foreign Anti-Slavery Reporter, 5. März 1844, S. 37. Da die Freilassung der eigenen Sklaven vor dem 1. August 1834 abgeschlossen war, konnte auch de iure keine Entschädigung verlangt werden. 146 Ebd., S. 202. 147 Ebd., S. 204 „I may however, state that a letter transmitted to the committee of the AntiSlavery Society was not only couched in a Christian spirit, but as it appeared, in a spirit accordant with the feelings of this Convention.“ 148 UA. R 15 Ba 33 (24), Memorandum of Interview between Governor General v. Scholten and the Brethren Latrobe and Mallalieu in London, June 14 1843. Kopien des Memorandums hatte Latrobe sowohl an die Mitglieder der Helferkonferenz in Dänisch-Westindien, als auch an die UAC geschickt. 149 Ebd., „If we really insisted on exercising this right, much as he valued our Brn. and their services, and reluctant as he should be to have recourse such an extreme procedure, he should

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dings, deutlich zu machen, dass die Abschaffung der Sklaverei in der Mission für alle Seiten Vorteile bringen würde, da die Brüdergemeine sich keinen Anfeindungen mehr ausgesetzt sähe und sich deswegen ganz auf die Missionsarbeit konzentrieren könne.150 Zudem, so Latrobe, sei nicht nachvollziehbar, warum der Brüdergemeine das allgemein übliche Recht einer freiwilligen Freigebung ihrer Sklaven verweigert würde.151 Auch wenn von Scholten sich wiederholt gegen die Freilassung einer größeren Anzahl von Sklaven aussprach, so meinte Latrobe doch, dass dieser „would not be in dispose to further the wishes of our Brethren in those islands.“152 Einen Bericht über seine Verhandlungen sandte Latrobe an das Missionsdepartement und Georg Wilhelm Häuser, den Superintendenten der Mission in Dänisch-Westindien.153

3.3.3. Berthelsdorf – Die Ältestenkonferenz Erst im Januar 1843 beschäftigte sich die UAC mit dem Brief Peter Latrobes, der bereits im November des Vorjahres eingegangenen war, in welchem dieser die Kirchenleitung über die öffentlichen Angriffe wegen des Sklavenbesitzes informierte.154 Die Aufforderung Latrobes, sofort weitere Maßnahmen einzuleiten, teilte man nicht: „es muß mit Geduld abgewartet werden, wie die Umstände sich fügen.“155 Im März widmete sich die Leitung der Brüdergemeine erneut dem Thema. Mittlerweile waren neue Nachrichten aus London eingetroffen und Latrobe bat die UAC darum, eine deutliche Stellungnahme zu den Vorwürfen zu geben, da bereits vom Sekretär der LSAMM „förmliche Schritte“ gefordert würden. Diese Erklärung wollte die Ältestenkonferenz nicht geben, und sie kritisierte auf das Deutlichste die Forderung Latrobes: „Die UAC mußte sich mit Bedauern davon überzeugen, daß Br. Latrobe, (…) mit einer so entschieden einseitigen Auffassung – die nur aus seiner dortigen Stellung sich erklären lässt – auf Durchführung von Maasregeln besteht, wozu die rechte Zeit noch nicht da ist.“156

Im Protokoll der UAC wird deutlich, dass Latrobe der Sympathie für die Abolitionsbewegung und deren Überzeugungen verdächtigt wird. Seine Forderungen werden nicht auf die öffentlichen Vorwürfe gegen die Mission in England zurückgeführt, sondern auf die Beeinflussung seiner Person durch das politische

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propably have no alternative, but to send our Missionaries or their enfranchised slaves out of the Islands.“ Ebd., „The missionaries, freed from their trouble (…) would be enabled to devote more of their time and attention and energies, to their proper calling.“ Ebd. „It was urged, as a manifest hardship, (…) that they [the Missionaries], were debarred from exercising a right, which every planter and every merchant possessed, according to the law of the colony of manumitting a slave.“ MCHL, SFG, 26. Juni 1843. Ebd. UA, UAC, 7. Januar 1843, S. 16. Ebd. UA, UAC, 18. März 1843, S. 274.

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Umfeld ebendort. Die UAC wollte eine öffentliche Stellungnahme wieder hinauszögern. Sie verwies darauf, dass ein Eingreifen in die internen Verhältnisse der Missionare ohne Zustimmung der Brüder in Dänisch-Westindien nicht möglich sei. Die Brüdergemeine bildete zwar zwischen den Synoden das höchste Entscheidungsgremium der Kirche, schob aber vermutlich aus Sorge, die Kosten für die Mission in Dänisch-Westindien übernehmen zu müssen, dieses Argument vor. Insoweit ist es typisch für das Verhalten der Kirchenleitung, dass das Thema erst wieder im Juli und auf erneutes Drängen von Latrobe diskutiert wurde. Dieser berichtete über die Verhandlungen mit der Anti-Slavery Society und informierte die UAC, dass von ihr eine offizielle Bestätigung gefordert würde, dass sich die Unitätsleitung ihres eigenen Sklavenbesitzes entledigt hätte.157 Mittlerweile hatte die Konferenz auch ein Schreiben der Helferkonferenz in Dänisch-Westindien erhalten, in dem diese ebenfalls die UAC um Erlaubnis bat, die Freilassung ihrer Sklaven zu beschleunigen. Die Mitglieder der Kirchenleitung und des Missionsdepartements diskutierten das Für und Wider einer solchen Maßnahme. Insbesondere die Forderung nach einer Freilassung der missionseigenen Sklaven in Surinam als Folge einer Freilassung in Dänisch-Westindien wurde befürchtet, aber auch die schon häufiger geäußerten Bedenken, diese Maßnahme werde das wirtschaftliche Bestehen der Mission gefährden und das gute Verhältnis zu Pflanzern und Kolonialregierung nachhaltig beschädigen.158 Doch die Kirchenleitung beugte sich nun dem Druck der Abolitionsbewegung, vor allem weil sie finanzielle Einbußen befürchtete wenn sie weiter an ihrem Sklavenbesitz festhielt. Im Gegensatz zu den deutlichen Worten, mit denen die UAC im März Latrobes Forderungen zurückgewiesen hatte, stellte sie nun überraschenderweise fest, „daß jetzt entscheidende Schritte getroffen werden müssen, um die allgemeine Freigebung unserer Neger Sclaven zu bewirken, indem es sehr bedenklich seyn werde, dieselbe noch weiter hinaus zu schieben.“159 Die Mitglieder der Kirchenleitung erteilten den Missionaren in Dänisch-Westindien die Vollmacht, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer sofortigen Freilassung der Sklaven führen würden. Des Weiteren wandte sich die UAC selbst nochmals mit einer Petition an den dänischen Generalgouverneur Peter von Scholten.160 Dabei wies sie darauf hin, dass eine schnelle Freigebung der eigenen Sklaven nun unumgänglich sei, da man Gefahr lief, die finanzielle Unterstützung evangelikaler Kreise in England zu verlieren, sollte man weiter am Sklavenbesitz festhalten. Dies würde das Ende für die Mission in Dänisch-Westindien bedeuten. An den Verkauf oder das Verschenken der Sklaven sei nicht zu denken, da dies zu weiteren Problemen führen würde. Die UAC versicherte aber, über die Maßnahme Stillschweigen zu bewahren, um keinen Aufruhr unter den Sklaven und Pflanzern zu erregen. Die Kirchenleitung erhoffte sich von diesem Schritt eine schnelle Lösung des Konfliktes mit der Anti-Slavery Society,

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UA, UAC 29. Juli 1843, S. 108. Ebd., S. 109. Ebd., S. 110. Hervorhebungen im Original. R 15 Ba 33 (26a), Cürie an von Scholten 20 August 1843.

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ohne das sie selbst zu einer öffentlichen Stellungnahme gezwungen werden würde. Umso überraschender war für die UAC die Nachricht, die am 10. September in Berthelsdorf eintraf. Ein Mitglied der Brüdergemeine in Kopenhagen informierte die Ältestenkonferenz darüber, dass schon in zwei Tagen Vertreter der Anti-Slavery Society bei ihnen eintreffen würden. Am 12. September erreichten George William Alexander und Benjamin Baron Wiffen Herrnhut. Beide waren Quäker und befanden sich im Sommer 1843 auf einer Rundreise durch Dänemark, Deutschland und die Niederlande, um sich für die Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien einzusetzen. Sie wollten die Reise auch nutzen, um sich bei der Ältestenkonferenz über die Maßnahmen, die zur Freilassung der Sklaven im Besitz der Brüdergemeine getroffen wurden, zu informieren. Am Nachmittag trafen Alexander und Wiffen in Berthelsdorf ein. Zur Begrüßung verweigerten sie den Mitgliedern der Ältestenkonferenz den Handschlag.161 Die Vertreter der Anti-Slavery Society erklärten, dass sie den Sklavenbesitz als Sünde betrachteten, und „daß sie diejenigen nicht als einen wahren Christen und Mitbruder ansehen können, welcher Sclaven hält.“162 Wiffen und Alexander präsentierten den Mitgliedern der Ältestenkonferenz zudem den Entwurf eines Artikels für den Anti-Slavery Reporter, in dem sie über das Treffen berichten wollten.163 Darin kamen sie der Brüdergemeine insoweit entgegen, als dass sie die Sklaverei in der Mission als notwendiges Übel darstellten, dessen Beseitigung sich die Kolonialregierung in den Weg stelle. Die Brüder, so Wiffen und Alexander weiter, hätten erklärt, dass sie die Sklaverei für ein Unrecht hielten. Allerdings kritisierten die Vertreter der AntiSlavery Society auch die passive Haltung der Mission bei der Sklavenemanzipation, denn die Kirche sei „nicht entschlossen zur Abschaffung derselben [Sklaverei] durch ihr gegebenes Beispiel in Freigebung der Ihrigen – selbst auf die Gefahr des Ruins ihrer Dänisch Westindischen Mission mitzuwirken.“164 Diesen Schritt wollte die UAC nicht gehen, sondern im Gegenteil weiterhin eine direkte Konfrontation mit der Kolonialregierung vermeiden.165 Folglich erklärte die UAC, dass sie zur Zeit nichts weiter tun könne, als auf die Antwort ihrer Eingabe an den dänischen Generalgouverneur Peter von Scholten zu warten.

161 In den Quellen ließ sich kein Beleg für diesen Vorgang finden. Degn, Die Schimmelmanns, S. 445, gibt als Quelle den Archivbestand Friedensthal an. Doch ließ sich weder in den auf St. Croix noch den in Bethlehem, PA vorhandenen Quellen zu Friedensthal dieses Ereignis bestätigen. Dennoch habe ich es in die Arbeit aufgenommen. Zum einen, weil es schon 1852 in Knox, John: A Historical Account of St. Thomas, W.I., with its rise and progress in Commerce; Missions and Churches; Climate and its adaption to Invalids; Geological Structure; Natural History, and Botany, New York 1852, S. 152f., erwähnt wird. Zum anderen, weil es in die Logik des Beschlusses der Anti-Slavery Convention von 1840 passen würde, die Sklavenbesitzer von der christlichen Gemeinschaft ausschloss. 162 UA, UAC, 13. September 1843, S. 291f. 163 Vgl. Continental Tour of Messrs. Alexander and Wiffen, in: The Anti-Slavery Reporter 4. Oktober 1843, S. 178–180, hier S. 178f. 164 UA, UAC, 13. September 1843, S. 296. 165 Lenders, Strijders, S. 218.

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Deutlich wird, dass die Ältestenkonferenz die Entscheidung, der Abschaffung der Sklaverei in der Mission in Dänisch-Westindien zuzustimmen, zunächst wieder hinauszögerte. Dabei spielten v.a. Befürchtungen eine Rolle, dass eine Sklavenbefreiung auf den Jungferninseln eine direkte Auswirkung auf die Mission in Surinam haben würde sowie die Angst vor Repressalien der kolonialen Elite. Das sich die UAC schließlich doch zu einer Freigebung der Sklaven entschloss, ist in dem Versuch begründet, Repressalien evangelikaler Kreise zu verhindern. An ihrer grundsätzlichen Überzeugung, keine öffentliche Stellungnahme zur Sklavenemanzipation zu geben, änderte dabei auch das Treffen mit den Vertretern der Anti-Slavery Society nichts.

3.3.4. Dänisch-Westindien – Freilassung der Missionssklaven Im Mai 1843 sichtete die Helferkonferenz die von den verschiedenen Missionsstationen eingesandten Übersichten des Sklavenbesitzes der Mission, um den Fortschritt der Freilassung ihrer Sklaven festzustellen. Die Missionare waren mittlerweile überzeugt, dass die im Circulär der UAC 1842 vorgeschlagene Vorgehensweise der falsche Weg sei.166 Der Freikauf war einerseits zu langwierig und würde noch einige Jahre dauern, was bedeutete, dass die Kritiker der Mission in England nicht zufriedengestellt werden konnten. Andererseits empfanden die Mitglieder der Helferkonferenz es ungerecht, junge Sklaven gegenüber alten zu bevorzugen. Das größte Problem sei aber, so die Helferkonferenz, dass die Freilassung keine Auswirkungen auf die Ökonomie der Mission haben dürfe. Da die Missionsökonomie auf von Sklaven abhängigen Betrieben basierte, war dies jedoch nicht möglich. Die Mitglieder der Helferkonferenz beschlossen deswegen, die ökonomische Lage der Mission nach der Freigebung der Sklaven zu berechnen (Tabelle 10). Nach der Kalkulation der Missionare brachte eine Umstellung der Ökonomie auf freie Lohnarbeiter Einsparungen in Höhe von 555 $ pro Jahr. Zudem könnten die Gewerbe der Missionsstationen auch mit angestellten Arbeitern immer noch gewinnorientiert arbeiten. So gingen die Mitglieder der Helferkonferenz davon aus, dass sich der Gewinn der Schmiede in Friedensthal unter den neuen Bedingungen nur um 200 $ auf 400 $ im Jahr verringern würde.167 Die Versorgung der Invaliden wurde als nicht so schwerwiegend betrachtet, dass sie die Maßnahme behindern könnte, und die Kinder sollten als Bedingung für ihre Freilassung von ihren Eltern versorgt werden.168 Auch die zu erwartenden Hindernisse vonseiten der Kolonialregierung wurden nunmehr gering eingeschätzt. In dieser Annahme wurden die Missionare vom

166 MAB, EWI, C. 15.2, Protokoll der Helferkonferenz in Dänisch-Westindien (1843–1848), 22. Mai 1843. 167 Ebd. 168 Ebd., „Was die Unterhaltung der Kinder betrifft so halten sie es für wahrscheinlich, daß die Eltern selbst deren Versorgung übernehmen werden, falls wir ihnen dies als Bedingung der Freigebung derselben stellen wollen.“

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Landvogt Johann Frederik Brahde bestärkt. Letzterer riet ihnen, in einer Petition an den dänischen König, die sofortige Freilassung ihrer Missionssklaven zu erbitten. In der Konsequenz baten nun die Missionare in Dänisch-Westindien die UAC um die Erlaubnis, eine kurzfristige Freilassung ihrer Sklaven voranzutreiben.169 In einem Memorandum an die UAC in Bezug auf die Eingabe der Helferkonferenz zeigte sich Johann Breutel verwundert, hatten bei seinem Aufenthalt ebendort die Mitglieder der Konferenz sich doch noch gegen eine sofortige Freilassung ausgesprochen.170 Das sie sich nun für eine schnelle Maßnahme aussprachen, war laut Breutel dem Einfluss aus England und einem Wechsel im Missionspersonal geschuldet, das einen Widerwillen gegen den Sklavenbesitz zeigte.171 Auch die zu erwartenden Hindernisse vonseiten der Kolonialregierung wurden nunmehr gering eingeschätzt. In dieser Annahme wurden die Missionare vom Landvogt Johann Frederik Brahde bestärkt. Letzterer riet ihnen, in einer Petition an den dänischen König, die sofortige Freilassung ihrer Missionssklaven zu erbitten. In der Konsequenz baten nun die Missionare in Dänisch-Westindien die UAC um die Erlaubnis, eine kurzfristige Freilassung ihrer Sklaven voranzutreiben.172 In einem Memorandum an die UAC in Bezug auf die Eingabe der Helferkonferenz zeigte sich Johann Breutel verwundert, hatten bei seinem Aufenthalt ebendort die Mitglieder der Konferenz sich doch noch gegen eine sofortige Freilassung ausgesprochen.173 Das sie sich nun für eine schnelle Maßnahme aussprachen, war laut Breutel dem Einfluss aus England und einem Wechsel im Missionspersonal geschuldet, das einen Widerwillen gegen den Sklavenbesitz zeigte.174 Auch die zu erwartenden Hindernisse vonseiten der Kolonialregierung wurden nun gering eingeschätzt. In dieser Annahme wurden die Missionare vom Landvogt Johann Frederik Brahde bestärkt. Letzterer riet ihnen, in einer Petition an den dänischen König, die sofor169 UA, UAC 29. Juli 1843, S. 108–112. Die UAC gestattete der Helferkonferenz in DänischWestindien Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer sofortigen Freilassung der Missionssklaven führen würden. 170 UA, R 15 Ba (25), Johann Breutel, Ueber die Freigebung unserer Negersclaven auf den Dänisch Westindischen Inseln, July 1843: „Alle wurden sehr bedenklich wenn von einer durchgreifenden Maßnahme die Rede war. Daß wir nach u. nach unsere Sklaven freigeben, blieb das Resultat aller Ueberlegungen.“ Hervorhebungen im Original. 171 Ebd. „Die Helfer Conf. scheint nun die Sache anders anzusehen, ich fürchte aber, daß sie nicht das Resultat reiferer Erfahrungen ist, sondern eine Folge des Drucks der auf ihnen lastet u. u. den sie um jeden Preis los zu werden dürfen. Dazu kommt noch der Einfluß aus England u. der Widerwille gegen das Sclavenwesen besonders unter den neueren Geschwistern.“ 172 UA, UAC 29. Juli 1843, S. 108–112. Die UAC gestattete der Helferkonferenz in DänischWestindien Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer sofortigen Freilassung der Missionssklaven führen würden. 173 UA, R 15 Ba (25), Johann Breutel, Ueber die Freigebung unserer Negersclaven auf den Dänisch Westindischen Inseln, July 1843: „Alle wurden sehr bedenklich wenn von einer durchgreifenden Maßnahme die Rede war. Daß wir nach u. nach unsere Sklaven freigeben, blieb das Resultat aller Ueberlegungen.“ Hervorhebungen im Original. 174 Ebd. „Die Helfer Conf. scheint nun die Sache anders anzusehen, ich fürchte aber, daß sie nicht das Resultat reiferer Erfahrungen ist, sondern eine Folge des Drucks der auf ihnen lastet u. u. den sie um jeden Preis los zu werden dürfen. Dazu kommt noch der Einfluß aus England u. der Widerwille gegen das Sclavenwesen besonders unter den neueren Geschwistern.“

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tige Freilassung ihrer Missionssklaven zu erbitten. In der Konsequenz baten nun die Missionare in Dänisch-Westindien die UAC um die Erlaubnis, eine kurzfristige Freilassung ihrer Sklaven voranzutreiben.175 In einem Memorandum an die UAC in Bezug auf die Eingabe der Helferkonferenz zeigte sich Johann Breutel verwundert, hatten bei seinem Aufenthalt ebendort die Mitglieder der Konferenz sich doch noch gegen eine sofortige Freilassung ausgesprochen.176 Das sie sich nun für eine schnelle Maßnahme aussprachen, war laut Breutel dem Einfluss aus England und einem Wechsel im Missionspersonal geschuldet, das einen Widerwillen gegen den Sklavenbesitz zeigte.177 Tatsächlich hatte zu Beginn der 1840er Jahre ein Personalwechsel in DänischWestindien stattgefunden, bei dem sowohl die Stelle des Praeses der Helferkonferenz als auch die des Inspektors der Landschulen neu besetzt worden waren. Während es für Georg Wilhelm Häuser, den neuen Praeses, der erste Aufenthalt in Westindien war, hatte Trautgott Gardin vor seiner Versetzung mehrere Jahre in Antigua das Lehrerseminar geleitet. Insbesondere Gardin, der den direkten Kontrast zwischen den Lebensverhältnissen im Antigua der Postemanzipationszeit und der Sklaverei auf St. Croix erlebte, wird vermutlich die eigene Sklavenhaltung abgelehnt haben. Inwieweit die Missionare durch die Entwicklungen in England in ihrer Entscheidung beeinflusst waren, lässt sich anhand der Quellen nicht belegen. Allerdings ist anzunehmen, dass sie von Latrobe über die Vorgänge informiert worden sind. Im September 1843 hatte die Helferkonferenz die positive Antwort der UAC und weitere Mitteilungen aus London erhalten, in denen Latrobe sie über seine Verhandlungen mit den Mitgliedern der Anti-Slavery Society und ein Treffen mit Peter von Scholten informierte.178 An diese Verhandlungen konnten Häuser und Gardin nun anknüpfen. In einem ersten Brief an den Gouverneur vom 27. September 1843 kritisierten die Mitglieder der Helferkonferenz die Verweigerung einer sofortigen Freilassung ihrer Sklaven. Dies würde bereits in England, wo die gesetzlichen Bestimmungen in den dänischen Kolonien auch bekannt seien, für Unverständnis sorgen, und Erklärungsversuche von Seiten der Brüdergemeine, dass die Kolonialregierung einer Freigebung im Weg stehe, unglaubwürdig erscheinen lassen.179 175 UA, UAC 29. Juli 1843, S. 108–112. Die UAC gestattete der Helferkonferenz in DänischWestindien Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer sofortigen Freilassung der Missionssklaven führen würden. 176 UA, R 15 Ba (25), Johann Breutel, Ueber die Freigebung unserer Negersclaven auf den Dänisch Westindischen Inseln, July 1843: „Alle wurden sehr bedenklich wenn von einer durchgreifenden Maßnahme die Rede war. Daß wir nach u. nach unsere Sklaven freigeben, blieb das Resultat aller Ueberlegungen.“ Hervorhebungen im Original. 177 Ebd. „Die Helfer Conf. scheint nun die Sache anders anzusehen, ich fürchte aber, daß sie nicht das Resultat reiferer Erfahrungen ist, sondern eine Folge des Drucks der auf ihnen lastet u. u. den sie um jeden Preis los zu werden dürfen. Dazu kommt noch der Einfluß aus England u. der Widerwille gegen das Sclavenwesen besonders unter den neueren Geschwistern.“ 178 MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 4. September 1843. 179 UA, R 15 Bb (19), Verhandlungen mit der dänischen Regierung. Vorsteher der Mission der Brüdergemeine an Peter von Scholten, 27. September 1843: „Es ist zwar in England, von wo-

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Kostenpunkt

Sklaven

Angestellte

Verpflegung für 36 Erwach- 3 $ pro Person/Monat. Ins- n/a sene gesamt 1.548 $ im Jahr. Verpflegung für 9 Mädchen 2 $ pro Person/Monat. 276 $ im Jahr.

n/a

Ärztliche Versorgung; Klei- 676 $ im Jahr. dung; Verpflegung der Kinder; Steuern Weihnachtsgeschenke

n/a

Gehalt für 7 Pferdeknechte

n/a

6 $ pro Person/Monat. 504 $ im Jahr.

Gehalt für 7 Wäscherinnen n/a u. 7 Köchinnen.

5 $ pro Person/Monat. 740 $ im Jahr.

10 Haus- und Kindermäd- n/a chen

480 $ im Jahr.

Weihnachtsgeschenke die Angestellten

31 $



für n/a 2.410 $

1.855 $

Tabelle 8: Vergleich der Kosten für die Haushaltung der Mission mit eigenen Sklaven und angestellten Bediensteten180

Die Missionare wiesen von Scholten darauf hin, dass sie von der UAC nun die Erlaubnis zur Freigebung all ihrer Missionssklaven bekommen hätten und das bereits angewendete Verfahren eines sukzessiven Freikaufs nicht mehr anwenden dürften, weil dies den Konflikt mit der Anti-Slavery Society noch verschärfen würde.181 Am 12. Oktober 1843 kam es daraufhin zu einer ersten Verhandlung der Missionare Häuser und Gardin mit Peter von Scholten. Während dieses Treffens kam ihnen der Gouverneur nur insoweit entgegen, als dass er ihnen gestattete, die Freigebung so schnell voranzutreiben, dass diese bis Ende des Jahres 1844 abgeschlossen sei. Sein Vorschlag stimmte weitgehend mit dem von ihm der Brüder-

her wir, unter anderem, auf einen ganz besonderen Weise zu diesem Schritte genöthigt werden, daß Gesetz sr. Majestät unseres vielgeliebten Königs nicht unbekannt, welches dem Eigner von Unfreien deren Freigebung gestattet; u. es ist dieses einer von jenen Umständen, welcher dort alle unsrigen seitherigen entschuldigenden Erklärungen völlig ungültig u. wirkungslos macht.“ 180 Basierend auf der Berechnung in: MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 22. Mai 1843. 181 Ebd.: „Ein früher von uns beobachtetes Verfahren, die Unfreien zu veranlassen sich um einen mäßig gesetzten Preis selbst los zu kaufen, dürfen wir nicht anwenden, wenn wir den Anstoß nicht noch größer machen wollen, als er schon ist.“

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gemeine bereits 1841 genehmigten Verfahren überein.182 Wiederholt argumentierte von Scholten, dass er bei einer plötzlichen Freigebung Widerstand der Pflanzer zu erwarten hätte. Ob dies zu Beginn der 1840er Jahre tatsächlich der Fall gewesen wäre, darf zumindest angezweifelt werden. Sogar der einer beschleunigten Freilassung der Missionssklaven skeptisch gegenüberstehende Johann Breutel fragte sich, ob von Scholten in seiner Einschätzung der kolonialen Lage nicht einem Gespenst aufgesessen sei.183 Auch der von der Helferkonferenz beauftragte Anwalt, Justizrat Andreas Andreson, teilte zwar die Bedenken der Pflanzer gegen jede Maßnahme, die zu einer Erhöhung der Vagabunden führen könnte, empfahl den Missionaren aber verstärkt, ihren Sklaven die Freiheit zu schenken.184 Auf der nächsten Helferkonferenz am 20. Oktober in Friedensthal wurde das weitere Vorgehen diskutiert. Dabei hatten die Mitglieder Bedenken, ob sie überhaupt berechtigt seien, eine Petition an den Gouverneur, die nicht die sofortige Freilassung der Sklaven forderte, einzusenden, da sie dafür keine Genehmigung der UAC hatten.185 Ihr Anwalt wies sie auf die Gefahr hin, dass die Missionare, sollten sie eine Petition in der Art wie der Gouverneur sie ihnen vorschlug einreichen, sie bei den Abolitionisten als Verweigerer einer allgemeinen Freigebung gelten würden. Dies könnte gerade in England zu einer Verschärfung des Konfliktes mit der AntiSlavery Society führen.186 Andreson riet den Missionaren, dass sie sich auf kein Abkommen mit von Scholten einlassen sollten, vielmehr wäre es die Aufgabe des Gouverneurs, zunächst auf das Schreiben der UAC zu antworten. Von Scholten bestand allerdings auch gegenüber Andreson darauf, dass die Missionare sich zunächst an ihn richteten. Die Helferkonferenz bereitete daraufhin eine Petition vor, in der sie nochmals um die Freigebung ihrer Missionssklaven baten: „Die gehorsamst Unterzeichneten nähern sich daher Erw. Excellenz mit der unterthänigen Bitte uns gnädigst behülflich zu seyn alle unsere Unfreien veranlassen zu dürfen, sich um einen mäßigen Preis in Terminen zahlbar, loszukaufen; jedoch so, daß bis Ende des Jahres 1844

182 MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 20. Oktober 1843: „Er ließ uns keinen anderen Weg offen als den schon betretenen, nämlich die Neger zum Freikauf veranlassen, u. ihnen Termine zu setzen, in welchen sie die mäßig anzuhaltende Kaufsumme abzahlen sollen.“ 183 UA, R 15 Ba (25), Johann Breutel, Ueber die Freigebung unserer Negersclaven auf den Dänisch Westindischen Inseln, July 1843: „Daß der Generalgouverneur später einsehen würde, daß er sich von einem Gespenst habe erschrecken lassen.“ 184 MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 23. Oktober 1843: „Besonders empfahl H. Andreson das eigentliche Freigeben, worin wir nicht so bedenklich zu sein brauchen.“ 185 Ebd. 186 MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 21. Oktober 1843: „In Bezug auf die auch vom Gouverneur genannte Proposition erklärte er [Andreson, JH] sich dafür, daß der von uns vorgegebene Freikauf der Neger sehr bald von jedem Pflanzer als eine Form erkannt werden würde, die uns nicht wohl geschehe und uns in England in den Ruf bringen könne, daß wir die Neger nicht freigeben, sondern verkauft hätten.“

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kein einziger Unfreier mehr in unserem Besitz bleibe u. alle ohne Ausnahme in die Register der Freien Leute eingetragen seyen.“187

Die Missionare waren gezwungen, bei ihrem ursprünglichen Verfahren, ihre Sklaven zum Freikauf zu veranlassen, zu bleiben. Das Recht, einzelnen Sklaven die Freiheit zu schenken, behielten sich die Missionare für jene Fälle vor, in denen sich die Sklaven weigerten, für ihre Freigebung zu bezahlen oder sie aufgrund ihrer ökonomischen Verhältnisse nicht in der Lage dazu waren. Den Sklaven, mit deren Arbeit die Missionare besonders zufrieden waren, sollte die Freiheit geschenkt werden unter der Bedingung, dass sie im Dienst der Mission blieben. Die Kosten für den Verwaltungsakt hatten die Sklaven selbst zu tragen.188 Das Ziel sollte in jedem Fall sein, bis zum Ende des Jahres 1844 keine Sklaven mehr zu besitzen und dies gegenüber Kritikern durch den Eintrag der Sklaven ins Register der Freien Leute auch beweisen zu können. Doch noch während die Mitglieder der Helferkonferenz mit ihrem Anwalt über die Petition berieten, hatte von Scholten bereits eine Entscheidung getroffen. Am 28. Oktober 1843189 erhielt der Vorsteher der Mission Georg Wilhelm Häuser die Nachricht von Scholtens, in welchem dieser den Missionaren die allgemeine Freigebung ihrer Sklaven gestattete, ohne dass diese sich ihre Freiheit erkaufen mussten.190 Von Scholten schrieb, dass er sich durch die „schriftliche Eingabe für welche die Veranlassung zu diesem Schritt erläuter[t] [wird], u. dessen Unterlassung den Verlust von der den Missionaren von England zufließenden bedeutenden Unterstützungen zur Folge haben würde – […] nicht für befugt [sehe] solches zu verbieten.“191 Die Freigebung der Sklaven wurde an vier Bedingungen geknüpft, die bereits 1841 mit Johann Breutel vereinbart worden waren. Den Schwerpunkt legte von Scholten in seinem Schreiben darauf, möglichst kein Aufsehen durch die Freilassung zu erregen. Selbst den Sklaven sollte deren eigene Freigebung erst kurz zuvor bekannt gemacht werden und immer nur einer geringen Anzahl. Der Wegzug einzelner Personen musste der Polizei innerhalb von 24 Stunden gemeldet werden. Junge Erwachsene durften die Missionsstationen nur ohne ihre Eltern 187 UA, R 15 Bb (19), Verhandlungen mit der dänischen Regierung. Vorsteher der Brüdergemeine an Peter von Scholten, Oktober 1843. 188 MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 23. Oktober 1843. Nur für den Fall, dass sich Sklaven weigerten diese Kosten zu übernehmen und dadurch eine Verzögerung im Vorhaben eintreten würde, wollte die Mission in DänischWestindien die Kosten tragen. 189 MAB, EWI, C 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 8. Mai 1844. Das Schreiben wurde von von Scholten am 20. Oktober 1843 verfasst, erreichte die Helferkonferenz jedoch erst am 28. Oktober, zu diesem Zeitpunkt hatte die Konferenz ihrerseits bereits die überarbeitete Petition eingereicht. 190 UA, R 15 Bb (19), Verhandlungen mit der dänischen Regierung. Peter von Scholten an den Vorsteher der Brüdergemeine, 20. Oktober 1843: „Ich verlasse mich ganz darauf, (...) daß sie [die Missionare, JH] auch kräftig u. anhaltend den in ihrer Stellung als Lehrer ihnen zukommenden Einfluß über die Beikommenden benutzen werden um den gewöhnlichen Wirkungen einer zufälligen nicht durch eigene Arbeit erworbenen Freiheit entgegen zu wirken.“ Hervorhebung vom Autor. 191 Ebd.

