Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission 3451268949


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Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission
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DAVID ALVAREZ CINEIRA DIE RELIGIONSPOLITIK DES KAISERS CLAUDIUS UND DIE PAULINISCHE MISSION

HERDERS BIBLISCHE STUDIEN HERDER'S BIBLICAL STUDIES HERAUSGEGEBEN VON HANS-JOSEF KLAUCK UND ERICH ZENGER

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BAND19 DAVID ALVAREZ CINEIRA DIE RELIGIONSPOLITIK DES KAISERS CLAUDIUS UND DIE PAULINISCHE MISSION

DAVID ALVAREZ CINEIRA

DIE RELIGIONSPOLITIK ·DES KAISERS CLAUDIUS UND DIE PAULINISCHE MISSION

HERDER

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FREIBURG· BASEL· WIEN BARCELONA ·ROM· NEW YORK

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Vorwort

Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Alvarez Cineira, David : Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission / David Alvarez Cineira. Freiburg im Breisgau ; Basel ; Wien ; Barcelona ; Rom; New York: Herder, 1999. (Herders biblische Studien ; Bd. 19) Zugl.: Wtirzburg, Univ. Diss. ISBN 3-451-26894-9 Texterfassung und Druckvorlage durch den Autor Alle Rechte vorbehalten -Printed in Germany © Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1999 Umschlaggestaltung: Neil McBeath, Stuttgart Druck und Bindung: Verlagsdruckerei Schmidt, �eustadt 19�9 Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei geble1chtem Pap1er ISBN 3-451-26894-9

Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 1997/98 von der Katholisch­ theologischen Fakultat der Bayerischen Julius-Maximilians-Universitat Wurzburg als Inaugural-Dissertation angenommen. Fiir den Druck wurde sie leicht iiber­ arbeitet und etwas gestraffi; seither erschienene Literatur konnte nicht mehr berii�ksichtigt werden. Begonnen habe ich diese Arbeit in Heidelberg unter der Begleitung von Herrn Prof. Dr. Gerd TheiBen. Aus verschiedenen Griinden muBte ich jedoch die Uni­ versitat wechseln, und Herr Prof. Dr. Hans-JosefK.lauck hat die Betreuung iiber­ nommen. Beide Professoren haben mir bis zur endgiiltigen Ausfertigung der Arbeit mit ihren Anregungen und Anmerkungen viel geholfen. Sie erstellten die Gut­ achten und gelten fur mich gleichermaBen als Doktorvater. Ihnen mochte ich an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Diese Untersuchung batte nicht ohne vielfàltige Hilfe geschrieben werden konnen. Am Korrekturenlesen haben sich viele Freundinnen, Freunde und Mit­ briider beteiligt. Besondere Erwahnung verdienen dabei meine Freunde Frau Dr. Helga Melzer-Keller und Herr Claudio Etti fur ihre Geduld, Griindlichkeit und kritische Lektiire der Endfassung. Ihnen allen vielen Dank. Dem Augustinerkloster zu Wurzburg bin ich fiir die Gastfreundschaft und Hilfe in allen Bereichen wahrend meines dortigen Aufenthalts zu Dank verpflichtet. Ohne meine deutschen Mit­ briider ware diese Arbeit nicht zustande ·. gekommen. Dem Deutschen Akade­ mischen Austauschdienst (DAAD) danke ich fur die zweijahrige finanzielle Unter­ stiitzung meines Projekts, den Augustinem meiner Provinz fur die ùbemahme der Druckkosten. SchlieBlich sei Herrn Prof. Dr. Hans-JosefK.lauck fur die Aufuahme dieser Untersuchung in die Reihe "Herders biblische Studien" gedankt. Die Arbeit ist meinen Eltem gewidmet. Valladolid, den 6. September 1998

David Alvarez

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Inhaltsverzeichnis

V

vii

Einleitung

1 2 5

1. Motivation 2. Ziel der Arbeit und Methode 3. Gliederung und Aufbau I. TEIL DIE RELIGIONSPOLITIK DES KAISERS CLAUDIUS (41-54 n.Chr.) 1. Einfiihrung

1.1. Die Quellen 1.1.1. Antike Literatur a) L. Annaeus Seneca b) Flavius Josephus e) P.Comelius Tacitus d) C. Suetonius Tranquillus e) Cassius Dio Cocceianus 1.1.2. Andere Quellen 1.2. Das Leben des Claudius

10 10 10 11 12 13 14 15 16

2. Die romische Religion bei Claudius

2.1. Die private Religiositat des Claudius

22

2.2. Claudius und die staatliche Religion: Die Priesterkollegien

25

2.2.1. Das Pontifikalkollegium 2.2.2. Die septemviri epulones 2.2.3. Das Kollegium der fiinfzehn Manner 2.2.4. Das Kollegium der Auguren 2.2.5. Das Arvalkollegium 2.2.6. Die sodales divorum imperatorum 2.2.7. Diefetiales 2.2.8. Fazit

27 29 30 31 32 33 36 37

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

V111

2.3. Ausgewahlte religiose MaBnahmen des Claudius 2.3.1. Das augurium salutis 2.3.2. Die Stadtgrenze oder das pomerium 2.3.3. Die Feier der Griindung Roms 2.3.4. Das lustrum 2.3.5. Der Kalender 2.3.6. Die Vorzeichen 2.3.7. Der Eid per Augustum 2.4. Der Kaiserkult . 2.4.1. ùberblick iiber die Entwicklung des Kaiserkults a) Augustus b) Tiberius e) Caligula , 2.4.2. Die Haltung des Claudius zum Kaiserkult 2.4.3. Apotheose und Verehrung des Claudius 2.4.4. Die Apocolocyntosis des Seneca 2.4.5. Die Einstellung der Christen zum Kaiserkult

39 39 40 42 47 48 50 53 55

56 58 61 62 65 76 85 89

3. Die fremden westlichen Religionen unter Oaudius

3.1. Die etruskischen Haruspizes 3.2. Claudius und die Druiden 3.2.1. ùberblick iiber die Romanisierung Galliens 3.2.2. Die Druiden

98 104 104 107

ix

5. Die orientalischen Religionen zur Zeit des Oaudius 5.1. Magna Mater/Kybele und Attis

142

5.2. Die Mathematici oder Astrologen

148

5.3. Osiris

157

6. Die Juden zur Zeit des Claudius

6.1. Die Juden und ihre Privilegien im romischen Reich 6.1.1. Die Rechtsstellung der jiidischen Gemeinden 6.1.2. Die jiidischen Privilegien

160 161 165

6.2. Die Lage der Juden in Alexandrien 6.2. I. Status civitatis 6.2.2. Die Entweihung der Synagogen

170 177 183

6.3. Die Juden in Rom 6.3.1. Geschichtlicher ùberblick iiber die Juden in Rom bis zur Regierung des Claudius 6.3.2. Claudius und die Juden in Rom 6.3.3. Das Claudiusedikt bei Cassius Dio (LX 6,6) 6.3.4. Das Claudiusedikt bei S,ueton (Claud. 25,4) 6.3.5. Das Claudiusedikt in der Apostelgeschichte (Apg 18,2) 6.3.6. Fazit

187

7. Einige vertriebene Christen: Priscilla und Aquila

188 194 196 201 210 215 217

II. TEIL

4. Claudius und die griechischen Kulte

DIE PAULINISCHE MISSION

4. l. Die eleusinischen Mysterien 4.1.1. Geschichte und Riten 4.1.2. Die Romer und die Mysterien von Eleusis

117 118 120

4.2. Claudius und das Orakel von Delphi 4.2.1. Claudius und die Stadt Delphi 4.2.2. Claudius und der Gott Apollo a) Das Orakel Apollos und sein Niedergang: Ein geschichtlicher ùberblick b) Die Verehrung Apollos seitens des Claudius

124 125 127

4.3. Dionysos

134

4.4. Fazit

137

127 131

8. Einfiihrung

8.1. Die religiosen Gruppierungen in Palastina 8.2. Die christlichen Gruppen 8.3. Die Beziehungen zwischen Juden und Christen in Palastina in der Sicht des Paulus

226 229 233 235

9. Die erste Periode der paulinischen Mission

9.1. 9.2. 9.3. 9.4.

Die christliche Mission und die Urgemeinde Die christliche Mission und die Politik in Palastina Die Missionssynode Der antiochenische Zwischenfall

237 244 247 254

X

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

10. Das Claudiusedikt als Faktor fiir die Verschlechterung der Verhaltnisse zwischen Juden und Christen 10.1. Die Konflikte mit den Juden in Thessalonich 10.1.1. Die Anklage der Juden in Apg 17,6-7 10.1.2. Das Claudiusedikt und die Reise des Paulus 10.1.3. Die Juden als paulinische Gegner und ihre Bestrafung nach 1 Thess 2,14-16 a) Auslegungsgeschichte von 1 Thess 2,14-16 b) Die Identifizierung der Gegner 10.2. Zusammenfassung

12. Paulus und die Christe� in Rom 260 261 271 275 277 280 286

11. Das Claudiusedikt als Ausloser der christlichen antipaulinischen Mission 11.1. Die paulinische Mission und ihre Gegner in Galatien 11.1.1. Der Galaterbrief: Binleitende Fragen 11.1.2. Die Identitat der Opponenten: Forschungsiiberblick a) Bine einzige Front der Gegner b) Zwei Fronten der Gegner e) Neue Perspektiven der Forschung 11.1.3. Das "andere Bvangelium" der Opponenten 11.1.4. Wer waren die Gegner? 11.1.5. Motive der judenchristlichen Gegner 11.1.6. Die Reaktion des Paulus

291 292 295 296 299 301 306 309 312 316

11.2. Die Opponenten in Philippi 11.2.1. Die Stadt Philippi und die Mission des Paulus (Apg 16,11-40) 11.2.2. Der Philipperbrief und die Spaltung der Gemeinde 11.2.3. Die Identifizierung der Opponenten in Phil 3 11.2.4. Die Argumentation der Gegner 11.2.5. Zusammenfassung

318 318 321 324 332 340

EXKURS I: Die Gegner in Korinth 1. Der erste Korintherbrief und die Spaltung der Gemeinde 1.1. Bine judaistische Partei in Korinth? 2. Die Gegner des Paulus in 2 Kor

341 342 343

EXKURS II: Paulus als romischer Biirger? 1. Paulus als Biirger von Tarsus 2. Paulus als civis Romanus 2.1. Das romische Biirgerrecht des Paulus in Apg und seine Appellation 2.2. Argumente gegen das romische Biirgerrecht in den Paulusbriefen 3. Fazit 4. Die Ùberstellung des Paulus nach Rom

Xl

349 351 353 358 362 364

12.1. 12.2. 12.3. 12.4. 12.5. 12.6. 12.7.

Die Bntstehung des Christentums in Rom Die stadtromischen christlichen Gemeinden nach dem Claudiusedikt Das stadtromische Christentum nach der Darstellung des Romerbriefes Der interne christliche Streit (Rom 16,17-21) Die Wamung vor den au6ergemeindlichen Gegnem (Rom 16,17-20) Die Christen gegeniiber den stadtromischen Verfolgem (Rom 12) Die Haltung der Christen gegeniiber den Autoritaten (Rom 13,1-7) 12.7.1. Intentionalitat und Motivation von Rom 13,1-7 12.7.2. Binzelexegetische Bemerlrungen von Rom 13,1-7 12.7.3. Ziel und Bedeutung zu Rom 13,1-7 12.8. Die "christlichen Briider" nach der Apostelgeschichte

371 376 380 383 386 390 395 397 401 402 404

13. Zusammenfassung

411

Literaturverzeichnis

430

Register

465

EINLEITUNG 1. Motivation Paulus ist eine der faszinierendsten Personlichkeiten der Bibel. Das zeigt schon die . umfangreiche Bibliographie jener Beitrage aus der Forschungsgeschichte, die sich mit diesem Apostel befassen. Sein Wirken hatte grundlegende Auswirkungen auf GesclÌichte, Ausbreitung und theologische Entwicklung des Urchristentums. S�it der Reformation waren die · Studien zu Paulus in erster Linie von theologischen Vorgaben und Interessen bestimmt und drehten sich um die theologische Argumen­ tation beziiglich der guten Werke, des Verdiensts und des Gesetzes. In der Paulus­ forschung der Gegenwart zeichnen sich fundamental neue Orientierungen ab, insofem die Lehre des Apostels in Verbiqdung mit der Lage seiner Gemeinden gebracht wird. Die theologische Reflexion des Paulus dient seiner apostolischen Strategie und verwirklicht sich in bezug auf ihre Erfordernisse. Hinzu kommt die Verwendung neuer methodischer Ansatze vor allem aus Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie und kultureller Anthropologie, die neues Licht auf das Verstandnis der paulinischen Theologie werfen. Mein Aufenthalt in Jerusalem und eine Reihe von Gesprachen mit Fachvertretem weckten in mir den Wunsch, mich mit solchen Annaherungen an die Gestalt des Paulus verstarkt zu beschaftigen. M.E. hat es keinen Sinn, eine paulinische Theologie getrennt von den entsprechen­ den historischen Umstanden und den sozialen Funktionen zu konstruieren. Damit will ich nicht behaupten, daB die Theologie injenen historischen Umstanden und Funktionen aufginge. 1m Gegenteil: man kann die geistliche Erfahrung des Apostels nicht eliminieren. Aber wie ein modemer Autor sagt: Die Aussagen des Apostels bezuglich des Gesetzes sollten nicht primar auf der theoretischen Ebene, sondern aufder Ebene einer praktischen Strategie betrachtet werden. /Mit anderen Worten: Es solite nicht nur gefragt werden, was Paulus sagt, sondern auch, wie er handelt1 . Die Entwicklung der theologischen Konzeption des Paulus fand ebenso wie seine Missionstatigkeit in einer bestimmten Zeit statt, und zwar hauptsachlich unter der Regierung des Claudius. Deswegen ist es mein Anliegen, Paulus in Verqindung mit Kaiser Claudius zu bringen, d.h. das Zusammentreffen von Politik und Religion zu untersuchen. So werde ich der Frage nachgehen, oh und inwiefern die Religions­ politik des Kaisers die paùlinische Mission und die Ausbreitung des Christentums im W esten beeinflussen konnte. Die historischen Hintergriinde konnten auch die Tatsache erklaren, warum Paulus erst in den letzten Jahren seiner Mission auf Schwierigkeiten traf, die ihn zu einer umfangreichen Korrespondenz mit seinen Gemeinden veranlaBten. 1

F. Watson, Paul 22.

Einleitung

2 2. Ziel der Arbeit und Methode

bewegung. Das Christentum entstand in Palastina als eine innerjudische Erneuerungs judischen Sekte In der ersten Generation nach Jesu Tod entwickelte es sich zu einer Christentum zu das wurde unter anderen. Erst nach der Zerstorung Jerusalems definition als einer neuen Religion. Die Trennung vom Judentum und seine Selbst en verbun­ eigenstandige Religion waren ein ProzeB, der mit verschiedenen Kontlikt ngen eine in den war. Bei diesen Kontlikten spielten politische Rahmenbed gu enbedingungen groBere Rolle, als man in der Regel annimmt. Die veranderten Rahm Christen. und Juden von fuhrten m.E. zu einer Beschleunigung der Trennung beschreiben Hier wird aber nicht der ganze TrennungsprozeB verfolgt2; ihn zu anken wir ist nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit. Wie der Titel andeutet, beschr ius. Wir Claud s Kaiser uns auf die paulinische Mission unter der Regierung des und sozialen untersuchen die Bedeutung und die Auswirkung der politischen Paulus: Was Ereignisse unter der Herrschaft des Claudius fur die Tatigkeit des Gemeinden bedeutete · die Regierung des Claudius fur die judischen und christlichen lichen MaB­ in der Diaspora? Besondere Au:finerksamkeit schenken wir den kaiser hen Kon­ hristlic innerc und nahmen und den dadurch ausgelosten innerjudischen Heiden­ flikten in der Diaspora, gegen die Paulus ankampfen muBte, um seine interner und mission fortzusetzen. Religiose Konflikte sind meist durch ein Geflecht ex.temer Faktoren bedingt. it des Die wichtigen externen Faktoren gehoren samtlich in die Regierungsze , der mit Claudius. Denn er war - nach allem, was wir wissen - der erste Kaiser Ver­ keine n Christen zu tun hatte. Bis dahin hatte die romische Administratio zu befassen. anlassung gesehen, sich mit den Anhangern des hingerichteten Jesus die stadtro­ gegen hmen Im Jahre 49 n.Chr. ergriff Claudius restriktive MaBna h durch die mischen Juden aufgrund der Auseinandersetzungen, die wahrscheinlic usedikt Verkiindigung des Christentums hervorgerufen worden waren. Das Claudi und waren, en betroff n ist also die erste kaiserliche MaBnahme, von der die Christe 3 hristlichen das fruheste Echo der christlichen Mission , das wir in einer nicht-c genannt Quelle finden. Claudius ist auch der Kaiser, der im Neuen Testament ofter rsnot Hunge wird: Er kommt an drei Stellen in der Apg vor (erwahnt werden die die Dogmata unter Claudius, Apg 11,28; das Claudiusedikt, Apg 18,2; und indirekt Kaisers dieses tnis Verhal das des Kaisers, Apg 17,7). Es ist daher sinnvoll, zunachst r politisch als zu den Juden (und indirekterweise zu Christen, da sie fur die Rome hrung, beJuden galten) auf dem Hintergrund seiner allgemeinen Regierungsfu 2 Dazu vgl. zuletztB. Wander, Trennungsprozesse. 3 Ich gehe im folgenden von der Voraussetzung aus, dal3 Sueton in seiner kurzen Notiz fiir die Edikts bewahrt hat, dal3 Regierungszeit des Claudius (Claud. 25,5) den Wortlaut eines kaiserlichen war. Rede die " Chrestus er "Ansti:ft einem von dort also

