Die Politik Der Sklaverei: Praxis Und Konflikt in Kastilien Und Spanisch-Amerika Im 16. Jahrhundert (German Edition) 3506707124, 9783506707123

Das vorliegende Buch behandelt das historische Phänomen der Sklaverei aus der Perspektive der politischen Praxis. Es unt

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German Pages 404 [403] Year 2018

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Table of contents :
Die Politik der Sklaverei: Praxis und Konflikt in Kastilien und Spanisch-Amerika im 16. Jahrhundert
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Inhalt
I Einleitung
1 Forschungsstand
2 Zentrale Methodenfragen, Quellen und Begriffe
II Grundlagen der iberischen Sklaverei
1 „Cautivo de buena guerra“ – Der theologisch-juristische Hintergrund der Sklaverei
1.1 Der „natürliche Sklave“
1.2 Naturrecht und dominium – mittelalterliche Grundlagen des frühneuzeitlichen Kirchenrechts
1.3 Der „gerechte Krieg“
2 Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel: Ein
longue-durée-Phänomen
2.1 Kontinuität und Wandel der iberischen Sklaverei zwischen Mittelalter und Neuzeit
2.2 Verkaufen und Freilassen: Praktiken der Sklaverei und ihre Institutionalisierung
2.3 Sklaverei als Wirtschaftsfaktor
III Prolog: Die Eroberung der Kanaren – Sklaverei als Politikum
IV Die guerra de Granada und die Versklavung der moriscos 1568–1571
1 Morisco-Politik zwischen Integration, Assimilierung und Repression im 16. Jahrhundert
2 Täter versus Opfer? Moriscos als Sklavenbesitzer
3 Rebelión, revolución, guerra – Zur Ereignisgeschichte der guerra de Granada
4 Die politische Konzeptualisierung der morisco-Sklaverei
4.1 Gerechte Versklavung: Morisco-Sklaverei zwischen Zweifel und Legitimation
4.2 Sklaverei und Krieg: Praktiken und (Dys-)funktionen der Versklavungen
4.3 Gerechte Verteilung: Sklaverei und Beuteökonomie
4.4 Sklaverei und Frieden
5 Sklavereikritik? Theologisch-juristische Nachbetrachtungen durch die „Schule von Salamanca“
6 Zwischenfazit
V Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika zwischen 1492 und 1600
1 Unfreie Arbeit: Indios encomendados, naborías, esclavos
2 Vorspiel: Die „karibische Phase“
3 Conquista und Sklaverei
3.1 Praktiken der Versklavung: Entradas de guerra – armadas de rescate
3.2 Zentrale Funktionen der Sklaverei
4 Die Sklavereipolitik der Krone
4.1 Verbotspolitik
4.2 Sklaverei als politische Verhandlungsmasse: Ausnahmen und Kompromisse
4.3 Administrative Kontrollversuche
5 Ausblick: Indio-Sklaverei im 17. Jahrhundert
6 Zwischenfazit
VI Praktiken, Semantiken, Konfliktfelder: Indio- und morisco-Sklaverei im Vergleich
Anhang
Abkürzungen
Ungedruckte Quellen
Gedruckte Quellen
Literaturverzeichnis
Orts- und Namensverzeichnis
Sachregister
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Die Politik Der Sklaverei: Praxis Und Konflikt in Kastilien Und Spanisch-Amerika Im 16. Jahrhundert (German Edition)
 3506707124, 9783506707123

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Die Politik der Sklaverei

Jonas Schirrmacher

Die Politik der Sklaverei Praxis und Konflikt in Kastilien und Spanisch-Amerika im 16. Jahrhundert

Ferdinand Schöningh

Zugl. Diss. der Universität Bern und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Umschlagabbildung: Image title: Mexico City Government Palace; mural by Diego Rivera, life of the Aztecs/Mexica in Tenochtitlan, their capital city. Credit line: Mireille Vautier / Alamy Stock Photo

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig. © 2018 Verlag Ferdinand Schöningh, ein Imprint der Brill Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Internet: www.schoeningh.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn ISBN 978-3-506-70712-3

Inhalt I Einleitung 1 1 Forschungsstand 4 2 Zentrale Methodenfragen, Quellen und Begriffe 11 II

Grundlagen der iberischen Sklaverei 19 1 „Cautivo de buena guerra“ – Der theologisch-juristische Hintergrund der Sklaverei 19 1.1 Der „natürliche Sklave“ 20 1.2 Naturrecht und dominium – mittelalterliche Grundlagen des frühneuzeitlichen Kirchenrechts 25 1.3 Der „gerechte Krieg“ 27 2 Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel: Ein longue-durée-Phänomen 38 2.1 Kontinuität und Wandel der iberischen Sklaverei zwischen Mittelalter und Neuzeit 40 2.2 Verkaufen und Freilassen: Praktiken der Sklaverei und ihre Institutionalisierung 49 2.3 Sklaverei als Wirtschaftsfaktor 68

III Prolog: Die Eroberung der Kanaren – Sklaverei als Politikum 75 IV Die guerra de Granada und die Versklavung der moriscos 1568–1571 97 1 Morisco-Politik zwischen Integration, Assimilierung und Repression im 16. Jahrhundert 100 2 Täter versus Opfer? Moriscos als Sklavenbesitzer 106 3 Rebelión, revolución, guerra – Zur Ereignisgeschichte der guerra de Granada 111 4 Die politische Konzeptualisierung der morisco-Sklaverei 122 4.1 Gerechte Versklavung: Morisco-Sklaverei zwischen Zweifel und Legitimation 124 4.2 Sklaverei und Krieg: Praktiken und (Dys-)funktionen der Versklavungen 136 4.3 Gerechte Verteilung: Sklaverei und Beuteökonomie 159 4.4 Sklaverei und Frieden 175

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Inhalt

5 Sklavereikritik? Theologisch-juristische Nachbetrachtungen durch die „Schule von Salamanca“ 193 6 Zwischenfazit 204 V

Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika zwischen 1492 und 1600 209 1 Unfreie Arbeit: Indios encomendados, naborías, esclavos 216 2 Vorspiel: Die „karibische Phase“ 222 3 Conquista und Sklaverei 248 3.1 Praktiken der Versklavung: Entradas de guerra – armadas de rescate 253 3.2 Zentrale Funktionen der Sklaverei 262 4 Die Sklavereipolitik der Krone 292 4.1 Verbotspolitik 292 4.2 Sklaverei als politische Verhandlungsmasse: Ausnahmen und Kompromisse 302 4.3 Administrative Kontrollversuche 314 5 Ausblick: Indio-Sklaverei im 17. Jahrhundert 334 6 Zwischenfazit 343

VI Praktiken, Semantiken, Konfliktfelder: Indio- und morisco-Sklaverei im Vergleich 351 Anhang 359 Abkürzungen 359 Ungedruckte Quellen 360 Gedruckte Quellen 361 Literaturverzeichnis 364 Orts- und Namensverzeichnis 389 Sachregister 395

I Einleitung Bereits aus dem frühen 20. Jahrhundert liegen erste Veröffentlichungen zur Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel vor. Dennoch hat es seitdem weitere einhundert Jahre gedauert, bis sie ihren festen Platz in der Geschichtsforschung eingenommen hat. Dass es in den iberischen Königreichen noch bis ins späte  18. Jahrhundert Sklaven gegeben hat, wird heutzutage nicht mehr bezweifelt. Untersucht wird die Sklaverei dabei zumeist unter sozial-, ideenoder theologiegeschichtlichen Fragestellungen. Die zentralen Forschungssobjekte sind also zum einen die theologischen oder philosophischen Postulate bekannter Gelehrter, wie etwa des vielgerühmten Dominikanerpaters Bartolomé de Las Casas. Zum anderen sind es die versklavten Personen selbst, die im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen. War es in den vergangenen Jahrzehnten die traditionelle Sozial- und Strukturgeschichte, die versuchte, Aussagen über die Lebensrealität der Sklaven und Sklavinnen und ihrer Besitzer zu treffen, ist es heute das Konzept der slave agency, das einen akteurszentrierten und praxeologischen Ansatz erlauben soll. Weniger beachtet wurden hingegen die herrschaftspolitischen, militärischen und ökonomischen Ausein­ andersetzungen um die Sklaverei. Dabei war die Sklaverei nicht nur ein Thema in den Studierzimmern der Klöster und Universitäten oder ein Phänomen der städtischen Handwerksstätten, Haushalte und Sklavenmärkte: Sie hatte auch eine zutiefst politische Komponente und findet sich entsprechend oft auf der Agenda der Krone, ihrer Ratsgremien und der unterschiedlichen lokalen ­Akteure. Sklaverei war in den verschiedensten Zusammenhängen und Szenarien ein viel diskutiertes Verhandlungsobjekt zwischen den politischen Akteuren. Dies führte soweit, dass die politische Auseinandersetzung um die indio-Sklaverei in den Fünfzigerjahren des 16. Jahrhunderts gar eine veritable diplomatische Krise zwischen den Kronen Kastiliens und Portugals auslöste, nachdem einer portugiesischen Expedition illegale Sklavenrazzien auf kastilischem Kolonialgebiet vorgeworfen worden waren.1 1 Wie der kastilische Konquistador Juan de Salazar Espinosa im Jahr 1553 an die Krone berichtete, hatte eine portugiesische Expedition in der Gegend des Río de la Plata zahlreiche indios versklavt, bei denen es sich um Vasallen der kastilischen Krone handelte. Nachdem er sich bei Vertretern der portugiesischen Krone auf der Insel São Vicente hierüber beklagt hatte, wurde er festgenommen. Für die Folgejahre finden sich Schreiben Philipps II. sowohl an seinen Gesandten am portugiesischen Hof als auch an König Johann III. von Portugal selbst, in denen die umgehende Freilassung der indios und Juan de Salazar Espinosas gefordert wird. AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 4, L. 3. Ediert in: Epistulario 7, Nr. 372, S. 43. AGI, ­Buenos Aires, 1, L. 2, fol. 27v-28v, ebd., fol. 30r.

© VERLAG FERDINAND SCHÖNINGH, 2018 | doi 10.30965/9783506707123_002

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Einleitung

In dieser Studie möchte ich das Phänomen der Sklaverei aus der Perspektive des Politischen betrachten. Es wird nicht darum gehen, ein rechtsgeschichtliches, theologisches oder philosophisches Programm bekannter Gelehrter nachzuzeichnen. Die politischen Auseinandersetzungen um die Sklaverei zwischen der Krone, lokalen Amtsträgern, Konquistadoren, Söldnern und ­Siedlern können allerdings als Bindeglied zwischen dem ideengeschichtlichen Höhenkamm der politischen und theologischen Philosophie, verbunden mit so berühmten Namen wie Las Casas, Sepúlveda oder Vitoria, und den lokalen, historischen Alltagspraktiken der Sklaverei betrachtet werden. Entsprechend habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die verschiedenen Szenarien, Funktionen und Dysfunktionen von Sklaverei anhand der unterschiedlichen politischen Fraktionen, Ökonomien und Praktiken herauszuarbeiten. Ich untersuche die Sklaverei als politisches, kontroverses Thema, über das zwischen der kastilischen Krone und lokalen Akteuren verhandelt wurde. Mit welcher politischen Taktik versuchten Akteure, die Sklaverei für sich zu nutzen oder sie zu bekämpfen? Wie reagierte die Krone auf die politischen, militärischen und ökonomischen Interessen und Notwendigkeiten der Sklaverei? Wie versuchte sie, eine spezifische Sklavereipolitik zu konzeptualisieren und diese vor Ort umzusetzen? Da sich im Rahmen dieser Konfliktfelder spezifische politische und administrative Praktiken entwickelten, stellt sich überdies die Frage, welchen Beitrag die vorliegende Arbeit zum Verständnis der Funktionalität vormoderner Politik beitragen kann. Am Beispiel der Versklavung der moriscos während des „granadinischen Krieges“ (guerra de Granada, 1568–1571) sowie der indigenen Bevölkerung während der Entdeckung und Eroberung (conquista) der „Neuen Welt“ im 16. Jahrhundert möchte ich zeigen, wie die kastilische Krone und andere Akteure versuchten, das stets brisante Thema der Sklaverei als politisches Instrument zu nutzen und wie Sklaverei als politische Verhandlungsmasse organisiert wurde. Obwohl sich das historische Setting beider Fallbeispiele erheblich voneinander unterschied, lassen sich in beiden Fällen ganz ähnliche Semantiken, Praktiken und Konfliktfelder beobachten, die in manchen Fällen schon von Zeitgenossen in gegenseitigen Bezug gesetzt wurden. Hierbei sei angemerkt, dass es sich nicht in erster Linie um eine komparative Studie handelt. Beide Fälle dienen mir als eigenständige Fallstudien. Selbstverständlich werde ich aber immer wieder Querverweise aufzeigen und im letzten Kapitel einige zentrale Aspekte vergleichend betrachten. Ganz bewusst werde ich mich auf diese beiden Untersuchungsfelder beschränken und die sogenannten negro-Sklaverei – also die Versklavung und Verschleppung von Personen aus dem subsaharischen Afrika – ausklammern. Dies geschieht vor allem aus forschungspragmatischen Gründen: Einerseits

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würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen, andererseits ist dieses Feld bereits ungleich besser erforscht als die indio- oder morisco-Sklaverei.2 Dennoch sei gesagt, dass sich auch bezüglich der negro-Sklaverei politische Komponenten analysieren ließen – etwa anhand des asiento-Systems, durch das Lizenzen zum Export von Sklaven vor allem aus Gegenden des heutigen Guinea Bissau, Mali, Gambia und Senegal nach Spanisch-Amerika in das System der königlichen Belohnungsökonomie integriert wurden.3 Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Um die Versklavung der indios sowie der moriscos historisch einzuordnen, werde ich mit einigen einleitenden Ausführungen zum System der Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel beginnen (II). Ich werde den rechts- und ideengeschichtlichen Hintergrund der frühneuzeitlichen Sklaverei skizzieren und dabei die wirkmächtige Theorie des „gerechten Krieges“ in den Mittelpunkt stellen. In einem zweiten Schritt möchte ich das Verständnis für die Alltäglichkeit der Sklaverei in der Vormoderne stärken und so zentrale Referenzpunkte für spätere Überlegungen schaffen. Hierzu werde ich in einem Makroüberblick die Strukturen der Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert beleuchten und danach die zentralen Praktiken der Versklavung, des Sklavenverkaufs und der Freilassung besprechen, wobei ich die Sklaverei vor allem als ein longue-durée-Phänomen zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit verorten werde. Nach einem Prolog zur Versklavung der indigenen Bevölkerung der Kanarischen Inseln (III), anhand dessen ich einen kurzen Problem­ aufriss bezüglich der politischen Rolle der Sklaverei wagen möchte, wird der Fokus auf die guerra de Granada gerichtet (IV). Nach einigen einleitenden Ausführungen zur morisco-Politik der kastilischen Krone im 16. Jahrhundert, zur Täter-Opfer-Beziehung der beiden Konfliktparteien und zur Ereignisgeschichte des Krieges werde ich zur politischen Konzeptualisierung der morisco-Sklaverei kommen. Ich werde die Debatten um die Rechtfertigung der Sklaverei skizzieren, ihre multidimensionalen Funktionen und Dysfunktionen erörtern und die Praktiken der Versklavung sowie die Rolle analysieren, die sie in der Kriegs- und Beuteökonomie spielten. Abschließend wird es um die Bedeutung von Sklaverei als Verhandlungsobjekt während des Friedensprozesses gehen. 2 Einführend für das 16. Jahrhundert vgl.: Lockhart (1968), S. 171–199; Bowser (1974); Palmer (1976); Meissner u. a. (2008). 3 Im Jahr 1553 etwa diskutierten zahlreiche Theologen, ob der asiento, den Philipp II. einem gewissen Francisco de Ochoa gewährt hatte, zu einer Monopolbildung im transatlantischen Sklavenhandel führen würde und ob dies politisch opportun wäre. AGS, CCA, Div. 6, 52. Vgl. zum System der Lizenzenvergabe zum Import von negro-Sklaven: Delgado Ribas (2013), S. 15–17; Almeida Mendes (2008); Zeuske (2006), S. 219 f.; Reinhard (1985), S. 90.

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Der zweite große Abschnitt des Hauptteils ist schließlich der Versklavung der indigenen Bevölkerung der „Neuen Welt“ gewidmet (V). Nachdem ich die ­indio-Sklaverei begrifflich von anderen Formen indigener Zwangsarbeit abgegrenzt habe, werde ich auf die Transformation und Adaption verschiedener Praktiken und Legitimationsmuster der Sklaverei während der sogenannten „karibischen Phase“ von 1492 bis etwa 1519 eingehen. Anschließend wird es um die Bedeutung der indio-Sklaverei für die conquista gehen. Ich werde zunächst klären, welche Handlungsoptionen für den eigentlichen Akt der Versklavung zur Verfügung standen und welche politischen Konfliktfelder sich hier auftaten. Daraufhin wird es um die Funktionen gehen, die der Sklaverei von Seiten der unterschiedlichen Akteure zugeschrieben wurden. Hierauf stellt sich die Frage, wie die Krone mit einer spezifischen Politik auf die Konfliktfelder und Notwendigkeiten der indio-Sklaverei reagierte. Entsprechend werde ich die forcierte Sklavereipolitik der Krone ab den 1520er-Jahren mit ihren Sklavereiverboten und Einschränkungen den zahllosen Gesetzesrücknahmen, ­Ausnahmeregelungen und politischen Kompromissen gegenüberstellen und anschließend die administrativen Kontrollversuche der Krone analysieren. Um die allgemeingültige Annahme, die Sklaverei sei mit den Leyes Nuevas (1542) weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, kritisch zu überprüfen, werde ich abschließend noch einen Ausblick in das 17. Jahrhundert bieten. Die Entscheidung, die morisco-Sklaverei vor der indio-Sklaverei zu behandeln, ist chronologisch auf den ersten Blick fragwürdig. Aufgrund der ­sichtbaren Kontinuitäten von den Konflikten zwischen den christlichen und muslimischen Reichen des Mittelalters sowie der Kriegsführung der kastilischen Krone in Nordafrika in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur guerra de Granada, habe ich mich aber letztlich für diese Reihung entschieden. In einem Schlusskapitel (VI) werden noch einmal die zentralen Praktiken, Semantiken und Konfliktfelder der beiden Untersuchungsbereiche bilanziert und vergleichend betrachtet werden. 1 Forschungsstand Die internationale Forschung zur Sklaverei erlebt derzeit einmal mehr einen Boom. Mit diesem geht ein fundamentaler Perspektivenwechsel einher: Waren es in den Achtziger- und Neunzigerjahren noch die großen, essentialistischen Theorieentwürfe, die sich auf die Sklaverei der griechisch-römischen Antike oder die Plantagensklaverei des Antebellum South stützten, rücken nun vermehrt Weltgegenden in den Fokus, in denen Sklaverei bisher als höchstens marginal wahrgenommen wurde. Neue, globalhistorische Ansätze richten sich gegen die Konzentration auf die Sklaverei der westlichen Welt und versuchen,

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universalistische Definitionen der Sklaverei zu vermeiden. Stattdessen wird sich darum bemüht, die Instrumentalität der Sklaverei, ihre Praktiken und die Rolle, die die Sklaven selbst als historische Akteure einnahmen, zu betonen.4 In diesem Zuge lässt sich seit wenigen Jahren auch eine neue Tendenz erkennen, die mediterrane Welt der Vormoderne zum Untersuchungsrahmen zu machen. Sogar von einer „neue[n] Generation der Sklavereiforschung“5 ist die Rede. Erkennbar ist dies an zentralen Veröffentlichungen wie dem 2014 erschienenen Züricher Tagungsband zur mediterranen Sklaverei6, der eine der ersten deutschsprachigen Veröffentlichungen zum Thema darstellt, oder dem jüngst veröffentlichten Werk Nancy van Deusens zu Einzelschicksalen indigener Sklaven in Kastilien.7 Eng verwandt ist hiermit überdies das aktuelle Thema des Gefangenenloskaufs zwischen muslimischen und christlichen Mächten im Mittelmeerraum.8 Die Fokussierung auf den mediterranen Raum ist dabei nicht neu: Schon Braudel thematisierte in seinen berühmten Studien zum Mittelmeer die Sklaverei9 und Charles Verlinden sowie Jacques Heers konzentrierten sich explizit auf die mediterranen Räume des Mittelalters.10 Innovativ ist die neu gewählte methodische Herangehensweise, die die großen Theorieentwürfen zur Sklaverei ablehnt: Die Forscher und Forscherinnen sehen sich vielmehr „im Feld einer Sozialgeschichte, die kulturwissenschaftliche Theorien mit mikrohistorischen und praxeologischen Ansätzen verbindet und Sklaverei als kontextabhängige soziale Relation konzipiert“11. Auf diese Weise soll der Heterogenität und Komplexität der verschiedenen historischen Ausformungen der Sklaverei Rechnung getragen werden und eine systematische Historisierung der Sklaverei erreicht werden, ohne eine heuristische Modellbildung vorauszusetzen. Mit der Betonung des Mediterraneums als Forschungsfeld grenzt sich die neuere Forschung auch geographisch von der bisher dominanten „transatlantischen Geschichte“12 ab, die ebenfalls in einem globalhistorischen Kontext zu 4 Vgl. Vlassopoulus (2016). 5 Schiel/Hanß (2014), S. 26. 6 Hanß/Schiel (2014). Die mediterrane Sklaverei ist auch zentral bei: Bono (2010). 7 Van Deusen (2015). 8 Kaiser (2008a, 2009); Priesching (2012); Fiume (2009). 9 Braudel II (1998), S. 548 f. 10 Verlinden (1955/1977); Heers (1981). Darüber hinaus finden sich auch bei Abulafia häufig Ausführungen zur Sklaverei im Mittelmeerraum. Abulafia (2014). 11 So der Kurztext des Verlagshauses zu Hanß/Schiel (2014). Https://www.chronosverlag .ch/node/20802 (acc. 12.2.2018). 12 Zur transatlantischen Geschichte vgl. Verlinden (1966); Pietschmann (1998); Bailyn (2005). Zum Forschungskonzept des Atlantiks als Interaktionsraum und den „drei Konzepten atlantischer Geschichte“ vgl. Armitage (2002); Reinhard (2016), S. 61 f.

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verorten ist. Dieser Ansatz, der den atlantischen und damit auch den kolonialen Raum zum Forschungsgegenstand macht, bietet sich für die Erforschung eines Systems der Sklaverei, das über Jahrhunderte hinweg Millionen von Sklaven von Afrika in die „beiden Amerikas“ exportierte, verständlicherweise an. Den jüngsten angloamerikanischen Werken von Hugh Thomas, Charles Simon-Aaron und Herbert S. Klein sowie dem Sammelband von David Eltis und David Richardson13 schließen sich einige deutschsprachige Werke an, vor allem die des Kölner Historikers Michael Zeuske14. Globalgeschichtliche Überblicksdarstellungen15 ebenso wie großangelegte Handbücher über die Weltgeschichte der Sklaverei16 haben nach wie vor Konjunktur. Bei dieser großen ­Aufmerksamkeit, die die koloniale Sklaverei von der Forschung erhielt, ist es nicht verwunderlich, dass die vermeintlich unbedeutende frühneuzeitliche Sklaverei auf dem südeuropäischen Festland weitgehend unbeachtet blieb. Besonders deutlich wird diese Unterrepräsentation in den erwähnten Handbüchern. Finden sich zur iberischen Sklaverei in der „Historical Encyclopedia of World Slavery“17 und in der „Macmillan Encyclopedia of World Slavery“18 immerhin noch jeweils ein sehr kurzer Artikel, so verzichtet die neue vierbändige „Cambridge World History of Slavery“19 gänzlich auf eine Darstellung der Sklaverei auf der frühneuzeitlichen Iberischen Halbinsel. Dieser einseitige Fokus erklärt sich aus der zentralen gesellschaftspolitischen Bedeutung der Sklaverei in den USA bezüglich des Abolitionismus und Rassismus sowie die rein zahlenmäßige Überlegenheit der kolonialen Plantagensklaverei. Die historiographische Dominanz der kolonialen und transatlantischen Sklavereiforschung sowie die Konzentration auf die großen Sklavereisysteme der Weltgeschichte verstellten also lange Zeit den Blick auf die Aspekte der mediterranen Sklaverei. Dies geht einher mit einer seit Marc Bloch weit verbreiteten Marginalisierung der europäischen Sklaverei, die angeblich schon im 11. Jahrhundert weitgehend vom Feudalsystem verdrängt worden sei.20 Aus diesem Grund bemerkte Henry Kamen schon 1970 die „überraschende Vernachlässigung der Sklavereiforschung in einem Land, das mehr Sklaverei in seiner 13 Thomas (2006); Simon-Aaron (2008); Klein (2010); Eltis/Richardson (2008). 14 Zeuske (2004, 2006). 15 Einige Beispiele wären Delacampagne (2004); Flaig (2009); Heuman/Burnard (2011); Grenouilleau (2014). 16 Zu nennen sind vor allem: Rodríguez (1997); Finkelman/Miller (1998); Eltis/ Engerman (2011). 17 Fra-Molinero (1997). 18 Phillips Jr. (1998a). 19 Eltis/Engerman (2011). 20 Hierzu mehr siehe: Kap. 2.2.

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Geschichte hatte als jeder andere Teil Europas“21. Auch Vicenta Cortés Alonso stellte einige Jahre zuvor fest, dass man vergessen habe, dass die Sklaverei in der spanischen Frühen Neuzeit existierte.22 Trotz dieses weitgehenden Nischendaseins entwickelte sich vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine eigenständige spanische Sklavereiforschung. Eine erste Studie legte Joaquin Miret y Sanz bereits 1917 mit einem Beitrag zu Sklaverei in Katalonien in der Revue Hispanique vor.23 Nachdem 1952 der bekannte Sozialhistoriker Antonio Domínguez Ortiz seinen Aufsatz „La esclavitud en Castilla durante la Edad Moderna“24 veröffentlichte, kam es im Laufe der Sechziger- und Siebzigerjahre zu einem ersten Aufschwung der Sklavereiforschung in Spanien. Im Zuge der aufkommenden Sozialgeschichte interessierten sich Vicenta Cortés Alonso25 und Vicente Graullera Sanz26 für die sozialen Aspekte der Sklaverei in Valencia. Ausgehend von Notariatsakten versuchten sie vor allem mit statistischen Methoden die Strukturen der Sklaverei zu beschreiben. Auf ähnliche Weise erforschte Alfonso Franco Silva die Sklaverei in Sevilla und A ­ ndalusien.27 Durch die Konzentration dieser strukturgeschichtlichen Arbeiten auf Statistiken, die sie in erster Linie aus Notariatsakten (Kauf- und Freilassungsurkunden, Testamente) gewannen, wurden die demographischen Grundlagen der Sklavereigeschichte erarbeitet. Neuen Schwung brachte ab den Neunzigerjahren insbesondere die Erschließung der Sklaverei für die Geschlechterforschung. Diese, vor allem mit der Historikerin Aurelia Martín C ­ asares28 ­verbundene Herangehensweise, entwickelte zahlreiche neue ­Sichtweisen bezüglich der Sklavenarbeit, der sozialen Stellung von Sklaven und Sklavinnen sowie deren Beziehung zu ihren Besitzern.29 In engem Kontakt hiermit steht auch die hervorragende, 2009 erschienene Studie Debra Blumenthals zur Sklaverei in Valencia.30 Aufbauend auf den Beobachtungen der Geschlechter- und neueren Kulturgeschichte legen beide Forscherinnen im Einklang mit der eingangs erwähnten „neuen Generation der ­Sklavereiforschung“ viel Wert darauf, 21

„This surprising neglect of research into slavery in one nation that had more slavery in its history than any other part of Europe.“ Kamen (1970), S. 212. 22 „Se olvida que ésta [die Sklaverei, Anm. d. V.] existió en la España en la Edad Moderna.“ Cortés Alonso (1964), S. 9. 23 Miret y Sans (1917). 24 Domínguez Ortiz (2003, erstmals 1952). 25 Cortés Alonso (1964). 26 Graullera Sanz (1978). 27 Franco Silva (1979, 1992). 28 Martín Casares (2000a, 2000b, 2004). 29 Siehe zum Beispiel: Lobo Cabrera (1993); Periáñez Gómez (2006). 30 Blumenthal (2009, 2014).

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Sklaverei als kontextabhängige Beziehung zu kategorisieren und Sklaven und Sklavinnen in ihrer Rolle als Akteure (slave agency) zu subjektivieren. In eine ähnliche Kerbe schlägt Nancy van Deusen mit ihrem jüngsten Buch über indigene Sklaven aus der „Neuen Welt“, die nach Kastilien verschleppt worden waren. Durch die mikrohistorische und ethnographische Analyse von 127 Gerichtsverfahren gelingt es ihr nicht nur, die individuellen Lebenswege dieser Sklaven und Sklavinnen nachzuzeichnen, sie verknüpft auch innovativ globale und lokale Dimensionen von Sklaverei.31 Darüber hinaus stellen die Werke van Deusens und Blumenthals neben wenigen Ausnahmen die einzigen englischsprachigen Arbeiten zum Thema dar.32 Neben dieser chronologischen und paradigmatischen Entwicklung der Sklavereiforschung fällt vor allem die regionale und lokale Zergliederung auf. Der Schwerpunkt liegt hier, infolge der großen Bedeutung für den kastilischen Sklavenmarkt, in Andalusien. Aufbauend auf den Arbeiten Franco Silvas gibt es mittlerweile für fast jede andalusische Stadt zumindest eine Fallstudie.33 Dabei weisen diese Aufsätze nahezu alle eine ähnliche Struktur auf. Anhand von Notariatsakten aus den lokalen Archiven werden statistisch Herkunft, Alter, Geschlecht, Namen, Preise und Besitzer der Sklaven katalogisiert, wobei sich die Ergebnisse nur in Nuancen unterscheiden. Was die Erforschung der übrigen Regionen Spaniens angeht, so beschränkt sich diese zwar auf einige wenige Studien; dass es im nördlichen Teil der Iberischen Halbinsel kaum Sklaven gegeben habe, gilt aber mittlerweile als widerlegt.34 Innerhalb der Sklavereiforschung nehmen Studien zur morisco- und ­indio-Sklaverei – die für die vorliegende Studie besonders relevant sind – eine Sonderrolle ein. Da die maurische Vergangenheit Spaniens stets ein virulenter Streitpunkt der spanischen Geschichtsschreibung war, ist auch die Geschichte der moriscos gut erforscht.35 Mit dem erstmals im Jahr 2010 publizierten Buch „Blood and Faith“ begeisterte Matthew Carr gar ein breites Publikum außerhalb

31 Van Deusen (2015). 32 Zu diesen Ausnahmen gehören: Pike (1967, 1983); Phillips Jr. (1985, 2011, 2014). 33 Eine Auswahl: Ladero Quesada (1967); Sánchez Herrero (1980); Aranda Doncel (1981a, 1981b, 1984); Lora Serrano (1982); Pereiro (1986); Pino (2001); Izco Reina (2002); Arévalo (2006); Morgado García (2009, 2010a, 2010b); Pérez García/ Fernández Chaves (2010). 34 Eine Auswahl: Larquié (1970); Fernández Martín (1988); Rodríguez Martín/ López Adán (1993); Periáñez Gómez (2004, 2008). 35 Als grundlegende Studie zur Kultur und Geschichte der moriscos gilt Caro Baroja (1957); ebenso Reglá (1964); Chejne (1983); Domínguez Ortiz/Vincent (1984). Hinzu kommen die jüngeren Studien von Harvey (2005); Ingram (2009–2015); Amelang (2013). Eine ausführliche Bibliographie findet sich bei: Rubiera Mata (2006).

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der historischen Wissenschaft für die Geschichte der moriscos.36 Neben der allgemeinen Geschichte ist auch immer wieder die für diese Arbeit so zentrale guerra de Granada ein Thema. Zwar sind sich die Forscher und Forscherinnen über die massiven Versklavungen von moriscos während des Krieges einig, eine genaue Analyse der Funktionen der Sklaverei bleiben sie allerdings schuldig.37 Gegenüber diesen Gesamtdarstellungen sind auch einige einschlägige Veröffentlichungen über den Zusammenhang zwischen moriscos, Rebellion und Sklaverei erschienen, die die Alltagspraxis der Sklaverei anhand von Lokalstudien herausarbeiten, diese jedoch in keinen gesamtpolitischen Kontext stellen und ihre Quellenauswahl oft auf die bekannten Chroniken beschränken.38 Was die Erforschung der Versklavung der indigenen Bevölkerung ­SpanischAmerikas angeht, so fällt das Urteil ambivalent aus. Zunächst kann festgestellt werden, dass die indio-Sklaverei im Schatten der starken Konzentration der Forschung auf die Plantagen- und negro-Sklaverei sowie anderer Formen der Zwangsarbeit – wie etwa der encomienda – steht.39 Entsprechend finden sich in den meisten Einführungen und Handbüchern zur Kolonialgeschichte Spanisch-Amerikas meist nur sehr knappe oder keine Hinweise zur indioSklaverei.40 Auch in den zahlreichen Überblickswerken zur Sklaverei in den „beiden Amerikas“ bleiben die Hinweise zur indio-Sklaverei erstaunlich spärlich. In der Regel wird sie höchstens einleitend erläutert und dient so als bloßes Scharnier zwischen der Sklaverei der „Alten Welt“ und der kolonialen Plantagensklaverei.41 Die Bedeutung der indigenen Sklaverei für die ­kastilische 36 Carr (2017). Insbesondere der Bezug von Carrs Thesen zu heutigen politischen Entwicklungen wurde von den Feuilletons sehr positiv aufgenommen. Vgl. die Rezension in der New York Times von Wheatcroft (2011). Die massenhaften Versklavungen während der guerra de Granada erwähnt Carr jedoch lediglich beiläufig. 37 Lynch (1981); Ruiz Pérez (1991); Kamen (1997a); Sánchez Ramos (2000), S. 224–233. Bei Fernández Álvarez, der in seiner Biographie Philipps II. der guerra de Granada ein ganzes Kapitel widmet, fehlt hingegen jeglicher Hinweis auf die Versklavung der moriscos. Fernández Álvarez (1998), S. 455–466. 38 Martín Casares (1997, 2013); Benítez Sánchez-Blanco (2010); Garrido García (2000, 2001); Cabrillana (1975). 39 Eine von Joseph C. Miller zusammengestellte Bibliographie listet für die Zeit von 1900 bis 1996 500 Werke bezügliche der Sklaverei in den kastilischen Kolonialgebieten auf. Hiervon beschäftigen sich allerdings nur zwanzig explizit mit der indio-Sklaverei. Miller (1993/1999). 40 Lockhart (1983); Bethell (1984); Pietschmann (1994a); Pohl (1996); Eltis (2000); Wendt (2000); Edelmayer u. a. (2005); Maltby (2009); Elliott (2009); Bakewell (2010); König (2010). Im jüngsten Werk Henry Kamens finden sich immerhin zwei Seiten zur indio-Sklaverei. Kamen (2003), S. 124 f.; ebenso bei Konetzke (1965), S. 165–172. 41 Klein (1967); Blackburn (1997); Eltis (2000); Meissner u. a. (2008); SchmidtNowara (2011); Fradera/Schmidt-Nowara (2013). Im „Oxford Handbook of Slavery

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­Eroberung und Herrschaft wird so weitgehend marginalisiert und höchstens für die koloniale Anfangszeit anerkannt. Auf der anderen Seite ist die ­indio-Sklaverei auf der Basis der königlichen Gesetzgebung schon seit dem 19. Jahrhundert immer wieder Thema der Forschung gewesen. Den Anfang machte die monumentale, vierbändige Arbeit von Arthur Helps.42 In eine ähnliche Richtung gehen die beiden Bände José Antonio Sacos zu Sklaverei, repartimiento und encomienda43 sowie das Werk Rumeu de Armas zur i­ ndio-Politik Königin Isabellas44. Alle drei stellen noch heute wichtige Referenzen zur Ereignisgeschichte der conquista und ihrer Verbindung zur Versklavung der indios dar. Problematisch ist allerdings die offenkundige Tendenz, die königliche Sklavereigesetzgebung von der Entdeckung der „Neuen Welt“ bis zur vermeintlichen Abschaffung der indio-Sklaverei in den Leyes Nuevas zu verfolgen und in eine teleologische Fortschrittsgeschichte einzupassen, die letztlich „antiesclavista“ gewesen sei (hierzu später mehr). In dieser Forschungstradition stehen überdies viele weitere Veröffentlichungen zum Thema. Zu nennen wären etwa die bekannten Arbeiten Silvio Zavalas, Richard Konetzkes, García Añoveros, Mira Caballos, William Shermans und Lucena Salmorals.45 Hinzu kommen einige teils wertvolle Regional- und Lokalstudien. Besonders hilfreich waren die Arbeit David Radells zum Sklavenhandel in der Provinz Nicaragua und die von Morella Jiménez zur indio-Sklaverei in Venezuela.46 Ferner das Werk Carlos Esteban Deives zu Hispaniola und das von Hubert Aimes zu Kuba47 sowie die Abhandlung Mudro MacLeods zu Zentralamerika und die von Hugo Hanisch Espíndola zu Chile.48 Eine weitaus größere Rolle spielt die indigene Sklaverei darüber hinaus für Theologie- und Ideengeschichte, was letztlich auf die prominente Figur des Bartolomé de Las Casas zurückzuführen ist, hier allerdings nur von untergeordneter Bedeutung sein wird.49 Letztlich wird deutlich,

in the Americas“ findet sich immerhin ein kurzer Artikel zur indio-Sklaverei, der allerdings innerhalb des 800 Seiten starken Bandes lediglich sechs Seiten einnimmt. Gallay (2010). 42 Helps (1855–1861). 43 Saco (1932, posthum). 44 Rumeu de Armas (1969). 45 Konetzke (1983, erstmals 1949); Zavala (1967); Sherman (1979); Mira Caballos (1997); García Añoveros (2000); Lucena Salmoral (2002). 46 Radell (1967); Jiménez (1986). 47 Deive (1995); Aimes (1967). 48 MacLeod (2008); Hanisch Espíndola (1991). 49 Eine kleine Auswahl: Hanke (1959, 1965, 1974); Pagden (1988); Beuchot (1994); Gillner (1997, 1998); Castillo Urbano (2000); Delgado (2002, 2007, 2011); Bordat (2006); Castro (2007); Brunstetter (2010, 2012).