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verlassen, wenn sie in der Lage waren, sich selbst zu versorgen, und sollten angehalten werden, nicht in die Städte zu ziehen. Die Fürsorge für die Alten und Kranken hatten die Missionare zu übernehmen.192 Die staatliche Reglementierung der Freilassung hatte das Ziel, die Freigebung der Sklaven so umzusetzen, dass dadurch keine größere Aufmerksamkeit erregt würde. Eine Kopie des Schreibens war sogleich an die verschiedenen Missionsstationen verschickt worden, wo monatlich eine Familie oder ein bis zwei Erwachsene freigelassen wurden. So erhielt auch der 19-jährige, auf Friedensfeld geborene Friederich am 13. Februar 1844 seinen Freibrief und nannte sich von nun an Frederick Elsco.193 Er war einer der wenigen ehemaligen Sklaven der Brüdergemeine, die direkt nach ihrer Freilassung die Missionsstationen verließen. In Friedenfeld war er in der Schuhmacherei ausgebildet worden und hatte durch sein Handwerk infrastrukturelle Vorteile gegenüber anderen ehemaligen Sklaven.194 Ein Wegzug aus dem ländlich gelegenen Friedensfeld in der Mitte von St. Croix in das suburbane Umfeld von Frederiksted bot ihm bessere Absatzmöglichkeiten für sein Gewerbe. Die meisten der Freigelassenen, so das Protokoll der Helferkonferenz, „fürchten nichts mehr als die Trennung von uns“. In Emmaus auf St. John erklärten die Sklaven, „daß sie lieber in ihrem unfreien Stande bleiben wollten, als vom Platz weggehen.“195 Der Wunsch, auf den Missionsplätzen zu bleiben, ist allerdings nicht allein auf ein gutes Verhältnis zwischen Sklaven und Missionaren zurückzuführen. Schließlich liegt die Betonung der Sklaven in Emmaus auch darauf, auf dem Platz zu bleiben und nicht im Verhältnis zu den Missionaren. Wie schon von Christian Degn angedeutet, waren die Missionsplätze die Heimat der Sklaven, die zum Großteil auch dort geboren worden waren.196 Dabei besaßen insbesondere die provision grounds, die von den Familien- und Plantagengemeinschaften gemeinsam oft über mehrere Generationen bearbeitet wurden, eine hohe ideologische Bedeutung.197 Sie waren eine wesentliche Bedingung für die ökonomische Unabhängigkeit der Sklaven, weswegen diese, oftmals mit Gewalt, von ihnen vertrieben werden mussten.198 Insofern scheint es wahrscheinlicher, dass der Wunsch der ehemaligen Sklaven, die Missionsplätze nicht zu verlassen, nicht dem Wunsch in 192 Ebd. 193 UA, R 15 Bb (19), Verhandlungen mit der dänischen Regierung. Freebrief for Frederick Elsco dated 12 Feb. 1844. 194 UA, UMD II 5b (1838). Friederich wird als Schuhmacher im Inventarium bezeichnet. 195 MAB, EWI, C 15.2. Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 8. Mai 1844. 196 Degn, Die Schimmelmanns, S. 158: „Die meisten Neger waren froh, bei der Missionsstation bleiben zu dürfen, die ja zumeist ihre Heimat geworden war und ihnen Lebensunterhalt bot.“ Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 186. 197 Turner, Slaves and Missionaries, S. 45. Turner erwähnt im Zusammenhang mit Jamaika, dass provision grounds auch unter den Sklaven vererbt wurden. 198 Ebd., S. 47: „The strongest demonstration of the slaves’ sense of corporate rights was made when ‘their’ plantation went out of production and they were sent to work elsewhere. On these occasions the bulk of the slaves had to be evicted, literally driven from the property, intimidated by flogging and workhouse sentences.“

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Abhängigkeit von der Mission zu verbleiben begründet liegt, sondern eher im Gegenteil, nämlich in ihrem Bedürfnis nach Autonomie. Und dies ließ sich gerade für jene, die kein Handwerk in den Betrieben der Mission erlernt hatten, am ehesten durch den Zugang zu provision grounds als notwendige Bedingung für ein unabhängiges Kleinbauerntum erreichen. Für die Mitglieder der Helferkonferenz bedeutete die Emanzipation ihrer eigenen Sklaven aber eine grundlegende Reform ihrer Missionsökonomie. Von den 124 Sklaven, die die Mission 1843 noch besaß, wollten die Missionare nur 31 als freie Lohnarbeiter übernehmen. Aus diesem Grund wurden von den einzelnen Missionsplätzen Listen an die Helferkonferenz eingesandt, in denen Vorschläge für Übernahmen und Entlassungen einzelner Sklaven gemacht wurden. Misssionsplatz

Weggezogen

Weggeschickt

Entlassen

Weiterbeschäftigt

Neuherrnhut

1

-

10

10

Niesky

-

2

8

8

Emmaus

1

-

5

19

Bethanien

8

1

3

3

Friedensthal

4

-

8

7

Friedenfeld

8

-

-

6

Friedensberg

9

-

2

1



31

3

36

54

Tabelle 9: Übersicht der Veränderungen auf den Missionsplätzen nach der Emanzipation der Missionssklaven199

Von den 31 Personen, die die Missionsstationen freiwillig verließen, bestand der Großteil aus Müttern mit Kindern. Ein Teil der Herrnhuter Sklaven lebte in räumlicher Trennung von ihren Partnern und es ist zu vermuten, dass diese ihre Freilassung zur Familienzusammenführung nutzten. Nur zwei Erwachsene, jeweils einer von Neuherrnhut und Emmaus, verließen die Plätze, um sich beruflich zu verbessern.200 Zum Verlassen der Missionsplätze wurden vor allem jene aufgefordert, deren Dienste die Missionare nicht mehr benötigten und im Zuge der Kostenevaluation einsparen wollten. Dabei ist anzunehmen, dass insbesondere jene, die die Missionare aus ihren Diensten entfernen wollten, ausgewiesen wurden. Ein Teil der ehemaligen Sklaven blieb aber auf den Missionsplätzen. Dies war besonders 199 Basierend auf den Daten in: MAB, EWI, C 15.2. Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 8. u. 9. Mai 1844. 200 Ebd. Der Freigelassene von Neuherrnhut nahm eine Stelle im Dienst der Polizei auf St. Thomas an, der ehemalige Sklave der Station Emmaus verließ den Platz, um eine Ausbildung als Zimmermann zu beginnen. Die Statistik erfasst nur die ungefähre Gesamtzahl der am Missionsplatz lebenden ehemaligen Sklaven.

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häufig der Fall auf den Missionsstationen Neuherrnhut, Niesky und Friedensthal, also jenen Plätzen, deren Lage eine direkte Nähe zur Stadt und somit zu erweiterten Erwerbsmöglichkeiten und Absatzmöglichkeiten der provision grounds bot. Die Anzahl der als freie Lohnarbeiter weiterbeschäftigten ehemaligen Sklaven war mit 54 Personen immer noch größer, als die Helferkonferenz in ihrer Kalkulation für tragbar berechnet hatte. Die im Dienst der Mission stehenden, nun als freie Lohnarbeiter beschäftigten, ehemaligen Sklaven wurden in zwei Gruppen von Dienstverhältnissen unterschieden. Zunächst jene, die als Dienstboten für die Missionare tätig sein sollten. In Anlehnung an die Verhältnisse der Mission in Antigua sollte jede Missionsstation eine Köchin und Wäscherin sowie einen Stallknecht beschäftigen dürfen. Eine Magd durften nur jene Missionare anstellen, die Kinder hatten oder die für die wirtschaftlichen Betriebe verantwortlich waren.201 Die zweite Gruppe der Angestellten waren jene, die in den Betrieben und Landwirtschaft der Missionstationen beschäftigt waren. Hier griffen die Missionare auf verschiedene Möglichkeiten der Entlohnung zurück. In Emmaus, das mit einer Fläche von 150 Morgen neben Niesky der flächenmäßig größte Missionsplatz war und auf dem Landwirtschaft betrieben wurde, hatten die Missionare sharecropping angewendet. Die 10 in der Landwirtschaft beschäftigten ehemaligen Sklaven arbeiteten drei Tage in der Woche für die Mission und drei Tage für sich selbst.202 Darüber hinaus erhielten sie keine Bezahlung. Die Angestellten in den Schmieden und in den Schuhmacher-Werkstätten wurden nach Stückzahlen bezahlt, nutzten allerdings auch häufig die Möglichkeit, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Die Betriebe und die Landwirtschaft der Mission befanden sich allerdings im ökonomischen Niedergang. Die Eröffnung einer großen Schmiede auf St. Thomas und die mangelnde Ausbildung des die Schmiede betreuenden Missionars führten zu einem drastischen Rückgang der Aufträge. Ähnlich erging es der Schmiede in Friedensthal, die unter der Konkurrenz mit einer großen Eisen- und Kupferschmiede im benachbarten Frederiksted litt.203 Insbesondere die Schuhmacher-Werkstätten hatten unter dem Import von vorgefertigter Ware zu leiden. Die Hauskonferenz in Emmaus machte den Vorschlag, ob nicht die Landwirtschaft ganz aufgegeben werden sollte und die Mission das Land an ihre ehemaligen Sklaven verpachten solle, um im Gegenzug Miete für Haus und Grundstück zu erhalten.204 Den Vorteil dieses Plans sah man nicht nur darin, dass die Missionare sich nicht mehr mit dem Management der defizitären Betriebe beschäftigen mussten, sondern, dass die ehemaligen Sklaven nicht gezwungen wären, ihren Platz zu verlassen.205 Zunächst wurde damit begonnen, einen Teil des Landes 201 MAB, EWI, C 15.2. Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 9. Mai 1844. 202 Ebd., „Seit der Freigebung arbeiten sie 3 Tage in der Woche für den Platz u. 3 Tage für sich; sonst erhalten sie nichts.“ Vgl. Degn, Die Schimmelmanns, S. 462. 203 UA, R 15 A 65, Protokoll der Unitates Missions Diakonie (1843–1851), 13. Juni 1845. Hüsgen, Herrnhuter Brüdergemeine, S. 26. 204 MAB, EWI, C 15.2. Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 9. Mai 1844. 205 Ebd.

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nebst Schafen und Kühen an ehemalige Sklaven zu verpachten. Nach der Genehmigung des Vorgangs durch die UAC wurde diese Praxis ausgeweitet.206 In Emmaus, Niesky, Friedensfeld und Friedensthal wurde Land verpachtet. In Friedensthal schloss die Hauskonferenz schon im Februar 1844 einen Pachtvertrag mit ihrem ehemaligen Schmied Jacob.207 Dieser erhielt die Nutzungsrechte des zur Station gehörenden Landes und der sieben Kühe. Im Gegenzug verpflichtete er sich zur Zahlung einer Pacht von 10 Dollar pro Monat und zur Lieferung von frischer Milch an die Mission. Allerdings erhielt der Vertrag viele Einschränkungen und Zusatzbedingungen. So hatte der Pächter keine Nutzungsrechte an der Zisterne, durfte zwar das Wasser der Quelle nutzen, war aber gezwungen, in der Trockenzeit, wenn diese versiegte, Wasser extern zu besorgen. Die Verpflegung der sieben Kühe war auf diese Weise gerade in den Sommermonaten so gut wie unmöglich.208 Zudem war der Pächter verpflichtet, jeglichen Verlust in der Herde der Mission zu ersetzen und bei der Vermehrung derselben konnte er erst über diese verfügen, wenn er den Gegenwert der Herde refinanziert hatte.209 Jacob kündigte seinen Vertrag nach einem Jahr. Er blieb zwar in Friedensthal, arbeitete aber von nun an in Christiansted im Hafen, wo er dem Waagemeister assistierte.210 Auch zwei weitere Pächter, Peter und Francis James, verlängerten ihre Pachverträge nicht über das erste Jahr hinaus.211 Die mangelnde Nachfrage an der Verpachtung unter den eigenen ehemaligen Sklaven führte vermutlich dazu, dass mit Francis James erstmals ein Mitglied der anglikanischen Kirche der Pächter wurde.212 Erfolgreicher als die Verpachtung der gesamten Landwirtschaft einzel206 UA, UAC, 11. November 1843, S. 246. 207 MAB, EWI, C 4.2, Friedensthal Legal Papers Real Estate (1786–1864). Contract for the lease of pasture land and cows at Friedensthal by the Moravian Brethren as owners on the one side and Jacob also living at Friedensthal, free as lessee on the other side. Jacob war 1819 von den Missionaren für die Schmiede in Friedensthal für 400 Reichstaler gekauft worden. Vgl. UA, UMD II 5b (1820). 208 Geht man von einem durchschnittlichen Bedarf von 40–60 Liter je Kuh/Tag aus, so hätte der Pächter in der Trockenzeit täglich 280–420 Liter Wasser zur Missionsstation transportieren müssen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde in St. Croix eine neue Rinderrasse, eine Kreuzung zwischen senegalesischen N’Dama und englischen Red Poll, das sogenannte Senepol Rind, eingeführt, die eine bessere Hitze- und Krankheitsresistenz bei erhöhter Milch- und Fleischleistung kennzeichnet.. 209 MAB, EWI, C 4.2. Friedensthal Legal Papers Real Estate (1786–1864). Contract for the lease of pasture land and cows at Friedensthal by the Moravian Brethren as owners on the one side and Jacob also living at Friedensthal, free as lessee on the other side.: „§ 7. These 7 cattle are valued two hundred Dollars, for which sum the United Brethren retain owners in the cattle and their increase.“ 210 RA, Folketællinger, Dansk Vestindien, St. Croix, Christiansted 1850, Est. Friedensthal, Jacob Edwards. Als neue Arbeitsstelle von Jacob Edwards wird die Waage im Hafen von Christiansted angegeben. 211 MAB, EWI, C 4.2. Friedensthal Legal Papers Real Estate (1786–1864). Peter pachtete das Land in Friedensthal vom 1. Februar 1845 für ein Jahr und Francis James vom 1. Februar 1846 ebenfalls für ein Jahr. 212 RA, Folketællinger, Dansk Vestindien, St. Croix, Christiansted 1846, Est. Friedensthal, Francis James.

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ner Missionsstationen erwies sich die Vermietung ihrer eigenen Häuser an die ehemaligen Sklaven und die Parzellierung nicht mehr benötigten Agrarlandes. Da die meisten der Häuser in schlechtem Zustand waren und zum Teil von ihren Bewohnern selbst erbaut worden waren, passte die Helferkonferenz den Mietzins an diese Bedingungen an.213 Im Folgenden soll beispielhaft die weitere Entwicklung der Missionsstationen Emmaus und Friedensthal dargestellt werden, um den Kontrast zwischen einer ländlichen und einer urbanen Siedlung nachzuvollziehen. 1846 kam es zu einer Bestandsaufnahme des Status der Mission in Emmaus. Anhand der von Eugenius Hartwig erstellten Übersicht lässt sich beispielhaft die Situation der ehemaligen Sklaven darstellen. Sie gibt so einen Einblick in die Verhältnisse der Emanzipierten wenige Jahre nach deren Freilassung. Hatte der Sklavenbestand von Emmaus 1841 noch bei 40 Personen gelegen, so lebten dort nun 1846 noch 29 Personen, von diesen waren 27 ehemalige Sklaven bzw. deren Nachkommen.214 Nur in zwei Fällen kam es zum Zuzug der Lebensgefährten. Fast alle Personen sind in Emmaus geboren, ebenso der Großteil ihrer Vorfahren. Dabei konnten sieben Familien identifiziert werden, die meist gemeinsam die Häuser bewohnen. Entgegen dem von den Missionaren geprägten, am europäischzivilisatorischen orientierten Rollenbild der Familie als Einheit aus Mann, Frau und Kindern wird dabei ein breites Spektrum von familiären Konstellationen repräsentiert. Eine Übersicht über die Besiedlung der Missionsstation Emmaus nach der Freilasssung der Sklaven bietet Tabelle 12. Die Familien A, B und C bestehen aus generationenübergreifenden Mutter-Tochter-/Mutter-Sohn- bzw. MutterTochter-Enkeltochter-Einheiten. Den einzelnen Mitgliedern ist gemein, dass sie entweder keinen Partner haben oder dieser nicht in Emmaus lebt. Die Gründe lassen sich anhand der Quelle nicht rekonstruieren. Somit bleibt es Spekulation, ob sie verwitwet sind, alleinstehend, oder der Partner auf einer anderen Plantage wohnt. Die Familien D, E, F und G bestehen aus Ehepaaren und ihren Kindern. Hier stellt die Beziehung zwischen Susannah und Thomas Johnson eine Besonderheit dar, da sie die einzigen Eheleute sind, die in getrennten Häusern wohnen. Sieben Personen waren in Vollzeit am Missionsplatz als Hausbedienstete oder für die Landwirtschaft angestellt, dafür erhielten sie Verpflegung und freie Unterkunft. Dies änderte sich 1846. Nach der neuen Vereinbarung bekamen die Angestellten zwischen 3–4 Dollar Lohn pro Monat und mussten zwischen 50 Cent und einen Dollar Miete für ihre Unterkunft bezahlen. Die Invaliden und diejenigen, die sich um die Pflege ihrer Familienmitglieder kümmerten, wohnten umsonst.215

213 MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 11. Mai 1844: „Es gibt Neger welche keine Miethe zahlen und die wir aus Rücksicht nicht wegschicken können oder wollen, eine solche ist in Neuherrnhut Phoebe, in diesem und in jedem ähnlichen Fall soll das Haus nicht repariert werden. Eine andere Negerin Susanna hat ihr Haus selbst gebaut u. nur einen Teil des Materials haben wir gegeben. Es soll ihr erlaubt sein bis Ende des Jahres 1844 ohne Zins dort zu wohnen, dann aber muss sie ihn entrichten.“ 214 UA, UMD II 5b (1841). 215 MAB, EWI, C. 15.3. Beilagen zu den Protokollen der Helferkonferenz. Status der Mission 1846: „Saphyra wohnt frei so lange sie ihre alte Mutter pflegt.“

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Nr.

Name

Alter

Haus

Geburtsort

Arbeit

Familie

1

Old Maria

66

1

Emmaus

Invalid

A

2

Saphyra

44

1

Emmaus

Kindermädchen

A

3

Jung Maria

20

1a

Emmaus

Hausmädchen

4

Eunike

82

2

Emmaus

Invalid

B

5

Joseph

29

2

Emmaus

Kuhhirte

B

6

Philippus

28

2a

Emmaus

Pferdeknecht

7

Johanna

56

3

Emmaus

Invalid

C

8

Dorothea

35

3

Emmaus

Kindermädchen

C

9

Charles

Unter 5 Jahre

3

(Emmaus)

10

Helene

23

3

Emmaus

11

Catharina

39

4

Emmaus

D

(Emmaus)

D D

C

12-15 4 Kinder N.N.

Unter 5 Jahre

16

Abraham

25

4

Emmaus

17

Susannah

58

5

Emmaus

18

Mary

31

5

Emmaus

19

Isaac

23

5

Emmaus

Kuhhirte

20

Old Granny

85

6

Emmaus

Invalid

21

Thomas Johnson

22

Nathanael

23

Thisewerline free

24

Anna Maria

48

8

Emmaus

F

25

Emily

23

8a

Emmaus

F

26

Charlotte

25

8a

Emmaus

F

27

Thomas

10

8a

Emmaus

F

28

William

19

9

Emmaus

G

29

Amalie

Köchin

E

6a 52

7

E

E

E Emmaus

8

F

9

G

Tabelle 10: Übersicht über die emanzipierten Sklaven in Emmaus 1846.216

216 Basierend auf der Kalkulation von Missionar Hartwig, in: MAB, EWI, C. 15.3, Beilagen zu den Protokollen der Helferkonferenz. Status der Mission 1846. Und UA, UMD II 5b (1841). Das a bei den Häusern soll getrennte Zimmer in ein und demselben Haus darstellen.

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Zusätzlich erhielten die Invaliden 50 Cent pro Woche als finanzielle Unterstützung. Die Nutzung des größtenteils brachliegenden Ackerlandes wurde nun kostenpflichtig. Bei den Angestellten war die eventuelle Miete eines Stückes Land Teil der Gehaltsvereinbarungen, für die übrigen lag der Preis bei 50 Cent pro Monat. Die Kosten waren insgesamt so kalkuliert, dass sie durch das Einstellen der Verpflegung ausgeglichen werden konnten. In Emmaus kam es nur zu einem geringen Zuzug von Personen, die vorher nicht Sklaven der Brüdergemeine gewesen waren. Im Gegensatz zu den Angestellten der Mission mussten diese im Falle des Ausbleibens des Mietzinses oder anderen Fehlverhaltens mit einer kurzfristigen Kündigung rechnen.217 Diesen unterschiedlichen Status konnten Angestellte der Brüdergemeine nutzen, wenn sie Probleme lösen wollten. So führte die Trennung der Köchin Susannah von ihrem Mann schließlich zur Ausweisung desselben. Thomas Johnson musste den Platz innerhalb von 14 Tagen verlassen. Ihr Status als Angestellte der Mission und ehemalige Sklavin der Brüdergemeine hatte ihr in diesem Konflikt einen Vorteil gegenüber ihrem Mann gebracht.218 Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Missionsstation Emmaus durch eine homogene Siedlungsstruktur mit Nachfahren ehemaliger Sklaven gekennzeichnet. Vorherrschend waren matrifokale Mehrgenerationenhaushalte, deren Mitglieder von der Brüdergemeine gemietete Parzellen bewirtschafteten und die Überproduktion an die Mission oder nach St. Thomas verkauften. Der Befund bestätigt insoweit die Ergebnisse von Karen Fog Olwig, die von der Entstehung eines Kleinbauerntums auf St. John im Gegensatz zu der Entwicklung auf St. Thomas und St. Croix ausgeht. Anders entwickelte sich die Besiedlung in Friedensthal auf St. Croix, das aufgrund seiner günstigen Lage direkt vor Christiansted ein begehrter Siedlungsplatz war. Hier zeigt sich eine heterogene Siedlungsstruktur, die durch den Zuzug nicht zur Brüdergemeine gehörender Personen gekennzeichnet war. Ebenso wie in Emmaus, ist auch in Friedensthal der matrifokale Haushalt vorherrschend. Es gibt aber doch eine mit 32 % deutlich höhere Anzahl von am „klassischen“ europäischen Rollenbild orientierten Familien. Im Gegensatz zu Emmaus wurden die Parzellen der Missionsstation nicht vermietet, sondern ab 1856 an ehemalige Sklaven verkauft. Bei den Käufern handelte es sich meist um Familien, deren Mitglieder einem Gewerbe in Christiansted nachgingen. Am fünften November 1856 erwarb der Schmied Frederik Huyghue für den Preis von 250 Dollar eine Parzelle auf dem Land der Missionsstation Friedensthal.219 Die Vertragsbedingungen untersagten ihm einen Weiterverkauf des Landes und den Handel mit Spi217 MAB, EWI, C. 15.2, Protokolle der Helfer Konferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 11. Mai 1844: „Im allgemeinen wurde festgestellt, daß wenn Neger, welche nicht in unserem Dienst stehen, aber an einem unserer Plätze wohnen, und die Miethe schuldig bleiben wir 3 Monate Geduld mit ihnen haben wollen; dann aber sind sie auszuweisen.“ 218 MAB, EWI, C. 15.3, Beilagen zu den Protokollen der Helferkonferenz. Status der Mission 1846 von Hartwig. III. Negerhäuser: „Thomas Johnson ein schlechter Kerl, welcher von seiner eigenen Frau (der Köchin) verstoßen wird – muß den Platz innerhalb von 14 Tagen verlassen.“ 219 Virgin Islands Recorder of Deeds, Christiansted St. Croix, Book QQ, 1854–1858, S. 173.

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rituosen sowie die Organisation von öffentlichen Tanzveranstaltungen.220 Huyghue gab seinem Stück Land den Namen „Perserverance“ (Beharrlichkeit) und verdeutlichte dadurch den hohen symbolischen Charakter, den der Erwerb eines eigenen Grundstückes für ihn selbst, wie auch für andere ehemalige Sklaven in der Postemanzipationszeit hatte. Neben der symbolischen Bedeutung war der Landerwerb eine wesentliche Bedingung für die ökonomische Unabhängigkeit von der Plantagenarbeit.221 Die aus insgesamt 15 Personen bestehende Familie Huyghue machte sich ihren Landerwerb dadurch zu Nutze, dass Vater und Sohn als Schmiede in der Stadt tätig waren, während der Großteil der Frauen als Näherinnen arbeitete.222 Alle waren aufgrund ihrer Tätigkeit unabhängig von der Plantagenarbeit und die Familie war sogar in der Lage, zwei der Kinder in die Schule zu schicken. Das Grundstück wird wohl zusätzlich dazu gedient haben, durch Haltung von Kleinvieh und Anbau von Obst und Gemüse zur Ernährung der Familie beizutragen. Bis 1870 waren in ähnlicher Art und Weise acht Parzellen Land der Missionsstation Friedensthal an ehemalige Sklaven verkauft worden. Die Brüdergemeine war damit einer der äußerst wenigen Grundbesitzer, der in der Postemanzipationszeit überhaupt Land an ehemalige Sklaven verkaufte und ihnen so die Möglichkeit für eine Erwerbstätigkeit jenseits der Plantage bot.223

3.3.5. Europa – Das Nachspiel Es ist anzunehmen, dass Peter Latrobe erleichtert war, als er von der Helferkonferenz in Dänisch-Westindien über den erfolgreichen Ausgang der Verhandlungen mit Peter von Scholten informiert wurde. Die Nachricht kam im richtigen Moment. Denn kurz zuvor hatte er einen an die UAC gerichteten Brief von Thomas Clarkson erhalten, in dem dieser die Brüdergemeine aufforderte, sofortige Maßnahmen zur Freilassung ihrer Sklaven in Dänisch-Westindien und Surinam einzuleiten.224 Ausgehend von der Bedeutung, die die Mission in beiden Kolonien habe, so Clarkson, sei davon auszugehen, dass eine Freigebung der Sklaven der Mission den Emanzipationsprozess forcieren würde, ihr Festhalten am status quo hingegen

220 Ebd., Folio 201: „The owner or the owners thereof shall not be allowed to establish or allow any one else to Establishment there a shop for retailing spirituous liquors, neither shall the owners or the owner be allowed to keep public dances or allow any one to do so.“ 221 Tyson, George: Reaping the Whirlwind: Ex-Slave Planters in Post-emancipation St. Croix, Danish West Indies, in: Arnold Highfield/George Tyson (Hrsg.), Negotiating Enslavement. Perspectives on Slavery in the Danish West Indies, St. Croix 2009, S. 95–118, hier S. 95f. 222 RA, Folketællinger, Dansk Vestindien, St. Croix, Christiansted, Est. Friedensthal parcel (1870). 223 Tyson, Reaping the Whirlwind, S. 95: „The planters steadfastly resisted any attempt of the Danish colonial authorities to parcel out small-holdings, and, it would appear that for many years after Emancipation they had an informal understanding among themselves not to sell, but rather to rent, land to the ex-slaves.“ 224 MCHL, SFG Meeting 18. Dezember 1843.

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würde die Sklaverei stützen.225 Latrobe leitete das Schreiben an die UAC weiter. Doch diese war nicht gewillt, dazu Stellung zu beziehen, vielmehr wollte sie, „da man die Gesellschaft nur durch eine augenblickliche u. deshalb unausführbare Freigebung aller Sclaven befriedigen könnte, [...] sich vor einer allzu speciellen Correspondenz mit ihr [...] hüten, u. auf den Streit nicht eingehen.“226 Dies war jedoch insoweit nicht möglich, als dass die Anti-Slavery Society diesmal eine offizielle Stellungnahme der UAC erwartete.227 Auch Latrobes Nachricht an diese, dass die Freilassung der Missionssklaven in Dänisch-Westindien nun eingeleitet sei, änderte nichts an diesem Wunsch.228 Latrobe konnte an diesem Punkt nicht mehr viel unternehmen. Es war absehbar, dass die bisherige Politik der UAC, die darauf aus war, eine öffentliche Stellungnahme zu verhindern, diesmal nicht erfolgreich sein sollte. Das Komitee schien sich nicht mit allgemeinen Erklärungen beschwichtigen zu lassen. Vermutlich auch, weil Alexander und Wiffen sich unzufrieden über ihren Besuch in Berthelsdorf und über die im Folgenden schlechte Kooperation mit der UAC geäußert hatten.229 Die Mitglieder des Komitees wurden von ihnen daran erinnert, wie ähnlich zögerlich die UAC bereits bei der Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonien agiert hatte. Unter diesen Umständen war die Ältestenkonferenz gezwungen, ein offizielles Statement zu geben. Im Februar 1844 sandte sie ihre Antwort auf das Schreiben Clarksons an Latrobe, der dieses übersetzte und Original sowie Übersetzung an die Anti-Slavery Society weiterleitete.230 Das vom Vorsitzenden der UAC Frederick Curie verfasste Schreiben beendete fürs Erste den Konflikt zwischen der Brüdergemeine und der Anti-Slavery Society. Um die öffentliche Reputation der Mission wieder herzustellen, wurde der Brief Curies zusammen mit dem Clarksons im Anti-Slavery Reporter veröffentlicht.231 Für die Brüdergemeine bedeutete die Veröffentlichung des Briefwechsels, der unter dem Titel „Release of the Slaves held by the Moravian Missionaries“ auf der ersten Seite der Zeitschrift 225 Thomas Clarkson an die UAC, 24. November 1843, in: The British and Foreign Anti-Slavery Reporter, 6. März 1844: „Most forcible does it strike us, that the Brethren are thus placed in a situation at once of high privilege and serious responsibility; of privilege, inasmuch as the fulfilment of their own duty might lead to the entire abolition of slavery in the Dutch and Danish colonies – of responsibility, inasmuch as the sanction derived from their continued practice of slave-holding may be the principal means of perpetuating that dreadful system of oppression and wrong.“ Vgl. Lampe, Mission or Submission, S. 73f. 226 UA, UAC, 16. Dezember 1843, S. 267. 227 Bodleian Library Oxford, Rhodes House, MSS Brit. Emp. s. 20, Anti-Slavery Society, Minute Books. E2/7 Vol. II (28.10.1842–01.10.1847). Meeting 8. Dezember 1843, S. 138. 228 Ebd., Meeting 26. Januar 1844: „A Letter from Br. Latrobe was read, carrying the very gratifying information that arrangements are in progress for the emancipation of the slaves, belonging to the Moravian Brethren in the Danish West India Islands: the subject is continued waiting a reply to the letter of the Committee addressed to the Elders of the Brethren at Herrnhut.“ 229 UA, UAC, 23. Januar 1844, S. 77. 230 MCHL, SFG Meeting 4. März 1844. 231 Release of Slaves held by the Moravian Missionaries, in: The British and Foreign AntiSlavery Reporter, 6. März 1844, S. 33f.

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abgedruckt wurde, einen Erfolg für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Bei einer genaueren Analyse von Curies Brief wird jedoch deutlich, dass es sich dabei, wie von einem Kritiker formuliert, um „sugary words with no meaning“ handelte.232 Dennoch sorgte das Schreiben dafür, dass sich die öffentliche Meinung zugunsten der Brüdergemeine aussprach. Als Samuel Laing, ein schottischer Reiseschriftsteller und Abolitionist, sich im Oktober 1844 an die Edingburgh Society for the Aid of the Moravian Missions wandte, um Informationen über den Sklavenbesitz der Mission zu erhalten, und darauf hinwies, dass die Missionare Sklavenhalter seien, wurde er zurechtgewiesen. Laings Formulierung, „that the United Brethren are Slaveholders“ sei „a complete misapprehension of the real facts.“233 William Brown, der Sekretär der Edingburgher Unterstützungsgesellschaft, leitete zusätzlich einen Brief Latrobes und eine Kopie des Anti-Slavery Reporters mit Curies Stellungnahme an Laing weiter. Obwohl Laing seine Vorwürfe in den Schreiben von Curie und Latrobe bestätigt sah, folgte niemand seiner Argumentation. Dabei schrieb Curie selbst, dass hinsichtlich der Sklaverei keine einheitliche Position der Kirche existiere „and in reference to which the synods of our church have hitherto pronounced no judgement.“234 Wo in der Welt, so Laing, gäbe es außer in Herrnhut noch eine Kirche, die Sklaverei nicht verurteile?235 Den Mitgliedern des Komittees warf er Gleichgültigkeit vor und stellte die Frage, ob sie denn überhaupt das Schreiben Latrobes gelesen hätten, in dem dieser den Sklavenbesitz der Mission bestätigte.236 Laings Fazit war bitter, fragte er sich doch, warum der Sklavenbesitz englischer Privatleute und die Einfuhr von dänischem Zucker verurteilt wurden, die Mission aber eine Sonderstellung genieße.237 Wieder einmal „the sugar hogshead has outweighed the Gospel.“238 Um dennoch die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Umstände zu informieren, veröffentlichte Laing seinen Briefwechsel mit dem Sekretär der Edingburgh Society for the Aid of the Moravian Missions. Das positive öffentliche Bild der Mission konnte er dadurch jedoch nicht mehr diskreditieren. Nach 1844 sind in

232 Slave-Holding Missionaries. Correspondence of Mr. S. Laing, with the Secretary of the Edingburgh Association in Aid of the United Brethren’s (Moravian) Missions, on their Holding Slaves at their Missionary Stations, in the Danish West India Islands, Edingburgh 1844, S. 8. 233 Ebd. 234 Release of Slaves held by the Moravian Missionaries, in: The British and Foreign AntiSlavery Reporter, 6. März 1844, S. 33. 235 Slave-Holding Missionaries. Correspondence of Mr. S. Laing, with the Secretary of the Edingburgh Association in Aid of the United Brethren’s (Moravian) Missions, on their Holding Slaves at their Missionary Stations, in the Danish West India Islands, Edingburgh 1844, S. 22: „Where, in the Christian world, but at Herrnhut, is there a Synod of a Protestant Church that has not given its judgement that slave-holding is a sin.“ 236 Ebd., S. 10, Latrobe: „that the United Brethren, were, and at the present are Slaveholders in the Danish and Dutch Colonies.“ 237 Zur Diskussion eines Einfuhrverbotes von dänischem Zucker vgl. House of Commons Parliamentary Papers. House of Commons Hansard, Commons Sitting of Thursday June 20th 1844, S. 1114–1168. 238 Laing, Slave-Holding Missionaries, S. 18.

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der britischen Öffentlichkeit keine Schriften mehr erschienen, die den Sklavenbesitz der Mission anprangerten.