Einleitung

3

sonders aber im Zusammenhang seiner Religionspolitik darzustellen. Damit wird auch der historische Rahmen fur die Skizzierung einer ganz wesentlichen Phase in der Geschichte des Urchristentums abgesteckt. Weil die Geschichte des Urchristen­ tums und die Ausbildung seiner theologischen Uberzeugungen untrennb ar mitein­ ander verbunden sind, gehort auch die Religionspolitik Roms in die Prolegomena der neutestamentlichen und besonders der paulinischen Theologie. . �u den intemen Faktoren (insofern man die Jesusglaubensbewegung als eine ... Judisc�e Sekte betrachtet) gehort das Verhaltnis der neuen Bewegung zum Juden­ tu�. Die urchristliche Heidenmission storte das ohnehin labile Gleichgewicht zwischen Juden und Heiden in den Stadten der Mittelmeerwelt, insbesondere na�h dem Apostelkonzil (ca. 46/48), das zu einem kraftigen Impuls fur die jetzt von allen anerkannte Heidenmission fuhrte und damit auch zu einer Erhohung der Spannun­ gen zwischen judischen Gemeinden und Christen. Wenn es bald danach in Rom in den judischen Gemeinden zu Unruhen kam, so konnte das eine Auswirkung des Apostelkonzils gewesen sein. Das Claudiusedikt und die Vertreibung einiger Juden und Judenchristen aus Rom waren die Reaktioh auf solche Spannungen zwischen Juden und Christen in der Hauptstadt. Damit war das Christentum unter den Juden zum ersten Mal auf hochster politischer Ebene als Unruhefaktor bekannt geworden der fur die judischen Gemeinden das Risiko eines staatlichen Eingreifens mit sich bra�hte. Die judischen religiosen Autoritaten muBten jetzt gegen die neue, kon­ kurrierende und desintegrierende Sekte MaBnahmen ergreifen, damit die Ereignisse von Rom sich nicht wiederholten. Hier soll eruiert werden, zu welchen Reaktionen innerhalb des Judentums die geanderten politischen Bedingungen fuhrten. Sollten die Christen noch als Juden gelten, oder woilten sich die Juden von dieser Unruhe stiftenden Groppe fem halten? Wir werden sehen, wie Paulus aufgrund des schnell bekannt gewordenen Claudiusedikts Schwierigkeiten mit den Juden bekam. was konnten die Juden in der Diaspora gegen die Christen unternehmen, ohne daB sie in Ko� mit den Romem gerieten? Es stellt sich zudem die Frage, ob die judische Reakt1on auf die Christen interne Konsequenzen fur das Christentum batte. �e_hrere Paulu�briefe berichten von konkurrierenden Missionierungen einiger paulinischer Gememden (Galatien, Philippi usw.). Die fiiiheren innerchristlichen entscheidenden Konflikte waren mit Paulus verbunden: Apostelkonzil und antioche� nischer Zwischenfall. AnlaB dieser Konflikte war die Frage, ob auch Heidenchristen sich beschneiden lassen muBten. Die Heidenmissionssynode in der Mitte der 40er Jahre beschaftigte sich mit dieser Frage. Sie gab grunes Licht fur die Mission unter den Heiden und schuf die Moglichkeit, sie in die urchristliche Gemeinde zu integrie­ ren, ohne daB diese durch die Beschneidung zum Judentum ubertreten muBten. Trotzdem hielten die Abmachungen nicht lange. Einige Zeit spater wurden sie von christlichen Gruppen nicht mehr anerkannt. Diese verlangten von den Heiden­ christen wieder die Beschneidung. Ich mochte in der vorliegenden Arbeit untersu­ chen, ob diese Gruppen eine Nachmissionierung der heidenchristlichen Gemeinden

Einleitung

Einleitung

ansetzten, und rnit welcbem Ziel dies gescbab. Icb vermute, das Anliegen dabei war, die in der Diaspora neu entstandenen beidenchristlichen Gemeinden in das Judentum zu integrieren. Docb wie kann man diese Tatsacbe erklaren? Waren die Vereinbarungen wirklicb so millverstandlicb? Wollte die Jerusalemer Kircbe die Vereinbarungen aus tbeologiscben Griinden aufgeben und statt dessen eine kon­ servative judaistiscbe Linie durcbsetzen, oder spielten aucb externe Faktoren eine Rolle? Etwa eine Ànderung der politiscben GroBwetterlage fur die jiidischen Gemeinden? War diese antipauliniscbe Mission eine Reaktion der judaistiscben Kreise unter den christlichen Autoritaten auf die neue, durcb das Claudiusedikt gescbaffene Lage und auf die neue Haltung der Juden gegeniiber den Christen, um das gespannte Verhaltnis gegeniiber den Juden abzubauen und um Eingriffe des Staates zu vermeiden? Die Arbeit wird der Frage nacbgeben, wie und inwiefern bei dieser Problematik die Veranderungen der Rahmenbedingungen zur Zeit des Claudius fur die pauliniscbe Mission eine Rolle spielten. Wir werden aucb darstellen, wie Paulus auf die ungiinstigen politiscben Rahmen­ bedingungen reagierte. Die Untersucbung seiner Briefe beziiglicb seiner Kon­ frontation rnit christlicben, antipauliniscben Missionaren wird zeigen, was fiir Paulus auf dem Spiel stand. Worum ging es? Die Frage "Sollen Heidenchristen beschnitten werden?" war im Grunde nur Teil einer viel grundsatzlicberen Debatte: Es ging·darum, ob die urchristlicbe Religion ein Teil des Judentums bleiben oder eine eigene Religion werden sollte. Fiir Paulus stand dabei die Rolle und Bedeutung Christi zur Diskussion. Zur Methode: Die Gemeinden des Paulus sowie seine Briefe sollen in standiger Riickbindung an ihren politiscben, sozialen und religiosen Kontext untersucbt werden. Die Gemeindernitglieder waren Untertanen des rorniscben Imperiums und als solcbe der kaiserlicben Politik unterworfen, was aucb ihre Pflicbten gegeniiber Rom einschloB. Die vom Kaiser getroffenen Entscbeidungen und MaBnahmen beziiglich der Politik und der Religion wirkten sicb stark auf die Stadte und ihre Bewohner aus. Um zu erfahren, wie die Religionspolitik des Claudius die pauli­ niscbe Mission beeinfluBte, sind wir zunacbst auf die Untersucbung der religiosen MaBnahmen dieses Kaisers angewiesen, die als Hintergrund fiir die Darstellung der pauliniscben Mission dienen soll. Die christlicbe Nachrnissionierung der pauliniscben Gemeinden hinterlieB ihre Spuren in den Briefen, rnit denen Paulus seine Gemeinden vor den Gegenmissiona­ ren warnte. Unsere Aufgabe wird es sein, die Existenz · dieser Nachrnissionerung durcb · eine entsprecbende Auswertung der Paulusbriefe zu beweisen. Wenn wir davon ausgeben, daB die Aussagen des Paulus bestimmte Situationen seiner Gemeinden reflektieren und Spuren der historiscben Ereignisse entbalten, dann sollten wir · die einschlagigen Passagen der ecbten Briefe des Apostels kritiscb analysieren, um ihre historiscben Hintergriinde zu eruieren. Darnit wollen wir das Pbanomen der antipauliniscben Mission gleichzeitig aufzeigen und inhaltlicb

auffiillen. Ebenfalls werden hier, als nacbgeordnete Quelle, Texte der Apg in Betracbt gezogen, aber lmtiscb bebandelt.

4

5

3. Gliederung und Aufbau

Die Arbeit bestebt aus zwei Haupttei!en, die zum einen von Kaiser Claiidius und zum anderen von Paulus bandeln. Der erste Hauptteil unserer Untersucbung ("Die Religionspolitik des Kaisers Claudius") versucbt, die unterschiedlicben MaBnahmen des Claudius zuerst geg�niiber der altrorniscben Religion und anschlieBend gegen­ iiber den Fremdkulten zu erortern. Darnit wollen wir die Grundlinien seiner Reli­ gionspolitik darstellen. Einige dieser religiosen MaBnahmen sind fiir die Mission des Paulus irrelevant oder batten keine direkte Konsequenz. Wicbtig ware dann eigent­ licb nur die Religionspolitik dieses Kaisers gegeniiber dem Judentum. Icb balte es j edocb fiir angebracbt, die Haltung des Claudius gegeniiber den Juden innerbalb seiner allgemeinen Religionspolitik zu betracbten. AuBerdem gibt es m.W. keine Monographie, die sicb ausfiihrlicb rnit dem religiosen Aspekt der Tatigkeit dieses Kaisers bescbaftigt. Deswegen balte icb es fiir sinnvoll, in der vorliegenden Arbeit eine U ntersucbung dazu vorzulegen. Dies ist indes nicbt das vorrangige Ziel der Arbeit. Die Darstellung der Religionspolitik eines Kaisers stoBt immer auf Scbwierig­ keiten. Manchmal ist es scbwer, seine religiosen von den politiscben Entscbeidun­ gen zu trennen. Religion und Politik warenJoft verrniscbt. Hinzu kommt die Tatsa­ cbe, daB die (meistens nicht direkten) Quellen oft einfacb die MaBnahmen erwab­ nen, ohne eine Begriindung anzugeben. Desbalb werden wir in der Arbeit einige bypotbetiscbe Erklarungen dafiir anbieten miissen. Nacb einer kurzen Biographie des Claudius rnit Nacbweis ihrer Quellen werden wir uns der rorniscben Religion z.Zt. des Claudius zuwenden. Als Menscb batte Claudius seine Privatreligiositat. Die Quellen iiberliefern vor allem nur eigene private religiose Zeremonien, an denen der Kaiser teilnahm. Wicbtiger fiir uns ist jedocb Claudius als offentlicbe Personlichkeit. AuBerdem bezieben sicb die von den Historikern iiberlieferten Nachricbten iiber die Religion besonders auf k0nkrete Ereignisse, die eine offentlicbe Dimension batten. Es wird gezeigt, wie seit Augu­ stus der Kaiser durcb die Kontrolle der verschiedenen religiosen Kollegien das offentlicbe religiose Leben und seine Institutionen dominierte und die Durchfiihrung der religiosen Zeremonien iiberwacbte, die den Staat betrafen. Im Kaiser waren die politiscbe und die religiose Macbt vereint. Zunacbst werden konkrete MaBnahmen dieses Kaisers fiir Rom, wie z.B. das Augurium salutis, das Pomerium, die Feier der Griindung Roms, das Lustrum, der Kalender, der Eid per Augustum, etc. unter­ sucbt. Dadurcb zeigte sicb Claudius als ein "Restaurator" und als spiritueller Nachfolger des Augustus. Besondere Aufinerksamkeit widmen wir seiner personli-

7

Einleitung

Einleitung

chen Haltung gegenuber dem Kaiserkult. Dabei werden seine direkten Aussagen im Brief an die Alexandriner (PLond 1912) beziiglich dieses Themas sowie die "Huldi­ gung" oder Verehrung durch seine Untertanen (und die Einrichtung eines Tempels :fur seine Person in Britannien) beriicksichtigt. Erst nach seinem Tod und durch die Apotheose wurde er offiziell in Rom zum divus erklart. In Verbindung mit der Apotheose ist die Behandlung von Senecas Werk (Apocolocyntosis) unvermeidlich. Da das Christentum in den griechischen Stadten in Kontakt mit der Verehrung der Kaiser kam und da sich einige Aussagen der Christologie im Kaiserkult wiederfin­ den, wird hier ein kleiner Abschnitt Ober die Einstellung der Christen zum Kaiser­ kult eingefilgt. Ein anderes Kapitel ist den "westlichen" fremden Religionen gewidmet. Unter diesen sind die Reorganisierung der Haurispizes und die Abschaffung des Druiden­ tums besonders zu erwahnen. Claudius betrachtete die etruskische Lehre als heimisch, und als an den Etruskern interessierter Historiker litt er an "Etruskoma­ nie". Auch die politischen MaBnahmen gegen das Druidentum hatten direkt mit seinem Heimatgebiet zu tun, da er in Lyon geboren war. Mehr Informationen besitzen wir Ober sein Verhaltnis zu den ostlichen Gottern. Dank seiner hellenistischen Erziehung schatzte er einige griechische Gottheiten, die von den Romern ubernommen worden waren. Claudius fuhrte MaBnahmen zur Wiederbelebung der Verehrung des Apollo von Delphi durch, der schon eine wichtige Stellung im romischen Pantheon als Schutzgott des Prinzipats innehatte. Neben den traditionellen Gottern waren die Mysterienkulte in Mode. Claudius versuchte die eleusinischen Mysterien in Rom einzufilhren. Er zeigte sich auch als Freund der dionysischen Schauspieler. Diese drei Beispiele erwecken den Eindruck, daB Claudius wie Augustus pro-hellenisch war. Ein besonderes Kapitel in der Religionsgeschichte jener Zeit bildete das Ein­ stromen von orientalischen Religionen in Rom. Griechenland schuf die Briiéke zwischen Ost und West und naherte gleichzeitig einige orientalische Religionen dem romischen Geschmack an. Diese hatten unter der in Rom ansassigen zahlreichen orientalischen Bevolkerung sowie unter den Romern selbst groBen Erfolg. Claudius konnte gegen das Sentiment der Bevolkerung nicht angehen und so versuchte er im Sinne der Romer den Kult der Magna Mater zu reformieren, einer filr den Staat ungefàhrlichen Religion, die schon seit langem in Rom existierte. Andere Religio­ nen dagegen fanden nicht die Billigung des Kaisers, und deren Anhanger wurden, wie z.B. die Mathematici, aus politischen Griinden aus Rom vertrieben. Auch die agyptischen Religionen waren bei Claudius nicht besonders gut angesehen. Von den orientalischen Religionen wird das Judentum aufgrund seiner Bedeu­ tung filr unsere Arbeit ausfilhrlicher und in einem eigenen Kapitel behandelt. Welche Einstellung nahm Claudius gegenuber den Juden ein? Um diese Frage beantworten zu konnen, werden die Rechtsverhaltnisse der Juden innerhalb des Imperiums betrachtet. Obwohl sie, wie auch andere Volker, einige Privilegien

genossen, hatten diese auch ihre Grenze, wie die Maf3nahmen des Claudius am Anfang seiner Regierungszeit gegen die Juden in Alexandrien und in Rom zeigten. Wenige Jahre spater, im Jahre 49, muBte Claudius sich nochmals mit dem Judentum beschaftigen. Es ging diesmal um Tumulte und die Storung des Friedens, die die Juden innerhalb einer oder einiger Synagogen aufgrund der theologischen Diskussionen uber die Messianitat eines C�estos provoziert hatten. Die Anstifter der Unruhen wurden durch das Claudiusedikt aus Rom vertrieben. Unter cfen Ver­ triebenen fanden sich auch Judenchristen, unter ihnen Aquila und Priscilla (Apg 18,2). Das Ehepaar ging damals nach Korinth, wo es kurz danach Paulus traf Das kurze Kapitel, in dem dte Personlichkeit der ersten bekannten Christen in Rom analysiert wird, soll als Briicke zwischen dem ersten und dem zweiten Hauptteil der Arbeit dienen. Aquila und Priscilla waren direkt von kaiserlichen MaBnahmen betroffen gewesen und wurden spater Mitarbeiter des Apostels in seiner Mission. In Korinth erfuhr Paulus von ihnen die christliche Version des Claudiusediktes. Der zweite Hauptteil ("Die paulinische Mission") versucht, die Konsequenzen des kaiserlichen Erlasses filr das Verhaltnis zwischen Juden und Christen sowie die daraus folgende Reaktion innerhalb des Christentums darzulegen. Wir beschaftigen uns hier vor allem mit den Auswirkungen, die solche MaBnahmen auf die Mission und die Person des Paulus hatten. Die MaBnahmen waren jedoch nur gegen Juden gerichtet. Wenn Paulus ein romischer Burger war (Apg 16,37; 22,25.29; 23,27), dann batte er sich davor nicht filrchten mussen. Gegen die herrschende Meinung der Exegeten vertrete ich daher hier die Auffassung, daB der Apostel das romische Burgerrecht nicht besaB und deswegen seine geplante Reise nach Rom unterbrechen muBte. Das Thema wird in einein Exkurs erlautert. Als Hintergrund filr die paulinische Mission wird das Christentum als Zu­ sammensetzung verschiedener Richtungen innerhalb eines heterogenen Judentums dargestellt. In einem weiteren. Kapitel wird die erste Periode der paulinischen Mission behandelt, also die Zeit, bis Paulus unabhangiger Missionar wurde und sich von der antiochenischen Gemeinde trennen muBte. Dabei werden zwei filr die zukiinftige Heidenmission wichtige Ereignisse behandelt: die Missionssynode und der antiochenische Zwischenfall. Die neue judische Bewegung erfuhr durch das Konzil tiefe Veranderungen filr ihre Theologie und ihre Praxis der Missionierung. Noch wichtiger fur uns sind die Nachwirkungen des Claudiusedikts auf die Mission des Paulus. Diese haben zwei unterschiedliche Hauptkonsequenzen. Zuerst wurde das Dekret zum Ausloser filr die Verschlechterung des Verhaltnisses zwischen Juden und Christen. Die Christen stellten im Imperium eine politische Gefahr fur das ùberleben der Juden dar. Wie sie gegen die Christen vorgingen, zeigt die Auseinandersetzung mit den Christen in Thessalonich. Wie und was die Juden damit erreichen wollten, und wie Paulus in seinem Brief an die Thessaloni­ cher die kaiserliche MaBnahme interpretierte, wird in dieser Arbeit untersucht.