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dass die Ereignisgeschichte der indio-Sklaverei zumindest für die erste H ­ älfte des 16. Jahrhunderts recht gut erforscht ist. Oft kommen die vorliegenden Arbeiten jedoch nicht über eine überblickshafte Darstellung der königlichen Gesetzgebung hinaus – was anhand der Quellenauswahl, die sich meist auf die ediert vorliegenden königlichen Verordnungen (reales cédulas) beschränkt, verständlich ist. Eine Verknüpfung des Themas mit der politischen Kulturgeschichte Spanisch-Amerikas, eine Analyse der mannigfaltigen Funktionen und Dysfunktionen der Sklaverei und der Rolle, die sie im zeitgenössischen politischen Diskurs spielte, steht folglich noch aus. Wie die eingangs erwähnten Entwicklungen des internationalen Forschungsfeldes zeigen, besteht zunehmend Bedarf, neue, innovative Ansätze in die Sklavereiforschung zu integrieren. Dies gilt auch für die Sklaverei in Kastilien und Spanisch-Amerika. Während bereits einschlägige ­Veröffentlichungen mit einer rechts-, sozial-, geschlechter- oder alltagsgeschichtlicher Perspektive vorliegen, ist die politische Rolle der Sklaverei außerhalb der bloßen Gesetzgebung bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Eine Arbeit, die mit einem praxisorientierten Ansatz die Funktionen der Sklaverei in einem politischen Konfliktfeld zwischen königlichem Hof und den Akteuren vor Ort analysiert, kann an die Entwicklungen der neueren Sklavereiforschung anknüpfen. Nicht zuletzt ist in diesem Abschnitt auch der geographische Dualismus (­europäisch-mediterran und transatlantisch-kolonial) innerhalb der Geschichtswissenschaft aufgefallen; eine Kluft, die durch den hier forcierten Fokus auf die politische Konzeptualisierung der Sklaverei während der guerra de Granada einerseits und der Versklavung der indios in der „Neuen Welt“ andererseits, überbrückt werden soll. 2

Zentrale Methodenfragen, Quellen und Begriffe

Insbesondere seit den Achtzigerjahren halten Geschichtswissenschaft, Anthropologie und Soziologie ein kaum mehr zu überblickendes Theorieangebot zum historischen und aktuellen Phänomen der Sklaverei bereit.50 Die einzelnen Herangehensweisen stützen sich auf je unterschiedliche konstitutive Definitionsmerkmale, die sie der Sklaverei zuschreiben. Neomarxistische Deutungen etwa gründen ihre Überlegungen auf dem ökonomischen und produktionsorientierten Aspekt der Sklaverei. 51 Die erzwungene Ausbeutung der 50 51

Vgl. einführend: Watson (1980); Miers (2003). Vgl. Bloch (1975); Godelier (1977). Weitere Beispiele wären: Hindess/Hirst (1975), S. 109–177; Meillassoux (1975).

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Arbeitskraft stellte auch der Politologe Alfred Zimmern in den Mittelpunkt seiner Definitionsversuche.52 Wieder andere sehen den Eigentumsaspekt und die absolute Verfügbarkeit als das essentielle Konstitutiv der Sklaverei. Eine der bekanntesten Definitionen lautet nach Arthur Tuden und Leonard Plotnicov etwa: „We propose defining slavery as the legal institutionalization of persons as property.“53 Einer der wohl wirkmächtigsten Ansätze stammt vom Soziologen Orlando Patterson. Als konstituierendes Faktum der Sklaverei machte er den „sozialen Tod“ (social death) des Sklaven aus. In seinem Buch „Slavery and social death“ heißt es hierzu: „The slave, however recruited, [was] a socially dead person. Alienated from all ‚rights’ or claims of birth, he ceased to belong in his own right to any legitimate social order.“54 Der Althistoriker Moses I. Finley argumentierte ganz ähnlich: „The slave, in sum, was always an outsider in the fullest sense of that term, and that distinguishes slaves as a class from all other forms of involuntary labour.“55 Einen konkurrierenden Ansatz entwickelten Igor Kopytoff und Suzanne Miers anhand präkolonialer Sklaverei in Afrika. Sie betonten vor allem die Integrationsleistung der Sklaverei. In einem ­„slavery-to-kinship-continuum“ würden die zunächst fremden Sklaven allmählich in die aufnehmende Gesellschaft integriert.56 Diese Ansätze wurden zuletzt von Kostas Vlassopoulus im Sinne der Kulturgeschichte des Politischen57 als zu essentialistisch für die neue, global orientierte Sklavereiforschung abgelehnt. In der Tat ist es äußerst fraglich, wie sich etwa lineare Machtbeziehungen, wie sie eine Verabsolutierung des Eigentumsaspektes voraussetzt, mit der schon angesprochenen slave agency vertragen. Auch das Konzept des social death stößt spätestens dann an seine Grenzen, wenn der Sklave in die Familie des Besitzers integriert wurde oder sich in religiösen Bruderschaften mit anderen Sklaven zusammenschloss.58 Ansätze, die sich auf eine wie auch immer definierte Essenz der Sklaverei berufen, scheitern folglich oft an ihrem selbst formulierten universellen Anspruch. Gerade die Tatsache, dass die meisten

52 Zimmern (1928). Interessant ist Zimmern vor allem deshalb, weil Norbert Elias seine Ausführungen zur Sklaverei in seinem wirkmächtigen „Prozess der Zivilisation“ auf diesen stützt. Elias (1999), S. 78 f. 53 Tuden/Plotnicov (1970), S. 11. Ebenso betont der bekannte Althistoriker Moses I. Finley den Besitzaspekt. Finley (1968), S. 307 f. 54 Patterson (1982), S. 5. 55 Finley (1976), S. 819 f. 56 Kopytoff/Miers (1977), S. 3–88. 57 Vgl. Stollberg-Rillinger (2005), S. 13. 58 Für beides gibt es gerade in der Geschichte der iberischen Reiche zahlreiche Beispiele. Vgl. Moreno (1997); Blumenthal (2005).

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Theorieangebote anhand der Plantagensklaverei im Antebellum South oder der griechisch-römischen Antike erarbeitet wurden, macht eine Übertragbarkeit auf die Sklaverei der iberischen Frühen Neuzeit äußerst schwierig. Dieser sehr knappe Aufriss einiger bekannter traditioneller Sklavereitheorien reicht bereits aus, um festzustellen, dass solche Herangehensweisen noch aus einem ganz anderen Grund nicht für die vorliegende Arbeit in Frage kommen können: Ich betrachte die Sklaverei nicht primär als soziale Institution; nicht die versklavte Person an sich, ihre individuelle Leiderfahrung, die Arbeit, ihr marginaler Status oder die Beziehung zu ihrem Besitzer stehen im Fokus. Vielmehr begreife ich die Sklaverei in dieser Arbeit als ein kontextabhängiges politisches Instrument, über das zwischen den verschiedenen Fraktionen in unterschiedlichen Situationen verhandelt wurde. Dabei folge ich den neuesten Entwicklungen der Sklavereiforschung zumindest ein Stück weit: Auch für mich sind die Praktiken der Sklaverei zentral. Allerdings nicht im Sinne einer slave agency, sondern aus der Sicht des politischen Handelns der Krone und der lokalen Akteure. Der sozialgeschichtliche und akteursorientierte Blick auf die versklavte Person wird so um eine politische Sphäre erweitert. Auf der anderen Seite lässt sich der omnipräsente ideen- und rechtsgeschichtliche Höhenkamm durch einen starken Praxisbezug unterlaufen. Die Sklaverei kann so als kontroverses und praxisrelevantes Thema in den zeitgenössischen politischen Debatten verorten werden und befindet sich somit auf der Schnittfläche von juristisch-theologischem Diskurs und historischer Alltagspraxis. Im Einklang mit den jüngsten Überlegungen der Kultur- und Sozialwissenschaft bietet die Praxeologie allerdings auch mir keine theoretische Blaupause.59 Sie ist mir zunächst einmal begriffliche und konzeptionelle Orientierung und – wenn man so will – durchaus die Anwendung „gesunden Menschenverstandes“60. Dabei erscheint mein Praxisbegriff auf den ersten Blick trivial, aber dennoch nicht illegitim: Es geht um das Aufzeigen routinisierter Handlungsvollzüge historischer Akteure.61 Welche politischen und sozialen Praktiken standen in Bezug auf die Sklaverei abseits von theologischen und normativen Postulaten zur Verfügung? Gerade angesichts der traditionellen Sklavereiforschung, die sich kaum vom teleologischen Druck des Abolitionismus befreien konnte, bietet sich eine Verschiebung der Beobachtungsperspektive an, wie sie die 59

Vgl. Füssel (2015), S. 30; Elias u. a. (2014), S. 7. Einleitend zu den theoretischen und methodischen Grundlagen der Praxeologie in der Geschichtswissenschaft siehe: Reichardt (2007); Nicolini (2012); Elias u. a. (2014); Brendecke (2015). 60 Graf (2008), S. 128. 61 Vgl. Reichardt (2007), S. 48; Elias u. a. (2014), S. 4; Reckwitz (2015), S. 22 f.; ­Brendecke (2015), S. 15.

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Praxeologie verspricht:62 Indem man den Blick von den Postulaten (etwa eines Las Casasʼ oder der Leyes Nuevas von 1542) auf die Praktiken richtet, lässt sich die Gefahr vermeiden, in der Sklavereipolitik der Krone oder den theologischen Werken der Zeit rückwirkend nach vormoderner, abolitionistischer und moralisch-ethischer Pionierarbeit zu fahnden, was unweigerlich in einer ahistorischen Teleologie münden würde. Im Hinblick auf die königliche Sklavereigesetzgebung etwa, die von der historischen Forschung oft auf abolitionistische Tendenzen reduziert wird, lassen sich auf diese Weise Widersprüche aufzeigen, die unter den normativen und theologisch-philosophischen Schichten verdeckt sind.63 Ein weiterer Vorteil des praxisorientierten Zugriffs für diese Studie betrifft die Verbindung von Mikro- und Makrogeschichte. Durch ihn lassen sich die langfristigen Entwicklungen der Sklaverei in der Frühen Neuzeit mit ihren lokalen Praktiken verknüpfen.64 Ergänzend hierzu werde ich einige andere methodische Ansätze immer wieder in die Arbeit integrieren, sie aber ebenso nicht zum theoretischen Dogma erheben: Ohne die bekannten Konzepte des politischen „Aushandelns“ (negotiation)65, der Patronage- und Klientelforschung66 und vor allem den neueren, ebenfalls praxeologischen Ansatz der Beuteökonomie67 ließe sich keine politische Geschichte der Sklaverei schreiben. Entlang dieser Überlegungen galt es, entsprechend praxisnahes empirisches Material auszuwählen. Die meisten Veröffentlichungen zur frühneuzeitlichen Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel stützen sich auf Notariatsakten wie Kaufverträge, Testamente und Freilassungsurkunden, die zu hunderttausenden in spanischen Archiven erhalten sind. Diese Dokumente geben ­Auskunft über die demographische Entwicklung der Sklaverei, über die verrichtete Arbeit der Sklaven und möglicherweise über den Grad der Integration des 62 63

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Vgl. Elias u. a. (2014), S. 6; Füssel (2015), S. 29; Brendecke (2015), S. 13. Vgl. Brendecke (2015), S. 18. Zu der Problematik, dass die Frühe Neuzeit von der historischen Forschung oftmals als für die Moderne vorbestimmend und gleichzeitig im Abgleich mit dieser als „defizitär“ charakterisiert wird, siehe: Ebd.; ebd. (2013). Vgl. Reichardt (2007), S. 44. Vgl. Braddick (2000); Meumann/Pröve (2004); Asch/Freist (2005); Freist (2005); Brakensiek (2005); Reinhard (2005). Insbesondere da die Sklaverei ein stetes Objekt des politischen Aushandelns zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren und der Krone war, werde ich immer wieder auf dieses Konzept zurückkommen. Eine gute Übersicht gibt es bei: Emich u. a. (2005). Vgl. Koenigsberger (1971); Reinhard (1979, 1996); Eisenstadt/Roninger (1980); Mączak (1988, 2005); Asch/Birke (1991); Martínez Millán (1992); Edelmayer (1999); Haug u. a. (2016). Vgl. Redlich (1956); Jucker (2008, 2014); Kaiser (2008a); Carl/Bömelburg (2011); Deuchler (2015). Hierzu mehr in Kap. IV.

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S­ klaven in Haushalt und Gesellschaft. Weitere verbreitete Quellenbestände – insbesondere auch in Bezug auf die morisco- und indio-Sklaverei – sind Chroniken und Werke zeitgenössischer Theologen und Juristen sowie Gesetzestexte, wie die bekannten Siete Partidas (ca. 1265) oder die Leyes Nuevas (1542). Um jedoch einen möglichst genauen Fokus auf die politischen Prozesse der Sklaverei zu erhalten, bieten sich diese Art von Quellen nur bedingt an. Daher wurde die Suche nach geeigneten Quellen stark auf den Hof und den Indiensowie Kastilienrat ausgerichtet. Es galt, nach praxisnahen Schriftstücken zu fahnden, die Einblick in die internen Debatten über Herrschaft und die Verhandlungen zwischen Krone und lokalen Eliten, Soldaten, Siedlern und Konquistadoren gewähren und so Aufschluss über die politische Konzeptualisierung von Sklaverei geben können. Aus diesem Grund stehen die Schriftwechsel zwischen Krone und lokalen Akteuren im Mittelpunkt der Untersuchung. Auf der einen Seite sind dies Verordnungen, Gesetze und Briefe, die vom Hof an regionale und lokale Akteure gesandt wurden. Auf der anderen Seite stehen Briefe, ­Suppliken und Petitionen, Memoriale und Gutachten, die von lokalen Eliten, Konquistadoren, Söldnern und Siedlern an den Hof geschickt wurden und das Thema der Sklaverei behandeln. Hinzu kommen mit den sogenannten ­consultas – Schriftstücke, die den König über die in den Ratsgremien diskutierten Probleme informierten – Quellen, die Einsicht in die hofinternen Entscheidungsprozesse erlauben können. Der quellenspezifische Fokus liegt damit vor allem auf den beiden großen spanischen Archiven, dem Archivo General de Simancas (AGS) und dem Archivo General de Indias (AGI). In beiden Archiven konnte eine Vielzahl einschlägiger Quellenfunde verzeichnet werden. Bezüglich der guerra de Granada und der Versklavung der moriscos befinden sich die zentralen Quellenkorpora im AGS in den Abteilungen Consejo de Estado (Est), Guerra Antigua (GA) und Cámara de Castilla (CCA). Im Falle der Versklavung der indigenen Bevölkerung Spanisch-Amerikas liegen die wichtigsten Akten im AGI vor allem in den Abteilungen Patronato und Indiferente sowie in den Sektionen der verschiedenen Appelationsgerichtshöfe (audiencias). Darüber hinaus wurden Bestände der Real Academia de la Historia (RAH) und des Archivo Histórico Nacional (AHN) in Madrid und Toledo hinzugezogen. Für den Fall der ­indio-Sklaverei bieten sich ferner einige edierte ­Quelleneditionen an. In diesen unterschiedlichen colecciónes, die in erster Linie königliche ­Befehlsschreiben wie die Reales Cédulas sammeln, finden sich immer wieder Einzeltexte, die das Thema der Sklaverei berühren.68 Weitere wertvolle Quelleneditionen sind darüber hinaus das „Epistolario de Nueva España“69 und die 68 Konetzke: Colección, Bd. 1; Codoin-e, Bde. 1–2; Cododes, Bde. 2–3; Codoin-2, Bd. 2. 69 Paso y Troncoso: Epistolario, Bde. 1 und 4–7.

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von Lewis ­Hanke herausgegebenen Bände über die Korrespondenzen und Instruktionen der Vizekönige.70 Neben den archivalischen Quellen stellen auch die zahlreichen zeitgenössischen Chroniken interessantes Material sowohl bezüglich der indios als auch der moriscos bereit. Für ersteren Fall wären etwa die berühmten Chroniken Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdésʼ, Bernal Díaz del Castillos oder Girolamo Benzonis zu nennen.71 Hier finden sich beispielsweise häufig – selten objektive – Hinweise auf Beute- und Sklavenverteilungen aus erster Hand.72 Bezüglich der moriscos existieren drei einschlägige Chroniken. Erstens der zweite Band des dreibändiges Werkes Diego Hurtado de Mendoza y Pachecos, das posthum 1627 erschienen ist und durch seine Detailgenauigkeit auffällt. Er erwähnt die Versklavungen zwar beiläufig, scheint sie jedoch für eine Alltäglichkeit des Krieges gehalten zu haben, die wie die übrige Beute nicht im Detail erläutert werden musste. 73 Beim zweiten Chronisten handelt es sich um einen der bekanntesten Vertreter der Literatur des Siglo de Oro, Ginés Pérez de Hita74, der ebenfalls Kriegsteilnehmer war. Im Gegensatz zu den anderen Chroniken hat dieser Text allerdings stark literarischen Charakter. Die dritte und aufschlussreichste Chronik stammt aus der Feder Luis del Mármol Carvajals75, der als Beobachter (veedor) an einer Kampagne des Krieges unter der Leitung Don Juan de Austrias teilnahm. Neben seiner exakten Schilderung der Kriegseinsätze und der politischen Hintergründe berichtet er an etlichen Stellen über die massenhaften Versklavungen, Plünderungen und die häufigen Streitigkeiten zwischen Soldaten und der Truppenführung über den Umgang mit den Gefangenen.76 Darüber hinaus widmet er den Debatten um die Rechtmäßigkeit der Versklavungen ein eigenes Kapitel.77 Insgesamt stellt die Chronik das relevanteste historische Schriftstück über die guerra de Granada dar. Dies spiegelt sich auch in der Literatur wieder. So wirken zahlreiche der oben vorgestellten Arbeiten bezüglich der Ereignisgeschichte des Krieges über weite Strecken wie Nacherzählungen Mármol Carvajals. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass er seine Chronik im Zuge des Legitimationsdiskurses über 70 Hanke (1976, 1978). 71 Fernández de Oviedo y Valdés: Historia general; Díaz del Castillo: Historia verdadera; Benzoni: History. 72 Vgl. Macleod (2008), S. 50. 73 Hurtado de Mendoza: Guerra. Als Neffe und Waffengefährte des Marqués de ­Mondéjar – einer der Hauptprotagonisten des Krieges – verfügte Hurtado de Mendoza über eine hohe Detailkenntnis. 74 Ginés Pérez de Hita: Historia. 75 Mármol Carvajal: Historia. 76 Ebd.: Buch 5/Kap. 25 und 35; 6/3; 6/21; 6/30; 9/3; 10/6. 77 Ebd., 5/32.

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die Ausweisung der moriscos im Jahr 1609 verfasst hat.78 Dementsprechend handelt es sich bei Mármol Carvajals Werk um eine Mischung aus historischen Fakten und einer mehr oder weniger unterschwelligen Rechtfertigung der königlichen morisco-Politik und sollte somit kritisch gelesen werden. Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch einige wenige technische und begriffliche Dinge klären. Ein erster Punkt betrifft den Verzicht, den Sklavenbegriff konsequent zu gendern. Entsprechend werde ich aufgrund der besseren Lesbarkeit und eines einheitlicheren Schriftbildes in überwiegender Mehrheit den Begriff „Sklave“ anstelle von „Sklavin“ gebrauchen. Hierbei muss betont werden, dass die Geschlechtergeschichte schon seit den Neunzigerjahren mit Recht darauf hingewiesen hat, dass die historische Forschung den weiblichen Aspekt der Sklaverei über lange Zeit verleugnet hat79, obwohl Frauen mehr als die Hälfte aller versklavter Personen ausmachten und auch Nachfrage und Kaufpreis höher waren.80 Gerade im Falle der morisco-Sklaverei stellten Sklavinnen mit 67 Prozent die Mehrheit.81 Die Aussage Jacques Heers, Kriegsgefangene wären überdurchschnittlich Männer gewesen, gilt mittlerweile als entsprechend widerlegt.82 Darüber hinaus leistete die Geschlechtergeschichte weit mehr als die bloße Sichtbarmachung der weiblichen Sklaverei. Sie eröffnete neue Perspektiven auf die Sklavenarbeit und die soziale Beziehung von versklavter und besitzender Person. Somit war sie maßgeblich daran beteiligt, die Marginalisierung der iberischen Sklaverei zu relativieren. Die Geschlechterforschung war letztlich auch Wegbereiterin des populären Konzepts der slave agency. Es zeigt sich also, dass eine Studie, die sich mit Sklaven und Sklavinnen beschäftigt, nicht an einer Problematisierung dieser Thematik vorbeikommt. Dies sollte, wenn ich der Einfachheit halber von „Sklaven“ spreche,

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Vgl. Barletta (2007), S. 4. „Existe una indudable negación de las mujeres esclavas.“ Martín Casares (2000a), S. 45. Dies wird meist damit begründet, dass Hausarbeit eines der Hauptaufgabenfelder von versklavten Personen gewesen sei. Hinzu kommen eine höhere Lebenserwartung von Frauen und die Möglichkeit der sexuellen Ausbeutung. Überschätzt wurde dagegen lange Zeit die Rolle der Natalität unter den Sklaven und Sklavinnen. Vgl. Lobo Cabrera (1993), S. 297 f.; Martín Casares (2000a), S. 250–255; ebd. (2000b), S. 55 f.; Períáñez Gómez (2006), S. 140 f. Im Gegensatz zu subsaharischen Sklaven, bei welchen Frauen 47 Prozent ausmachten. Vgl. Martín Casares (2000a), S. 238. Heers schreibt: „Les captifes de guerre, hommes surtout mais aussi femmes et enfants, apportaient dʼimportants contigents serviles.“ Heers (1981), S. 23. Hiergegen betont Martín Casares, dass „los cautivos de guerra son mujeres sobretodo.“ Martín Casares (2000a), S. 240.

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stets mitbedacht werden, auch wenn mein Fokus nicht auf der slave agency liegt. Zur Bezeichnung der versklavten Personen in der guerra de Granada und während der conquista werde ich die Quellenbegriffe morisco-Sklave (esclavo morisco) respektive indio-Sklave (esclavo indio) verwenden. Da diese Bezeichnungen bereits für die Zeitgenossen einen stereotypisierenden Charakter hatten, werde ich sie durchgehend kursiv setzen. Andere häufig verwendete spanischsprachige Begriffe – etwa Audiencia, Casa de la Contratación oder Real Cédula – werde ich nach der Ersterwähnung als Fachbegriffe in den deutschen Text integrieren. Ausnahmen bleiben die meisten ­Amtsbezeichnungen – wie veedor oder procurador general – und Begriffe, die spezifische Praktiken beschreiben (zum Beispiel entrada, cabalgada, armada). Diese werde ich nach einer kurzen Erläuterung unübersetzt lassen und kursiv kennzeichnen. Der Einfachheit halber werde ich darüber hinaus den zeitgenössischen Begriff für die neuentdeckten überseeischen Gebiete (las Indias) durch den Terminus „Spanisch-Amerika“ ersetzen. Ferner werde ich aus demselben Grund die kastilische Herrschaft meist als „kolonial“ bezeichnen, obwohl es sich rein formalrechtlich um überseeisches Territorium der kastilischen Krone handelte und eben nicht um Kolonien.83 Quellenzitate werden im Text ins Deutsche übersetzt, in der Fußnote jedoch im Original wiedergegeben.

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Vgl. Brendecke (2009), S. 29. Der bipolare Charakter der Begriffspaare „Zentrum – ­ olonie“ sowie „Zentrum – Peripherie“ ist auch im Hinblick auf neuere Überlegungen zu K „polycentric monarchies“ problematisch. Vgl. Cardim u. a. (2012), S. 3–8. Wenn ich ­jedoch für Spanisch-Amerika hinsichtlich der Versklavung der indigenen Bevölkerung etwa von „Peripherie“ spreche, so möchte ich dabei nicht auf eine herrschaftstrukturierende oder staatsbildende Analysekategorie hinaus. Ich bezeichne auf diese Weise vielmehr koloniale Randgebiete, in denen die kastilische Herrschaft noch militärisch durchgesetzt werden musste und die aufgrund dessen als Sklavenlieferzonen gelten konnten.

II Grundlagen der iberischen Sklaverei Im folgenden Kapitel sollen die Grundlagen des iberischen Sklavereisystems besprochen werden. Ich werde einleitend fragen, wie sich die Sklaverei ­zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit entwickelte. Wie bildeten sich die Legitimationsdiskurse heraus, auf die spätere Generationen rekurrieren konnten? Auf welche Ideen, Grundsätze und Rechtsvorstellungen stützte sich das System der frühneuzeitlichen Sklaverei? Um eine historische Einordnung der Sklaverei in den iberischen Kontext vorzunehmen, werde ich in einem zweiten Abschnitt einen Makroüberblick über die Entwicklung der Strukturen der Sklaverei sowie der Sklavenmärkte im Mittelmeerraum zwischen Mittelalter und Neuzeit geben und auf die zentralen Praktiken und Verfahren der Sklaverei eingehen. Anhand der Praktiken, die zur Versklavung respektive Freilassung von Menschen zur Verfügung standen, sowie der wirtschaftlichen Bedeutung der Sklaverei soll gezeigt werden, wie stark die Sklaverei in der iberischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit verankert war. Ohne einen Einblick in dieses System, das sich über Jahrhunderte in den iberischen Reichen entwickeln konnte, wäre sowohl die Versklavung der indios als auch der moriscos unverständlich. Ferner möchte ich das Kapitel nutzen, um einige tradierte Narrative der Sklavereigeschichte kritisch zu hinterfragen. 1

„Cautivo de buena guerra“ – Der theologisch-juristische Hintergrund der Sklaverei

Im Gegensatz zu Jean Bodin in Frankreich1 hat im iberischen Kontext kein Autor des 16. Jahrhunderts die Sklaverei in ihrer Grundsätzlichkeit kritisiert. Nichtsdestoweniger unterlag die Versklavung von Menschen stets einem situativ abhängigen Legitimationsdruck, der die Basis für einen komplexen kanonistisch-juristischen und philosophischen Diskurs bildete. Sowohl die

1 Dieser schrieb 1576: „So wäre ich dafür, Sklaven ebenso wie Freien das Bürgerrecht zu gewähren. Ist es nicht dreister menschlicher Hochmut, ja Frevel, seine eigene menschliche Herkunft zu vergessen und dieses von Gott geschaffene Wesen nach schmählicher Beraubung seiner Freiheit nicht nur zu zwingen, einem nach eigener Willkür zu dienen, sondern es sogar zum Vieh hinzuzuzählen oder gar noch geringer achten zu wollen?“ Bodin: Sechs Bücher III, 8, S. 547.

© VERLAG FERDINAND SCHÖNINGH, 2018 | doi 10.30965/9783506707123_003

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Grundlagen der iberischen Sklaverei

Frontstellung der iberischen Reiche mit den muslimischen Rivalen im Süden der Halbinsel, im Mittelmeer und in Nordafrika als auch die Entdeckung und Eroberung der atlantischen Inseln und der „Neuen Welt“ boten Anlass, das Verhältnis des Christentums zu sogenannten „Ungläubigen“ zu diskutieren. Die Debatten um die Rechtmäßigkeit von Krieg und Eroberung fremder Länder waren dabei stets eng mit der Diskussion um die Versklavungen ihrer Bewohner verbunden. Um die komplexen Legitimationsmuster, auf die ich in späteren Abschnitten immer wieder verweisen werde, verständlich zu machen, werde ich im Folgenden die theologisch-philosophischen und juristischen Grundlagen der frühneuzeitlichen Sklaverei skizzieren. Da diese Thematik hier nicht umfassend analysiert werden kann, werde ich mich auf einige vormoderne Autoren beschränken und anhand ihrer Texte die zentralen Punkte der Verbindung von Krieg, Eroberung und Sklaverei herausarbeiten. 1.1 Der „natürliche Sklave“ Häufig ist in der Fachliteratur zu lesen, die frühneuzeitliche Sklaverei beruhe auf der aristotelischen Idee des sogenannten „Sklaven von Natur“. Ausschlaggebend hierfür sei die ab der Renaissance verstärkt einsetzende Rezeption des antiken Philosophen. Entsprechend sehen etwa Martín Casares, Domínguez Ortiz oder Fernández Álvarez in der Unterscheidung zwischen einem von Natur aus freien Menschen und einem Menschen, „der von Natur aus ein Sklave ist“2, einen zentralen Legitimationsaspekt.3 Nach Aristoteles ist der „natürliche Sklave“ in erster Linie mit dem nicht-griechischen Barbaren zu identifizieren. Dieser zeichne sich vor allem dadurch aus, nicht vernunftbegabt zu sein. Lediglich die Sklaverei würde es erlauben, dass der Barbar durch seinen Herrn an dessen Vernunft teilhaben könne.4 Weiter heißt es: „Der Sklave ist nicht nur Sklave des Herrn, sondern er gehört jenem überhaupt an. Wer nämlich von Natur aus nicht sich selbst gehört, sondern als Mensch eben einem anderen, der ist von Natur aus ein Sklave.“5 Die These der „natürlichen Sklaverei“ übte 2 Aristoteles: Politik 1254a. 3 Fernández Álvarez (1998), S. 224; Martín Casares (2000a), S. 68; Domínguez Ortiz (2003), S. 40 f. Diese Sichtweise findet sich etwa auch bei: Elliot (2009), S. 198. 4 Aristoteles: Politik 1254b 20. 5 Ebd., 1254a. Das aristotelische Konzept des „natürlichen Sklaven“ ist ein kaum mehr zu überblickendes akademisches Streitthema. Dies liegt schon daran, dass es Aristoteles selbst offenbar sehr schwer fiel, den „natürlichen Sklaven“ überhaupt zu definieren. Vgl. Garnsey (1996), S. 107–127; Brunt (1993), S. 343–381; Hermann-Otto (2009), S. 19–22; Allain (2002), S. 13. Später stellte Cicero die Idee einer „natürlichen Sklaverei“ in den Dienst des römischen Imperialismus. Hier findet sich auch das Motiv, die Sklaverei sei dann gerecht,

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durchaus Einfluss auf einige frühneuzeitliche Autoren aus.6 So verwendete der einflussreiche schottische Moraltheologe John Major (1470–1550) bereits 1510 eine von ihm postulierte natürliche Inferiorität der indigenen Ethnien als Grundlage des Rechtes der kastilischen Krone, die „Neue Welt“ zu erobern.7 Durch die Rezeption Majors seitens des kastilischen Gelehrten Juan López de Palacios Rubios (1450–1527) im Zuge der Debatten um die Gesetze von Burgos (1512) fanden dessen Ideen Eingang in den kastilischen Diskurs um die Rechtmäßigkeit der conquista.8 Zu beachten ist jedoch, dass mit dieser Argumentation keineswegs die faktische Versklavung der indios impliziert wurde. Vielmehr wurde sie dazu verwendet, die conquista der „Neuen Welt“ generell zu legitimieren. In der Denktradition des „natürlichen Sklaven“ wird in der Regel auch Juan Ginés de Sepúlveda (1490–1573) verortet.9 Der offizielle päpstliche Übersetzer des Aristoteles, spätere Hofchronist Karls V., Erzieher Philipps II.10 und nach Pietschmann „Buhmann der Menschheitsgeschichte“11, gilt in der Forschung meist als Musterbeispiel für die Rechtfertigung der Inferiorität der indios und deren Unterdrückung. In Abgrenzung zum Dominikanerpater Bartolomé de Las Casas (1484/85–1566) wird ihm von Theologie und Rechtsgeschichte mitunter ein „europäischer Ethnozentrismus“12, ein „rassisches Überlegenheitsgefühl“13 und „europäische Arroganz“14 attestiert. Auf der anderen Seite wurde diese anachronistische Verdammung Sepúlvedas angeprangert: Castillo Urbano etwa betont zwar Sepúlvedas Zivilisationskonzept, aus dem eine „natürliche Inferiorität“ der indios hervorgehe. Hieraus ergebe sich aber lediglich ein temporäres Herrschaftsverhältnis, das

wenn auch die versklavte Person hieraus einen – zum Beispiel erzieherischen – Nutzen ziehe. Cicero: Re Publica III, 36. 6 Zum aristotelischen Konzept des „Sklaven von Natur“ und wie es zur Legitimation der conquista instrumentalisiert wurde siehe: Pagden (1988), S. 27–57; Brunstetter (2012), S. 26–32. 7 Vgl. Hanke (1959), S. 14; Losada (1971), S. 300 f.; Fisch (1984), S. 227 f.; Delgado (2007), S. 366. 8 Palacios Rubios: Islas, S. 25–39. Vgl. Maxwell (1975), S. 59 f.; Fisch (1984), S. 228 f. 9 Vgl. Brunstetter (2012), S. 50–53; Pagden (1988), S. 109–119; Maxwell (1975), S. 62 f. und 82 f. 10 Zur Biographie Sepúlvedas siehe: Fernández-Santamaria (1977), S. 163–169; Pietschmann (1994b). 11 Pietschmann (1987), S. 143–166, hier 144. 12 Gillner (1997), S. 133; Bordat (2006), S. 79. 13 Gillner (1997), S. 133. Auch nach Blackburn vertrat Sepúlveda einen „strenuous racism and imperialist apologetics.” Blackburn (1997), S. 151. 14 Bordat (2006), S. 54.