3.4. SURINAM Die Freilassung der eigenen Sklaven war von der Brüdergemeine in Surinam nicht weiter verfolgt worden, seitdem die dortige Helferkonferenz 1831 dieses aufgrund der kolonialen Verhältnisse als unmöglich erachtete.239 Der tatsächliche Grund scheint eher die wirtschaftliche Abhängigkeit der missionseigenen Betriebe von Sklavenarbeit gewesen zu sein, da der eigentliche Rechtsakt der Freilassung einzelner Sklaven auch in Surinam möglich war.240 Die Freigebung musste im Vorhinein genehmigt und öffentlich bekannt gemacht werden241 und der oder die Freizulassende musste nachweisen, dass er oder sie eine Kaution von 300 bis 500 Gulden aufbringen konnte. Dieser Betrag sollte für den Fall, dass die ehemaligen Sklaven nicht in der Lage waren ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, als Sicherheit dienen. Auch wenn die Freilassung einzelner Sklaven grundsätzlich möglich war, so war die Kolonialgesellschaft mehrheitlich gegen eine generelle Sklavenemanzipation eingestellt. Vor 1833 war die Möglichkeit einer generellen Sklavenemanzipation von der niederländischen Regierung nie ernsthaft in Betracht gezogen worden.242 Die Pflanzer lehnten die Sklavenemanzipation ab und im Gegensatz zu Großbritannien gab es in den Niederlanden keine starke Abolitionsbewegung.243 Das lag unter anderem daran, dass es sich bei den Plantagenbesitzern in Surinam nicht um Niederländer, sondern hauptsächlich um Pflanzer portugiesischen, deutschen und britischen Ursprungs handelte,244 man kann wie in den dänischen Kolonien von einem „empire without dominion“245 sprechen. Zudem waren Kolonie und Metropole nur lose miteinander verbunden und eine Gruppe westindischer Interessenvertreter, ähnlich der West India Interests Group im britischen Parlament, trat in den Niederlanden nicht hervor.246 Die briti239 UA, UAC, 21 Juni 1831, S. 221. 240 Brana-Shute, Rosemary: Approaching Freedom. The Manumission of Slaves in Suriname 1760–1828, in: Slavery and Abolition (10) 1989, S. 40–63. Zum Argument der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Mission in Suriname von Sklavenarbeit vgl. Lenders, Strijders, S. 218. 241 Brana-Shute, Approaching Freedom, S. 42. 242 Siwpersad, Jozef: Emancipation in British Guyana and its Influence on Dutch Policy Regarding Surinam, in: Richardson, David (Hrsg.), Abolition and its Aftermath. The Historical Context, 1790–1916, London 1985, S. 169–180, hier S. 169. 243 Erste abolitionistische Impulse gab es erst in den 1840er Jahren, diese waren aber auch maßgeblich von der britischen Antisklavereibewegung beeinflusst. Vgl. Stipriaan, Alex van: Suriname and the Abolition of Slavery, in: Oostindie, Gert (Hrsg.) Fifty Years Later. Antislavery, Capitalism and Modernity in the Dutch Orbit, Leiden 1995, S. 117–141, hier 131f. Lenders, Strijders, S. 215f. 244 Stipriaan, Suriname and the Abolition, S. 125. 245 Hall, Slave Societies, S. 4f. 246 Stipriaan, Suriname and the Abolition, S. 136–138, betont die relative wirtschaftliche Unwichtigkeit Surinames für die Niederlande und weist darauf hin, dass Produkte aus Surinam

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sche Sklavenemanzipation in Nachbarland Guyana empfand die Kolonialregierung als Bedrohung, obwohl die Zahl der Fluchtversuche von Sklaven nach dem Ende der apprenticeship dort kaum anstieg.247 Auch wenn keine Sklavenrebellionen wie in der britischen und dänischen Karibik den Emanzipationsprozess beeinflussten, so gab es doch mehrere geplante Rebellionen, Unruhen und vermehrten Sklavenwiderstand.248 Die Situation verschärfte sich nach der Sklavenemanzipation in Französisch-Guyana, als Surinam eine der wenigen karibischen Kolonien blieb, in denen es noch Sklaverei gab.249 Die Sklavenemanzipation wurde jedoch erst 1862 vom niederländischen Parlament beschlossen, nachdem es sich auf eine Kompensation der Pflanzer und eine apprenticeship Phase für Surinam geeinigt hatte.250 Erst wenige Jahre vor der britischen Sklavenemanzipation wurde die Brüdergemeine mit der Erweiterung ihrer Missionstätigkeit auf die Plantagen beauftragt.251 Das Ziel der Missionstätigkeit sollte sein, dass die Sklaven treu ihren Herrn dienten und nicht ihre Vorbereitung zur Freiheit.252

3.4.1. Paramaribo – Niels Otto Tank Das nach außen freundschaftliche Verhältnis, das die Anti-Slavery Society und die Brüdergemeine nach der Veröffentlichung im Anti-Slavery Reporter Anfang 1844 verband, wurde schon bald getrübt. Bereits im Dezember 1844 erhielt das Komitee der Anti-Slavery Society die Nachricht, dass die Missionare in Surinam immer noch Sklaven kaufen würden.253 Diese Informationen waren vermutlich die Folge

247

248 249

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am niederländischen Markt keine Protektion gegenüber der europäischen Konkurenz erhielten. Im Gegensatz dazu vermutet Lampe, Mission or Submission, S. 25, dass die niederländische Gesellschaft stark mit dem Sklavereisystem in den Kolonien verbunden war und die kaum vorhandene Abolitionsbewegung eher dem Fehlen großer Sklavenaufstände im 19 Jh. zuzuschreiben ist. Siwpersad, Emancipation, S. 170. Die Zahl der erfolgreichen Fluchten ist mit 400–450 im Zeitraum von 1834–1863 allerdings äußerst gering und machte im Verhältnis nur 1% von Surinames Sklavenpopulation im Jahr 1862 aus. Ebd., S. 169–171. Stipriaan, Suriname and the Abolition, S. 132–135. Stipriaan, Suriname and the Abolition, S. 138: „Now Suriname became one of the remaining anomalies in the Caribbean and found itself surrounded by ‘emancipated’ plantation colonies.“ Kuitenbrouwer, Maarten: The Dutch Case of Antislavery. Late and Èlitist Abolitionism, in: Oostindie, Gert (Hrsg.) Fifty Years Later. Antislavery, Capitalism and Modernity in the Dutch Orbit, Leiden 1995,S. 66–88, hier S. 77. Die Entschädigung für die Pflanzer belief sich insgesamt auf 12 Millionen Gulden, in den niederländischen Antillen gab es im Gegensatz zu Suriname keine apprenticeship. Lenders, Strijders, S. 212f.; Lampe, Mission or Submission, S. 40f. Lampe, Mission or Submission, S. 40: „The aim was not to educate the slaves to be free, but to be obedient.“ Bodleian Library Oxford, Rhodes House, MSS Brit. Emp. S. 20, Anti-Slavery Society, Minute Books. E2/7 Vol. II (28.10.1842–01.10.1847). Meeting 6. Dezember 1844, S. 212. Die

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einer Kampagne, mit der sich die Gesellschaft an englische Sklavenbesitzer im westlichen Surinam gerichtet hatte.254 Damit verstießen die Missionare sowohl gegen das von der UAC der Anti-Slavery Society 1832 gegebene Versprechen als auch gegen den Beschluss der Synode von 1836, der dieses ausdrücklich verbot. Zusätzlich sorgten die öffentlichen Angriffe Samuel Laings dafür, dass Latrobe die UAC zur sofortigen Freilassung der eigenen Sklaven in Surinam aufforderte.255 In Surinam war für den Kauf der Missionar Niels Otto Tank verantwortlich.256 Im März 1844 hatte er für die von der Mission neu erworbene Plantage Beekhuizen drei Sklaven gekauft,257 und sprach sich auch dafür aus, weitere Ankäufe zu tätigen.258 Er schlug sogar vor, den Ankauf von Sklaven unabhängigen Privatleuten stellvertretend für die Mission zu genehmigen.259 In der Missionshistoriographie nimmt der 1800 in Norwegen geborene Tank einen prominenten Platz als Wegbereiter der Sklavenemanzipation ein.260 Tank verabscheute zwar die grausamen Auswüchse der Sklaverei, sah aber in ihr ein Mittel zum heiligen Zweck, das Christentum unter den Sklaven zu verbreiten.261 Im Übrigen teilte er die Befürchtung, dass die Sklavenemanzipation zu einem ökonomischen Kollaps führen würde, weil die ehemaligen Sklaven die Arbeit verweigern würden. Diese Einstellung tritt auch deutlich in Tanks Briefen und Protokollen zutage, die er als Sachverwalter der ökonomischen Angelegenheiten der Mission in Paramaribo mit dem Missionsdepartement austauschte.262 Im Kontrast zur Heroisierung der Person Tanks in der Missionshistoriographie ist deswegen der Einschätzung Lampes zu folgen, dass „Tank in fact not a theologician of freedom but of slavery“ gewesen sei.263 Mit dieser Position stand er allerdings nicht allein da. Unter den Missionaren in Surinam war es noch 1844 die vorherrschende Meinung, dass die eige-

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Anti-Slavery Society wandte sich darauf im Januar 1845 über Latrobe an die UAC, vgl. Lenders, Strijders, S. 219, FN 163. Lenders, Strijders, S. 219. UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 18. Juni 1845. UA, UMD II 15 (1842), Tank an Roederer, 20. März 1842. Vgl. Lampe, Mission or Submission, S. 76. Lampe, Mission or Submission, S. 76: „The only so called prophetical figure of the Moravian mission was still purchasing slaves in 1844.“ UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 7. Juni 1844: „Br. Tank wünscht, daß das Verbot des Neuankaufs aufgehoben, u. den Brüdern hierin Freiheit zu handeln erstattet werde, was aber weder die UAC noch das Miss. Dep. zuzugeben im Stande ist.“ UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 27. Februar 1847. Vgl. Linde, Jan Marinus van der: De Emancipatie van de Negerslaven en Suriname en de Zendingsarbeid der Moravische Broeders, in: New West Indian Guide/ Nieuw West Indische Gids 34 (1953), S. 23–37, hier 29f. Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 210f., bezeichnet Tank als „Anwalt der Sklaven.“ Lampe, Mission or Submission, S. 72: „In this way slavery was the lesser evil, as it made it possible to achieve the highest goal: the spreading of the gospel.“ UA, UMD II 15 (1842), Bemerkungen zu den Rechnungsabschlüssen aus Paramaribo 1842, Tank an Roederer, 20. März 1842. Lampe, Mission or Submission, S. 75.

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nen Sklaven „gegenwärtig noch auf einer viel zu niederen Stufe geistiger Ausbildung stehen, um nicht die Freiheit wenn sie ihnen gegeben würde zu mißbrauchen.“264 Als Vorsteher der ökonomischen Angelegenheiten der Mission nahm Tank jedoch eine exponierte Stellung unter den Missionaren ein, in der er sich als Verfechter der Sklaverei auch gegenüber der Anti-Slavery Society angreifbar machte.265 Die Kritik der Missionsdiakonie, die seinen Ankauf weiterer Sklaven missbilligt hatte, konnte Tank nicht nachvollziehen.266 Er berief sich darauf, bei seiner Abreise nach Surinam keine Anweisung erhalten zu haben, die den An- und Verkauf von Sklaven verbot. Sowohl seine Vorgänger im Amt, als auch seine Kollegen hätten ihn davon nicht unterrichtet.267 Tanks Ausführungen sind glaubhaft, schließlich wurde die Missionsdiakonie in seinen Briefen über den An- und Verkauf informiert.268 Das Tank die Schuld zugeschoben wurde, liegt vielmehr in einem internen Konflikt der Brüder in Surinam untereinander und seiner exponierten Stellung begründet, als in einer grundsätzlichen Ablehnung der Sklaverei durch die Mission. In seinen Briefen und in den Protokollen der Missionsdiakonie wird wiederholt von Zerwürfnissen zwischen Tank und den anderen Missionaren berichtet.269 Für Tank trifft der Konflikt zwischen persönlichem Eifer und institutioneller Kontrolle zu, den Jon Miller in seiner Studie zur Basler Mission an der Goldküste beschrieben hat.270 Seine Handlungen als Vorsteher der ökonomischen Angelegenheiten waren bestimmt von der Überzeugung, das Beste für die Mission in Surinam zu leisten. Dabei verstieß er unwissentlich oder wissentlich gegen die Statuten der Brüdergemeine, die einen Ankauf von Sklaven verbot. Dieses Verbot scheint aber nicht in dem Maße durchgesetzt worden zu sein, als das es in den Missionsgebieten eingehalten wurde. Schließlich hatte bisher weder die UAC noch die Synode die Sklaverei als unvereinbar mit den Grundsätzen der Mission erklärt. Zudem wurde Tanks Entscheidung von der Gemeinschaft der Missionare in Surinam mitgetragen, die mehrheitlich davon überzeugt waren, dass es für eine Emanzipation der Sklaven noch zu früh sei. Zum Verhängnis wurde Tank letztlich seine exponierte Stellung innerhalb der Mission und seine isolierte Position in der Gruppe der Missionare. Er neigte dazu, seine Meinung öffentlich zu vertreten, ganz im Gegensatz zur Herrnhuter Überzeugung, niemals in politische Angele-

264 UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 7. Juni 1844. Lenders, Strijders, S. 219. 265 Lampe, Mission or Submission, S. 72. UA, R 15 A 65 XVI. Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 27. Februar 1846. 266 UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 27. Februar 1846 . 267 Ebd.: „Ferner sagt Br. Tank, es sei ihm bei seiner Abfertigung kein Verbot, Sclaven auf die Bedingungen seiner beiden Vorgänger hinzuzukaufen bekannt gemacht worden, weshalb er es sich nicht zurechtlegen könne, daß ihm diese Handlungen persönlich zur Last fallen sollten, zumal er dieselben in Übereinstimmung mit seinen Collegen unternommen habe.“ 268 UA, UMD II 15 (1842), Tank an Roederer (Beilage), 20. März 1842. 269 UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 27 Februar 1846. 270 Miller, Missionary Zeal, S. 172–177.

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genheiten zu intervenieren.271 Auch sein nach der Abberufung aus Surinam 1848 an die Plantagenbesitzer gerichtetes Schreiben in dem er die Weigerung der Pflanzer kritisierte, ihren Sklaven den Zugang zur christlichen Lehre zu ermöglichen, ist in diesem Zusammenhang zu sehen.272 Eine Abschaffung der Sklaverei strebte Tank damit jedoch nicht an.273 Dies wird vor allem durch seinen biographischen Hintergrund begründet sein. Hineingeboren in eine Familie einflussreicher Geschäftsleute und hoher Regierungsbeamter, wandte sich Tank erst nach dem Bankrott der Familie von der Politik ab und der Brüdergemeine zu.274 Seine Familienbiographie unterschied sich von der der meisten seiner Mitbrüder und mag zusätzlich zu seiner Isolation beigetragen haben. Tank war nun dafür verantwortlich, die Freilassung der Sklaven gegen seine eigene Überzeugung vorzubereiten. Die Missionsdiakonie war sich bewusst, dass Tank nicht der beste Unterhändler für diese Aufgabe war, weil er selbst ein Verfechter der Sklaverei war. So bezeichnete sie ihn als jemanden, „der dem Sclavensystem bisher das Wort geredet ha[be].“275 Tank schlug vor, den Sklavenbesitz auf eine Gesellschaft oder Stiftung so zu übertragen, dass die Brüdergemeine weiter die Verfügungsgewalt behielte und dadurch über die nötigen Arbeitskräfte verfügen könne.276 Diese Gesellschaft, welche dem Zweck der Bildung und Freimachung der Sklaven dienen sollte, würde nur nominell Eigentümer werden, Spenden an diese könnten zur Finanzierung der Freilassung verwendet werden. Durch diese Maßnahme würde die Mission Geld sparen und könnte den benötigten Bedarf an Arbeitern weiter decken. Die Kirchenleitung befürchtete allerdings, dass der Vorschlag nicht genügen würde, um die Forderungen der Anti-Slavery Society zu erfüllen. Sie entschloss sich für eine sukzessive Freigebung der Sklaven. Im Juli 1846 wurden die 61 Sklaven der Mission in das Vrijdomsregister eingeschrieben, um ihre

271 Lampe, Mission or Submission, S. 72: „As he was constantly attacked by the British abolitionists, who sent him two letters (…) expressing their opinion about the ‘Sklavensache’ Tank felt obliged to once again take up the slavery issue.“ 272 UA, R 15 La 42 (25), Aan de Heeren Eigenaars en Administrateurs van Plantaadjes in de Kolonie Suriname 1848: „Vrijen toegang tot de Negers te geven, en te doen geven, ook in hunne woningen, en hen in de gelegenheid te stellen, om aan de Negers, zoowel aan kinderen als volwassenen, een zooveel mogelijk volledig en ook vrij onderwijs te geven.“ 273 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 96. 274 Die Familie Tank hatte Beziehungen zu pietistisch gesinnten Lutheranern in Norwegen und Nils Otto Tank kam während seiner Erziehung auch mit der Brüdergemeine in Kontakt. Ein erster Besuch in Herrnhut erfolgte 1826, um Aufnahme in die Gemeinde bat er 1833, nach dem Bankrott der Familie 1828. Die Rückberufung Tanks aus Surinam erfolgte nach dem Tod seiner ersten Frau und steht nicht im Zusammenhang zu seinem Brief an die niederländischen Plantagenbesitzer. 275 UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 3. Januar 1845. 276 UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 27. Februar 1846: „Entweder unsere sämtlichen Sklaven an eine Genotschap od. Maatschapey oder Fideikommis zum freithun oder nicht freithun so zu übertragen, daß wir ferner die Direction über sie behielten, aber zugleich der nominelle Besitz an eine Gesellschaft, die einen Zweck zur Freimachung u. geistlichen Bildung der Sclaven hätte uns mit den nötigen Negern versehen könne.“

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Freigebung einzuleiten.277 In seinem Tagebuch vermerkte Tanks Nachfolger Wilhelm Treu daraufhin „Wir haben keinen Sklavenbesitz mehr.“278 Die ersten Sklaven erhielten 1847 ihren Freibrief, die letzten aber erst 1859, wenige Jahre vor der Emanzipation. Selbst nach dem Erhalt des Freibriefs brauchten sie noch mehrere Jahre, um ihren Einkaufspreis abzuarbeiten.279 Zur Unterstützung der Mission in Surinam war 1828 in den Niederlanden die Haagsche Maatschapij gegründet worden. Diese sammelte Geld in einem Fond, aus welchem die Brüdergemeine in den 40 Jahren des Bestehens der Gesellschaft ca. 200.000 Gulden erhielt.280 Diese Hilfsgesellschaft sollte im Zuge der Reorganisation der Missionswirtschaft nun auch dazu genutzt werden, den durch die Freilassung der Sklaven entstandenen Verlust an Arbeitern auszugleichen. Heinrich Wilhelm Pfenninger, der nach Tank die ökonomischen Angelegenheiten der Mission verwaltete, schlug vor, über die Haagsche Maatschapij einige Sklaven zu ersteigern, die neben dem allgemeinen Dienst als Bootsneger den Brüdern auch zur Bewirtschaftung ihrer neuerworbenen Plantage Beekhuizen zur Verfügung stehen sollten.281 Die UAC genehmigte dieses Verfahren im Nachhinein und billigte somit genauso wie die Missionare in Surinam den Rückgriff auf Sklavenarbeit. Der direkte Ankauf von Sklaven wurde zwar auf diese Art und Weise vermieden, aber die Mission in Surinam profitierte weiterhin von Sklavenarbeit.

3.5. EUROPA: DIE BRÜDERGEMEINE UND DIE ANTI-SLAVERY SOCIETY Bereits im November 1843, zu einem Zeitpunkt als die Sklaven in DänischWestindien ihre Freiheit erhielten, hatte die UAC eine Nachricht von den Missionaren aus Paramaribo erhalten, dass „2 viel Noth machende Neger verkauft u. 2 bessere an ihrer Stelle gekauft worden seien“.282 Die Kirchenleitung erinnerte die Missionare in Surinam an das An- und Verkaufsverbot.283 Allerdings äußerten 277 Lenders, Strijders, S. 220. Von den 61 Sklaven waren 19 im Besitz der missionseigenen Firma Kersten u. Co. und 42 im Besitz der Mission. 278 Zitiert nach Lenders, Strijders, S. 220: „Wij hebben geen slavenbezit meer.“ 279 Ebd. 280 Zeefuik, Herrnhutter zending, S. 176–78. Auch als Maatschappij tot bevordering van het godsdienstig onderwijs onder de slavenbevolking in de kolonie Suriname [Gesellschaft zur Förderung des religiösen Unterrichts der Sklavenbevölkerung in der Kolonie Suriname] bekannt. Von den in den ersten 15 Jahren eingesammelten Spendengeldern wurden 80% in den Niederlanden eingeworben. 281 UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 8 Juni 1846: „Fanden wir uns bewogen den Verein zu bitten uns bei dieser Gelegenheit einige Neger in Vorrath zu kaufen, die dann successive in die Reihe der von ihnen unterhaltenen Bootsneger bei entstehender Lücke einrücken, u. einstweilen sonst beschäftigt werden könnten. Dies ist geschehen u. der Verein ließ in Auction 4 Mann Neger kaufen, welche sogleich auf seinen Namen in die Register eingetragen wurden.“ 282 UA, UAC, 16 November 1843, S. 163f. 283 UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 7 Juni 1844.

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sich diese noch 1844 gegenüber der UAC, „daß die Freigebung der Neger, welche noch viel zu wenig vorgebildet sind, um ihre Freiheit nicht zu missbrauchen, diesen selbst zum geistlichen und leiblichen Schaden ausschlagen, der Wirksamkeit der Missionare auf den Plantagen die größten Hindernisse entgegenstellen, […] u. das Fortbestehen der Mission überhaupt gefährden würde.“284 Dieser Argumentation schloss sich die UAC an, da sie nicht absehbaren Schaden für das ökonomische Bestehen der Mission befürchtete.285 Gegenüber der Anti-Slavery Society wiederholte sie diese Argumentation und verweigerte sich einer kurzfristigen Freigebung ihrer Missionssklaven. Der Ankauf von Sklaven, so wurde von der UAC betont, sei gegen ihre eigene Anweisung und ohne ihr Wissen geschehen.286 Eine Aussage, die zumindest im Hinblick auf die bei der Missionsdiakonie eingegangenen Rechnungsabschlüsse aus Paramaribo zweifelhaft ist. Erst als Peter Latrobe im Januar 1845 von den in England durch Samuel Laing verbreiteten und der Anti-Slavery Society bekannt gemachten Vorwürfen berichtete drängte die Kirchenleitung auf eine Freilassung der Missionssklaven.287 Denn nun merkte sie, dass nicht nur in England, sondern auch in Deutschland die Stimmung gegen die Sklaverei zunahm.288 Erstmals erklärte die Kirchenleitung, dass die Sklaverei unvereinbar „mit den Grundsätzen einer religiösen Gemeinschaft wie der Brüdergemeinschaft“ sei.289 Selbst dieses Zugeständnis an die Abolitionsbewegung wurde aber niemals Publik gemacht und auch nicht auf der folgenden Synode diskutiert. Letztlich bestand für die Brüdergemeine kein Widerspruch darin, auch unter diesem Diktum auf Sklavenarbeit zurückzugreifen, wie der Ankauf von Sklaven durch die Haagsche Maatschapij zeigt. Auch nach der eingeleiteten Freigebung der Missionssklaven in Surinam wurde die Verstrickung der Mission in das Sklavensystem innerhalb der Gemeinde intensiv diskutiert. Ungewöhnlich deutlich trat an dieser Stelle Heinrich Buchner hervor, der sich nicht nur in seinem Buch Moravians in Jamaica kritisch mit der Geschichte der Mission auseinandersetzte,290 sondern auch wiederholt an die Kirchenleitung Anfragen bezüglich des eigenen Sklavenbesitzes stellte.291 Buchners Aufforderungen die Sklaverei auf der Synode 1857 zu thematisieren wurde von der Ältestenkonferenz abgelehnt.292 Er war, wie Jirka Bethke betont, einer der wenigen, offen für die Sklavenemanzipation eintretenden Herrnhuter.293 Seine Forderungen wurden allerdings von der reaktionär agierenden Ältestenkonferenz

284 285 286 287 288 289 290 291

UA, UAC, 18. Juni 1844, S. 251f. UA, UAC, 18. Juni 1844, S. 251f. Lampe, Mission or Submission, S. 76f. UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 3 Januar 1845. UA, R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1843–1851, 18 Juni 1845. Ebd. Buchner, John Henry: The Moravians in Jamaica, London 1854. Bethke, Jirka: Die Emanzipationsrebellion der Sklaven in Jamaika, Hannover 2010 (=unveröffentlichte Magisterarbeit), S. 87–91. 292 Ebd., S. 88. 293 Ebd., S. 87.

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abgelehnt. Dabei war Buchner damit im Recht, dass das Problem des Sklavenbesitzes für die Brüdergemeine noch nicht gelöst worden war. Im September 1863 verstarb Peter Latrobe während eines Aufenthaltes in Herrnhut. Sein Wirken als Sekretär der SFG ist maßgeblich von dem Konflikt zwischen der Brüdergemeine und Abolitionsbewegung mitgeprägt worden. Ob Latrobe deshalb als Abolitionist bezeichnet werden kann hängt vom jeweiligen Standpunkt ab. Für die Kirchenleitung war er ein Sympathisant der Abolitionsbewegung, sein Drängen Schritte zur Abschaffung der Sklaverei in der Mission zu unternehmen wurde auf sein englisches Umfeld zurückgeführt. Zumindest den extremen Abolitionisten stand Latrobe selbst aber ablehnend gegenüber. Zwar drängte er im Fall von Dänisch-Westindien und Surinam auf eine Freilassung der eigenen Sklaven, allerdings geschah dies aufgrund der Folgen die ein Festhalten am Sklavenbesitz für die Finanzierung der Mission gehabt hätte und nicht aus humanitären Motiven. Latrobe lehnte die Sklaverei aus moralischen Gründen ab, sah sie aber als vereinbar mit der von Gott vorgegebenen weltlichen Ordnung an. Eine weit verbreitete Position in der Brüdergemeine.294

294 Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, 83f.

4. NACH DER SKLAVEREI – MISSION UND SKLAVENEMANZIPATION IN BRITISCH UND DÄNISCH-WESTINDIEN Die beiden vorherigen Kapitel haben das Verhältnis der Brüdergemeine zu Sklaverei und Sklavenemanzipation anhand ihrer Rolle als Sklavenhalter untersucht. Der Fokus lag dabei auf den Beziehungen der Missionare zu ihren eigenen Sklaven, bzw. in den Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Abolitionsbewegung. Das folgende Kapitel hat einen breiteren Ansatz, weil es die Interaktionen zwischen Missionaren und der Missionsgemeinde in den britischen und dänischen Kolonien zur Zeit der Abschaffung der Sklaverei untersucht. Der Fokus liegt auf den komplexen Beziehungen zwischen Missionaren und afrokaribischen Gemeindemitgliedern im Missionsfeld. Die Sklavenemanzipation wurde von den Missionaren der Brüdergemeine als Chance wahrgenommen, ihre Missionstätigkeit unter den ehemaligen Sklaven weiter auszudehnen. Auch wenn die Herrnhuter Brüdergemeine über keinen abolitionistischen Impetus, wie etwa Baptisten und Methodisten, verfügte und auch deutlich skeptischer in der Beurteilung der „Entwicklungsfähigkeit“ der ehemaligen Sklaven war, so verfolgte sie doch hinsichtlich der Missionstätigkeit ähnliche Ziele. Von ihren Gemeindemitgliedern erwarteten die Missionare, wie Claus Füllberg-Stolberg betont, die „Distanzierung von ihrer ‚heidnischen‘ afrikanischen Vergangenheit und die Bereitschaft zur Zivilisierung nach den Werten und Normen des christlichen Abendlandes.“1 Das Streben nach der Durchsetzung dieser Ziele in der Missionsgemeinde teilten die Missionare der Brüdergemeine mit ihren baptistischen und methodistischen Kollegen.2 Der ideologisch motivierte Zwang der Mission zur Anpassung der ehemaligen Sklaven an europäische Normen und Werte wurde von den kolonialen Eliten als willkommenes Instrumentarium struktureller Gewalt erkannt.3 Schon während der 1 2

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Füllberg-Stolberg, Claus: Britisch- und Dänisch-Westindien nach der Sklaverei, in: Comparativ 17 (2007), S. 38–78, hier S. 56. Hall, Catherine: Civilising Subjects. Metropole and Colony in the English Imagination 1830– 1867, Chicago/London 2002, S. 115–139; Olwig, Karen Fog: Global Culture, Island Identity. Continuity and Change in the Afro-Caribbean Community of Nevis, Chur u.a. 2002, hier S. 80–82. Füllberg-Stolberg, Britisch- und Dänisch-Westindien, S. 54: „Dazu [zu Formen der strukturellen Gewalt] gehörten aber auch Maßnahmen der kulturellen Infiltration, der ideologischen Zurichtung und Anpassung an die Werte und Normen der christlich geprägten europäischen Gesellschaften.“; Stipriaan, Alex van: July 1, Emancipation Day in Suriname. A Contested ‘lieu de mémoire’ 1863–2003, in: New West Indian Guide/ Nieuw West Indische Gids 78 (2004), S. 269–304, hier S. 272: „Nevertheless, the Moravian Brethren were the guardians of a morality that was perfectly in line with postslavery colonial interests.“

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Sklaverei war die Herrnhuter Missionstheologie, die den Sklaven „obedience to their masters“ predigte, von den Pflanzern positiv aufgenommen worden.4 Nach der Abschaffung der Sklaverei waren neue Zwangsmittel nötig, um die ehemaligen Sklaven als günstige und gefügige Arbeitskräfte an die Plantagen zu binden. In diesem Sinne wurde die Mission der Brüdergemeine, wie Alex van Stipriaan es formuliert, „guardians of a morality that was perfectly in line with postslavery colonial interests.“5 Die Missionsstätigkeit sollte die Sklaven nicht nur für die Freiheit vorbereiten, sondern sie auch nach der Emanzipation immer wieder daran erinnern, dass nur jene, die ein Leben nach den normativen Vorgaben der Missionsideologie führten, wirklich frei waren. Die Forderung nach körperlicher Freiheit rückte dabei wie zur Zeit der Sklaverei in den Hintergrund.6 Diese kritische Position der neueren Forschung steht im Kontrast zur Missionshistoriographie. In ihrer eigenen Darstellung betont die Brüdergemeine durch friedliche Vorbereitung innerhalb des Sklavereisystems, auf die Befreiung der Sklaven hingearbeitet zu haben.7 Dabei wird besonders auf die Erfolge der Mission im Bildungswesen und die Unterstützung einer gewaltfreien Übergangsphase von der Sklaverei zur Freiheit verwiesen.8 Die leitende Frage dieses Kapitels ist es, ob die Mission tatsächlich als die Basis für das Entstehen einer neuen demokratischen Gesellschaftsordnung angesehen werden kann, oder ob sie nicht im Gegenteil ein Instrumentarium struktureller Gewalt des Kolonialstaats in der Postemanzipationszeit bildete. Der regionale Schwerpunkt liegt auf Britisch- und Dänisch-Westindien, insbesondere St. Kitts und St. Croix. Beide Inseln verfügten im 19. Jahrhundert über eine ähnliche Wirtschafts- und Sozialstruktur und vergleichbare geographische und klimatische Bedingungen. Zwischen den unterschiedlichen Kolonien der Leeward Islands bestanden intensive interkoloniale Beziehungen, insbesondere zwischen Dänisch- und Britisch-Westindien. Diese Kontakte bewegten sich nicht nur auf der offiziellen Ebene des diplomatischen Austauschs der verschiedenen Kolonialadministratoren. Dazu zählen ebenso die Verbindungen, die Händler, Pflanzer, und Missionare über die Grenzen der einzelnen Kolonien hinaus unterhielten. Schließlich ist ebenso auf die erzwungene und freiwillige Migration der

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Füllberg-Stolberg, Moravian Mission, S. 86. Van Stipriaan, July 1, S. 273. In diesem Zusammenhang betont van Stipriaan, July 1, S. 273f., die Instrumentalisierung der Brüdergemeine bei den Jahrestagen der Sklavenemanzipation am ersten Juli eines jeden Jahres. Beck, Hartmut: Brüder in vielen Völkern. 250 Jahre Mission der Brüdergemeine, Erlangen 1981, hier S. 184–186; Beck, Hartmut: Die Jungferninseln – Phase und Modell der Missionsgeschichte, in: Meier, Gudrun, u.a. (Hrsg.), Christian Georg Andreas Oldendorp, Historie der caribischen Inseln Sanct Thomas, Sanct Crux und Sanct Jan, Kommentarband, Herrnhut 2010, S. 9–52, hier S. 49f. Richards, Helen: Distant Garden. Moravian Mission and the Culture of Slavery in the Danish West Indies 1732 – 1848, in: Journal of Moravian History 2 (2007), S. 55–74.

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afrokaribischen Bevölkerung durch den innerkaribischen Sklavenhandel und maritime maroonage hinzuweisen.9 Das Kapitel ist in drei Abschnitte unterteilt. Ein erster Teil stellt die grundlegenden Charakteristika der Abschaffung der Sklaverei und der Postemanzipationszeit in Dänisch- und Britisch-Westindien, bzw. insbesondere St. Kitts und St. Croix dar. Ein zweiter Teil beschäftigt sich mit der Missionsgemeinde der Brüdergemeine zur Zeit der Sklavenemanzipation. Grundlegend ist dafür das von Helge Wendt verwendete Konzept der missionarischen Gesellschaft.10 Diese soll am Beispiel der Brüdergemeine nachvollzogen werden, um grundlegende Strukturen der Missionsgemeinde, aber auch die Attraktivität der Mitgliedschaft in derselben sowie Konflikte innerhalb und außerhalb der missionarischen Gesellschaft nachzuvollziehen. Schließlich soll anhand von zwei Beispielen die Frage nach einer Instrumentalisierung der Mission als Element kolonialstaatlicher Gewalt vertieft werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung des Protestes der ehemaligen Sklaven auf St. Kitts gegen das apprenticeship system 1834 und der erfolgreichen Rebellion der Sklaven auf St. Croix 1848. Dabei wird diskutiert werden, inwieweit die Mission der Brüdergemeine Widerstand unterstützte bzw. ob sich Gemeindemitglieder an der Organisation und Durchführung von Aufständen beteiligten. Der letzte Abschnitt des Kapitels beschäftigt sich mit den Missionsschulen der Brüdergemeine. Neben einer Analyse der unterschiedlichen Ziele, die Kolonialregierungen, Pflanzer, Missionare und ehemalige Sklaven mit dem Schulbesuch verbanden, wird dabei auch auf das Verhältnis zwischen der Mission und ihren indigenen Lehrern eingegangen.

4.1. VON DER SKLAVEREI ZUR „FREIHEIT“ – ASPEKTE DER SKLAVENEMANZIPATION IN BRITISCH- UND DÄNISCH-WESTINDIEN Das Ziel dieses Abschnittes ist es, auf die grundlegenden Charakteristika der Abschaffung der Sklaverei in beiden Kolonialgebieten einzugehen. Dabei sollen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten, sowie die Beziehungen zwischen beiden Kolonien herausgearbeitet werden. Für eine weitere Beurteilung des Verhältnisses der Mission zur Sklavenemanzipation ist eine Berücksichtigung der politischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen notwendig.

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Muliche, Jeppe: Microregionalism and intercolonial relations: the case of the Danish West Indies, 1730–1830, in: Journal of Global History 8 (2013), S. 72–94; Hall, Neville A. T.: Maritime Maroons: Grand Marronage from the Danish West Indies, in: Beckles, Hilary/ Shepherd, Verene (Hrsg.), Caribbean Slave Society and Economy. A Student Reader, Kingston 1991, S. 387–400; Scott, Julius S.: “Negroes in Foreign Bottoms” Sailors, Slaves, and Communication, in: Ders./ Dubois, Laurent (Hrsg.), Origins of the Black Atlantic. Rewriting Histories, New York 2010, S. 69–98. 10 Wendt, Helge: Die missionarische Gesellschaft. Mikrostrukturen einer kolonialen Globalisierung, Stuttgart 2011.

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4.1.1. Britisch-Westindien – St. Kitts Im August 1833 beschloss das britische Parlament den Act to Abolish Slavery throughout the British Colonies.11 Die Verhandlungen über den Gesetzesentwurf waren erst zu einem Abschluss gekommen, als eine Entschädigung der Plantagenbesitzer für ihren Eigentumsverlust vereinbart worden war. Diese beinhaltete die Bereitstellung einer Kompensationszahlung von insgesamt 20.000.000 Pfund und die Einrichtung einer Übergangszeit, der sogenannten apprenticeship. Der vom britischen Parlament verabschiedete Abolition Act musste zunächst in den Kolonien durchgesetzt werden. Dabei stellte nicht nur der zu erwartende Widerstand der von den Pflanzern dominierten kolonialen Parlamente das Colonial Office vor eine Herausforderung,12 sondern auch die unterschiedlichen geographischen, sozialen und ökonomischen Strukturen der einzelnen Kolonien. Gemeinsam mit neun anderen Kolonien bildete St. Kitts seit 1832 die neu geschaffene, administrative Einheit der Leeward Islands.13 Pläne der britischen Regierung ein föderales Regierungssystem für die Leeward Islands zu schaffen, sozusagen eine Leeward Islands Colony, scheiterten am Widerstand der lokalen Eliten. Somit blieb jede der Kolonien weitgehend autonom und besaß eine eigene legislative Versammlung. Die Gouverneure der verschiedenen Kolonien waren jedoch dem Generalgouverneur, der in Antigua seinen Verwaltungssitz hatte, untergeordnet. Zum Zeitpunkt der Sklavenemanzipation war der Anbau von Zucker der dominierende Wirtschaftsbereich auf St. Kitts, in dem 87 % der ca. 18.000 Sklaven beschäftigt waren. Die Sklaven stellten die größte Bervölkerungsgruppe. Daneben hatte sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine große Gruppe freier Schwarzer gebildet. Diese lebten größtenteils in der Hauptstadt der Insel, Basseterre, aber auch teilweise auf den Plantagen als Aufseher und Verwalter.14 Ihr prominentester Vertreter war Ralph Cleghorn, der bis zum persönlichen Adjutanten des Gouverneurs aufstieg und einer von vier Special Magistrates der Insel wurde.15 Der Besitz der Plantagen und des Landes verteilte sich jedoch größtenteils auf eine kleine weiße Elite. Um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen des apprenticeship-system zu überwachen, sollten die Special Magistrates, als unabhängige Autorität eine 11 Green, William A.: British Slave Emancipation. The Sugar Colonies and the Great Experiment, 1830–1865, Oxford 1991, S. 84f. 12 Eine Crown Colony verfügte über keine eigene koloniale Versammlung, d.h. Gesetze des britischen Parlaments fanden direkt Anwendung. 13 Hall, Douglas: Five of the Leewards 1834–1870. The mayor problems of the postemancipation period in Antigua, Barbuda, Montserrat, Nevis and St. Kitts, Barbados 1971, S. 1f. Zu dem Zeitpunkt bildeten Anguilla, Antigua, Barbuda, die British Virgin Islands, Dominica, Montserrat, Nevis, Redonda und St. Kitts die administrative Einheit der Leeward Islands. 14 Cox, Edward: The Shadow of Freedom. Freedmen in the Slave Societies of Grenada and St. Kitts, 1763–1833, Baltimore 1977 (= unveröffentlichte Dissertation Johns Hopkins University). 15 Cox, Edward: Ralph Brush Cleghorn of St. Kitts (1804–1842), in: Slavery and Abolition 28 (2007), S. 41–60.