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Einleitung

Diese Reaktion des Judentums gegen das Christentum in der Diaspora loste eine weitere Konsequenz aus, namlich eine christliche Mission gegen Paulus. Das Anliegen unserer Arbeit ist es, Hintergrtinde der Gegenmission darzustellen und ihre Entwicklung aufzuzeigen. In diesem Kapitel werden wir uns mit dem schwieri­ gen Problem beschaftigen, ob und wie die Gegner zu identifizieren sind, die zuerst in Galatien auftraten. Paulus sagt nicht, wer sie waren, aber aus paulinischen Aussagen, die wahrscheinlich die Forderungen der Gegner enthalten, kann man ihre Identitat ableiten. Es wird untersucht, wie sie die galatischen Gemeinden nach­ missionierten und wie sie argumentierten. Paulus sah sofort die Gefahr, die die Gegenmissionare fur seine Tatigkeit brachten. So reagierte er prompt und versuchte mit seinem Schreiben an die Gemeinden, diese wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Paulus warf seinen Gegnern vor, sie propagierten die Beschneidung, um Verfolgungen zu entgehen. Aber die Gegenmissionierung in. Galatien war kein sporadischer Fall, sondem wurde in anderen Stadten fortgesetzt. So folgen wir den Spuren der paulinischen Gegner und finden sie in Philippi wieder. Die Umstande in dieser griechischen Stadt waren anders als in Galatien, was die Darstellung ihrer Forderungen beeinfluBte. Paulus batte fur seine Gegner harte Bezeichnungen, was andeutet, daB seine Mission wirklich in Gefahr war. Das letzte Kapitel beschaftigt sich mit der Entwicklung des Christentums in der Hauptstadt des Imperiums nach dem Claudiusedikt. Die danach folgende entspann­ tere Lage, die sich im Romerbrief widerspiegelt, konnte sich mit der neuen Situa­ tion nach dem Tod des Claudius erklaren lassen. Paulus - und die christlichen Gemeinden - zeigt sich hier optimistischer, was die Aussichten angeht, zu einem Ausgleich zwischen Juden und Christen in der Gemeinde (Rom 14-15), auBerhalb der Gemeinde (Rom 9-11) und mit dem Staat (Rom 13) zu kommen. In Rom rechnete der Apostel auch mit der Anwesenheit der Gegner, die aber fur die stadtromischen Christen keine groBe Gefahr darstellten. Die Mission gegen Paulus in den 50er Jahren batte dann auch einen politischen Hintergrund. Die in der vorliegenden Arbeit vertretene These des indirekten Ein:flusses · der Religionspolitik · des Kaisers Claudius auf die paulinische Mission versucht, Licht in die Entwicklung des Urchristentums zu bringen. Sie kann meiner Meinung nach helfen, einige Aussagen des Apostels zu erklaren, die sonst unver­ standlich bleiben.

I. TEIL

DIE RELIGIONSPOLITIK DES KAISERS CLAUDIUS (41-54 n.Chr.)

Die Quellen

1. EINFù.HRUNG Bevor wir uns dem Thema der Religionspolitik des Kaisers Claudius zuwenden, scheint es sinnvoll, die Person dieses antiken Herrschers naher zu untersuchen, da seine Personlichkeit und Ausbildung seine allgemeine Regierungsfiihrung und besonders seine Religionspolitik deutlich gepragt haben. Es ist dabei hervor­ zuheben, daB durch die moderne Forschung kein Kaiser eine so grundlegende, neue Beurteilung erhalten hat wie Claudius. Der Grund dafilr liegt einerseits in einer neuen kritischen Bewertung der literarischen Quellen. Zum anderen werfen die epigraphischen Funde, die der Darstellung der antiken Autoren nicht immer ent­ sprechen, neues Licht auf diese Person. Zunachst werden wir auf die Problematik der Quellen eingehen. 1.1. Die Quellen Informationen iiber das Leben des Claudius und seine Religionspolitik lassen sich vor allem aus den literarischen Quellen gewinnen. Aber auch Inschriften und archaologisches Materiai sind heranzuziehen. 1. 1. 1. Antike Literatur Claudius verfaBte eine acht Biicher umfassende Selbstbiographie (de vita sua, vgl. Sueton, Claud. 41), diejedoch verlorengegangen ist. Deswegen muB man sich an der zeitgenossischen Literatur orientieren und untersuchen, oh einzelne antike Schriftsteller Angaben iiber Claudius hinterlassen haben. Sporadische Notizen iiber diesen Kaiser finden sich bei Seneca und Josephus; ausfiihrlicher haben sich drei Historiker mit der Geschichte des Claudius beschaftigt: Sueton, Tacitus und Dio. a) L. Annaeus Seneca (4-65 n.Chr.) Seneca auBert sich mehrfach iiber Kaiser Claudius, davon an drei Stellen aus:fùhr­ licher. Die erste Angabe findet sich in seinem Werk "Ad Polybium de consolatione" (43/44 n.Chr.), in dem er aus dem Exil eine consolatio an den Freigelassenen, zu jener Zeit im Hofamt stehenden Polybius richtet, um ihm wegen des Verlustes eines seiner Briider Trost zuzusprechen. DaB es sich bei diesem Werkjedoch in Wahrheit um eine Bittschrift an Kaiser Claudius handelt, ist allgemein anerkannt. Seneca hoffi:e, daB der Kaiser anlaBlich des Triumphs iiber Britannien Verbannte freilassen werde (vgl. Sueton, Claud. 17,3). Um die kaiserliche Gnade zu erreichen, :fùgte

Seneca diesem Werk eine �uldigung an Claudius hinzu. Der iberische Schriftsteller mtillte dennoch weiterhin in Korsika bleiben. Einige Jahre spater, als Claudius starb, schrieb Seneca die verlorene laudatio fiir den verstorbenen Kaiser, die von Nero bei den o:ffiziellen Trauerfeierlichkeiten verlesen wurde. Unmittelbar danach verfaBte Seneca die Satire Divi Claudii à1TOKOÀOKVVTwa1.s. Seneca hat Claudius die Verbannung nicht verziehen, was in diesem letzten Werk deutlich wint b) Flavius Josephus (37/38 - nach 100 n.Chr.) Geht man in chronologischer Reihenfolge vor, so ist als nachster der judische Schriftsteller Josephus zu erwahnen. Bemerkenswert sind die Zeugnisse, die sich im Bellum Judaicum (ca. 75-79 n.Chr.) und in denAntiquitates Iudaicae (93-94 n.Chr.) iiber die Zeit des Claudius finden. Josephus' Werke sind fùr unsere Arbeit interessant, weil sie Informationen iiber die Religionspolitik des Claudius und seine Haltung gegeniiber den Juden bieten1. In AJ XIX 278-292 werden zwei Edikte zitiert (eines fiir Alexandrien und Syrien, das andere fiir die ganze Òkumene), die von Claudius zu Gunsten der Juden erlassen wurden2• Josephus verfolgte durch die Zitierung dieser Dokumente das Ziel, hervorzuheben, daB Claudius nicht nur den alexandrinischen, sondem allen Juden, die im romischen Imperium lebten, ihre Biirgerrechte und Privilegien (unter anderen die freie Ausiibung ihrer Religion) garantierte. Aufdiese Weise wird Claudius als Vorbild fiir den damaligen amtieren­ den Kaiser hingestellt. In einem dritten Dokument, das sich in AJ XIX 300-312 findet, beruft sich Petronius nach den Auseinandersetzungen in Dora auf "ein Edikt des Claudius Caesar Augustus Germanicus iiber die Erlaubnis, daB die Juden die traditionellen (Sitten) bewahren diirfen" (XIX 304). Dariiber hinaus erwahnt der jiidische Historiker einen ErlaB des Claudius iiber die Riickgabe des hohenpriesterli­ chen Gewandes an die Juden (AJ XX 11-14). Die Zuverlassigkeit dieser Dokumen­ te wird aufgrund ihrer apologetischen Absicht in Frage gestellt: Josephus habe den Eindruck erwecken wollen3, die Juden seien loyale Untertanen Roms gewesen, und dies hatten selbst die Romer anerkannt. Auch wenn der Kem dieser genannten 1 Josephus schildert die Thronerhebllllg des Claudius lllld die Rolle, die der judische Konig Agrippa dabei spielte (BJ II 204-233; AJ XIX 236-266). Dazu VM. Scramuzza, Emperor 18. 2 H. Willrich, Urk:undenfillschllllg in der hellenistisch-judischen Literatur (FRLANT 38), Tubingen 1924, 7:ff., rechnet damit, da8 Josephus zur Zeit des Agrippa II. in einem Jerusalemer Archiv diese Urk:unden zur Verfùgoog standen. Josephus versuche, seinen Lesem den Eindruck vorzutauschen, er habe archivalische Forschung in Auftrag gegeben oder selbst betrieben, z.B. in Tyros oder auf dem Kapitol. Tatsachlich seien ihm die echten Aktenstucke aus dem Archiv der Herodianer durch Agrippa II. zuganglich gemacht worden. Vgl. auch J.D. Gauger, Beitrage zur judischen Apokalyp­ tik. Untersuchllllgen zur Authentizitat von Urkunden bei Flavius Josephus und im I. Makkabaer­ buch (BBB 44), Koln - Bonn 1977. 3 K.-S. Krieger, Geschichtsschreibung, de:finiert Josephus' Schriftstellerei als apologetische Historiographie. Zu den Edikten des Claudius: S. 96:ff.

Edikte historischen Ursprungs ist, so miissen doch die Einzelheiten iiberprtift werden. Ebenso ist die · Tatsache zu beachten, daB Josephus die Giiltigkeit der Erlasse generalisierend ausweitet. Auffallend ist die Tatsache, daB die in das Jahr 49 n.Chr. zu datierende Ausweisung von Juden aus Rom nicht erwahnt wird.

Traditionen dargeste�rd . Als Feind der externae superstitiones stand Tacitus den religiosen MaBnahmen.des Claudius positiv gegeniiber: Claudius wird als eine Person dargestellt, die den Versuch einer Riick- und Neubesinnung auf die ro­ mische Religion untemahm.

e) P. Cornelius Tacitus (55/56 - ca. 120 n.Chr.)

d) C Suetonius Tranquillus (70 - ca. 130 n.Chr.)

Von dem romischen Geschichtsschreiber Tacitus sind zwei Biicher seiner Annalen4 (ann. 11 und 12) erhalten, deren Inhalt einen Teil der Regierungszeit des Claudius (48-54 n.Chr.) umfaBt. In der Forschung wird angenommen, Tacitus habe die G eschichte der Regierungsepochen Caligulas und Claudius' (17 Jahre) in sechs Biichem gefaBt. Das Schicksal aber hat uns vollends um dieKenntnis der Biicher 7-1O und der ersten Halfte des elften Buches gebracht. Diese Liicke entspricht dem Zeitraum der Jahre 37-47 n.Chr. Was erhalten ist, ermoglicht uns j edoch trotzdem eine Bewertung der Schilderung der Personlichkeit des Claudius durch Tacitus5. Tacitus zeichnet Claudius als einen Menschen mit einer schwachen Position gegeniiber seinen Frauen und Freigelassenen, von denen er vollig beherrscht wird. Der Historiker schildert denKaiser etwas ironisch und sarkastisch6 und bringt ihm dab ei eine V erachtung entgegen, die eindeutig auf der geistig-seelischen Ebene liegt; zugieich bewertet er j edoch auch einige MaBnahmen positiv, z.B. die Er­ weiterung despomerium (ann. 12,23f), die Restrukturierung desKollegiums der Haruspizes (11,15)7, die Feier der ludi saeculares ( 11,11) und die Prodigien und Vorzeichen (Prodigienkataiog; vgl. 12,43.64f.). Der Prinzeps erscheint zum einen als fahiger und innovativer kaiserlicher Verwaiter, der durch seineKenntnisse der romischen Geschichte inspiriert wurde, und zugleich ais ein "unter dem Pantoffei stehender" Mann, als angstlicher und nachgiebiger Herrscher. Ùber die Religion des Ciaudius finden sich in den Annalen nur wenige Angaben, wobei dieserKaiser jedoch positiv als Restaurator8 einiger alter romischer religioser 4

Eine umfangreicheBibliographie uber Tacitus bietet W Suerbaum, Zweiundvierzig Jahre Tacitus­ Forschung: Systematische Gesamtbibliograpbie zu Tacitus' Annalen.1939-1980, in: ANRW II 33.2 (1990) 1032-1476. Zu Claudius, S. 1156-1159. Vgl. auch H.W Benario, Six Years of Tacitean Studies. An Analytic Bibliography on the "Annals" (1981-1986), in: ANRW II 33.2 (1990) 1477-1498. 5 Vgl. dazu besonders G.B. Townend, Claudius and the disgressions in Tacitus, in: RhM 105 (1962) 358-368; D.WT.C. Vessey, Thoughts on Tacitus. Portrayal ofClaudius, in: AJP 92 (1971) 385409; K. Seif, Die Claudiusbucher in den Annalen des Tacitus, Mainz 1973 (zur Wurdigung des Claudius bei Tacitus vgl. ibidem, 295-298); A. Mehl, Tacitus; A. de Vivo, Tacito e Claudio. Storia e codificazione letteraria (Forme, materiali e ideologie del mondo antico 7), Napoli 1980;M.T. Boatwright, "Tacitus" 36-44;M. Griffin, "Claudius" 482-501. 6 Ann. 11,28,2; 12,3,2; 13,6,3. 7 Vgl. dazuM. Griffin, "Claudius" 484. 8 Zur allgemeineri religiosen Haltung des Tacitus vgl. R.T. Scott,,Religion and Philosophy in the Histories ofTacitus (PMAAR 22), Rame 1968, 45-106; V.M. Scramuzza, Emperor 23.

Der romische Biograph Sueton hatte unter Trajan (ca. 114 n.Chr.) die Amter a studUs imd a bibliothecis inne, sowie unter Hadrian (118 n.Chr.) den Posten ab epistulis. In welchem Z11;sammenhang steht die Abfassung derKaiserbiographien mit diesen Tatigkeiten in der kaiserlichen Kanziei? Die Meinungen dartiber sind keineswegs einheitlich9• Einigen Autoren zufolge erlaubten ihm seine Aufgaben am kaiserlichen Hof, die dortigen Archive zu konsultieren. Dagegen vertreten andere Historiker die Meinung, die Verwendung von dokumentarischem Materiai (wie z.B. Briefe des Augustus) in den fiiihen Viten miisse keineswegs mit der Tatigkeit ab epistulis in Zusammenhang stehen. Sueton widmete seinem Freund, dem Pratoìianerprafekt Septicius Clarus, das Werk De vita Caesarum10, das in acht Banden das Leben aller zwolfKaiser von Caèsar bis Domitian schiidert. Man hat die iiterarischen und historiographischen Qualitat en der vita Caesarum bisher im allgemeinen als eher ge ring betrachtet und . Sueton fiir einen bioBen Sammler von Fakten gehalten. Demgegeniiber vertritt W. Steidle11 die Ansicht, Sueton gehe bei der Schiiderung derKaiserbiographien nach bestimmten kiinstlerischen Prinzipien vor, so daB ihre Auswahl und Anordnung eine charakterisierende Funktion habe. E. Paratore halt dagegen Sueton weder fiir einen wirklichen Historiker noch fiir einen wahrenKiinstler: Er habe vollig verschieden­ artiges Materiai gesammelt, mechanisch aneinandergereiht und ohne groBere kiinstlerische Ambitionen nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet12. Sein Werk sei aufUnterhaltung ausgerichtet gewesen. Der Biograph Sueton widmet Claudius das fiinfte Buch mit 46Kapiteln. Dieses Werk ist dem Verfasser nicht sehr gut gelungen13, und im allgemeinen wird an9

Vgl. L. de Coninck, Les sources documentaires de Suétone, "Les XII Césars": 1900-199 0, in: ANRW Il 33.5 (1991) 3675-3700. 10 Zur Literatur fiber Sueton vgl. P. Galand-Hallyn, Bibliographie suétonienne (Les "Vies des XII Césars") 1950-1988. Vers une réhabilitation, in: ANRW II 33.5 (1991) 3576-3622. 11 W Stei�le, Sueton und die antikeBiographie (Zemata 1), Munchen 1951, 97-1O 1. Diese Richtung fib�rtre1bt B. M?uc�owi, Studie zu Kaiserbiographien Suetons (Acta Universitatis Carolinae, _ Philosophie et histonca, Monographia 22), Praha 1968. 12 E. Paratore, Claude et Néron chez Suétone, in: RCCM 1 (1959) 326-341. 13 B. Ba_ldwin, Suetonius, Amsterdam 1983, 278, beschreibt die suetonische Darstellung des ��audi� folgenderrnaflen: "The Divus Claudius is one of Suetonius' poorest efforts. In structure, 1t 1s part.J.cularly amorphous". Der Autor bietet eine spekulative Erklarung daftir: Diese vita sei aus unbekannten Griinden in groJ3er Bile verfaBt worden.