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nicht zu U ­ nterdrückung und Versklavung der indigenen Bevölkerung berechtigt habe. Darüber hinaus sei der Begriff „servus“ in Sepúlvedas Gesamtwerk nicht als „Sklave“ zu verstehen, sondern als „Untergebener“. Sepúlveda habe die indios demnach in keinem Fall als „Sklaven von Natur“ betrachtet.15 Auch Quirk, Pietsch­mann, Jáuregui und Brunstetter folgen dieser Argumentation.16 Sepúlveda selbst grenzt einen juristischen Sklavenbegriff von einem philosophischen ab: Ersterer stehe für einen Sklaven, der nach dem Völker- oder Zivilrecht durch einen anderen Mensch besessen wird. Der philosophische Sklavenbegriff, den er auf die indios angewendet wissen will, basiert dagegen nicht auf einem Besitzverhältnis. Gemeint ist eher eine naturrechtlich begründete Herrschaft des Perfekten über das Imperfekte, mit dem Ziel der Zivilisierung der indios.17 Sepúlveda rechtfertigt somit die Eroberung der „Neuen Welt“, nicht jedoch die Versklavung ihrer Bewohner per se. Das Konzept des „natürlichen Sklaven“ spielte folglich schon bei ihrem vermeintlich bekanntesten iberischen Vertreter nicht die Rolle, die ihr von der Forschung oft zugeschrieben wurde. Es diente zur Legitimation von Eroberung und Herrschaft, ist aber nicht mit einem Recht auf die faktische Versklavung von Menschen zu verwechseln. Dass die Bedeutung des Konzeptes des „natürlichen Sklaven“ nicht überschätzt werden sollte, zeigt auch ein Blick auf das römische und kanonische Recht, deren Rezeption durch die Legisten und Dekretisten des hohen Mittelalters die Basis der frühneuzeitlichen Rechtswissenschaften bildete.18 Im Corpus Iuris Civilis sowie bei den Glossatoren des hohen Mittelalters gilt der Mensch auf der Grundlage des Naturrechts als frei geboren.19 Ähnliches gilt für das kanonische Recht: Während Gratian kaum auf diese Problematik ­eingeht20, 15 Castillo Urbano (2000), S. 43–48. 16 Quirk (1954), S. 357–361; Pietschmann (1987), S. 163–165; Jáuregui/Restrepo (2008), S. 110; Brunstetter (2012), S. 57. 17 Sepúlveda: Democrates Segundo, S. 20. 18 Eine gute Übersicht über das Verhältnis von Sklaverei und Naturrecht findet sich bei: Weigand (1967), S. 64–78 und S. 259–283. Vgl. Allain (2002), S. 12. 19 So etwa in den Digesten bei Florentin: „Servitus est constitutio iuris gentium, qua quis dominio alieno contra naturam subicitur.“ Dig. 1, 5, 4 pr. (Florentin), ediert in: CRRS I, S. 42. Ebenso bei Ulpian: „Cum iuri naturali omnes liberi nascerentur.” Dig. 1, 1, 4 (Ulpian), ediert in: Ebd., S. 40. Später betont Ulpian noch einmal: „Quod ad ius naturali attinet, omnes homines aequales sunt.” Dig. 50, 17, 32 (Ulpian), ediert in: Ebd., S. 80. Vgl. Allain (2002), S. 9 f. Auch für die Sophistik (5. bis 4. Jahrhundert v. Chr.) galt die naturrechtliche Gleichheit aller Menschen einschließlich der „Barbaren“. Antiphon schreibt etwa: „Denn von Natur aus sind alle in jeder Hinsicht gleich, ob Barbaren oder Hellenen.“ Zit. nach: Capelle (2008), S. 308. 20 Corpus iuris Canonici. Pars I. Decretum Gratiani.

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finden sich bei den Dekretisten zahlreiche Ausführungen zur naturrechtlichen Freiheit aller Menschen.21 Dass die Sklaverei – wie auch schon im Alten und Neuen Testament – dennoch eine rechtmäßige Institution war, begründeten Legisten und Dekretisten auf unterschiedliche Weise. In den meisten Fällen versuchten sie, die Sklaverei mit der naturrechtlichen Freiheit aller Menschen zu harmonisieren, indem sie darauf verwiesen, dass das Naturrecht in diesem Punkt von einem „Völkergemeinrecht“22 (ius gentium) abgelöst worden sei. In kanonistischer Argumentation wurde dies häufig noch damit verknüpft, dass Gott die Sklaverei als Strafe für menschliche Sünden – insbesondere seit dem Fluch Noahs über seinen Sohn Ham23 – eingeführt habe.24 Eine ähnliche Rechtfertigung der Sklaverei findet sich beim Kirchenvater Augustinus von Hippo (354–430), der zentralen Autorität für die hochmittelalterliche ­Scholastik. Auch er vertrat die Ansicht, dass der Mensch durch die Gottesebenbildlichkeit von Natur aus frei sei. Erst der Sündenfall Adams hätte zu jenem Zustand geführt, der Besitz, Herrschaft und Sklaverei überhaupt ermöglichte.25 In s­ einer „Summa Theologica“ legte auch Thomas von Aquin (1225–1275) in Anlehnung an römisches Recht dar, dass die Grundlage der Sklaverei nicht das göttliche respektive das natürliche, sondern das von den Menschen geschaffene positive Recht sei. Demnach sei die Sklaverei eine akzidentelle, zweckmäßige Institution, die dem Wohl des bonum commune diene, aber keinesfalls naturgegeben sei.26 Durch das sklavische Abhängigkeitsverhältnis profitiere nicht nur der 21 22

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Vgl. Weigand (1967), S. 264. Ius gentium wird häufig missverständlich mit „Völkerrecht“ übersetzt. Um einer Verwechslung mit dem modernen Völkerrecht zu vermeiden, ist eine Übersetzung mit dem deutschen Begriff „Völkergemeinrecht“ geeigneter. Ius gentium oder „Völkergemeinrecht“ bezeichnet ein Recht, das bei allen Völkern in Geltung ist: „Ius gentium est, quo gentes humanae utuntur quod a naturali recedere facile intellegere licet, quia illud omnibus animalibus, hoc solis hominibus inter se commune sit.“ Dig. 1, 1, 1, 4 (Ulpian). Vgl. Weigand (1967), S. 8 f.; Wieling (1999), S. 2 f. Nach Genesis 9, 21–27 verfluchte Noah seinen Sohn Ham, nachdem dieser ihn in betrunkenem Zustand nackt gesehen hatte. Der Fluch bezieht sich auf Hams Sohn Kanaan, der zu ewiger Sklaverei verdammt wurde. Vgl. hierzu sowie zur Rezeption des Fluches in Mittelalter und Neuzeit: Whitford (2009); Goldenberg (2003); Haynes (2002); Braude (2002). Vgl. Weigand (1967), S. 274. „Doch ist von Natur, wie Gott den Menschen anfangs schuf, niemand eines Menschen oder der Sünde Knecht.“ Augustinus: Vom Gottesstaat 19, 15. Vgl. Garnsey (1996), S. 206–219; Maxwell (1975), S. 35. „Q[uod] hunc hominem esse servum, absolute considerando, magis q[uam] aliu[m], non habet rationem naturalem, sed solum secundu[m] aliquam utilitatem consequentem.” Aquin: Summa, II-II, quaes. LVII, a. III. Vgl. Mensching (2005), S. 127 f.

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Herr, sondern auch der Sklave, da er als eine Art Schutzbefohlener dem stärkeren und klügeren Herrn unterstehe.27 Allerdings, so schränkt Thomas ein, verstoße die Sklaverei nur gegen eine erste Bestimmung des Naturrechts, die von einer zweiten relativiert werde. Diese zweite Absicht der Natur sehe vor, dass ein Mensch, der gegen die natürliche Vernunft handele, mit Sklaverei bestraft werden könne.28 Ebenso verneinte der wohl einflussreichste iberische Theologe seiner Zeit, Francisco de Vitoria (1483–1546), dass die indios „Sklaven von Natur“ seien. Vielmehr seien alle Menschen als „Abbilder Gottes“ vernunftbegabt: „Sie [sind] in Wirklichkeit nicht vernunftlos […], sondern [­befinden] sich auf ihre Weise im Gebrauch der Vernunft.“29 Vitoria erkannte so auch das dominium der indios – also die rechtmäßige Herrschaft über sich selbst und ihr eigenes Land – an.30 Die Meinung Vitorias entsprach letztlich dem vorherrschenden zeitgenössischen Verständnis, das indios als vernunftbegabte ­Menschen begriff. Die Ablehnung, indios als „natürliche Sklaven“ zu betrachten, schlug sich letztlich – wie später ausführlicher gezeigt werden wird – auch in der königlichen Sklavereipolitik nieder.31 Auch die berühmten Siete Partidas, die unter der Herrschaft Alfonso X., el Sabio, in den Jahren 1251 bis 1265 entstanden und durch ihre Folgewerke32 auch im 16. Jahrhundert noch Gültigkeit besaßen, verwarfen die Idee eines „Sklaven von Natur“: Sklaverei ist der Status und die Institution, welche die Völker der Antike für solche Menschen eingerichtet haben, die von Natur aus frei waren, aber entgegen der natürlichen Vernunft zu Sklaven gemacht wurden. […] 27 28

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Vgl. ebd., S. 117–129. „Servitus est contra primam intentionem naturae, sed non est contra secundam, quia naturalis ratio ad hoc inclinat et hoc appetit natura ut quilibet sit bonus. Sed ex quo aliquis peccat, natura etiam inclinat ut ex peccato poenam reportet; et sic servitus in poenam peccati introducta est.“ Aquin, Summa, II-II, LII, a. I, ad. 2. Vgl. Scattola (2007), S. 322; Maxwell (1975), S. 47. „Non sunt amentes, sed habent pro suo modo usum rationis.“ Vitoria: De Indis I, I, 15. „Sine dubio barbari erant publice et privatim ita veri domini, sicut Christiani.” Ebd. 1, 25. Vgl. Castro (2007), S. 30; Brunstetter (2012), S. 36 f.; Killoran (1987), S. 94 f.; Muldoon (1979), S. 144 f.; Fisch (1984), S. 170. Insbesondere die Deklaration zum Sklavereiverbot durch Königin Isabella von 1501, die Gesetze von Burgos (1512), die päpstliche Bulle „Sublimis Deus“ (1537) und letztlich die Leyes Nuevas (1542) zeigen deutlich, dass das aristotelische Konzept „des Sklaven von Natur“ bezüglich der frühneuzeitlichen Sklaverei kaum Anwendung fand. Vgl. Van Deusen (2015), S. 3. So die Leyes de Toro von 1504 und die Nueva Recopilación aus dem Jahr 1567.

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Dies wurde durch die Kaiser eingerichtet. Früher wurden alle getötet, die gefangen genommen wurden. Aber die Kaiser beschlossen Besseres und befahlen, dass diese nicht getötet werden, sondern dass sie dienen sollen.33 Sklaverei wird explizit als eine Institution beschrieben, die der natürlichen Ordnung widerspricht. Wie so oft fußen die Siete Partidas auch hier auf dem oben angesprochenen römischen Recht, das die naturrechtliche Freiheit der Menschen vorsah.34 Legitimiert wird die Sklaverei vielmehr durch die Autorität der römischen Kaiser sowie durch das Argument des minus malus, das die Sklaverei als geringeres Übel im Vergleich zur Todesstrafe beschreibt.35 Dieser Punkt wird unter dem Namen „alternativa a la muerte“ in den Debatten um die Versklavung der moriscos und indios zentral sein. Im Zuge der Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Herrschaft der Kastilier über die „Neue Welt“ wurde immer wieder die geistige oder zivilisatorische Rückständigkeit der indigenen Bevölkerung proklamiert. Um jedoch die Versklavung anderer Menschen zu rechtfertigen, eignete sich das berüchtigte Konzept des „Sklaven von Natur“ nur bedingt. Zwar war die Sklaverei im römischen und kanonischen Recht durchweg erlaubt. Dies geschah allerdings nicht auf der Basis der aristotelischen „Natürlichkeit der Sklaverei“. Im Gegenteil zeigt eine Lektüre der wichtigsten mittelalterlichen Kanonisten, dass „Ungläubigen“ sogar ein unbestreitbares Recht auf Herrschaft zugeschrieben wurde. Naturrecht und dominium – mittelalterliche Grundlagen des frühneuzeitlichen Kirchenrechts Vitoria, Las Casas und andere frühneuzeitliche Autoren wurzelten in der Geisteswelt des Mittelalters. Nach Garrett Mattingly finden sich die zentralen Denkfiguren der „spanischen Schule” der Frühen Neuzeit bereits in der Kanonistik des 12. Jahrhunderts.36 Auf dieser These der Kontinuität von mittelalterlichem und frühneuzeitlichem Denken aufbauend, datiert die Forschung

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„Servidumbre es postura é establecimiento que fizieron antiguamente las gentes por la qual los omes que eran naturalmente libres, se fazen siervosé se meten à señorío de otro, contra razón de natura. [...] Fue establecida por los emperadoreS. Ca antiguamente todos cuantos cativavan, mataban. Mas los Emperadores tuvieron por bien y mandaron que los non matassen, mas que los guardasen y se sirviesen dellos.“ Siete Partidas IV, XXI, I. 34 Scattola (2007), S. 313. 35 Vgl. Doerig (1966), S. 337–361; Allain (2002), S. 12 f. 36 „The conclusions at which the Spanish school arrived are obviously implicit in twelfthcentury canonists with explicit elaborations in the fourteenth an fifteenth centuries.” Mattingly (1964), S. 246.

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heutzutage den Beginn einer Theorie der Beziehungen von Christen zu Andersgläubigen auf das Wirken von Papst Innozenz IV. (1243–1254).37 In seinem Dekretalenkommentar stellte er fest, dass auch „Ungläubige” dem Naturrecht nach Herrschaft (dominium), Eigentum (possessiones) und Gerichtsgewalt (iurisdictiones) über ihr jeweiliges Territorium inne hätten.38 Folglich sei es nicht erlaubt, dass „der Papst oder die Gläubigen den Ungläubigen Eigentum oder Herrschaftsrechte oder Gerichtsgewalt entziehen“39. Nichtsdestoweniger sah Innozenz den Apostolischen Stuhl als Vertreter Jesu Christi mit göttlicher Verantwortung und Autorität über alle Menschen ausgestattet. Aus diesem Grund besitze der Papst Jurisdiktionsgewalt über „Ungläubige“ in potentia. Bei Verstößen gegen das Naturrecht habe er demnach das Recht, diese zu bestrafen.40 Als Referenz für Naturrechtsverstöße zieht er das biblische Sodom sowie Götzenanbetung heran.41 Darüber hinaus dürften „Ungläubige“ zwar nicht zum christlichen Glauben gezwungen werden. Jedoch hätten sie unter Strafandrohung die Pflicht, christliche Missionare zuzulassen und dürften die Ausbreitung des christlichen Glaubens nicht behindern.42 Im Übrigen gilt nicht der Umkehrschluss, dass muslimische Herrscher ebenfalls Missionare in christliche Länder schicken dürfen, denn diese seien „im Irrtum befangen […], [während] wir aber auf dem Weg der Wahrheit gehen“43. Obwohl sein Zeitgenosse, Heinrich von Susa, genannt Hostiensis (­ 1200–1271), verneinte, dass „Ungläubige“ das Recht auf dominium und Besitz hätten und sich somit gegen ihn stellte44, blieben die Ideen Innozenzʼ IV. bis in die 37

Vgl. Muldoon (1979), S. VII–X; Pennington (1993), S. 272; ebd. (1970), S. 153–156; Merediz (2004), S. 9; Fisch (1984), S. 187 f. 38 „Herrschaftsrechte, Eigentum und Gerichtsgewalt kann es erlaubtermaßen und ohne Sünde bei Ungläubigen geben.“ Innozenz IV.: Apparatus III, 34, 8, 3, ediert in: Fontes D. III, 1b, S. 348. 39 Ebd., S. 349. 40 „Der Papst hat von Rechts wegen, wenn auch nicht tatsächlich, die Gerichtsbarkeit und Herrschaftsgewalt über alle Menschen inne. Wegen jener Herrschaftsgewalt […] glaube ich, daß [sic!], wenn ein Heide, der außer dem Naturrecht kein Recht hat, sich gegen das Naturrecht vergeht, er vom Papst zu Rechtbestraft werden kann.“ Ebd., S. 349. 41 Ebd., S. 349 f. 42 Ebd., S. 350. 43 Ebd. 44 Dem Naturrecht nach hätten „Ungläubige” durchaus ein Recht auf dominium. Mit der Ankunft Jesu Christi sei jedoch „jede Fürstenstellung, jedes Herrschaftsrecht und jede Gerichtsbarkeit einem jeden Heiden entzogen worden […] und auf die Christen [übergegangen].“ Hostiensis: Comm. III, fol. 128, ediert in: Fontes D, III, 1c., S. 351. Vgl. Fisch (1984), S. 189.

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Frühe Neuzeit hinein Kern des kanonistischen Denkens.45 Mit wenigen Ausnahmen46 kann so konstatiert werden, dass die Annahme, auch „Ungläubige“ wären rechtmäßige Herrscher über ihr Territorium, für Spätmittelalter und Frühe Neuzeit communis opinio war. Hieraus folgt, dass die Glaubenszugehörigkeit allein keinen ausreichenden Grund für Krieg und Versklavung darstellen konnte. Statt eines „natürlichen Sklaven“ oder der bloßen „Ungläubigkeit“ der Feinde war es vielmehr die Theorie des „gerechten Krieges“, die die zentrale Legitimationsgrundlage für die frühneuzeitliche Sklaverei darstellte. 1.3 Der „gerechte Krieg“ Die Religionszugehörigkeit spielte für die Rechtfertigung der Sklaverei zunächst nur ex negativo eine Rolle: Traditionell war es verpönt, dass Christen ihre Glaubensgenossen versklavten, auch wenn es sich um einen „gerechten Krieg“ handelte.47 Am deutlichsten hat dies der spätmittelalterliche Dominikaner Antonius Pierozzi, genannt Florentinus (1389–1459), herausgearbeitet. Basierend auf der Idee einer christlichen Völkergemeinschaft und dem sogenannten privilegium christianorum verneinte er das Recht der Versklavung von Gefangenen während Kriegen zwischen christlichen Herrschern.48 Dieser Grundsatz galt auch im frühneuzeitlichen Kastilien, wie etwa bei Vitoria oder Diego de Covarrubias y Leyva (1512–1577) nachzulesen ist.49 Auf der anderen 45 46

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„By the late fifteenth century, the canonists had concluded that Christians had no blanket right to dispossess nonbelievers or invade their lands.“ Muldoon (1979), S. 27. So verneinte etwa Aegidius Romanus Anfang des 14. Jahrhunderts mit aller Schärfe ein Herrschaftsrecht von „Ungläubigen“. Aegidius: De ecclesiastica potestate III, 11, ediert in: Fontes D. III 1e, S. 353–355. Im spanischen Kontext finden sich darüber hinaus bei Palacios Rubios und Matías de Paz Anlehnungen an Hostiensis. Vgl. Pennington (1970), S. 151. Ganz ähnlich verhielt es sich im Judentum. Im 3. Buch Mose heißt es: „Wenn ein Bruder bei dir verarmt und sich dir verkauft, darfst du ihm keine Sklavenarbeit auferlegen. […] Die Sklaven und Sklavinnen, die euch gehören sollen, kauft von den Völkern, die rings um euch wohnen; von ihnen könnt ihr Sklaven und Sklavinnen erwerben.“ 3. Mose 25, 39–44. Vgl. Maxwell (1975), S. 45 und 51 f. „In bellis autem, quae sunt inter christianos, sive justa sive injusta sint, non servatur hoc de facto, ut capti servi efficiantur, capientium.” Florentinus: Summa, III., col. 197, 3, 6, 4. Ediert in: Fontes D. I 2g, S. 252. Vgl. zum sogenannten „Christenprivileg“: Soder (1973), S. 210; Birr (2013), S. 301 f. Mehr hierzu siehe: S. 169–171. Bei Vitoria heißt es: „Sed quia iure gentium inter Christianos videtur receptum ut Christiani inter christianos non fiant servi, in bello quidem inter Christianos licet, si ita opus est ad finem belli [captivos ducere etiam innocentes, ut pueros et foeminas, non quidem in servitutem].“ Vitoria: De Iure Belli IV, II, 3, S. 176. Vgl. Brunstetter (2012), S. 44. Covarrubias y Leyva schreibt: „Christiani capti in bello, etiam justissimo, a Christianis,

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Seite gab es, wie oben gesehen, keine allgemeingültige Grundlage, die die Möglichkeit der Versklavung eines Menschen auf der alleinigen Basis seiner Religionszugehörigkeit positiv formulierte. Zentral war eher die Frage nach der Gerechtigkeit des Krieges, dem der Gefangene entstammte. Schon ein Blick auf die zu tausenden überlieferten Kaufverträge zeigt, welchen Stellenwert das bellum iustum innerhalb der Sklaverei einnahm: Rodrigo Ruiz, Bürger von Medina del Campo, verkauft an Lope García, Bürger von Almería, […] eine Sklavin namens María Lucainena, die aus einem gerechten Krieg während der Eroberung von Ynox stammt, für den Preis von 46 Dukaten.50 In diesem Fall wurde die morisca-Sklavin María Lucainena nach ihrer Gefangennahme während der guerra de Granada im Jahr 1569 verkauft. Die Standardformel „de buena guerra” findet sich in den meisten Kaufverträgen des 16. Jahrhunderts. Auf diese Weise wurde der rechtmäßige Sklavenstatus notariell beglaubigt. Wie auch in dem zitierten Fall sicherte sich der Verkäufer so gegen etwaige nachträgliche Beschwerden von Sklave oder Käufer ab. Die antiken Grundlagen eines ius ad bellum oder bellum iustum finden sich in Ansätzen schon bei Platon, vor allem aber bei Aristoteles, Cicero oder im Alten Testament.51 In seiner bekannten Abhandlung „De civitate Dei“ war es aber Augustinus, der als erstes ein umfassendes konzeptionelles Fundament des bellum iustum schuf und so bis in die Neuzeit hinein wirkte. Im 19. Kapitel entwickelt er die Rechtfertigung von herrschaftlich legitimierter Gewalt:

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non efficiuntur servi capientium […], quae in Christo omnibus ejus religionem professis communis est.“ Covarruvias y Leyva: Regulae Peccatum, pars. 2, § 11, rn. 6. Wie ich in Kap. IV/5 ausführen werde, waren auch die zentralen Autoren der sogenannten Schule von Salamanca (Luis de Molina, Domingo Báñez, Pedro de Ledesma und Fernandus Rebellus) dieser Ansicht. Vgl. Scattola (2007), S. 311. Kaufvertrag aus Almería vom 15.2.1569: „Rodrigo Ruiz, vecino de Medina del Campo, vende a Lope García, vecino de Almería, [...] una esclava llamada María Lucainena, habida de buena guerra en la conquista de Ynox, por el precio de 46 ducados.” Abgedruckt in: Cabrillana (1975), Nr. 2, S. 25. Zu Platon siehe: Platon: Politeia 2, 372c–374d. Vgl. Morrow (1939); Despotopoulos (1970); Vlastos (1981); Calvert (1987). Zu Aristoteles siehe: Aristoteles: Politik 1256b 22 f. Vgl. Rief (1981), S. 16; Bordat (2006), S. 11. Zu Cicero siehe: Cicero: Re Publica III, 36. Vgl. Keller (2012); Mantovani (1990), S. IX–XII: Dumont (1987), S. 631–687. Zum „gerechten Krieg“ im Alten Testament: Deuteronomium 20, 10–18. Zur Einführung in die Idee des bellum iustum siehe: Rief (1981); Nicholson (2004), S. 23–35; Mantovani (1990); Janssen/Quante (2003); Reinhard (22000), S. 352 f.

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Insbesondere bei öffentlichem Aufruhr sei Gewalt zwar bedauerlich, aber gerechtfertigt.52 Frieden stellte für Augustinus den höchsten irdischen Wert dar. Der Krieg, dessen Grausamkeit er durchwegs betont, sei eine Strafe Gottes, die sich die Feinde durch sündiges Verhalten selbst zufügen würden.53 Darüber hinaus sei ein Krieg als ultima ratio nur gerecht, wenn er dem friedlichen Zusammenleben der Bürger diene. Er dürfe ferner nur gegen begangenes Unrecht eingesetzt werden und müsse von Gott respektive dem Fürsten autorisiert sein. Während des Krieges sei die innere Friedensordnung der res publica zu wahren und es dürfe nicht gegen göttliche Gesetze verstoßen werden.54 Systematisiert betrachtet findet sich die Sklaverei als spolia iusta (gerechte Beute) in Zusammenhang mit ius gentium und („gerechtem“) Krieg auch bei Isidor von Sevilla (ca. 560–636).55 Diese Überlegungen zum bellum iustum wurden im Mittelalter nur noch geringfügig modifiziert. Das Decretum Gratiani ­(1140–1150), das die Grundlagen des kanonischen Rechtes enthält, stand hier ganz in augustinischer Tradition: Zur Führung eines „gerechten Krieges“ bedürfe es einer obrigkeitlichen Anordnung, eines zu vergeltenden Unrechtes, eines abzuwehrenden Feindes oder eines zu schützenden Verbündeten.56 Auch in den bereits zitierten Dekretalenkommentaren Innozenzʼ IV. finden sich Anmerkungen zum „gerechten Krieg“: Die klassische Argumentation wird erweitert um die Anmerkung, dass ein Fürst einen solchen ausschließlich gegen Personen ausrufen könne, die nicht unter seiner Jurisdiktionsgewalt stünden, da es sich sonst lediglich um eine Bestrafung im gesetzlichen Sinne handele und nicht um einen Krieg.57 Darüber hinaus erwähnt Innozenz explizit, dass die

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„Wenn aber ein Hausgenosse dem häuslichen Frieden ungehorsam widerstrebt, muss er durch Worte oder Schläge oder ein anderes gerechtes und erlaubtes Zuchtmittel, wie es das Herkommen gestattet, gestraft werden, und zwar zum eigenen Nutzen, damit er der Friedensordnung, die er verlassen, wieder eingefügt werde.“ Augustinus: Gottesstaat 19, 16. 53 „Denn wenn auch ein gerechter Krieg geführt wird, kämpft man doch auf der Gegenseite für die Sünde. Und jeder Sieg, auch wenn er Bösen zufällt, ist ein Gottesgericht zur Demütigung der Besiegten, sei es um sie von Sünden zu reinigen, sei es, um sie für Sünden zu bestrafen.“ Ebd. 19, 15. 54 Ebd. 19, 12. Vgl. Rief (1981), S. 24 f.; Fisch (1984), S. 168. 55 Isidoro: Etimologías V, V f. Vgl. Soder (1973), S. 120. 56 Decretum Gratiani, secunda pars, causa XXIII, q. II. 57 „Ium autem secundum quod proprie dicitur, solus princeps qui superiorem non habet, indicere potest, & potest illud indicere contra eos, contra quos non competerent executio iurisdictioni.” Innozenz IV.: Appar. II, 13, 12, ediert in: Fontes, D. X 2e, S. 570. Dies ist zudem ein interessanter Punkt, der gegen die Klassifizierung der guerra de Granada

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im „gerechten Krieg“ gefangenen Menschen zu Sklaven gemacht werden: „Im gerechten Krieg […] gehen die weggenommenen Güter in den Besitz der Okkupanten über, und die Gefangenen werden zu Sklaven gemacht.“58 Inhaltlich wenig Neues hinzugefügt, dafür jedoch systematisiert und begrifflich geschärft wurde die Theorie des bellum iustum schließlich von Thomas von Aquin. In seiner „Summa Theologica“ betrachtet er den Krieg als actus sui generis.59 Nach einer klaren Systematik benennt er drei Erfordernisse, die für das Führen eines „gerechten Krieges“ erfüllt sein müssen: Die Vollmacht eines Fürsten (auctoritas principis), einen gerechten Grund (iusta causa) und die Absicht, das Gute zu fördern (intentio recta). Ein gerechter Grund liege vor, wenn ein vorangegangenes Unrecht rückgängig gemacht werden müsse. Die rechtmäßige Absicht zeichne sich dadurch aus, dass der Krieg nicht aus Gier und mit Grausamkeit geführt werde, sondern aus Friedenseifer.60 Wenn innerhalb eines bellum iustum Beute gemacht werde, so sei dies ebenfalls gerecht, solange die Begierde nach Beute nicht der eigentliche Anlass des Krieges sei.61 Eine ausdrückliche Position zu Versklavungen während des bellum iustum findet sich darüber hinaus nicht.62 Antike und mittelalterliche Überlegungen zum bellum iustum fanden vor allem über Thomas von Aquin Einfluss auf das iberische Denken des 16. Jahrhunderts. Basierten die mittelalterlichen Auseinandersetzungen mit der Thematik noch maßgeblich auf der Konfrontation mit dem islamischen Feind (Kreuzzüge, reconquista), so erörterten Vitoria, Sepúlveda, Las Casas und andere den „gerechten Krieg“ vor allem anhand der Eroberung der „Neuen Welt“. Die zentrale Frage, die während der bekannten „Disputation von Valladolid“ (1550/51) ihren institutionellen Höhepunkt fand63, lautete, ob es e­ rlaubt als bellum iustum spricht und später noch einmal von Covarrubias y Leyva aufgegriffen wurde. Er lehnte die Versklavung von aufständischen Untertanen in der Folge ab. Covarrubias y Leyva: Regulae Peccatum, pars. 2, § 9, rn. 3–4. Mehr hierzu siehe: S. 171 f. 58 „In iusto autem bello […] dicimus quod res occupatae sunt capientium, & liberi homines, capti siunt servi.“ Innozenz IV.: Appar. II, 13, 12, ediert in: Fontes, D. X 2e, S. 570. Vorbild ist einmal mehr das römische Recht. So erläuterte schon Ulpian das Sklavenrecht im Krieg: Dig. 49, 15, 24 (Ulpianus), ediert in: CRRS I, S. 78. 59 Aquin: Summae, II-II, qu. 40. Vgl. Rief (1981), S. 31. 60 Ebd. II–II, qu. 40, 1. 61 Ebd. II–II, qu. 60, 8. 62 Vgl. Russell (1975), S. 280: „[It is] doubtful that Aquinas himself formulated a clear position regarding enslavement.” 63 Las Casas und Sepúlveda diskutierten hier das Eroberungs- und Herrschaftsrecht der kastilischen Krone in der „Neuen Welt“. Vgl. Losada (1971); Brunstetter (2010); Castro (2007), S. 128–133.

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sei, zur Durchsetzung der christlichen Mission Krieg gegen die indigene Bevölkerung der „Neuen Welt“ zu führen. Erst auf einer zweiten Ebene stellte sich die Frage, ob die indios dabei auch versklavt werden dürfen. Der bekannteste Vertreter der neoscholastischen „Schule von Salamanca“, Francisco de Vitoria, verhandelte das Recht der kastilischen Krone auf die Beherrschung der „Neuen Welt“ in seinen zwei bekannten, 1539 gehaltenen Vorlesungen „De Indis recenter inventis“ und „De jure belli hispanorum in barbaros“. Wie bereits oben erläutert, war für Vitoria jeder Mensch in der Lage, durch seine Vernunft das Naturrecht zu erkennen. Trotz sündhafter Taten besäßen so auch die indigenen Ethnien ein natürliches Recht auf dominium, das sich aus der von Gott geschaffenen Ordnung der Welt ergebe. Auf dieser Annahme basierend erläutert er zunächst sieben ungerechte Herrschaftstitel der Kastilier über die „Neue Welt“: Einen kaiserlichen Universalitätsanspruch lehnt er ebenso ab wie die päpstliche Hierokratie. Weder habe der Kaiser das Recht, in der „Neuen Welt“ Souveränität auszuüben64, noch habe der Papst dort eine weltliche Autorität.65 Das von den Konquistadoren häufig ins Feld geführte Argument der ersten Entdeckung lehnt er mit dem Hinweis ab, dass dies nur gelte, falls es sich um unbesiedeltes Land handele.66 Die Verbreitung des Christentums ist für Vitoria selbstverständlich legitim. Die bloße Ablehnung des christlichen Glaubens durch die indios bedinge jedoch keinen gerechten Herrschaftstitel; mit dem Hinweis, dass der Krieg kein Beweismittel des christlichen Glaubens sei, lehnt Vitoria die Schwertmission ab.67 Auch Verstöße gegen das Naturrecht, wie etwa Kannibalismus oder Inzest, erkennt er nicht als gerechten Grund an, da weder Papst noch Kaiser Gerichtsbarkeit über die Ungläubigen ausüben könnten.68 Das Prinzip der freien Herrscherwahl, das von Konquistadoren oft vertreten wurde, erkennt Vitoria zwar durchaus an, bezweifelt jedoch, dass die indios Karl V. freiwillig als ihren Herrscher anerkannt haben.69 Zuletzt spricht er noch den göttlichen Willen an: Selbst wenn die Vernichtung der indios diesem wider Erwarten entspräche, würden sich die Konquistadoren bei dessen Ausführung schuldig 64 65 66 67 68 69

„Imperator non est dominus orbis.“ Vitoria : De Indis I, 2, 3, S. 42. „Papa non est dominus civilis aut temporalis totius orbis.“ Ebd. I, 2, 5, S. 46. Ebd. I, 2, 10. „Ergo per bellum barbari non possunt moveri ad credendum.“ Ebd. I, 2, 20, S. 66. „Principes Christiani, etiam auctoritate Papae, non possunt coercere barbaros a peccatis contra legem naturae nec ratione illorum eos punire.“ Ebd. I, 2, 22, S. 69. „Patet primo, quia deberet abesse metus et ignorantia, quae vitiant omnem electionem. Sed haec intervenit in illis electionibus et acceptationibus; nesciunt enim barbari quid faciunt, immo forte nec intellegunt quid petunt Hispani.“ Ebd. I, 2, 23, S. 73.

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machen.70 Im zweiten Teil der Vorlesung gibt Vitoria dagegen sieben gerechte Herrschaftstitel an: Ein naturrechtliches Gebot der Gastfreundschaft gebiete eine Handels- und Reisefreiheit (ius peregrinandi) aller Menschen. So dürften Christen in die „Neue Welt“ einwandern, siedeln und Ressourcen abbauen, solange den Einheimischen hieraus kein Schaden entwächst.71 Auch die Verkündung des christlichen Glaubens (ius praedicandi) stelle ein verbrieftes Recht der kastilischen Krone dar.72 Widerstehen die „Ungläubigen“ den Geboten der Reisefreiheit, dem Missionsrecht oder zwingen bereits christianisierte indios zum Götzendienst (revocare ad idololatriam), sei ein kriegerisches Eingreifen der christlichen Herrscher im Rahme eines bellum iustum einschließlich der Versklavung der Schuldigen gerechtfertigt.73 Weitere legitime Herrschaftstitel ergeben sich für Vitoria aus der Rettung unschuldiger „Ungläubiger“ (ius interventionis) aus Nächstenliebe, etwa vor Menschenopfern oder Kannibalismus;74 ebenso gelte die „wirklich freie Herrscherwahl“ (voluntariam electionem), bei der ein Mehrheitsbeschluss notwendig sei.75 Darüber hinaus sei es möglich, dass Christen auf Seiten ihrer Bundesgenossen in einen Krieg zwischen „Ungläubigen“ eingreifen (causa sociorum et amicorum). Konkret nennt er das Beispiel des Krieges der Kastilier und der mit ihnen verbündeten Tlaxcalteken gegen die Azteken.76 Ferner könne der Papst, sobald die Mehrheit der „Ungläubigen“ bekehrt sei, einen christlichen Fürsten einsetzen (dare illis principem 70

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„Item, dato quod ita esset, quod Dominus perditionem barbarorum facere constituisset, non tamen ideo consequitur quod ille, qui eos perderet, esset sine culpa.“ Ebd. I, 2, 24, S. 74. „Hispani habent ius peregrinandi in illas provincias et illic degendi, sine aliquot amen nocumento barbarorum, nec possunt ab illis prohiberi.“ Ebd. I, 3, 1, S. 77 f. „Christiani habent ius praedicandi et annuntiandi Evangelium in provinciis barbarorum.“ Ebd. I, 3, 8, S. 87. „Si barbari […] impediant Hispanos quominus libere annuntient Evangelium, Hispani, […] possunt, illis invictis, praedicare et dare operam ad conversionem gentis illius et, si sit opus, propter hoc bellum suspicere.“ Ebd. I, 3, 11, S. 89. „Alius titulus posset esse propter tyrannidem vel ipsorum dominorum apud barbaros vel etiam propter leges tyrannicas in iniuriam innocentium, puta quia sacrificant homines innocentes vel alias occidunt indemnatos ad vescendum carnibus eorum. Dico etiam quod sine auctoritate Pontificis possunt Hispani prohibere barbaros ab omni nefaria consuetudine et ritu.“ Ebd. I, 3, 14, S. 93. „Si barbari ipsi intellegentes et prudentem administrationem et humanitatem Hispanorum ultro vellent accipere in principem Regem Hispaniae, tam domini quam alii.“ Ebd. I, 3, 15, S. 94. „Cum enim ipsi barbari inter se gerant aliquando legitima bella, et pars, quae iniuriam passa est, habet Ius bellum inferendi, potest accersere Hispanos in auxilium et praemia victoriae illis communicare, ut feruntur fecisse Talcalthedani contra Mexicanos, qui cum

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Christianum).77 In seiner Vorlesung „De Iure Belli“ geht Vitoria in Ergänzung zu den vorherigen Ausführungen schließlich systematisch auf Fragen des bellum iustum ein. Zunächst schickt er voraus, dass entgegen einiger Bibelstellen den Christen das Recht auf Verteidigungs- und auch Angriffskriege zustünde. Sowohl als Mittel der Abschreckung als auch der Strafe für begangenes Unrecht sei Gewalt zur Aufrechterhaltung des Friedens notwendig.78 In thomistischer Tradition erklärt Vitoria die res publica respektive den Fürsten zum Urheber eines „gerechten Krieges“. Ergänzend sieht er jedoch auch die Privatperson zur Führung eines „gerechten Krieges“ im Verteidigungsfall berechtigt.79 Wie oben schon ersichtlich, lehnt er die Verschiedenheit der Religion80, die Erweiterung des Herrschaftsgebietes81 sowie Ruhm und Vorteile für den Fürsten82 als legitime Kriegsgründe ab. Einzig ein erlittenes Unrecht legitimiere die Führung eines bellum iustum.83 Während des Krieges sei darüber hinaus alles erlaubt, was zur Verteidigung des öffentlichen Wohles sowie zur Erlangung des Friedens notwendig sei.84 Zur Kompensierung der Kriegskosten sowie als Strafe dürfe Beute gemacht werden.85 Die wissentliche Tötung Unschuldiger, in erster Linie Frauen und Kinder, sei verboten.86 Allerdings sei es erlaubt, auch Unschuldige während des Krieges in Gefangenschaft und Sklaverei zu überführen, da dies eine „Fügung des Schicksals sei“.87 Ob die conquista der „Neuen Welt“ und die Versklavung der indios letztlich gerecht seien, lässt Vitoria offen, da er mit den konkreten Umständen vor Ort kaum vertraut war. Ein interessanter Punkt, denn so scheint für Vitoria die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Sklaverei durch bloße Theorieanwendung nicht beantwortbar zu sein. Vielmehr waren

Hispanis composuerunt, ut eos iuvarent ad debellandos Mexicanos, haberent autem quicquid iure belli ad eos spectare poterat.“ Ebd. I, 3, 16, S. 95. 77 „Si bona pars barbarorum conversa esset ad Christum […] Papa ex rationabili causa posset […] dare illis principem christianum.“ Ebd. I, 3, 13, S. 92. Vgl. Fisch (1984), S. 212–222. 78 Vitoria: De Iure Belli I, 1–2. 79 Ebd., II, 3. 80 „Causa iusti belli non est diversitas religionis.“ Ebd. III, 1, S. 123. 81 „Non est iusta causa belli amplificatio imperii.“ Ebd. III, 2, S. 124. 82 „Nec etiam est iusta causa belli gloria propria aut aliud commodum principis.“ Ebd. III, 3, S. 124. 83 „Una sola causa iusti belli est, scilicet iniuria accepta.“ Ebd. III, 4, S. 126. 84 „In bello licet omnia facere, quae necessaria sunt ad defensionem boni publici.“ Ebd. IV, 1, S. 131. 85 „Licet occupare ex bonis hostibus impensam belli.“ Ebd., S. 132. 86 „Numquam licet per se et ex intentione interficere innocentem.“ Ebd. IV, II, 1, S. 164. 87 „Licet ducere innocentes in captivitatem, sicut licet spoliare illos, quia libertas et captivitas inter bona fortunae reponuntur.“ Ebd. IV, II, 3, S. 176.