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Kontrollfunktion ausüben. Sie dienten als Ansprechpartner für die ehemaligen Sklaven in Konflikten mit den Pflanzern und sollten die Einhaltung der Gesetze gewährleisten. Special Magistrates wurden größtenteils aus den Reihen ehemaliger britischer Offiziere rekrutiert, nur wenige hatten juristische Kenntnisse. Aufgrund ihrer insgesamt geringen Zahl (100 für alle Kolonien) und der mangelnden Unterstützung durch die Kolonialregierungen waren ihre Einflussmöglichkeiten gering.16 Während der größte Teil der britischen Kolonien sich für die Annahme des apprenticeship-systems entschied und dementsprechende Gesetze verabschiedete, machten Bermuda und Antigua von ihrem Recht Gebrauch, auf die Einführung dieser Übergangszeit zu verzichten.17 In beiden Kolonien erhielten die Sklaven am 1. August 1834 ihre Freiheit. Im Fall von Antigua waren weniger humanitäre Überlegungen ausschlaggebend, als vielmehr die Befürchtung der Pflanzer, dass die Verpflegung der apprentices, in der auf Nahrungsmittelimporte angewiesenen Kolonie sie mehr Kosten würde, als wenn sie ihnen den vollen Lohn zahlen müssten. Zudem rechneten sie aufgrund der Bevölkerungsdichte und mangelnden Beschäftigungsalternativen außerhalb des Plantagensektors nicht mit einem Arbeitskräftemangel. Ähnlich war die Situation in Bermuda, wo die meisten Sklaven in maritimenen Wirtschaftszweigen, etwa im Schiffsbau oder der Salzherstellung, beschäftigt waren.18 Auf St. Kitts entschied sich die koloniale Versammlung für eine Umsetzung des apprenticeship-system.19 Allerdings versuchten im August 1834 die ehemaligen Sklaven durch einen organisierten Streik, die Abschaffung der Übergangszeit zu erzwingen. Erst die gewaltsame Beendigung der Arbeitsverweigerung durch das Militär führte dazu, dass die apprentices ihre Arbeit wieder aufnahmen. In der Übergangsperiode veränderte sich das Verhältnis zwischen Ex-Sklaven und Pflanzern auf St. Kitts nicht grundlegend. Durch Gesetze war die Freizügigkeit der ehemaligen Sklaven eingeschränkt worden, so dass diese sich häufig auf denselben Plantagen, mit den gleichen Vorarbeitern widerfanden wie zur Zeit der Sklaverei. Körperliche Mißhandlung, mangelnde Versorgung mit Nahrungsmitteln und die Ausbeutung der Arbeitskräfte war für das apprenticeship-system auf St. Kitts ebenso charakteristisch wie in vielen anderen Kolonien auch.20 Die Publikation der Mißstände während der apprenticeship, v.a. von britischen Abolitionisten, führten zunehmend zu einer politischen Bewegung in England gegen die Übergangszeit.21 Das Ende der apprenticeship kam auf St. Kitts am 1. August 1838, also zwei Jahre früher als ursprünglich vorgesehen. 16 Green, British Slave Emancipation, S. 120–123; Holt, Thomas: The Problem of Freedom. Race, Labour and Politics in Jamaica and Britain 1832–1938, Baltimore 1992, S. 36–41. 17 Green, British Slave Emancipation, S. 124f.; Füllberg-Stolberg, Britisch und DänischWestindien, S. 45f.; Hall, Five of the Leewards, S. 17–24. 18 Temperley, Howard: British Antislavery 1833–1870, Columbia 1972, S. 29. 19 Hall, Five of the Leewards, S. 24; Frucht, Emancipation, S. 199f. 20 Cox, Cleghorn, S. 48f.; Shelton, Robert: A Modified Crime. The apprenticeship system in St. Kitts, in: Slavery and Abolition 16 (1995), S. 331–345. 21 Temperley, British Antislavery, S. 29–41; Green, British Slave Emancipation, S. 160f.

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Nach dem Ende der Übergangszeit, so befürchteten die Pflanzer, würden die ehemaligen Sklaven aufhören auf den Plantagen zu arbeiten und so das Ende der Plantagenwirtschaft einleiten. Deshalb versuchten sie, die Arbeiter weiter an die Plantagen zu binden. Gerade in Kolonien in denen wenig oder kein Land zur Besiedlung durch die ehemaligen Sklaven zur Verfügung stand, wie in den Leeward Islands, nutzten diese ihre Dominanz als Grundbesitzer. So legten z.B. die in vielen britischen Kolonien zwischen Pflanzern und Arbeitern geschlossenen Contract Acts fest, dass die Arbeiter nur weiterhin auf den Plantagen leben könnten, wenn sie auch weiter dort arbeiten würden. Die von den ehemaligen Sklaven bevorzugte Variante der Trennung von Unterkunft und Arbeit setzte sich erst langfristig durch. Bis dahin blieb den Sklaven als Widerstandsmöglichkeit gegen die Überlegenheit der Pflanzer v.a. die Migration in andere Kolonien, die bessere ökonomische und soziale Lebensstandards boten oder die Gründung eigenständiger Siedlungen außerhalb des Einflussbereichs der Plantage.22 Der Besitz eines noch so kleinen Stückes Land ermöglichte den ehemaligen Sklaven bereits einen wesentlichen Verhandlungsvorteil gegenüber den Pflanzern. Auf diese Weise konnten sie die festgelegten Machtverhältnisse verschieben. Die koloniale Versammlung auf St. Kitts hatte aus diesem Grund ein Gesetz erlassen, das die Möglichkeiten der Landnahme durch die ehemaligen Sklaven einschränken sollte. Dieses war zwar vom Colonial Office aufgehoben worden, allerdings erst 1839.23 Die Pflanzer wollten möglichst das Entstehen von der Plantage unabhängiger Siedlungen verhindern. Damit waren sie größtenteils erfolgreich. Zudem gab es kein Crown Land, also Flächen, die sich im Besitz der britischen Regierung befanden,24 die von der Kolonialregierung an die Ex-Sklaven hätten verpachtet werden können.25 Im Gegensatz zu Jamaika und Trinidad hatten die ehemaligen Sklaven nur sehr geringe Möglichkeiten zum Landerwerb, weshalb es auch nicht zu einem vergleichbaren System unabhängiger Siedlungen kam. Erst der Bankrott einiger Zuckerplantagen auf St. Kitts und die dann folgende Aufteilung und Vermietung des Landes führte zur Gründung weniger unabhängiger Siedlungen. Ein Pflanzer aus 22 Olwig, Karen Fog: Cultural Complexity after Freedom. Nevis and Beyond, in: Dies. (Hrsg.), Small Islands, Large Questions. Society, Culture and Resistance in the Post-Emancipation Caribbean, London 1995, S. 100–120, hier S. 100. „Two main avenues toward freedom are often delineated. […] One route led to the establishment of free villages on the home island but outside the plantation sphere, whereas the other was oriented toward emigration to areas of greater economic and social opportuinities.“ 23 Glenelg an Colebrooke, London, 2. Februar 1839, in: House of Commons Parliamentary Papers. Papers relative to the West Indies. Part III Leeward Islands, S. 227f., 244f. Die Gesetze, ein Vagrancy Act und An Act to Suppress the Unauthorized Occupation of Lands waren nach Ansicht des Colonial Office ungesetzlich und wurden deswegen 1839 für nichtig erklärt. Das sie bis dahin in Kraft bleiben konnten liegt daran, dass die ausgearbeiteten Gesetze erst nach einer Anfrage des Colonial Office 1838 nach London geschickt wurden. Vgl. Richardson, Bonham C.: Caribbean Migrants. Environment and Human Survival on St. Kitts and Nevis, Knoxville, TN 1983, S. 84. 24 Hall, Five of the Leewards, S. 41–43. 25 Henshall, Janet: Post-Emancipation Rural Settlement in the Lesser Antilles, in: Proceedings of the Association of American Geographers 8 (1976), S. 37–40, hier S. 39.

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St. Kitts berichtete erst 1841 von der beginnenden Vermietung kleiner Landparzellen einer insolventen Zuckerplantage. Zwar berichtete John Davy, der als Inspektor der Krankenhäuser der britischen Armee St. Kitts besuchte, von der Gründung einiger free villages,26 doch gibt es dafür keine weiteren Belege. Dennoch scheint den ehemaligen Sklaven die Anlage von Siedlungen außerhalb des Einflussbereichs der Plantagen gelungen zu sein, die unabhängig vom Einfluss der Missionsgesellschaften entstanden. Die Kontrolle des Landbesitzes war nur eine Möglichkeit, um die ehemaligen Sklaven weiter als Arbeitskräfte an die Plantage binden. Zusätzlich wurde versucht die Mobilität der ehemaligen Sklaven durch Gesetze einzuschränken. Bereits während der apprenticeship hatten Vertreter der Pflanzer in Trinidad und Britisch Guayana die Insel besucht, um die Ex-Sklaven für eine Übersiedlung anzuwerben.27 In diesen Kolonien herrschte ein großer Bedarf an Arbeitskräften, so dass für die erfolgreiche Anwerbung hohe Prämien gezahlt wurden. Die Migration der Arbeitskräfte war jedoch größtenteils saisonal, etwa zur Unterstützung der Zuckerernte in Trinidad,28 und konnte durch eine eigene Immigrationspolitik mehr als ausgeglichen werden. Bis zum Ende des 19. Jahrhundert sollte die Bevölkerungszahl auf St. Kitts bis auf ca. 30.000 Personen steigen und somit fast um 10.000 mehr als zur Abschaffung der Sklaverei. Diese Zunahme war u.a. eine Folge der Immigration von anderen Karibikinseln, aber v.a. von in England und Portugal (Madeira) und Indien angeworbenen identured servants.29 Einen Contract Act, wie etwa in Antigua, der das Arbeits- und Mietverhältnis zwischen Pflanzern und den ehemaligen Sklaven regelte, gab es auf St. Kitts nicht. Stattdessen entwickelten sich bis 1845 drei verschieden Arrangements. Ein Teil der Bevölkerung arbeitete gegen ein geringes Entgelt und die Gewährung von mietfreier Wohnung und Nutzung der provision grounds auf den Plantagen. Diese Variante war im Wesentlichen eine Fortsetzung der alten Arbeitsverhältnisse der apprenticeship. Daneben gab es eine größere Zahl von Mietverhältnissen auf den Plantagen, bei denen die Ex-Sklaven für die Nutzung des Hauses und Landes Miete zahlten, dafür aber in der Wahl ihres Arbeitsortes frei waren. Schließlich gab es auch die wachsende Gruppe derjenigen, die Land mietete, um darauf ihre eigenes Haus zu bauen und ihre Arbeitskraft auf den benachbarten Plantagen an-

26 Davy, John: The West Indies, before and since Slave Emancipation, comprising the Windwaard and Leeward Islands, Military Command. Founded on Notes and Observations collected during a three Years residence, London 1854, S. 463, S. 469, hier S. 442: „And here [St. Kitts], as there [Antigua], they have been rather encouraged than checked in the forming of free villages.” 27 Richardson, Caribbean Migrants, S. 79–83. 28 Richards, Glen: The pursuit of ‘higher wages’ and ‘perfect personal freedom’: St. Kitts-Nevis 1836–1956, in: Turner, Mary (Hrsg.), From chattel slaves to wage slaves: The dynamics of labour bargaining in the Americas, Kingston 1995, S. 275–301, hier S. 298; Richardson, Caribbean Migrants, S. 79. 29 Richardson, Caribbean Migrants, S. 95f.; Dyde, Brian: Out of the Crowded Vagueness. A History of the Islands of St Kitts, Nevis and Anguilla, Oxford 2005, S. 177–182.

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bot.30 St. Kitts entwickelte sich somit ähnlich wie viele andere Inseln der Leeward Islands, in denen ein Wegzug von den Plantagen aufgrund fehlender Alternativen nicht möglich war. Das entwickelte Miet- bzw. Pachtsystem stellte eine Aufrechterhaltung der Plantagenwirtschaft auch in der Postemanzipationszeit sicher.31 Allerdings versuchten auch auf St. Kitts die Landarbeiter neben ihrer Beschäftigung auf der Plantage anderen Erwerbsmöglichkeiten nachzugehen und so möglichst ihre Tätigkeit auf derselben zu verringern.32 Der Zuckeranbau bildete in der Postemanzipationszeit weiterhin den wichtigsten Wirtschaftszweig. Die Zahl der darin beschäftigen Arbeiter nahm aber bis Mitte der 1840er Jahre von ehemals 87 % der Bevölkerung zur Zeit der Sklaverei auf 30% (bzw. 8.000 Personen) ab.33 Allerdings war es den Pflanzern möglich, durch die Investition in neue Maschinen, z.B. dampfbetriebene Zuckermühlen,34 den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen.35 Zudem versuchten sie, die Produktionskosten durch die Zahlung niedriger Löhne zu senken. In der Erntesaison waren die Pflanzer jedoch noch immer auf einen größeren Bedarf an Arbeitskräften angewiesen, was den Arbeitern einen gewissen Verhandlungsspielraum beim Arbeitslohn ermöglichte. Wie in anderen westindischen Kolonien, versuchten die Ex-Sklaven ihre ökonomische Abhängigkeit von der Plantagenarbeit zu minimieren. Wenn möglich wurden Frauen und Kinder nicht in die Arbeit auf der Plantage eingebunden, während die Männer dagegen meist nur einige Tage auf derselben arbeiteten und ansonsten einem anderen Gewerbe nachgingen.36 Die Zuckerindustrie auf St. Kitts erlebte in der Postemanzipationszeit keinen Niedergang wie jene in Jamaika. Stattdessen konnte der durchschnittliche Ertrag sogar um 59,5 % gesteigert werden. Dennoch entging St. Kitts nicht den Auswirkungen fallender Weltmarktpreise für Zucker.37 In den 1870er Jahren hatte es noch ein kurzfristiges Hoch gegeben, weil die Pflanzer sich nach Nordamerika orientierten, wo sie ihren Zucker zu besseren Preisen verkaufen konnten. Die 30 Richardson, Caribbean Migrants, S. 48f. 31 Füllberg-Stolberg, Britisch- und Dänisch-Westindien, S. 75f. 32 Dyde, Out of the Crowded, S. 168f. In diesem Zusammenhang nennt Davy, The West Indies, S. 472f., die Herstellung von Salz und das Sammeln von Brennholz. 33 Higman, Barry W.: Slave Populations of the British Caribbean, 1807–1834, Kingston 1995, S. 62. 34 Lobdell, Richard: Patterns of Investment and Sources of Credit in the British West Indian Sugar Industry, 1838–1897, in: Beckles, Hilary/ Shepherd, Verene (Hrsg.), Caribbean Freedom, S. 319–329, hier S. 320f.; Hall, Five of the Leewards, S. 109–112. Hatte es 1833 nur eine mit Dampfkraft betrieben Zuckermühle gegeben, so waren es 1847 bereits 23, was zu einer Verringerung der Lohnkosten führte. 35 Richardson, Caribbean Migrants, S. 100f.; Davy, The West Indies, S. 458f. 36 Zu St. Kitts vgl., Richardson, Caribbean Migrants, S. 102, der die strategische Bedeutung der verschiedenen Betätigungsfelder für die ökonomische Unabhängigkeit der Ex-Sklaven betont. Für Familienstrategien in Britisch-Westindien siehe auch Brereton, Family Strategies, insb. S. 98–100; Füllberg-Stolberg, Britisch- und Dänisch-Westindien, S. 48f. 37 Auf die Darstellung der Faktoren welche die Entwicklung der Zuckerindustrie beeinflussten wird im Folgenden nicht ausführlicher eingegangen werden, vgl. dazu Füllberg-Stolberg, Britisch- und Dänisch-Westindien, S. 62–66.

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Neuausrichtung der amerikanischen Einkaufspolitik 1895, d.h. die Präferenz der Importe aus Cuba, Puerto Rico und der Dominikanischen Republik,38 bedeutete eine ökonomische Katastrophe, da der für St. Kitts wichtigste Abnehmer des Zuckers wegfiel. Durch eine wiederholte Kürzung der Löhne der Plantagenarbeiter versuchten die Pflanzer, ihre Verluste auszugleichen. Die in der Folge entstehende Wut über eine Bezahlung unter dem Subsistenzniveau entlud sich im Februar 1896 in den sogenannten „Portugese Riots“. Die missverständliche Bezeichnung ist vermutlich dadurch begründet, dass der von den Arbeitern begonnene Streik auf der Plantage eines portugisieschen Pflanzers begann. Als dieser sich weigerte, die Löhne zu erhöhen, unterbrachen die Arbeiter die Zuckerernte. Die Arbeitsniederlegungen breiteten sich schnell auf der ganzen Insel aus, vereinzelt wurde das Zuckerrohr in Brand gesteckt. In Basseterre kam es zur Zerstörung einiger von Portugiesen betriebener Geschäfte. Aus Antigua geschickte britische Soldaten schlugen den Aufstand nieder, wobei drei Arbeiter ums Leben kamen.39

4.1.2. Dänisch-Westindien – St. Croix Der dänische Staat orientierte sich an der britischen Sklavenemanzipation. Allerdings war Dänemark nicht in der Lage, den Pflanzern eine finanzielle Kompensation für den Verlust ihres „Eigentums“ zu zahlen. Aber die dänische Regierung favorisierte ebenso eine mehrjährige Übergangsphase von der Sklaverei zur Freiheit. Bereits im Dezember 1838 hatte Peter von Scholten St. Kitts besucht, um sich über die Auswirkungen der Sklavenemanzipation in den britischen Kolonien zu informieren. Dabei traf er unter anderem mit den Missionaren der Brüdergemeine zusammen.40 Es ist anzunehmen, dass er von ihnen Informationen über die Entwicklung der Insel während und nach der apprenticeship erhalten wollte. Die Episode verdeutlicht, wie groß die Auswirkungen der britischen Sklavenemanzipation auf die umliegenden Kolonialgebiete waren. Nach Meinung von Neville Hall, war der dänische Gouverneur davon überzeugt, dass „all other colonial possessions in which slavery persisted could not escape the seismic shock-waves of [British] emancipation.“41 So schickte der Gouverneur bereits 1837 seinen persönlichen Adjutanten nach Antigua, damit dieser ihn über die Auswirkungen einer sofortigen Abschaffung der Sklaverei informieren konnte. Eine zweite, ausführlichere Untersuchung des Zustandes der Zuckerproduktion und der Sozialverhältnisse in den britischen Leeward Islands nach Beendigung der Sklaverei folgte ab 1845 durch den, auf St. Croix stationierten, dänischen Justizrat Louis Rothe. Die38 Dyde, Out of the Crowded, S. 171. Nachdem 1898 Puerto Rico in der Folge des spanischamerikanischen Krieges von den Vereinigten Staaten annektiert wurde, kam es zur endgültigen Schließung des amerikanischen Marktes für den britisch-westinischen Zucker. 39 Dyde, Out of the Crowded, S. 182–184; Richardson, Caribbean Migrants, S. 104f. 40 Extract of the Diary of Basseterre, St. Kitts, 6. Dezember 1837, in: Periodical Accounts, 14 (1838), S. 498. 41 Hall, Neville A. T. (Higman, Barry W., Hrsg.): Slave Society in the Danish West Indies. St. Thomas, St. John and St. Croix, Baltimore 1992, S. 197f.

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ser begründete seinen Fokus auf St. Kitts und Antigua mit den geophysikalischen Gemeinsamkeiten mit Dänisch-Westindien und dem hohen Grad der Christianisierung der Bevölkerung durch die Missionare der Brüdergemeine in beiden Kolonien. Rothe zeichnete ein positives Bild, insbesondere der Arbeitsverhältnisse nach der Sklavenbefreiung, da er davon überzeugt war, dass aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und geringen Verfügbarkeit von freiem Land auf St. Croix, die Arbeiter auf den Plantagen bleiben würden.42 Die Gefahr eines Exodus der Plantagenwirtschaft sah er nicht. Die drei dänischen Karibikinseln hatten allerdings ganz unterschiedliche sozioökonomische Voraussetzungen. St. Croix, die größte Insel, hatte aufgrund ihrer Topographie von allen dreien die besten Voraussetzungen für den Anbau von Zuckerrohr. Während die Bedeutung der Plantagenwirtschaft auf den gebirgigen Inseln St. John und St. Thomas im 19. Jahrhundert abnahm, blieb sie auf St. Croix unverändert bestehen. Auf St. Thomas war der Freihafen von Charlotte Amalie im 19. Jahrhundert der wichtigste Arbeitgeber und führte zu einer stetigen Zuwanderung der Landbevölkerung in die Stadt. Die dänische Kolonialverwaltung war bis 1848 geprägt von der absolutistischen dänischen Monarchie. Der Generalgouverneur stand der gesamten Kolonie vor und hatte weitgehende Handlungsmöglichkeiten. Das gute persönliche Verhältnis Peter von Scholtens zum dänischen Königshaus trug zusätzlich dazu bei, dass dieser gleich einem absolutistischen Herrscher in der Kolonie regierte. Dennoch war St. Croix kein von dänischer Kultur geprägter Kolonialstaat. Die am weitesten verbreitete Sprache war in der Mitte des 19. Jahrhundert das Englische. Ein Großteil der Pflanzer kam entweder aus Nordamerika oder England, aber nur wenige aus Dänemark.43 Die Sozialstruktur war in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen hohen Anteil an freien Schwarzen gekennzeichnet, denen 1841 die politische Gleichberechtigung mit der weißen Bevölkerung eingeräumt worden war. Letztere machten den kleinsten Anteil an der Bevölkerung aus, besaßen aber weitgehend das Monopol über den Grundbesitz und die Produktionsmittel. Der Anteil der Sklaven war bereits seit mehreren Jahrzehnten aufgrund höherer Sterbe- als Geburtenzahlen rückläufig. Der dänische Kolonialstaat versuchte durch eine Reihe von Maßnahmen die Sklavenemanzipation hinauszuzögern. Durch Reformgesetze sollte die körperliche Mißhandlung der Sklaven verringert, eine bessere Ernährung und Gesundheitsfürsorge derselben sichergestellt und den Kindern der Sklaven eine Schulbildung ermöglicht werden. Der vom dänischen Staat vorgesehen Übergangsperiode von 12 Jahren widersetzten sich die Sklaven jedoch erfolgreich. Am Morgen des 4. Juli 1848 brachen mehrere Tausend Sklaven am westlichen Ende von St. Croix

42 Higman, Barry W.: Small Islands, Large Questions. Post-Emancipation Historiography of the Leeward Islands, in: Olwig, Karen Fog (Hrsg.), Small Islands, Large Questions. Society, Culture and Resistance in the Post-Emancipation Caribbean, London 1992, S. 8–30, hier S. 13f. Insgesamt verfasste Rothe drei ausführliche Berichte, von denen einer allein Antigua gewidmet war. 43 Hall, Slave Society, S. 256.

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nach Frederiksted auf, wo sie friedlich die Abschaffung der Sklaverei verlangten.44 Andernfalls, so drohten sie, würden sie die Stadt niederbrennen. Am Nachmittag erreichte der Generalgouverneur Peter von Scholten die Aufständischen und verkündete unter dem Druck der protestierenden Sklaven die Abschaffung der Sklaverei in Dänisch-Westindien. Es folgten mehrere Tage der Plünderung von Plantagen und Herrenhäuser auf St. Croix, die erst durch das Eintreffen spanischer Truppen aus Puerto Rico gewaltsam niedergeschlagen wurden. Neben der Rebellion der Sklaven in Haiti 1791 ist der Aufstand der Sklaven auf St. Croix die einzige gelungene Selbstbefreiung. Auf St. Croix konnten die Pflanzer aufgrund ihrer Dominanz des Grundbesitzes die Gründung unabhängiger Siedlungen verhindern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Versuche ehemaliger Sklaven gab, Nischen zu finden und Land zu erwerben. Wie bereits im vorherigen Kapitel gezeigt, nutzten die ehemaligen Sklaven die Möglichkeit, Parzellen auf dem Gebiet der Missionsstation Friedensthal zu erwerben. Daneben haben neuere Forschungen von George Tyson gezeigt, dass es eine größere Anzahl von kleineren Pächtern und Besitzern ganzer Plantagen gab, bei denen es sich um ehemalige Sklaven handelte.45 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Möglichkeiten des Landerwerbs auf den drei dänischen Karibikinseln unterschiedlich ausgeprägt waren. Gerade auf St. Thomas und St. John konnten die ehemaligen Sklaven, begünstigt durch den Niedergang der Plantagenwirtschaft, Zugang zu Land erhalten. Die von den Sklaven erfolgreich herbeigeführte Abolition der Sklaverei in den dänischen Kolonien beendete die vom dänischen König vorgesehene Übergangszeit von 12 Jahren vorzeitig. Nachdem der in der Folge ausgebrochene Aufstand vom Militär niedergeschlagen wurde, erließ die Kolonialregierung eine Reihe von Gesetzen, die das Verhältnis zwischen den Ex-Sklaven und den Pflanzern regeln sollten. Zunächst wurde eine Übergangszeit von drei Monaten vereinbart, in der die ehemaligen Sklaven weiter auf den Plantagen wohnen dürften, sie für ihre Arbeit einen Lohn erhalten und arbeitsunfähige und kranke Personen von den Pflanzern unterstützt werden sollten.46 Die Pflanzer befürchteten den Wegzug der Landarbeiter von den Plantagen, um dieses zu verhindern, wurde bereits 1849 ein Arbeitsgesetz erlassen. Die Arbeitsverhältnisse wurden folglich nicht zur Verhandlung zwischen Arbeiter und Arbeitgeber freigegeben, sondern unterlagen einem von der Kolonialregierung erlassenen Gesetz. Die Verträge sahen die Verpflichtung der Arbeiter für eine jeweils einjährige Vertragslaufzeit bei einem, nach der Unterteilung in Arbeitsklassen, von staatlicher Seite festgelegten Lohn vor. Diese Verträge waren nur einmal im Jahr kündbar und banden die ganze Fa44 Holsoe, Svend: The 1848 St. Croix Slave Rebellion. The Day of the Rebellion, in: Highfield, Arnold/ Tyson, George (Hrsg.), Negotiating Enslavement, Perspectives on Slavery in the Danish West Indies, St. Croix 2009, S. 191–210. 45 Tyson, George F.: Reaping the Whirlwind. Ex-Slave Planters in Post-Emancipation St. Croix, in: Highfield, Arnold/ Tyson, George (Hrsg.), Negotiating Enslavement, Perspectives on Slavery in the Danish West Indies, St. Croix 2009, S. 191–210. 46 Degn, Christian: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Zwischen Gewinn und Gewissen, Neumünster ³2000, S. 484.

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milie und ihr Arbeitspotential an die Plantage. Sie waren die Bedingung für den Zugang zu Wohnquartieren und provision grounds. Zusätzliche Gesetze gegen „Landstreicherei“ und Landnahme sollten die Freizügigkeit der Ex-Sklaven einschränken und diesen den Zugang zu eigenem Grund und Boden erschweren.47 Kurzfristig waren die Maßnahmen der dänischen Kolonialregierung erfolgreich, die von den Pflanzern befürchtete sofortige Abwanderung der Landarbeiter von den Plantagen blieb zunächst aus. Langfristig erfolgte jedoch eine Migration der Landbevölkerung in die Städte und die Auswanderung eines großen Teils der ehemaligen Sklaven aus St. Croix. Die Ziele der Auswanderer waren entweder eine der benachbarten dänischen Karibikinseln, von denen besonders der internationale Hafen in Charlotte Amalie attraktive Arbeitsbedingungen bot,48 oder Puerto Rico, das schon über eine kleine Gemeinschaft von aus St. Croix geflohenen Sklaven verfügte. Teilweise emigrierten die Ex-Sklaven aber auch nach Cuba, Mittel- bzw. Nordamerika.49 Dem mit der Abwanderung von Landarbeitern verbundenen Verlust an Arbeitskräften begegneten die Pflanzer auf St. Croix mit der Anwerbung von Kontraktarbeitern in anderen westindischen Kolonien, insbesondere Barbados. Daneben wurden auch Arbeitskräfte aus Ostindien und Portugal (Madeira) angeworben,50 diese machten aber nur 5 % der Arbeitsmigranten aus. Zwischen 1848 und 1917, jenem Jahr in dem Dänemark seine Karibikinseln an die USA verkaufte, kamen ca. 10.000 Personen als Arbeitskräfte nach St. Croix. Dadurch war es möglich, den benötigten Bedarf an Arbeitern für die Plantagenwirtschaft bis in die 1870er Jahre sicherzustellen. Nur wenige der Immigranten blieben aufgrund der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen länger als es die vereinbarte Vertragslaufzeit bestimmte. Wie auf St. Kitts blieb auch auf St. Croix der Zuckeranbau der dominierende Wirtschaftsfaktor in der Postemanzipationszeit. Durch technische Innovationen war es möglich, die Ernteerträge bis zum Ende des Jahrhunderts fast zu verdoppeln, so verfügte die Insel über eine der modernsten Zuckerraffinerien in der nördlichen Karibik. Die durch den Kolonialstaat reglementierten Arbeitsverhältnisse mit strikten Lohnvorgaben und die Versorgung mit billigen Arbeitskräften durch die propagierte Immigration verhinderten einen sofortigen Niedergang der Planta-

47 Degn, Die Schimmelmanns, S. 495–497; Hoxcer-Jensen, Peter: From Serfdom to Fireburn and Strike. The History of Black Labor in the Danish West Indies 1848–1916, St. Croix 1998, S. 96–106; Füllberg-Stolberg, Britisch- und Dänisch-Westindien, S. 77f. 48 Tyson, George: ‘Our Side’ Caribbean Immigrant Labourers and the Transition to Free Labour on St. Croix, 1849–79, in: Olwig, Karen Fog (Hrsg.), Small Islands, Large Questions. Society, Culture and Resistance in the Post-Emancipation Caribbean, London 1995, S. 135–160, hier S. 137. 49 Highfield, Arnold R.: Conditions of the Working Class in St. Croix, 1848–1878, in: Ders. (Hrsg.), Time Longa’ Dan Twine. Notes on the Culture, History, and People of the U.S. Virgin Islands, St. Croix 2009, S. 153–171, hier S. 164f.; Green, James W.: Social Networks in St. Croix, United States Virgin Islands (Doctoral Dissertation: University of Washington) 1972, S. 22f. 50 Hoxcer-Jensen, From Serfdom to Fireburn, S. 165; Degn, Die Schimmelmanns, S. 499f.

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genwirtschaft. Kurzfristig kam es sogar zu einem Boom (1864–1873), der durch fallende Weltmarktpreise und eine längere Dürreperiode in den 1870er Jahren abrupt beendet wurde. Um die sinkenden Preise für Zucker auszugleichen, wurde auch auf St. Croix versucht, den Lohn immer weiter zu senken, so dass er schließlich unter die gesetzlich vorgegebene Summe fiel. Im Oktober 1878 ereignete sich ein blutiger Aufstand auf St. Croix, der durch Versuche der Kolonialverwaltung die Kontraktarbeiter an der Ausreise zu hindern, verursacht worden war.51 Die Wut der Arbeiter führte zur sogenannten „Fireburn Insurrection“ bei der 60 der 88 noch betriebenen Plantagen zerstört wurden. Während die Landarbeiter das Leben der weißen Pflanzer und ihrer Familien verschonten, tötete das Freiwilligenkorps, das zur Niederschlagung des Aufstandes zusammgestellt wurde, mehr als 250 von ihnen.52 Als ein Ergebnis des Aufstandes wurden im darauffolgenden Jahr die seit 1849 bestehenden strengen Arbeitsgesetze außer Kraft gesetzt, weshalb die Rebellion auch als „second free“ bezeichnet wird. Allerdings erließ die Kolonialregierung bereits 1879 eine neue Verordnung, die die Arbeitsverhältnisse regulieren sollte. Demnach wurden die Arbeiter nicht mehr zu einer Vertragslaufzeit von einem Jahr verpflichtet, sondern konnten auch kürzere Verträge eingehen. Die Löhne stiegen jedoch nur unwesentlich und die Länge des Arbeitstages wurde nicht geregelt. Eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der Landarbeiter trat dadurch nicht ein.53 Versuche der Kolonialregierung das Land bankrott gegangener Plantagen in Parzellen zu unterteilen und an die Arbeiter zu verpachten, waren wenig erfolgreich. Die wirtschaftliche und soziale Situation der afrokaribischen Bevölkerung verbesserte sich bis zum Verkauf der Insel an die Vereinigten Staaten 1917 nicht.

4.2. DIE MISSION DER BRÜDERGEMEINE ZUR ZEIT DER SKLAVENEMANZIPATION Bei Sonnenaufgang des 18. September 1847 wurden die Kanonen der Festung Christiansværn, in Christiansted, St. Croix abgefeuert. Anlass war der 61. Geburtstag des dänischen Königs Christian VIII. Es folgte eine Militärparade, weitere Salutschüsse, schließlich wurde die gesamte Bevölkerung eingeladen, um auf die Gesundheit des Königs zu trinken. Dann setzte der dänische Generalgouverneur Peter von Scholten an, das Dokument zu verlesen, das besonders von den Sklaven mit Spannung erwartet worden war. Der Gouverneur war gerade von ei51 Zum Aufstand der Landarbeiter in St. Croix 1878 vgl. Tyson, Our Side, passim; Degn, Die Schimmelmanns, S. 509–512. 52 Tyson, Our Side, S. 148. Offizille Angaben der dänischen Kolonialregierung gehen von 84 Toten auf Seiten der Landarbeiter aus. Tysons höhere Zahl basiert auf Schätzungen des amerikanischen Konsuls in St. Croix. Vgl. auch Degn, Die Schimmelmanns, S. 511, der davon ausgeht, dass allein bei der größten Auseinandersetzung zwischen Rebellen und Pflanzern (bei der Plantage Annas Hope) 150 Tote Landarbeiter unter den Opfern waren. 53 Hoxcer-Jensen, From Serfdom to Fireburn, S. 138f.