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Die Quellen

Einfiihrung

genommen, daB Sueton Claudius feindselig gegeniiberstand: Aus der Darstellung der Personlichkeit des Claudius bei Sueton erhalt man den Eindruck, er schreibe eine Satire iiber den Kaiser14. Claudius' Religionspolitik wird jedoch positiv geschildert. Wenn der Pontifex (flamen) Volcani, Sueton, iiber religio spricht, versteht er darunter die traditionelle romische Religion; er halt alle orientalischen Kulte oder fremden Religionen fur suspekt. Dieser Schriftsteller batte Vorurteile gegeniiber Agyptem und Juden. Seine Einstellung wird mit der Religionspolitik des Augustus (vgl. Aug. 93,1) in Verbindung gebracht. Da Claudius in seinen religiosen Vorstellungen Suetons Vorbild Augustus folgte, genoB er beziiglich der religiosen MaBnahmen seine Sympathie15. Sueton listet in der Biographie des Claudius dessen religiose MaBnahmen auf, jedoch fast ohne jeglichen Kommentar. Er beginnt seine Auflistung mit folgendem Satz: "In den religiosen Gebrauchen sowie im Zivil- und Militarwesen, ebenso in den Verhaltnissen aller Stande in und auBerhalb Roms nahm Claudius manche Verbesserungen vor, rief Veraltetes wieder ins Leben oder fuhrte auch manches Neue ein" (Claud. 22,1 ). Es folgt die Beschreibung der Reinigungsaktionen beim Erdbeben und nach einem ungiinstigen Vorzeichen (Claud. 22,2). In Kapitel 25 wird erwahnt, daB der Kaiser die Religion der Druiden verbannt, sich aber gegen­ iiber den eleusinischen Mysterien vollig anders verhalten habe und auch den Tempel der Venus Erycina reparieren lieB. Bine besondere Funktion besitzt bei Sueton die Schilderung der Vorzeichen, Erscheinungen und Prophezeiungen beziiglich der Zukunft des Claudius, die ein doppeltes Ziel verfolgt: die illustrierung der grotes­ ken Vorzeichenglaubigkeit des Kaisers und die Markierung besonderer Lebens­ abschnitte, der Ankiindigung seiner Herrschaft und seines Todes. Diese und andere MaBnahmen werden in der vorliegenden Arbeit analysiert. e) Cassius Dio Cocceianus (163 - nach 229 n.Chr.) Dieser Historiker aus Nikaia (Bithynien) bekleidete unter den Kaisern Commodus, Septimius Severus und Severus Alexander hohe Reichsamter (Senator, Prokonsul, Konsul), seine literarische Tatigkeit begann er unter Septimius Severus. Sein Hauptwerk, die historia Romana (PwµmKT} LGTop(.a oder TwµmKci ), entstand 14 J. Gascon, Suétone. Historien (BEFAR 255), Rome 1984, 615: Diese Beschreibung vom habitus . des Claudius (Claud. 30,2) stimmt mit dem allg emeinen Eindruck uberein, den Sueton bei der Bechreibung der Persònlic hkeit des Kaisers erweckt: er ist ein Mensch, der sich nicht dem Leben und der Aufgabe eines Kaisers beu� er ist unvemun:ftig, leichtsinnig, lacherlich, ohne moralische Wiirde, ohne Autonomie. 15 Mit der Einstellung d es Kaisers zu Religion und Vorzeichen befa13t sich F. della Corte, der aufgrund dieser Eigenschaften Claudius zu den " guten" Kaisem rec hnet: F. della Corte, Svetonio. Eques romanus (Biblioteca Storic a Universitaria, Serie II, Monografie 8), Milano - Varese 1958, vgl. bes. den Abschnitt: "La religio dei Cesari", S. 53-76.

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zwischen 207 und 229 n.Chr. und bestand urspriinglich aus 80 Biichern, wovon die Biicher 36-60 (am SchluB ùnvollstandig), die die Ereignisse von 68 v.Chr. bis 47 n.Chr. darstellen, und Teile der Biicher 78-79 erhalten sind. Zur Rekonstruktion der verlorenen Teile werden die Ausziige des I Xiphilinos und I Zonaras verwendet. Da Dio fur die Abfassung seines Werkes kaiserliche Annalen und Edikte zur Verlùgung standen16, ist er als Quelle fur die Kaiserzeit von Bedeutung. Besonders interessant ist fur uns das Buch LX, das den Bericht iiber Claudius bis zum Jahr 46 n.Chr. enthalt. Von seinem senatorischen Standpunkt aus iibte Dio Kritik an Claudius. Er halt ihn fur grausam; dies wird.im Laufe seiner Herrschaftausiibung deutlicher und geht vor allem auf den Ein:fluB der Frauen und Freigelassenen zuriick. Dio stellt Clau­ dius als einen schwachen Charakter dar, abhangig von den Planen seiner Frauen und Freigelassenen (Dio, LX 2,4; 14, l; 17,8). Weitere, meist sparliche Hinweise und Informationen iiber Claudius finden sich bei einigen anderen Schriftstellem (Plinius, Orosius, Aurelius Vietar u.a.); sie werden in der vorliegenden Arbeit ebenfalls herangezogen. 1.1. 2. Andere Quellen

Informationen iiber den Kaiser lassen sich nicht nur aus den literarischen Quellen, sondern auch aus Papyri, Inschriften17, aus archaologischem Materiai und aus Miinzfunden18 gewinnen; Teile dieses Materials wurden in einigen Monographien gesammelt 19. Diese Quellen enthalten Reden des Claudius im Senat (z.B. die Erztafel von Lyon iiber die Erteilung des ius honorum an den gallischen Adel, CIL XIII 1668, vgl. auch Tacitus, ann. 11,24), auBerdem Erlasse und Verordnungen. Was die Juden anbelangt, so ist vor allem der Brief des Claudius an die Alex­ andriner (PLond 1912/CPJ 153) heivorzuheben. Dieses Schreiben ist das wichtigste Dokument fùr die Untersuchung der Religionspolitik des Claudius gegeniiber den Juden. Interessant fur unsere Thematik ist auBerdem der fragmentarische Bericht iiber den kaiserlichen ProzeB zwischen Alexandrinem und Juden im Jahre 41. n. Chr.

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E. Huzar, "Emperor" 618. Zu den Quellen Dios vgl. V.M Scramuzza, Emperor 32f _ D1e betreffenden Inschri:ften finden sich in CIL (z.B. die Acta fratrum Arvalium CIL VI 20312036; Add. 32348-32351), die wichtigstenlateinischenlnschri:ften beiH. Dessau, ILS I 198-223. Vgl. auch das Material bei E. Ferrero, "Claudius" 295:ff Zu d_en c l�udianisc hen Munzen vgl. H. Cohen, Description 249-274; H. Mattingly, BMC Bd. l ,cxlix-clxi; 164-199; H. Mattingly-EA. Sydenham, RIC Bd. 1,121-136; W. Trillmich, F amilien­ prop�anda der Kaiser Caligula und Claudius. Agrippina Maior und Antonia Augusta auf Miinzen, Berhn 1978; H.-M von Kaenel, Munzpragung; ders., "Pragepolitik" 45-68. MP. Charlesworth, Doc uments 3-29; E.M Smallwood, Documents 14-16.49-52.106-1 09; J.H. Oliver, Constitutions 77-11 O.

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DasLeben

Ein:filhrung

1.2. Das Leben des Claudius20 Man schrieb das Jahr 41 unserer Zeitrechnung, als die Wechselfalle des romischen Reiches und politische Intrigen dazu fiihrten, daB Kaiser Caligula, der mit seiner Politik viele Konflikte provoziert batte, selbst ihr Opfer wurde. So konnte sein Onkel Tiberius Claudius Drusus21 Kaiser werden. Dieser wurde am 1. August 10 v.Chr. in Lyon als Sohn des Nero Claudius Drusus und der Antonia, Tochter des Triumviro Antonius und der Schwester des Augustus, Octavia22 , geboren. Sehr bald wurde Claudius von der kaiserlichen 23 Familie ausgegrenzt (Sueton, Claud. 4,7), unter dem Vorwand einer psychischen 24 Krankheit, die jedoch stets iibertrieben dargestellt wurde . Seine politische Karrie­ re war nicht glanzend: Augur im Jahre 7/8 n.chr: unter Augustus, wurde er sodann 25 sodalis Augustalis, Priester des Kultes des Augustus . Erst viel spater wurde er unter Tiberius (Sueton, Claud. 5) mit dem Kennzeichen des konsularischen Ranges ausgezeichnet und erst 37 n.Chr. unter Caligula zum Konsul erhoben (Sueton, Cal. 17,1; Claud. 7; Dio, LIX 6,6). Wegen dieser Schwierigkeiten hielt er sich von der Politik fern. Dies und die Einsamkeit gaben ihm die Gelegenheit, viel zu studieren, so daB er zu einem der 20 An dieser Stelle soll das Leben des Claudius nur in groben Zugen zusammengefaBt werden. Fur weitere lnformationen vgl. E. Croag, "Claudius" 2778-2839; K. Vivell, Untersuchungen; MP. Charlesworth, "Gaius" 667-70 I; A. Momigliano, Claudius; A. Nock, "Developments" 465-511; V.M. Scramuzza, Emperor; E. Huzar, "Claudius" 611-650; B. Levick, Claudius; T.E.J. Wiede­ mann, "Tiberius" 229-241; W. Eck, Claudius, in: DNP 3 (1997) 22-26. 21 So sein ursprunglicherName. Als der Senatnachdem Tode seines Vaters (9 v.Chr) fiir diesen und dessen Nacbkommenscha:ft den Beinamen Germanicus dekretierte (Sueton, Claud. I; Dio, LV 2,3), bekam wohl auch Claudius dieses Cognomen. Im Jahr 4 n.Chr. wurde jedoch sein alterer Bruder von Tiberius adoptiert. Von da ab vertauschte Claudius seinenBeinamen Drusus mit dem seines Bruders, Nero (Sueton, Claud. 2). Diese These wird vertreten von E. Croag, "Claudius" 2791-2792; vgl. A. Momigliano, Claudius 80f., Anm. 2; B. Levick, Claudius 199, Anm. I; W. Kierdo,f, Sueton 78. Nach C.J. Simpson, The early name ofthe Emperor Claudius, in: AAH 29 (1981) 363-368, hat Claudius dagegen das normale Cognomen aus Germanicus' ursprunglichem Namen ubemommen (Germanici ware dann echter Gen. poss.). Sein Name lautete fortan: Ti. Claudius Drusi Germanici. 22 Zur Claudius-Familie siehe besonders Sueton, Claud. l f.; Dio, LX 2f.; Seneca, apocol. 3,6; vgl. E. Meise, Untersuchungen zur Geschichte der Julisch-Claudischen Dynastie (Vestigia IO), Munchen 1969. 23 Sueton, Claud. 2;Dio, LX 2,1.4; Seneca, apocol. 1,1; 6. Vgl. E.F. Leon, The Imbecillitas ofthe Emperor Claudius, in: TAPA 79 (1948) 79-86; J.E. Mohr Thygesen, A probable diagnosis ofthe Roman Emperor Claudius, in: Nordisk medicinhistorisk Arsbok ( Stockolm) (1987) 53- 58. Nach R.F. Marin, Les paradoxes de l'empereur Claude, in: REL 67 (1989) 149-162, ware es eine neurologische Pathologie, die sog. "Little"-Krankheit. 24 Vgl. Dio, LX 2,4. A. Momigliano, Claudius 2, erwahnt folgenden Grund: "A serious reason why the Julian family should keep him at a distance and take advantage ofhis physical infirmities... was the very circumstance ofhis kinship with it, which was too close". 25 Sueton, Claud. 4,7. Daswird auch von CILIII 381 bestatigt: [Ti. C)/audio Drusi [Ge]rmanicifil. Neroni Germanico au[guri] sodali Augustal(i) sodali titio cos.; und CIL V 24 = ILS 198: {Ti. C)/audio [Dru]si German.f Neroni Germanico auguri sodali Aug. sodali Titio cos.

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,. gelehrtesten�enschen seiner Zeit wurde. Er verfaBte verschiedene Geschichts­ werke26; aus der Geschichte zog er fiir seine spatere Regierungszeit die Lehre, Reformator zu sein und doch zugleich die Traditionen zu wahren27. Nach der Ermordung des Gaius am 24. Januar 41 n.Chr. wurde somit ein gebildeter Mann zum Kaiser erhoben28. Der Senat versuchte, die Republik wieder einzufiihren, und niitzte dafiir die Schwierigkeiten der Pratoren, einen neuen Kaiser zu finden. Aus Furcht, Privilegien zu verlieren, emannten diese Claudius, der mit der juUschen Familie verbunden war, zum Kaiser. Den Senatoren, von den eigenen Truppen verlassen, blieb keine andere Wahl, als diese vollendeten Tatsachen zu akzeptieren, in das pratorische Lager iiberzuschwenken und Claudius ihre Huldi­ gungen darzubringen. Wahrend Claudius29 als Caligulas legitimer Nachfolger _ dessen Morder bestrafte, tat er zugleich offentlich kund, daB er viele Taten seines Vorgangers als Fehler ansah und ihn als einen Verriickten betrachtete. Nach den schwierigen Jahren unter Caligula bedeutete Claudius' Herrschaft die logische Fortsetzung des Prinzipats .des Augustus, jedoch nicht in der von Tiberius verfolgten Starrheit, sondem mit einer phantasievollen Dynamik und mit Untemeh­ mungsgeist, was sich z.B. daran zeigte, daB der neue Kaiser das Bild des Prinzeps als Kopf der Armee und der Verwaltung und als des,hochsten Beschiitzers des Kaiserreiches betonte. Von den ihm vom Senat angetragenen Herrschertiteln lehnte Claudius den eines pater patriae zunachst ab (Dio, LXX 3,2) und er fiihrte das Pranomen imperator3° normalerweise nicht. Den Ehrenbeinamen eines pater patriae nahm er jedoch 26

Vgl. b_esonders E. Huzar, "Claudius" 621-647. fu der Zeit vor seiner Thronbesteigung schrieb Claudms an einem Werk in lateinischer Sprache, das die Geschichte nach dem Tode Caesars behandeln sollte (Sueton, Claud. 41,1; vgl. auch Seneca, apocol. 5 ,4). Noch als Privatmann empfahl Claudius in einer eigenen Schrift drei neue Buchstaben, die er als Censor im Jahr 47 einfiihrte (Tacitus, ann. I l ,13f; Sueton, Claud. 41,3; Quintilian, inst. 1,7.26; Marius Vict., gramm. 1,4); vgl. R. Papke, Des Kaisers neue Buchstaben. Claudius in Tac. ann. 11,14 und Sen. apocol. 3,4, in: WJA 12 (1986) 183-196.Nach seiner Thronbesteigung schrieb er acht Bucher de vita sua (Suet�n, Cla� 41,3; vgl. D. Briquel, Claude, érudit et empereur, in: CRAI [1988] 217232). Auch mit etruskischer und karthagischer Geschichte beschaftigte sich der Kaiser. Er schrieb zwanzig �ucher "TuppT]VLKa." (vgl. D. Briquel, Que savons-nous des Tyrrhenika de l'empereur Claude?, m: RFIC 116 [1988] 448-470), sowie acht Bucher "KapXT]8ovL6.Ka" (Sueton, Claud. 42,2; Dio, LX 16,7). 27 Vgl. A. Momigliano, Claudius 18f; B. Levick, Claudius 79-105 . 28 Den besten und ausfiihrlichsten Bericht uber den Tod des Caligula und die Proklamation des Claudius zum Kaiser finden wir bei Josephus (AJ XIX I62ff. und BJ II 204ff. ), doch ubertreibt er zweifellos die Rolle, die Agrippa bei der Thronbesteigung des Claudius spielte. Sueton, Claud. IO, undDio, LX 3,5-7, geben ungefahr denselben Bericht. Vgl. H. Jung, Die Thronerhebung des Claudius, in: Chiron 2 (1972) 367-386;A. Mqjor, Was he pushed or did he leap? Claudius' ascent to power, in: AH 22 (1992) 25 -31. 29 Von der Bestrafung berichtetJosephus, AJ XIX 268f; Sueton, Claud. 11; Dio, LX 3,4. C1 30 oueton, Claud. 12, I. Aufeinigen Munzen und Provinzialstiteln finden wir dieses Pranomen, vgl. CILill7061 =ILS 217. Zu den Imperatorenakklamationen des Claudius vgl. K. Vivell, Untersu­ chungen 5 -4 9.