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lokale, situative Verhältnisse entscheidend. Festzuhalten bleibt, dass er, ganz in Übereinstimmung mit dem Denken seiner Zeit, Sklaverei im „gerechten Krieg“ als absolut legitim betrachtete. Eine ähnliche Doktrin bezüglich des bellum iustum entwickelte Sepúlveda in seinem 1545 erschienenen Dialog „Democrates segundo o de las justas causas de la guerra contra los indios“. In Anlehnung an Augustinus und Isidor von Sevilla folgt auch er zunächst den klassischen Gründen für einen „gerechten Krieg“ als ultima ratio: Selbstverteidigung88, die Wiedererlangung gestohlener Güter89 und die Bestrafung der Angreifer90. Da diese Gründe die conquista der „Neuen Welt“ offenkundig nicht ausreichend legitimierten91, fügte er vier weitere gerechte Gründe hinzu: Die indios seien, wie oben bereits ausgeführt, „natura servi“ und sollten deshalb von den zivilisatorisch überlegenen Christen beherrscht werden.92 Zweitens würden Verstöße gegen das Naturrecht, in erster Linie Anthropophagie, ein militärisches Eingreifen rechtfertigen.93 Drittens sei es geboten, Unschuldige vor dem Schicksal des Menschenopfers zu retten.94 Als letzten legitimen Grund nennt Sepúlveda schließlich die Vorbereitung der christlichen Mission durch militärische Mittel.95 Sowohl die Besitztümer der Besiegten in einem „gerechten Krieg“ als auch sie selbst gingen dabei in das Eigentum der Sieger über. Dies stelle den Ursprung der oben angesprochenen juristischen Sklaverei dar. Als bekanntester Kritiker von conquista, Unterdrückung und Sklaverei sowie Antipode Sepúlvedas gilt der berühmte Dominikanerpater Bartolomé de 88

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„Sed iustae causae subesse debent, ut iuste bellum suscipiatur, quarum illa grauissima est, et maxime naturalis, ut ui cum non licet aliter vis illata repellatur.“ Sepúlveda: Democrates segundo, S. 16. „Secunda Causa Iusti belli est, ut res ablatae repetantur.“ Ebd., S. 17. „Tertia, ut qui iniuriam intulerunt, an iis poena repetantur.“ Ebd. Vgl. Fernández-Santamaria (1977), S. 223. „Primum, si cum sint natura servi.“ Sepúlveda: Democrates segundo, S. 84. „Alteram causam attulisti, ut tollantur humanarum epularum portentosa flagitia, quibus plurimum rerum natura violatur, neue quod iram.“ Ebd. „Ut graves iniuriae a plurimis innocentibus mortalibus, quos barbari quotannis immolabant arcerentur, quas iniurias a quibusuis hominibus repellere cunctos homines si possint, lege divina iuberi docuisti.“ Ebd. „Quarto loco posuisti, ut Christiana Religio, qua se aditus ostendit, longe et late convenientibus rationibus per evangelicam praedicationem dilatetur, aperta via praedicatoribus morumque, et religionis magistris munita, atque ita munita, ut non solum ipsi tuto ­valeant evangelicam doctrinam tradere, sed etiam a popularibus barbaris omnis timor, suorum principum, et sacerdotum removetur, quo libere, et impune liceat persuasis Christianam religionem accipere.“ Ebd., S. 84 f.

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Las Casas.96 Nicht nur genießt er den Ruf des „Erfinder[s] der Menschrechte“97 und „Gefährte[n] der Völkerfamilie auf dem Weg in das 21. Jahrhundert“98, es werden ihm auch zentrale „antiabsolutistische und frühdemokratische“ Werte wie die Volkssouveränität und die Religionsfreiheit attestiert.99 Gerade weil diese überwiegend positiven bis heroisierenden Deutungen das Feld der Forschung dominieren100, ist es bemerkenswert, dass auch er eine Doktrin des bellum iustum und der Sklaverei vertrat, die sich durchaus mit den zeitgenössischen Idealen vertrug. Die „Apología“101 enthält die wichtigsten lascasianischen Argumente, wie er sie während der „Disputation von Valladolid“ vertrat. Anhand der vier gerechten Kriegsgründe, die Sepúlveda für die rechtmäßige Eroberung der „Neuen Welt“ angibt, entwickelte Las Casas selbst eine Lehre des bellum iustum.102 Wenig überraschend ist der „Verteidiger der indios“ zunächst bemüht, die Argumentation Sepúlvedas zu widerlegen: Die indios seien mitnichten inferior oder zivilisatorisch unterlegen. Vielmehr seien sie durch ihre Sanftmütigkeit und Bescheidenheit prädestiniert für die friedliche Verbreitung des Christentums.103 Zweitens habe die Kirche keine Jurisdiktionsgewalt in actu über „Ungläubige“. Somit stehe es den christlichen Herrschern nicht zu, indios für Verbrechen gegen das göttliche respektive das Naturrecht zu bestrafen.104 Als dritten gerechten Kriegsgrund führte Sepúlveda die Rettung Unschuldiger vor Menschenopfern und Kannibalismus ein. Las Casas gibt ihm in diesem Punkt zunächst Recht: Unschuldige „Ungläubige“ stünden unter dem Schutz der Kirche, was eine militärische Rettungsaktion r­ echtfertige.105 96 Vgl. Delgado (2011). 97 Flaig (2009), S. 164. 98 Meier (1992), S. 48. 99 Gschwend/Good (2009), S. 217–256. 100 Eine historisch ausgewogene Betrachtung legte dagegen Daniel Castro vor. Castro (2007). 101 Las Casas: Apología. 102 Vgl. Pagden (1988), S. 119. 103 „Immo vero eius mansuetudinis et modestiae sunt ut supra caeteras totius orbis gentes aptissimae et paratissimae sunt ad relinquendum idolorum cultum et suscipiendum provinciatim et populatim Verbum Die et veritatis annuntiationem.“ Las Casas: Apología, S. 80. 104 „Neque Ecclesia neque principes Chritiani possunt de eis cognoscere neque illorum rationeeos punire. Carent enim iurisdictione quae est omnium actuum iudicalium fundamentum necessarium, praecipue ad puniendum aliquem.“ Ebd., S. 128. 105 „Itaque ad Ecclesiam et ad Vicarium Christi, tamquam ad pastorem et curatum universalem totius orbis, pertinent auctoritative et antonomastice in hoc casu iurisdictionem exercere, non quidam ut infideles puniat vel subigat, ratione huius criminis […], sed ut

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Jedoch  gibt er zu bedenken, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müsse. Daher rät er im Falle Spanisch-Amerikas von einem militärischen Eingreifen zur Rettung Unschuldiger ab, da im folgenden Krieg deutlich mehr Todesopfer zu beklagen wären.106 Die Vorbereitung der Mission durch kriegerische Mittel lehnt Las Casas wie Vitoria darüber hinaus kategorisch ab. Die Konversion der indios sei ausschließlich durch friedliche, geistliche Mittel zu erreichen und nicht durch das Schwert.107 Ferner widerspricht er, ohne im Detail auf diese einzugehen, den sieben gerechten Titeln Vitorias.108 Darüber hinaus erkennt er im Falle der conquista weder eine auctoritas principes noch eine wirkliche intentio recta bei den Konquistadoren.109 Obwohl bei Las Casas der Frieden als höchstes Gut omnipräsent ist, kann er nicht als Pazifist verstanden werden. Auch für ihn gab es klare Gründe, die einen „gerechten Krieg“ legitimierten: So gehe die Jurisdiktionsgewalt der Kirche in actu über, falls „Ungläubige“ ungerechterweise ehemals christliche Gebiete besitzen. Etwa in Konstantinopel, Ungarn oder Teilen Afrikas sei so ein durch christliche Herrscher geführter Krieg gerecht.110 Ein zweiter Grund sei gegeben, wenn „Ungläubige“ in ehemals christlich beherrschten Gebieten Idolatrie betrieben.111 Drittens sei die böswillige Blasphemie „Ungläubiger“ gegenüber der christlichen Religion ein gerechter Kriegsgrund.112 Ein vierter Grund ist an Vitoria angelehnt: Falls „Ungläubige“ die Verbreitung des christlichen Glaubens aktiv und absichtlich behindern, sei ein kriegerisches Eingreifen legitim.113 Fünftens ist auch nach Las Casas das Recht auf Selbstverteidigung in der Natur begründet. Im Falle der 106 107

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provideat quod necesarium fuerit ad impediendum ne tales innocentes occidantur.“ Ebd., S. 361 f. „Impediamus mortem paucorum innocentium, in innumeram hominum multitudinem etiam immerentium devoveamus.“ Ebd., S. 368. „Quae fit per rationis instantiam et suasionem humanam vel spiritualem interioremque ministerio angelorum. Et, per consequens, falsum et impium est asserere Christum praecepto nos astrinxisse per illam bellum contra infideles pacificos praedicationem evangelii praecedere, cum magnas haberet Ecclesia vires.“ Ebd., S. 560. Ebd., S. 627 f. Vgl. Gillner (1997), S. 249 f. „Si possident iniuste regna quibus Christianam gentem iniuste spoliarunt, praecipue si in eis vivant Christiani.“ Las Casas: Apología, S. 238. „Secundo, Ecclesia actu exercet iurisdictionem in pationis fuerunt, quando in provinciis, quae quondam Christianae ditionis fuerunt, idolatriam excercent.“ Ebd., S. 240. „Si blasphemi sunt in Christum vel in divos vel in Christianiam Religionem malitiose scienterque contumeliose, loquentes ex odio et contemptu Christianiae veritatis.“ Ebd., S. 326. „Ad principes infideles, qui malitiose impedissent propagationem evangelii revertendo, posse contra eos Ecclesiam movere bellum.“ Ebd., S. 352.

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„Türken“ und „Mauren“ sei also Krieg und Versklavung rechtens.114 Der sechste gerechte Kriegsgrund wurde mit der Rettung Unschuldiger bereits oben angesprochen. Kaum überraschend sieht Las Casas auch die von ihm aufgestellten Bedingungen für einen „gerechten Krieg“ im Falle der conquista als nicht erfüllt an. In seinem eigens der indio-Sklaverei gewidmeten Werk „Tratado sobre la materia de los indios que se han hecho esclavos” (ca. 1548) widerlegt er ausführlich, dass sowohl der Krieg gegen die indios als auch deren Versklavung im Einklang mit den bereits erläuterten bellum iustum-Theorien stehen.115 Auf diese Weise widerspricht er nicht der zeitgenössischen Rechtsauffassung zu Krieg und Sklaverei, sondern bestreitet, dass es sich bei der conquista der „Neuen Welt“ um einen „gerechten Krieg“ handelt. Dies wird auch belegt durch die Tatsache, dass Las Casas die Versklavung von Muslimen durchgehend befürwortete116 und bekanntlich mehrfach vorschlug, subsaharische Sklaven nach Neuspanien zu importieren, um die Arbeitslast der indigenen Bevölkerung zu verringern.117 Dass er diesen Vorschlag retrospektiv zutiefst bereute, da er erfahren habe, dass die Portugiesen in Westafrika mitnichten einen „gerechten Krieg“ führten118, passt ebenso in dieses Bild. Letztlich kann mit Daniel Castro festgehalten werden, dass sich Las Casas und Sepúlveda 114 „Quintus casus in quo Ecclesia potest in actum deducere iurisdictionem, quam super infideles habet tantum habitu, est cum infideles bellico apparatu in provincias nostras irrumpunt.“ Ebd., S. 354. 115 Ebd.: Tratado. Vgl. Carillo Cázares (2000), S. 95–99. 116 So kritisierte er im Jahr 1535 die Versklavung der indios mit dem Hinweis, dass es sich bei der indigenen Bevölkerung der „Neuen Welt” nicht um Muslime handele, die der Christianisierung Widerstand geleistet hatten: „Porque estos infieles no son moros que resistan la fe.“ In: Ebd.: Carta, S. 93. 117 Schon 1516 sah er die Einfuhr subsaharischer Sklaven als mögliche Lösung, um die indios vor körperlicher Ausbeutung zu bewahren. Ebd.: Memorial de Remedios, S. 36. Auch fünfzehn Jahre später vertrat er diese Meinung: Am 20.1.1531 schrieb Las Casas an den Indienrat, dass die monopolistische Vergabe von Lizenzen zum Import von negro-Sklaven eine Teilschuld an der demographischen Katastrophe der indios trage und in Zukunft alle Siedler solche Lizenzen erhalten sollten: „Una, señores, de las causas grandes que an ayudado a perderse esta tierra e no se poblare más de lo que se a poblado [...] es no conçeder libremente a todos cuantos quisieren traer las liçençias de los negros.” Ebd.: Carta al Consejo, S. 80. Ähnliche Vorschläge zur negro-Sklaverei finden sich auch in: Ebd.: Memorial de Remedios, S. 116 sowie in: Ebd.: Conclusiones sumarias, S. 129. 118 „Este aviso de que se diese licencia para traer esclavos negros a estas tierras dio primero el clérigo Casas, no advirtiendo la injusticia con que los portogueses [sic!] los toman y hacen esclavos.” Ebd.: Historia III, S. 191. „Ser tan injusto el captiverio de los negros como el de los indios, no fue discrete remedio el que aconsejó que se truxesen negro para que se libertasen los indios.” Ebd., S. 232.

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kaum in der Essenz ihrer Ziele und Forderungen unterschieden. Allein die befürwortete Form der zu erreichenden Konversion der indios wich voneinander ab.119 Insbesondere mit dem Blick auf die conquista entfaltete sich eine breite, kaum überschaubare Kontroverse über die Rechtmäßigkeit von Krieg und Sklaverei. Verwurzelt im römischen Recht und der mittelalterlichen Kanonistik entwickelte sich vor allem die bellum iustum-Doktrin zum zentralen Gradmesser der Gerechtigkeit von Sklaverei. Ideen wie der aristotelische „Sklave von Natur“ spielten dagegen nur am Rande eine Rolle. Zahlreiche iberische Autoren boten in diesem Rahmen einen breiten Kanon an Legitimationsmustern, auf die die Akteure der conquista und der guerra de Granada rekurrieren konnten, um ihr Handeln zu rechtfertigen oder die Taten anderer zu ­kritisieren. Dass die Versklavung der Gegner im Sinne einer spolia iusta des („gerechten“) Krieges legitim sei, wurde dabei von keinem Autoren bezweifelt. Nichtsdestoweniger war es situativ möglich, Kritik an der Versklavung von Menschen zu üben.120 Wie deutlich geworden ist, richteten sich die Argumente aber nicht gegen die Sklaverei an sich, sondern stellten die Gerechtigkeit des jeweiligen Krieges in Frage. Die ideengeschichtliche Kontinuität der Sklaverei zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, die sich in diesem Abschnitt gezeigt hat, wird sich auch bei den folgenden Überlegungen zu den Verfahren und Praktiken der Sklaverei wiederfinden. 2.

Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel: Ein longue-durée-Phänomen

Im Zuge seiner umfassenden Studien zu Leibeigenschaft und Feudalgesellschaft des Mittelalters stellte Marc Bloch fest, dass „Europe of modern times, with a few rare exceptions, has not known slavery on its own soil“121. Auch sein Zeitgenosse Norbert Elias konstatierte im zweiten Band des „Prozess der Zivilisation“, dass Sklaven „seit dem Mittelalter im Gesamtaufbau der Gesellschaft keine sehr bedeutende Rolle mehr [spielten]“122. Tatsächlich wurde die Sklaverei im frühneuzeitlichen Europa noch bis vor Kurzem als höchstens 119 Castro (2007), S. 39. 120 So war zum Beispiel Luis de Molina einer der wenigen, die den Handel mit subsaharischen Sklaven kritisierten, da hier seiner Meinung nach kein „gerechter Krieg“ vorlag. Molina: De Iustitia 1, tract. 2, disput. 35, rn. 16–17. Vgl. MacGregor (2015), S. 222–225. 121 Bloch (1975), S. 1. 122 Elias (1999), S. 78.

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­marginale Restform ihrer antiken Vorgängerin betrachtet.123 Der Grund hierfür ist nicht etwa in der Quellenarmut zu suchen, sondern in der bereits erwähnten ­Konzentration der internationalen Sklavereiforschung auf die quantitativ bedeutsamere transatlantische und koloniale Sklaverei. Der Vergleich der frühneuzeitlichen iberischen Sklaverei mit ihren Äquivalenten im Antebellum South, dem kolonialen Brasilien oder dem antiken Rom führte häufig dazu, erstere zu relativieren und als „milde Sklaverei“124 zu charakterisieren. Diese quantitativen und qualitativen Unterschiede der verschiedenen Formen der Sklaverei übertrug der Althistoriker Moses I. Finley in ein Modell, in dem er zwei Arten von Gesellschaften, in denen Sklaverei eine Rolle spielt, unterscheidet: Zum einen die „sklavistischen Gesellschaften“ oder „Sklavenhaltergesellschaften“, die vor allem durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Sklaven charakterisiert sind. In diese Kategorie fallen etwa die Sklaverei der römischen oder griechischen Antike, die Plantagensklaverei des kolonialen Brasiliens sowie die Sklaverei im Antebellum South der USA. In Abgrenzung hierzu betrachtet er die große Mehrheit der historischen Gesellschaften, in denen es zwar Sklaven gab, aber keine Abhängigkeit von diesen bestand, als „Gesellschaft mit Sklaven“.125 Dieses wirkmächtige Modell wurde auch in der spanischen Sklavereiforschung rezipiert und auf die iberischen Gesellschaften übertragen.126 Obwohl die gesamtökonomische Bedeutung der iberischen Sklaverei in der Frühen Neuzeit kaum erforscht ist, wird häufig davon ausgegangen, dass Sklaven, deren Bevölkerungsanteil in den Städten selten zehn Prozent überstieg127, in erster Linie urban-häusliche Bedienstete waren und so wenig Einfluss auf die Wirtschaftsleistung hatten. In jüngster Zeit ist Finleys Konzept von Seiten der neueren globalhistorischen Sklavereiforschung in Frage gestellt worden.128 Insbesondere die Annahme, dass die ökonomische Rolle, die die Sklaverei innerhalb einer Gesellschaft einnahm, auch ihrer sozialen und politischen Bedeutung entsprach, wird mittlerweile bezweifelt. Anhand der morisco-Sklaverei 123 Siehe: S. 9–11. 124 Heers (1981), S. 287, auch Blackburn hält die iberische Sklaverei des Spätmittelalters für „domestic“ und „mild“. Blackburn (1997), S. 50. 125 Finley (1981), S. 95–110. Vgl. Osterhammel (2000), S. 26 f.; Patterson (1991), S. 70–72. 126 Vgl. Martín Casares (2000a), S. 13–23; Zeuske (2008), S. 147; Phillips Jr. (1985), S. 43; ebd. (1990), S. 15; ebd. (2010), S. 151. 127 Für die 1590er-Jahre wird die Anzahl der Sklaven in Sevilla auf etwa 14.000 geschätzt. Bei 150.000 Einwohnern entsprach dies etwa 9,3 Prozent. Die Gesamtanzahl der Sklaven in den kastilischen und aragonischen Königreichen wird für das 16. Jahrhundert im Allgemeinen mit 100.000 angegeben. Bei geschätzten acht Millionen Einwohnern entsprach dies etwa 1,25 Prozent. Vgl. Fra-Molinero (1997), S. 604. 128 Vlassopoulos (2016), S. 8 f.

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wird dies deutlich werden: Auch wenn die Anzahl der Sklaven, die während der guerra de Granada gefangen wurden, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gering war, beherrschte etwa die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Versklavungen lange Zeit den politischen und akademischen Diskurs. Lässt man den Vergleich mit anderen Formen der Sklaverei und die Dichotomie von slave society und society with slaves beiseite und richtet den Blick auf die mannigfaltigen Verfahren, Praktiken und Legitimationsdiskurse, wird schnell klar, dass die iberische Sklaverei für Wirtschaft, Herrschaft und Gesellschaftsaufbau nicht zu unterschätzen ist. Es handelte sich um ein epochenübergreifendes longue-durée Phänomen, dessen Verfahren und Praktiken sich über Jahrhunderte entwickeln und institutionalisieren konnten. Um einen einleitenden Überblick über die Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel zu bieten und deren gesellschaftliche Bedeutung auch hinsichtlich der morisco- und indio-Sklaverei zu klären, sollen im Folgenden ihre Strukturentwicklungen und Kontinuitäten zwischen Mittelalter und Neuzeit thematisiert werden. Kontinuität und Wandel der iberischen Sklaverei zwischen Mittelalter und Neuzeit Nördlich der Alpen scheint es ab dem Hochmittelalter kaum noch Sklaven gegeben zu haben. Dieser Rückgang wird gemeinhin damit begründet, dass durch die Ostexpansion des Christentums keine unmittelbar angrenzenden Sklavenlieferzonen129 mehr vorhanden waren. Darüber hinaus kam es zur Ächtung der Sklaverei durch die fränkische Kirche und die Normannen in England. Die Stadt Toulouse bestimmte im Jahr 1402, dass jede versklavte Person frei sei, die das Stadtgebiet betrete. Auch der Sachsenspiegel verwarf im Jahr 1235 die Sklaverei und Philipp IV., „der Schöne“, wie auch Ludwig X. entließen in den Jahren 1299 und 1315 ihre Hofsklaven in die Freiheit.130 Die jüngsten Ergebnisse der Sklavereiforschung relativieren diesen Bild jedoch ein Stück weit: Die Gewissheit, dass Sklaverei ganz im Sinne Marc Blochs im nördlichen Europa im Zuge der Feudalisierung seit dem Hochmittelalter keine Rolle mehr gespielt habe, gerät zunehmend ins Wanken. Zum einen gibt es mittlerweile einige Studien zu sogenannten „Hofmohren“ und „Beutetürken“ an nord- und mitteleuropäischen Höfen.131 Zum anderen erschienen in den letzten Jahren einschlägige Arbeiten zu Sklaverei und Sklavenhandel in Ost- und Zentraleuropa, Skandinavien und dem Heiligen Römischen Reich.132

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129 Zum analytischen Begriff der Sklavenlieferzonen, auf den ich regelmäßig zurückgreifen werde, vgl. Flaig (2009), S. 29, 156, 163, 193. 130 Vgl. Flaig (2009), S. 157–159; Zeuske (2006), S. 134. 131 Vgl. Bono (2009); Friedrich (2012), S. 255. 132 Bulach/Schiel (2015); Brahm/Rosenhaft (2016).

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Die geographische Lage der Mittelmeeranrainer bewirkte allerdings, dass die Sklaverei dort noch bis ans Ende der Neuzeit ein ungleich bekannteres und verbreiteteres Phänomen war als nördlich der Alpen. Im Süden Frankreichs133, in den italienischen Stadtrepubliken134 und im besonderen Maße auf der Iberischen Halbinsel waren es vor allem die Auseinandersetzungen mit den muslimischen Feinden, die die christlichen Gebiete im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit mit Sklaven versorgten. Die Sklaverei existierte auf der Iberischen Halbinsel von der römischen Antike über die westgotischen, islamischen und christlichen Reiche des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters noch bis ins 19. Jahrhundert relativ beständig.135 Nach ihrer Einwanderung auf die Iberische Halbinsel übernahmen die Westgoten die Institution der römischen Sklaverei.136 Gerd Kampers nimm an, dass „eine Kirche, die nur zehn Sklaven besaß, als arm galt“137. Bei großen Bistümern, Klöstern und weltlichem Großgrundbesitz geht er von einer Anzahl von jeweils bis zu einhundert Sklaven aus.138 Die folgende islamische Expansion auf der Iberischen Halbinsel trug ihrerseits maßgeblich zum Erhalt der Sklaverei bei, da sie die Grundlage für die jahrhundertelangen Binnenkonflikte zwischen Islam und Christentum schuf.139 Im Zuge dieser Auseinandersetzungen kam es zu massiven Versklavungen von muslimischen, aber auch von christlichen Gefangenen.140 Die maurischen Reiche auf der Iberischen Halbinsel schufen neue Dimensionen im Bereich der Sklaverei. Hierzu trug entscheidend das Aufblühen von Städten wie Córdoba, Sevilla oder Granada bei, was die Entwicklung der urbanen Haussklaverei begünstigte.141 Die starke Präsenz der islamischen Reiche im internationalen Sklavenhandel sowie bei Razzien und Piraterie im Mittelmeerraum offenbart außerdem den Bedarf eines interkulturellen Blickwinkels auf die iberische Sklaverei, der noch immer ein Desiderat darstellt.142 Ab dem 15. Jahrhundert kam es zu einem bemerkenswerten Aufschwung der Sklaverei in Südeuropa. In der Forschung wird diesem meist das gängige Narrativ eines „shifts from a Mediterranean to an Atlantic-centered slave 133 Vgl. Martínez Torres (2010), S. 52 f.; Bono (2009), S. 254. 134 Vgl. Epstein (2001); Cluse (2010); Schiel (2014, 2015). 135 Noch im frühen 19. Jahrhundert finden sich in Cádiz Zeitungsinserate, in denen Sklaven feilgeboten oder gesucht wurden. Vgl. Morgado García (2009), S. 25. 136 Vgl. Verlinden (1955), S. 61–102. 137 Kampers (2008), S. 292. 138 Ebd. 139 Vgl. Phillips Jr. (1990), S. 79. 140 Vgl. Verlinden (1955), S. 185 f.; Phillips Jr. (1990), S. 80 f. 141 Vgl. Phillips Jr. (1990), S. 81 f. 142 Überblickshaft wird diese Thematik immer wieder bei David Abulafia angesprochen. Abulafia (2014), S. 330–332 und S. 535–537.

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trade“143 zugrunde gelegt. Dieses beschreibt einen Strukturwandel von Razzien und Kriegen (reconquista) auf der Iberischen Halbinsel und im Mittelmeerraum sowie dem Handel mit den Schwarzmeergebieten, zum leistungsstarken, portugiesisch dominierten, subsaharischen Sklavenhandel mit den Zentren Sevilla und Lissabon. Das verstärkte Auftreten subsaharischer Sklaven auf den iberischen Märkten ab dem ausgehenden 15. Jahrhundert bestätigt diese Entwicklung quantitativ.144 Dennoch wird folgende Analyse des Narratives zeigen, dass die Rolle des atlantischen Sklavenhandels gerade mit Blick auf die morisco-Sklaverei nicht überschätzt werden sollte und eine strikte Epochenzäsur von mittelalterlicher und neuzeitlicher Sklaverei nicht zielführend ist. Mit der Eroberung des Nasridenreiches von Granada fiel im Jahr 1492 das letzte maurische Reich auf der Iberischen Halbinsel in christliche Hände. Durch den Abschluss der sogenannten reconquista entfiel gleichzeitig eine jahrhundertelang genutzte Sklavenlieferzone. Da Kastilien aufgrund der ­geographischen Lage, im Gegensatz zu Aragón, kaum am Mittelmeersklavenhandel partizipierte, waren die Kriege mit dem muslimischen Nachbarn die wesentliche Beschaffungsmöglichkeit von Sklaven.145 Mit der Zunahme der militärischen Macht Kastiliens verstärkten sich insbesondere ab der Jahrtausendwende die Razzien auf muslimischem Gebiet.146 Da die Anzahl der Sklaven relativ gering war, nimmt Stephen Bensch an, dass zu diesen Zeiten der ständigen, gegenseitigen Überfälle ein Sklave eher den Charakter einer symbolischen Kriegsbeute als den eines produktiven Arbeitssklaven hatte. Er charakterisiert den muslimischen Sklaven der reconquista als ein Phänomen der „castles, churches, and town houses of the privileged“147 und folgert daraus, dass der Sklave als Symbol der Erinnerung an die bestehende Grenze, die Feindschaft und die Gefahr diene.148 Dieser Meinung war auch schon Charles Verlinden, wenn er konstatiert, dass es ab dem 11. Jahrhundert zu einer Endindividualisierung der Sklaverei gekommen sei und Sklaven einen zunehmend materiellen Wert erhalten hätten.149 Zu Versklavungen im größeren Stil kam es vor allem bei der Eroberung von Städten. So wurde beispielsweise die b­ ekannte Stadtmauer des kastilischen Ávila nach ihrer Eroberung Ende des 12. ­Jahrhunderts mit Hilfe 143 Blumenthal (2009), S. 10. 144 Ebd., S. 40. Eine ähnliche Entwicklung stellt auch Franco Silva in Sevilla fest: Franco Silva (1979), S. 150. 145 Vgl. Phillips Jr. (1990), S. 126. 146 Bensch (1994), S. 66. 147 Ebd., S. 67. 148 Ebd., S. 68. 149 Verlinden (1955), S. 132 f.; Bensch (1994), S. 70.

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von 200 muslimischen Sklaven errichtet.150 Insbesondere in der Schlussphase der christlich-maurischen Kriege finden sich ähnliche Beispiele, wie etwa die Einnahme Málagas. Während die muslimischen Bewohner der Stadt Granada scheinbar mit relativer Milde behandelt wurden, kam es bei der Eroberung Málagas im Jahr 1487 zu einer groß angelegten Versklavung der Stadtbewohner. Angel Ladero Quesada, der sich intensiv mit diesem Fall auseinandergesetzt hat, vermutet, dass etwa 10.000 Gefangene gemacht wurden. 8.000 dieser Personen wurden für Gefangenenaustausch und Lösegeldforderung zurückbehalten während die restlichen 2.000 zwischen Krone, Adel und Soldaten verteilt wurden. Ende des 15. Jahrhunderts lassen sich somit Sklaven aus Málaga im gesamten Gebiet der südlichen Iberischen Halbinsel nachweisen.151 Auch der Nürnberger Humanist und Mediziner Hieronymus Münzer, der auf seiner Pilger- und Bildungsreise 1495 in Málaga Station machte, erwähnt in seinem Reisebericht 5.000 muslimische Gefangene, die im Namen der Krone für je dreißig Dukaten verkauft worden seien.152 Die Sklavenbeschaffungszonen Kastiliens beschränkten sich also im Mittelalter weitgehend auf das Gebiet der muslimischen Reiche der Iberischen Halbinsel. Anders verhielt es sich mit dem Königreich Aragón, das sich zwar auch an den inneriberischen Kriegen und Razzien beteiligte, jedoch infolge der exponierten Lage am Mittelmeer schon früh die Piraterie und den Sklavenfernhandel als Sklavenbeschaffungsmaßnahmen für sich entdeckte.153 Schon die umstrittene Etymologie des Wortes „Sklave“, die häufig auf die geographische Bezeichnung „Slawe“ zurückgeführt wird, gibt einen ersten Hinweis.154 Tatsächlich befanden sich zahlreiche Sklaven – auch orthodoxe Christen – aus dem Schwarzmeergebiet, den Gebieten des heutigen Balkans, Russlands, und Griechenlands in den spätmittelalterlichen aragonischen Städten.155 Entsprechend berichtet Joaquin Miret y Sanz in seiner frühen Studie zur Sklaverei im spätmittelalterlichen Barcelona von großen Mengen tatarischer Sklaven.156 Bis zur Einnahme Konstantinopels im Rahmen der osmanischen Expansion im Jahr 1453 waren insbesondere die italienischen Stadtrepubliken Zentren des 150 Vgl. Delacampagne (2004), S. 117. 151 Vgl. Ladero Quesada (1967), S. 70–80. 152 „In graciam Regis dederunt, qui quinque milia hominum singulos a unum vendit, hominum unum pro 30 ducatis.” Itinerarium, S. 71. 153 Vgl. Cortés López (1981), S. 21. 154 So etwa nach Hermann (1998), S. 558. Dem widerspricht jedoch: Kluge (1995), S. 766 f., der vor allem die Herkunft des Wortes vom griechischen skylon respektive sklabenoi betont. 155 Vgl. Verlinden (1955), S. 321–357. 156 Miret y Sanz (1917), S. 18.