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ner mehrjährigen Reise aus Dänemark zurückgekehrt und brachte die königliche Proklamation zur Emanzipation der Sklaven in den dänischen Kolonien mit zurück. In Erwartung des freudigen Anlasses hatten sich diese in der vorausgehenden Nacht versammelt und gemeinsam gefeiert. Die Musik, der um sie feiernden Sklaven, war so laut gewesen, dass sich Sophie Voss von der Missionsstation Friedensberg genötigt gesehen hatte, die Polizei zu rufen, damit dem Lärm ein Ende bereitet würde.54 Nun aber war der Moment gekommen, als Gouverneur von Scholten „in his usual frank and soldier style“ wie der Reporter der Tageszeitung St. Croix Avis es beschrieb,55 die Proklamation des dänischen Königs verlas. „Es ist Unser […] Königlicher Wille, daß das Verfügungsrecht über die Unfreien, das die Eigentümer z. Z. Besitzen, aufhören soll, jedoch so, daß diese Veränderung 12 Jahre nach dem Datum dieser Unserer Allerhöchsten Resolution eintreten soll, damit die Belange aller Beteiligten beachtet und die erforderlichen Vorbereitungen für den Übergang getroffen werden können; in der Zwischenzeit sollen die bestehenden Verhältnisse fortdauern.“56

Die Proklamation war letztlich eine Folge der Sklavenemanzipation in den britischen Kolonien. Der dänische Staat war nicht in der Lage, den Pflanzern eine Entschädigung für den Verlust ihres „Eigentums“ zu zahlen, wie es der britische getan hatte. Als Kompromiss war deshalb eine 12-jährige Übergangszeit vereinbart worden war, in der die „bestehenden Verhältnisse fortdauern“ sollten. Faktisch bedeutete dies, dass sich die Situation der Sklaven nicht verbesserte. Peter von Scholten selbst hatte sogar eine Übergangszeit von 16 Jahren favorisiert,57 sich damit aber in Dänemark nicht durchsetzen können. Von den Pflanzern wurde die Entscheidung gelassen aufgenommen, die Erwartungen der Sklaven hingegen waren enttäuscht worden. Als die Proklamation am darauffolgenden Tag, einem Sonntag, auch in den Missionsskirchen und Schulen von den Missionaren verlesen und erläutert wurde, registrierten diese die Unzufriedenheit ihrer Gemeindemitglieder. Jene hatten erwartet, dass nun, 13 Jahre nach dem Ende der Sklaverei in den britischen Kolonien, sie selbst ihre Freiheit erhalten würden. Den Missionaren der Brüdergemeine wurde bei der Übergangsphase von der Sklaverei zur „Freiheit“ eine zentrale Rolle als Mittler zwischen dem Kolonialstaat und den Sklaven/Ex-Sklaven eingeräumt. Die Verkündung und Erklärung der Proklamationen zur Abschaffung der Sklaverei erfolgte in den Missionskirchen, wo die Missionare als Multiplikatoren eingesetzt wurden, um einen geregelten Übergang sicherzustellen. Gleichzeitig sollte den Sklaven, die aus Sicht des Kolonialstaats, bestehende Notwendigkeit einer Übergangsphase erläutert werden.58 Sowohl auf St. Kitts, als auch auf St. Croix waren die Missionare der Brü54 55 56 57

Bericht von St. Croix im Jahr 1847, in: Nachrichten aus der Brüdergemeine (1849), S. 465. Hatchett, Richard: Emancipation Proclamation, in: St. Croix Avis, 20 September 1847. Zitiert nach Degn, Die Schimmelmanns, S. 478. Pedersen, Svend-Green: Danish historians and emancipation: the Peter Von Scholten myth, in: Highfield, Arnold/ Tyson, George (Hrsg.), Negotiating Enslavement, Perspectives on Slavery in the Danish West Indies, St. Croix 2009, S. 165–174. 58 Ritchie-Kerr, Jeffrey: Rites of August First. Emancipation Day in the Black Atlantic World, Baton Rouge 2007, S. 17: „Colonial governors sought to enlist Christian missionaries as agents of colonial order.“

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dergemeine in diesen Prozess eingebunden. Als Peter von Scholten 1847 die dänische Proklamation zur Abschaffung der Sklaverei verkünden ließ, forderte er die Missionare auf, die Notwendigkeit einer Vorbereitung der Sklaven auf die „Freiheit“ in ihrer Predigt zu thematisieren. Diesem Wunsch versuchte der Missionar Trautgott Gardin auf St. Croix bestmöglich zu entsprechen. In seiner Predigt verkündete er den Gemeindemitgliedern folgendes: „Freedom is a great blessing, but only to such as know to make a proper use of it: this has been fully experienced in other countries and there are few among you, who would be able to use it rightly already now; by far the greater part of You must first be prepared for freedom, if they shall truly enjoy it.”59

Die Abschaffung der Sklaverei wäre somit nur ein Segen für die Gemeinschaft, wenn sichergestellt sein würde, dass die ehemaligen Sklaven diese neugewonnene Freiheit vernünftig gebrauchten. Womit gemeint war, dass die ehemaligen Sklaven weiter auf den Plantagen arbeiten sollten. Nur jene, die die 12 Jahre nutzen um „good Christians and good & useful objects“ zu werden, können später in Freiheit leben.60 In ähnlicher Weise hatte auch in Britisch-Westindien der Kolonialstaat die Missionare als Mediatoren in der Übergangsphase eingesetzt. Den ehemaligen Sklaven hatte der Missionar David Bigler in Basseterre, St. Kitts am 1. August 1834 erklärt, dass es ihre Aufgabe sei „to be faithful to [your] masters & obedient to the laws and [...] to be grateful to God.“61 Unterstrichen wurde diese Botschaft der Missionare durch die Instrumentalisierung einer populären Textstelle des Neuen Testaments. Der Text, „Wenn euch nun der Sohn freimacht, so seid ihr wirklich frei“,62 war zur Zeit der Sklaverei genutzt worden, um den Sklaven zu predigen, dass sie nicht nach körperlicher Freiheit streben sollten. Nun wurde er genutzt, um einen gewaltfreien Übergang von der Sklaverei in die „Freiheit“ sicherzustellen. Bei jährlich stattfindenden Feierlichkeiten, wie jenen zur Erinnerung an die Abschaffung der Sklaverei in Surinam, sollte der Text verdeutlichen, wie es Alex van Stipriaan beschreibt, dass „only decent Christians can be free.“63 Bei der Bewertung dieser Texte ist zu berücksichtigen, dass die Predigten Bestandteil einer offiziellen Inszenierung im Sinne der Kolonialregierung waren. Die Missionare hätten öffentlich kaum eine andere Position vertreten können, ohne dass dies von der Kolonialmacht als aufrührerisches Verhalten gewertet worden wäre. Zwar zeigten die Missionare teilweise Verständnis für die Enttäuschung der Sklaven,64 dieses ging aber nicht so weit, dass sie Protest gegen die staatlichen 59 UA, R 15 Bb 19b, Verhandlungen mit der dänischen Regierung, Kopie des Predigttextes aus Anlass der dänischen Proklamation zur Abschaffung der Sklaverei vom 18. September 1847. 60 Ebd. 61 UA, R 15 F b 2f (1), Diarium Basseterre, St. Kitts (1833–1877), 1. August 1834. 62 Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 8, Vers 36. 63 Stipriaan, July 1, S. 273. 64 Bericht von der Mission auf den dänisch-westindischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jan vom Jahr 1847, in: Nachrichten aus der Brüdergemeine, 4 (1849), S. 465f.: „Ach wie sehr wurden die armen Leute getäuscht. […] Uns that es in der Seele weh, die Aeußerungen getaeuschter Hoffnung zu hören.“

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Proklamationen geduldet hätten. Als es bei der Verkündigung des Gesetzes zur Abschaffung der Sklaverei in Dänisch-Westindien in der Kirche von Emmaus auf St. John zu Protesten kam, meldeten die Missionare die Namen der Personen an die Polizei.65 Wichtiger als die Solidarität mit den Sklaven war ihnen die Aufrechterhaltung und Akzeptanz der öffentlichen Ordnung. Dabei mag auch die Wahrnehmung der Sklavenemanzipation als Gefahr für das Missionsunternehmen selbst eine Rolle gespielt haben. Peter von Scholten hatte bei einem Besuch der UAC in Berthelsdorf 1839 das Schreckensszenario des „faulen“ Schwarzen heraufbeschworen, dem „6 Arbeitsstunden im Jahr [gemeint ist wohl in der Woche] ausreich[ten], um sein Feld zu dem für seinen Lebensunterhalt nothwendigen Ertrag zu bestellen.“66 Damit bediente er sich eines, innerhalb der Gruppe der Pflanzer, weitverbreiteten Stereotyps um der UAC zu erklären, warum eine direkte Abschaffung der Sklaverei unmöglich sei.67 Nur eine lange Übergangsperiode von der Sklaverei zur Freiheit und die weitere Vorbereitung der Sklaven auf ihre Freilassung könne sicherstellen, dass die wirtschaftliche Existenz der Kolonie nicht gefährdet werde. Die Befürchtung eines Exodus der Plantagenwirtschaft teilten auch die Missionare auf St. Croix. In einem Bericht zur Entwicklung der Mission in den Nachrichten aus der Brüdergemeine, einer für die interne Kommunikation in der Kirche gedachten Publikation, heißt es: „Gewiß ist in keinem Theile Deutschlands das Landvolk in einem so guten Zustand, — wenn wir den Genuß der Freiheit nicht in Anschlag bringen, — wie die Neger auf unserer Insel. Dies wird freilich auch nur, so lange der Fall sein, als der Anbau des Zuckerrohrs betrieben werden kann. Sobald der aufhört, ist St. Croix eines der ärmsten Länder auf der Erde.“68

Wie bereits im 18. Jahrhundert zogen die Missionare einen Vergleich zwischen den Lebensbedingungen der Sklaven und der deutschen Landbevölkerung. Dieser diente dazu, die Lebensumstände der Sklaven in den dänischen Kolonien positiv darzustellen. Das der „gute“ Lebensstandard der Sklaven allerdings vom Anbau des Zuckers herrühren sollte, wirkt aus heutiger Sicht unverständlich. Andererseits war Zucker das Exportprodukt, welches allgemein mit der Karibik in Verbindung gebracht wurde und auf dem die Wirtschaft in der Kolonie basierte. Die Mission der Brüdergemeine teilte die Sorgen, die Pflanzer und Kolonialbeamte mit der Freilassung der Sklaven verbanden. Das hatte auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Missionaren und Sklaven. Denn nach dem Verständnis der 65 Degn, Die Schimmelmanns, S. 451. 66 UA, UAC Protokolle, 8. August 1839, S. 111f. Von Scholten skizzierte das Bild des freien Schwarzen, dem „6 Arbeitsstunden im Jahr ausreiche[n], um sein Feld zu dem für seinen Lebensunterhalt nothwendigen Ertrag zu bestellen.“ Der Name „Sklaverey“ sollte abgeschafft werden und durch Verordnungen und Gesetze der Status der Unfreien geregelt werden. Dieses System entwarf der Gouverneur als bewussten Kontrast zum apprenticeship system in den britischen Kolonien. 67 Von Scholten greift hier bereits Elemente des später von Thomas Carlyle zum „Quashee Syndrom“ verdichteten rassistischen Stereotyps auf. Vgl. Füllberg-Stolberg, Britisch- und Dänisch-Westindien, S. 51f.; Hall, Civilising Subjects, S. 349–354. 68 Bericht von der Mission auf den dänisch-westindischen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. Jan vom Jahr 1847, in: Nachrichten aus der Brüdergemeine, 4 (1849), S. 465.

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Mission konnten nur jene Gemeindemitglieder gute Christen sein, die die Landesgesetze befolgten und sich als gute Arbeiter erwiesen.69 Neben der offensichtlichen Obrigkeitstreue der Mission, die in diesen Texten deutlich wird, kam dem Kolonialstaat dabei v.a. das missionarische Verständnis von Freiheit entgegen. Auch wenn durch die Abolition der Sklaverei die körperliche Freiheit erreicht worden war, bedeutete dies, dass die Gemeindemitglieder nun die Freiheit von der Sünde anstreben müssten. Im Folgenden soll zunächst die missionarische Gesellschaft der Brüdergemeine in Britisch- und Dänisch-Westindien, insbesondere auf St. Kitts und St. Croix, dargestellt werden. Dazu ist es nötig, zu klären, wie sich die Zugehörigkeit zur Missionsgemeinde definierte, welche Hierarchien in derselben existierten, durch welche Organe und Strukturen dieselben verfestigt wurden und schließlich wie die Kirchendisziplin zur Aufrechterhaltung der missionarischen Gesellschaft genutzt wurde. Abschließend werden drei Aspekte in der Beziehung zwischen afrokaribischen Gemeindemitgliedern und der Mission genauer betrachtet werden.

4.2.1. Die missionarische Gesellschaft Die missionarische Gesellschaft ist nach Helge Wendt, eine soziale Gemeinschaft innerhalb der Kolonialgesellschaft, die unter dem Einfluss eines Missionars entstand.70 Diese Gemeinschaft ist nie unabhängig von der sie umgebenden Kolonialgesellschaft. Ihre Mitglieder unterhalten stets im unterschiedlichen Maße soziale Beziehungen außerhalb der missionarischen Gesellschaft. Das Ziel des der Gesellschaft vorstehenden Missionars ist es deshalb, ein Zugehörigkeitsgefühl zur neu entstandenen Gemeinschaft zu schaffen, das den Mitgliedern, so Wendt, als „unauflöslich erschien und von nachfolgenden Generationen nicht mehr hinterfragt wurde.“71 Bedingung für den Zugang zur missionarischen Gesellschaft war ein Interesse am christlichen Glauben bzw. die Konversion zum Christentum. Die missionarische Gesellschaft ist somit nicht auf die Konvertiten begrenzt, sondern erstreckt sich auch auf jene, die ein aktives Interesse an der Konversion zeigen. Daneben war eine weitere Voraussetzung für die Zugehörigkeit, die Annahme der vermittelten Glaubensinhalte und Verhaltensnormen. Lehnte das Mitglied die 69 UA, R 15 Bb 19b, Verhandlungen mit der dänischen Regierung, Kopie des Predigttextes aus Anlass der dänischen Proklamation zur Abschaffung der Sklaverei vom 18. September 1847: „You will also do all in your power to give satisfaction to your masters, who gladly state help to promote your welfare, if you are faithful servants to them, doing service not as unto men but unto the Lord, to whom once you must give account, whither you be bound or free.” 70 Wendt, Missionarische Gesellschaft, S. 15: „Die missionarische Gesellschaft hingegen soll die soziale Gemeinschaft im kolonialen Kontext bezeichnen, welche unter dem Einfluss eines Missionars am Ort seines Handelns entstand.“ Im weiteren Verlauf seiner Einführung betont Wendt, dass der unter dem Einfluss des Missionars entstandene Sozialverband als Gesellschaft zu bezeichnen sei. Dies begründet Wendt mit der Beeinflussung der missionarischen Gesellschaft durch europäische Akteure und Institutionen (vgl. Ebd., S. 18). 71 Ebd., S. 15f.

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vermittelten Inhalte ab, oder verstieß es gegen die normativen Erwartungen, so konnte es degradiert oder aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Die sich um den Missionar als zentrale Instanz entwickelnde Gesellschaft definierte sich also auch durch ihre Exklusivität und Hierarchie.72 Die Grundzüge des von Wendt angewendeten Konzeptes der missionarischen Gesellschaft lassen sich auch auf die Missionsgemeinde der Brüdergemeine übertragen. Hier bildete die Gruppe der Missionare das Zentrum einer Gesellschaft, die durch eigene Ämter und Institutionen und die Vermittlung christlicher Werte und Normen gekennzeichnet war. Einerseits wurde versucht, durch die Exklusivität der Mitgliedschaft und die mit der hierarchischen Ordnung in der Gemeinde verbundenen Sozialkontrolle eine möglichst große Autonomie von der Außenwelt zu erreichen. Andererseits waren auf allen Ebenen dieser Gesellschaft, die Mitglieder in unterschiedlichem Maße in die Kolonialgesellschaft eingebunden. Auf die Verflechtung der Mission als gesellschaftlicher Institution und einzelner Missionare innerhalb der Kolonialgesellschaft wurde bereits in den vorherigen Kapiteln eingegangen. Der Betrieb von Gewerben und Plantagen und der Handel mit Zucker und Rum konnte nicht unabhängig von der Außenwelt betrieben werden. Diese Verflechtung zwischen kolonialer und missionarischer Gesellschaft gilt ebenso für die afrokaribischen Mitglieder der Missionsgemeinde, die entweder als Sklaven, apprentices oder „freie“ Lohnarbeiter durch verschiedene soziale Beziehungen mit derselben verbunden waren.

4.2.2. Missionare und Missionarinnen Die grundlegende Voraussetzung für das Entstehen einer missionarischen Gesellschaft war das Vorhandensein eines Missionars bzw. einer Gruppe von Missionaren. Diese bildeten das Zentrum der um sie entstehenden und von ihnen geleiteten Missionsgemeinde. Die Missionare der Brüdergemeine waren größtenteils keine studierten Theologen. Stattdessen zeichneten sie sich dadurch aus, dass sie fast alle ein Handwerk gelernt hatten, das ihnen ermöglichte, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Eine Professionalisierung setzte erst im Verlauf des 18. Jahrhundert ein, als die Missionare nach ihrer Berufung für ihre Tätigkeit verstärkt in Seminaren ausgebildet wurden. Die Vorbereitung umfasste dabei Sprachstudien und die Tätigkeit als Assistent eines Missionars, bevor eine eigene Missionsstation übernommen werden konnte.73

72 Ebd., S. 17. 73 Wellenreuther, Hermann: Pietismus und Mission. Vom Beginn des 17. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Lehmann, Hartmut (Hrsg.), Geschichte des Pietismus Bd. 4. Glaubenswelt und Lebenswelten, Göttingen 2004, S. 168–194, hier S. 170. Die Grundzüge einer eigenen theologischen Ausbildung entwickelten sich in der Brüdergemeine seit 1739 und wurden schließlich in der Gründung eines Seminars in Barby (1749) und später Niesky (1789) weiter institutionalisiert. Vgl. Meyer, Dietrich: Zinzendorf und die Herrnhuter Brüdergemeine 1700– 1760, Göttingen 2007, S. 83f.

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Die Missionare, die auf der Missionsstation lebten, bildeten eine Wohn- und Arbeitsgemeinschaft. Diese setzte sich meist aus Familien und ledigen Missionaren zusammen. Auch wenn grundsätzlich nur Männer Missionare werden konnten, so war die Mission ohne Frauen bzw. Ehepartnerinnen nicht möglich.74 Es war ein wesentliches Merkmal der Brüdergemeine, dass Frauen intensiv in die Seelsorge eingebunden waren. Sie wurden im 19. Jahrhundert nicht mehr ordiniert, waren aber immer noch ein unabdingbarer Bestandteil der Missionstätigkeit. Grundsätzlich folgte die Brüdergemeine zwar den Vorgaben des Neuen Testaments zur Position der Frau in der Gemeinde,75 d.h. Frauen übten keine leitenden Funktionen aus, stattdessen wurde ihnen die Führung des Haushaltes übertragen.76 Dies bedeutete allerdings nicht nur die Zubereitung von Mahlzeiten, die Versorgung der Kinder und Reinigung des Hauses, wozu im 19. Jahrhundert Haussklaven bzw. Angestellte den Missionaren zugestanden wurden, sondern auch die Beteiligung an ökonomischen Aktivitäten.77 Die Mission wurde nach außen, während Gottesdiensten und anderen offiziellen Angelegenheiten von Männern vertreten. Darin unterschied sich die Brüdergemeine nicht von anderen Missionsgesellschaften, wie etwa den Baptisten.78 Allerdings erkannte die Herrnhuter Brüdergemeine Frauen als spirituell gleichberechtigt an und band sie in die Missionsstätigkeit ein. Dem lag die Überzeugung zugrunde, dass die Seelsorge nach Geschlechtern getrennt erfolgen sollte.79 Folglich unternahmen auch Frauen Besuche bei Gemeindemitgliedern auf Plantagen, empfingen diese zum Sprechen (einer Art seelsorgerischen Gesprächs) und nahmen an den

74 Leider fehlt in der ansonsten gut lesbaren Darstellung von Maureen Warner-Lewis zur Mission in Jamaika im 19. Jahrhundert jeder Hinweis auf die Bedeutung von Frauen in der Missionsstätigkeit. Vgl. Warner-Lewis, Maureen: Archibald Monteath. Igbo, Jamaican, Moravian, Kingston 2007, S. 160–166. Ein positives Gegenbeispiel ist die aus einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive geschrieben Studie zur Mission in Surinam von Lenders, Maria: Strijders voor het Lam. Leven en Werk van Herrnhuter Broeders en Zusters in Suriname, 1735–1900, Leiden 1996 sowie für die Basler Mission an der Goldküste Miller, Jon: Missionary Zeal and Institutional Control. Organizational Contradictions in the Basel Mission on the Gold Coast, 1828–1917, London 2003, S. 60–66. 75 Vgl. z. B. 1. Brief des Paulus an Timotheus, 2,11–12: Eine Frau lerne in der Stille in aller Unterwürfigkeit. Ich erlaube aber einer Frau nicht, zu lehren, noch über den Mann zu herrschen, sondern still zu sein. 76 Highfield, Arnold R.: Patterns of Accomodation and Resistance. The Moravian Witness to Slavery in the Danish West Indies, in: Ders. (Hrsg.): Time Longa’ Dan Twine. Notes on the Culture, History, and People of the U.S. Virgin Islands, St. Croix 2009, S. 203–233, S. 209; Lenders, Strijders, S. 80. 77 Lenders, Strijders, S. 80, nennt als Beispiele die Mitarbeit von Frauen in der Bäckerei und Schneiderei in Paramaribo. In Dänisch-Westindien ist von einer ähnlichen Betätigung der Frauen in der Garten und Feldarbeit auszugehen. 78 Hall, Civilising Subjects, S. 91–96. 79 Sensbach, Jon F.: Rebecca’s Revival, Creating Black Christianity in the Atlantic World, Cambridge/Mass. 2004, S. 46–49; Mettele, Gisela: Weltbürgertum oder Gottesreich. Die Herrnhuter Brüdergemeine als globale Gemeinschaft 1727–1857, Göttingen 2009, S. 51–54.

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Missionsskonferenzen teil.80 Gerade ihr Status als Ehefrau räumte den Missionarinnen weitreichendere Vollmachten als etwa den ledigen Missionaren ein, da diese weder am Sprechen noch an den Missionskonferenzen teilnehmen durften.81 Durch ihre Beteiligung an diesen zentralen Instanzen der Mission, auf die im Folgenden noch ausführlicher eingegangen wird, konnten die Missionarinnen auf die Beförderung und Bestrafung von Gemeindemitgliedern Einfluss nehmen. Neben der Bedeutung von Missionarinnen für die Haushaltung, wirtschaftliche Organisation der Missionsstation und die Seelsorge war ihre Funktion als Ehepartnerin essentiell für die Vermittlung des, auf die europäische Kernfamilie ausgerichteten, Rollenbildes der Mission.82 Die Missionare erwarteten von ihren Gemeindemitgliedern die Praktizierung einer monogamen Ehe und eine Orientierung am Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie mit einer dementsprechenden Arbeitsteilung. Die Missionarsfamilie selbst sollte in diesem Sinne als repräsentatives Beispiel dienen. In der nach Zinzendorf als „Streiterehe“ bezeichneten Verbindung spielte die Sexualität eine untergeordnete Rolle, stattdessen sollten die Ehepartner „Streiter“ für den Heiland sein.83 Eine Scheidung war demzufolge nicht vereinbar mit dem Herrnhuter Glauben.84 Starb ein Ehepartner, stellte dies insbesondere für Witwen ein Problem dar. Während Männer auch als Witwer auf der Missionsstation bleiben konnten, hielt die Brüdergemeine dies bei Frauen für unmöglich. Ungetraute Missionare unterschiedlichen Geschlechts durften nicht auf der Missionsstation leben, da dies als unmoralisch angesehen wurde. Vermutlich war es auch deshalb problematisch, weil die Missionare unter diesen Umständen nicht als normatives Vorbild für die an einem europäischen Familienbild organisierte Missionsgemeinde dienen konnte, worauf etwa Jon Miller am Beispiel der Basler Mission an der Goldküste hinweist.85 Für die Witwen gab es entweder die Möglichkeit nach Europa zurückzukehren oder direkt wiederverheiratet zu werden, was durchaus häu-

80 UA, R 15 Ba 31 (11), Beschreibung der Zustände auf der Mission in Dänisch-Westindien im Juny 1847. 81 Ebd.: „Das regelmäßige Sprechen wird von allen Missionaren u. ihren Frauen besorgt, nicht aber von den Gehülfen oder led. Brüdern. [...] Die Natur dieser Konferenzen [Missionskonferenzen] eignet sich aber nicht für led. Brüder, indem der größte Theil der Verhandlungen in Hurengeschichten besteht.“ 82 Hall, Civilising Subjects, S. 94f.; Füllberg-Stolberg, Britisch- und Dänisch-Westindien, S. 55f.; Miller, Missionary Zeal, S. 62f. 83 Peucker, Paul: Herrnhuter Wörterbuch. Kleines Lexikon von brüderischen Begriffen, Herrnhut 2000, S. 50. 84 Lenders, Strijders, S. 94. Allerdings gab es durchaus die Möglichkeit einer dauerhaften Trennung, vgl. Fogleman, Aaron: Two Troubled Souls. An Eighteenth-Century Couple’s Spiritual Journey in the Atlantic World, Chapel Hill 2013, S. 192–194. 85 Miller, Missionary Zeal, S. 62: „It soon became apparent that single missionaries were ill suited to serve either as the model or as the repository of wisdom for such family-based settlements.“

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figer vorkam.86 Die Kinder der Missionare verblieben nur einige wenige Jahre bei ihren Eltern im Missionsgebiet, bevor sie in eine Erziehungsanstalt der Brüdergemeine nach Nordamerika oder Europa gebracht wurden.87 Die Missionare und Missionarinnen bildeten die zentrale Instanz der Missionsgemeinde. Nicht nur, weil ihre Anwesenheit die Bedingung für ein Entstehen derselben war, sondern auch, weil sich die Hierarchie und normative Ordnung der Missionsgemeinde an den Missionaren orientierte und von diesen definiert wurde. Sie leiteten die Versammlungen, entschieden über Disziplinarmaßnahmen und Beförderungen von Gemeindemitgliedern.

4.2.3. Afrokaribische Gemeindemitglieder Zur missionarischen Gesellschaft der Brüdergemeine zählten ebenso unabdingbar wie die Missionare selbst, die indigenen Gemeindemitglieder. Die von den Missionaren vorgelebte familiäre Gemeinschaft, die in der gegenseitigen Denomination als Bruder und Schwester auch nach außen verdeutlicht wurde, erstreckte sich ebenso auf die afrokaribischen Mitglieder der Missionsgemeinde. Das Konzept der Familie war in diesem Sinne nicht über eine biologische Verwandtschaft konstruiert wie Catherine Hall betont, sondern eine „religious kinship“.88 Die Mission der Brüdergemeine zielte nicht darauf ab, eine möglichst große Anzahl an Konvertiten zu gewinnen. Es war vielmehr das Ziel, durch sorgfältige Prüfung und Unterweisung der Kandidaten, sich von deren Eignung zu überzeugen, bevor einer von ihnen getauft wurde. Zeigte der Kandidat ein gutes Arbeitsund Sozialverhalten und konnte er im Gespräch mit dem Missionar überzeugend darlegen, dass er die Grundsätze des Glaubens angenommenen hatte, so qualifizierte er sich zur Taufe. In der nächsten Missionskonferenz wurde im Kreis der Missionare und Nationalhelfer (indigener Assistenten) über seine Eignung beraten und schließlich das Los befragt. Die Befragung des Loses sollte an dieser Stelle das theokratische Element der Brüdergemeine betonen. Es gab ein Ja und ein Nein Los. Wurde ein negatives Los gezogen, so musste der Kandidat warten und sich weiter bewähren, bevor ein weiterer Versuch unternommen wurde. Erfolgte die Taufe im Erwachsenenalter, so war sie gleichbedeutend mit der Aufnahme in die Gemeinde. Handelte es sich um einen Kandidaten, der als Kind bereits christlich getauft worden war, so wurde dieser nicht noch einmal getauft, hatte sich aber vor seiner Aufnahme in die Gemeinde ebenfalls einer Zeit religiöser Unterweisung und Sozialkontrolle zu unterziehen. Die Taufe oder Aufnahme in die Gemeinde bildete dabei nur die Basis für die Mitgliedschaft. Durch eine weitere Unterweisung und den Besuch der Versammlungen und des Sprechens konnte der Konver86 Lenders, Strijders, S. 95–98. Die Wiederverheiratung verwitweter Missionarinnen war auch bei anderen Missionsgesellschaften üblich vgl. etwa Miller, Missionary Zeal, S. 62f.; Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 88f. 87 Lenders, Strijders, S. 81–84. 88 Hall, Civilising Subjects, S. 94.

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tit in der Kirchenhierarchie weiter aufsteigen. Vom einfachen Gemeindemitglied, über die verschiedenen Kirchengrade des Abendmahlskandidaten, Konfirmanden, konnte er schließlich in die Gruppe der Kommunikanten aufgenommen werden. Aus dieser Gruppe, die am Abendmahl teilnehmen durfte, wurden die Nationalhelfer ausgesucht. Dabei handelte es sich um aus der Missionsgemeinde rekrutierte Assistenten der Missionare ohne die eine Überwachung des Sozialverhaltens der Mitglieder und Betreuung der immer größeren Missionsgemeinde nicht möglich gewesen wäre.89 Die Zugehörigkeit zur missionarischen Gesellschaft war für die Mitglieder mit Vorteilen verbunden, die eine Konversion attraktiv machten. Sie wurden Teil einer größeren Gemeinschaft, die über die Grenzen der eigenen Plantage hinausging. Die Besuche der Versammlungen und des Schulunterrichtes nutzten die Gemeindemitglieder zum Treffen mit Verwandten und Bekannten und zum Informationsaustausch. Die Missionsgemeinde entwickelte sich, neben der Plantagengemeinschaft und den besonders im 18. Jahrhundert einflussreichen Netzwerken afrikanischer Ethnien, zu einem zentralen sozialen Gefüge der afrokaribischen Gemeindemitglieder.90 Zudem konnten die Gemeindemitglieder in der Mission durch den Aufstieg in der Missionshierarchie, ihr eigenes soziales Ansehen innerhalb der Gemeinschaft erhöhen. Dies war etwas, was ihnen auf den Plantagen und in der kolonialen Gesellschaft weitgehend verwehrt blieb.91 Dabei ist besonders hervorzuheben, dass weibliche Mitglieder der Missionsgemeinde grundsätzlich in alle Positionen der Kirchenhierarchie aufsteigen konnten, also auch in das Kirchenamt des Nationalhelfers. Gerade für Frauen bedeutete dies eine größere Möglichkeit sozialer Mobilität, als sie ihnen innerhalb des Plantagensystems und von der Kolonialgesellschaft zugestanden wurde. Zusätzlich eröffnete die Mission, durch das Angebot an Sonntags- und Abendschulen, schon zur Zeit der Sklaverei ihren Gemeindemitgliedern einen Zugang zu Bildung. Eine Vermittlung von Lesen und Schreiben fand, wenn überhaupt, meist nur durch die Missionare statt. Schließlich repräsentierten diese eine einflussreiche Verbindung zur Kolonialmacht, was durch die Proklamation und Erklärungen von Kolonialgesetzen in den Missionskirchen verdeutlicht wurde. Die Gemeindemitglieder konnten sich in Konflikten mit Pflanzern oder Kolonialbeamten an die Missionare als Vermitt-

89 Zu den Nationalhelfern in der Mission der Brüdergemeine zur Zeit der Sklavenemanzipation vgl. Hüsgen, Jan: Zwischen Anpassung und Widerstand. Nationalhelfer in der Mission der Brüdergemeine zur Zeit der Sklavenemanzipation, in: Zeitschrift für Weltgeschichte 14 (2014), S. 65–91. 90 Die bisher beste Studie zur Verflechtung verschiedener afrokaribischer Netzwerke (Plantage; Missionsgemeinde; afrikanische Ethnie) bietet die Untersuchung zur Kreolisierung afrokaribischer Sklaven im 18. Jahrhundert auf St. Thomas von Louise Sebro. Vgl. Sebro, Louise: Mellem Afrikaner og kreol. Etnisk identitet og social navigation i Dansk Vestindien 1730– 1760, Lund 2010, S. 137–167. Ähnlich äußert sich Karen Fog Olwig zur Bedeutung der Mission der Methodisten in Nevis zum entstehen von „cross-racial ties“. Vgl. Olwig, Global Culture, S. 79. 91 Turner, Slaves and Missionaries, S. 43; Olwig, Global Culture, S. 54f.