Einfilhnmg

DasLeben

zwischen dem 6. und 12. Januar 42 an; er verschmahte es, den Siegerbeinamen Britannicus zu fùhren. Claudius scheint sofort fiir das nachste Jahr zum Konsul designiert worden zu sein31. DemgemaB lautete sein vollstandiger Name und Titel unmittelbar nach dem Regierungsantritt: Ti. Claudius Drusi f(ilius) Caesar Augu­ stus Germanicus pontifex maximus tribunicia potestates imperator consul de­ sign,atus II. Das Konsulat bekleidete Claudius als Kaiser viermal32. Die Funktion des Zensors iibemahm er im Jahr 47 fiir 18 Manate, fiihrte sie aber auch danach noch titular33 . Claudius war der erste Kaiser, der eine eigene Verwaltung organisierte34. Obwohl er keine gesetzlichen oder formalen Innovationen einfiihrte, wurde der Kaiserhof erstmals in der Praxis das exekutive Zentrum der Verwaltung. Der Kaiser vertraute seine personlichen Angelegenheiten weder den Senatoren35 noch den Rittem an - weder als Gesellschaftsklasse, noch als Einzelnen -, sondem den Mitgliedem seines eigenen Hauses, des domus principis, und zwar naherhin den Freigelassenen, die Staatsbeamte geworden waren. Diese MaBnahme erzielte den Effekt, daB der Kaiser seine Unabhangigkeit von beiden Gruppierungen, dem Senat und der Ritterschaft, absichem und seine Macht in den Provinzen ausweiten konnte. Er baute eine starke zentrale Organisation und Verwaltung auf. Diese wirkungsvolle Art und Weise, mit der Claudius die Rolle des Prinzeps gestaltete, zeigt zugleich seinen Herrschaftsanspruch, wobei er jedoch rechtlich und formai die Tradition beachtete. Nati.irlich konnte dieses Programm nur i� Gegen­ satz zum Senat, dem offiziellen Gegengewicht des Kaisers in der Prinzipatsverfas­ sung, realisiert werden. Anfangs war das Verhaltnis zum Senat von der klaren Bereitschaft zur Zusammenarbeit gepragt� von Achtung und Wohlwollen36. Diese gutenBeziehungen zerbrachen, als die neuen Tendenzen in der Verwaltung offen­ sichtlich wurden. Denn der Kaiser drangte den Senat durch die allmahliche Zen-

�alisie�� �cht in seinen Handen aus dessen bisheriger Position, wobei ihm eme gut orgams1erte Beamtenschaft beistand. Der Senat verlor nicht nur seine Regierungsmacht, sondem litt auch unter den Einmischungen des Kaisers bei der Zusammensetzung der Kammer37, u.a. durch die Verurteilung von 30 oder 35 Mitgliedem zum Tod38• Im Jahr 53 n.Chr. wurde in den senatorischen Provinzen die Zivilgerichtsbarkeit . . m Steuerangelegenheiten von den Prokonsuln auf die kaiserlichen Prokur atoren iibertragen. Der Kampf gegen den Senat beschrankte sich jedoch nicht auf dessen p�l�t� s�he Aufg�b� u�d Verwaltungsfunktionen: es gab auch den Versuc h, seine mtl1tanschen Pnvileg1en und Vorrechte zu zerschlagen, durch die er im Volk Unt�rstUtzung gewinnen oder behalten konnte. Das fehlende Einverstandnis zwischen Senat und Biirokratie und die klare Entscheidung des Prinzeps, einen z�nt�:le� Staat�apparat aufzubauen, zeigt die patemalistische Haltung des Clau­ dms , d1e zu emer nahezu vollkommenen Kontrolle iiber den Senat fiihrte. Zu­ sammenfassend konnen wir mit Momigliano sagen:

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Vgl. CIL XII 5493 : (I')i Claudius Drusi f Caesar Aug. Germa(n) Pont Max Tri(b) Pot Cos desig(ii) Imp II refec(it); CIL XII 5586: Ti Claudius Dmsif Caesar Aug. Germanicus PontifMax Trib Pot Cos desig II Imp II refecit. Sueton, Claud. 14 . In den Jabren 42 (cos. II, Dio, LX 1 0,1), 43 (cos. III, Dio, LX 17,1), 4 7 (cos. IV, Dio, LXI 29) und 51 (cos. V, vgl. Dio, LX 21 ,2; Tacitus, ann. 1 2,41,1). Sueton, Claud. 16,1; Tacitus, ann. 11,1 3.25; 1 3,5; vgl. auchPlinius, nat. 7,159; 1 0,5; 33,33. Vgl. FX Ryan, Some Obseivations on the Censorsbip of Claudius and Vitellius, A.D. 4 7-48, in: AJPh 114 (1993 ) 611 -61 8. Vgl. VM Scramuzza, Emperor 80-98; F. Millar, Emperor 83-11 0. Nach P.C.R. Weaver, Misplaced official, in: Antichthon 1 3 (1 979 ) 70-1 02, gehort dieser Proze13 der Burokratisierung erst in die Regierungszeit Vespasians. In Wabrheit hatte der Senat seine Autonomie verloren und folglich seine Aufgabe als oberstes Organ der Regierung. Die Spannung zwischen Claudius und dem Senat untersucht D. McAlindon, Senatoria! opposition to Claudius and Nero, in: AJP 77 (195 6) 113-132; ders., Senatoria! advancement in the age of Claudius, in: Latomus 1 6 (1957) 25 2-262; ders., Claudius and the senator, in: AJP 78 (1957) 279-286. Als Beleg bierfiir ist das Gesetz iiber die ordnungsgema.13e Verleihung der Konsulswtirde, destinatione magistratuum, od�� die Wiedereinsetzung der Zensur zu nennen.

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"Claudius brought about a ch ange b th of the tone and of the personnel of the Senate, ruthlessly ? _ _ crus�g �en �ho were hostlle to bim and replacing them by bis supporters. He centralized the �ation 1Il the hands of a group offreedmen belonging to his own household. He destroyed �e mdependence ofthe Aerarium... He tried to diminish the impt>rtance ofthe senatoria! element m the army. None of the Emperors... had dar to make such an assault on the authority ofthe � Senate.Yet the assault was made by a man who seems honestly to have desired the senators to co­ operate with bim against themselves"40.

Um die Verwaltung zu zentralisieren, schuf Claudius einen Stand, der zu einem neuen Adelsstand fiir Beamte fiihren solite. Claudius erreichte vom Senat die Konzession der Gerichtsbarkeit fiir die kaiserlichen Prokuratoren, die er als eine vom Senat unabhangige Autoritat in den Provinzen einsetzte. Femer versuch te er d�n cu�sus honorum der Ritterschaft zu reorganisieren. Aber in dieser, von Clau� dms illlt besonderer Sorge geforderten und mit Aufgaben und Privilegien in der St�tsverw�tu�g ausgezeichneten Ritterschaft erlitten etliche Mitglieder dasselbe Sc�cksal wie die Senatoren; die Quellen berichten von 221 oder 300 aufBefe hl des Kaisers Getoteten41. 37

Vgl. Dio, LXI 29,1. 38 Seneca, _apocol. 14 ,1, zahlt als �pfer des Claudius 3 0 Senatoren und 221 Ritter auf (andere Manuskripte,_�·B Cod S, lesen cczsos senatores XXXV, equites R. CCXXI); Sue ton, Claud. 29,2. � : : 39 Belege hierfiir smd d1� Verpflic�tung zur �wesenheit bei den Sitzunge n (Dio, LX 11,8), das Verbot der Abwesenhe�t von Italien_ ohne d1e Sondergenehmigung des Kaisers (Claudius zog im Jahre 4 5 das Rech:' d1ese Erla�bms zu eb an sich, so Dio, LX 25 ,6; LXI 29,7\ vgl. auch � � S�eto7:, Claud. 1�,2, 23,2) und die nachdiii ckliche Forderung des Prinzeps, den Sitzungen eine� w1chtigen und wrrksamen Inhalt zu geben. 40 A. Momigliano, Claudius 5 lf 41 Dio, LX 11,8; Tacitus, ann. 12,22.

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Einfiihrung

Bine besondere Bedeutung besaB die Konzentration der Finanzen in den Handen 42 des Kaisers durch · das Amt a rationibus • Der Kaiser fùhrte neben dem alten aerarium Saturni das kaiserliche Schatzamt ein, denfiscus Caesaris. Dessen von eigenen Prokuratoren erhobene Steuern, die ratio patrimonii, sollten von jetzt an von einem zentralen Prokurator, a patrimonio, kontrolliert werden, der direkt dem Biiro a rationibus unterstand. Dem kaiserlichen Fiskus wurden immer mehr offentliche Aufgaben zugewiesen. Fiir die Rechtsprechung43 zeigte Claudius groBes Interesse, und er mischte sich in sie ein - auch auf Kosten der Gerichtshofe -, indem er das eine oder andere Verfahren an sich zog. Um die Reformen der Legislative durchzufùhren, nutzte er die traditionellen Regelungen - Versammlungsgesetze und Volksabstimmungen, noch ofter die Senatus consulta und vor allem Edikte, die direkt von seiner Autori­ tat ausgingen. Seine MaBnahmen betrafen vor allem die Geschichte des romischen Rechts, im besonderen des Privatrechts. Im Rechtssystem wurde die direkte ùbemahme der Rechtsprechung intra cubiculum principis kritisiert, die er neben den ordentlichen Verfahren vor den Richtem durchfùhrte. Der Kaiser wirkte auch im sozialen Bereich und gab offentliche Bauten in Auftrag44. Er bemiihte sich, Rom mit Getreide zu versorgen, wozu er verschiedene MaBnahmen durchfùhren lieB, wie z.B. das Zugestandnis von Privilegien an auslandische Lieferanten, Neueinstellungen in der Getreideversorgung der Stadt (Sueton, Claud. 18,lf) oder Kontrolle der Lebensmittelpreise. AuBerdem lieB er den Hafen von Ostia ausbauen, der Tiber wurde reguliert, eine groBe Wasserlei­ tung45, die Aqua Claudia, gebaut und das Verkehrsnetz verbessert. Die Macht des Kaisers stiitzte sich auf das Heer. Durch die Eroberung von Mauretanien46 und Siidengland erarbeitete sich' Claudius wahrend der ersten Jahre

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M. Corbier, Claude et les finances publiques. La création du fisc impérial, in: D.M Pippide (Hrsg.), Actes VII• Congrès intemational d'epigraphie grecque et latine, Constanza 9-15 Septem­ bre 1977,Paris 1979, 346f. Vgl. das Claudius-Edikt de curso publico CIL ID 7251 (= ILS 214) und die Untersuchungen dartiber: T. Mommsen, StaatsrechtBd. II.2,881-915; ders., RG Bd. 5,158f.; G. May, L'activité judirique de l'empereur Claude, in: RLAF 15 (1936) 55-97.254f.; G. Poma, Provvedimenti legistativi e attività censoria di Claudio verso gli schiavi e i liberti, in: RSA 12 (1982) 143-174. Sueton, Claud. 20,1-3. Angaben uber soziale MaBnahmen gibt es viele: Tacitus, ann. 12,13.56; Plinius, nat. 9,14; 36,124f.; Dio, LX 11,2,5. E. Venturi, La politica edilizia e urbanistica di Claudio a Roma e in Italia, in: RSA 15 (1985) 257-283; M.K. Thornton - R.L. Thornton, The draining of the Fucine Lake. A quantitative analysis, in: AncW 12 (1985) 105-120. Das Verkehrsnetz wird als unbedingt notiges Element fiir die gewunschte Einheit und das politische Z usammenwachsen des Reiches und als notwendiges Hilfsmittel zur Wirtscha:fts­ entwicklung angesehen. Vgl. G. Walser, Die StraBenbau-Tatigkeit von Kaiser Claudius, in: Hist. 29 (1980) 438-462. Plinius, nat. 5,11, gibt an, daB Claudius den Feldzug in Mauretanien begann. NachDio, LX 8,6 waren jedoch einige Erfolge schon vor Claudius erzielt worden. Dios Behauptung ist vorzuziehen und wird von CIL vm 8630 bestatigt. Die Angabe des Plinius ist zu allgemein.

Das Leben

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seiner Regierungszeit47 den Ruf eines siegreichen Generals. In der AuBenpolitik folgte er dem Vorbild des Augustus. Durch ein energisches Annexionsprogramm gliederte er die neu eroberten Gebiete und Provinzen dem Reich ein, ebenso wurde die Rorqanisierung in den bereits fiiiher eroberten Staaten vorangetrieben48 _ Auch durch die Vergabe des personlichen Biirgerrechts, durch die Bewilligung des Gemerndestatus' fiir Stadte in den Provinzen, die schon eine romische Tradition . hatten49, sowie durch ein Ansiedlungsprogramm wurde die Romanisie�ng ge­ fòrdert. Hìstoriker iibten jedoch auch Kritik an der Personlichkeit und Herrschafts­ fiihrung des Kaisers: Vor allem warf man ihm - wie bereits oben erwahnt - vor · er sei von seinen Frauen und Freigelassenen abhangig50, doch wurde hier iibertrieben. Der Kaiser war, zumindest bis in seine letzten Regierungsjahre hinein, Herr seiner Urteile und Entscheidungen. Doch der Ehrgeiz und die Vorrechte der Frauen des Kaiserhofes, die tatsachliche Macht der Freigelassenen und die Uneigenniitzigkeit des Kaisers in bestimmten Bereichen der offentlichen Angelegenheiten fùhrten zum groBten Ùhel des Prinzipats des Claudius: zur Korruption51 innerhalb der Ver­ waltung, die auch vor Mord nicht zuriickschreckte. Auf diese Weise starb Kaiser Claudius am 13. Oktober 54 n.Chr. unter unklaren Umstanden; wahrscheinlich wurde er ermordet52.

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Vgl.�io, L?C 19 -2I;Sueton, Claud. 17,1; Tacitus, Agr. 13,3; CIL VI 920 = ILS C/aud[io _ drud�f Cai]sanAugu[sto Germani]co Pontific(i ... q)uod Reges Brit[anniai] XI [devistos sineJ u�la zactu�(a) und CILill Supl.l 7061 = ILS 217: divoAug. Caesari, Ti.Au[g. diviAugf] imp., _ Tz. C/audzo D szf (CaesariAug. Ger]manico pont. max. [tr. pot. Xl] p.p. vind. lib., devi[ctori ru_ regum Xl] Bntann�ae: ar[cum posuerunt] c. R. qui Cyzici. T. Mommsen, RG Bd. 5, 159f.; P. Salway, Rom� Bn!am, London 1981, 69:ff.; G. Zecchini, I confini occidentali dell'impero :oma�o. La �nt_�a da Cesare a Claudio, in: CISA 13 (1987) 250-271; J.G.F. Hind, The mvas1on ofBntam m AD. 43, in: Britannia 20 (1989) 1-21. EinBeispiel istPalastina�ach� Tode des H�rodes_ Agrippa im Jahr 44 n.Chr. (Dio, LX 8,1-3). Vgl. A.A. Barr�!t, Claudms, Gams and the chent Kings, in: CQ 40 (1990) 284-286. Dio, LX 17,5. Uber die Bewilligung des Burgerrechts an die Anuaner und die anderen Stamme des Alpengebietes vgl. T. Mo"!msen, Edikt des Kaisers Claudius uber das romische Burgerrecht der �uaner vom J. 46 n. Chr., m: Hermes 4 (187O) 99--131 ; U Schil/inger-Hafele, Das Edikt des Claudms CIL V 5050 (Edictum e civitate Anaunorum), in: Hermes 95 (1967) 353-365. Vgl. Su�ton, Claud. 28-_30; Tacitus, ann. 12,1; Dio, LX 2,4f.; 28,2; LXI 3 l ,8;M Fuchs, Frauen � Caligula _ und Cla�d1�s- Molonia Caesoni, Drusilla undMessalina, in: AA (1990) 107-122. Emes von v1ele� Be1sp1�len finden_wir bei Dio, _ LX 17,8; vgl. B. Baldwin, Power corrupts and _ �bs�lute p�we: 1s even _ mcer: new hves of Caligula and Claudius, in: AHB 4 (1990) 133-149 Ublicheiwe1se 1st von emer Pilzvergiftung die Rede, vgl. Tacitus, ann. 12,57-69; Sueton, Claud. �4; Nero 33; �io, LX, 34,2f; luvenal, 5,147f.; 6,620-623; Plinius, nat. 2,92; 22,92. Nur Josephus 1st andererMe�ung, vgl. AJ XX 118. Di: iiterin ware Agrippina. Andere, wie O. Schonberger, Ap?coloc�tos1s 14f.,_ de�en � eme satmsche Komposition: "Pilze seien die Speise der Gotter, w�il Cla�dius durch emPilzgencht zum Gott geworden sei, und Senecas Bruder witzelte, Claudius sei _an eme� (Henker)haken in de°: Rimmel hinaufgeschl.eift worden" (Dio, LXI 35,4). Vgl. E. Keztel, Tac1tu� on the deaths of T1berius and Claudius, in: Hermes 109 (1981) 206-214· H. Horstkotte, D1e "Mordopfer" in Senecas Apocolocyntosis, in: ZPE 77 (1989) 113-143.

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Die private Religiositat

2. DIE ROMISCHE RELIGION UND CLAUDIUS be der Haus und Stadt bzw. Staat bildeten die wicbtigsten sozialen religiosen Bereic antiken Welt. Das Haus galt als Modell :fur die Ausgestaltung von groBeren politi­ ­ scben Einheiten (Polis), und der Hauskult spielte eine wicbtige Rolle im Alltags leben des antiken Rom und diente aucb der offentlicben Religion als Vorbild. Der ca mos maiorum wurde so im privaten Bereicb aufbewahrt. ùber die religio domesti die des Claudius, des pater familias, besitzen wir wenige Bericbte, weil sie :fur damaligen Historiker des offentlicben Bereicbes nur zum Privatleben gehorte. GroBere Aufinerksamkeit erregte unter den Historikem die offentlicbe romiscbe e Religion. Auf die in den letzten Jahren der Republik in Vergessenheit geraten eine er te versucb Damit romiscbe Religion folgte die augusteiscbe Restauration. Ruckkehr zu den Sitten der Vergangenheit und ihre Wiederberstellung. So erfuhr die religio publica eine Wiederbelebung, die das nationale SelbstbewuBtsein des Volkes starken und damit einen Damm gegen Hellenisierung und Orientalisierung n setzen solite. Zugleicb sollte die Ruckkehr zur alten Religion belfen, den sittlicbe Vetfall zu bremsen. Augustus gelang es, alle Priesteramter an sicb zu zieben, was ihm die ùberwacbung und Durch:fuhrung der offentlicben Religionsausubung ermoglicbte. Diese Tatsacbe balf ihm zur Konsolidierung seiner Macbt. Claudius fi.ihrte eine ahnlicbe Religionspolitik fort. Wieweit er selbst aber diese Auffassungen teilte, wieweit er sie lediglicb als Mittel seiner Politik ansah, wird sicb nicbt léicbt entscbeiden lassen. Als Kaiser, Pontifex maximus und Mitglied anderer Kollegien besaB er alle offentlicbe Macbt. Desbalb halte icb es :fur angebracbt, das Augenmerk auf die Priesterkollegien zu ricbten. Dann wenden wir uns einigen religiosen MaBnahmen des Claudius zu. Er zeigte sicb als Restaurator alter Traditionen. Docb es war ein aussicbtloses Bemuben, den religiosen Inhalt der alten Formen wieder­ zubeleben. Diese blieben nicbt lange erbalten. Die lebendigste Kraft, die von den Reformen des Augustus ausging, lebte gerade in jener MaBnahme weiter, die er nur zogemd zugelassen batte, in der Schopfung des Herrscberkults. Aucb dieser spielte in der Regierungszeit des Claudius eine wicbtige Rolle :fur die AuBenpolitik. 2.1. Die private Religiositat des Kaisers Claudius Der Bereicb des Privatkults wird von den romiscben Historikem prinzipiell nicbt ausfi.ihrlicb bebandelt. Wenn dieser Kult sicb auf offentlicbe Personlichkeiten bezog, wie im Fall des Kaisers, ist es zudem scbwierig, die Privat- von der Òffentlichkeits­ spbare zu trennen. Deswegen finden sicb in den Quellen fast keine Angaben ii.ber die private Religiositat des Claudius. Lediglicb seine Teilnahme an einigen familia-