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Sklavenhandels. So befanden sich in Genua im Jahr 1381 noch 5.056 Sklaven, während die Zahl im Jahr 1470 auf lediglich 800 gesunken war.157 Nach der endgültigen Eroberung Valencias 1238 und der balearischen Inseln Mallorca im Jahr 1229 sowie Menorca sechzig Jahre später konnten sich auch aragonische Kaufleute in großem Stil am Sklavenfernhandel beteiligen.158 Die daraus resultierende Erschließung des nordafrikanischen Sklavenmarktes bewirkte eine gesellschaftliche Normalisierung der Sklaverei: Durch das erhöhte Angebot profitierten nun vermehrt auch finanziell schwächere Bevölkerungsschichten von sklavischer Arbeitskraft.159 Da Aragón ab dem 14. Jahrhundert durch die Schaffung des kastilischen Königreichs von Murcia keine gemeinsame Grenze mehr mit dem muslimischen Reich von Granada hatte, verschob sich die Konfliktzone vom Land auf das Wasser.160 Eine signifikante Rolle bei der Sklavenbeschaffung spielten demnach Razzien an der nordafrikanischen Küste und Kaperfahrten auf dem Mittelmeer. Schon für das 12. Jahrhundert ist überliefert, dass beide Varianten sukzessive unter königliche Kontrolle gestellt und einem Lizenzierungsverfahren unterworfen wurden. Jakob I. untersagte schließlich 1250 per königlichem Dekret private Kaperfahrten und machte die Könige von Aragón so zu den „guarantors of the legality of slavery“161. Dass die Überfälle auf hoher See auf Gegenseitigkeit beruhten, belegt ein Beschluss des Rates von Valencia aus dem Jahr 1388. Der sechsköpfige Rat entschied sich angesichts der Bedrohung der valencianischen Handels- und Fischereiflotte durch muslimische Korsaren, die privaten Schiffe mit Waffen auszurüsten.162 Diese „part-time corsairs“163 machten ihrerseits große Mengen an muslimischen Gefangenen und trugen so bis ins 15. Jahrhundert zu einem Aufschwung des valencianischen Sklavenmarktes bei. Die Stadt Valencia subventionierte überdies die Kapitäne und bezahlte ein Kopfgeld für jeden gefangenen „Mauren“ (moro).164 Dies wiederum wirkte sich attraktiv auf ausländische, vor allem genuesische, Sklavenhändler aus. So entwickelte sich Valencia neben Sevilla und Lissabon zu einem weiteren Zentrum der Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel.165 157 Vgl. Elze (1981), S. 132. 158 Phillips Jr. (1998a), S. 870; Bensch (1994), S. 77. 159 Bensch (1994), S. 79. 160 Vgl. Herbers (2006), S. 193–201. 161 Bensch (1994), S. 76. Das Dekret befindet sich ediert in: Huici Miranda/Desamparados Cabanes Pecourt (1976), Nr. 538. 162 Vgl. Guiral-Hadziiossif (1986), S. 131 f.; ebd. (1980), S. 759–765; Cariñena Balaguer/ Díaz Genis (1984/85), S. 439–456, Dekret abgedruckt auf: S. 447. 163 Blumenthal (2009), S. 12. 164 Cariñena Balaguer/Díaz Genis (1984/85), S. 447. 165 Franco Silva (1979), S. 72; Guiral-Hadziiossif (1986), S. 232.

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Im 15. Jahrhundert verorten viele Forscher und Forscherinnen eine Zäsur in der Geschichte der Sklaverei. Zum einen werden die osmanische Expansion und die Eroberung Konstantinopels 1453 angeführt, die einen Rückzug der christlichen Handelsmächte aus dem östlichen Sklavenmarkt bedingt hätten.166 Durch den Abschluss der Kriege auf der Iberischen Halbinsel habe sich darüber hinaus die Möglichkeit verringert, Sklavenrazzien sowohl auf Land als auch durch Kaperfahrten durchzuführen, wodurch sich eine weitere wichtige Sklavenquelle erschöpft habe.167 Zu diesen Nachschubproblemen kam eine erhöhte Nachfrage nach sklavischen Arbeitskräften. Den Ausgangspunkt dieses neuen Impulses erkennt Antonio Domínguez Ortiz in erster Linie im „beginnenden Kapitalismus“168, der einen erhöhten Arbeitskräftebedarf generiert habe, den wiederum die iberische Gesellschaft nicht befriedigen konnte. Tatsächlich kann im Spätmittelalter ein wirtschaftlicher Aufschwung beobachtet werden. Am Beispiel Valencias lässt sich zeigen, dass vor allem die Textilproduktion und die kleineren Werkstätten eine Blütezeit erlebten.169 Ob dieser Anstieg vorindustrieller Produktion ausreichte, um eine derart erhöhte Arbeitskräftenachfrage auszulösen, bleibt allerdings fraglich. Der Erklärungsversuch des erwähnten Joaquin Miret y Sanz nach dem der Hauptgrund für den Anstieg der Sklaverei die „Abneigung, die die Südländer im Allgemeinen, und im Besonderen während Zeiten des Krieges und der Gefahr, gegenüber der körperlichen Arbeit hegen“170 gewesen sei, bedarf keiner weiteren Bemerkung. Überzeugender dagegen sind Vermutungen, der erhöhte Bedarf an sklavischen Arbeitskräften sei in den Auswirkungen der Pest zu suchen. So beeinflusste in der Toskana die Pest von 1348 die Nachfrage nach Sklaven offenbar erheblich.171 Auch für die iberischen Städte, in denen die Pest bis zu ein Drittel der Bewohner dahinraffte, kann eine Verteuerung der menschlichen Arbeitskraft und eine folgende höhere Attraktivität sklavischer Arbeit angenommen werden.172 166 Vgl. Delacampagne (2004), S. 117; Phillips Jr. (1990), S. 139; Elze (1981), S. 132. 167 Vgl. Blumenthal (2009), S. 19 f.; Phillips Jr. (1998a), S. 871; Franco Silva (1979), S. 68 f. 168 „Naciente capitalismo.“ Domínguez Ortiz (2003), S. 1. Vgl. ebd. (1971), S. 163. 169 Vgl. Franch Benavent (2009), S. 291–295. 170 „La repugnancia que los meridionales han sentido generalmente, y más todavía en tiempos de guerra y aventuras, por el trabajo manual.” Miret y Sanz (1917), S. 1. 171 Delacampagne (2004), S. 112. 172 In Sevilla kam es beispielsweise in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts beinahe jährlich zu verheerenden Missernten und Pestepidemien. Im Jahr 1481 starben so bei einem Hochwasser des Guadalquivir und einer darauf folgenden Pestwelle bis zu 15.000 Menschen. Vgl. Collantes de Terán (1977), S. 437 f. In Valencia sprechen zeitgenössische Quellen von bis zu 30.000 Opfern während der Pest von 1557 bis 1559. Ardet Lucas (2009), S. 271.

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Darüber hinaus gilt die verstärkte Nachfrage nach Zucker in Europa und das Aufkommen der ersten systematisch angelegten Zuckerrohrplantagen auf den Kanarischen Inseln als Faktor, der die Sklavennachfrage stimulierte.173 In dieses, mit erschöpften Sklavenlieferzonen und gestiegener Arbeitskräftenachfrage in Bezug gesetzte Narrativ fügt sich die portugiesische Expansion an der westafrikanischen Küste nahtlos ein; bot sie doch die Möglichkeit, den Nachschub an Sklaven sicherzustellen und die ehemaligen Lieferzonen sogar überzukompensieren. Die portugiesischen Entdeckungsfahrten entlang der westafrikanischen Küste und die hier entstehenden ökonomischen Verflechtungen hatten erheblichen Einfluss auf die Geschichte der Sklaverei. Die „Expeditionen im 15. Jahrhundert“, so Jean-Paul Lehners, „[hatten] keineswegs das Ziel [...] neue, bisher unbekannte Teile der Welt zu entdecken“174. In der Tat lässt sich bei genauerer Betrachtung feststellen, dass die ökonomische Ausrichtung der Entdeckungsfahrten im Vordergrund stand. Der ­portugiesischen Expansion, die auch das System der Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel unmittelbar beeinflusste, war ein spezielles historisches Setting vorangestellt: Durch die islamische Expansion hatten sich die Transaktionskosten der ­afrikanisch-asiatischen Handelswege erheblich verteuert. Die Entdeckung eines direkten Seeweges nach Indien und zu den G ­ ewürzinseln war also schon rein ökonomisch erstrebenswert.175 Einen zusätzlichen A ­ nreiz boten die Goldkarawanen der Sahara, auf die man Einfluss zu nehmen wünschte.176 Ferner spielten geostrategische Zwänge, zu denen es im Zuge der ­christlich-muslimischen Auseinandersetzungen kam, eine nicht zu u ­ nterschätzende Rolle. Nach der Eroberung der nordafrikanischen Stadt ­Ceuta durch portugiesische Truppen im Jahr 1415 – was gemeinhin als ein Schlüsselereignis der europäischen Expansion gilt – kam es zu einer geopolitischen Kettenreaktion. Die Verteidigung der Küstenstadt machte eine Erschließung des feindlichen Hinterlandes nötig, die durch eine Südexpansion an der afrikanischen Küste erreicht werden sollte.177 Die Voraussetzungen hierfür waren im 15. Jahrhundert günstig: Nicht nur die geostrategisch bedeutsame Lage Portugals als Atlantikanrainer ermöglichte 173 Vgl. Franco Silva (1979), S. 67 f.; Phillips Jr. (1998a), S. 871; ebd. (1990), S. 144 f.; Zeuske (2006), S. 136. 174 Lehners (2001), S. 168. 175 Vgl. ebd., S. 177; Feldbauer (2003), S. 12–18; Salentiny (1991), S. 31–38. 176 Vgl. Reinhard (1983), S. 39 f.; Lehners (2001), S. 168. Reinhard führt überdies noch einige weitere ökonomische Anreize an: Die Suche nach neuen Anbaugebieten für Getreide und Zuckerrohr, reiche Fischgründe, verschiedene Rohstoffe sowie nicht zuletzt auch der Sklavenfang. Reinhard (1983), S. 40 f.; ebd. (2016), S. 80–82. 177 Vgl. Zeuske (2006), S. 97–116; Lehners (2001), S. 177.

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ausgiebige Entdeckungsfahrten im Atlantik. Eine wesentliche Rolle spielte die Erfindung oder Verbesserung zahlreicher nautischer Hilfsmittel, wie des Quadranten, des Jakobsstabs und neuer Seekarten. Die wichtigste Neuentwicklung war jedoch ein neuer Schiffstypus. Das Aufkommen der Karavelle, die sich durch ihren Stauraum und ihre Eigenschaft, hoch am Wind segeln zu können, auszeichnete, machte ein dauerhaftes Befahren des rauen Atlantiks ab der Jahrhundertmitte möglich.178 Technische Neuerungen und die vorteilhafte geographische Lage bildeten somit das Setting, das es Portugal ermöglichte, relativ schnell entlang der afrikanischen Westküste vorzustoßen. Nachdem bereits im Jahr 1312 die Kanaren wiederentdeckt worden waren, folgten im Jahr 1419 Madeira, ab 1431 die Azoren und drei Jahre später die erste Expedition zum südlich gelegenen Kap Bojador. Den Abschluss der Südexpansion erzielte Bartolomeu Dias mit dem Erreichen des Kaps der guten Hoffnung im Jahr 1488. Zehn Jahre darauf landete schließlich Vasco da Gama an der indischen Küste.179 Rückendeckung erhielt die portugiesische Krone durch den Apostolischen Stuhl. Bereits am 19. Dezember des Jahres 1442 legitimierte Papst Eugen IV. in seiner Bulle „Illius Qui“ die Expansion an der afrikanischen Westküste als Kreuzzug und bellum iustum.180 Zehn Jahre später konkretisierte Papst Nikolaus V. in der Bulle „Dum Diversas“ die portugiesischen Exklusivrechte: [Wir] gewähren […] Euch aufgrund unserer apostolischen Vollmacht […] das volle und uneingeschränkte Recht, die Sarazenen, Heiden und anderen Ungläubigen und Feinde Christi, welche es auch sein mögen [zu unterwerfen] und – wo immer diese auch gelegen sein mögen – ihre Königreiche, Herzogtümer, Länder, Plätze, Städte, Burgen und andere Besitzungen […] zu erobern, einzunehmen und zu unterwerfen und die darin lebenden Personen in ewige Sklaverei zu führen.181 178 Vgl. Reinhard (1983), S. 30–33; ebd. (2016), S. 69 f.; Lehners (2001), S. 166. 179 Vgl. Reinhard (1985), S. 39; Ames (2005), S. 17–43; Fernández-Armesto (2006), S. 174–181. 180 Vgl. Rodríguez (1999), S. 56. 181 „Nosque [...] tibj sarracenos et paganos aliosque infideles et Christi inimicos, quoscunque et ubiqunque constitutos regna, ducatus, comitatus, principatus aliaque dominia, terras, loca, villas, castra et quecunque alia possessiones [...] jnuadendj, conquerendj, expugnandj et subiugandj illorumque personas perpetuam seruitutem redigendj, […] auctoritate apostolica, tenore presentium, concedimus facultatem.” Bulle „Dum Diversas“ vom 18.6.1452. Ediert in: Fontes D. XI 4c, S. 641. Vgl. Klein (2000), S. 381; Rodríguez (1999), S. 56; Maxwell (1975), S. 53.

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Diesem päpstlichen Freibrief zur Versklavung der subsaharischen „Ungläubigen“ folgte im Jahr 1455 durch die Bulle „Romanus Pontifex“ eine erneute Ausweitung der portugiesischen Befugnisse. Hintergrund war der Fall Konstantinopels, infolgedessen der portugiesischen Expansion große Bedeutung für die Rückeroberung des Heiligen Landes beigemessen wurde. Neben einem umfassenden Schifffahrtsmonopol und einer klaren Abgrenzung des portugiesischen Einflussgebietes gegen kastilische Ansprüche182 strich Nikolaus V. die Versklavungen der „Guinei und anderer Schwarze[r]“ explizit positiv heraus: Der Sklavenstatus habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Heiden unter christlicher Obhut schneller zum katholischen Glauben bekehrt wurden.183 Der Heilige Stuhl des 15. Jahrhunderts betrachtete die Sklaverei offenbar als legitimes Mittel sowohl zur Durchsetzung machtpolitischer Ziele durch christliche Herrscher als auch zur Missionierung der „Ungläubigen“. Da eine Entdeckungsfahrt meist ein unkalkulierbares finanzielles Risiko darstellte, bot der Sklavenfang eine willkommene Möglichkeit, diese Finanzierungsprobleme zu lösen.184 Durch Razzien an der Küste und den Handel mit afrikanischen Königreichen, wurden bis 1521 geschätzte 156.000 Sklaven von Westafrika nach Europa verschleppt.185 Diese gängige Praxis der Refinanzierung einer Expedition oder eines Feldzuges durch die Versklavung des Feindes war – wie es auch anhand der indio- und morisco-Sklaverei deutlich werden wird – eine Grundkonstante der conquista, der Expansion und des Krieges gegen die muslimischen Feinde. Alleine die enorme Zunahme schwarzafrikanischer Sklaven auf der Iberischen Halbinsel scheint dafür zu sprechen, dass, ganz im Sinne des hier dargelegten Narratives, die Verschiebung des Sklavenhandels vom Mittelmeer zum Atlantik um 1500 abgeschlossen war. Auch wenn die Betonung dieser strukturellen Entwicklung von der eher kleinräumigen Sklaverei des Mittelalters zur transatlantischen Sklaverei der Frühen Neuzeit sicherlich berechtigt ist, ­müssen doch einige Einschränkungen gemacht werden. Zum einen möchte ich betonen, dass das Mittelmeer trotz des atlantischen Handels von großer Bedeutung für die Sklavenbeschaffung blieb. Der Hafen von Livorno entwickelte sich beispielsweise erst im 17. Jahrhundert zu einem bedeutenden Umschlagplatz 182 Vgl. Davenport (1967), S. 12; Reinhard (1983), S. 43. 183 „Ex inde quoque multi Guinei et alii nigri vi captivi, quidam etiam non prohibitarum rerum permutatione, seu alio legitimo contractu emptionis ad dicta sunt regna transmissi; quorum inibi in copioso numero ad Catholicam fidem conversi extiterunt.“ Bulle „Romanus Pontifex“ vom 8.1.1455. Ediert in: Fontes D. XI 4d, S. 643. 184 Vgl. Cortés López (1981), S. 52 f.; Zeuske (2000), S. 103. 185 Zeuske (2000), S. 130.

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für Sklaven.186 Versorgt wurde der Markt durch Razzien an der nordafrikanischen Küste187 und Seeschlachten, wie der von Lepanto im Jahr 1571.188 Außerdem lieferten die Feldzüge der kastilischen Krone in Nordafrika im 16. Jahrhundert zahlreiche Sklaven. Eindrückliche Beispiele sind die Eroberungen der Städte Oran (1509) und Tripolis (1511).189 Auch in Valencia spielte das Mittelmeer für die Sklavenbeschaffung noch im späten 17. Jahrhundert eine beachtliche Rolle. So gründete sich im Jahr 1693 die Comunidad de pescadores. Diesem Zusammenschluss valencianischer Fischer gegen die Umtriebe muslimischer Korsaren gelang es noch im gleichen Jahr, ein algerisches Piratenschiff zu kapern und deren Besatzung zu versklaven.190 Wie das Beispiel der Versklavung der moriscos später eindrücklich zeigen wird, kann auch nicht davon die Rede sein, dass auf inneriberischem Gebiet keine groß angelegten Versklavungen mehr durchgeführt worden wären. Es lässt sich folglich trotz der großen Strukturmerkmale und Umbrüche in der Sklavereigeschichte kein Idealbild dieser Entwicklungen zeichnen. Vielmehr handelte es sich um ein komplexes System von Institutionen, Praktiken und Verfahren, das sich je nach Einzelfall und Region stark unterscheiden konnte. Eine einseitige Konzentration auf die große Entwicklung des Sklavenmarktes vom Mittelmeer zum Atlantik ist letztlich nicht zielführend. Wie auch im Vorkapitel deutlich wurde, sind die Kontinuitäten zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit in Bezug auf die Sklaverei evident. Verkaufen und Freilassen: Praktiken der Sklaverei und ihre Institutionalisierung Um die tiefe gesellschaftliche Verwurzelung der Sklaverei zu veranschaulichen, bietet es sich an, den Blick auf einige Verfahren und Praktiken des ­Sklavenverkaufs und der -freilassung zu richten. Viele von diesen waren im 16. Jahrhundert so ausgeprägt, dass sie sich in einem mehr oder weniger fest institutionalisierten Rahmen bewegten. Hinsichtlich der langjährigen Entwicklung dieser Praktiken und Verfahren, die sich in unterschiedlicher Ausprägung auf der gesamten Iberischen Halbinsel nachweisen lassen, wird sich 2.2

186 Martínez Torres (2010), S. 45. 187 Auch die kastilische Krone beteiligte sich an Razzien an der nordafrikanischen Küste. So gab es nach Lobo Cabrera in den Jahren 1513 bis 1600 nicht weniger als 154 Sklavenexpeditionen von Gran Canaria, Lanzarote und Fuerteventura aus nach Nordafrika. Lobo Cabrera (1982), S. 66–68. 188 Hanß (2014), S. 337–381. 189 Martín Casares (2000a), S. 168. 190 Kamen (1970), S. 213.

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später auch die Frage stellen, auf welche Weise das System der Sklaverei in ­Spanisch-Amerika auf diese zurückgriff. Ein bemerkenswertes Verfahren, das die Sklaverei im iberischen Kontext betraf, war die im spätmittelalterlichen Valencia geschaffene presentación eines Gefangenen vor dem batle general, dem höchsten königlichen Amtsträger der Stadt.191 Die primäre Aufgabe des Verfahrens war die Sicherstellung der Rechtmäßigkeit der Versklavung, was nach Blumenthal das „pathological concern with securing the slaveʼs admission of legitimacy of his condition“192 der Krone belegt. Aufgrund des hohen Institutionalisierungsgrades der Verfahren und der detaillierten Befragungen der Gefangenen unter der Hinzuziehung von Zeugen und Dolmetschern lassen sich genaue Aussagen über den persönlichen Lebensweg der versklavten Personen sowie über die legitimatorischen und ökonomischen Grundlagen des Systems der Sklaverei machen.193 Bevor ein Mensch in Valencia zum ersten Mal als Sklave verkauft werden durfte, musste er vor dem batle general präsentiert werden, damit ihm der rechtmäßige Sklavenstatus nachgewiesen werden konnte. Dass dies eine juristische Alltagspraxis darstellte, zeigt schon die hohe Anzahl von überlieferten presentaciones, die Blumenthal allein für das 15. Jahrhundert mit 1.200 beziffert.194 Die Tatsache, dass der batle general sowohl für das Seerecht – was Piraterie und den hiermit verbundenen Sklavenfang einschloss – als auch den königlichen Fünft (quinto) zuständig war, brachten ihm vermutlich auch das Aufgabengebiet der presentaciones ein. Um diese Praxis an einem konkreten Beispiel zu erläutern: Am 2. Januar 1494 präsentierte der valencianische Händler Vicent Periz eine 191 Die Ursprünge des Amtes des batle general sind in der Mitte des 13. Jahrhunderts  – unmittelbar nach der Eroberung Valencias – zu suchen. Als höchster königlicher ­ ­Amtmann fungierte er zunächst unter Jakob I. als eine Art Finanzminister. Unter seinen Nachfolgern wurden seine Befugnisse sukzessive ausgebaut. Ab dem 15. Jahrhundert war er oberster Richter in Streitfällen bezüglich Handels- und Seerecht sowie bei Betrugsfällen. Ferner entschied er über vakantes Vermögen, etwa bei Schiffbruch. Darüber hinaus war er für die königliche Lizenzvergabe zuständig. Diese reichte von Jagd- und Fischereilizenzen bis hin zu Lizenzen für Bettelei, Prostitution und die Bewaffnung von Schiffen. Vgl. Baix (1855), S. 73–80; Cortés Alonso (1964), S. 88; Piles Ros (1970), S. 13–47. 192 Blumenthal (2009), S. 28. 193 Die große Menge an Gerichtsakten dieser Art, wie sie im Archivo del Regne de Valencia zu finden sind, machte es möglich, dass sowohl Javier Francisco Marzal Palacios für das Mittelalter, Debra Blumenthal und Vicenta Cortés Alonso für das 15. Jahrhundert als auch Vicente Graullera Sanz für das 16. und 17. Jahrhundert ihre Bücher auf der Basis dieser Quellen schreiben konnten. Marzal Palacios (2006); Blumenthal (2009); Cortés Alonso (1964); Graullera Sanz (1978). 194 Blumenthal (2009), S. 22.

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Gefangene von den Kanarischen Inseln. Zunächst verlangte die gerichtliche Praxis die Befragung der Gefangenen nach Alter, Herkunft und die Art und Weise der Gefangennahme. In diesem Fall handelt es sich um ein zwölfjähriges Mädchen: Sie wurde befragt, woher sie ursprünglich stamme, und sie antwortete von La Palma, einer Insel der Kanaren. Sie wurde gefragt, ob sie eine Gefangene sei, sie sagte ja, sie sei Gefangene des besagten Vicent Periz. Sie wurde gefragt, wie sie in den Status einer Gefangenen kam, und sie sagte, dass sie in ihrer besagten Heimat von Christen gefangen wurde und darauf von diesen auf die Insel La Gomera gebracht wurde, und von dort wurde sie nach Kastilien gebracht und dort kaufte sie ein Mann namens Tenca, dieser brachte sie über das Meer in diese Stadt und übergab sie an besagten Vicent Periz.195 Überraschend erscheint auf den ersten Blick die Frage, ob sie eine Gefangene sei. Da sie diese Frage des batle general, deren Antwort offensichtlich ist, widerspruchslos mit ja beantwortete, sollte dies bereits eine Art Geständnis der Rechtmäßigkeit der Gefangenschaft implizieren. Nach weiteren Befragungen, auch von Zeugen, erklärte der batle general schließlich: In vorliegenden Aussagen hat die Befragte erklärt, dass sie ungläubig ist und den Gebieten der ungläubigen Feinde des heiligen katholischen Glaubens und des Königs entstammt. Folglich ist die Befragte im Status einer Gefangenen besagtem Vicent Periz zu übergeben. Deshalb erkläre ich die Befragte zu dessen Sklavin, da sie aus einem gerechten Krieg stammt. Aus freier Verfügung darf er sie verkaufen und veräußern und sie als sein Eigentum behandeln.196

195 „De edat de XII anys […] fonch interrogada dʼon es natural, e dix que de Palma, terra de Canaria. Fonch interrogada si es cativa, que si que era cativa del dit en Vicent Periz. Fonch interrogada com es stada ca-tiva, e dix que fonch presa en la dita sua terra per christians, e fonch portada ab altres a la dita ylla de la Gomera, e de alli fonch portada en Castella e alli la compra hun home appellat Tenca, lo qual la trame-tre per la mar a la present ciutat, consignada al dit Vicent Periz.“ Zit. nach: Cortés Alonso (1964), App., Dok. 28, S. 500. 196 „Consta en les dites conffesions la dita testa esser infel e de terrese mars de infiels enemichs de la santha fe de catholiqua e del dit molt alt senyor Rey, e attent la dita testa esser atrobada en stat e condicio de captivitat en poder del dit en Vicent Periz, per tal e declara la dita testa esser cativa de aquell, ajutja aquella de bona guerra ab libera facultat de poder vendre e alienar aquella e fer ne com de cosa sua propria.“ Ebd., S. 501.

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Es wurde folglich vor allem auf die Herkunft und die Religion der Gefangenen hingewiesen. Das Mädchen wurde zur Gefangenen des „gerechten Krieges“ erklärt, da sie aus den Gebieten der Ungläubigen stammte und demnach eine Feindin des heiligen katholischen Glaubens und des Königs darstellte. Nachdem dieser legitimatorische Teil abgeschlossen ist, widmet sich das Dokument dem ökonomischen Aspekt: „An diesem Tag wurde die Gefangene von Vicent Periz auf 30 lliures geschätzt, von welchen 40 solidos nach dem Recht des quinto an den König gehen.“197 Die Bestimmung des Preises war notwendig, da das Verfahren der Versklavung erst als abgeschlossen gelten konnte, nachdem der Besitzer der Krone ihren obligatorischen quinto entrichtet hatte. Die presentaciones waren also zum einen eine Möglichkeit, das System der Sklaverei zu legitimieren. Dies wurde noch einmal dadurch bekräftigt, dass die Gefangenen theoretisch in der Lage waren, ihren rechtmäßigen Sklavenstatus zu verneinen.198 Dass diese Möglichkeit in besagten 1.200 Fällen nur von fünf Gefangenen wahrgenommen wurde199, verwundert kaum, da die Sprachbarrieren trotz vorhandener Dolmetscher hoch waren und die Gefangenen durch Verängstigung und mangelnder Verfahrenskenntnis kaum dazu fähig gewesen sein dürften. Darüber hinaus gibt es Berichte von gezielten Manipulationsversuchen. So wurden etwa illegal geraubte Gefangene dazu gezwungen, auszusagen, aus dem nordafrikanischen Fès im heutigen Marokko zu stammen, um sie problemlos zu „Gefangenen eines gerechten Krieges“ erklären zu können.200 Insgesamt erinnern der hohe formale Aufwand und Institutionalisierungsgrad, die theoretische Offenheit des Verfahrens sowie die Herstellung einer öffentlichen Entscheidung an eine „Legitimation durch Verfahren“ im Luhmannʼschen Sinne.201 Ferner waren die presentaciones auch ökonomischer und steuerrechtlicher Natur. Demnach diente die Befragung der Gefangenen der Einschätzung eines Preises, um daraufhin den quinto abführen zu können. War die legitime Herkunft des Sklaven sichergestellt, durfte er verkauft werden. Eine Möglichkeit war eine öffentliche Versteigerung, wie sie nahezu 197 „Dita die la dita cativa fonch stimada al dit Vicent Periz per trenta liures, per les quals para quaranta solidos per lo dret del quint al senyor Rey pertanyent.” Ebd. 198 Ein Beispiel hierfür wäre der Sklave Blay, der im Jahr 1576 als angeblich flüchtiger Sklave vor dem batle general präsentiert wurde. Der Sklave gab jedoch an, nicht aus seiner portugiesischen Heimatstadt Ebra geflohen zu sein, sondern sich mit der Erlaubnis seines Besitzers in Valencia aufzuhalten, um eine Krankheit auszukurieren. Nach der Hinzuziehung eines Arztes, der dies bestätigen konnte, wurde Blay aus der Haft entlassen. Zit. nach: Graullera Sanz (1978), App., Dok. 17, S. 208. 199 Vgl. Blumenthal (2009), S. 22. 200 So berichtet: Guiral-Hadziiossif (1980), S. 763 f. 201 Luhmann (1983), S. 11–53.

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täglich in allen größeren Städten stattfand. Versteigerungen dieser Art empfahlen sich vor allem, wenn große Mengen an Sklaven den lokalen Sklavenmarkt erreichten. Wie Franco Silva für Sevilla berichtet, handelte es sich bei den Akteuren sowohl um einheimische Händler als auch um portugiesische, flämische, englische und genuesische, die sich zu Handelskompanien zusammengeschlossen hatten.202 Nach der Entladung im Puerto de las Muelas kam es zur Steuererhebung und anschließend zur öffentlichen Versteigerung auf der Calle de las Gradas oder dem Plaza de San Francisco.203 Für Valencia ist überliefert, dass es zu ähnlichen Versteigerungen in der Lonja de Mercaderes kam204 und für Málaga nimmt Raúl Arévalo an, dass täglich Versteigerungen von Sklaven auf den größten öffentlichen Plätzen stattfanden205. Die öffentliche Einführung in den Sklavenstand durch eine solche Versteigerung folgte nicht nur ökonomischen, sondern ebenso legitimatorischen und politischen Motiven. Besonders die Zurschaustellung von muslimischen Gefangenen kann als ein symbolträchtiger Akt beschrieben werden, der nicht nur den Sklaven öffentlich erniedrigte und sozial ächtete, sondern auch die Überlegenheit des Christentums performativ darstellte.206 Neben den öffentlichen Versteigerungen, die vor allem beim Erstverkauf eines Sklaven relevant waren, war auch der private Weiterverkauf üblich. Nachdem sich ein Sklavenbesitzer für den Verkauf eines Sklaven entschieden hatte, wurde in der Regel ein Makler (corredor) beauftragt, potentielle Käufer zu finden. Als beispielsweise der valencianische Bürger Nicolau Jacme im August des Jahres 1493 seinen Sklaven gleichen Vornamens verkaufen wollte, betraute er einen corredor mit der Aufgabe, den Sklaven in verschiedene Häuser zu bringen, um ihn dort den Interessenten direkt anzubieten.207 Ähnlich erging es der Sklavin Margalida, die von den Knechten ihrer Besitzerin nach Valencia gebracht und in einem städtischen Wirtshaus feilgeboten wurde.208 202 Franco Silva (1979), S. 73 f.; ebd. (1992), S. 52 f. 203 Vgl. Franco Silva (1979), S. 85 f. 204 Vgl. Graullera Sanz (1978), S. 163. 205 Arévalo (2006), S. 245. 206 Vgl. Blumenthal (2009), S. 49 f. und S. 54 f. 207 „El dit Nicolau Jacme dona a ell dit p[ro]possant a un corredor que venes a ell dit p[ro] possant. E axi lo dit corredor portant a ell dit p[ro]possant p[er] tres o quarte cases.“ ARV, Gob. 2397, M. 13, 21r. 208 „E axi la dita Margalida per por de de les dites menates que lo dit Nicolo li fey a dix que era sclava. E axi lo dit Nicolo contracta de la venda de aquella ab en Guinovart hostaler con sentithi la dita Margalida per por de les dites menates segons dit ha. E per la dita raho es stada venuda com a sclava no per que aquella sia, ans es ve llibera e franqua.“ ARV, Gob. 2343, M. 1, 22r.

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Unabhängig davon, ob ein professioneller Makler hinzugezogen wurde oder nicht, lässt sich beobachten, dass Privatverkäufe von Sklaven hauptsächlich in einem vertraulicheren Rahmen stattfanden, da hier in der Regel nur Sklaven den Besitzer wechselten, die durch ihren Erstverkauf bereits öffentlich in den Sklavenstatus überführt worden waren und demnach keiner weiteren richterlichen Legitimation bedurften. Nachdem die Sklavenverkäufe im 15. Jahrhundert insgesamt zugenommen hatten, lässt sich in diesem Sektor auch eine allmähliche Institutionalisierung administrativer Verfahren erkennen. Zum einen finden sich häufiger offizielle Akteure und Amtsträger, wie die genannten corredores, oder öffentliche Schreiber und Notare, die für die Ausstellung von Verkaufsverträgen zuständig waren, sowie Steuereintreiber, die eigens Sklavenverkäufe bearbeiteten (recaudador de la renta de esclavos).209 Anderseits entwickelten sich einschlägige Verfahren, um den häufigen Betrug im Sklavenhandel einzudämmen. Diese Verfahren liefern interessante Einblicke in die Behandlung der Sklaven, ihre ökonomische Bedeutung und den institutionellen Aufwand des Sklavenhandels. Die deutlichsten Ausmaße nahm die Intensivierung des Verfahrens des Sklavenverkaufs in den Verkaufsverträgen (carta de venta) an, die in großer ­Anzahl in den spanischen Archiven zu finden sind. Um dem Betrug im Sklavenhandel zu begegnen und um illegale Verkäufe, etwa von freien Personen, auszuschließen, mussten beide Parteien die Transaktion von einem städtischen Notar (escribano) bestätigen lassen. Anzugeben war in diesen cartas de venta der Name und Beruf der Vertragspartner sowie vor allem genaue Informationen über den Sklaven, der Vertragsobjekt war.210 Für letzteren Punkt kann exemplarisch ein Verkaufsvertrag aus Sevilla aus dem Jahr 1550 angeführt werden, in dem es heißt: Ich verkaufe Euch Francisco [...] einen meiner Sklaven mit schwarzer Hautfarbe [...] im Alter von mehr oder weniger 21 Jahren. Diesen verkaufe ich Euch aus einem gerechten Krieg und nicht aus dem Frieden, und er ist kein Trinker, kein Dieb, kein Flüchtiger, er ist nicht schwindsüchtig, nicht vom Teufel besessen, hat keine Gicht und klare Augen […]. Er hat keine anderen Mängel oder Krankheiten.211 209 Martín Casares (2000a), S. 190 f. 210 Vgl. Franco Silva (1992), S. 65 f.; Cortés López (1981), S. 129. 211 „Vendo a vos, Francisco […] un mi esclavo de color negro […] de edad 21 años poco más o menos, el cual vos vendo por de buena guerra y no de paz, y que ni es boracho, ni ladrón, ni huidor, ni ético, ni endemoniado, ni tiene gota coral y tiene los ojos claros [...] ni tiene otra tacha ni enfermedad alguna ni la ha tenido.“ Archivo Protocoles Notariales de Sevilla, of. 3, 1550, zit. nach: Cortés López (1981), S. 129.

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In einem Kaufvertrag waren also zuerst der Name, die Hautfarbe und das Alter des Sklaven festzuhalten. Dem folgte die obligatorische, legitimatorische Formel, dass der Sklave ein Gefangener des „gerechten Krieges“ sei. Da Betrug im Sklavenverkauf, etwa durch das Verschweigen von Krankheiten des Sklaven, ein alltägliches Phänomen war, findet sich im Anschluss eine Erklärung, dass der Sklave keine versteckten Krankheiten oder Laster habe. Verheimlichte der Verkäufer wissentlich solche „Mängel“ (tachas), konnte der Käufer den Sklaven innerhalb eines Jahres zurückgeben.212 Neben den oben genannten, galten als solche tachas auch Fettleibigkeit, unklare Aussprache, Spielsucht, Herzkrankheiten, Ungläubigkeit oder Inkontinenz.213 Dass diese großen Einfluss auf den Kaufpreis hatten, zeigt ein Kaufvertrag aus dem Jahre 1589, in dem eine Sklavin sehr günstig den Besitzer wechselt, da sie „eine Hure, Diebin, Alkoholikerin und bereits geflohen […] und krank“214 gewesen sei. Ebenso heißt es in einer carta aus Valladolid im Jahr 1504, dass der Sklave ein Dieb und bereits mehrfach geflohen war sowie „ins Bett uriniere und die Lepra zu haben scheint“215. Darüber hinaus konnten Kaufverträge auch von Fall zu Fall angepasst werden. So etwa in einer carta de venta aus Córdoba im Jahr 1578, in der festgehalten wurde, dass der Sklave am rechten Arm verkrüppelt sei und die Krätze sowie weitere Leber- und Milzkrankheiten habe. Falls er innerhalb eines Jahres an diesen tachas stürbe, würde der Verkäufer die Hälfte des Kaufpreises zurückerstatten.216 Wurden solche oder ähnliche Abmachungen einer carta de venta nicht eingehalten, kam es häufig zu Gerichtsverfahren, in welchen letztlich Ärzte über den Gesundheitszustand des Sklaven zu entscheiden hatten.217 Als weitere gängige Praxis zur Vermeidung von Betrug, aber auch um den Sklaven persönlich kennenzulernen, dienten Befragungen und Gespräche sowie eine Probezeit, die der Sklave im Haushalt des potentiellen Käufers zu verbringen hatte. Im persönlichen Gespräch mit dem Sklaven versuchte der Interessent vor allem mögliche versteckte tachas ausfindig zu machen. So etwa im Falle der bereits erwähnten Margalida, die in jenem städtischen Wirtshaus von einem Kaufinteressenten gefragt wurde, aus welchem Land sie stamme und 212 Vgl. Fernández Martín (1988), S. 133; Graullera Sanz (1978), S. 165 f. 213 Vgl. Fernández Martín (1988), S. 133. 214 „Puta, ladrona, borracha y fuxitiba y […] estado enferma.” Archivo de Protocolos de Córdoba, O. 31, 24, fols. 533–534, zit. nach: Aranda Doncel (1981), S. 164. 215 „Se mea en la cama y padece de mal de S. Lazaro.” Archivo Histórico Provincial de Valladolid, L. 37, fol. 385., zit. nach: Cortés López (1981), S. 129. 216 „Lisiado del brazo derecho, tiene sarna y enfermo del higado y baço. […] Que si muere de dichas tachas de hoy en un año devuelvo la mitad del precio.” Archivo de Protocolos de Córdoba, O. 31, 14. fols. 67–68, zit. nach: Aranda Doncel (1981a), S. 164. 217 Vgl. ebd., S. 163; Arévalo (1991), S. 249; Blumenthal (2009), S. 67.