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lungsinstanz wenden.92 Im Gegenzug erwarteten die Missionare eine Annahme der von ihnen vermittelten Ideale und Wertvorstellungen durch den Konvertiten. Die Konversion war aber trotz sorgfältiger Überprüfung des Kandidaten nicht gleichbedeutend mit einer völligen Annahme dieses missionarischen Programms durch denselben. Dieser Umstand war den Missionaren sehr bewusst, weshalb sie ihre Sozialkontrolle auf die Gemeindemitglieder zu jeder Zeit und auf jeder Stufe der Kirchenhierarchie ausübten. Das Verhältnis zwischen Missionsgemeinde und Missionaren war nicht von einer einseitigen Abhängigkeit der Konvertiten von den Missionaren geprägt. Ganz im Gegenteil waren diese gerade zu Beginn der Missionsstätigkeit häufig auf Unterstütztung, etwa beim Bau der Missionsstation und Versorgung mit Lebensmitteln, auf die Gemeindemitglieder angewiesen. Auf St. Kitts und Antigua, wo die Missionsstationen der Brüdergemeine über keine eigenen Gewerbe verfügten, erhielten die Missionare eine finanzielle Unterstützung durch ihre Missionsgemeinde und Hilfe beim Bau von Kirchen und Missionsstationen.93 Die finanzielle und praktische Unterstütztung kann aber nicht grundsätzlich als Nachweis einer völligen Annahme des Missionsprogramms durch die afrokaribischen Gemeindemitglieder angesehen werden, wie etwa Oliver Furley meint.94 Sie ist vielmehr, worauf Mary Turner hingewiesen hat, als ein sichtbares Zeichen der Identität der afrokaribischen Gemeindemitglieder in einem ansonsten von Weißen dominierten Kolonialsystem zu betrachten.95

4.2.4. Statusunterschiede in der missionarischen Gesellschaft Ein bedeutender Statusunterschied innerhalb der missionarischen Gesellschaft lag schon im Verhältnis der Missionare und Konvertiten zur Brüdergemeine selbst begründet. Während die Missionare vollwertige Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeine waren, standen die Konvertiten in einem „paternalistischen, im Herrnhuter Sprachgebrauch ‚Pflege‘ genannten Verhältnis“ zu derselben, wie Gisela Mettele es beschreibt.96 Folglich wurden die Konvertiten auch nicht in den offiziellen Statistiken gemeinsam mit den Mitgliedern in der Brüdergemeine erfasst,97 sondern in denselben entweder als „in enger Gemeinschaft“ oder als „in

92 Sebro, Mellem afrikaner, S. 107f. 93 Goveia, Slave Societies, S. 282f. 94 Furley, Oliver: Moravian Missionaries and Slaves in the West Indies, in: Caribbean Studies 5 (1965), S. 3–16, hier S. 10. 95 Turner, Slaves and Missionaries, S. 86: „The missionaries […], made it clear that the chapels were monuments to their [der Missionsgemeinde] collective effort, an expression of their organized opinion.“ 96 Mettele, Weltbürgertum, S. 107. 97 Vgl. etwa die Diskrepanz zwischen den beiden Angaben bei Mettele, Weltbürgertum, S. 41, von 19.763 Mitgliedern im Jahr 1857 und den Ebd., S. 92f., 229.574 in der „Pflege“ der Brüdergemeine stehenden Missionen. Während die letztere Zahl, die Diaspora und Missionsge-

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Pflege der Brüderkirche“ stehend bezeichnet.98 Das Verhältnis zwischen Missionaren und den afrokaribischen Gemeindemitgliedern zeichnete sich also nicht durch einen gleichberechtigten Status zwischen beiden Personengruppen aus. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass die Konvertiten, am innerhalb der Brüdergemeine durch intensive Briefwechsel gepflegten, globalen Dialog nicht teilnahmen und für sie kaum die in der Brüdergemeine verbreiteten Lebensläufe, d.h. von ihnen selbstverfasste Memoiren, existieren.99 Wenn überhaupt, so scheint eine intensivere Einbindung der außereuropäischen Konvertiten in der Brüdergemeine v.a. im 18. Jahrhundert stattgefunden zu haben und war weitgehend auf jene beschränkt, die in den europäischen und nordamerikanischen Gemeinorten lebten.100 Die Statusunterschiede zwischen Missionaren und den indigenen Mitgliedern der Missionsgemeinde beruhten jedoch nicht nur auf ihrer unterschiedlichen Einbindung innerhalb der Brüdergemeine. Sie manifestierten sich bereits rein äußerlich. Die Unterschiede im Wohn- und Lebensstandard zwischen den weißen Missionaren und den afrokaribischen Gemeindemitgliedern waren enorm. Die Missionare lebten im 19. Jahrhundert gerade nicht mehr in größter Armut und Einfachheit wie etwa Hartmut Beck schreibt, der darin einen solidarischen Aspekt der Missionstätigkeit sieht.101 Sie verfügten über große Häuser, in denen Bedienstete die Missionare bei der Hausarbeit unterstützten und ihre Gärten bestellten. Auch wenn es sich dabei nicht um wie auf den Plantagen zu findende Herrenhäuser handelte, so waren die Unterschiede mit der Wohnsituation der Konvertiten offensichtlich. Diese Statusunterschiede bezogen sich auch auf die Sitzordnung innerhalb der Kirche. Während der Versammlung nahmen die Missionare in der ersten Kirchbank, der sogenannten „Arbeiterbank“ platz. Versuchten Mitglieder der Missionsgemeinde sich dazu zu setzen, konnte dies zu Konflikten führen.102 Auch innerhalb der Gruppe der Missionare selbst gab es offensichtliche Statusunterschiede. Unverheiratete Missionare konnten keine vollwertigen Mitglieder der Gruppe der Missionare sein. Dadurch, dass ihnen der Zugang zur Missionskonferenz verwehrt blieb, mussten sie in diesem Punkt hinter Missionarinnen und Nationalhelfern zurücktreten. Erst durch Heirat und Ordination konnte der Missionar als gleichberechtigtes Mitglied in die Gemeinschaft der Missionare im Missionsfeld aufgenommen werden. Allerdings war er auch in dieser Position, dem jeweiligen Präses, also dem Vorgesetzten der Gruppe der Missionare im Missionsgebiet, zu Gehorsam verpflichtet.103 Die Mission, d.h. die Gesamtheit der Mis-

98 99 100 101

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biete mit einbezieht, bezieht sich die erste Zahl nur auf die Bewohner in den europäischen und nordamerikanischen Gemeinden. Mettele, Weltbürgertum, S. 92f. Mettele, Weltbürgertum, S. 107f. Peucker, Paul: Aus allen Nationen. Nichteuropäer in den deutschen Brüdergemeinen des 18. Jahrhunderts, in: Unitas Fratrum 59/60 (2007), S. 1–35 Beck, Jungferninseln, S. 20–22, hier S. 22: „Hier [in der Missionsgemeinde] war in vielen Stücken die sonst überall praktizierte Zweiklassengesellschaft überwunden, weil man in Christus eins war.“ MAB, C. 15.2, Helfernkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 5. April 1848. Peucker, Herrnhuter Wörterbuch, S. 50f.

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sionare in einem Missionsgebiet, musste sich widerum den Vorgaben der UAC unterwerfen. Nach Meinung von Jon Miller begründete sich der Wunsch nach einer Erhöhung des eigenen missionarischen Sozialstatus im Missionsfeld aus der geforderten Unterwerfung des Missionars unter seine Kirchenleitung.104 Die von Miller beschriebene hierarchische Ordnung der Basler Mission, lässt sich auch innerhalb der Brüdergemeine beobachten. Dies ist aufgrund der gemeinsamen pietistischen Wurzeln beider Missionsgesellschaften nicht verwunderlich. Der unterschiedliche Status innerhalb der Gruppe der Missionare setzte sich in der hierarchischen Ordnung der Missionsgemeinde fort. Die verschiedenen Mitgliedsstufen in der Gemeinde, beginnend mit der Aufnahme in dieselbe, der Annahme als Kommunikant bis zur eventuellen Berufung zum Assistenten der Missionare, waren mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten verbunden. Grundsätzlich war der Besuch der sonntäglichen Versammlungen öffentlich und somit allen Gemeindemitgliedern, Kandidaten und sonstigen Personen möglich. Gleichzeitig wurde aber erwartet, dass Kandidaten und Mitglieder regelmäßig an den Versammlungen teilnahmen. Die Regelmäßigkeit der Besuche wurde kontrolliert und eine häufige Teilnahme an Versammlungen und dem Sprechen war die Voraussetzung für eine Weiterbeförderung. Einige Versammlungsarten waren explizit bestimmten Gruppen innerhalb der Missionsgemeinde vorbehalten. Eine Teilnahme am Abendmahl war erst möglich, wenn das Mitglied weiter in der Kirchenhierarchie aufgestiegen war und durch eine erfolgreiche Teilnahme am Missionsunterricht und positives Sozialverhalten den Status des Kommunikanten erreicht hatte. Die Unterteilung der Gemeinde in Chöre, also Gruppen innerhalb der Gemeinde, die sich aus Mitgliedern gleichen Geschlechts und gleichen Familienstands zusammensetzten,105 sorgte für eine zusätzliche Unterscheidung in verschiedene Hierarchien. In der Missionsgemeinde gab es allerdings nur ein Eheund Witwenchor. Den Mitgliedern dieser Gruppen wurde durch ihnen allein vorbehaltene Feste und Versammlungen ein besonderer Status zuteil, der mit der Erwartung einer monogamen Beziehung von Seiten der Mission an sie verbunden war. Die Anerkennung des Status als verheiratetes Paar oder als Witwe wurde von den Gemeindemitgliedern hoch geschätzt.106 Sie konnten hier eine Anerkennung erlangen, die ihnen innerhalb der Kolonialgesellschaft weitgehend verwehrt blieb. Den höchsten Status innerhalb der Missionsgemeinde hatten jedoch die sogenannten Nationalhelfer, die aus der Missionsgemeinde rekrutierten indigenen Assistenten der Missionare. Da Nationalhelfer häufig einflussreiche Positionen innerhalb der Plantagenhierarchie einnahmen, weil sie z.B. Handwerkssklaven oder Vorarbeiter waren, repräsentierten sie gegenüber der Missionsgemeinde nicht nur eine geistliche, sondern auch weltliche Autorität. Insofern verwundert es nicht, dass sie

104 Miller, Missionary Zeal, S. 58: „This hierarchical seperation compensated for the missionaries’ subordination in one sphere (that is, with respect to the Committee) by raising them to superordinate positions in another (with respect to the native converts).” 105 Peucker, Herrnhuter Wörterbuch, S. 17–19. 106 UA, R 15 Ba 31 (11), Beschreibung der Zustände auf der Mission in Dänisch-Westindien im Juny 1847: „Die Witwen schätzen sich hoch zu einer solchen Verbindung zu gehören.“

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von den Gemeindemitgliedern als „geistliche Treiber“ bezeichnet wurden.107 Die mit ihrem Amt einhergehende Verpflichtung zur Bespitzelung der anderen Gemeindemitglieder führte oft zu offener Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber Helfern auf den Plantagen. Für die Missionare bedeutete dies eine Bestätigung, dass die Assistenten ihre Aufgabe pflichtbewusst erfüllten. Dementsprechen hatten sie kein Verständnis für deren Wunsch, unter Umständen aus dem Amt entbunden zu werden. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts als erste Mitglieder der afrokaribischen Gemeinde ordiniert wurden,108 sollte das Amt des Nationalhelfers der höchste von indigenen Gemeindemitgliedern zu erreichende Status in der Missionsgemeinde bleiben. Das Amt war mit einigen Privilegien verbunden, über die andere Gemeindemitglieder nicht verfügten. Nationalhelfer hatten aufgrund ihrer Funktion als Element der Sozialkontrolle in der Missionsgemeinde weitreichende Befugnisse. Ihr Urteil über das Sozialverhalten von Gemeindemitgliedern konnte Beförderungen und Bestrafungen beeinflussen. Zudem assistierten sie in der Versammlung, ihnen war ein besonderer Platz innerhalb der Kirche vorbehalten und sie durften Nachrichten der Missionare auf den Plantagen verbreiten. Sie verfügten also über eine Mobilität, die vielen anderen Mitgliedern der Missionsgemeinde verwehrt wurde.

4.2.5. Sozialkontrolle und Kirchendisziplin Das zentrale Instrumentarium zur Durchsetzung der Sozialkontrolle in der Missionsgemeinde bildeten die Nationalhelfer. Sie lebten mit den Gemeindemitgliedern auf den Plantagen und waren so in der Lage, deren Sozialverhalten zu beobachten. Gerade im 19. Jahrhundert als die Zahl der Gemeindemitglieder pro Missionsstation leicht mehrere hundert Personen umfassen konnte, waren die Missionare auf die Unterstützung ihrer Helfer angewiesen. Die von den Nationalhelfern gesammelten Informationen über „Fehlverhalten“ verzeichneten die Missionare in sogenannten „Remark Books“. In der Regel wurden die Mitglieder beim nächsten Sprechen, dem in der Mission üblichen seelsorgerischen Gespräch, mit den Vorwürfen konfrontiert. In der Missionskonferenz entschieden die Missionare dann über das weitere Vorgehen, insbesondere welche Art der Bestrafung ausgeübt werden sollte. Die Ergebnisse dieser Konferenz wurden in die sogenannten „Exclusion Lists“ eingetragen.109 Die Dokumentation, der von Helfern und Ge107 Ebd.: „Ihr Amt ist kein leichtes u. nicht immer werden sie vom Volke angehört, das in ihnen geistliche Treiber erkennt, denen sie nicht den Gehorsam schuldig zu sein glauben wie dem Treiber der Plantage.“ 108 Der erste schwarze Pfarrer der westindischen Brüdergemeine war der 1856 in Antigua ordinierte John Buckley. Vor seiner Ordination hatte er mehrere Jahre als Assistent der Brüdermission in Greenbay, Antigua gewirkt. Bereits 1746 waren jedoch Maria und Rebecca aus St. Thomas in Marienborn zu Diakonissen ordiniert worden. Vgl. Beck, Brüder in vielen Völkern, S. 171; Sensbach, Rebecca’s Revival, S. 187f. 109 UA, R 15 Ba 31 (11), Beschreibung der Zustände auf der Mission in Dänisch-Westindien im Juny 1847, G. Kirchbücher: „Das Buss-Buch ist ein Verzeichnis aller von der Gemeine u.

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meindemitgliedern erhaltenen Informationen, verschaffte den Missionaren ein umfassendes Wissen über die sozialen Beziehungen sowie die Wohn- und Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder. In den Mitgliederkatalogen der Missionsstationen war anhand der Eintragung eigens entwickelter Symbole110 für die verschiedenen Grade der Kirchendisziplin, ein Fehlverhalten des Mitgliedes jederzeit nachzuvollziehen.111 Dem Mitglied konnte somit immer seine eigene Unzulänglichkeit vor Augen geführt werden und der Missionar sich schnell über die kirchliche Biographie seines Gegenübers informieren. Ein Großteil dieser detaillierten Informationen blieb im Missionsgebiet. Die Kirchenleitung in Herrnhut erhielt eine Abschrift der Missionskonferenzen, in denen zwar auch über das Fehlverhalten der Gemeindemitglieder berichtet wurde, nicht aber so detailliert, wie in den „Exclusion Lists“ oder Mitgliederkatalogen. Größtenteils erwähnten die Berichte nur kurz den Namen des Mitglieds, sein „Vergehen“ und die dafür auferlegte Strafe, jedoch nicht in aller Ausführlichkeit den Sachverhalt als solches. Nach eigenen Schätzungen der Brüdergemeine zählte diese 1836 51.000 Konvertiten in ihren weltweiten Missionsgebieten.112 Eine detaillierte Information über das Sozialverhalten einzelner Gemeindemitglieder in den Missionsgebieten hätte vermutlich aufgrund der großen Masse nicht im vollen Umfang ausgewertet werden können.113 Zudem bleibt fraglich, welcher Zweck damit hätte erreicht werden sollen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Vorsteher der Chöre in den Ortsgemeinen der Brüdergemeine Informationen über das Sozialverhalten der Mitglieder sammelten. Die sogenannten Chorberichte listeten detailliert das eventuelle Fehlverhalten einzelner Bewohner in den Gemeinorten auf. Das Ziel sollte es sein, Informationen über die seelsorgerische Entwicklung der Gemeindemitglieder zu erhalten.114

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dem heiligen Amahl [Abendmahl] u. der Kandidatenschaft ausgeschlossenen od. auch suspendierten Personen, mit kurzen Bemerkungen über die Ursache des Ausschlusses.“ In Dänisch-Westindien werden die „Exclusion Lists“ als „Buss-Bücher“ bezeichnet. FüllbergStolberg, Moravian Mission, S. 85f. Eine Auflösung der Symbole findet sich in: MAB, EWI, C. II, 4, Protocol of the Mission Conference of Santa Cruz 1860. Die Kataloge enthielten geordnet nach Plantagen detaillierte Informationen über die dort lebenden Mitglieder vgl. MAB, EWI, C.34.5, Friedensthal North Side Congregation Female Members 1847–1852. Neben den Kategorien für die allgemeine kirchliche Biographie der Mitglieder (Taufe/Aufnahme etc.) wurde auch das Fehlverhalten, z.B. die Suspension, der Ausschluss und die Wiederaufnahme erfasst. Vgl. UA, R 15 Ba 31 (11), Beschreibung der Zustände auf der Mission in Dänisch-Westindien im Juny 1847, G. Kirchbücher. Mettele, Weltbürgertum, S. 106. Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass die Bürotätigkeit der Missionare durch die Anfertigung von Kopien der Missions- und Helferkonferenzen sowie der Diarien bereits sehr hoch war. Daneben standen sie noch im intensiven Briefverkehr mit den verschiedenen Gemeinorten und hatten die verschiedenen Kirchenbücher der Missionsstation zu verwalten. Die gekürzte Darstellung des Fehlverhaltens der Gemeindemitglieder in den Missionskonferenzen erscheint somit zumindest teilweise arbeitsökonomische Ursachen zu haben. Mettele, Weltbürgertum, S. 54.

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Die Definition dessen, was als Fehlverhalten anzusehen war, wurde in den Kirchenordnungen festgelegt, die die Grundlage für eine eigene Kirchendisziplin der Brüdergemeine bildeten. Diese wurden mehrmals im Jahr öffentlich vor der versammelten Gemeinde verlesen, wobei die folgenden Vergehen 1847 von der Helferkonferenz auf St. Croix, dem höchsten Verwaltungsorgan der Mission im Missionsgebiet, als Verstoß gegen die Kirchendisziplin gewertet wurden. „Häresie, Ehebruch, Konkubinat mit Blanken, Diebstahl, Schlägerei, Zauberei, Tanz, besondere Nachlässigkeit im Besuch der Kirche oder des Sprechens, Trunksucht, grobe Rechtsverletzung gegen die Eigner, Verwalter, Helfer, oder gegen uns selbst, Verweigerung zum Sprechen zu kommen, wenn sie von uns wegen besonderer Ursachen gerufen wurden. Alle Arten von Criminalverbrechen verstehen sich von selbst.“115

Die Kirchendisziplin erstreckte sich somit nicht nur auf die religiöse Sphäre des Lebens der Gemeindemitglieder, sondern berücksichtigte auch ihr Verhalten gegenüber Pflanzern und staatlichen Autoritäten. Gerade die Tatsache, dass sich die Kirchendisziplin auf das Arbeits- und Sozialverhalten der Gemeindemitglieder erstreckte, machte ihre Attraktivität für Plantagenbesitzer und den Kolonialstaat aus. Verstieß ein Mitglied gegen eine der Regeln, so wurde es bestraft. Die Bestrafung erfolgte in mehreren Stufen, je nach der Schwere des Vergehens und in Abhängigkeit vom erreichten Mitgliedsstatus. Die Kirchendisziplin orientierte sich am Status der Mitglieder innerhalb der Gemeinde. Bei Kommunikanten wurde zwischen vier verschiedenen Graden des Ausschlusses unterschieden. Die erste Stufe war das einmalige Verbot, am Abendmahl teilzunehmen. Stufe zwei bestand bereits in der Suspension, d.h. dem zeitlich nicht näher definierten Verbot der Teilnahme an Abendmahl und Gemeinstunde. Die dritte Stufe führte zu einem dauerhaften Ausschluss vom Abendmahl und Gemeinstunde und die vierte und letzte Stufe bedeutete den Ausschluss von der Gemeinde. Einhergehend mit der Härte der Strafe war auch die Art und Weise, in der diese ausgeführt wurde. Während das Verbot der einmaligen Teilnahme am Abendmahl nur dem Gemeindemitglied während des Sprechens mitgeteilt wurde, zog Stufe zwei schon die Information der Helfer, vermutlich zur Kontrolle der Durchsetzung der Strafe, mit ein. Der Ausschluss vom Abendmahl und von der Gemeinde erfolgte öffentlich, und zwar in der Gemeinstunde, in der auch die Weiterbeförderungen stattfanden. Die Öffentlichkeit des Verfahrens unter Nennung der Namen und Ursachen, die zum Ausschluss geführt hatten, sollten die Wirkung der Strafmaßnahme verstärken und zur Abschreckung unter den Mitgliedern der gesamten Gemeinde dienen. Bei einem Ausschluss verloren die ehemaligen Mitglieder das Anrecht auf eine kirchliche Eheschließung und ein christliches Begräbnis. Eine Wiederaufnahme in die Gemeinde konnte erst nach einem längeren Zeitraum und offensichtlicher Reue angestrebt werden und war von einem positiven Losentscheid abhängig. Der Ausschluss von der Gemeinde war aufgrund der extremen auch sozialen Folgen von den Mitgliedern zutiefst gefürchtet. 115 UA, R 15 Ba 31 (11), Beschreibung der Zustände auf der Mission in Dänisch-Westindien im Juny 1847.

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4.3. MISSION UND SKLAVENEMANZIPATION – DREI ASPEKTE In diesem Abschnitt sollen drei Aspekte der Sklavenemanzipation auf St. Kitts und St. Croix dargestellt werden, die die Beziehung zwischen Missionaren und ihren Gemeindemitglidern auf beiden Inseln tiefgreifend beeinflussten.

4.3.1. Rebellion und Widerstand Weder der 1. August 1834 in den britischen Kolonien noch der 17. September 1847 in den dänischen Kolonien bedeuteten ein Ende der Sklaverei.116 In der Forschung wird betont, dass das apprenticeship-system in Britisch-Westindien viele Charakteristika aus der Zeit der Sklaverei aufwies. Über die dänische Übergangsperiode lässt sich dagegen sogar sagen, dass es nicht einmal grundlegenden Unterschiede in der Situation vor und nach dem 17. September 1847 gab. Nur weil die Sklaven in der offiziellen Terminologie „Unfreie“ genannt wurden, änderte dies nichts an ihrem gesellschaftlichen Status. Die vom dänischen König eingeführte Regelung, dass alle Neugeborenen ihre Freiheit qua Geburt erhalten würden, blieb wirkungslos, da sich deren Status in der Realität nicht änderte.117 In beiden Kolonien entwickelte sich Widerstand gegen den staatlichen Abolitionsprozess der Sklaverei, da dieser eine weitere Übergangsphase voraussetzte. Dabei spielten viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Auf St. Kitts bestärkte die direkte Abschaffung der Sklaverei auf der benachbarten Insel Antigua, das Ausbleiben der Special Magistrates sowie die vorzeitige Freigebung der Sklaven auf einer der größten Plantagen der Insel, die Sklaven darin, dass ihnen die Freiheit von den Pflanzern und der Kolonialregierung vorenthalten wurde.118 Der Widerstand der ehemaligen Sklaven auf St. Kitts gegen das apprenticeship-system war Teil einer ganzen Reihe von Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen in BritischWestindien. Insbesondere in Trinidad und British-Guiana kam es zu größeren Protesten.119 Der Aufstand der Sklaven auf St. Croix wurde wiederum sowohl von den Nachrichten der europäischen Revolutionen des Jahres 1848, die u.a. in Dänemark das Ende der absolutistischen Monarchie zur Folge gehabt hatten, als auch den Informationen über die Abolition in den französischen Kolonien der Karibik 116 Heuman, Gad: Riots and Resistance in the Caribbean at the Moment of Freedom, in: Temperley, Howard (Hrsg.), After Slavery. Emancipation and its Discontents, London/Portland OR 2000, S. 135–149, hier S. 136: „Slavery did not come to an end in the Anglophone Caribbean in 1834.“; Frucht, Emancipation and Revolt, S. 199: „Apprenticeship was a form of modified slavery.“; Degn, Die Schimmelmanns, S. 478f. 117 UA, R 15 Bb 19b, Verhandlungen mit der dänischen Regierung, Kopie des Predigttextes aus Anlass der dänischen Proklamation zur Abschaffung der Sklaverei vom 18. September 1847: „To the age of 12 years the free children must remain with their parents in the same condition in which your children have been hitherto.” 118 Frucht, Emancipation and Revolt, S. 205f.; Heuman, Riots and Resistance, S. 137f. 119 Heuman, Riots and Resistance, S. 138f.; Brereton, Bridget: Resistance to Enslavement and Oppression in Trinidad, 1802–1849, in: Journal of Caribbean History 3 (2009), S. 157–177.

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beeinflusst. Ähnlich wie zuvor auf St. Kitts gab es auch auf St. Croix Gerüchte, der dänische König habe die Abolition der Sklaverei bereits erklärt, die Pflanzer und die Kolonialregierung würden diese aber zurückhalten.120 Bereits die drei großen britischen Sklavenrebellionen des frühen 19. Jahrhunderts, in Barbados 1816, in Demerara 1823 und schließlich in Jamaika 1831 waren in ihrer Entstehung durch ähnliche Konstellationen beeinflusst gewesen. Sie hatten aber v.a. und das ist an dieser Stelle noch wichtiger, die Bedeutung der Missionskirchen für die Organisation des Sklavenwiderstandes aufgezeigt. Die Vorbereitung der Rebellionen erfolgte häufig Mithilfe der in den Kirchen tätigen indigenen Assistenten der Missionare. Diese verfügten über die nötige Mobilität, Autorität und konnten teilweise Lesen und Schreiben.121 Sklaven nutzten ihre erworbenen Lesekenntnisse eben nicht nur für die Lektüre in der Bibel, sondern auch um sich in abolitionistischen Zeitschriften über die Debatten zur Abschaffung der Sklaverei in England zu informieren. Die Entstehung der Aufstände war nicht mehr, wie häufig im 18. Jahrhundert, durch die gemeinsame Organisation afrikanischer Ethnien gekennzeichnet, sondern erfolgte nun über neue Netzwerke innerhalb der kreolisierten karibischen Gesellschaft. Bereits bei der sogenannten „Christmas Rebellion“ in Jamaika lässt sich, wie Jirka Bethke dargstellt hat, die Beteiligung von Mitgliedern der Brüdergemeine nachweisen. Diese umfasste auch Nationalhelfer, also jene Personen, die innerhalb der Kirchenhierarchie die nach den Missionaren einflussreichste Position innehatten.122 Zudem hatten sich die Sklaven in Jamaika bei der Mobilisierung weiterer Rebellen auf die Auslegung des Textes „Wenn euch nun der Sohn freimacht, so seid ihr wirklich frei”123 durch den Herrnhuter Missionar Heinrich Pfeiffer berufen.124 Dies war nicht Pfeiffers Intention gewesen. Stattdessen hatte er, wie übrigens die Vertreter der anderen Missionsgesellschaften auch,125 den Gehorsam der Sklaven gegenüber der Obrigkeit predigen wollen.126 Allerdings berücksichtigte er nicht, dass in der spannungsgeladenen Situation, in der die Sklaven in Jamaika glaubten, der britische König habe die Abschaffung der Sklaverei erklärt, diese würde ihnen aber vorenthalten, eine Predigt über Johannes 8,36 ein beachtliches Konfliktpotential barg.

120 Holsoe, The Day of the Rebellion, S. 112. 121 Turner, Slaves and Missionaries, S. 148–158; Costa, Emilia Viotti da: Crowns of Glory, Tears of Blood: The Demerara Slave Rebellion of 1823, Oxford 1994, S. 178f.; Holt, Problem of Freedom, S. 16f. 122 Bethke, Jirka: Die Emanzipationsrebellion der Sklaven in Jamaika, Hannover 2010 (= unveröffentlichte Magisterarbeit), S. 94. 123 Evangelium nach Johannes, Kapitel 8, Vers 36. 124 Lampe, Armando: Mission or Submission? Moravian and Catholic Missionaries in the Dutch Caribbean during the 19th Century, Göttingen 2001, S. 58f.; Bethke, Emanzipationsrebellion, S. 95f. 125 Lampe, Mission or Submission, S. 54f.; Turner, Slaves and Missionaries, S. 153–156. 126 Remonstrance of the Missionaries of the United Brethren in Jamaica, against the Report of the Committee of the House of Assembly, on the subject of the late Rebellion; presented in April 1832, in: H. Buchner, Moravians in Jamaica, London 1854.

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In einer ähnlichen Situation befand sich im August 1834 David Bigler, Missionar der Brüdergemeine auf St. Kitts. Der Widerstand der Sklaven gegen die Übergangsperiode und ihr Wunsch, wie in Antigua zur „freien“ Lohnarbeit überzugehen, war allgemein bekannt. Der 1. August 1834 war zu einem öffentlichen Feiertag erklärt worden, an dem die Abolition der Sklaverei in den Kirchen offiziell gefeiert werden sollte. Bigler wusste um die Ablehnung des apprenticeshipsystems und versuchte deshalb sein Bestes, um die ehemaligen Sklaven von der Notwendigkeit einer Übergangsperiode zu überzeugen. „Knowing the prejudices of the people against the terms bound & apprenticeship & that they persist in the belief that the King has made them free, but the Buckras or white people in Basseterre wish to bind them again. Care was taken not to use this terms at all but at once to explain the nature of the new system & enforce obedience & faithfulness by every possible argument.“127

Obwohl Bigler alle Wörter in seiner Predigt vermied, von denen er wusste, dass sie bei den ehemaligen Sklaven Ablehnung gegen das apprenticeship-system hervorriefen, konnte er deren Widerstand nicht verhindern.128 Am Montag, dem 4. August, dem ersten Arbeitstag während der apprenticeship, hatte ein großer Teil der Landarbeiter die Plantagen verlassen und Zuflucht in den Bergen gesucht. Genaue Zahlen darüber, wieviele der ehemaligen Sklaven sich an der Arbeitsniederlegung beteiligten, existieren nicht. Der Anteil der Haus- und Handwerkssklaven war geringer, was laut Richard Frucht das grundsätzliche hierarchische Verhältnis innerhalb der Sklavenhierarchie reflektiert.129 Zudem ist anzumerken, dass Feldsklaven eine längere appprenticeship als Haussklaven zu absolvieren hatten, was ihren Widerstand gegen die Übergangsperiode verstärkt haben wird. Am 6. August berichtete die St. Christopher Gazette, dass „several thousands“ die Plantagen verlassen hätten.130 Die apprentices nutzten Biglers Predigt und seinen Status als Missionar, um den Streik auszuweiten. Nach dem Besuch der Kirche am 1. August waren sie auf die Plantagen zurückgekehrt und hatten erklärt „You are free Massa Bigler says you are free & need not work unless the Master pays you either in money, rice beef pork etc.“131 Dadurch, dass sie sich auf den Missionar beriefen, erhielt ihre Botschaft einen autoritativen Charakter. Für David Bigler selbst führte es dazu, dass er sich, ähnlich wie Heinrich Pfeiffer wenige Jahre zuvor, Vorwürfen ausgesetzt sah, er hätte die apprentices zum Streik ermutigt.132 Von diesen Anschuldigungen distanzierte sich die Mission öffentlich, wie sie es schon im Fall der Christmas Rebellion getan hatte und auch nach der Sklavenre-

127 UA, R 15 Fb 2 f1, Diarium Basseterre, St. Kitts (1833–1877), 1. August 1834. 128 Bereits im Juli hatten die Sklaven dem Lieutenant Governor „No apprentice Massa, no apprentice Massa. God save de King“ entgegengerufen, als er ihnen die Notwendigkeit einer Übergangsphase erklären wollte. Vgl., Ebd., 3. Juli 1834. 129 Frucht, Emancipation, S. 207f. 130 Letter from the Editor, in: St. Christopher Gazette, 6. August 1834. 131 UA, R 15 Fb 2 f1, Diarium Basseterre, St. Kitts (1833–1877), 3. August 1834. 132 Ebd., 2. August 1834.

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bellion auf St. Croix wieder tun sollte.133 Innerhalb der Kolonialgesellschaft war es für die Mission wichtig, jeden Verdacht, dass die eigene Gemeinde ein Hort der Insubordination staatlicher Autoritäten sein konnte, von sich zu weisen. So betont ein in den Periodical Accounts veröffentlichter Brief von David Bigler, dass „some evil-disposed persons (excluded members of our congregation)“ dafür verantwortlich waren, dass eine falsche Auslegung seiner Predigt auf den Plantagen verbreitet wurde.134 Es wurde also alles versucht, um eine möglichst große Distanz zwischen Missionskirche und den Aufständischen aufzubauen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass entgegen der eigentlichen Intention der Missionare, ihre Botschafen erfolgreich instrumentalisiert werden konnten, um weitere Teile der Bevölkerung zur Beteiligung am Widerstand aufzufordern. Die Autorität der Mission als Multiplikator und Vermittler kolonialer Interessen trug wesentlich dazu bei. Dennoch lässt sich anhand dieser Quellen nicht erschließen, in welcher Art und Weise sich Gemeindemitglieder an der Organisation und Durchführung von Aufständen beteiligten. Den Missionsgemeinden kam bei den Sklavenaufständen des 19. Jahrhunderts eine wesentliche Bedeutung bei der Organisation des Widerstandes zu. Dabei waren es nicht die europäischen Missionare, die sich an der Vorbereitung von Rebellionen beteiligten, sondern vielmehr ihre indigenen Helfer. Zurecht betont Mary Turner, dass anstatt „Baptist War“ der Sklavenaufstand in Jamaika eher als „Native Baptist War“ zu bezeichnen sei.135 Aufgrund ihrer großen Mobilität und ihres Ansehens innerhalb der Sklavengesellschaft hatten Helfer beste Voraussetzungen, um die Netzwerke der Missionsgesellschaften zur Organisation von Widerstand zu nutzen. Um zu untersuchen, in wieweit die unter dem Einfluss der Brüdergemeine stehenden Sklaven den institutionellen Rahmen der Mission nutzten, um Widerstand zu organisieren, bietet sich eine Untersuchung der Sklavenrebellion auf St. Croix an. Die sehr ausführliche Quellenlage ermöglicht eine genaue Analyse der Organisation der Rebellion. Neben den Diarien, Briefen und Kirchenbüchern der Missionare der Herrnhuter Brüdergemeine existieren zur Rebellion die Protokolle der dänischen Untersuchungskommissionen. Auf insgesamt ca. 1400 Seiten sind die Aussagen der Teilnehmer und Augenzeugen der Rebellion dokumentiert.136 Die ältere Forschung hat für die Rekonstruktion der Ereignisse im Juli 1848 v.a. auf die von Mitgliedern der weißen Elite verfassten Erinnerungen zurückgegriffen und somit die Rebellion aus deren Perspektive beschrieben. Um eine Rekonstruktion der Ereignisse aus afrokaribischer Perspektive bemühte sich zuerst Neville 133 Hüsgen, Jan: Religion and Rebellion. Moravian Missions and (Post) Emancipation Revolts in the Danish and British Caribbean, in: Journal of Moravian History 13 (2013), S. 75–100, hier S. 90. 134 Extract of a Letter from Br. Bigler, Basseterre, St. Kitts, in: Periodical Accounts 13 (1834), S. 181. 135 Turner, Slaves and Missionaries, S. 232. 136 Holsoe, Svend: A View of the Emancipation Rebellion on St. Croix: 150 Years Later, in: Fra Slaveri til frihed. Det dansk-vestindiske slavesamfund 1672–1848, Kopenhagen 2001, S. 115–131, hier S. 116.