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ren Feiem wird erwahnt. Wegen der konservativen und restaurativen Haltung gegenuber den alten, politiscben wie religiosen Traditionen kann jedocb angenom­ men werden, daB Claudius im privaten Bereicb eine ahnlicb konservative Haltung einnahm. Wie �e r�miscben Familien batte die Familie des Claudius ihren eigenen Kult, . ihre sacra, trut dem paterfamilias als Priester, als Bewahrer der familiaren T-radi­ tion. Der ,private Kult beschrankte sicb vor allem auf die religiosen Verpflicbtungen der do"!us. Jedes Haus besaB seinenfocus patrius, den beiligsten Ort des Hauses, a� dem o� Opfer dargebracbt wurden. Die Familie erweiterte sicb zur gens; was d�e verschiedenen Familien· zusammenhielt, waren die sacra gentilicia, die von emem aus den Gentiles gewahlten Priester, derflamen genannt wurde, verwaltet wurden. Jede domus ·und jede gens uberlieferten unveranderlicb die von den Vorfabren empfangenen sacra, worin sicb der Respekt vor den mores maiorum auBerte. Die groBen gentes der Patrizier batten ihre eigenen familiaren Kulte. Die gens Claudia batte ein spezielles Opfer, den propudialis porcus, der ihnen als " piamentum und zur Befreiung von allen eingegangenen beiligen Verpflicbtungen diente1. In seinem besonderen bauslicben Bereicb war der genius das :fuhrende numen der Familie und jedes ihrer Mitglieder. Er war Schutzgeist beider Geschlecbter der ihre Taten uberwacbte und ihnen von der Geburt an bis zum Tod beistand.' Der Hausgenius wurde am Geburtstag2 und am Hochzeitstag des pater familias verehrt. Wenn dieser starb3, scbwebte sein genius ii.ber dem Grab, unti dieser konnte zu den guten (manes) oder den bosen Geistem (lemures oder larvae) geboren. Die larvae, Totengeister, waren die Seelen derer, die in dieser Welt ein unglucklicbes Leben gefi.ihrt batten und, wenn sie diese Welt verlieBen, keinen Frieden im Grab fanden und deswegen nacb Racbe verlangten. Manchmal wurden die larvae als Hollenhen­ ker bezeichnet. So stellte sich z.B. Seneca4 vor, wegen Claudius' Unverschamtbeit zu seinen Lebzeiten die eigene Apotbeose gefeiert zu haben, wurden die larvae i� der Unterwelt Claudius zerfressen lm staatlicben Leben spielte der genius eine wicbtige Rolle. Schon in relativ fruber �eit �nden �ir eine geheime Scbutzgottheit Roms, den genius populi Romanz, der m der Uberlieferung auch genius publicus oder genius urbis.Romae

Festus, Qu. XII 7f (S. 2?4 �ei W.M Lindsay, Sextus Pompeius Festi, De verborum significatu quae supersunt cum pauh epitome, Leipzig 1913 ). 2 Al Claudius Kais r wurde, feierte er den Geburtstag seines Vaters und seines GroJ3vaters nicht � � pnvat, sonder:n ffilt o:ffentlichen jahrlichen Spielen; vgl. Sueton, Claud. 11,2f.: "Seinen Eltem spendete er em o:ffentliches Totenfest und auJ3erdem fiir seinen Vater jahrlich Zirkusspiele an dessen Geburtstag... ". 3 Das Begr�?ni� �d der T�auertag wur?en alsferiae betrachtet und gehorten zu den sacra privata. Das Begrabrus emes Ka1sers besaJ3 3edoch offentliche Bedeutung. 4 Seneca, apocol. 9, 3 ; vgl. Plinius, nat. Praef 3 1: Cum mortuis non nisi la,vas luctari.

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genannt wird5. Wahrend des Imperiums werden vor allem die eigenen genii der Kaiser erwahnt, die seit Augustus mit dem Kult der /ares publici in Zusammenhang gebracht wurden6• Der Senat beschloB, daB Libationen vor jedem Essen fur den genius des Kaisers dargebracht werden sollten7. Davon leitete sich der Eid auf die Gottheit (numen) oder auf den genius des Kaisers ab8• Spater wurde der Eid eine Verpflichtung, und wer ihn ablehnte, wurde hart bestraft9. Zuletzt seien drei der wichtigsten privaten religiosen Feiem und Brauche erwahnt, an denen Claudius den Quellen zufolge teilnahm: a) die Hochzeit10: Sie stellte stets ein herausragendes familiares Ereignis dar. Der Tag der Hochzeit begann mit der Feststellung der Auspizien (Servius, Aen. 1,246; 4,45; Sueton, Claud. 26; Tacitus, ann. 11,27); danach wurde ein Opfer dargebracht (Valerius Flac., 8,243; Servius, Aen. 3,136), und die Schutzgeister der Hochzeit (Juno, nach Servius, Aen. 4,58, vielleicht auch Ceres) wurden angerufen. Der private Charakter dieser Zeremonie wird von Sueton fùr die Feier der Tochter des Claudius bestatigt: "Er beging selbst die Hochzeitsfeier seiner Tochter (Antonia) und den Geburstag eines Enkels... in aller Stille und nur mit einer hauslichen Feier" 11. b) die lustratio 12 oder rituelle Reinigung der Neugeborenen: Sie symbolisierte die Reinigung des Kleinkindes vom nati.irlichen ProzeB der Gebùrt (Sueton, Nero 6,1) durch die Darbietung des Opfers und bedeutete zugleich die Anerkennung des Kindes seitens des Vaters13. Durch die Namensgebung (die Gabe des praenomen) wurde der Eintritt des Kindes in das familiare und soziale Leben gefeiert (solemni­ tas nominalium). e) die Feier der toga pura oder viri/is: Als Zeichen des Erwachsenseins14 bedeutete sie die Aufnahme des Knaben in die Gesellschaft der Erwachsenen, so daB er am politischen und biirgerlichen Leben der Stadt teilnehmen konnte. Den 5

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Die Priesterkollegien

Die romische Religion

J. Béranger, Der "Genius populi Romani" in der Kaiserpolitik, in: BoJ 165 (1965) 72-87, beschrankt sich auf das Gebiet der Politik, daja der genius auf religiosem Gebiet in unzahligen Gestalten au:ftritt. Horaz, carm. 4 ,5,34; CIL VI 307: Cultor Larum et ing. Aug.; VI 449.4 51. Ovid, fast. 2,6 37. Horaz, epist. 2,1,1 5. Sueton, Cal. 27,3; Claud. 11,2; Tacitus, ann. 1,73;Plinius, paneg. 52,6 . Vgl. D.P. Harmon, TheFamily Festivals ofRome, in: ANRW II 16 .2 (1978) 1598-1601. Sueton, Claud. 12,1. Es handelt sich um die Hochzeit seiner jungsten Tochter Octavia, der spaterenGattin des Nero, mitLucius Iunius Torquatus Silanus, und um dieGeburt des Sohnes von Antonia und Faustus Sulla. Vgl. A. Garzetti, "Lustratio" 2248-2253. Eine sehr interessante Erorterung des dies lustricus bietet. L.-P. Brind'amour, Les dies lustricus, les oiseaux de l'aurore, et l'amphidromie, in: Latomus 34 (1975) 17-58. Vgl. Macrobius, Sat. 1,16.36 ; Sueton, Nero 6 ,2; Arnobius, nat. 3,4 . Der dies natalis, und besonders der des pater familias, war eines der wichtigsten Ereignisse derFamilie. Claudius hat privat den Geburtstag seines Enkels gefeiert, vgl. Sueton, Claud. 12,1. Seneca, epist. 4,2; Cicero, Phil. II 18,44.

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Quellen zufolge umfaBte diese Zeremonie verschiedene Teile. Zuerst muBte der Junge die toga praetexta und die bulla ausziehen, dann zog er die toga virilis an. Danach fiihrte ihn sein Vater mit den Verwandten und Freunden auf das forum und von dort in das Staatsarchiv, wo er als Biirger eingeschrieben wurde. Die Feier endete mit einem Opfer an iuventus im Tempel des Juppiter Optimus Maxjmus (Dionysios Hai., 4,15,5). Dem Bericht Suetons zufolge scheint es, daB die entsprechenden Zeremonien fiir Claudius nicht stattge:funden haben: "Am Tage, an dem er die Mannertoga anlegte, lieB er sich um Mittemacht ohne jede Feierlichkeit und Begleitung auf das Kapitor tragen" (Sueton, Claud. 2). Wahrend der Regierungszeit des Claudius erhielten auch Britannicus16 und Nero17 die toga. 2.2. Claudius und die staatliche Religion: Die Priesterkollegien Der Privatkult wurde von den Einzelnen immer noch ausgeiibt, schlieBlich griff jedoch der Staat ein und iibemahm die Verantwortung im Namen der ganzen Gemeinde. Die Folge war, daB kultische Feste, die den einfachen Riten der Familie glichen, sich allmahlich zu standigen Einrichtungen entwickelten. Diese Einmi­ schung des Staates solite den Einzelnen in eine Art organisierte Geborgenheit · -einbinden. Diese vom Staat angestoBene Entwicklung fuhrte dazu, daB Personen benotigt wurden, die die Zeremonien durchfuhrten und sich um das ius divinum kiimmerten das Gesetz, das die Beziehungen zwischen Gottem und Menschèn regelte. In de; Monarchie war der Konig zugleich der Staatspriester, der pater familias der Gemeinde, doch mit Einfuhrung der Republik gingen seine zeremoniellen Pflichten groBtenteils auf einen Pontifex maximus iiber, zu einem geringeren Teil auf einen rex sacrorum. Seine priesterlichen Helfer bildeten zwei gehobene Gruppen von Priesterkollegien, die Pontifizes und die Auguren. Diese stellten jedoch keine Berufsgruppe fiir sich dar, sondem es handelte sich dabei um Manner die als Beamte zugleich eine wichtige Rolle in der Staatsverwaltung innehatt�n. Bine strikte Trennung von politischem Leben und religioser Ebene existierte in Rom nicht, so daB religiose Wiirden und politische Funktionen weder offiziell v�rkniipft noch voneinander getrennt waren18. Die Priesterschaft war keine geschlossene 15 16 17 18

Cicero, Mui-. 33,69 ; Plutarch, Brut. 14;Appian, BC 4,30; Sueton, Aug. 26 ,2; Nero 7,2. Sueton, Claud. 43. Nach Tacitus, ann. 12,41 , wurde Nero 51 n.Chr. voizeitig die Mannertoga und der Titel "Fuhrer der Jugend" verliehen. Wie Cicero, Dom. I, erwahnt, gingen Religion und Politik Hand in Hand: "Die Verehrung der Gotter und di� l�benswic�tigen Interessen des Staates waren der Fuhrung derselben Leute anvertraut, damit die vorzilghchsten und beruhmtesten Bunrer die Relioinn �,,r,_1-, m,i-� e,,-__..___ _

Die Priesterkollegien

Gesellschaft, in der ein besonderer Korpsgeist geherrscht batte. 1m Gegenteil, ihre neuen Aufgaben versetzten sie, statt sie von der Regierung und der gesellschaftli­ chen Entwicklung zu isolieren, in die gilnstige Lage, auf das offentlich-staatliche Leben EinfluB nehmen zu konnen. ;Bine Untersuchung der priesterlichen Organisation wahrend des Prinzipats bis zur Zeit des Claudius erlaubt ùns, die Verbindungen zwischen religiosen und ' politischen Strukturen naher zu betrachten. 1m folgenden sollen die vom Staat errichteten offentlichen Priesterkollegien Roms untersucht werden, deren Aufgabe die Ausiibung des Kultes im Namen des ganzen Volkes war. Unter diesen amtlichen Kollegien sind die bei weitem bedeutendsten die vier sog. groBen Priesterkollegien, sacerdotum quattuor amplissima (oder summa) collegi.a (vgl. Sueton, Aug. 100). Diese bildeten die Ponti:fizes, die VI/viri epulones19, die XVviri sacris faciundis und die Auguren. Neben diesen offiziellen groBen Kollegien gab es die Gilden, die sogenannten sodalitatesD: diejlamines und der rex, diefratres Arvales, die luperci, die Salii, die fetiales und die sodales Titii. Diese wirkten bei einigen jahrlichen Zeremonien und bei anderen Gelegenheiten mit. Dartiber hinaus kennen wir offent­ liche Priester die die Kulte der unter romischer Herrschaft stehenden lateinischen Stadte (z.B.' die Lanuvini) und die Kulte der eingefiihrten Gottheiten (z.B. die archigalli desMagnaMater-Kultes) besorgten. Und schlieBlich finden wir noch die fiir den kaiserlichen Kult eingerichteten soda/es. Die Organisation des romischen Kultes ist sehr komplex. An dieser Stelle soll nur die fiir die staatliche romische Religion charakteristische Linienfiihrung der Kollegien beriicksichtigt werden, besonders die, die fiir unseren Zeitraum von Bedeutung ist. Was Claudius betrifft, bestatigen einige Quellen, daB er von den Kaisern vor ihm wegen seiner korperlichen und psychischen Probleme unterschatzt wurde. Sie entfernten ihn aus dem offentlichen politischen und religiosen Leben. Aus der Zeit vor seinem Regierungsantritt besitzen wir nur wenige Berichte iiber seine Tatigkeit im offentlichen religiosen Bereich. Unter Augustus hatte er keinen hohen religiosen Posten erhalten, da ihn der Kaiser dafiir nicht fiir wlirdig und fahig hielt. Im von Sueton erwahnten Brief des Augustus an Livia verbot der Kaiser ausdriicklich die Anwesenheit des Claudius wahrend der lateinischen Feste. Er erlaubte ihm nur, wahrend des Marsspiels das Bankett (Festessen) zu organisieren, allerdings unter der Bedingung, sich vom Sohn des Silvanus beraten zu lassen (Sueton, Claud. 4,3). In einem spateren Brief an Livia gestattet Augustus ihm, die auguralis sacerdotis zu bekleiden, nachdem er Claudius' Klarheit und Redegewaltung und durch weise Auslegung den Staat schutzen". 19 Bis zur Zeit des Augustus gab es nur drei groBeKollegien, da das collegium Sept mviri pulo es � � � eine untergeordnete Rolle spielte, vgl. G. Wissowa, Religion 479:ff. Zur Geschichte d1eser v1er groBenKollegien ab 69 n.Chr. bis zum Jahr 235 vgl. L. Schumacher, "Priesterkollegien" 655- 8 9. _ 20 Alle diese Priester konnten mit dem Namen Kollegium bezeichnet werden, aber fur elillge Historiker ist der Begri:ff soda/es praziser, vgl. J.P. Waltzing, "Collegium" 341.

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wandtheit bemerkte (Sueton, Claud 4,7). Unter Tiberius iibte Claudius kein wichti­ ges Priesteramt aus, er wurde durch einen ErlaB des Senats als Mitglied extra ordinem, d.h. ohne Einhaltung der sonst tiblichen Formalitaten (Sueton, Claud. 6,2), in das collegi,um soda/es Augustalis aufgenommen. Erst als Kaiser wurde er automatisch Mitglied der Kollegien. Im folgenden werden wir die besondere Aufinerksamkeit auf die Tatigkeit des Claudius als Vorsitzender der Koilegien . richten, welche ihm die Kontrolle der offentlichen romischen Religion erlaubte. 2. 2.1. Das Pontifikalkollegiuln: Seine Funktion bestand darin, die Opfer zu tiberwachen (Tacitus, ann. 3,64); es war verantwortlich fiir den Kalender21, fiir Adoptionswlinsche, Begrabnis- und Stihneri­ ten, die Weihe des postem tenere und die dedicatio eines Tempels. Es war Gut­ achter in allen Angelegenheiten des Sakralwesens und ktimmerte sich um den Kult aller Gotter. Als Verantwortliche der religiosen Ordnung waren die Mitglieder dieses Kollegiums die Rechtskundigen dieses Bereiches (Cicero, har. 14)22. Das Kollegium bestand seit Caesar aus 37 oder 38 Mitgliedern, aus 16 Pontifizes maiores und einigen anderen Pontifizes minores. An der Spitze des Kollegiums stand der Pontifex maximus, der sein Amt lebenslang behielt23; dieses religiose Amt war nicht unvereinbar mit zivilen Àmtern24. Das Amt des Pontifex maximus und des princeps Senatus ubte nicht dieselbe Person aus. Erst n�ch dem Tod des Lepidus lieB Augustus sich am 6. Marz 12 v.Chr. zum Pontifex maximus wahlen (Sueton, 21 Nach der Legende hat Numa den Ponti:fizes die Festlegung und Anordnung der Fasti- und Nefasti­ Tage (Livius, 1,19,6f) ubertragen. Nach Cicero, leg. 2,20, sollten auch die Priester sich um das Kalendarium kfimmern. 22 Zu ihren Aufgaben vgl. Cicero, leg. 2,29.47. Naheres zu diesemKollegium und seinem Zweck :findet sich in demKapitel "Die magistratischen Befugnisse des Oberpontifex", bei T. Mommsen, Staatsrecht Bd. II. I,18-73. Siehe auch K. Latte, Religionsgeschichte 198-203. 23 Nach der iiberlieferten Tradition wurde Martius, Schwiegersohn des Numas (vgl. Livius, 1,20,5), der erste gewahlte Pontifex maximus. Am Anfang wurde der Pontifex maximus durch das Volk in denKomitien auf dem Forum berufen, vgl. Livius, 25,5; Cicero, leg. 2,18. Im Jahr 103 v.Chr. schlug der Volkstribun Cn. Domicio Ahenorbarbo ein Gesetz vor, nach dem der Pontifexmaximus aus den von den vier priesterlichenKollegien vorgeschlagenenKandidaten ausgewahlt werden solite, vgl. J. Bleicken, Oberpontifex und Ponti:fikalkollegium, in: Hermes 85 (1957) 345-366; A. Calonge, El pontifex maximus y el problema de la distinci6n entre magistraturas y sacerdocios, in: AHDE 38 (1968) 5-29. J. Guillén, "Sacerdotes" 26-29, nennt 19 wichtige Aufgaben dieses Amtes. NachM Hoffman Lewis, Priests 7, undK. Latte, Religionsgeschichte 196, standen der rex sacrorum und die flamines des Jupiter, Mars und Quirinus in der offiziellen Rangordnung der Priester ursprunglich hoher als der Pontifex maximus; erst mit der Zeit wurden sie dem Pontifex untergeordnet. 24 In der Spatzeit der Republik war die Anhaufung von Priesteramtern unbekannt. Caesar, der schon Pontifex maximus war, brach mit der Tradition, als er zum Augur gewahlt wurde, vgl. Dio, XLII 51,4; Cicero, fam. 13,68. Dios Angabe zufolge schuf Caesar einen Prazedenzfall fur die Zu­ gehorigkeit desKaisers in allenKollegien, die von nun an als groBe Ehre betrachtet wurde.