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ob sie eine rechtmäßige Sklavin sei. Auf ihre Antwort, sie sei „Russin“ (rosa), bezichtigte er sie der Lüge, da sie viel mehr wie eine Kaukasierin (xarquesa) aussähe.218 Die Frage nach der Rechtmäßigkeit ihres Sklavenstatus deutet außerdem erneut darauf hin, dass potentielle Sklavenkäufer sehr daran interessiert waren, diesen zu verifizieren. Probezeiten, sogenannte tiempos de prueba, in welcher der Sklave für eine bestimmte Zeit, meist zwischen einem Tag und einem Monat, im Haushalt des Interessenten lebte, dienten einem ähnlichen Zweck. Akteure wie die corredores, die Rolle des batle general bei den presentaciones und soziale Praktiken und Verfahren wie die cartas de venta oder die tiempo de prueba unterstreichen die Komplexität des Systems der Sklaverei. Es lässt sich erkennen, inwieweit die zum Verkauf stehenden Sklaven als Ware betrachtet wurden, die genau analysiert, getestet und mit Rückgaberechten versehen wurde. Die Beschreibung des Sklaven als Ware und die daraus folgenden Objektivierung wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass Sklaven auch getauscht, verschenkt, als Schuldentilgung verwendet und vermietet wurden.219 Ein Aspekt, der diese Objektivierung zumindest ein Stück weit relativiert, betrifft die Rolle, die die Sklaven selbst in den Interviews und Probezeiten spielten. Mit dem Konzept der slave agency, also die akteurszentrierte Betrachtung von Sklaven, oder „talking tools“220, wie Blumenthal das Phänomen nennt, lässt sich beschreiben, wie Sklaven versuchten, durch das Verstecken oder Simulieren von Krankheiten oder die Behauptung, eigentlich frei oder illegal versklavt worden zu sein, den Verkauf positiv oder negativ zu beeinflussen.221 Die aktive Rolle, die Sklaven so in den Verkaufsverhandlungen einnahmen, offenbart, dass sie durchaus über die Praktiken und Verfahren, denen sie ausgesetzt waren, Bescheid wussten und entsprechend handelten. So konnte der Makler des erwähnten Sklavenbesitzers Nicholau Jacme trotz seiner Bemühungen und des Besuches einiger Privathäuser keinen Käufer finden, da der Sklave beständig betonte: „Kaufen sie mich nicht, denn ich bin frei und somit kann ich nicht verkauft werden.“222 Zwar sollte man das Vorgehen dieser 218 „Afronte ab la dita sclava present en Guinovart e en lo hostal de aquell e interrogat ell dit testimoni a la dita sclava li demana de quina nacio era o si era sclava e aquella li dix e respos que era rosa e sclava e ell dit testimoni li dix que deya falsia que ella mas tenia paria de xarquesa que no de rosa.“ ARV, Gob. 2343, M. 1, 17r. 219 Vgl. Arévalo (2006), S. 253–255; Gómez García/Martin Vergara (1993), S. 69; Graullera Sanz (1978), S. 167. 220 Blumenthal (2009), S. 46. 221 Ebd., S. 74 f. 222 „No mʼcompren que yo franch so que no mʼpoden vendre.“ ARV, Gob. 2397, M. 13, 21r.

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Sklaven nicht überbewerten, vor allem da der Besitzer diese durch Gewaltanwendung zum Schweigen bringen und so meist doch einen Käufer finden konnte. 223 Jedoch wird deutlich, dass Sklaven keineswegs nur als Objekte betrachtet werden dürfen. Durch den Einfluss, den sie auf ihren eigenen Verkauf ausüben konnten, zeigt sich, dass die Sklaven die Praktiken des Sklavenhandels adaptierten und für ihre eigenen Zwecke verwenden konnten. Nicht nur zum Verkauf, sondern auch zur Freilassung von Sklaven standen mehrere Praktiken zu Verfügung. Die ältere Forschung ging davon aus, dass es im Spanien des 15. und 16. Jahrhunderts zu häufigen Freilassungen kam und diese sogar einen alltäglichen Bestandteil der Haussklaverei dargestellt haben.224 Es wurde angenommen, dass die Gründe einer Freilassung in der Dankbarkeit des Herrn für die untertänigen Dienste und Gehorsam sowie im guten, christlichen Glauben des Sklaven oder gar in einem schlechten Gewissen lägen.225 Anhand von sogenannten Freiheitsurkunden (cartas de libertad), Testamenten und Freiheitsgesuchen (demandas de libertat), möchte ich die gängigen Freilassungspraktiken kurz erläutern und einige Positionen der älteren Forschung zur Disposition stellen. Schon in den Siete Partidas ist die Befreiung eines Sklaven geregelt. Demnach war vorgesehen, dass die Besitzer ihre Sklaven auf verschiedene Arten freilassen konnten: „Und der Herr kann seinem Sklaven die Freiheit in einer Kirche geben oder davor, und vor einem Richter oder einem anderen Vertreter, oder in einem Testament, oder ohne Testament in einer Urkunde.“226 Die wohl häufigste Freilassungspraxis war das Ausstellen einer Freilassungsurkunde (carta de libertad oder carta de ahorramiento). Sie wurde vom Besitzer aufgesetzt, notariell beglaubigt und verbriefte die Rechte des freigelassenen Sklaven. In etlichen überlieferten Fällen begründete der Besitzer den Akt der Freilassung mit den guten Dienstleistungen, die er zeitlebens von seinem 223 So konnte beispielsweise für den Sklaven Nicholau Jacmes nach massiven Drohungen und Misshandlungen doch noch ein Käufer gefunden werden: „Lo dit Nicolau Jacme quant eren tornats de les dites cases hon lo havia portat e dit corredor aquell lo acotara malament dient de replant aq[ue]ll p[er] quendeya.“ Ebd. 224 „En la sociedad andaluza de fines del Medievo fue bastante frecuente la concesión de la libertad al esclavo. La liberación era el premio que recibía quel esclavo cuyo comportamiento hacie el amo había sido fiel, cariñoso, obediente y respetuoso.” Franco Silva (1992), S. 122. Vgl. Miret y Sanz (1917), S. 16 f.; Domínguez Ortiz (2003), S. 19 f.; Bennassar (1979), S. 117. 225 Graullera Sanz etwa berichtet, dass der Hauptgrund für eine Befreiung die „sentimientos humanitarios“ der Besitzer gewesen seien. Graullera Sanz (1978), S. 157. 226 „Et puede dar esta libertad el señor á su siervo en eglesia ó fuera della, et delante del juez, ó á otra parte, ó en testamento, ó sin testamento ó por carta.“ Siete Partidas IV, XXII, I.

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Sklaven erhalten habe. So wurde beispielsweise in Huelva im Jahr 1519 eine Sklavin „für den guten Dienst, […] den sie [ihrem Herrn] erwiesen hat, indem sie [ihm seine] Leiden und Krankheiten gelindert hat und andere Dienste, die sie erledigt hat“227 befreit. Ähnlich begründet ein gewisser Juan Christóbal Roger die Befreiung seines Sklaven: „Er diente mir viele Jahre [...] und unterstützte mich mit großer Pünktlichkeit und Sorgfalt“228. Die cartas de libertad stellen in diesen Fällen also vor allem den Charakter der Dankbarkeit und der Großzügigkeit des Herrn in den Mittelpunkt. Daneben finden sich auch cartas, die aus religiösen Motiven ausgestellt wurden. Häufig finden sich hier Angaben über den tiefen christlichen Charakter der zu befreienden Sklaven.229 Um Gültigkeit zu erhalten, mussten bei der Ausstellung einer carta de libertad einige technische Details berücksichtigt werden. Die carta musste von einem Notar ausgestellt worden sein, sie musste Angaben zur Persönlichkeit des zu befreienden Sklaven enthalten, zur Art und Weise seiner Versklavung, zum Grund der Freilassung sowie zu den Bedingungen unter der diese zustande ­gekommen war. Darüber hinaus durfte eine einmal erstellte carta nicht mehr zurückgezogen werden. Die carta hielt ferner die Rechte des Sklaven – etwa die Reisefreiheit oder das Besitzrecht – fest und musste ständig von diesem mitgeführt werden.230 Falls er dies versäumte, drohte die sofortige Wiederversklavung, was folgendes Beispiel von der Karibikinsel Hispaniola illustriert: Der Freigelassene Rodrigo López aus Lissabon stand vor den Richtern der Audiencia von Santo Domingo und klagte, dass ihn sein neuer Besitzer Rodrigo de León zu Unrecht versklavt hätte, da er bereits einige Jahre zuvor befreit worden sei. Zu seinem Unglück hatte er seine Freilassungsurkunde, die ihm auf den ­Kapverdischen Inseln ausgestellt worden war, nicht bei sich. Erst nachdem sich der Prozess über einige Jahre verzögerte, konnte die Freiheit Rodrigos ­bewiesen werden, indem sein ehemaliger Besitzer die carta de libertad nach Santo Domingo schickte.231 Problematisch ist eine einheitliche Beurteilung der Quantität und 227 „Por los buenos servicios que […] me ha fecho en me aver curado mis pasiones y enfermedades y en otros servicios que me ha fecho.” Archivo Diocesano de Huelva A, 27.6.1519, zit. nach: Cortés López (1981), S. 143. 228 „Muchos años […] está sirviendo y asistiendo con mucha puntualidad y cuidado.” Archivo Histórico Provincial de Málaga, L. 1, 778, zit. nach: Gómez García (1993), S. 55. 229 So etwa „por ser cristiano y convertido a la santa de católica. Le da la libertad porque quiere y es su propia voluntad y no porque le haya pagado ni hecho servicios ni donaciones.“ Archivo de Protocolos Notariales de Tenerife H, Guerra, 1508, fol. 424, 10 de noviembre, zit. nach: Cortés López (1981), S. 142. 230 Vgl. Fernández Martín (1988), S. 45; Franco Silva (1992), S. 122; Graullera Sanz (1978), S. 158 f.; Martín Casares (2000), S. 435. 231 Cortés Alonso (1965), S. 533–568.

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damit der Relevanz der cartas de libertad für die Befreiung von Sklaven. Blumenthal spricht bezüglich Valencia für den von ihr bearbeiteten Zeitraum von 1425 bis 1520 von der recht geringen Anzahl von nur 62 überlieferten cartas.232 Ebenso gibt Fernández Martín für Valladolid für das 16. und 17. Jahrhundert deren Anzahl mit nur 36 an233 und auch Martín Casares erwähnt für Málaga, dass das Verhältnis von überlieferten Kaufverträgen zu Befreiungsurkunden acht zu eins sei234. Im Kontrast hierzu stehen die Zahlen, die Franco Silva für Sevilla vorlegt. Für den Zeitraum von 1470 bis 1525 zählt er insgesamt 1.154 Befreiungen durch cartas de libertad und Testamente.235 Sicherlich war die Anzahl der Sklaven in Sevilla größer als in vielen anderen Städten. Eine abschließende Antwort auf die große Diskrepanz zwischen der Menge der überlieferten cartas de libertad kann hier jedoch nicht gegeben werden. Unabhängig von der Frage der Quantität lassen sich anhand dieser Quellen jedoch interessante Rückschlüsse auf die Ökonomie der Sklavenbefreiung machen. Zunächst kann betont werden, dass Sklaven meist in einem Alter freigelassen wurden, das von den Zeitgenossen als „unproduktiv“ gewertet wurde. Hierzu passt auch die Beobachtung Franco Silvas, dass die mit Abstand häufigsten Freilassungen Kinder betrafen.236 Es kann angenommen werden, dass die Gründe hierfür die teuren Unterhaltskosten für den noch nicht arbeitsfähigen Sklaven waren. Dementsprechend wurden ebenfalls häufiger Sklaven freigelassen, deren Alter dreißig Jahre überstieg.237 Diese altersbedingten Sklavenbefreiungen waren für die Betroffenen höchst problematisch, da sie in fortgeschrittenem Alter häufig Probleme hatten, sich selbst zu versorgen.238 Darüber hinaus war es üblich, dass die Freilassung eines Sklaven an eine Ablösezahlung, ein sogenanntes rescate, oder die Verpflichtung zu weiteren Arbeitsleistungen in Form einer festgesetzten Arbeitsfrist gebunden war. So etwa in einer carta de libertad, die im Jahr 1588 in Valladolid ausgestellt wurde, in der es heißt: Ich sage, dass ich eine Sklavin mit dem Namen Anastasia de Torres habe, eine Moriskin aus dem Königreich Granada. […] Wir sind übereingekommen, dass sie mir 130 Dukaten bezahlt und da sie gute Arbeit geleistet hat 232 Blumenthal (2009), S. 199. 233 Fernández Martín (1988), S. 145. 234 Martín Casares (2000a), S. 437. 235 Franco Silva (1992), S. 125. 236 Ebd. (1979), S. 247. 237 Die geschätzte Lebenserwartung eines Sklaven betrug etwa 46 Jahre. Vgl. Cortés López (1988), S. 147; Martín Casares (2000a), S. 446. 238 Vgl. Martín Casares (2000a), S. 446; Aragón Mateos/Sánchez Rubio (1986), S. 97; Arévalo (2006), S. 413; Aranda Doncel (1981), S. 170.

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und für den Dienst an Gott befreie ich hiermit die besagte Anastasia de Torres.239 Betrachtet man den Durchschnittspreis eines Sklaven, der von Alter, Herkunft, Geschlecht sowie Marktlage beeinflusst wurde und für die letzten zwei Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts mit etwa sechzig bis siebzig Dukaten angegeben werden kann240, fällt auf, dass der rescate diesen erheblich überstieg. Auch für Sevilla lässt sich feststellen, dass die rescate-Zahlung den Einkaufspreis und erst recht den eigentlichen finanziellen Wert des Sklaven um ein vielfaches übertraf.241 Von den 62 überlieferten cartas in Valencia waren 35 an verschiedene Konditionen geknüpft242 und in Granada kamen nur 33 Prozent ohne eine Ablösezahlung aus243. Für diese hohen Kosten konnte ein Sklave meist nur aufkommen, wenn es ihm erlaubt war, eine zusätzliche, bezahlte Arbeit anzunehmen und den Lohn über Jahre zu sparen.244 Auch konnte die rescate-Zahlung aus dem Vermögen von Freunden oder Verwandten stammen. Darüber hinaus gab es eigens gegründete Solidargemeinschaften aus meist ehemaligen Sklaven, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, ihre ehemaligen L­ eidensgenossen freizukaufen.245 Die teils enormen finanziellen Lasten, die Sklaven oder Angehörige auf sich nahmen, zeigen, dass eine Freilassung nur in den wenigsten Fällen „der Güte der Besitzer entwuchs“246. Nicht die Großzügigkeit oder Dankbarkeit des Besitzers, sondern der finanzielle Gewinn, entweder in Form einer Ablösezahlung oder der wegfallenden Unterhaltskosten, scheint in den meisten Fällen der Grund für die Freilassung eines Sklaven gewesen zu sein.

239 „Digo que tengo una esclava que se llama Anastasia de Torres, morisca del reino de ­Granada […] y estamos concertados que me ha pague 130 ducados y por hacer buena obra a la dicha y por servicio de Dios Nuestro Senor lo tengo por bien por la presente hago libre a la dicha Anastasia de Torres.“ Archivo Histórico Provincial de Valladolid, L. 566–881v, 12-VII-1580, zit. nach: Fernández Martín (1988), S. 169. 240 Die Preise für Sklaven waren im 15. und 16. Jahrhundert erheblichen Schwankungen unterworfen. Zu den Preisen in verschiedenen Dekaden und Regionen siehe beispielsweise Franco Silva (1992), S. 78–88; Gómez García (1993), S. 71–77; Graullera Sanz (1978), S. 168–171; Martín Casares (2000a), S. 213–235. 241 Vgl. Franco Silva (1992), S. 124. 242 Blumenthal (2009), S. 199. 243 Vgl. Martín Casares (2000a), S. 440. 244 Vgl. Córtes López (1981), S. 14; Martín Casares (2000a), S. 445. 245 Vgl. Moreno Navarro (1997); Blumenthal (2005), S. 225–246; Gual Camarena (1952), S. 457–466. 246 Martín Casares (2000a), S. 440.

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Neben den cartas de libertad findet sich als gängige Praxis der Sklavenbefreiung die testamentarische Befreiung. Auch wenn Bartolomé Bennassar konstatiert, dass Freilassungen häufig durch Testamente vorgenommen wurden247, muss zunächst deutlich gemacht werden, dass die neuere Forschung weitgehend der Meinung ist, dass es sich bei Freilassung in Testamenten um eine noch geringere Anzahl als bei den cartas de libertad handelt. Blumenthal etwa zählt für Valencia in den Jahren 1442 bis 1504 lediglich 39 Testamente, die eine Freilassung beinhalten.248 Auch Martín Casares betont, in Granada in 1.622 untersuchten Testamenten nur 48 mit einer Sklavenbefreiung gefunden zu haben.249 Was die Gründe für die Freilassungen angeht, so gleichen sich Testamente und cartas de libertad weitgehend, mit der Ausnahme des ­Seelenheils des Besitzers. Angesichts des erwarteten Ablebens wurden hier die Freilassungen häufiger mit Formeln wie „weil ich meine Seele und Gewissen entlasten möchte“250 versehen. Im Gegensatz zu den cartas de libertad konnten Testamente bis zum Tod des Besitzers geändert werden.251 Diese Möglichkeit gab dem Besitzer ein weiteres Machtmittel in die Hand, das den Sklaven in erheblicher Unsicherheit hielt und zu fleißiger Arbeit motivieren sollte. Ebenso konnte sich der Sklave auch nach dem Ableben seines Herrn keineswegs gewiss sein, wirklich befreit zu werden. In etlichen Fällen ignorierten die Erben das Testament oder interpretierten es anders. Gerichtsverfahren zwischen Sklaven und Erben waren entsprechend häufig.252 Insgesamt waren die testamentarischen Freilassungen den cartas de libertad zwar formal ähnlich, jedoch waren sie für den Sklaven erheblich unsicherer. Selbst wenn der Besitzer tatsächlich sein Seelenheil begünstigen wollte, so konnte sich der Sklave fast sicher sein, dass seine Erben ganz anderer Meinung waren. Im Gegensatz zu den cartas oder den Testamenten, in welchen der Impuls zur Befreiung von den Besitzern ausging, hatten Sklaven in den Iberischen Reichen unter Umständen die Möglichkeit, ihren Sklavenstatus proaktiv vor Gericht anzufechten.253 Die Quellenlage ist dabei nirgends besser als in Valencia, wo Blumenthal für die Zeit von 1425 bis 1520 insgesamt 94 sogenannter 247 „Manumissions were frequently made by testament.“ Bennassar (1979), S. 117. 248 Blumenthal (2009), S. 199. 249 Martín Casares (2000a), S. 438. 250 „Porque quise e quiero descargar mi ánima e conciencia.” Archivo Histórico Provincial de Málaga, L. 32, fol. 330, 1-II-1518, zit. nach: Arévalo (2006), S. 412. 251 Vgl. ebd., S. 386; Franco Silva (1992), S. 122. 252 Vgl. Franco Silva (1992), S. 132; Martín Casares (2000a), S. 439; Cortés Alonso (1964), S. 137; Arévalo (2006), S. 386. 253 Neben Valencia zum Beispiel in Valladolid: ARCV, Registro de Ejecutorias, C. 336–29, 827–12, 1420–48. Wie bereits angesprochen untersuchte jüngst auch Nancy van Deusen

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demandas de libertat zählt.254 Die Formalität und der hohe Institutionalisierungsgrad der valencianischen Gerichtsverfahren sind besonders eindrucksvoll. Zentral ist hier, neben der Argumentationsweise der Sklaven und der Besitzer, vor allem die Frage nach der Ökonomie der demandas, also welche Funktionen und welchen Stellenwert sie im Gesamtsystem der Sklaverei besaßen. Verweise hierauf werden später auch im Kapitel zur indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika wichtig werden, denn auch dort war es üblich, den Status der indio-Sklaven durch ein Gerichtsverfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Wie zuvor erwähnt, hatten die Sklaven schon während der presentaciones vor dem batle general die Möglichkeit, ihren Sklavenstatus anzuzweifeln. Bedingt durch Verängstigung, Verfahrensunkenntnis und Sprachbarrieren wurde diese allerdings kaum wahrgenommen. Nach einigen Jahren der Sklaverei jedoch, in denen der Sklave die Sprache erlernte, Sitten und Gebräuche der einheimischen Gesellschaft übernahm und letztlich auch Kenntnisse über die Gesetzgebung erlangen konnte, waren diese Hindernisse oft beseitigt und es konnte zu einer nachträglichen Beschwerde in Form einer demanda de libertat kommen. Diese Tatsache wird dadurch unterstrichen, dass diese in fast allen Fällen erst nach Jahren der Sklaverei erfolgten. Der Lebensweg vieler Sklaven glich also in mancherlei Hinsicht einem allmählichen Integrationsprozess, der das Einreichen einer demanda de libertat überhaupt erst ermöglichte. Die Gründe für das Einreichen einer solchen Klage waren unterschiedlich: Die einen behaupteten, bereits illegal versklavt worden zu sein, die anderen, während ihres Lebens als Sklaven die Freiheit erlangt zu haben, etwa durch ein Testament oder ein Freiheitsversprechen des Besitzers. Um eine demanda de libertat einzureichen, mussten die Sklaven zunächst eine Art Armenanwalt, den sogenannten procurador dels miserables255, aufsuchen, der sie vor Gericht vertrat – ein Amt, das sich in verwandter Form auch in Spanisch-Amerika für die indio-Sklaven findet. Ein großer Teil der Freiheitsgesuche wurde damit begründet, illegal versklavt worden zu sein. So erschien beispielsweise im Jahr 1475 die 25-jährige Sklavin Margalida vor dem Gouverneur, um eine demanda de libertat einzureichen, die sich gegen ihren Besitzer, den valencianischen Kaufmann Jacme de Agtulaniu, richtete. Um die von ihr behauptete illegale Versklavung nachzuweisen, versuchte der procurador ihre Lebensgeschichte möglichst überzeugend darzustellen. So sei Margalida eine Tochter freier, verheirateter Christen

Freiheitsgesuche, die von indio-Sklaven in Kastilien vor Gericht eingereicht wurden. Van Deusen (2016). 254 Blumenthal (2009), S. 279. 255 Carrerres i de Calatayud (1931), S. 41–53.

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aus der Stadt „Strots“ in „Sclavonia“.256 Er betont, dass die Sklavin eine „legitime Tochter freier Menschen“ und darüber hinaus „wahrhaft christlich“ sei.257 Aus diesem Grund sei es offensichtlich, so der procurador, dass Margalida nicht als Sklavin verkauft werden dürfe, da sie in Wahrheit eine freie Person sei.258 Um die christliche Abstammung der Sklavin zu beweisen, wurden Zeugen hinzugezogen, die ebenfalls aus „Sclavonia“ stammten und bestätigten, dass Margalida freie, christliche Eltern habe.259 Weiter heißt es, Margalida sei über Neapel nach Valencia gekommen und habe dort als freie Magd in Diensten eines Adeligen gearbeitet. Ein als Zeuge hinzugerufener Hausangestellter bestätigte, dass Margalida sich in besagtem Anwesen befand und der Adelsfamilie diente, jedoch „nicht als Sklavin, sondern als Freie.“260 Um den Standpunkt, dass Margalida eine freie Dienstmagd war, zu unterstreichen, wurden weitere Zeugen vernommen, die die strikte Abgrenzung von freier Hausarbeit und Sklavenarbeit betonten.261 Wie es schließlich zur Versklavung dieser 256 Auf der Basis des Dokuments lässt sich nicht genau bestimmen, welche slawische Stadt hiermit gemeint ist. Geographisch wird aber vermutlich auf ein Gebiet der Balkanhalbinsel Bezug genommen. 257 „E Primerame[n]t diu […] que entre Johan Marth pustre na Caterina fon contratar matrimoni per paraules de present en fet de sa mare iglesia solemptirat […] en la ciutat de Strots en Sclavonia. […] Item diu […] que los dits conjuges del dit matrimoni haguere promeasa a dita Margalida en filla legitima e natural appellant nomena[n]t e narrant aquella per filla. […] Item diu […] que los dits conjuges eren son p[er]sones libres ingenues franques e tots los qui son de Sclavonia e axi es ver. […] Item diu […] que la dita Margalida es ingenuo francha filla nada depone mare x[ri]s[t]iano ingenus franchs.“ ARV, Gob. 2343, M. 1, 21r. 258 „Item diu que […] la dita Margalida no pot esser stada venuda per cativa al dit honor en Jacme de Agtulaniu ne aquell la por tenir per serva cativa sua com sia persona libera ingenua franqua […] qualseno venda feta deu e[ss]er per vos declarat aquella esser nulla.“ Ebd. 259 „Valenc Pau fill deu Pere Pau de generario dʼSclavona moro deu Galteran Gomban veho de la de Algezira testimoni. […] Contengut veritat co es que los dits conjuges mencionates en lo dit Capitol haguere[n] […] en filla legitima e natural la dita Margalida. […] En veritat que la dita Margalida es ffranqua e libera e filla de franch e franqua e x[ri]s[t]iana filla de x[ri]s[t]ians e per franqua e libera.“ Ebd. 23v. Zusätzlich sagte ein Mönch namens Miquel aus, dass „era sclavona e […] no era sclava.“ Ebd. 260 „[Margalida] stare en la dita casa e servia la senyora madona Yolant dona del dit noble mossen Guillem Ramon Centelles […] no tan a sclave sino com a franqua.“ Ebd., 21v. 261 So etwa der Zeuge Anthoni Alegueres: „Que la dita Margalida era ffranqua e libera com fos de les sclavones e no cativa segons ell dit testimoni haya de altres sclaves que tenia lo dit noble mossen Centelles en casa sua.“ Ebd., 23r. Ebenso sagte der Zeuge Perico aus, dass „aquella era franqua e libera e no sclava com fos sclavona.“ Ebd., 22v. Auch die Zeugin

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freien Magd kommen konnte, berichtete ein weiterer Zeuge. Die Ehefrau des Adeligen habe Margalida, nachdem sie diese verdächtigt hatte, ein Verhältnis mit ihrem Mann gehabt zu haben, zwei Knechten übergeben, die sie in ein Gasthaus brachten und sie dort über Umwege illegal an ihren derzeitigen Besitzer verkauften.262 Dessen Argumente standen diesen Aussagen konträr gegenüber. Margalida sei nicht wie eine freie Magd behandelt worden, sondern für alle sichtbar „wie eine Sklavin“ 263. Darüber hinaus sei sie inzwischen ­bereits mehrfach verkauft worden, ohne dass sie jemals ihren Sklavenstatus angezweifelt hätte. Vielmehr habe sie sogar selbst aktiv an ihren Verkäufen mitgewirkt, indem sie potentielle Käufer ausfindig machte und mehrfach selbst betonte, eine Sklavin zu sein.264 Diesen Aussagen begegnete Margalida mit der Behauptung, die Zustimmung zu ihrem Verkauf sei lediglich durch Zwang und Gewalt­androhung erfolgt.265 Wie in vielen anderen Fällen auch wendete die Sklavin eine argumentative Doppelstrategie an. Zum einen betonte sie, von freien, christlichen Eltern abzustammen. Zum anderen ist das Argument zentral, wie eine freie Person gelebt und gearbeitet zu haben und vor allem als eine solche von der Gesellschaft anerkannt worden zu sein. Der Besitzer dagegen erachtete es als ausreichende Legitimationsgrundlage der

Alena bestätigte, dass Margalida im Haushalt des Guillem Ramon Centelles „com a sclavona e no com sclava“ gearbeitet habe. Ebd., 24v. Die Zeugenaussage Lorenc Jormets bekräftigt ebenfalls, „que […] la dita Margalida […] es franqua e no es cativa e per tal la tenia lo noble mossen Guillem Ramon Centelles tots las de casa de aq[ue]ll […] e sabia ve ell dit t[estimoni]s que lo senyor mossen Guille Ramon e la senyora de casa la tenien com a sclavona e franqua e no com cativa.“ Ebd., 22r. 262 „E es recordant el dit t[estimoni]s que p[er] quant la senyora madona Yolant tenia cells de la dita Margalida tenint opinio que lo noble mossen Guillem Ramon Centelles se gaya carnalment ab aquella dita Margalida dix a dos scuders de la casa del dit noble mossen Guillem Ramon lo na appellat Nicolo de lʼaltre no es recordant que prenguessen la dita Margalida e la sʼen portassen a la present ciutat de Valents com sigueste en la foya de lomboy e segons huy en dia stan e queʼn fessen de aquella lo que vels vingues. E axi los dits scuders en seguint los maname[n]ts de la dita senyora portare la dita Margalida de la dita foya de lomboy a la present ciutat de Valencia. E estants en la dita present ciutat de Valencia la hu dels dits scuders appellat Nicolo dix a la dita Margalida que renegava de son deu e crehador que si ella no deya que era cativa e sclava que ell la degollaria com ell la volia vendre.” Ebd. 263 „Com a sclava.” Ebd., M. 7, 12r. 264 „Item diu q[ue] en apres la dita Margalida es stada venuda en la present ciutat p[er] sclava afermat aq[ue]lla e[ss]er sclava. E axi es ver. […] Item diu e posa q[ue] la dita Margalida es stada venuda altra vegada p[er] sclava.“ Ebd. „Dient e afermant aquella esser sclava e encara pregat al honorable en Johan Frare ciutada de Segorbe que la compras aquella afermant tot temps e dient que era scalva.“ Ebd., M. 1, 17r.

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Sklaverei, dass sie ihrem Verkauf mehr oder weniger schweigend zugestimmt habe. Infolge der Unvollständigkeit des Dokuments ist leider kein abschließendes Urteil überliefert. Hinsichtlich der zahlreichen, wohl recht glaubwürdigen Zeugenaussagen, ist ein Freispruch jedoch nicht unwahrscheinlich. Andere Sklaven beschwerten sich, bereits als Kinder entführt worden zu sein und nicht die Kriterien eines „Gefangenen des gerechten Krieges“ zu erfüllen. Auf diese Art und Weise argumentierte beispielsweise eine Sklavin namens Maria im Jahr 1470. Sie klagte gegen ihre Besitzerin, die Nonne Ysabel Bellvis, da sie aus der zypriotischen Stadt Nikosia von freien christlichen Eltern abstamme und in jungem Alter von genuesischen Händlern entführt worden sei.266 Die Händler hätten sie zunächst illegal nach Mallorca verkauft, wo sie sich vor dem Vizekönig über den Umstand ihrer Versklavung beklagte. Dieser erkannte ihre freie, christliche Herkunft tatsächlich an, jedoch nur unter der Bedingung einer Geldzahlung; da sie diese nicht leisten konnte, wurde sie nach Valencia weiterverkauft.267 Zentral für die Argumentationsweise der Sklavin ist in erster Linie ein Dekret Papst Urbans V. aus dem 14. Jahrhundert, das ­besagt, dass sämtliche griechische Sklaven nach sieben Jahren der S­ klaverei freizulassen seien.268 Aus diesem Grund versuchte der procurador besonders herauszustellen, dass sie „von Natur aus Griechin“ und „Tochter des christlichen Glaubens“ sei.269 Der Verkaufsvertrag solle daher für Null und Nichtig erklärt werden.270 Die Besitzerin behauptete demgegenüber, Maria stamme 265 „E axi la dita Margalida per por de les dites menates que lo dit Nicolo li fey a dix que era sclava. E axi lo dit Nicolo contracta de la venda de aquella ab en Guinovart hostaler con sentithi la dita Margalida per por de les dites menates segons dit ha. E per la dita raho es stada venuda com a sclava no per que aquella sia, ans es ve llibera e franqua.“ Ebd., 22r. 266 „Item diu que la dita Maria essent de poca edat es de huyt o de deu anys porh mas o menys estant jutjant ab altres fonch jues fonch treta e jarrida p[er] hun mercader genoves […] amagada en un casa dins la dita ciutat de nicosia no sabent ne res ans contra voluntat de aquella e de fos de pare e mare. E axi es ver.“ ARV, Gob. 2331, M. 16, 3r. 267 „Perda Maria libertat en la dita ciutat de malloques empero cessa e[ss]er ver que lo dit pres apparega ne conste que aquella sia franca ans en vertat que p[er] lo magnifich visrey dla dita ylla fon donada […] e declara en lo dit pres de libertat. […] Se statuhit la dita quantitat o passat lo temps alqual seria venuda la dita Maria fos liberta.“ Ebd., 4r. „Que la dita Maria apres (seortament) es stada venuda p[er] lo honor en Pau[lus] Mercader habitant de la ciutat de Valenc e portada per forca a la present ciutat de Valenc e […] es stada venuda […] ala dita sor Bellvis per sclava lo que no podra fer.“ Ebd. 268 Vgl. Verlinden (1955), S. 461; Blumenthal (2009), S. 34 f. 269 „Primerament […] posa e sinegar […] que la dita Maria es grega natural d[e]la ciutat de nicosia crestiana fe filla de crestians fe.“ ARV, Gob. 2331, M. 16, 3r. 270 „E[ss]er declarada per vos dit spectable governador no e[ss]er de effecte algu […] e[ss]er declarada nulla.“ Ebd.