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Hall, der mit einem kleinen Teil der Protokolle der Untersuchungskommission in Christiansted, St. Croix arbeitete.137 Korrigiert wurden seine Forschungsergebnisse von Svend Holsoe, der die Protokolle beider Untersuchungskommissionen ausgewertet hat und so die möglichen Hauptakteure sichtbar machen konnte.138 Holsoe vertritt die These, dass Moses Robert, ein Sklave der Plantage Butlers Bay am westlichen Ende der Insel, einer der möglichen Organisatoren war. Gemeinsam mit mehreren anderen soll er die Rebellion vorbereitet haben. Diese These wird durch einen Brief des Missionars Georg Wilhelm Häuser bestätigt. In Bezug auf die Ergebnisse der Untersuchungskommission schrieb er: „Erst in der aller letzten Zeit ist es den Untersuchungsrichtern gelungen mehr Klarheit über das Entstehen des Aufruhrs zu erlangen. Eines der hauptthätlichsten Werkzeuge dessen sich die Stadtleute am Westend bedienten die Bevölkerung auf dem Lande aufzuwiegeln ist ein gewisser Moses von Butlersbay, u. gehört seit 10 Jahren zu den neuen Leuten der Friedensberger Gemeinde.“139

Dieser neue Fund ist neben den von Holsoe verwendeten Kommissionsprotokollen, die erste unabhängige Quelle, die Holsoes Vermutung bestätigt. Dabei wird Moses Roberts zentrale Rolle als „eines der hauptthätlichsten Werkzeuge“ bei der Organisation der Rebellion betont. Gleichzeitig verdeutlicht der Textauszug ein grundsätzliches Quellenproblem. Während für den Kolonialstaat alle in Kontakt mit der Brüdergemeine stehenden oder zumindest von den Missionaren getauften Sklaven gleichzeitig Mitglieder der Brüdergemeine waren, sah dies die Mission grundsätzlich anders. Moses gehörte zur Gruppe der sogenannten „Neuen Leute“. Er war also innerhalb von zehn Jahren noch nicht einmal in die Gemeinde aufgenommen worden. Eine grundlegende Analyse der Religionszugehörigkeit der in den Akten der Untersuchungskommission verhörten Personen durch Herman Lawætz zeigt, dass sich 24 von 236 der Brüdergemeine zuordnen lassen.140 Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich um eine koloniale Zuschreibung der Religionszugehörigkeit handelt, die nicht mit dem Herrnhuter Verständnis der Mitgliedschaft zur Missionsgemeinde zu vereinbaren ist. Moses Roberts lose Zugehörigkeit zur Mission eröffnete ihm bereits ein Netzwerk zur Organisation von Widerstand. So nutzt er seine Bekanntschaft mit anderen Gemeindemitgliedern, um sich beim Kirchenbesuch in Frederiksted mit ihnen auszutauschen.141 Grundsätzlich lässt sich anhand der Protokolle der Untersuchungskommissionen allerdings die These, die Missionsgemeinde habe in ähnlicher Weise wie die „Native Baptists“ in Jamaika zur Organisation der Rebellion gedient, nicht belegen. Allerdings zeigt aber auch gerade das Beispiel der Christmas Rebellion, dass die einseitige Zuschreibung des Widerstandes auf Mitglieder einer konfessionellen 137 138 139 140

Hall, Slave Society, S. 213–216. Holsoe, A View, S. 21f. UA, R 15 Bb 26i, (1844–1855), Häuser an die UAC, 26. Januar 1849. Lawætz, Herman: Brødremenigheden i Dansk Vestindien 1760–1848, Kopenhagen 1902, S. 174 (Anm. 3). 141 Holsoe, A View, S. 22: „Moses Robert and Frederik knew each other, as they both belonged to the same Moravian congregation and saw each other at gatherings.“

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Gruppe ebenso falsch ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Missionsgemeinde eines von vielen verschiedenenen Netzwerken war, das die Rebellen zur Vorbereitung des Aufstandes nutzten. Darauf weisen bereits die Untersuchungsergebnisse von Svend Holsoe hin, der die Verflechtungen der einzelnen Protagonisten der Rebellion innerhalb der eigenen Plantage und darüber hinaus hervorhebt.142 Die Sklaven selbst waren in ihren sozialen Beziehungen untereinander nicht auf ihre Mitgliedschaft in der Missionsgemeinde begrenzt, sondern unterhielten auch vielfältige Beziehungen außerhalb derselben. Die Herrnhuter Quellen bieten die Möglichkeit, genauere Erkenntnisse über das Teilnahmeverhalten der Gemeindemitglieder zu erhalten. Dafür empfiehlt sich zunächst eine Auswertung der Missionskonferenzen an, in denen über das „moralische Fehlverhalten“ von Mitgliedern geurteilt wurde. In den Protokollen dieser Konferenzen der Missionsstation Friedensberg, wo die Rebellion ihren Anfang nahm, findet sich folgender Eintrag: „Johannes (H) fr. Concordia became suspended from the Holy Communion: as he accepted a piece of a stolen sheep. For this he was then some weeks in prison. He is now advised to stay away from the Holy Communion somewhat longer. Whether he can remain a Helper at all is not yet decided. He would hardly be accepted as such a one among the people. John Henry, La Grange, (CC), made an attempt to take a horse here in town, for which he was 2 month in prison. Jeanney, Becksgrove, (CT) robbed here in town and would carry the things through our yard. Paulus, Grove Place, (R), supposed to have rung the bell on the night, July 2nd to 3rd attempting to take a horse and was 2 month in prison.“143

Als Teilnehmer an der Rebellion werden ein Helfer (H), ein Konfirmand (CC), eine Kommunikantin (CT) und ein neu aufgenommenes Gemeindemitglied (R) genannt. Beim Helfer Johannes von der Plantage Concordia reicht die Annahme eines Stückes von einem gestohlenen Schaf, um ihn von seiner Position zu suspendieren. Jeanney von der Plantage Becksgrove beteiligte sich dagegen aktiv an den Plünderungen in Frederiksted. Das aus der Sicht der Mission größte Problem stellte jedoch die Verhaftung von John Henry von der Plantage La Grange und von Paulus von der Plantage Grove Place dar. Im Gefängnis wurden die Personalien der beiden Gemeindemitglieder aufgenommen und das aus Sicht der Kolonialmacht bestehende Fehlverhalten von Mitgliedern der Brüdergemeine dokumentiert. Für die Mission stellte der Nachweis das Mitglieder ihrer Missionsgemeinde sich an dem Aufstand beteiligt hatten eine Gefahr da. Ähnlich wie bei der Christmas Rebellion in Jamaica gab es Gerüchte, das die Mission den Aufstand gefördert hätte. Die Quelle zeigt deutlich, dass sich die Beteiligung an der Rebellion durch alle Mitgliedsstufen der Missionsgemeinde zog. Der Auszug verdeutlicht zudem die Bandbreite des Teilnahmeverhaltens und der durch die Mission daraufhin verhängten Bestrafungen. 142 Ebd. 143 MAB, EWI C II 6, Mission Conference Friedensberg, 13. Oktober 1843.

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4.3.2. „Erziehung zur Freiheit“? – Missionsschulen als Grundlage für eine „freie“ Gesellschaft? Neben den Debatten um die ökonomischen und politischen Folgen der Sklavenemanzipation war aus Sicht des britischen Parlamentes die christliche Erziehung der ehemaligen Sklaven eine wesentliche Bedingung für eine erfolgreiche Übergangsphase. Grundlegend war die Überzeugung, dass die Sklaven erst für ihre Freiheit vorbereitet werden müssten, um diese sinnvoll nutzen zu können. Bereits im Mai 1833 debattierten die Mitglieder des House of Commons über die Notwendigkeit „[to] provid[e] for the religious and moral education of the negro population to be emancipated.“144 Der aus diesem Grund entwickelte Negro Education Grant sollte in den zehn Jahren seines Bestehens dazu dienen, ein öffentliches Schulsystem in den westindischen Kolonien zu etablieren.145 Antragsberechtigt waren sowohl die anglikanische Kirche als auch die nonkonformistischen Missionsskirchen. Ohne letztere wäre auch aufgrund ihrer großen Ausbreitung ein weit vernetztes Schulsystem nicht möglich gewesen.146 Obwohl das britische Parlament die Notwendigkeit einer religiösen und moralischen Erziehung der ehemaligen Sklaven betont hatte, war im Act for the Abolition of Slavery kein Recht auf Schulbildung verankert worden. Der sich mit der rechtlichen Stellung von Kindern befassende Paragraph erklärte ganz allgemein, dass die Pflanzer „reasonable Time and Opportunity for the Education and Religious Instruction“ zugestehen sollten.147 Während alle Kinder, die jünger als sechs Jahre waren, vom 1. August 1834 an frei wurden, waren alle älteren Kinder an die apprenticeship gebunden.148 Sie hatten wie ihre Eltern 45 Stunden in der Woche unbezahlter Arbeit für ihren ehemaligen Besitzer zu leisten. Als Charles Joseph Latrobe, ein Bruder von Peter Latrobe, 1837 St. Kitts besuchte, existierten 70 verschiedene Schulen für ehemalige Sklaven auf der Insel, darunter 36 Tagesschulen, 14 Sonntagsschulen und 20

144 Zitiert nach: Gordon, Shirley: The Negro Education Grant 1835–1845. Its Application on Jamaica, in: British Journal of Educational Studies 6 (1958), S. 140–150, hier S. 140. 145 Hunte, Keith: Protestantism and Slavery in the British Caribbean, in: Lampe, Armando, (Hrsg.), Christianity in the Caribbean. Essays on Church History, Kingston 2001, S. 86–125, hier S. 108f.; Green, British Slave Emancipation, S. 330–333, S. 336. Ab 1835 stellte das britsche Parlament jährlich einen Betrag von 25.000 £ ab 1837 30.000 £ zur Verfügung mit dem der Bau und die Ausstattung von Schulen in den Kolonien finanziert werden sollte. 1840 wurde die Auszahlungssumme des Negro Education Grant jährlich um 20% verringert, bis das Programm schließlich 1845 eingestellt wurde. Es war vorgesehen, dass von den ursprünglichen 25.000 £ 20% für die Errichtung von sogenannten „normal schools“ verwendet werden sollten in denen Lehrer für die Schulen in den Kolonien ausgebildet werden sollten. 146 Ausgeschlossen von den Geldern des Negro Education Grant war die Katholische Kirche, weswegen in den katholisch geprägten Kolonien wie Trinidad und Dominica die interdenominal agierende Mico-Charity Society Schulen eröffnete. Green, British Slave Emancipation, S. 332. 147 Slavery Abolition Act XIII. 148 Green, British Slave Emancipation, S. 121f.

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Abendschulen.149 Die ersten offiziellen Schulen hatten ihre Tätigkeit bereits in den 1820er Jahren unter dem Einfluss der durch das britische Parlament eingeführten Ameliorationsmaßnahmen begonnen. Dabei handelte es sich in der Regel um Sonntags- und Abendschulen. Die Brüdergemeine eröffnete 1823 in Basseterre eine Sonntagsschule und 1825 in Bethesda eine Abend- und Sonntagsschule. Daneben existierten mehrere Schulen in Trägerschaft der Methodisten, der anglikanischen Kirche, verschiedener Pflanzer und schließlich der apprentices selbst. Neben der anglikanischen Kirche erhob die Brüdergemeine als einzige weitere Institution eine Gebühr in der Höhe eines Penny pro Woche, die dazu dienen sollte, die Lehrkräfte zu bezahlen.150 Bereits 1834 war in Dänisch-Westindien eine Kommission eingesetzt worden, die einen Plan für ein öffentliches Schulsystem entwickeln sollte. Eine Resolution für die Einrichtung von Schulen für Sklaven wurde jedoch erst 1840 verabschiedet und die ersten Schulen eröffneten auf St. Croix erst 1841, auf St. John 1844 und St. Thomas erst 1846.151 Im Gegensatz zum Schulsystem in den britischen Kolonien waren die Schulen bereits zur Zeit der Sklaverei eröffnet worden und waren staatlich gefördert. Ob deswegen aber von einer besseren Schulbildung der afrokaribischen Bevölkerung in den dänischen Kolonien auszugehen ist, wird von Carl Campbell zu Recht bezweifelt.152 Die Schulen waren allein der Herrnhuter Brüdergemeine unterstellt, deren Arbeit von einer Schulkommission kontrolliert wurde. Diese Kommission setzte sich auf den verschiedenen Inseln aus Mitgliedern der Kolonialregierung, des Bürgerrates, der Pflanzer und verschiedenen Kirchen zusammen.153 Die zeitgenössische, dänisch-liberale Opposition stand den Plänen des Gouverneurs skeptisch gegenüber. Sie sah in den Schulen ein Instrumentarium der absolutistischen Regierung, um den bestehenden Status in den Kolonien aufrechtzuerhalten.154 Zudem wurde kritisiert, dass durch die einseitige Übertragung des Schulwesens auf die Brüdergemeine der Einfluss der dänischlutherischen Staatskirche weiter unterminiert wurde.155 Von Christian Degn wird dagegen die Initiative von Scholtens überschwenglich gelobt: „Was [...] andere gewollt hatten, Scholten setzte es durch: Schulen für Sklavenkinder, d.h. Erziehung zur Freiheit!“156 Tatsächlich ist die Eröffnung der Schulen jedoch nicht als Teil eines langfristigen Emanzipationsplanes zu verstehen. Durch diese Maßnah-

149 Latrobe, Report on Negro Education, S. 68f. Latrobe erwähnt auch 12 Privatschulen, da sich diese aber an die Kinder der weißen Elite richteten, wurden sie nicht in die folgende Übersicht mit aufgenommen. 150 Ebd. 151 Degn, Die Schimmelmanns, S. 450f.; Hall, Slave Society, S. 180–182. 152 Campbell, Carl: Education, Religion and Culture, in: Lawrence, K. O. (Hrsg.), General History of the Caribbean. Volume IV. The Long Nineteenth Century. Nineteenth Century Transformations, Paris 2011, S. 482–513, hier S. 484f. 153 Degn, Die Schimmelmanns, S. 455. 154 Degn, Die Schimmelmanns, S. 440; Hall, Slave Society, S. 201f. 155 Tatsächlich waren die Missionsversuche der dänisch-lutherischen Staatskirche seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gescheitert. Hall, Slave Society, S. 201. 156 Degn, Die Schimmelmanns, S. 439.

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men sollte vielmehr der Widerstand der Sklaven gegen die Sklaverei vermindert und eine Sklavenemanzipation weiter hinausgezögert werden.157 Im Folgenden soll insbesondere auf die unterschiedlichen Ziele, die Pflanzer, Kolonialregierungen, Missionare und ehemalige Sklaven mit dem Schulbesuch verbanden, eingegangen werden. Es ist bereits deutlich geworden, dass es das primäre Ziel des Unterrichts aus Sicht der kolonialen Elite war, einen konfliktfreien Übergang von der Sklaverei in die Freiheit vorzubereiten.158 So wie in Großbritannien selbst, die öffentliche Schulbildung vor dem Hintergrund der sich durch die Industrialisierung verändernden Gesellschaft als Mittel zur Aufrechterhaltung des sozialen status quo erkannt wurde,159 sollte sie nun auch in den Kolonien eingesetzt werden. Die Missionare wiederum sahen in den Schulen einen Ort, an dem sie ihr ideologisches Programm einer religiösen und moralischen Erziehung den ehemaligen Sklaven vermitteln konnten.160 Die ehemaligen Sklaven schließlich, erhofften sich, dass der Schulbesuch ihren Kindern eine Verbesserung ihres sozialen Status ermöglichen würde.161 Die verschiedenen Gruppen hatten also durchaus unterschiedliche Ziele, was in der Folge zu Konflikten führte. Um das Ziel einer Beibehaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse und insbesondere das Bestehen der Plantagenwirtschaft auch in der Postemanzipationszeit sicherzustellen, favorisierten die Pflanzer und ein großer Teil der kolonialen Elite das sogenannte „industrial training“.162 Darunter wurde eine praktische Unterweisung in den für die Plantagenarbeit benötigten Tätigkeiten verstanden. Die Fähigkeit Lesen und Schreiben zu können, wurde allgemein als nicht sehr hilfreich für die karibischen Arbeitsverhältnisse angesehen. Um die ehemaligen Sklaven an ihre zukünftige Bestimmung als Landarbeiter heranzuführen, griffen die kolonialen Eliten soweit möglich, auf die Missionare als Interessenvermittler zurück. Auf St. Croix ermahnten diese die Eltern, dass ihre Kinder nach dem Unterricht auf der Plantage helfen sollten. Dadurch, so die Missionare, „will [they] become accustomed to an industrious life, learning to do that work by which once

157 Hall, Slave Society , S. 204: „ Yet Christian VIII. [...] supported the experiment in slave education; in his case if for no other reason than to buy time and postpone the day of reckoning.“ 158 Green, British Slave Emancipation, S. 329: „The planters were quick to recognize the disciplinary values of religious education.“; Hunte, Protestantism, S. 106. 159 Green, British Slave Emancipation, S. 329: „In sum, education in the mother country, although charitable, unsystematized, poor, and piecemeal, was considered the most suitable device for reconciling working people to their lot of life.“ Gordon, Negro Education, S. 140: „The maintenance of ʻpublic tranquilityʼ was to be the main object of the religious education of the Negro population, as indeed it was of the English elemantary education which received Parliamentary aid for the first time in the same session.“ 160 Olwig, Global Island, S. 83f. 161 Olwig, Global Island, S. 83: „The Sunday schools and the day schools which grew out of them also became important institutions which served as a means whereby the slaves and the freed could further their position in the colonial society.“ Turner, Slaves and Missionaries, S. 88f., insbesondere zur Bedeutung der Schulen für die politische Meinungsbildung der Sklaven. 162 Green, British Slave Emancipation, S. 331.

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they must earn their living.”163 Mit solchen Predigten unterstrich die Mission ihre Position als Unterstützer der kolonialen Elite.164 In ähnlicher Weise hatte sich auch der Missionar John Ellis wenige Jahre zuvor auf St. Kitts geäußert. „Our Brethren ought, however, to remind the parents, that their children should learn to work as well as to read. I fear much evil from the consequences of too large a proportion of the rising generation of Negroes being exclusively instructed in reading and writing; no provision being made for their being early trained to honest industry.”165

Dabei bedeutete die von Ellis als honest industry bezeichente Tätigkeit häufig die Beschäftigung als Landarbeiter. Auf den dicht kultivierten Inseln wie St. Kitts bestand so gut wie keine Möglichkeit für die ehemaligen Sklaven, eigenes Land zu besitzen, so dass sie häufig gezwungen waren auf den Plantagen zu arbeiten. Diese von den Pflanzern und der Kolonialregierung favorisierte Instrumentalisierung des Schulunterrichtes wurde von den ehemaligen Sklaven abgelehnt.166 Sie erkannten, dass es sich dabei um eine Methode handelte, ihre Kinder für die Plantagenarbeit vorzubereiten. Eines der Ziele der ehemaligen Sklaven war jedoch gerade die möglichst große Unabhängigkeit der Frauen und Kinder von der Plantagenarbeit.167 Die in Dänisch-Westindien noch in der Postemanzipationszeit vorgesehene Verpflichtung des gesamten Familienverbandes zur Plantagenarbeit, durch das 1849 verabschiedete Arbeitsgesetz,168 versuchten die Eltern zumindest ihren Kindern zu ersparen. Oft kündigten die Familien ihre Arbeitskontrakte auf und zogen in die Städte. War dies nicht möglich, schickten sie ihre Kinder zu dort lebenden Verwandten oder Bekannten. Diese Form der petit maroonage ließ sich jedoch nicht auf allen drei Inseln in gleicher Weise verwirklichen.

163 UA, R15 Bb 19 (b), Verhandlungen mit der dänischen Regierung, Predigttext von Traugott Gardin aus Anlass der Proklamation des dänischen Königs auf St. Croix, 18. September 1847. 164 Ebd.: „To the age of 12 years there free children must remain with their parents in the same condition in which your children have been hitherto. This is a very wize and necessary arrangement; for thus a great number of parents, who do not at all understand what is good for their children, are prevented from keeping them back from school, as it has been done hitherto whenever a child has been made free. Moreover the children will be prevented from idling about which no doubt would be their case if they were not employed in work for the estate when they have returned from school.” Hervorhebungen vom Autor. 165 John Ellis, Basseterre, St. Kitts, 20. November 1837, in: Periodical Accounts 14 (1837), S. 301. 166 Green, British Slave Emancipation, S. 331, S. 337f. 167 Brereton, Bridget: Family Strategies, Gender and the Shift to Wage Labour in the British Caribbean, in: Dies./ Yelvington, Kevin A. (Hrsg.), The Colonial Caribbean in Transition. Essays on Postemancipation Social and Cultural History, Kingston u.a., 1999, S. 76–107, hier S. 96f. 168 Provisional Act to Regulate the Relations between the Proprietors of Landed Estates and Rural Population of Free Laborers, § 1: „Engagements made by heads of families are to include their children between five and fifteen.“ […] § 14: „Parents keeping their children from work, shall be fined instead of the children.“ In: The St. Croix Avis, 14. August 1848.

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Auf St. Thomas gelang es den Eltern weitgehend ihre Kinder der Verpflichtung zur Plantagenarbeit zu entziehen.169 In einem Untersuchungsbericht für die Kolonialregierung über den Schulbesuch der Landbevölkerung wurde 1861 vermerkt: „That the children attending School from their respective Estates from 6 to 13 years, perform little or hardly any work in the field, that the parents of those children are quite against having them brought to anything like Estate Labour, that is, that they consider it a disgrace to have them so employed & there a free worker urged by the employers to quit with their little ones the following Oct. & for Town that in consequence of this interfered the young ones themselves lose all interests in country peasants & eventually become worthless subjects.”170

Aus Sicht der Kolonialbeamten und vieler Pflanzer bedeutete die Weigerung der Eltern, ihre Kinder auf der Plantage arbeiten zu lassen und die damit einhergehende Landflucht, eine Gefahr für die Plantagenwirtschaft. Eine Erwerbstätigkeit außerhalb der, durch strikte Arbeitsverträge gekennzeichneten, Kontraktarbeit war aus Sicht der weißen Elite für die ehemaligen Sklaven nicht vorgesehen. Die Plantagen waren nach der Sklaverei mehr denn je auf billige Arbeitskräfte angewiesen. Kinder ohne praktische Erfahrung in der Plantagenarbeit konnten nach Meinung der Pflanzer nur „worthless subjects“ werden. Ein Großteil der von der Regierung befragten Personen erklärte, dass die Eltern ihre Kinder zwar in die Schule schicken würden, sie sich aber weigerten, diese nach dem Schulbesuch auf der Plantage arbeiten zu lassen. Dabei wurden die Missionsschulen teilweise als Rückzugsort genutzt. So beschwerte sich Louisa Stewart, die Besitzerin der Plantage Charlotte Amalie, dass der auf ihrem Besitz lebende Junge vom Lehrer länger als üblich in der Schule behalten würde, so dass sie seine Arbeitskraft nicht mehr nutzen könne.171 Offenbar richtet sich ihre Beschwerde gegen eine zumindest auf St. Thomas und St. John verbreitete Praxis, bei der die Eltern ihre Kinder auf die Missionsstationen gaben, damit sie dort nähen oder andere praktische Fähigkeiten lernen konnten. Die Kolonialregierung hatte bereits 1848 versucht, dies zu verhindern.172 Die Brüdergemeine wollte wie die koloniale Elite, den gesellschaftlichen status quo nach der Abschaffung der Sklaverei nicht verändern. Das Ziel des Unter-

169 Dies ist allerdings im Zusammenhang mit der abnehmenden Bedeutung der Plantagenwirtschaft auf St. Thomas allgemein zu sehen. Vgl. Hoxcer Jensen, From Serfdom to Fireburn, S. 51f. 170 John Marrand (?), Quarter Officer, East End Quarter St. Thomas, 9. November 1860, in: RA 678 (3.81.616) Den vestindiske regering 1744–1911. Gruppeordnede sager: Sociale og kulturelle forhold. Sager vedr. Skolerne på St. Thomas 1852–1861. 171 Louisa Stewart, Charlotte Amalie, St. Thomas, 5 November 1860, In: RA 678 (3.81.616). Den vestindiske regering 1744–1911. Gruppeordnede sager: Sociale og kulturelle forhold. Sager vedr. Skolerne på St. Thomas 1852–1861: „As he is kept so late at school it is impossible that I can get his services in any way.” 172 MAB, C. 15.2, Helfernkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 9 September 1848: „Daß sie die Zahl der an ihren Plätzen wohnenden u. nicht in ihren Diensten stehenden Neger nicht durch solche Kinder vermehren sollten, welche vielleicht dorthin gegeben würden unter dem Vorwandt Nähen zu lernen was nichts anderes heißt als Faulerey zu lernen.“

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richtes sollte es sein, auf die moralische und religiöse Erziehung der befreiten Sklaven hinzuwirken. Der Fokus des Unterrichts in den Schulen, die seit den 1820er Jahren in den karibischen Kolonialgebieten entstanden,173 lag auf der Vermittlung christlicher Werte. Dies wird insbesondere durch die Bedeutung der Bibel als wesentliches Medium in der Lehre unterstrichen.174 Die Vermittlung christlicher Normen, durch das Auswendiglernen des Katechismus und von Psalmen, war ein grundsätzliches Ziel aller Missionsgesellschaften. Sie erkannten die Schule als möglichen Ort, an dem sie zukünftige Mitglieder werben und den christlichen Wandel der Gesellschaft vorbereiten konnten.175 Auch in Dänisch-Westindien wurde der moralische Aspekt der Erziehung in den Vordergrund gestellt. Den Mitgliedern der Ältestenkonferenz erklärte Peter von Scholten, es sei die Absicht „die Kinder nur in Lesen in Englischer Sprache u. Psalmen singen zu unterrichten, u. sie den Katechismus auswendig lernen zu lassen.“176 Der interdenominale Katechismus, der extra für die Schularbeit entwickelt worden war, hatte das Ziel, in mehreren Kapiteln die grundlegenden Kenntnisse christlicher Religion in einem Frage- und Antwortkatalog zu vermitteln.177 Eine Festlegung auf religiöse Unterrichtsinhalte war bei allen Missionsgemeinschaften weit verbreitet und wurde von Pflanzern und Kolonialregierungen begrüßt. Die Ergebnisse des Unterrichts wurden in jährlich stattfindenden öffentlichen Prüfungen präsentiert. Die Missionare nutzten diese Examina, um den Erfolg ihrer religiösen und moralischen Erziehung darzustellen, weshalb sie regelmäßig Mitglieder der Kolonialregierung, anderer Missionsgesellschaften oder der weißen Elite dazu einluden.178 Neben mündlichen Prüfungen zu Fragen des Katechismus gehörte auch die Ausstellung von Näharbeiten und Schreibübungen zum Programm.179 Neben den Repräsentanten der kolonialen Elite wurden die Prüfungen

173 Beeinflusst wurde die Gründung der Schulen in den britischen Kolonien, durch die widererstarkende Initiative zur Sklavenemanzipation in Großbritannien, vgl. Green, British Slave Emancipation, S. 100–103. Zu Initiativen der Missionsgesellschaften in den 1820er Jahren vgl. Campbell, Education, S. 486f.; Turner, Slaves and Missionaries, S. 86–88. 174 Bibeln und Gesangbücher ließen sich gut als Sachspenden einsammeln und boten deshalb ein asureichend verfügbares und v.a. günstiges Unterrichtsmaterial. Fergus, Howard: A History of Education in the British Leeward Islands, 1833–1945, Kingston, 2003, S. 23. 175 Wendt, Die missionarische Gesellschaft, S. 223. 176 UA, UAC Protokolle, 8. August 1839, S. 116; Degn, Die Schimmelmanns, S. 442. 177 Bagger, J. K.: A Catechism of Scriptural Truths. Principally designed for the use of the Country Schools in the Danish West India Islands, New York 1841, S. VII. 178 Johann Gardin, Friedensfeld, St. Croix, 10. November 1856, in: Periodical Accounts 22 (1856), S. 194: „The Governor and his lady were present at all the examinations, and not only paid the greatest attention to every exercise“; Peter Ricksecker, Basseterre, St. Kitts, 30. August 1839, in: Periodical Accounts 15 (1839), S. 139: „Expecting the Governor, we hastily made some preparations, and invited some friends, among whom, were present the Wesleyan minister and school-teacher, and our friend Mr. Mc Mahun.”; Ders., Basseterre, St. Kitts 1. Februar 1840, in: Periodical Accounts 15 (1840), S. 228f.: „Many respectable white people were present.“ u.a.m. 179 Peter Ricksecker, Basseterre, St. Kitts, 30. August 1839, in: Periodical Accounts 15 (1839), S. 139: „After singing, prayer, and a short address, a number of the scholars recited portions of

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aber auch v.a. von vielen Eltern besucht,180 die am Lernerfolg ihrer Kinder teilhaben wollten.181 Der Schulbesuch war mit erheblichen Kosten für die Familien verbunden, teilweise war der Unterricht bzw. das Unterrichtsmaterial zu bezahlen und während des Schulbesuchs konnten die Kinder nicht durch Hilfsarbeiten auf der Plantage oder den provision grounds zum Familieneinkommen beitragen.182 Die Möglichkeit den eigenen Kindern eine Schulbildung zukommen lassen zu können, bedeutete also eine Erhebung des eigenen Sozialstatus der ehemaligen Sklaven, weshalb sie die Lernerfolge ihrer Kinder verfolgten.183 Besonders gut angenommenen wurden aus diesem Grund Unterrichtsangebote, die es den Schülern später ermöglichten, eine gewisse Autonomie von der Plantage zu erreichen. Am weitesten verbreitet war dabei in Dänisch- und Britisch-Westindien, das allerdings auf die Schülerinnen begrenzte Angebot, Nähen zu lernen. Unterstützt durch Materialspenden aus Nordamerika und Europa hatte der Handarbeitsunterricht großen Zulauf.184 In Dänisch-Westindien erlaubte die Kolonialregierung den Unterricht im Nähen sowie im Schreiben erst durch ein 1853 verabschiedetes Schulgesetz. Beides war aber für die Mission mit zusätzlichen Materialkosten verbunden, die durch freiwillige Beiträge der Eltern gedeckt werden sollten.185 In seinem Bericht an die Schulkommission ging Trautgott Gardin jedoch davon aus, dass dies auf einer freiwilligen Basis nicht funktionieren würde.186 Er gibt keine genaueren Informationen, ob dies an den geringen finanziellen Mitteln der Fami-

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Scripture and hymns; some anthems were then sung, accompanied by a pianoforte, during which the copy-books and needlework of the scholars were exhibited.” Friedrich Voelkel, St. Thomas, 7. November 1860, in: RA 678 (3.81.616) Den vestindiske regering 1744–1911. Gruppeordnede sager: Sociale og kulturelle forhold. Sager vedr. Skolerne på St. Thomas 1852–1861. Wilhelm Häuser, Basseterre, St. Kitts, 30. Oktober 1850, in: Periodical Accounts, 20 (1850), S. 126: „The parents of the children, with a few exceptions, were all present, and a considerable number of gentlemen and ladies had been invited. […] The children were neatly dressed, and behaved with great propriety.“ Olwig, Global Culture, S. 105f. Ebd., S. 83. Peter Ricksecker, Basseterre, St. Kitts, 26. November 1838, in: Periodical Accounts, 14 (1838), S. 457: „The want of materials for sewing has been a great barrier to giving our female scholars proper instruction in needlework.“ Theodor Römer, Bethesda, St. Kitts, 25. Oktober 1836, in: Periodical Accounts, 14 (1836), S. 76f.: „At the same time, Sr. Roemer is occupied with the sewing school.“ § 15: „Undervisning i Skrivning og Syning gives til Børn, hvis Forældere ville betale herfor.“ [Es gibt Unterricht im Schreiben und Nähen für die Kinder, wenn die Eltern dafür bezahlen.], in: Anordning angåænde Reglement for Landskolerne paa de dansk-vestindiske Øer [Anordnung betreffend das Reglement für die Landschulen auf den dänisch-westindischen Inseln] 1853, Departementstidenden, 19 (1854), S. 289–299. Traugott Gardin, Report of the Country Schools in St. Croix for the year beginning Oct. 1st 1853 and ending Sept. 30th 1854, in: RA 678 (3.81.616) Den vestindiske regering 1744–1911. Gruppeordnede sager: Sociale og kulturelle forhold. Sager vedr. Skolerne på St. Thomas 1852–1861: „We deeply regret that the existence of the sewing school is to depend on the voluntary payment of the of the parents, foreseeing as we do, with great certainty that they will not pay 3 stirers weekly.”

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lien oder einer grundsätzlichen Weigerung derselben scheiterte. Daneben erhielten die Schülerinnen auf St. Kitts teilweise eine Unterweisung in Hauswirtschaft,187 womöglich, um das von der Mission angestrebte Ideal der Ehefrau als Hausfrau und Mutter zu implementieren.