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Aug. 3 1 , 1 ). Erwahnenswert sind die Angaben Suetons ilber die MaBnahmen des Augustus: ''Er vergroBerte die Zahl und das Ansehen, aber auch die Einkilnfte der Priester... Auch von alten heiligen Brauchen, von denen man im Laufe der Zeit abgekommen war, filhrte er manches wieder ein, so z.B. das Augurium des Staats­ wohls, das Priestertum des Flamen Dialis, die Luperkalienfeier, die Hundertjahrs­ piele und die Kompitalienfeste" (Aug. 3 1 ,3). Augustus betrachtete das Priesteramt als Unterstiltzung fùr sein religioses Reformprogramm. Da er den vier groBen Kollegien angehorte, kontrollierte und manipulierte er die staatliche Religion fiir seine eigenen politischen Zwecke25. Tiberius wurde am 1 0. Marz des Jahres 1 5 n.Chr. zum Pontifex maximus gewahlt. Gaius, der schonPontifex war, ubernahm im Jahr 37 den Vorstand dieses Kollegiums. Claudius, der vor seiner Thronbesteigung wahrscheinlich keines der groBenPriesteramter innehatte, wurde erst im Jahr 4 126, moglicherweise im Marz, Pontifex maximus27. Die Pontifizes traten unter Augustus nur noch sporadisch bei wichtigeren Anlassen auf Bine dieser Gelegenheiten war die Hochzeit des Claudius mit Agrip­ pina28. Nach Tacitus, ann. 12,8, veranstaltete Claudius eine gottesdienstliche Feier, die der Verordnung des Konigs Tullus entsprach. Suhnopfer waren im Hain der Diana durch diePontifizes darzubringen, und es wurde allgemein darilber gespottet, daB Strafen und BuBen fiir Blutschande in jener Zeit noch angewandt wurden. Solche piacularia sacrificia wurden in diesem Fall wegen des angeblichen lnzestes der Calvia auf Veranlassung des Pontifex maximus Claudius, der wieder einmal seine antiquierte Gelehrtheit bemilhte, vollzogen. Unter Claudius erwogen die Pontifizes eine Reform der etruskischen Disziplin der Haruspizes. Wahrscheinlich erlieB der Senat aufgrund einer Anregung des Claudius einen SenatsbeschluB, um die religiosen Gebrauche nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: "Die Oberpriester sollen sehen, welche von den Opferbrauchen beizubehalten und auszuilben seien" (Tacitus, ann. 11,15,3). Ùber die Aufgaben des Claudius alsPontifex maximus gibt es einige konkrete Angaben: die Emennung eines Priesters als salio29 und die Reform des Kalenders. Der Pontifex maximus besaB die Befugnis, die Feiertage festzusetzen. Sueton 25

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Die Priesterkollegien

Die romische Religion

In einigen Fallen verwendeten die Kaiser ihre Macht (potestas), um politische Feinde zuflamen Dialis oder rex sacrorum wahlen zu lassen, eine Emennung, die diese nicht ablehen konnten. So wurden Gegner politisch ruhiggestellt, weil diese Priesteramter unvereinbar mit anderen zivilen Posten waren. Zur Wichtigkeit des Pontifikalkollegiums in der romischen Politik vgl. R. don Draper, Tue Role of the Pontifex Maxirnus and its In:fluence in Roman Religion and Politics, Diss. Brigham Young Univ., Provo Ut. 1988. IG III 458; H. Mattingly -EA. Sydenham, RIC Bd. 1,124:ff.; H. Mattingly, BMC Bd. 1,164176.181:ff.; H. Cohen, Description Bd. 1,250-265; vgl. auch CIL V 25; VI 915.916.917.920. M Hoffman Lewis, Priests 51. Wie bei der Eheschliefiung des Augustus und der Livia, vgl. Dio, XLVIII 44. CIL V 3117: A.T. in numero saliorum adscriptus.

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erwahnt, als einmal ein unheilvoller Vogel ilber dem Kapitol gesichtet worden sei30, habe Claudius als Pontifox maximus dem Volk die entsprechenden Formeln der versohnenden Fiirbitten personlich diktiert. M Hoffman Lewis beschaftigt sich mit der Zusammensetzung der Kollegien. -" /Jlìren Angaben zufolge soll das Pontifikalkollegium unter Claudius voll besetzt . ( gewesen sein. Wir kennen einige Namen der Pontifizes3 1 . Zur Zeit des Claudius hatten einige Familien - die Antistii Veteres, die Cornelii, die Licinii und die Kaiser­ familie - zwei Mitglieder gleichzeitig im Kollegium. Die Patrizier beherrschten das Kollegium, und nur einige Plebejer gehorten dazu. 2.2.2. Die Septemviri Epulones Am 13. September (dem Griindungstag des Tempels von luno Capitolinum) und am 13. November32 (ludi plebeii) wurde in diesem Tempel in Form einer Mahlzeit (Festmahl = epulum) ein Opfer zu Ehren des Jupiter und der anderen zwei Gott­ heiten der capitolischen Dreiheit, d.h. der Juno und Minerva, dargebracht. Da das Pontifikalkollegium sich von diesen Aufgaben entlasten wollte, wurde im Jahre 19 6 v.Chr. durch ein vom Volkstribun C. Licinius Lucullus vorgeschlagenes Gesetz ein besonderes priesterliches Kollegium - das der epulones - gegrilndet, das diese Aufgaben er.fiillen sollte. Am Anfang bestand dieses Kollegium aus drei Mitgliedern (IIIviri epulones), spater wurde die Zahl der Mitglieder auf sieben (vgl. Livius, 33,42, 1 ) erhoht. Caesar33 erweiterte das Gremium auf zehn Mitglieder (Dio, XLID 5 1 ,9), trotzdem behielten sie den Namen VI/viri epulones. Aus der Regierungszeit des Gaius, Claudius und Nero besitz�n wir iiber dieses Kollegium und seine Mitglieder nur wenige Informationen. M Hoffman Lewis weist darauf hin, die vor Claudius' Thronerhebung ausgewahlten Septemviri "remained under Claudius five men from new families: L.Apronius Caesianus, C.Sallustius Crispus Passienus, M.Servilus Nonianus, M.Vicinius and D.Laelius 30

Sueton, _Claud. 22: "Sooft sich aber ein Ungliicksvogel in Rom oder auf dem Kapitol blicken liefi, wurde em Bet- und Bufitag abgehalten. Er selbst eroffuete die Feier kra:ft seines Amtes als Pontifex Maximus von der Rednerbiihne �urch eine o:ffentliche Mahnung an das Volk". 31 M. HoJ(:nan Lewis, Priests 71, n t die l!en Familien, die Mitglieder in diesem Kollegium �� � _ hatten: There remam the old patnc1an fam11ies of the Claudii Nerones the Comelii Lentuli the Fabii Maximi and the Iulii Caesares... Under Claudius, in addition t� Claudius who bec�e pontifex maxirnus 41, and Nero, who was elected supra numerum in 51, three patrici�s are known to have been elected. These are L. Calpunius Piso... Ser. Comelius Scipio Orfitus... and Cn. Pompeius Magnus". 32 Die Daten liefem Seneca, bei Augustinus, civ. 6,1O und Plinius, nat. 33,111. 33 Sie erhielten den �amen Vl�viri epulonum, wie es in den Fasti Praenestini vom 17. Januar (CIL P p. 231) und auch m_den Stemtafeln belegt ist (vgl. Plinius, epist. 2,11,13). Manchmal finden sich auch folgende Beze1chn�ge�: Seflemvir epulonum (CIL VI 501.151 lf; XI 5210); Sacerdos _ Vllvzr epulonum, auf zwe1 a:frikarnschen Steintafeln (CIL VIII 5249.7978).

Die romische Religion

Die Priesterkollegien

Balbus and the new man, P.Memmius Regulus"34. 1hr zufolge bestand das Gre­ mium zur Zeit des Claudius aus einem Patrizier und sechs Plebejem. Kaiser Clau­ dius wurde im Jahr 41 Mitglied des Kollegiums, als er als Kaiser das Priesteramt aller Kollegien tibernahm.

Der KomIIJ'.entar zu den ludi Claudiani bietet im zweiten Fragment eine Namensliste dFquindecimyiri42. Von den frtiher gewahlten Patriziern blieben unter Claudius Paulus Aemilius Regillus und der ktinftige Kaiser S.Sulpicius Galba, beide aus alten Patrizierfamilien, und Taurus Statilius Corvinus, dessen Familie unter Augustus Patrizier wurde, im Amt. Die einzigen bekannten Patrizier, die unter Claudius gewahlt wurden, waren Nero und der ktinftige Kaiser A.Vitellius. Auch . ein Plebejer, L.Licinius, wurde wahrend seiner Regierungszeit gewahlt43. Obwohl wir keinen Hinweis auf die Zugehorigkeit des Gaius und Claudius zu diesem Kollègium haben, waren sie mit groBer Sicherheit nach ihrer Thronerhebung quindecimviri. Claudius muB groBes Interesse an diesem Kollegium gehabt haben, weil er die ludi saeculares feierte und dieses Gremium dafiir verantwortlich war.

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2.2.3. Das Kollegium der fiinfzehn Manner Die Grtindung dieses Priesterkollegiums wird Tarquinius Superbus zugeschrieben35. NachLivius, 3,10,6f, wurde es anla.Blich einiger wunderbarer Ereignisse (prodigi.a) gegrtindet, die in den sibyllinischen Btichern untersucht werden muBten, um den Zorn der Gotter zu besanftigen. Tarquinius Superbus beauftragte dafiir zwei Senatoren. Im Laufe der Zeit wurde die Mitgliederzahl erst auf zehn (collegi,um decemviral: Livius, 6,42, lf; Cicero, Verr. 4,108), unter Sulla auf 15 (collegi,um quindecimviri sacris faciundis36) und unter Augustus wahrscheinlich auf 21 quindecimviri erhoht37. Livius, 10,8,2, umschreibt ihre Funktion als "Ausleger der Weissagungen der Sibylle und der Schicksalssprtiche fiir dieses Volk, als Vorsteher des Apollokultes und andere Kulthandlungen"38. Ihre erste Aufgabe war es also, die sibyllinischen Bticher zu bewahren und auszulegen sowie verschiedene Methoden vorzuschlagen, den Zorn der Gotter zu besanftigen39. Bine weitere Aufgabe bestand in der Vor­ bereitung der ludi saeculares, wie es in den sibyllinischen Btichern vorgesehen war40. Bei der Feier der augusteischen ludi (im Jahr 17 v.Chr.) spielten sie eine wichtige Rolle. Die Akten des Kollegiums enthalten Dokumente, die sich auf die Vorbereitung der ludi beziehen41 , u.a. Berichte an den Senat, Edikte, Dekrete der quindecimviri und Senatsbeschltisse. AuBerdem werden einleitende Zeremonien erwahnt, wie z.B. die Verteilung der suffimenta und der Empfang der fruges.

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M. Hoffman Lewis, Priests 93. Zonaras, VII 11,3; Dionysios Hai., IV 62; Valerius Max., 1,1,13. Vgl. denKommentar, den Servius zu den Worten des Aeneas an Sibylle von Cumae gibt, Vergil, Aen. 6,73: Sciendum tamen primum duos librorumfaisse custodes: inde decem; inde quindecim, usque ad tempora Syllana. Post crevit numerus: nam & sexaginta fuerunt; sed remansit quindecimvirorum vocabulum. Siehe G. Wesener, "Quindecimviri" 1142; J. Scheid, "Prètres" 619. Bei der augusteischen Sakularfeier gab esfùnfmagistri, vgl. Fast. Capito!. CIL 12 p. 29. AndersM. Hoffman Lewis, The College ofthe Quindecimviri in 17 B.C., in: AJP 73 (1952) 289-294. Die ùbersetzung ist aus: T. Livius, Romische Geschichte, Buch VII-X. Lateinisch und deutsch herausgegeben von Hans Jurgen Hillen, Zurich 1994, 373. Cicero, div. 1,4; Verr. 4,108; Livius, 5,13,6; vgl. P. Boyancé, La science d'un quindécemvir au 1er siècle ap. J.-C., in: REL 42 (1964) 334-346;J. Guillén, "Sacerdotes" 71. Varro, bei Censorinus, 17,8; vgl. Augustinus, civ. 3,18. CIL VI 32323. Zu ihren Aufgaben bei den augusteischen Spielen vgl. G.B. Pighi, "Ludi" 2114f.

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2.2. 4. Das Kollegium der Auguren Die Auguren waren die Priester, die durch die Auslegung der Naturzeichen (auspi­ cia) den Willen Jupiters im Zusammenhang mit bestimmten Handlungen zu er­ mitteln hatten. Die Verantwortlichen der auspicia publica wurden Auguren publici Populi Romani Quiritium genannt44 • Ihre Aufgabe, die bei Cicero, leg. 2,8,20f, beschrieben wird, bestand darin, den Willen der Gotter zu einem konkreten AnlaB zu erforschen, aus- und offentlich darzulegen. Dartiber hinaus muBten sie die Bedeutung der Prodigien und die Antworten der Orakel analysieren und sollten Moglichkeiten vorschlagen, die Gotter mit Siihneriten zu besanftigen und zu­ friedenzustellen. Sie interpretierten die von Jupiter gesandten Zeichen, und die Vogel fungierten dabei als "internuntiae Jovis'. Ihre Wissenschzjì wurde augurium oder auspicium bezeichnet, die gegebenen Antworten decreta oder responsa augurum. Die beobachteten Zeichen waren nach ihrer Herkunft in fiinf Arten geteilt: ex coelo (vom Rimmel), ex avibus (von den Vogeln), ex tripudiis (von den Weissagehtihnern), ex quadrupedibus (von den MiBgeburten), ex diris (von den negativen Vorzeichen) (Festus, 260). In enger Verbindung mit den Auguren standen die Haruspizes45 . Die Kaiser wurden spatestens bei der Ubernahme ihres Amtes Auguren. Julius Caesar ist der erste Kaiser, von dem wir epigrapische Hinweise darauf besitzen46. 42

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l�i�em, "Ludi" 2119, nennt diesenNamen: "Il Commentario... dà un elenco di nomi di Quindecim­ vm: 2] us pr[,3] ius pia[ ,5 A]tticus PIR2 A 1334, Paul[llus PIR2 A 396, 6 Ner[v]a PIR2 C 1226, An[ , 7 Lusc[ , 8]us Luc[. Inoltre Claud. ma 3 Ti. Clau[dius PIR2 C 942". M. Hoffman Lewis, Priests 91. CIL VI 503.504.511.1449; X 221 [=324].1695.1700.4752. Die Haruspizes stammten aus Etrurien, wie noch zu zeigen sein wird. Cicero, div. 2,26, unterschied sie deutlich von den Auguren. CIL I 620: [C. Iul]io Caesar, im[per(atori)}, dictat(ori) iteru[m]... pont]ufici max[umo] [aug. c}o(n)s(uli).

Die romische Religion

Die Priesterkollegien

Schon unter Caesar zum Pontifex gewahlt, trat Oktavian um das Jahr 41 in das Augurenkollegium ein47. Tiberius wurde Augur und Pontifex wahrend seines zweiten Konsulats, d.h. vor seiner Thronbesteigung48. Gaius war ebenfalls vor seiner Inthronisation Augur49. Claudius wurde zwischen den Jahren 8 und 14 n.Chr. Augur, d.h. in den letzten Jahren des Augustus50. Unsere Quellen fur die Regierung des Claudius sind nicht sehr reichhaltig, aber das Augurenamt des Claudius findet man nach dem Jahre 37 n.Chr. aufMilnzen und in Schri:ften51 . Trotz dieses Mangels an Informationen kann M Hoffman Lewis die Namen der zehn Auguren zur Zeit des Claudius nennen52. Zu dieser Zeit scheint dieses Kollegium von den Patriziem beherrscht zu sein, und keiner von den bekannten Auguren, auBer Nero, gehorte zu den alten Familien. Einer Inschrift auf einer Steintafel zufolge bekleidete Nero die vier groBen Priesteramter53, als er consul design,atus und princeps iuventutis wurde, d.h. zwischen 51 und 54 n.Chr.

amter neu orcinete und die vergessenen Brauche wiederbelebte (Sueton, Aug. 3 1). Durch Erla:ff des Senats wurden die Kaiser cuncta principibus solita (Tacitus, hist. 4,3) in die summa collegia und in die sodalitas arvalis aufgenommen. Wichtige Aufgabe war die Pflege des Fruchtbarkeitskults um die Dea Dia und die Sorge um den gottlichen Segen und das Wohlergehen des Kaiserhauses. Das Arvalenkollegium war zustandig filr die Durchfilhrung und die Pflege des kultischen Festes der Gottin (im Mai/Juni) bzw. fiir die Feier des jahrlichen Opfers ihr zu Ehren im heiligen Hain an der Via Campana beim fiinften Meilenstein56. Das Kollegium brachte auch andere Opfer dar, die sich besonders auf den kaiserlichen Kult und auf seine Familie bezogen, so bei augusteischen Festen57, kaiserlichen Ehren58- und Geburtstagen59, Adoptionen oder Einweihungen offentlicher Denkma­ ler60 . Die Mitglieder legten Geliibde fiir die Gesundheit des Kaisers oder andere Sondergeliibde ab61 , auBerdem brachten sie Siihneopfer dar.