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nicht aus Griechenland, sondern es handele sich bei ihr um eine „Russin“ (nacio de rosos), die von „Türken“ (turchs) gefangen und von diesen an die genuesischen Händler verkauft worden sei.271 Darüber hinaus findet sich einmal mehr das Argument, die Sklavin wäre freiwillig nach Valencia gekommen und hätte sich in den vielen Jahren, in denen sie als Sklavin in dieser Stadt gelebt hatte, niemals über ihren Sklavenstatus beklagt.272 Auch weil es wohl offensichtlich war, dass diese „Freiwilligkeit“ durch Gewalt erzwungen worden war, folgte das Gericht letztlich dem bereits bestehenden Urteil des Vizekönigs von Mallorca und sprach Maria frei.273 Ähnlich versuchte der Sklave Johan Serez einige Jahre zuvor seine christliche Abstammung zu beweisen. Er behauptete, eigentlich aus Ungarn zu stammen und mit einem „Türken“ verwechselt und verkauft worden zu sein. Um seine Angaben zu überprüfen, wurde er von vier auswärtigen Zeugen auf Deutsch über die Sitten seines Heimatlandes befragt. Ein aus Köln stammender Schuhmacher sagte aus, Johan habe auf seine Fragen „auf besagter Sprache wahrheitsgemäß geantwortet, dass er aus dem Königreich Ungarn stamme, welches zum Kaiserreich der Deutschen gehöre und dass er von väterlicher und mütterlicher Seite gebürtiger Christ sei“274. Darüber hinaus wurde ein Arzt hinzugezogen, der bezeugte, dass Johan nicht beschnitten war.275 Infolge der eindeutigen Beweislage wurde der Sklave schließlich befreit.276 271 „Primerament diu e posa que cessa e[ss]er ver ab honore par lo nit que la dita Maria sie grega ni de nacio de grechs. E axi es ver. […] Item diu e posa que la dita na Maria sclava es de nacio de rosos e aq[ue]lla es stada presa per turchs. […] Item diu e posa que la dita ­Maria essent en poder de turchs fonch comprada p[er] hun genoves p[er] sexanta ducats.“ Ebd., 4r. 272 „Que la dita Maria es stada portada al la present ciutat de sa p[ro]p[i]a voluntat. E axi es v[er].” Ebd. 273 „E ab lo dit acte fer donant lo dit lochs general de Mallorqua en los quals se nomena la dita Maria gregues e de lineage de gregs la qual per e[ss]er grega e de nacio de gregs exhigint lo justicia e senyala danent indult e concessi e decret de nostre sanct pare Urba quint no por ne ha pogut esser serva ne captiva ne venuda per cativa annulant e irritant qualsevol vendes que de facto sein e seran fet […] declara […] la dita Maria e[ss]er libera e franqua.“ ARV, Gob. 2332, M. 26, 2v. 274 „Respost en lo dit lenguatge verdader q[ue] era del regne de Ongria qui es del imperi dʼAlamanya e era x[ri]stia de natura dexristia de part de pare e mare.” ARV, Gob. 4581, M. 5, 37r. 275 „No esser circumcis.“ Ebd., 37v. 276 „P[er] lo dit spectable gov[ernador] p[ro]mulgada en favor d[e]l dit Joha[n] Serez ab la qual t[estimoni]s p[ro]nunciat e declarat lo dit Johan S[er]ez e[ss]er x[ri]stia dʼnatura fill dʼx[ri]stia e dʼx[ri]stiana dʼnacio dʼongres e d[e]l regne dʼongria e p[er]consegue[n]t e[ss]

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Streitfälle, in denen der Sklave sich beklagte, dass sein Besitzer oder dessen Erben die versprochene Befreiung nicht einlösten oder ein Testament respektive eine carta de libertad nicht anerkannten, stellen einen zweiten großen Teil der überlieferten Freiheitsgesuche dar. Im Gegensatz zu den letzten Beispielen erkannten diese Sklaven ihren ursprünglichen Sklavenstatus meist als legitim an. Jedoch behaupteten sie – zumeist nachdem sie bereits einen Großteil ihres Lebens als Sklaven zugebracht hatten – dass ihr Besitzer ihnen die Freiheit geschenkt habe. Wie erwähnt, geschah dies in der Regel durch ein Testament oder eine carta de libertad, die meist an ein rescate gebunden war. Zur Klage der Sklaven konnte es kommen, wenn die Erben eines Sklavenbesitzers die testamentarische Freilassung nicht anerkannten, ignorierten oder wissentlich den Sklaven davon abhielten, den im Testament verordneten Klauseln, wie etwa der Verpflichtung zu weiteren Arbeitsleistungen, nachzukommen. Auch finden sich häufig Sklavenbesitzer, die ihren Sklaven eine carta de libertad ausgestellt hatten, diese dann aber mit der Behauptung zurückzogen, der Sklave hätte die in ihr enthaltenen Bedingungen – also etwa die monatliche Ratenzahlung einer rescate – nicht eingehalten. Der Sklave Johan Viscaya hatte in seiner demanda mit einem solchen nicht eingelösten Freiheitsversprechen zu kämpfen. Nachdem er im Alter von fünf Jahren zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder von Korsaren an der Küste bei Cartagena gefangen worden war, verwendete einer der Korsaren, ein baskischer Kaufmann, die drei Sklaven, um seine Schulden bei einem valencianischen Händler zu tilgen. Nachdem dieser drei Jahre später verstorben war, erbte dessen Witwe die Sklaven mit der Bedingung beide freizulassen, sobald sie ihren Anschaffungspreis abgearbeitet hätten.277 Nachdem Johan siebzehn Jahre auf deren Feldern gearbeitet hatte, stellte er schließlich im Jahr 1457 eine demanda de libertat, mit der Begründung nun seinen Anschaffungspreis erarbeitet zu haben. Hierbei schätzte er seinen ursprünglichen Preis auf etwa 25 lliures, wobei er zwei Makler als Zeugen gewinnen konnte, die dies bestätigten. Den Preis seiner geleisteten Arbeit gab er mit circa 200 lliures an, so dass seine Besitzerin ihm sogar noch 175 lliures schulde.278 Die Witwe begegnete diesen, in ihren Augen unverschämten Forderungen, mit der Behauptung, Johans Anschaffungspreis habe bei rund 60 lliures gelegen. Ferner habe er erst im Alter von neun Jahren arbeiten können und sei auch danach relativ nutzlos gewesen. Allein Kost und

er ingenu e franch e no e[ss]er moro ni sclau e aq[ue]ll no pod[er] e[ss]er venut co[m] a moro ni sclau sego[n]s totes los dits coses e altres.“ Ebd. 277 „Que servexquen tractant que hagen guanyat lo que costaren a coneguda de la dita muller mia.“ ARV, Gob. 2290, M. 22, 28r. 278 Ebd., M. 25, 1r.

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Logis hätten bereits den Wert seiner Arbeit aufgewogen.279 Noch interessanter ist die Aussage, dass die Freilassung eines ihrer Sklaven den Gouverneur nichts anginge, da das Testament ausdrücklich vorsehe, dass die Entscheidung über die Freilassung des Sklaven von der Erbin zu treffen sei.280 Hierauf beschwerte sie sich offenbar an höherer Stelle, denn ein Schreiben des aragonischen Königs Johann II. beendete das Gerichtsverfahren und bestimmte, dass Johan Viscaya nicht freigelassen werden dürfe.281 Der König schützte also persönlich das Besitzverhältnis seiner Untertanen zu ihren Sklaven. Die Ökonomie dieser Gerichtsverfahren lässt sich folglich aus drei verschiedenen Richtungen beschreiben. Erstens waren die Verfahren ein Mittel um festzustellen, ob bei der Versklavung tatsächlich ein Fehler unterlaufen war. Da etwa die Versklavung eines Katholiken, wie im Falle des Johan Serez, im Hinblick auf das erwähnte privilegium christianorum, ein großes Unrecht darstellte, war es durchaus im Interesse aller Beteiligten, dass solche Fälle aufgedeckt wurden. Zweitens stellten sie für die Sklaven selbst durchaus ein wirksames Mittel zur Erlangung der Freiheit dar. Drittens dienten solche Freiheitsgesuche der Legitimation des Systems der Sklaverei. Der Zugriff auf ein solches Verfahren durch die Sklaven selbst setzte letztlich ein grundsätzliches Anerkennen rechtmäßiger Sklaverei voraus. Der hohe Institutionalisierungsgrad der Gerichtsverfahren, Zeugen und Sachverständige, die Aussagen über Kultur und Bräuche des Herkunftsortes der Sklaven machen konnten, sowie Dolmetscher und Ärzte zeigen auch hier, dass es sich bei der Sklaverei um einen höchst ausdifferenzierten Komplex aus Legitimationsmustern und Praktiken handelte. 2.3 Sklaverei als Wirtschaftsfaktor Als charakteristisch für den Status eines Sklaven gilt seit jeher die erzwungene Arbeit. Zusammen mit Steuerabgaben, die beim Verkauf eines jeden Sklaven fällig wurden, trug diese zur Wirtschaftsleistung der kastilischen und aragonischen Reiche bei. Leider sind das ökonomische Gewicht der Steuergewinne sowie der Anteil der Sklaven und des Sklavenhandels am Wirtschaftsleben kaum erforscht. Bereits angesprochen wurde im Zuge der Darstellungen der presentaciones der königliche Fünft (quinto). Diesen erhielt der König auf sämtliche Kriegsbeute, also auch auf Sklaven. Der quinto stellte nicht nur eine lukrative Einnahmequelle für die Krone dar. Wie ich in späteren Kapiteln immer wieder zeigen werde, konnte der explizite Verzicht des Königs auf dieses Recht als ein militärisches und politisches Instrument genutzt werden, um den Krieg für 279 Ebd., M. 22, 27v. 280 Ebd. 281 Ebd.

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Söldner attraktiver zu gestaltet oder Loyalität zu belohnen. Neben dem quinto waren verschiedene andere Steuern auf Sklaven zu entrichten: So musste in Sevilla ab 1502 jeder Sklavenbesitzer, der einen Sklaven in die Stadt bringen wollte, fünf Prozent seines Wertes als Abgabe entrichten (almojarifazgo). ­Sollte der Sklave in der Stadt verkauft werden, kam mit der alcabala noch die übliche Verkaufssteuer von zehn Prozent hinzu.282 Beide Formen der Besteuerungen von Sklaven waren auf ähnliche Weise in allen anderen kastilischen und aragonischen Städten üblich.283 Vicenta Cortes betont für Valencia gar, dass die hierdurch erzielten Gewinne die übrigen Einkünfte durch Verkaufssteuern – wie etwa durch den tercio auf Wein und Brot – deutlich überstiegen.284 Auch die sklavische Arbeitsleistung hatte Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung. Innerhalb der Forschung herrschte allerdings lange Zeit die Annahme, Sklaven seien auf der Iberischen Halbinsel im Mittelalter und der Frühen Neuzeit ein unproduktives Luxusobjekt gewesen, das sich darüber hinaus auf die südlichen Regionen beschränkt habe.285 Grundlage dieser Vermutung war zum einen die der Quellenarmut geschuldete Unsichtbarkeit sklavischer Arbeit. Für Domínguez Ortiz waren Sklaven in erster Linie ein Luxusartikel.286 Auch Franco Silva betont den symbolträchtigen Charakter der Sklaverei287 und der französische Historiker Claude Larquié unterstreicht, dass „die Sklaven in Madrid, wie im Rest von Europa, Luxusobjekte waren.“288 In der Tat ist es aufgrund der schlechten Quellenlage schwierig, den alltäglichen Tätigkeitsbereich der Sklaven im Haushalt zu beschreiben. Die Geringschätzung der sklavischen Arbeit als unproduktiv ist jedoch nicht ausschließlich ein 282 Franco Silva (1992), S. 121. Die alcabala, deren Systematik zu komplex ist, um sie hier auszuführen, war eine Haupteinnahmequelle der Krone; sie machte ein Drittel ihrer Gesamteinnahmen aus. Vgl. Drelichman/Voth (2014), S. 84. 283 Vgl. Arévalo (2006), S. 300 f.; Martín Casares (2000a), S. 199–202. 284 Cortés Alonso (1964), S. 99. Zum kastilischen Steuersystem vgl. Drelichman/Voth (2014), S. 74–104. 285 Vgl. Periáñez Gómez (2004, 2009); Falcón Pérez (2000); Fernández Martín (1988); Rodríguez Martín (1993). 286 Domínguez Ortiz (2003), S. 17. 287 Franco Silva (1992), S. 95. 288 „Les esclaves sont à Madrid, comme dans le rest de lʼEspagne un objet de luxe.“ Larquié (1970), S. 62. Ähnliche Befunde findet man bei Pierre Dockès: „Hay sociedades, en especial, donde los esclavos prestan exclusivamente servicios domésticos, en las que son raros lo que trabajan de una manera productiva.” Dockès (1984), S. 19. Noch weiter geht Henry Kamen wenn er konstatiert, dass es „little evidence of them leading a miserable life of sweated labour“ gebe. Kamen (1970), S. 225. Weitere Beispiele finden sich bei: Bennasar (1979), S. 108–112 und Pereiro (1986), S. 323.

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Quellenproblem. Wie die Geschlechtergeschichte herausgearbeitet hat, sind die Unterbewertung der häuslichen Sklavenarbeit und damit das Bild des unproduktiven Sklaven auf das Engste mit der Geringschätzung der meist durch Frauen verrichteten Hausarbeit verbunden.289 In der Folge ist die Annahme, der Sklave sei ein häusliches Luxusobjekt oder Statussymbol, von der jüngeren Forschung weitgehend entkräftet worden. So rechnet Martín Casares etwa für Granada vor, dass sich die Anschaffung einer Haussklavin im Vergleich zu einer freien Magd nach nur einem Jahr amortisiert hatte.290 Insgesamt galten Sklaven tatsächlich als eine geschätzte Arbeitskraft mit „eindeutig ökonomischen Motiven“291. Die in Massen überlieferten Kaufverträge legen darüber hinaus nahe, dass Sklavenbesitzer in fast allen sozialen Schichten anzutreffen waren. Sklaven waren somit mitnichten ein bloßes Phänomen der urbanen Oberschicht; ihre Arbeitskraft war ebenso bei Handwerkern, Kaufleuten, Geistlichen und anderen Berufsgruppen beliebt.292 In der Tat wurden sie „von allen sozialen Schichten gekannt und genutzt”293. Unabhängig von der Schichtenzugehörigkeit der Besitzer, waren Sklaven tatsächlich in erster Linie im Haushalt beschäftigt. Der polyvalente Einsatz von Sklaven im Haushalt lässt sich freilich in den seltensten Fällen genauer bestimmen und erst recht nicht auf ihre volkswirtschaftliche Bedeutung hin überprüfen. Aus vielen cartas de libertad und Testamenten lässt sich lediglich herauslesen, dass Sklaven vor allem zum Kochen, Putzen, Wäsche waschen und Brot backen sowie zur Kindererziehung und anderem herangezogen wurden.294 Auch wenn sich die wirtschaftliche Bedeutung von Haussklaverei kaum quantifizieren lässt, kann mit Recht vermutet werden, dass die durch Sklaven verrichtete Hausarbeit bei ihren Besitzern Arbeitskapazitäten freisetzen konnte und sie auf diese Weise mittelbaren Einfluss auf die volkswirtschaftliche Entwicklung hatte. 289 Vgl. Martín Casares (2000a), S. 328 f. Hinzu kommt, dass die in der Sklavereiforschung einflussreiche neomarxistische Historikerschule Haussklaverei als nicht relevant für den Produktionsprozess klassifizierte. Vgl. Hindess/Hirst (1975), S. 109–177. 290 Martín Casares (2000a), S. 330. 291 „La esclavitud tiene claras motivaciones económicas.” Vincent (1987), S. 255. Vgl. Blumenthal (2009), S. 80; Cortés López (1986), S. 104 f.; Gómez García (1993), S. 53 f. 292 Juan Aranda Doncel stellte für Córdoba beispielsweise fest, dass 23 Prozent aller Käufer dem Adel und zwölf Prozent dem höheren Klerus entstammten. Darüber hinaus gehörten 41 Prozent der Sklavenbesitzer den Händlern oder freien Berufen und zwanzig Prozent den Handwerkern an. Unter fünf Prozent der Sklaven fielen auf den Agrarsektor. Aranda Doncel (1981a), S. 165–167. Vgl. Franco Silva (1979), S. 275–316; Morgado García (2009), S. 21 f.; Cortés López (1981), S. 104–114. 293 „Conocido y utilizado por todas las capas sociales.“ Vincent (1987), S. 252. 294 Vgl. Fernández Martín (1988), S. 146; Franco Silva (1992), App., Dok. 31, S. 210.

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Da Sklaven, die in Werkstätten arbeiteten, in der Regel auch im Haushalt der Besitzer zum Einsatz kamen295, ist diese Form sklavischer Arbeit nur schwer von der Haussklaverei zu trennen. Anhand der in den Verkaufsverträgen angegebenen Berufe lässt sich feststellen, dass Sklavenbesitzer aus allen Bereichen des Handwerks stammten.296 Für Handwerker, die sich keinen eigenen Sklaven leisten konnten, bestand ferner die weit verbreitete Möglichkeit, Sklaven für eine bestimmte Zeit zu mieten. Ebenfalls überliefert sind zahlreiche Fälle, in denen sich minderbemittelte Handwerker einen Sklaven teilten.297 Insgesamt kann auf Basis der Kaufverträge festgehalten werden, dass eine Vielzahl der kastilischen und aragonischen Handwerksbetriebe mindestens einen Sklaven beschäftigten. Dass Sklaven auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle spielten und darüber hinaus von freien Arbeitern als Konkurrenz wahrgenommen wurden, zeigen verschiedene Konflikte zwischen Sklavenbesitzern und Gilden. So berichtet beispielsweise Martín Casares über das Verbot der Ausbildung und Qualifizierung von Sklaven in Werkstätten, um deren Einfluss auf den Arbeitsmarkt zu minimieren.298 Aus ähnlichen Gründen beschränkte die Gilde der Korallenfischer in Barcelona im Jahr 1453 den Besitz auf maximal zwei Sklaven pro Mitglied.299 Auch die Gilde der valencianischen Schuhmacher verbot im Jahr 1597 die Ausbildung von Sklaven: Es wurde beschlossen, statuiert und verordnet, dass kein Meister der besagten Gilde der Schuhmacher in seinem Haus einen Lehrling beschäftigt, der dessen Sklaven ist, ebenso weder einen Schwarzen, noch von quittenfarbiger Hautfarbe, ebenso wenig Kinder von Sklaven dieser Hautfarbe oder Mauren.300 Sklavische Arbeitskräfte waren deutlich günstiger als freie Arbeiter, was noch einmal unterstreicht, dass die Sklaverei durchaus eine wirtschaftliche Relevanz besaß und Sklaven nicht nur als Luxusobjekte und Statussymbole betrachtet wurden. 295 Vgl. Aranda Doncel (1981), S. 165–167. 296 Vgl. Vincent (1987), S. 252–254; Arévalo (2006), S. 148; Franco Silva (1992), S. 96; Cortés López (1981), S. 106. 297 Vgl. Blumenthal (2009), S. 101. 298 Martín Casares (2000a), S. 302. 299 Vgl. Cortés López (1981), S. 107. 300 „Se havía determinat, statuhit e ordenat que ningún Mestre confrare del dit Offici de çabaters pogués tenir ni tingués en sa casa ningún aprenent que fos aquell sclau, ni negre, ni de color de codony cuit, ni fills dʼesclaus de semblant color, ni moro.“ Sobre la prohibición de tener esclavos ni negros, 6.7.1597. Ediert in: Piles Ros (1959), App., Dok. 19, S. 169 f.

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Neben den privaten Werkstätten finden sich darüber hinaus immer wieder Hinweise auf Handwerkssklaven auf öffentlichen Baustellen. Bereits erwähnt wurde die Errichtung der berühmten Stadtmauer von Ávila im 12. Jahrhundert durch muslimische Sklaven.301 Ebenso wurde der Bau des Hafens und der Kathedrale von Málaga von Sklaven durchgeführt.302 Ein weiteres Feld der Sklavenarbeit sind die Quecksilberminen in Almadén (La Mancha). Nachdem im Jahr 1554 die Effizienz des Silberabbaus in Spanisch-Amerika durch die Entdeckung des Amalgamierungsverfahrens, für das große Mengen an Quecksilber benötigt wurden, erheblich gesteigert werden konnte, erhöhte sich die Nachfrage nach diesem Metall massiv.303 Schon fünf Jahre später beantragte Ambrosio Rótulo, Geschäftsführer der Minen, die sich ab dem Jahr 1563 in den Händen der augsburgischen Handelskompanie der Fugger befanden, dreißig verurteilte Gefangene als Sklaven in die Minen kommen zu lassen.304 Weiterhin ist eine Eingabe des späteren administrador general de minas, Juan López de Ugarte, an Philipp III. aus dem Jahr 1609 bekannt, in der er den König bittet, die moriscos zur Arbeit in den Minen zu zwingen anstatt sie des Landes zu verweisen.305 Zwar bestand der Großteil der Minenarbeiter weiterhin aus Freien. Jedoch berichtet Guerra Boyano, die sich mit diesem Thema eingehender beschäftigt hat, dass die Fugger in den Jahren 1609 bis 1637 3.369.644 maravedíes für Sklaven ausgaben, die vor allem für schwere und gesundheitsschädigende Aufgaben eingesetzt wurden.306 Neben Haus, Handwerksstätten und Minen wurden Sklaven auch auf den königlichen Galeeren eingesetzt. Die Abhängigkeit der königlichen Flotte von Rudersklaven lässt sich an verschiedenen Quellenfunden belegen. So beklagte sich etwa ein hoher militärischer Würdenträger 1589 bei Philipp II., dass es einen notorischen Mangel an Sklaven auf den Schiffen gebe und sich der Bedarf auf etwa eintausend Rudersklaven belaufe.307 Dies war dabei kein rein

301 Siehe: Kap. 2.2.1. 302 Vgl. Gómez García (1993), S. 53. 303 Vgl. ebd. 304 Guerra Boyano (2010), S. 35 f. Vgl. Kellenbenz (1990), S. 271 f. 305 Ebd., S. 33 f. 306 Ebd., S. 43. 307 „Notablemente faltas [sic!] estas galeras de esclavos.” AGS, GA, L. 199, fol. 31r. Ähnliche Befunde sind nicht selten: So hatte etwa auch der kastilische Kriegsrat 1580 den Sklavenmangel auf königlichen Galeeren festgestellt und Philipp II. gebeten, 1.680 Dukaten für den Kauf von Rudersklaven bereitzustellen: „La necesidad de los d[ic]hos esclavos muy grande se [h]a servido mandar que se provean mill y seiscientos y ochenta ducados.” Ebd., L. 234, fol. 187r; zu Rudersklaven vgl. Abulafia (2014), S. 546 f.

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iberisches Phänomen. So zählt beispielsweise Salvatore Bono für das Jahr 1687 auf 38 französischen Galeeren 2.040 Rudersklaven.308 Während für das Frühmittelalter eine ausgedehnte Agrarsklaverei auf der Iberischen Halbinsel belegt ist, wird für die Frühe Neuzeit in der Regel angenommen, dass die Sklaverei, im Gegensatz zu Spanisch-Amerika oder den Kanaren, ein urbanes Phänomen gewesen sei und es keine großangelegte Sklaverei im Agrarbereich gegeben habe.309 Franco Silva begründet dies vor allem mit der Annahme, dass die Arbeitskraft auf dem Land erheblich billiger gewesen sei als in der Stadt.310 Das Quellenproblem bezüglich der Agrarsklaverei ist noch einmal deutlich größer als bezüglich des Handwerks. Dennoch lassen sich gegen die Annahme, es habe auf dem Land kaum Sklaverei gegeben, einige Einwände erheben. Zunächst kann festgestellt werden, dass es keine strikte Trennung zwischen Stadt und Land gegeben hat. Viele vermögende Stadtbewohner hatten größeren ruralen Landbesitz (alquerias), auf denen Agrarwirtschaft betrieben wurde.311 Es kann angenommen werden, dass hier zumindest in Erntezeiten Sklaven zum Einsatz kamen. Allerdings lassen sich diese nur in Einzelfällen konkret nachweisen. Eine Agrarsklaverei in größerem Stil, ganz zu schweigen von einer Plantagensklaverei, kann wegen der schlechten Quellenlage nicht belegt werden. Dennoch sollte die Existenz von Sklaven in der Landwirtschaft nicht strikt zurückgewiesen werden. Sklaven waren, wenn auch nicht im großen Stil, einem Zeitgenossen nach „nützlich und notwendig für die Feldarbeit“312. Die sklavische Arbeit war also äußerst polyvalent und heterogen. Sie unterschied sich je nach Beruf und sozialer Stellung des Besitzers. Sklaven waren sicherlich keine unproduktiven Luxusobjekte oder Statussymbole, sondern sie lassen sich in quasi allen Tätigkeitsbereichen nachweisen. Der Schwerpunkt lag in der Hausarbeit, es finden sich aber ebenfalls zahlreiche Sklaven in Werkstätten, in der Landwirtschaft, in Minen, auf königlichen Galeeren und auf öffentlichen Baustellen. 308 Bono (2009), S. 254. 309 Vgl. Cortés López (1981), S. 107; Gómez García (1993), S. 55; Lobo Cabrera (1993), S. 305. 310 Franco Silva (1979), S. 199; ebd. (1992), S. 101. 311 So stößt man in den demandas de libertat häufiger auf die Erwähnung sogenannter alquerias (Landhäuser), in denen vermögende Sklavenbesitzer einen Teil ihres Lebens verbrachten. ARV, Gob. 2331, M. 19, 28r; ARV, ebd., 2372, M. 12, 38r. Vgl. Blumenthal (2009), S. 97 f.; Martín Casares (2004), S. 190. 312 „Son útiles y necesarios para la labor del campo.” So Pedro de Deza, zu dieser Zeit Präsident des Consejo de población del reino de Granada, über die Stadt Antequera. AGS, CCA, L. 2173, zit. nach: Vincent (1987), S. 253.

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Es ist in diesem Kapitel klargeworden, dass die Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel mitnichten marginal war. Vielmehr konnte gezeigt werden, dass es sich um ein komplexes System aus verschiedenen Verfahren und Praktiken handelte, das großen Einfluss auf das wirtschaftliche, gesellschaftliche und geistige Leben hatte. Dies manifestierte sich zunächst in der starken Präsenz der Sklaverei in der zeitgenössischen Theologie und Rechtslehre. Basierend auf Ideen des hohen Mittelalters wurde ein umfangreicher Komplex aus Legitimationsmustern entwickelt, auf den sich Akteure aller Art berufen konnten. Kritik am System der Sklaverei wurde nicht grundsätzlich geübt, sondern richtete sich auf die Frage nach der Gerechtigkeit des jeweiligen Krieges, aus dem der Sklave stammte. Die hoch institutionalisierten Verfahren der Versklavung und der Sklavenbefreiung sowie die weitgehend unterschätzte wirtschaftliche Bedeutung der Sklaverei verdeutlichen darüber hinaus, wie tief die Sklaverei in den iberischen Gesellschaften des 16. Jahrhunderts verankert war. Nur in einer Gesellschaft, die über Jahrhunderte an die rechtmäßige Existenz von Sklaven gewöhnt war, ist es denkbar, dass die Sklaverei sowohl im Falle der guerra de Granada als auch während der conquista der „Neuen Welt“ vom ersten Moment an eine wesentliche Rolle spielte.

III Prolog: Die Eroberung der Kanaren – Sklaverei als Politikum Schon durch ihre geographische Lage im östlichen Zentralatlantik einige hundert Kilometer westlich der afrikanischen Küste verdiente sich die aus sieben Hauptinseln1 bestehende Inselgruppe der Kanaren in der Forschung die Bezeichnung „atlantic outpost“2. Kolumbusʼ einmonatiger Aufenthalt auf La Gomera während seiner ersten Entdeckungsfahrt im August des Jahres 1492 illustriert ihren Charakter als Zwischenstation auf dem Weg in die „Neue Welt“.3 Abgesehen von dieser geostrategischen Bedeutung werden den Kanarischen Inseln für Expansion und christliche Mission, für conquista und Kolonisation teils essentielle Funktionen zugeschrieben: Hinsichtlich zahlreicher Aspekte, von Distanzherrschaft über Siedlungspolitik, dem theologisch-juristischen Legitimationsdiskurs und Alteritätserfahrungen bis hin zu bilateraler Verständigung (Vertrag von Alcáçovas 1479) gelten die Atlantikinseln als „Experimentierfeld“4, „essential way station“5 oder „staging area“6 der europäischen Expansion. Unabhängig davon, ob dieses Narrativ einer kritischen Betrachtung zu unterziehen wäre, lässt sich mit einigem Recht feststellen, dass die Eroberung der Kanaren auch einen wichtigen Teil der atlantischen Sklavereigeschichte beinhaltet. Sicherlich mag es übertrieben erscheinen, die Versklavung der kanarischen Bevölkerung (canarios) mit David Eltis als „Wiedererfindung der Sklaverei“ zu bezeichnen.7 Dennoch zeigt sich hier die für die spätere m ­ oriscound indio-Sklaverei typische komplexe und mehrdimensionale Gemengelage zwischen herrschaftspolitischen, ökonomischen, militärischen und missionarischen Interessen besonders anschaulich. Aus diesem Grund soll dieses Kapitel vorgeschaltet werden, um etwaige Kontinuitäten in Praktiken und Konfliktlinien in Bezug zur Geschichte der Sklaverei zu verdeutlichen. Es soll einleitend ausgelotet werden, welche Möglichkeiten die Sklaverei für die 1 Teneriffa, Fuerteventura, Gran Canaria, Lanzarote, La Palma, La Gomera und El Hierro. 2 Merediz (2004), S. 8. 3 Zu seinem Aufenthalt auf La Gomera siehe: Dunn/Kelley Jr. (1989), S. 21–27. 4 Pietschmann (1994a), S. 227. 5 Klein (1967), S. 6. 6 Maltby (2009), S. 20. 7 Eltis (2000), S. 3. Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Plantagenwirtschaft und die zugehörige Sklavenhaltung bereits in Palästina und auf Zypern verbreitet waren und über die Iberische Halbinsel auf die Kanarischen Inseln exportiert wurden. Vgl. Reinhard (2016), S. 80.

© VERLAG FERDINAND SCHÖNINGH, 2018 | doi 10.30965/9783506707123_004

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v­ erschiedenen Akteure bot, um politische Vorteile aus ihr zu schlagen. Wie positionierte sich die Krone zwischen rigider Verbotspolitik, der Installation administrativer Kontrollinstanzen und der Notwendigkeit der Sklaverei? Die Ankunft genuesischer Seefahrer auf den Kanaren ist ein eindrückliches Beispiel für den Erstkontakt von Menschen christlichen Glaubens mit sogenannten Neophyten, also solchen Menschen, denen die christliche Lehre völlig unbekannt war. Wie bereits im zweiten Kapitel angesprochen, entwickelten sich zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert die zentralen juristischtheologischen Denk- und Legitimationsmuster bezüglich des Verhältnisses von Christen und sogenannten Ungläubigen. Insbesondere James Muldoon hat diesbezüglich glaubhaft die Kontinuitäten zwischen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorstellungen herausgearbeitet.8 Einmal mehr wird so der Eroberung der Kanarischen Inseln mit den Debatten um die Legitimität ihrer Eroberung eine Schlüsselposition zwischen den Epochen zugewiesen. Ausgehend von den Ideen Innozenzʼ IV. sei so bis zum Ende des 15. Jahrhunderts die Erkenntnis gereift, dass es Christen nicht ohne weiteres erlaubt sei, Ungläubige ihres Besitzes zu enteignen oder ihre Länder zu erobern.9 Vielmehr war hierzu eine komplexe Argumentationskette notwendig. Anhand der päpstlichen Politik lässt sich der Legitimationsdiskurs um die Eroberung der Kanarischen Inseln in aller Kürze nachzeichnen. Bereits im Jahr 1344 konnte Luis de la Cerda, Graf von Clermont und Talmont, den avignonesischen Papst Clemens VI. von der Wichtigkeit einer Expedition überzeugen. Auf der Basis der Vorstellung der päpstlichen Verfügungsgewalt über sämtliche Inseln der bekannten Welt (als Teil der berüchtigten „Konstantinischen Schenkung“) erhielt er durch die Bulle „Sicut exhibitae“ die Kanaren als apostolisches Lehen. Als Begründung diente die Verbreitung des Glaubens, da auf jenen Inseln „der Glaube an Christus […] und auch eine Herrschaft der Christen [unbekannt sei]“10. Als Gegenleistung verpflichtete sich de la Cerda, dem apostolischen Stuhl einen jährlichen Zins von 400 Gulden zukommen zu lassen. Clemensʼ Überzeugung der rechtmäßigen Eroberung der Kanaren durch Christen basierte darüber hinaus nicht nur auf der Idee eines universellen Papsttums: Er nahm an, Afrika sei inklusive der westlichen Inseln einst im Besitz christlicher Machthaber gewesen. In augustinischer Tradition erlaubte dies eine rechtmäßige Rückeroberung 8 Muldoon (1979), S. VII–X. 9 „Christians had no blanket right to dispossess nonbelievers or invade their lands.“ Ebd., S. 27. 10 „Omnesque predicte insule sunt a Christi fide et christianorum dominio aliene.“ Ediert in: Fontes D XI, 4a.

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im Rahmen eines bellum iustum, in deren Folge Clemens eine Kombination aus gewaltsamer Eroberung und friedlicher Mission legitimierte.11 Trotz dieses frühen Eingreifens in die Belange der europäischen Expansion zeigte sich ein wachsendes Interesse an neu entdeckten, nicht-muslimischen Gebieten seitens des Heiligen Stuhles erst wieder im 15. Jahrhundert. Dies manifestierte sich vor allem in der Schiedsrichterrolle, die die Päpste zwischen den konkurrierenden weltlichen Herrschern einnahmen.12 Die besten Beispiele sind die vier Bullen – unter ihnen die berühmte „Inter caetera“ – in welchen Alexander VI. im Jahr 1493 die kastilischen und portugiesischen Einflusssphären abgrenzte.13 Bezüglich der Kanarischen Inseln versuchte Rom Mitte des 15. Jahrhunderts wieder Einfluss geltend zu machen. Hatte Eugen IV. (1431–47) im Jahr 1434 die Expansion noch kritisch betrachtet, da die schlechte Behandlung der autochthonen Bevölkerung einen Konflikt zwischen territorialen und religiösen Zielen offenbarte14, so belehnte er zwei Jahre darauf König Eduard I. von ­Portugal mit den Inseln (Bulle „Romanus Pontifex“, 1436).15 Zuvor hatte Eduard I. in einem Schreiben die entscheidenden Gründe für sein propagiertes Recht auf die Kanaren dargelegt: Portugal habe große missionarische Arbeit geleistet, ohne daraus materielle Vorteile zu schlagen; es habe keine Exzesse gegenüber der einheimischen Bevölkerung gegeben; darüber hinaus seien die Inseln von überragender geostrategischer Bedeutung für den Krieg gegen die muslimischen Feinde. Am interessantesten erscheint jedoch die Behauptung, dass die Portugiesen die canarios vor Sklavenjägern schützen würden.16 Die Sklaverei, respektive ihre Verhinderung, wurden hier erstmals im iberischen Kontext als politisches Argument verwendet, um eine territoriale Expansion zu legitimieren und sich gegenüber der (kastilischen) Konkurrenz einen Vorteil zu verschaffen. Das Versprechen an den Papst, die Versklavung der ­autochthonen Bevölkerung zu verhindern, könnte überdies als Hinweis darauf gewertet werden, warum die kastilische Krone der massenhaften, unhinterfragten Versklavung von canarios (wie später auch der indios) oft skeptisch ­gegenüber stand. 11 Ebd., vgl. Merediz (2004), S. 11 f.; Fisch (1984), S. 48–51. 12 Muldoon (1979), S. 105. 13 Die kastilische Krone erhielt durch die Bulle „Inter caetera“ „ac de Apostolicae potestatis plenitudine“ alle Gebiete einhundert leguas westlich der Kapverden, um „ac barbaricae Nationes deprimantur, & ad fidem ipsam reducantur.“ Ediert in: Fontes 2, 10, Vgl. Fisch (1984), S. 53. Die anderen Bullen sind „Eximiae devotionis“, „Dudum siquidem“ und „Piis fidelium“. 14 Vgl. Muldoon (1979), S. 120. 15 Abgedruckt in: Suárez Fernández (1960), Nr. 64, S. 244–272. 16 Muldoon (1979), S. 122 f.

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Praktische Überlegungen kombiniert mit zivilisatorischen und missionarischen Überzeugungen rechtfertigten demnach die Eroberung nichtchristlicher Gebiete. Dass dies weiterhin auf einer Linie mit der Lehre Innozenz IV. lag (Ungläubige hätten nach ius gentium und Naturrecht das Recht auf ein eigenes dominium), erklärt Muldoon mit der päpstlichen Verantwortung über alle Seelen, das über dem Recht der Ungläubigen auf ihr dominium stehe.17 Letztlich bringe „the exchange between Eugenius IV. and Duarte the basic elements of the debate over the rights of the infidels that was to occur over the next two centuries [together]”18. Diese Ausführungen über die Legitimation von Eroberung und Mission berühren die Sklaverei nur am Rande. Deutlich geworden ist jedoch der schmale Grat zwischen friedlicher Mission und gewaltsamer Eroberung, auf dem sich sowohl Päpste als auch weltliche Herrscher bewegten. Diese Konfliktlinien zwischen territorialen, ökonomischen und religiösen Zielen, wie sie auch während der guerra de Granada oder der conquista der „Neuen Welt“ beobachtet werden können, sollten bei der Betrachtung der Sklaverei stets mitbedacht werden. Die Ereignisgeschichte der Wiederentdeckung (redescubrimiento19) und Eroberung der Kanaren durch konkurrierende europäische Akteure ist ebenso interessant wie komplex. Um die gleich folgenden Ausführung zur canarioSklaverei historisch einordnen zu können, genüg es, chronologisch mit dem systematischen Beginn der Eroberung im Namen der kastilischen Krone einzusteigen. Nachdem Lanzarote, El Hierro, La Gomera und Fuerteventura bereits seit dem frühen 15. Jahrhundert erobert waren20, startete Diego García de Herrera im Jahr 1461 eine erste Expedition zur Eroberung Gran Canarias. Dieser konnte sich jedoch nicht gegen den Widerstand der canarios durchsetzen, was die kastilische Krone im Jahr 1477 dazu veranlasste, alle weiteren Eroberungen direktem königlichem Befehl zu unterstellen.21 Unter der Führung Juan Rejóns startete 1478 eine königliche Expedition nach Gran Canaria. Nach ersten militärischen Erfolgen zeigte sich die auch für die conquista der „Neuen Welt“ typische Fraktionalisierung kolonialer Akteure22: General Rejón entmachtete seinen Prälaten Juan Bermúdez und ließ seinen Konkurrenten, 17 18 19 20

Ebd., S. 128. Ebd., S. 129. Zum Begriff redescubrimiento siehe: Lobo Cabrera (2000), S. 126. Durch die Franzosen Gadifer de la Salle und Jean de Bethencourt. Vgl. Castro Alfin (1983), S. 138; Mercer (1980), S. 160–179; Rumeu de Armas (1969), S. 29; Lobo Cabrera (2000), S. 129; Bitterli (1999), S. 29. 21 Lopez Herrera (1971), S. 122–125. 22 Mercer (1980), S. 191.