4.3.3. Mission und indigene Lehrer Die Schulen wurden von den ehemaligen Sklaven als Ort erkannt, der die soziale Mobilität der Schüler fördern konnte. Dies war dort besonders sichtbar, wo die Lehrer aus der indigenen Bevölkerung rekrutiert wurden. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Position der in den Schulen beschäftigten afrokaribischen Lehrer zu untersuchen. Bereits im August 1839 als Peter von Scholten den Sitz der Ältestenkonferenz der Brüdergemeine in Berthelsdorf, Sachsen besuchte, zeigte es sich, dass ein grundsätzliches Problem bei der Errichtung eines westindischen Schulsystems der Mangel an geeigneten Lehrkräften war. Die bereits auf den Inseln tätigen Missionare der Brüdergemeine waren nicht in der Lage, neben ihren allgemeinen Aufgaben zusätzlich einen täglichen Schulunterricht zu betreuen. Einzig ledige Brüder hielt man für geeignet, weil das Gehalt, das den Lehrern gezahlt werden sollte, als zu gering erachtet wurde, um davon eine Familie zu ernähren. Allerdings bestanden Bedenken, weil die Lehrkräfte allein und abseits der Missionsstationen wohnen sollten. Dabei wird wohl gerade das letzte Argument maßgeblich von der Sorge, unter solchen Umständen eine nur ungenügende Sozialkontrolle auf die Brüder ausüben zu können, beeinflusst worden sein.188 Ein weiteres Problem war es, Missionare zu finden, die über ausreichende Lehrerfahrung und Englischkenntnisse verfügten. Eine Rekrutierung von Mitgliedern der englischen Brüdergemeine hätte sich angeboten. Diese Idee wurde aber von der UAC verworfen, weil, so deren Mitglieder, „bei der Englischen Nation eine Entschiedenheit zu Gunsten der Negeremancipation vorherrscht.“189 Mit der Sklavenemanzipation sympathisierende Mitglieder schieden jedoch vor dem Hintergrund, dass Peter von Scholten bei seinem Besuch darauf hingewiesen hatte, dass er nicht auf eine Sklavenemanzipation hinarbeiten würde, aus.190 Um dennoch genügend 187 August Senft, Basseterre, St. Kitts, 13. März 1839, in: Periodical Accounts, 14 (1839), S. 32: „My dear wife has given them writing lessons […] besides teaching the girls sewing and other female work.“ 188 UA, UAC, 8. August 1839, S. 109f.: „Die Berufung von ledigen Brüdern, an welche man nach der Höhe des ausgesetzten Gehaltes jedenfalls nur denken konnte, ist nach den dortigen Verhältnissen immer sehr mißlich, doppelt bedenklich aber, wenn […] ein solcher lediger Schullehrer, um seinem Amt zu genügen, durchaus in oder bey dem Schulhause wohnen müßte ohne die tägliche Berathung der Missionarien, während doch die Mission für sein ganzes Betragen die Verantwortlichkeit auf sich habe.“ 189 UA, R 15 Ba (28c), UAC an von Scholten, 15. August 1839. Vgl. auch das Protokoll der UAC, vom 8. August 1839, S. 110: „Da auf Brüder aus England wegen der dort allgemeinen Neger-Emancipations-Ideen durchaus nicht gedacht werden darf.“ 190 UA, UAC, 8. August 1839, S. 111: „Auf die Emancipation der Neger, wie auf den Englischen Inseln, wird nicht angetragen.“

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Lehrkräfte zu bekommen, sollte neben einer Schulung der deutschen Missionare in der englischen Sprache v.a. freie Schwarze als Lehrer angestellt werden. Die Aufsicht und die Verantwortung für die Lehrkräfte lag dabei in den Händen der Brüdergemeine. Auf St. Kitts hatten die Missionare ebenfalls auf freie Schwarze als Lehrkräfte in ihren Schulen zurückgegriffen. Ohne die Unterstützung dieser wäre die Durchführung eines Unterrichtes auf den Missionssplätzen und in den verschiedenen Schulen auf den Plantagen nicht möglich gewesen. Die Missionare auf St. Kitts hatten zunächst ihre Lehrkräfte selbst ausgebildet.191 Darunter befanden sich auch einige Helfer, die aufgrund ihrer Autorität die Teilnahme am Schulunterricht positiv beeinflussen konnten.192 Die Mission auf St. Croix konnte bereits auf Absolventen der Mico-Charity School in Antigua zurückgreifen. Diese Schule war 1837 als Normalschule mit dem Ziel gegründet worden, Lehrer für die Schulen in den britischen Kolonien auszubilden. Zwei Absolventen dieser Schule, McFarlane und McIntosh, wurden der Mission auf St. Croix 1841 als Lehrkräfte von der Kolonialregierung empfohlen.193 Sie bildeten zusammen mit den Missionaren der Brüdergemeine die ersten Lehrer in den Sklavenschulen auf St. Croix. Aufgrund des großen Bedarfs an Lehrkräften wurden von den Missionaren wiederholt geeignete Gemeindemitglieder zur Ausbildung vorgeschlagen.194 Der bereits 1843 geäußerte Wunsch, ein Lehrerseminar auf St. Croix zur Ausbildung von freien Schwarzen als Lehrer für die Missionschulen zu gründen, wurde vermutlich wegen der Erlaubnis der Mico-Charity School, dass auch Lehrer aus den dänischen Kolonien bei ihnen ausgebildet werden könnten, aufgegeben.195 Die Mission auf St. Croix wünschte sich, dass der Schulunterricht von Männern und Frauen gemeinsam ausgeübt würde. Für den Fall, dass Missionare der Brüdergemeine in den Schuldienst berufen wurden, sollte ihnen deshalb ihre Frau assistieren.196 In den britischen Missionsgebieten gab es bereits seit den 1830er Jahren eine ganze Reihe

191 Peter Ricksecker, Basseterre, St. Kitts, 26. November 1838, in: Periodical Accounts, 14 (1837), S. 498; Theodor Römer, Bethel, St. Kitts, 23. Januar 1839, in: Periodical Accounts, 15 (1839), S. 31. 192 George Bayne, Cedar Hall, Antigau, 7. Februar 1834, in: Periodical Accounts, 13 (1834), S. 81: „I am sorry to say, that, for a time, I perceived a falling off in the attendance; but having engaged the helper brother Charles Greencastle as principal teacher of the boys, and our assistant Charlotte Simpson to superintend the instruction of the girls, we have, by the Lord’s blessing, the pleasure again to see a good attendance on these important institutions.” Ebenso Theodor Römer, Basseterre, St. Kitts, 29. Mai 1837, in: Periodical Accounts, 14 (1837), S. 245. 193 UA, R 15 Ba 28b (7), Protocoll der Schul-Conferenzen in Friedensthal, St. Croix unter dem Vorsitz des Bruder J. Chr. Breutel bei seiner Visitation im Jahr 1841, S. 2f. 194 MAB, C. 15.2, Helferkonferenzen Dänisch-Westindien (1843–1848), 5. September 1843, 19 Oktober 1843. 195 Ebd., 22. Mai 1846. 196 UA, R 15 Ba 28b (7), Protocoll der Schul-Conferenzen in Friedensthal, St. Croix unter dem Vorsitz des Bruder J. Chr. Breutel bei seiner Visitation im Jahr 1841, S. 21f.

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von weiblichen Lehrkräften in den Missionsschulen.197 Dabei hatten Frauen einen niederen Rang als männliche Lehrer und wurden größtenteils mit der Vermittlung von praktischen Fähigkeiten wie Nähen und Hauswirtschaft betraut.198 Die Entscheidung freie Schwarze als Lehrer in den Schulen zu beschäftigen, war von Anfang an in der Gruppe der Missionare in Dänisch-Westindien umstritten. Im Gegensatz zu den weißen Missionaren hatten die Lehrer McFarlane und McIntosh eine fundierte Ausbildung in Antigua erhalten. Deswegen sollten die Missionare Kleiner und Menzel ihnen zunächst nur assistieren, damit sie Gelegenheit bekämen, sich die Unterrichtsmethode anzueignen und ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.199 Das Protokoll der Schulkonferenz gibt keine weiteren Informationen darüber, ob die weißen Missionare Probleme mit diesem, für sie möglicherweise ungewohnten, hierarchischen Verhältnis hatten. Ein Hinweis darauf, dass zumindest Vorbehalte gegenüber den freien Schwarzen bestanden, zeigt wenige Jahre später die Diskussion der Helferkonferenz, welches Lehrpersonal auf St. Thomas zu beschäftigen sei. Mit dem Argument, dass „farbige Lehrer nicht so leicht zu beschäftigen u. schwieriger zu beherbergen sind“ sprachen sich die Missionare auf St. Thomas gegen eben jene aus.200 Die Missionare hatten offensichtlich ein Problem damit, die Lehrer auf den Missionsstationen zu beherbergen. Sie hätten ledige Brüder bevorzugt, da diese neben ihrer Arbeit in der Schule im Missionsdienst mithelfen konnten. Diese Meinung konnte sich zwar nicht durchsetzen, wie der Beschluss der Helferkonferenz, weitere freie Schwarze für eine spätere Verwendung als Lehrer nach Antigua zur Ausbildung zu schicken, zeigt.201 Doch waren die Probleme damit nicht beendet. Die Missionsleitung in Dänisch-Westindien war in ihrem Verhältnis zu den schwarzen Lehrern zutiefst unterschiedlicher Meinung. Zwar wurde einzelnen Lehrern die Aufnahme in die Brüdergemeine gestattet,202 doch bedeutete dies keine rechtliche Gleichstellung mit den weißen Missionaren. Als McIntosh 1847 die Helferkonferenz darum bat, dass seine Kinder in einer Erziehungsanstalt der Brüdergemeine in Europa erzo-

197 George Bayne, Cedar Hall, Antigua, 7. Februar 1834, in: Periodical Accounts, 13 (1834), S. 81. John Taylor, Sharon, Barbados, 26. Juni 1834, in: Periodical Accounts, 13 (1834), S. 182f. 198 George Bayne, Cedar Hall, Antigua, 7. Februar 1834, in: Periodical Accounts, 13 (1834), S. 81: „Charles Greencastle as principal teacher of the boys, and our assistant Charlotte Simpson to superintend the instruction of the girls.” 199 UA, R 15 Ba 28b (7), Protocoll der Schul-Conferenzen in Friedensthal, St. Croix unter dem Vorsitz des Bruder J. Chr. Breutel bei seiner Visitation im Jahr 1841, S. 3, S. 5: „Es wurden einige Bedenken geäußert, da er [Menzel] sich zur Annahme besagter Methode [Stows Training System] würde zu entschließen haben, u. er zur Erlernung derselben so wie zur Vervollkommnung in der englischen Sprache erst für einige Zeit nur Hülfslehrer unter McIntosh würde sein müssen.“ 200 MAB, C. 15.2, Helfernkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848), 4. September 1843. 201 Ebd., 19. Oktober 1843. 202 Ebd., 30. April 1848, Aufnahme des Lehrers Martin Abraham in die Brüdergemeine.

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gen werden würden, reagierte sie deshalb zurückhaltend.203 Die propagierte Gleichheit innerhalb der Gemeinde geriet im hierarchisch geprägten Verhältnis zwischen weißen und schwarzen Missionaren an ihre Grenzen. In Neuherrnhut gestatten es die Missionare dem schwarzen Lehrer Huyghue nicht, sich mit ihnen zusammen in die speziell für die Missionare vorgesehen Arbeiterbank zu setzen. Dadurch wurde Huyghues Position innerhalb der Gemeinschaft vor der versammelten Gemeinde unterminiert. In der Untersuchung des Vorfalls äußerte sich der Missionar Hartwig dahingehend, dass „Huyghue sich nicht so demütig verhalten habe, als die Brüder in Neuherrnhut [es] von ihm erwarteten.“204 Die Helferkonferenz erklärte daraufhin, daß der nach Neuherrnhut versetzte, gerade in die Brüdergemeine aufgenommene, schwarze Lehrer Martin nicht abgewiesen werden dürfe, falls er sich in die Arbeiterbank setzen wolle. Den Mitgliedern der Helferkonferenz war offensichtlich bewusst, dass eine Zurückweisung des Lehrers vor der versammelten Gemeinde seine Stellung als Autoritätsperson gefährdete. Die Situation spitzte sich jedoch in der Folge, insbesondere bezüglich der Frage der Aufnahme der Lehrer in die Brüdergemeine, zu. Im Juli 1849 bat ein aus St. Croix stammender Lehramtskandidat, der sich zu seiner Ausbildung in Antigua befand, dort um Aufnahme in die Gemeinde.205 Der Vorsteher der Missionsgemeinde auf Antigua stimmte der Aufnahme zu. Dies rief aber wiederum den Protest des Missionars Häuser auf St. Croix hervor. Bei dieser Auseinandersetzung werden zwei grundsätzlich konträre Positionen im Verhältnis der Missionare zu ihren schwarzen Lehrern deutlich. Die Missionare Häuser, Hartwig und Endermann bestanden darauf, dass niemand ohne Genehmigung der Helferkonferenz auf St. Croix, in die Brüdergemeine auf Antigua aufgenommen werden dürfe. Es ist anzunehmen, dass sie einen Verlust ihres Einflusses befürchteten, da eine Aufnahme erst nach gründlicher Prüfung und Unterweisung durch die Mission erfolgen konnte. Die von Häuser und seinen Kollegen geforderte strenge Auswahl bei der Aufnahme in die Gemeinde legt nahe, dass sie wünschten, dass nur wenige der schwarzen Lehrer auch Mitglieder der Brüdergemeine seien. Für sie war es wichtig, dass sie sich in ihrem Status von den indigenen Lehrern unterscheiden konnten. Dieser Position stand die Meinung Gardins entgegen, der selbst mehrere Jahre als Missionar in Antigua gearbeitet hatte. Er befürchtete den negativen Effekt auf die Autorität der Lehrer, wenn ihre Bitte um Aufnahme in die Gemeinde offen abgelehnt würde. Gardin forderte stattdessen, dass ein Großteil der Lehrer Mitglieder der Brüdergemeine würde, um den geringen Einfluss, den die Mission in den Schulen hatte, auszugleichen. Den Grund für die Abneigung der Lehrer durch Häuser und mehrere seiner Kollegen vermutete Gardin in Vorurteilen gegenüber schwarzen Gemeindemitgliedern.

203 Ebd., 17. Februar 1847: „Ob nicht die Brüderkirche wie allen unseren Missionaren ihm den Vortheil gewähren wolle, seine Kinder in die eine oder andere unserer Erziehungsanstalten in Europa abgeben zu dürfen.“ 204 Ebd., 5. April 1848. 205 UA, R 15 Bb 26i, Briefe der Mission in Dänisch-Westindien an die UAC (1844–1855), Gardin an Greger, Friedensfeld, St. Croix, 27. Juli 1849.

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„Daß es einem Europäer, namentlich einem deutschen Bruder, oft schwer werden muß ein solches Vorurtheil von sich abzuwehren gebe ich gern zu. Es kommt darauf an in welchem Grade es jemand gegeben ist sich über Äußerlichkeiten hinwegzusetzen u. weniger wesentliche Dinge wegzusetzen. Wenn wir dem Vorurtheil Raum geben, so kommen wir nicht durch!“206

Gardin konnte sich jedoch mit seinen Argumenten gegenüber der UAC, die abschließend über die Sache entschieden hatte, nicht durchsetzen. Für die Durchführung des Unterrichtes war die Mission auf die Unterstützung indigener Kräfte angewiesen. Vor der Gründung der Mico-Charity Schule in Antigua 1837 existierte keine Institution in der Karibik, in der afrokaribische Lehrer hätten ausgebildet werden können. Bei den ersten Lehrern der Brüdergemeine auf St. Kitts handelte es sich zumeist um besonders fähige Schüler, die von den Missionaren für ihre Aufgabe vorbereitet wurden. Gerade weil es sich im Gegensatz zu den Schulen in Dänisch-Westindien nicht um staatliche Schulen handelte, waren die Einflussmöglichkeiten der Mission groß.

206 Ebd., hervorhebungen im Original.

5. NACHWORT Die ehemalige Missionstation Neuherrnhut auf St. Thomas ist heute das lebendige Zentrum einer karibischen Brüdergemeine. Ein Gedenkstein erinnert an jenen Ort, an dem das erste Haus der Missionare errichtet wurde, an die Gründung der ersten afrokaribischen Gemeinde. Mit den vom Missionshistoriker Christian Georg Andreas Oldendorp geschaffenen Abbildungen hat das Kirchengelände heute nur noch wenig gemein. Auf dem gebirgigen Areal sind keine Spuren der Plantagenwirtschaft oder der eigenen Sklaven mehr sichtbar. Die Herrnhuter Brüdergemeine hat in ihren 23 Unitätsprovinzen heute etwas über eine Millionen Mitglieder.1 Der mit Abstand größte Teil von ihnen lebt in Tansania. In den ehemaligen karibischen Missionsgebieten hat die Brüdergemeine heute ca. 60.000 Mitglieder. Insgesamt bilden die Mitglieder aus den ehemaligen Missionsgebieten die mit Abstand größte Gruppe innerhalb der Gemeinschaft. Selbst von den ca. 16.000 Mitgliedern der europäisch festländischen Provinz stammt ein großer Teil aus der ehemaligen niederländischen Kolonie Surinam. Die vormaligen Missionsgebiete haben sich jedoch nicht nur zahlenmäßig zu bedeutenden Gemeinen entwickelt, sie bilden auch eigenständige Provinzen innerhalb der weltweiten Brüdergemeine. Die weltweite Mission hat dazu beigetragen, dass die Brüdergemeine heute in 28 Provinzen auf fünf Kontinenten verteilt ist. Dabei versteht sie sich nicht als Bund selbstständiger Kirchen, sondern als eine gemeinsame Kirche, die mehrere Provinzen und Missionsgebiete umfasst. Die Auseinandersetzung mit der von Sklaverei geprägten Vergangenheit ist ein wichtiges Thema innerhalb der Kirche. Eine ganze Reihe von Publikationen und Veranstaltungen widmete sich aus Anlass des 150-jährigen Jubiläums der Abschaffung der Sklaverei in den niederländischen Kolonien 2013 diesem Thema. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Buchprojekt von Mildred UdaLede hervorzuheben.2 Diese versuchte, einen Dialog zwischen den Nachfahren ehemaliger Sklaven und den Nachkommen der niederländischen Sklavenbesitzer in den Niederlanden anzuregen. In ihrem Buch kommen zwölf aus Surinam stammende Niederländer zu Wort, die eine Diskussion über das Verhältnis zwischen weißen und schwarzen Gemeindemitgliedern zum Thema Sklaverei und Kolonialismus anregen möchten. Die den Band durchziehende Leitfrage wird bereits im Untertitel deutlich, „Eigentlich geht es um die Frage, wie wir wirklich freie Brüder und Schwestern seien können.“ Uda-Ledes Buch fand innerhalb der Brüdergemeine viel Beachtung, wie auch die Übersetzung aus dem Niederländi1 2

http://www.ebu.de/brueder-unitaet/weltweite-kirche/ (letzter Zugriff, 07.12.2015). Laut einer offiziellen Statistik insgesamt 1.066.000. Uda-Lede, Mildred: Unterwegs in Freiheit. Eigentlich geht es um die Frage, wie wir wirklich freie Brüder und Schwestern seien können, Bad Boll ²2012.

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schen in das Deutsche zeigt. Dass sich die dabei angeregte Auseinandersetzung mit den Themen Sklaverei und Kolonialismus nicht nur auf die Mitglieder der Brüdergemeine beschränkt, zeigt auch die Rezeption der Missiontätigkeit in der zeitgenössischen Kunst. Ein Thema des aus Südafrika stammende Künstlerkollektives „Burning the Museum“ ist die Auseinandersetzung mit den Folgen des Kolonialismus. In ihrer Installation „The Mission and the Message“ wird sich ausgehend von einer Kollage, die auf Archivalien der Brüdergemeine zurückgreift, kritisch mit der Position der Mission in der Kolonialgesellschaft bzw. der „Missionarsstellung“ auseinandergesetzt.3 Die Brüdergemeine wird, wie beide Beispiele zeigen, zunehmend Bestandteil eines postkolonialen Diskurses, der von den ehemaligen Missionsgebieten ausgeht und sich kritisch mit der Vergangenheit der Mission in den ehemaligen Kolonialgebieten auseinandersetzt. Allerdings zeigen immer noch Äußerungen wie jene von Hans Beat Motel, dass die Missionare Sklaven im 19. Jahrhundert nur kauften, um sie vor einem möglichen schlimmeren Schicksal zu retten, dass das Thema weiterer Aufarbeitung bedarf.4 Das Ziel dieser Arbeit war es, ausgehend von den Missionsstationen der Brüdergemeine in der Karibik, das Verhältnis der Mission zu Sklaverei und Sklavenemanzipation zu untersuchen. Basierend auf dem umfassenden Archivmaterial der Brüdergemeine konnte die wirtschaftliche Bedeutung und der Umfang des Sklavenbesitzes, als auch die soziale Praxis der Sklaverei in der Mission erstmals untersucht werden. Wie diese Arbeit zeigt, war die Mission der Herrnhuter Brüdergemeine intensiv mit der dänischen und britischen Kolonialgesellschaft verflochten. Die Entscheidung der Missionare selbst Sklaven zu besitzen, war für die Entwicklung der Mission in der Karibik richtungsweisend. Die mit Sklavenarbeit betriebenen Gewerbe und Plantagen schufen die ökonomische Grundlage für die Missionstätigkeit. Bis in das 19. Jahrhundert war die Mission in DänischWestindien so in der Lage, sich finanziell selbst zu tragen. Die meisten Missionare sahen keinen Widerspruch in ihrer Tätigkeit als Aufseher oder Handwerker auf Plantagen. Der Erwerb einer eigenen Plantage war für sie nur die letzte Konsequenz eines Weges, den sie bereits vorher eingeschlagen hatten. Neben der Akzeptanz der Sklaverei als Bestandteil der weltlichen Ordnung, bildete der eigene Sklavenbesitz ein zusätzliches Element in der Anpassung an die Kolonialgesellschaft. Die Missionare erhielten durch den Erwerb der Plantage keine Unabhängigkeit von der sie umgebenden Gesellschaft, sondern selbst ein Teil von ihr. Die Herrnhuter Missionare waren ihrem Verständnis nach christliche Sklavenhalter und missionierten unter ihren eigenen Sklaven. Dies bedeutete aber nicht, dass eine auf christlichen Grundsätzen basierende Gemeinde zwischen Missionaren und Sklaven auf den Missionsstationen entstanden wäre. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Sklaven und ihren Besitzern wurden zu keiner Zeit voll3 4

https://burningmuseum.wordpress.com/2015/06/24/colonial-problems-by-burning-museumat-the-kunsthaus-dresden-gallery/ (letzter Zugriff am 10.09.2015). Motel, Hans-Beat: Herrnhuter Theologie und Sklaverei. Die Brüdergemeine und die Sklaverei in Surinam, in: Herrnhuter Bote. Mitteilungen aus der Herrnhuter Brüdergemeine, 232 (2013), S. 8–11.

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ständig aufgehoben. Wenn überhaupt, so lassen sich Grundzüge dieses Ideals nur in der Anfangszeit der Mission feststellen. Die Sklaven der Brüdergemeine mussten sich, wie auf anderen Plantagen auch, einer strikten Hierarchie, den Kolonialgesetzen und den von der Mission aufgestellten Plantagenordnungen unterwerfen. Sklaven, die sich nicht an die Ordnung auf den Missionsstationen anpassten, mussten damit rechnen, verkauft zu werden. Allerdings versuchte die Mission dies zumindest bei Sklaven, die Gemeindemitglieder waren, zu vermeiden. Aus Sicht der Herrnhuter Sklaven waren die Missionsstationen sicherlich keine „Inseln der Menschlichkeit“. Auch unter den Sklaven der Brüdergemeine gab es Widerstand gegen die Sklaverei. Der eigene Sklavenbesitz wurde von der Brüdergemeine selbst lange Zeit nicht problematisiert. Die Einstellung der Kirchenleitung zur Sklavenemanzipation kann allerdings nicht, wie es immer noch vorkommt, als „uneindeutig“ bezeichnet werden. Eine öffentliche Diskussion über die Sklaverei in der Mission sowie über Sklaverei allgemein wurde auf allen Synoden möglichst unterbunden. Die UAC vermied eine Position zu diesem Thema, um eine Spaltung der Brüdergemeine zu verhindern. Eine Nichteinmischung in die politischen Verhältnisse ist jedoch keine unpolitische Haltung. In Bezug auf den eigenen Sklavenbesitz wurde diese Einstellung von den Abolitionisten als Unterstützung der Sklaverei wahrgenommen. Auch nach der Freilassung ihrer Sklaven in Surinam sahen die Missionare dort keinen Widerspruch darin, selbst direkt auf Sklavenarbeit zurückzugreifen. Ein durchgängiges Motiv in den Diskussionen der UAC war die Befürchtung, dass die Missionen in der Karibik nicht ohne ihre mit Sklavenarbeit betrieben Gewerbe bestehen könnten. Darüber hinaus war die Mission auf die finanzielle Unterstützung evangelikaler Kreise in England angewiesen. Erst als zu erwarten war, dass ein Beibehalten des status quo das für die Finanzierung der Mission wichtige Spendenaufkommen in England gefährden würde, wurden Schritte zur Abschaffung der Sklaverei in Dänisch-Westindien eingeleitet. Das reaktionäre Agieren der Kirchenleitung konnte aber nicht verhindern, dass insbesondere in der englischen Brüdergemeine abolitionistische Tendenzen entstanden. Die aktive Beteiligung der Mitglieder an Versammlungen der englischen Abolitionsbewegung sowie die offizielle und inoffizielle Kritik am Sklavereisystem belegen dies. Allerdings kritisierten nur wenige Mitglieder deutlich die Sklaverei. Die Einstellung der Missionare zur Sklavenemanzipation und Abschaffung der Sklaverei war sehr verschieden und konnte bereits stark von Missionsstation zu Missionsstation variieren. Die meisten Missionare stellten sich auch in der Postemanzipationszeit bereitwillig in den Dienst der kolonialen Ordnung. Nachdem die Sklaven nun ihre körperliche Freiheit erlangt hatten, mussten sie ihre Freiheit von der Sünde anstreben. Dies war nur durch ein Leben möglich, das sich nach den normativen Vorgaben der Mission richtete. Diese waren jedoch nicht auf die religiöse Sphäre des Lebens der Gemeindemitglieder beschränkt. Die Mission erwartete, dass die ehemaligen Sklaven weiterhin fleißig auf den Plantagen arbeiten würden und die Kolonialgesetze achteten. Dadurch stellte die Brüdergemeine ein exzellentes In-

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strumentarium struktureller Gewalt des Kolonialstaats da. Die Mitgliedschaft in der Missionsgemeinde ermöglichte den Sklaven und ehemaligen Sklaven eine Erhöhung ihres eigenen Sozialstatus, den Zugang zu einem weitverzweigten Netzwerk und Bildung durch den Besuch der Sonntags- und Abendschulen. Es wurde allerdings vorausgesetzt, dass sich die Gemeindemitglieder dem von der Mission propagierten missionarischen Programm unterwarfen. Das Verhältnis zwischen Missionaren und Missionsgemeinde kann dennoch nicht als ein einseitiges Kräfteverhältnis beschrieben werden. Gerade in Britisch-Westindien und nach Beendigung der eigenständigen Ökonomie auch in Dänisch-Westindien war die Mission von einer finanziellen Unterstützung durch ihre Gemeindemitglieder abhängig. In immer größerem Maße war sie zudem auch personell auf ihre afrokaribischen Mitglieder angewiesen, sowohl in Form von Nationalhelfern, um die mehrere tausend Personen umfassenden Gemeinden zu überwachen und zu betreuen, aber auch als Lehrer in den Missionschulen. Die missionarische Gesellschaft der Brüdergemeine war dabei keine Gemeinschaft der Gleichen. Auch wenn die gegenseitige Bezeichnung der Mitglieder als Bruder und Schwester diese spirituelle Gleichheit suggerierte. Sowohl zwischen weißen Missionaren als auch innerhalb der Missionsgemeinde gab es bedeutende Rangunterschiede. Diese werden durch die in der Position des Nationalhelfers häufig bestehende Symbiose aus weltlicher Macht- und religiöser Führungsposition unterstrichen. Anstatt einer Überwindung der Plantagenhierarchie innerhalb der Missionsgemeinde konnte dies deren zusätzliche Festigung bedeuten. Zudem konnten die Mitglieder der Missionsgemeinde, trotz der Botschaft einer spirituellen Gleichheit aller Gemeindemitglieder vor Gott, zu keinem Zeitpunkt den Status eines Missionars erreichen. Dies sollte sich erst durch die Ordination afrokaribischer Gemeindemitglieder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts langsam ändern.

6. QUELLEN UND LITERATURVERZEICHNIS 6.1. QUELLEN 6.1.1. Ungedruckte Quellen Unitätsarchiv Herrnhut, Deutschland Protokolle der Unitätsältestenkonferenz (UAC), 1820–1850. R 15 A (6), Bericht der Missions Diaconie an die Synode 1848. R 15 A 65 XVI, Protokolle des Missions Departements 1823–1851. R 2 B 4, Synodalverlass 1825. R 2 B 51 d, Protokoll des Synodus 1825. R 15 Ba (25), Johann Breutel, Ueber die Freigebung unserer Negersclaven auf den Dänisch Westindischen Inseln, July 1843. R 15 Ba 3 (31), Historia. Wie die Mährischen Brüder oder ihr damaliger Vorsteher zur Plantage mit Sclaven gekomen. Kopie eines Berichtes von Friedrich Martin, erstellt am 23. Juli 1755. R 15 Ba 3, Die besten und sichersten Mittel, welcher Gestalt eine Zuckerplantage angefangen und bearbeitet werden muß, o. D. R 15 Ba 28b (7), Protocoll der Schul-Conferenzen in Friedensthal, St. Croix unter dem Vorsitz des Bruder J. Chr. Breutel bei seiner Visitation im Jahr 1841 R 15 Ba 31 (8), Generalvollmacht der Mission in Dänisch-Westindien, o. D. R 15 Ba 31 (11), Beschreibung der Zustände auf der Mission in Dänisch Westindien im Juny 1847. R 15 Ba 33, Dokumente die Sklavenemanzipation betreffend. R 15 Bb 19, Verhandlungen mit der dänischen Regierung (1830–1850). R 15 Bb 20 a, Hauskonferenzen in Dänisch-Westindien. R 15 Bb 20e, Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien.

Quellen und Literaturverzeichnis

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R 15 Bb 26i, Briefe der Mission in Dänisch-Westindien an die UAC (1844–1855). R 15 F b 2f (1), Diarium Basseterre, St. Kitts (1833–1877). R 15 La 42 (25), Aan de Heeren Eigenaars en Administrateurs van Plantaadjes in de Kolonie Suriname 1848. R 15 Lb 24a, Hauskonferenzen in Paramaribo (1789–1836). MDF 1027, Kaufvertrag Bethel, St. Thomas, 29. Dezember 1763 UMD IX, Verkauf der Plantage Raphuhn St. Thomas 1797–1804. UMD II 5a, Gesamtjahresrechnungen der Mission in Dänisch-Westindien (1784–1810). UMD II 5b, Gesamtjahresrechnungen der Mission in Dänisch-Westindien (1811–1841). UMD II 15, Gesamtjahresrechnungen der Mission in Surinam (1830–1844).

Moravian Archives Bethlehem, PA, USA Eastern West Indies (EWI) C. 19.1, Kirchenbuch Neger, Friedensthal (1744–1832). EWI, C 4.2, Friedensthal Legal Papers Real Estate (1786–1864). EWI, C. II 4, Protocol of the Mission Conference of Santa Cruz 1860. EWI, C II 6, Mission Conference Friedensberg. EWI, C.34.5, Friedensthal North Side Congregation Female Members (1847–1852). EWI, C 15.2, Protokolle der Helferkonferenzen in Dänisch-Westindien (1843–1848). EWI, C 15.4, Beilagen zum Protokoll der Helferkonferenz im Jahr 1847. EWI, 1 C 21, Circulär der Unitäts Ältestenkonferenz an die Helferkonferenz in DänischWestindien vom 26. Oktober 1842 EWI, C. 15.3, Beilagen zu den Protokollen der Helferkonferenz. Status der Mission 1846

Moravian Church House, London, England Minutes of the Provincial Conference for the Brethren’s Congregation in England & Ireland, held at Fairfield in the year 1824. Society for the Propagation of the Gospel among the Heathen, Meeting Books (1820–1850). Extract of the Journal of the Proceeding & Resolution of the Provincial Conference assembled at Fairfield from June 30th to July 15th 1824.

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The National Archives, London, England T 71, Office of Registry of Colonial Slaves and Slave Compensation Commission.

National Archives at College Park, College Park, MD, USA Record Group 55, Box 723, Entry 313, Records of the Sale of Slaves imported by the Royal Guinea Trade Directors on his Majesty’s Account, 1778–80 Record Group 55, Entry 82, Box 303, Name of Plantation and Number of Blacks if the Owners and Administrators in This Way Wish to Allow Their Unfree Population Each Saturday the Year Round to Their Own Free Use, 1841.

Virgin Islands Recorder of Deeds, Christiansted St. Croix, Virgin Islands, USA Book QQ, 1854–1858.

Bodleian Library Oxford, Rhodes House, Oxford, England MSS Brit. Emp. s. 20, Anti-Slavery Society, Minute Books. E2/7 Vol. II (28.10.1842– 01.10.1847).

6.1.2. Gedruckte Quellen Periodika The Morning Chronicle, London (1762–1869). Nachrichten aus der Brüdergemeine, Gnadau (1819–1894). Periodical Accounts Relating to the Missions of the Church of the United Brethren Established Among the Heathen (1790–1881). St. Croix Avis (1844–1917). St. Christopher Gazette (1822–1869).

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Quellen und Literaturverzeichnis

Wendt, Helge: Die missionarische Gesellschaft. Mikrostrukturen einer kolonialen Globalisierung, Stuttgart 2011. Wellenreuther, Hermann: Pietismus und Mission. Vom Beginn des 17. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Lehmann, Hartmut (Hrsg.), Geschichte des Pietismus Bd. 4. Glaubenswelt und Lebenswelten, Göttingen 2004, S. 168–194. Wessel, Carola: Connecting Congregations. The Net of Communication among the Moravians in the late 18th Century, in: Atwood, Craig/ Vogt, Peter (Hrsg.) The Distinctiveness of Moravian Culture. Festschrift for Vernon Nelson, Nazareth, PA. Wessel, Carola: „Es ist also des Heilands Predigtstuhl so groß so weit als die ganze Welt.“ Zinzendorfs Überlegungen zur Mission, in: Brecht, Martin/ Peucker, Paul (Hrsg.), Neue Aspekte der Zinzendorf-Forschung, Göttingen 2006. Whitford, David: The Curse of Ham in the Early Modern Era. The Bible and the Justifications for Slavery, Aldershot 2009. Zeefuik, Karel: De Hernhutter zending en de Haagse maatschappij 1828–1867. Een hoofdstuk uit de geschiedenis van zending en emancipatie in Suriname, Utrecht 1973. Zeuske, Michael:, The Names of Slavery and Beyond: the Atlantic, the Americas and Cuba, in: Schmieder, Ulrike/ Füllberg-Stolberg, Katja/ Zeuske, Michael (Hrsg.), The End of Slavery in Africa and the Americas. A Comparative Approach, Berlin 2011, S. 62–83.

7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Verkaufserlöse der Plantage Bethel, St. Thomas, S. 54 Abbildung 2: Einnahmen und Ausgaben der Mission in Dänisch-Westindien, S. 61 Abbildung 3: Ausgaben der Mission in Dänisch-Westindien (1830–1841), S. 62 Abbildung 4: Entwicklung des Sklavenbestandes in Dänisch-Westindien (1810–1840), S. 70 Abbildung 5: Entwicklung der Demographie einzelner Missionsstationen (1810–1840), S. 71 Abbildung 6: Die Missionsstation und Plantage Neuherrnhut, St. Thomas (Ausschnitt eines Kupferstichs basierend auf einer Zeichnung von Christian Georg Andreas Oldendorp), S. 78

8. TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1:

Gewinn- und Verlustrechnung der Plantage Bethel, St. Thomas, S. 55

Tabelle 2:

Entwicklung des Sklavenbestandes der Plantage Bethel (1787– 1796), S. 66

Tabelle 3:

Arbeitsteilung Plantage Bethel, St. Thomas, S. 67

Tabelle 4:

Anzahl der Geburten und Todesfälle verteilt nach Missionsstationen (1810-1840), S. 72

Tabelle 5:

Kirchenzugehörigkeit der Sklaven auf St. Croix 1841, S. 88

Tabelle 6:

Entwicklung des Mitgliedsstatus nach Kindstaufe, S. S. 90

Tabelle 7:

Entwicklung des Mitgliedstatus nach Erwachsenentaufe, S. 91

Tabelle 8:

Vergleich der Kosten für die Haushaltung der Mission mit eigenen Sklaven und angestellten Bediensteten, S. 155

Tabelle 9:

Übersicht der Veränderungen auf den Missionsplätzen nach der Emanzipation der Missionssklaven, S. 159

Tabelle 10:

Übersicht über die emanzipierten Sklaven in Emmaus 1846, S. 163

Der Band widmet sich dem Übergang von Sklaverei-zuPostemanzipationsgesellschaften in der britischen bzw. dänischen Karibik. Im Zentrum stehen dabei die Missionsstationen der Herrnhuter Brüdergemeine und die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen den protestantischen Herrnhutern, die selbst Sklavenhalter waren, und ihrer Position hinsichtlich der Abolition bzw. der transatlantischen Abolitionsbewegung. Jan Hüsgen bietet die erste kritische, empirische Analyse der Sklaverei innerhalb der Mission in der Karibik. Er relativiert das von

der Missionshistoriographie propagierte Bild einer humanen Sklaverei insbesondere durch seine Darstellung der Ausgestaltung des Lebensraumes der Sklaven auf den Missionsstationen. Zudem beleuchtet der Autor die Freilassung der Herrnhuter Sklaven unter dem öffentlichen Druck der Antisklavereibewegung. Abgerundet wird der Band mit einem Blick auf die Interaktion zwischen Missionaren und Gemeindemitgliedern zur Zeit der Sklavenemanzipation in Britisch- (St. Kitts) und Dänisch-Westindien (St. Croix).

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag

ISBN 978-3-515-11272-7

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