2.2. 5. Das Arvalenkollegium

2.2. 6. Die sodales divorum imperatorum

Dieses Kollegium bestand von Anfang an aus zwolf auf Lebenszeit bestimmten Priestem54, mit einem fur ein Jahr bestimmten magister als Kollegiumsvorsitzenden an der Spitze. AuBerdem wurde einflamen ausgewahlt, der dem magister bei den Opfem beistand. Im Laufe der Zeit geriet dieses Kollegium in Vergessenheit, bis Augustus55 aufgrund seines Bemilhens um alte Traditionen die offentlichen Priester-

Mit Beginn des Reiches wurde ein neuer flaminatus zur Verehrung des Kaisers eingesetzt. Nach Tod und Deifizierung Caesars im Jahr 44 v.Chr. wurde ihm ein Tempel geweiht, fiir den ein Priester zustandig war: flamen Iulialis oder flamen divi Iuli. Oktavian erlaubte, in Rom Augustus genannt zu werden. Im Osten des Reiches jedoch gestattete er zusatzlich62, daB ihm noch zu Lebzeiten ein Tempel mit

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47 CIL III p. 7 88 lat 1,45; p. 7 89 gr 4,5; V 6456. 48 CIL V 6416,4. Zwei spatere Inschriften erwabnen die anderen Priesteramter (CIL Il 2062; XI 49 50 51

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3 786).

Sueton, Cal. 12; CIL VI 2422. Sueton, Claud. 4,7. Die Inschrift CIL V 6416 = ILS 107 aus dem Jabr 8 n.Chr. erwabnt kein Priesteramt fiir Claudius, deswegen durfte er erst nach diesem Datum das Amt ubemommen haben. Vgl. H. Cohen, Description Bd. 1,256; H. Mattingly, BMC Bd. 1, 164-176. Die Inschriften aus der Zeit 37 -41 n.Chr.: CIL III 3 81: {Ti. C)/audio Drusi {Ger]manicifil(io) Neroni Germanico {au]gur(i), sodali Augustal(i), sodal(i) Titio, co(n)s(uli) ..., und V 24. M Hoffman Lewis, Priests 85, listet fur die Regierungszeit des Claudius zehn Auguren auf CIL VI 921: Neron{i} ClaudioAug(usti)/(ilio) Caisa{ri} Druso Germanic{o}, pontif(ici), auguri, XVvir(o) s(acris) ff(aciundis)] Vllvir(o) epulon(um), co(n)s(uli) [des(ignato)} principi iuventut{­ is}. Die M.tglieder des Kollegiums wurden normalerweise durch das Kollegium selbst ausgewahlt, zur Kaiserzeit bestimmte sie jedoch der Kaiser: Ti. Claudius Caesar Augustus FratribusArvalibus collegis suis salutem. In locum NNfratremArvalem collegam vobis nomino NN Die Aufuahme in das Kollegium war offensichtlich von keiner formalen Bedingung abhangig. Immerhin gehorten prinzipiell hochgestellte Romer der Priesterschaft an. Diese Feststellung bestatigt J. Scheid, Frères 37 4. Nach der Meinung E. Olshausens, "Ackerbruder" 828, habe Augustus eine vor 21 v.Chr. zu datierende Reform der Priesterschaft durchgefuhrt, weil er sich besonders um die Emeuerung altrepublikanischer Kultbrauche und Institutionen bemfiht habe. J. Scheid, Frères 33 5f, datiert diese Reform in das Jabr 29 v.Chr.

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Z� Beschreibung solcher Zeremonien vgl. J. Guillén, "Sacerdotes" 63 -66 und CIL I 2 2; VI 2104. S1e wurden am 17., 19. und 20. oder am 27., 29. und 3' 0. Mai gefeiert, auBer unter der Regierung ,, Neros (Sueton, Nero 55). 57 Vgl. eine Inschri:ft aus d�Jahre 58 n.Chr. (CIL VI 2041): lii idus Octobr(es)... mag(ister) collegi fratrumArvalium nomine immolavit in Capito/io oh imperium Neronis... divo Aug(usto) b(ovem) m(arem), divaeAug(ustae) vaccam, divo Claudio b(ovem) marem. Ahnlich auch die Inschrift CIL VI 2044 Ile. 58 So beispielsw�ise der Tag der Thronbesteigung, als der Kaiser die potestas des Tribunen, das Konsulat, den T1tel pater patriae und das Amt des Pontifex erhielt. Fur Claudius besitzen wir eine Inschri:ft (CIL VI 203 2): .. .idus Januar(ias): quod Ti. Claudius Cae[sarAugust}us Germanicus p(ater) p(atriae) appellatus est. Fur Nero vgl. CIL VI 203 8f204l f2044f 59 Geburtstage wurden durch Opfer an Jupiter, Juno und Minerva auf dem capitolium gefeiert vgl. CIL VI 2028d.2035. 60 So wurden z.B. im J� �8 n_.Chr. die bis zur Zeit des Claudius von den Arvalen jahrlich dar_ ung der ara pacis registriert, vgl. CIL I p. 3 59:ff.; VI 2028b,c,d. g�brac�ten Opferfùr die Emweih 61 D1e Pneste e permissu consulitm et ex consensu Senatus versammelten sich im Tempel des � � _ Jup1ter-Cap1tolinus ad vota so/venda et nuncupanda flir die einzelnen Falle. Fur die Jahre 50-54 n.Chr. belegt dies folg�nde Inschrift (CIL VI 203 4): 1111 k lulias in Cap[itolio}... [conjlegi _ [nomme vota nuncupavit pro valetudine Ne}ronis Claudi Drusi Germa{nici fratrum Arvalzum Caesaris}... 62 Tacitus, ann. 4,37; Sueton, Aug. 59f A. von Premerstein, "Augustales" 827 , behauptet, daB die Au�stal�s und �_ e seviri Augusta/es noch zu Augustus' Lebzeiten gegrundet wurden. Premer­ stems ep1graphische Argumente sind die Inschriften CIL XI 37 82.1161.264; IX 3099. Das collegiumAugustale :findet sich in CIL X 6114.8178; XI 3805. Alle diese Inschriften !!ehon�n in

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Die Priesterkollegien

eigener Priesterschaft, den Augustales63, geweiht wurde. Dieser stadtische und provinziale Kult war besonders nach seinem Tod weit verbreitet, im Osten wie im Westen. Nach dem Tod Oktavians und dessen Erklarung zum divus wurde am 17. September 14 n.Chr. in Rom vom Senat die Einrichtung eines Tempels fiir den neuen divus beschlossen64• Fur den Kult der gens Julia in der Person des zum Gott 65 erhobenen Augustus wurde die Priesterschaft der soda/es Augusta/es begrundet , und als besonderer Priester wurde ein jlamen Augustalis bestimmt. Germanicus wurde als erster jlamen Augustalis eingesetzt66. Livia bekleidete das Amt einer Priesterin67 . Die soda/es Augusta/es bildeten ein priesterliches Kollegium von 21 Mitgliedem (Tacitus, hist. 2,95), die unter den vomehmsten Burgem durch das Los ausgewahlt wurden, dazu kamen vier weitere Mitglieder der kaiserlichen Familie68. Zwischen den Jahren 15 und 51 n.Chr. scheint es um eine decuria vergroBert worden zu sein69. Thr wurden Tiberius, Drusus, Claudius70 und Germanicus extra ordinem ein­ gereiht. M Hoffman Lewis auBert sich uber Claudius alsjlamen Augustalis sehr

krit�sch: ''Es gi}?t keinen �eweis dafùr, daB Caligula und Claudius71 jlamen Au ­ gu stahs wurden"72• Auf vermutlich gleiche Weise wurden spater fiir andere konsekrierte Kaiser Kulte eingerichtet. Um das Jahr 41 wurde dieses Priesteramt mit dem jlamen !ulialis �sammenge�racht73, und diese Stelle batte L.Iunius Silanus Torquatus mne. Cahgula, der s1ch als Jupiter Latiales betrachtete, richtete fiir sich ·selbst Tempel und Kult ein (vgl. Sueton, Cal. 22,3). Claudius und andere Prominente wurden als Priester bestellt und gezwungen, zum Amtsantritt eine betrachtliche Summe zu bezahlen74_ Durch diese Zahlung wurde Claudius :finanziell ruiniert. Nach dem Tod des Claudius und seiner Vergottlichung wurden die soda/es Claudia/es gebildet, die sich um den Kult des Claudius zu kummem hatten. Aber die Claudia/es bildeten kein unabha�giges Kollegium75, wie es spater bei den Flavia/es, Hadrianales und Antoniani der Fall war, sondem sie wurden den soda/es Augusta/es angegliedert, was die Inschriften durch den gemeinsamen Titel soda/es Augusta/es Claudiales76 bestatigen. Von der Existenz eines jlamen Clau­ dialis wissen wir durch eine Steintafel aus Velitrae (ClL X 6566). Der Claudiuskult verbreitete sich in den stadtischen Gemeinden und in den Kolonien, aber kein epigraphischer Hinweis erlaubt die Annahme, der staatliche Kult fùr diesen Kaiser habe schon zu seinen Lebzeiten existiert. Der Titel soda/es Claudia/es steht aufzwei Ephitaphen einer Stadt in der Hispania Tarraconensis die s� ch moglicherweìse auf den Ortskult dieses Kaisers beziehen77. In einigen it�lie­ mschen Stadten trugen die fiir den Claudiuskult zustandigen Augusta/es besondere _ Tttel: Seviri Claudiales78, seviri et Claudiales79, Claudia/es Augustales80 oder Au­ gusta/es Claudiales81 .

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Augustus' Regierungszeit. Die unterschiedliche Herkunft dieser Institution, die verschiedenen Terrninologien (Augusta/es, sevir Augustalis, sevir, magister Augustalis...) und was man darunter versteht, beschaftigte die Forscher sehr. Die zuverlassigste Annahme uber diese Institution ist immer noch die A. von Premersteins. Die Aufgabe der seviri war die Organisation der Spiele (vgl. CIL XI 3782). Daneben muB man auch die summa honorari hinzufiigen, d.h. patriotische Widmungen an die Kaiser und Gotter (vgl. CIL X 6461; IX 4676;XI 3782). Auf3er diesenBeamten gab es auch das sakraleKollegium der Augusta/es, das fur denKult des Augustus zustandig war. An seiner Spitze standen die magistri Augusta/es. DiesesKollegium bestand aus neun Mitgliedem, die jedes Jahr vom stadtischen Senat gewahlt wurden. Ture Aufgabe war die Sorge um die Schauspiele - vgl. CIL X 15 74, aus dem Jahre 5 6: Augustales, qui [Neroni} Claudio CaesariAugust(o) et [Agrippinae]Augustae. I(ovi) o(ptimo) m(aximo) et genio coloniae ludos fecer(unt) XIII, XII K(alendas) Mart(ias) -, vor allem aber derKult der gens Iulia, deren zentrale Person Augustus war. Andere Tatigkeiten waren das Schmucken der Tempel (CIL III 3579.4153;X 1887.1891;XIV 2412 aus dem Jahr 46), Widmungen an dieKaiser (CIL XI 3872 fùr Tiberius aus dem Jahr 32-33), der Aufbau oder die Restauration der offentlichen Gebaude (CIL II 183 mit der Widmung fur Nero aus dem Jahre 5 7) und die Pflasterung der StraBen (CIL IX 808.968). 64 Tacitus, ann. 1,10;Dio, LVI 46,3. Die Ausfuhrung wurde von hochster Stelle ubemommen, namlich vom regierenden Kaiser Tiberius und von Livia (Dio, LVII 10,2). Der Tempel hieB templum novum divi Augusti in Palatio. Naheres zu Quellen, anderen Namen, Topographie, Geschichte,Bautypus und Ausgestaltung bei H. Htinlein-Schtifer, Veneratio 117-128;S.B. Platner - T Ashby, Dictionary 62;M.E. Blake, Construction 12. Vgl. Sueton, Aug. 42; Tib. 47; Cal. 21; Velleius Pat., 2,124,3 und 126,1. 65 Tacitus, ann. 1,54; 3,64; hist. 2,95 ; vgl. Dio, LVI 46,1; CIL V 5511.7172. 66 ILS 176-178; Tacitus, ann. 2,83. 67 Velleius Pat., 2,75 ,3;H. Mattingly, BMCBd. 1, nr. 65-69 (Tiberius). 68 Dio, LVI 46,1; Tacitus, ann. 1,54. 69 V gl. J. Scheids, "Pretres" 618. Die Mitgliederzahl wurde im Lauf des 1. und 2. Jhs. bis auf 28 erhoht. 70 SodalisAugustalis supra numerum im Jahre 14: Tacitus, ann. 1,54;Sueton, Claud. 6,2; vgl. auch CIL III 38t V 24. Vgl. H. Strasburger, Sodales Augustales, in: PRE.S VII (1940) 1219.

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Einige Fors�her wollten in eini�en Re�efs d� Villa Medici (geweiht im Jahre 43, vgl. CIL VI _ 5 62), Claudms seh n. D1ese Rehefs ze1gen eme Prozession mit einem von Priestem umringten � flamen, vgl.M. Cagzano deAzevedo, Le Antichità di Villa Medici, Roma 195 1, bes. 9-23 und 5 664. N�hM. Hoffma_n Lewis, Priests 79, ist eine Identi:fikation des Claudius entweder mit einem d�� P�ester oder rmt demflamen vollig unwahrscheinlich. Claudius wurde aber doch sodalis Tztzus un Jahre 37-41. ;: M_ Hoffman Lewis, Priests 78 (Ùbersetzung D.A.). D1e Soda/es Augusta/es hatten ihren Sitz beim Heiligtum der gens Julia in Bovillae (CIL VI 1984ff.;XIV 2388ff.). 74 �ach J?io, LIX 28,5 , waren es zehn Millionen Sesterzen, nicht acht, wie Sueton erwahnt. 75 �er die Grundung desKollegilllnS, die Taten und diefasti vgl. CIL VI 1984-1988 =XIV 2391f. 76 Di� Hypoth� wird �on den meisten Historikem akzeptiert, vgl. E. Ferrero, "Claudiales" 289f., der sich auf die Inschriften CIL V 6977.6978.6980.6981;VI 332.135 7.1509.1987 stiitzt. 77 �eute Cabe�a _ del �ego, vgl_. �ILp 3114.5 �79. Nach R. Étienne, Culte 283, wurden diese sodales mumcipaux wahrscheinlich sur le modèle de grandes sodalites romaines" nachgebildet. 78 In Verona, CIL V 3430.3433.3438; inBononia, CILXI 714.718. 79 InBononia, CILXI 696. 80 InBeneven tum, CIL IX 1689.1071;in Chieri, CIL V 7493. 81 Vgl. CIL IX 1648.1698; in Abellinum, CIL X 1146.1151.

36 2.2. 7. Die fetiales

Sueton erwahnt in Claud. 25,5, daB Claudius fiir seine auslandische Politik die Institution der Fetialenpriester benutzte, um einen Pakt mit Konigen zu schlieBen: "Biindnisse mit fremden Konigen schloB er auf dem Forum ab, wobei ein Schwein geopfert und die alte Formel der Fetialen angewendet wurde". Wer Begrtinder dieses Kollegiums war, ist umstritten, weil die Quellen diesbe­ ziiglich nicht iibereinstimmen82. Das Kollegium bestand aus 20 priesterlichen Mitgliedem. Von diesen wurden sicher zwei Vertreter (vielleicht auch vier) im Namen des Staats fiir den AbschluB von Biindnissen mit anderen Staaten gewahlt und als Abgesandte eingesetzt. Die Aufgabe der Fetiales war die Wahrung der iures fetiales, die darin bestanden, die responsa in den Fallen zu erlassen, die als intema­ tionales heiliges Gesetz galten. Vor allem versuchten sie, mit :friedlichen Mitteln Kriege zu verhindem; gelang dies nicht, waren sie dafiir zustandig, den Krieg zu erklaren83 . In anderen Fallen, wie im Fall des Claudius, handelte es sich nicht darum, den Krieg zu erklaren, sondem einen Pakt,foedus84, zu unterzeichnen oder zu besiegeln. Wie Sueton, Claud. 25, bestatigt, erhielt sich die alte Form desfoedus bis in die Kaiserzeit hinein. Im Fall einer Verletzung eines intemationalen Gesetzes wurde dies als heiliges Delikt betrachtet, das nur der Staat siihnen konnte. In solchen Prozessen fungierte dieses Kollegium als consilium des Konsuls85 . Je mehr sich das romische Reich ausweitete, desto obsoleter wurde die Funktion dieses Kollegiums, so daB es in der Zeit der Republik an Bedeutung verlor, und wahrend des Kaiserreiches verschwand es beinahe. Aber das Bestreben - zunachst unter Augustus (Sueton, Aug. 31), danach unter Claudius86 -, die alten romischen Sitten zu bewahren, fiihrte dazu, daB dieses Kollegium neu erstand und iiberlebte, obwohl es die meisten seiner Funktionen verloren batte, da die Befugnis der pax und des foedus auf den Prinzeps iibergingen und der Kaiser das Recht der fetiales 82

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Die romische Religion

DionysosHal., II72, undPlutarch, Num. 12; Cam. 18, schreiben seine GiiindungNumaPompe­ lio zu. Cicero, leg. 2,9,21, vertritt die Meinung, der Griinder sei der Konig Tulio Hostilio gewesen. Livius, 1,32,5, nennt Anco Marcio. Livius, 31,8,3; 36,3,7. Die Kriegserl