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den kastilischen Gouverneur Pedro de Algaba, hinrichten. Um dieses Verbrechen zu bestrafen, entsandten die Katholischen Könige 1480 Pedro de Vera (ca. 1430–1505) als neuen Gouverneur nach Gran Canaria. Dieser schickte Rejón in Ketten zurück nach Kastilien.23 Unter einigen Mühen konnte de Vera schließlich bis zum April des Jahres 1483 Gran Canaria vollständig erobern.24 Die beiden übrigen Inseln konnten letztlich mit königlicher Erlaubnis durch Alonso Fernández de Lugo (ca. 1456–1525) unterworfen werden. Mit dem Versprechen auf reiche Beute (vor allem in der Form von Sklaven) eroberten seine Truppen im Frühjahr 1493 La Palma.25 Schwieriger gestaltete sich die Unterwerfung Teneriffas. Freigewordene finanzielle Mittel nach dem erfolgreichen Abschluss der sogenannten reconquista erlaubten im April 1494 einen ersten Feldzug. Dem heftigen Widerstand der einheimischen Bevölkerung Teneriffas geschuldet, führte Fernández de Lugo seine eintausend Soldaten und 120 Reiter allerdings in „Spainʼs greatest defeat in all the Canary campaigns“26. Nach erneuten Truppenaushebungen wagte er im November 1495 einen neuen Versuch. Die Eroberung Teneriffas konnte am 29. September 1496 abgeschlossen werden.27 Die Versklavung der kanarischen Bevölkerung stellte vom Beginn der Wiederentdeckung an einen wesentlichen Bestandteil der Eroberungen dar. Wie auch schon während den aragonischen, französischen und portugiesischen Entdeckungsfahrten des 14. und frühen 15. Jahrhunderts wurden auch unter García de Herrera, de Vera und Fernández de Lugo kanarische Sklaven (esclavos canarios) nach Portugal, Kastilien und auf andere atlantische Inseln verkauft, um die Expeditionen zu refinanzieren und Soldaten zu besolden. Insbesondere während der langwierigen und damit kostspieligen Eroberungen Gran Canarias und Teneriffas waren die Gewinne aus dem Sklavenfang von großer Bedeutung.28 Der bereits zitierte Nürnberger Humanist Hieronymus Münzer stieß während seines Aufenthaltes in Valencia auf zahlreiche Sklaven von der Insel Teneriffa: 23

24 25 26 27 28

Wobei Rejón nach einem Freispruch eines kastilischen Gerichtes erneut eine Expedition ausrüstete, um La Palma und Teneriffa zu erobern. Nachdem sein Schiff jedoch nach La Gomera abgetrieben worden war, wurde er auf Befehl des dortigen Territorialherrn Hernán Pareza hingerichtet. Vgl. ebd., S. 188–191; Maltby (2009), S. 19; Lopez Herrera (1971), S. 135–140. Vgl. Lopez Herrera (1971), S. 146 f. Vgl. Mercer (1980), S. 195 f. Ebd., S. 201. Vgl. Castro Alfin (1983), S. 187–205; Lopez Herrera (1971), S. 158–173. Vgl. Mercer (1980), S. 124–128.

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Ich sah in den Häusern gewisser Menschen Sklaven beider Geschlechter; sowohl kleine Kinder als auch junge Männer. Und sie stammten aus Teneriffa, welche eine Insel der Kanaren im atlantischen Meer ist. […] Und es war ein Händler aus Valencia, der in einem Schiff 87 [dieser Sklaven] brachte. Von diesen starben 14 aufgrund ihrer Unverträglichkeit des Meeres und der Luft; die anderen wurden als Sklaven verkauft.29 Canario-Sklaven, die rücksichtslos und in großen Mengen durch professionelle Sklavenhändler importiert wurden, scheinen also im Valencia des späten 15. Jahrhunderts nicht unüblich gewesen zu sein. Letztlich führten die massenhaften Versklavungen während der Eroberungen und nach Aufständen dazu, dass bei Königin Isabellas Tod im Jahre 1504 bereits neunzig Prozent der kanarischen Bevölkerung tot oder in die Sklaverei verkauft waren.30 Angesichts dieser demographischen Katastrophe und ihrer negativen Auswirkung auf die Christianisierung wird allgemein angenommen, dass die kastilische Krone und die katholische Kirche die Versklavung der canarios strikt ablehnten. Eyda Merediz konzediert Isabella und Ferdinand diesbezüglich gar ein „profound concern for the legal and moral issues“31. Auch Rumeu de Armas betont die Verbotspolitik der Krone und benennt die Schwäche staatlicher Durchsetzungsgewalt als Grund für die dennoch stattfindenden Versklavungen.32 Insgesamt habe Isabella eine selbstlose Mission der Geistlichen auf den Kanaren unterstützt und sei damit selbstverständlich gegen die Sklaverei gewesen.33 Üblicherweise wird hier eine Dichotomie konstruiert, die auf der einen Seite die Krone zusammen mit Klerus und Geistlichkeit als Kritiker und Bekämpfer der Sklaverei wahrnimmt. Dem entgegen stehen die Konquistadoren, die Territorialherren der Inseln, Siedler und Sklavenhändler mit ihren ökonomischen und militärischen Interessen; ein Schwarz-Weiß-Bild, das ebenso auf die conquista der „Neuen Welt“ Anwendung fand. Kritik an Sklaverei und allgemein am Umgang mit den canarios wurde von kirchlicher Seite tatsächlich geäußert. So kam die einzige kritische Stimme gegenüber der Sklavenrazzien der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vom 29

„Vidi in quadam domo homines utriusque sexus venales; similiter infantes et pueros.Et erant ex Teneriffo, que est una insula de Canariis in atlantico pelago. […] Et erat unus mercator ex Valencia, qui in una navi apportavit 87. Quorum 14 moriebantur ex inpaciencia maris et aeris, alios habuit venales.“ Itinerarium, S. 23. Vgl. Verlinden (1955), S. 357. 30 Maltby (2009), S. 19. 31 Merediz (2004), S. 21. 32 Rumeu de Armas (1969), S. 30 f. 33 Ebd., S. 38.

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­Franziskanermönch Juan de Baeza.34 Dieser konnte 1442 sogar eine Bulle Eugens IV.35 erwirken, die die Versklavung konvertierter canarios verbot, was in der Praxis allerdings regelmäßig ignoriert wurde.36 Trotz einer eher apologetischen Haltung des apostolischen Stuhls gegenüber der europäischen Expansion und der Versklavung „Ungläubiger“, bezeichnet Rumeu de Armas Eugen IV. als „Vorkämpfer für die Freiheit der ungläubigen canarios”37. Betrachtet man dagegen dessen bereits erwähnte Bulle „Illius Qui“ sowie die Bullen seines Nachfolger Nikolaus V., so wird deutlich, dass die Päpste des 15. Jahrhunderts – entgegen dieser nachträglichen Glorifizierung – keineswegs die Versklavungen im Zuge der Expansion per se verdammten. Vielmehr standen sie klar erkennbar in der Tradition des bellum iustum: „Ungläubige“ – ob Menschen ­muslimischen Glaubens, Bewohner des subsaharischen Afrikas oder eben canarios – waren zur Versklavung freigegeben, falls sie der Mission oder den Konquistadoren Widerstand leisteten. Ein weiteres Beispiel kirchlicher Kritik, auf das ich gleich noch genauer eingehen werde, stellt der kanarische Bischof Juan de Frías38 dar. Durch seine zahlreichen Beschwerden, die er im Laufe der Eroberung an den kastilischen Hof richtete, konnte er im Jahr 1491 die Absetzung Pedro de Veras anlässlich der Misshandlungen und Versklavungen der canarios durchsetzen.39 Die communis opinio, die die kirchliche und königliche Sklavereikritik den Interessen der Konquistadoren gegenüberstellt, lässt sich auch anhand der königlichen Gesetzgebung zunächst nachvollziehen. Anhand einiger Sklavereiverbote und Freilassungsbefehle zeigt sich eine gewisse Skepsis der Krone gegenüber der canario-Sklaverei. Bereits mit dem Einsetzen der verstärkten kastilischen Präsenz auf den Kanarischen Inseln gegen Ende der 1470er-Jahre, finden sich königliche Befehle, die die Freilassung von canario-Sklaven bestimmten. So erstmals in einer Real Cédula aus dem Jahr 1477: Der oberste Richter (alcalde mayor) der andalusischen Stadt Palos, nahe Huelva, sollte sämtliche canarios, die im Stadtgebiet verkauft worden waren, konfiszieren und in Verwahrung nehmen. Als Gründe, die gegen deren Versklavung sprachen, gab Isabella an, dass diese Christen seien oder sich im Prozess der 34 35

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Vgl. Mercer (1980), S. 222. Schon für das Jahr 1434 ist die Bulle „Creator Omnium“ überliefert. Sie bedrohte diejenigen, die canarios illegal versklavten, mit der Exkommunikation. Vgl. Rodriguez (1999), S. 55. Vgl. Mercer (1980), S. 222. „Campeón de la libertad de los infieles canarios.” Rumeu de Armas (1969), S. 30. Nach Dominik Wölfel „una de las figuras más simpáticas y más grandes de la historia de las Islas Canarias” und „protector y amigo de los indígenas”. Wölfel (1953), S. 3. Vgl. Lopez Herrera (1971), S. 149.

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Konversion befänden.40 Die Versklavungen seien eine „Sache von schlechtem Vorbild“41, die dazu führe, dass die canarios das Vertrauen in das Christentum verlieren und so die Mission nachhaltig schädige.42 Aus diesem Grund sei die Freilassung der Sklaven ein „Dienst an Gott und an uns“43. Nur acht Tage später erfolgte ein weiterer Freilassungsbefehl: In einer Real Provisión berichten die Katholischen Könige, dass sie über den illegalen Verkauf von canario-Sklaven in diversen andalusischen Hafenstädten informiert worden seien.44 Wie im obigen Fall handelte es sich auch hier bereits um Christen, deren Versklavung zur Folge habe, dass die einheimische Bevölkerung die Konversion verweigere.45 Dies alles sei „zu Gottes und zu unserem Schaden“46 und „ein große Last für unser Gewissen”47. Deshalb seien die Sklaven zu konfiszieren und in Verwahrung (secrestaçion) zu geben. In einer weiteren Provisión vom 20. Februar des Folgejahres wird von einer Supplik des Bischofs Juan de Frías berichtet. Er bat darum, alle canarios zu befreien, die 1477 auf der Insel La Gomera versklavt worden waren, da „die Bewohner dieser Inseln christlich [sind] und zu unserem heiligen Glauben konvertiert und getauft sind und sie jene Dinge befolgen, die gläubige Christen befolgen müssen“.48 In der Folge gab die Krone der Supplik statt und befahl den Städten Palos, Moguer und Jerez, sämtliche canario-Sklaven dem Bischof auszuhändigen, damit dieser sie zurück in ihre Heimatgebiete bringen könne.49 Demensprechend ging im November des Jahres ein königlicher Befehl an den Gouverneur Gran Canarias, Pedro de Algaba, den Dekan der Insel Juan Bermúdez sowie den Generalkapitän (capitán general) Juan Rejón50: Alle vom iberischen Festland durch den Bischof zurückgebrachten 40 41 42 43 44

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„Son cristianos e otros que están en camino para se convertir a nuestra Santa Fe Católica.” Ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 4, S. 163 f. „[Una] cosa de mal exemplo.” Ebd. „Dar causa que nynguno se quisiere convertir.“ Ebd. „Servyçio de Dios e Nuestro.“ Ebd. „Nos es fecha relación que algunas personas han traydo algunos canarios de las yslas de Canaria e que los han vendido y repartido entre sy commo esclabos, seyendo cristianos, e algunos otros estando en camino para e conbertyr a la Santa Fe Católyca.” Ebd., Nr. 5, S. 164. „Aquello sería dar cabsa a que ninguno non se quisyese conbertyr a la Santa Fe.“ Ebd. „Gran deservicio de Dios e nuestro.“ Ebd. „Grand cargo de nuestras consiençias.“ Ebd. „Seyendo los de las dichas yslas cristianos e covertidos a nuestra Santa Fee e bautyzados, e guardando e mantenyendo aquellas cosas que los fieles cristianos deven guardar.“ Ebd., Nr. 10, S. 176–178, hier 176. Ebd., S. 177. „Vos mandé que llevádes o enbeásedes a la dicha ysla de La Gomera los dichos canarios, e libremente fuesen puestos en la dicha ysla en sus casas.” Ebd., Nr. 15, S. 187–188, hier 187.

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canarios seien frei. Sie sollten frei auf ihrer Insel leben, ohne dass sie „Schlechtes noch Schaden“51 erfahren, was vom Gouverneur überwacht werden sollte. Ein ähnlicher Befehl ging 1491 an den batle general Valencias. Er solle alle canarioSklaven freilassen, die von La Gomera stammen, da „ diese Christen sind und wir keinen Krieg gegen sie führen und es folglich auch kein gerechter Krieg sein kann“52. Die Sklavereiverbote wurden also durchweg mit dem schädlichen Einfluss der Versklavungen auf die Mission und Christianisierung begründet. Überdies spielte das erläuterte privilegium christianorum eine Rolle. Neben diesen theologischen Bedenken kann auch ein politisches Motiv vermutet werden: Die kastilische Krone war während der Eroberungen auf päpstliche Legitimation und Rückendeckung angewiesen, vor allem um sich gegen portugiesische Ansprüche durchzusetzen. Wie erwähnt, waren bereits unter Eugen IV. Bullen zum Verbot der Versklavung der canarios erlassen worden. Die portugiesische Krone hatte ihre territorialen Ansprüche sogar explizit mit der Verteidigung der canarios vor Sklavenfängern begründet. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass es für die Katholischen Könige von großer Wichtigkeit war, in der Sklavenfrage auf eine ausgewogene Politik zu setzen. Darüber hinaus bleibt es fraglich, inwiefern die königlichen Verbote in der Praxis umgesetzt werden konnten. Auf der einen Seite machen etliche Prozessakten und Urkunden deutlich, dass zumindest auf individueller Ebene eine gerichtliche Freilassung erreicht werden konnte. So etwa in einer Befreiungsurkunde (carta de horro) von 1483, in der der canario Juan de Tenri freigelassen wurde, da er bereits drei Jahre zuvor konvertiert war und demnach zu Unrecht von Pedro de Vera versklavt worden war.53 Ein zweites Beispiel ist die Sklavin Inés, deren carta zwei Jahre später ausgestellt wurde. Dieser ging ein umfassender Prozess am königlichen Hof voraus. Nachdem der Sklavenfänger Ferrand Manuel de Alcalá nicht zur Verhandlung erschien und somit die Aussage Inésʼ „Christin und frei von jeder Gefangenschaft“54 zu sein nicht widerlegen konnte, wurde sie freigelassen. Neben diesen individuellen Erfolgen offenbaren zahlreiche weitere königliche Befehle gegen die Versklavungen von canarios – noch bis ins frühe 16. Jahrhundert hinein – dass es durchaus Probleme bei der Umsetzung der Verbote gab.55 51 52 53 54 55

„Ni mal nin daño.“ Ebd., S. 188. „Ellos son christianos, y ninguna guerra tenemos contra ellos, y por consiguiente no pueden ser de buena guerra.“ Ebd., Nr. 49, S. 275 f. Ediert bei: Ebd., Nr. 33, S. 228 f. „Cristiana e fora e libre de todo cabtiberio.“ Ebd., Nr. 34, S. 229–231. So etwa eine Real Provisión vom 20.10.1500, die erneut befahl, alle Sklaven von La Gomera im Königreich Aragón freizulassen. Ebd., Nr. 106, S. 360 f.

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Diese Schwierigkeiten resultierten unter anderem aus der mangelnden Kooperation lokaler Eliten, die in der Regel selbst vom Sklavenhandel profitierten. Ein typisches Beispiel geht aus einer Real Cédula (1491) an den alcalde mayor der Stadt Jerez de la Frontera, Gil Dávila, hervor: Dem öffentlichen Notar (escribano público) sei befohlen worden, dass er alle Sklaven konfisziere, die von der Insel La Gomera stammen, und dem Bischof der Kanaren übergebe, da diese „Christen und frei sind und nicht verkauft werden können.“56 In der Folge beschwerte sich allerdings der Bischof beim König, dass der alcalde mayor versuche, die Arbeit des Notars aktiv zu behindern („Er lässt dem besagten Gonzalo de Córdoba keinen Raum, um seine Befehle auszuführen.“57). Dem König blieb in diesem Fall nur übrig, erneut die Beachtung des vorangegangenen Befehls zu verordnen.58 Im gleichen Jahr berichtete der Bischof von Málaga dem König von Praktiken, um die Freilassung von canario-Sklaven zu umgehen: Jene Personen, die diese [die Sklaven, Anm. d. V.] böswillig besitzen, haben diese weiterverkauft und von einem Ort zum anderen gebracht, sodass ich kein Recht sprechen kann.59 Durch einen schnellen Weiterverkauf konnte es den Sklavenbesitzern also gelingen, der Justiz zuvorzukommen. Es ist offenkundig, dass die frühneuzeitliche Administration bei der Durchsetzung der Sklavereipolitik vor enorme Herausforderungen gestellt war. Darüber hinaus brachten die Sklavereiverbote noch andere Konflikte mit sich. Diese entstanden vor allem aus Regressansprüchen, die Sklavenkäufer nach der gerichtlich verordneten Freilassung ihrer Sklaven an die Händler stellten. So etwa nach der oben erwähnten Konfiszierung der Sklaven von La Gomera durch Juan de Frías im Jahr 1478: Um öffentlichen Protest gegen die Freilassungen zu vermeiden, gestand die Krone den Käufern das Recht zu, den Kaufpreis von den Sklavenhändlern zurückfordern zu können.60 Noch greifbarer wird dieses Konfliktpotential in einer Supplik einiger Bürger der Stadt Palos aus dem Jahr 1491. Sie beklagten sich, dass sie zahlreiche Sklaven vom 56 57 58 59 60

„Son christianos e libres e no se podieron vender.“ Ebd., Nr. 45, S. 268 f., hier 268. „No days lugar al dicho Gonçalo de Córdova que cumpla lo que le mandamos.“ Ebd. „Mandamos que veades la dicha nuestra carta.“ Ebd., S. 269. „Las personas que los tenían, maliçiosamente, los han vendido e trasportado de unas partes a otros, non lo puedo hazer de derecho.“ Ebd., Nr. 50, S. 176. „A las quales dichas personas, que asy los dichos canarios y canarias conpraron e tyenen […] quedándoles e salvar su derecho para cobrar lo que por ellos dieron a la persona o personas aquellos vendyeron.” Ebd., Nr. 10, S. 177.

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Sklavenhändler Juan Alonso de Cota gekauft hätten, die in der Folge des Sklavereiverbotes konfisziert worden seien.61 Nach der Aufzählung sämtlicher Sklaven, inklusive Namen, Geschlecht, Kaufpreis und Alter, baten sie den König, Regressansprüche an den Sklavenhändler stellen zu dürfen. Als Hauptargument fungierte der Hinweis, de Cota hätte in betrügerischer Absicht gehandelt: „Es wurde gesagt, dass die besagten canarios und canarias, die von besagtem Juan Alonso Cota verkauft wurden, einem gerechten Krieg entstammen.“62 Auch hier gab der König den Klägern Recht. Nach einer genauen Überprüfung des Falles durch einen lokalen Untersuchungsrichter konnten die Bürger den Kaufpreis vom Sklavenhändler zurückfordern. Hiermit war diese Episode allerdings noch nicht beendet. Alonso de Cota reagierte ebenfalls mit einer Supplik, in der er sich beklagte, seinerseits nur ein Zwischenhändler gewesen zu sein. Weder habe er um die illegale Herkunft der Sklaven gewusst, noch habe er das Geld behalten können. Er habe lediglich im Auftrag Doña Beatriz de Bobadilla, Territorialherrin von La Gomera63, gehandelt und auch den Gewinn an diese weitergeleitet.64 Durch die Regressforderung der Käufer seien ihm „viele Beschwerden und Schäden“65 entstanden. Auch hier entschied die Krone zugunsten des Bittstellers. Doña Beatriz de Bobadilla wurde verurteilt, 500.000 maravedíes bereitzustellen, um die Ansprüche der Käufer zu befriedigen. Dieser von der kastilischen Krone trotz illegalen Handels durchgesetzte Käuferschutz zeigt den hohen Stellenwert der Sklaverei für Gesellschaft und Wirtschaft. Es lag weder in der Macht der Krone noch in ihrem Interesse, die illegale Sklaverei der canarios rigide zu verfolgen. Vielmehr offenbart sich ein politischer Kompromiss, der Rücksicht auf die Interessen der Sklavenhalter und -händler nahm und gleichzeitig die Freiheit der zu Unrecht versklavten canarios zum Ziel hatte. Um diese königliche Sklavereipolitik durchzusetzen und den oben genannten Schwierigkeiten zu begegnen, bediente sich die Krone eigens geschaffener administrativer Instanzen und Praktiken. Diese reichten von aufwendigen Prozessen und speziell eingesetzten Untersuchungsrichtern zur Überprüfung des Sklavenstatus, bis hin zu Kaufverträgen, 61

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„Ellos ovieron conprado e conpraron de un Juan Alonso de Cota […] vecino desa villa de Palos çiertos canarios e canarias. [...] Los quales agora les avían sydo tomados, por nuestro mandado e por el obispo de Canaria, por ser libres.” Ebd., Nr. 46, 269 f. „Los quales dichos canarios e canarias diz[en] qu[e] [e]l dicho Juan Alonso Cota les vendió ser de buena guerra.” Ebd., S. 270. Zu dieser Person siehe vor allem: Cioranescu (1989). „Doña Beatriz de Bobadilla […] le ovo [sic!] rogado que para ella en su nombre vendiese çiertos canarios.” Ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 47, S. 270. „Mucho agravio e daño.“ Ebd.

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Registern und Inventarlisten. Um etwa die illegale canario-Sklaverei in den Gebieten der Krone Aragóns zu bekämpfen, verlangte Ferdinand 1493 die Anlegung eines ausführlichen Registers aller Sklaven, die von den Kanarischen Inseln stammten: Nehmt eine genaue Untersuchung über alle canarios vor, sowohl Männer als auch Frauen jeden Alters, welche ihr in euren Jurisdiktionsgebieten finden könnt. Und erstellt einen Bericht und einen Inventar, welche die Namen der besagten canarios enthalten sowie die derjenigen Personen, in deren Besitz sie sich befinden und welche sie gekauft haben. Ebenso zu welchen Preisen und Mengen diese verkauft worden sind.66 Diese schon aus dem Vorkapitel bekannten administrativen Vorgehensweisen diente nicht nur der Kontrolle des unübersichtlichen Sklavenhandels und der Abgrenzung rechtmäßiger von illegaler Sklaverei, sondern auch dem Schutz bereits befreiter canarios vor erneuter Versklavung. So wurden auch bei größeren Befreiungsaktionen vom lokalen Notar Register angelegt, die die Namen der befreiten Personen enthielten.67 Darüber hinaus finden sich zahlreiche aufwendig geführte Prozesse vor kastilischen Gerichten, die über den rechtmäßigen Sklavenstatus einer Person verhandelten.68 Mit der Hilfe des procurador de los pobres und der Hinzuziehung von Zeugen konnten so canario-Sklaven versuchen, ihre Freiheit zu erlangen. Wie bereits weiter oben angesprochen, standen die Chancen keineswegs schlecht. Zu beachten ist jedoch, dass solche administrativen Instanzen dazu dienten, den rechtmäßigen oder illegalen Status eines Sklaven festzustellen. Die königliche Verbotspolitik richtete sich demnach nur gegen solche Sklaven, deren Gefangennahme nicht durch einen bellum iustum legitimiert werden konnten. Darüber hinaus war es durchweg legal und üblich, während der Eroberungen und bei Aufständen gegen die kastilische Herrschaft sogenannte „Ungläubige“ und Widerstand leistende canarios zu versklaven. Im Gegensatz zur gängigen Forschungsmeinung wird 66

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„Façau diligent investigaçió de tots los canaris, axí homens con denes de qualsevol edad sien, ques trobaran dins los termens de vostres jurisdiccions el fareu de aquell memorial e inventari, continuant en aquell los noms dels dits canaris, e de las personas en poder de las quales se trovaran e los havren comprats e dels preus e quantitats per los quals foren venuts.” Ebd., Nr. 67, S. 299 f., hier 300. Dies wurde zum Beispiel vom König in einer Real Provisón aus dem Jahr 1490 gefordert: „Fagáys libro e registro, por ante escrivano público, de todas las personas que asy sacardes e pusierdes en libertad.“ Ebd., Nr. 40, S. 236 f., hier 237. Etwa ebd., Nr. 48, S. 270–275; Nr. 51, S. 277; Nr. 107, S. 362 f.; Nr. 111, S. 372 f.

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also ersichtlich, dass die kastilische Krone keinesfalls ein Interesse daran hatte, die Versklavungen der canarios per se zu verbieten. In Abgrenzung zu den erläuterten restriktiven Befehlen werde ich im Folgenden anhand dreier Quellenbeispiele darlegen, dass die Sklaverei stets wichtige militärische, ökonomische und politische Funktionen erfüllte, die durchaus im Interesse der Krone lagen. Im Jahr 1483 supplizierte der Soldat Miguel de Segura an Ferdinand und Isabella: Er habe als Hauptmann unter der Leitung Pedro de Veras an der Eroberung Gran Canarias teilgenommen. Wie üblich fungierte die Kriegsbeute als Teil des Soldes. Entsprechend habe er von Pedro de Vera einen „Gefangenen eines gerechten Krieges“69 als Sklaven zugeteilt bekommen, den er mit sich in seine Heimatstadt Córdoba brachte. Dort angekommen konfiszierte der örtliche alcalde den Sklaven mit der Begründung, dieser sei „christlich und frei“70. Neben der Klage Seguras erhielt die Krone einen weiteren Bericht aus der Feder Pedro de Veras, der bestätigen sollte, dass es sich tatsächlich um einen gerechten Sklaven aus einem bellum iustum handele. In der Folge bestimmten Isabella und Ferdinand, dass Miguel de Segura und der betroffene canario vor Gericht erscheinen sollten, um genau darzulegen, unter welchen Umständen die Gefangennahme stattgefunden hatte und ob ein „gerechter Krieg“ vorgelegen habe. Falls de Segura dies entsprechend begründen könne, so dürfe er den Sklaven ohne Einschränkungen behalten.71 Dieser Fall zeigt, dass Sklaven als Beuteobjekte im Rahmen der Eroberung von großer Relevanz waren. Zur Motivation der Soldaten und im Rahmen der Belohnungsökonomie spielten sie eine herausragende Rolle. Außerdem drückt sich in dieser Supplik ein auffälliges Gerechtigkeitsbewusstsein aus, das auch während der conquista der „Neuen Welt“ und der guerra de Granada eine zentrales Element der Beuteökonomie war: Der Soldat versuchte mit allen Mittel, die in seinen Augen gerechte Beute zu schützen. Nicht nur auf niedriger militärischer Ebene waren die Versklavung und der Verkauf von canarios eine militärisch-ökonomische Notwendigkeit. Wie bereits erwähnt, diente der Verkauf der Gefangenen während der Eroberung zur Refinanzierung der militärischen Operationen. In diesem Zuge verzichtete die Krone sogar regelmäßig auf ihr Recht des quinto. Um die Eroberung La Palmas zu finanzieren, hatte sie beispielsweise Fernández de Lugo erlaubt, selbst den quinto auf alle verkauften Sklaven erheben zu dürfen:

69 „Cativo de buena guerra.“ Ebd., Nr. 32, S. 226 f., hier 227. 70 „Christiano e libre.“ Ebd. 71 Ebd.

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Alonso de Lugo [...], der auf unseren Befehl hin den Auftrag hat, die Insel La Palma zu erobern, wird gestattet, während der besagten Eroberung für die Kosten, die ihm entstehen, den quinto auf alle ungläubigen Männer und Frauen und andere Dinge, die auf besagter Insel erlangt werden, zu erheben.72 Allerdings waren die Konquistadoren nicht die einzigen, die versuchten, sich an der Beute der Eroberung zu bereichern: In einer Supplik beklagte sich de Lugo beim König, dass der Großadmiral (almirante mayor de la mar) die Hälfte des quinto der Sklaven von ihm verlange, was sehr zu seinem Schaden sei.73 Um Recht zu sprechen, befahl die Krone ihrem Statthalter in Sevilla, herauszufinden, ob schon während der Eroberung von Gran Canaria der almirante mayor berechtigt gewesen war, die Hälfte des quinto für sich zu fordern.74 Darüber hinaus seien sämtliche Sklaven, die während der Eroberung gefangenen und verkauft werden, durch einen glaubwürdigen Schreiber in einer Register einzutragen.75 Es wird also deutlich, dass die Sklaverei von höchster ökonomischer und militärischer Bedeutung für die Eroberung der Kanarischen Inseln war. Beteiligt waren dabei nicht nur Sklavenhändler, Piraten und marodierende Truppenteile, sondern auch die obersten militärischen und zivilen Anführer des kastilischen Reiches bis hin zur Krone. Um noch einmal den Fokus auf die kirchliche Rolle bezüglich der Versklavungen zu richten, möchte ich als drittes Quellenbeispiel das Folgende betrachten: Am 5. Dezember 1493 befahl die Krone den obersten Amtsträgern der Kanarischen Inseln, Untersuchungen in einer Streitsache zwischen einem Kleriker der Insel Gran Canaria und der bereits oben erwähnten Doña Beatriz 72

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„Alonso de Lugo […] por nuestro mandado, tiene cargo de la conquista de la ysla de La Palma, que al tiempo que se encargó de la dicha conquista nos le dimos para la costa que en ella se avia de faser los quintos de todos los ynfieles onbres e mugeres e otras cosas, que en la dicha ysla se ganasen.” Aus einem Befehl der Katholischen Könige an den asistente de Sevilla vom 28.2.1493. Ebd., Nr. 66, S. 298 f., hier 298. „Diz[e] que agora él ha fecho çiertas presas [...] e que a henbiado o quiere enbiar los esclavos e esclavas e otras cosas [...] a vender a esta dicha çibdad. [...] Se teme quel nuestro almirante mayor de la mar [...] le pedirán o demandáran la mitad de los quintos de las dichas presas.” Ebd. „Vos mandamos, llamadas las partes, ayáys vuestra ynformaçión e sepáys sy al tiempo que nos mandamos conquistar la ysla de de Grand Canaria, sy de los esclavos y esclavas [...], sy el dicho almirante o sus lugartenientes llevarían la mitad de los dichos quintos.” Ebd. „Entre tanto mandamos que los esclavos e esclavas e otras cosas que se tomaren en la conquista de la dicha ysla de La Palma se escrivan ante un escrivano fiel.” Ebd.

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de Bobadilla von La Gomera anzustellen. Die Cédula referiert eine Supplik des Klerikers Pedro López de Villera: Auf Befehl des Bischofs […] fuhr er von dieser besagten Insel [Gran ­ anaria, Anm. d. V.] zur Insel La Gomera, um eine bestimmte Menge maC ravedíes zu erheben […], welche Doña Beatriz de Bobadilla ihnen schuldete. […] Und besagte Doña Beatriz gab ihnen für das was sie ihnen vom Zehnt noch schuldig war vier Jungen und zwei Mädchen von der Insel La Gomera in Zahlung. Beide kamen damals mit ihnen und wurden als Sklaven verkauft.76 Der Kleriker war demnach von seinem Bischof nach La Gomera geschickt worden, um von der dortigen Territorialherrin den noch schuldigen kirchlichen Zehnt einzutreiben. Da diese nicht den gesamten Betrag begleichen konnte, gab sie ihm sechs canarios in Zahlung. Diese wurden laut eigener Aussage vom Kirchenvertreter als Sklaven verkauft. Nachdem wenig später durch könig­ lichen Erlass die Versklavung aller canarios von La Gomera verboten worden war, erreichten den Kleriker Schadensersatzforderungen der geschädigten Käufer. Daraufhin bat er den König, Gerechtigkeit walten zu lassen. Das königliche Urteil sah letztlich vor, eine genaue Untersuchung des Falles anzustellen und die Käufer gegebenenfalls zu Lasten des Klerikers und der Doña Beatriz zu entschädigen.77 Interessant ist an diesem Schriftstück vor allem die Rolle des Kirchenvertreters. Während weiter oben zu Recht argumentiert wurde, dass die Verbote der canario-Sklaverei in erster Linie durch die Kirche angestoßen worden waren, tritt hier ein Kleriker als Sklavenhändler auf. Darüber hinaus schien die Kirche auch kein Problem darin zu sehen, den Kirchenzehnt in Form von Sklaven zu erhalten. Wie bei der kastilischen Krone zeigt sich also auch hier ein ambivalentes Bild: Je nach Situation war die Versklavung der canarios abzulehnen oder erfüllte aber spezielle Funktionen, die sie in den Augen der Akteure legitim erschienen ließ. Bevor ich die Zwischenergebnisse dieses einleitenden Prologes knapp zusammenfasse, möchte ich im Folgenden noch genauer auf zwei interessante Spezialfälle eingehen. An diesen lassen sich die verschiedenen Interessen der 76

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„Por mandado del obispo […] fue de la dicha ysla a la ysla de la Gomera a recabdar çierta contía de maravedís que [...] doña Beatriz de Bobadilla [...] les devían. [...] E que la dicha doña Beatriz les dió en pago, de lo que asy les devían de los dichos diezmos, quatro muchachos e dos moças gomeras, que a la sazón se venían e davan por esclavos.” Ebd., Nr. 69, S. 302 f., hier 302. Ebd., S. 303.

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Akteure an der Sklaverei sowie deren komplexe politische Funktionen noch einmal exemplarisch erläutern. Der erste Fall handelt von einem Vergeltungsangriff Pedro de Veras auf die einheimische Bevölkerung La Gomeras im Jahr 1489. Hier kam es spätestens seit der Herrschaft Hernán Perazas (des Jüngeren)78 vermehrt zu Aufständen gegen die „despotische Herrschaft“79 des Territorialherrn. So wurde beispielsweise bereits 1486 der Herrschaftssitz Torre del Conde von canarios belagert, was zu einer ersten Hilfsaktion Pedro de Veras führte.80 Zwei Jahre später rebellierten diese erneut gegen die Ausbeutung der Insel. Einigen Berichten zufolge tötete der canario Hautacuperche den Statthalter Peraza während eines Liebesbesuches bei seiner kanarischen Geliebten Iballa.81 Dieser Mord löste eine heftige Revolte der einheimischen Bevölkerung aus, in deren Folge sich die Witwe des Statthalters – die bereits erwähnte Doña Beatriz de Bobadilla – genötigt sah, Pedro de Vera erneut um Hilfe zu bitten. Im Frühjahr des Folgejahres erschien dieser mit 400 Soldaten und schlug den Aufstand grausam nieder. Es folgte die systematische Ermordung zahlreicher erwachsener canarios sowie die Versklavung der Frauen und Kinder:82 Pedro de Vera, unser Gouverneur der Insel Gran Canaria, setzte zu besagter Insel über, um Doña Beatriz de Bobadilla, Witwe des besagten Hernán Peraza, zu Hilfe zu eilen; und aus Rache an besagtem Mord, tötete er die männlichen Bewohner der Insel La Gomera und fing ihre Frauen, Mädchen und Kinder und verkaufte sie als Sklaven und Sklavinnen.83 In diesem Schreiben des Königs an die Bischöfe Málagas und der Kanaren zeigt sich die Sklaverei als Strafaktion gegen die rebellische Bevölkerung. Während alle männlichen Aufständischen mit dem Tod bestraft wurden, verkaufte de Vera Kinder und Frauen in die Sklaverei; eine Abstufung der Strafen, die vor 78 79 80 81 82

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Sohn des Konquistadors Diego García de Herrera und seiner Frau Inés Peraza sowie Enkel Hernán Perazas (des Älteren). „Gobierno despótico.” Lobo Cabrera (2000), S. 133. Vgl. Mercer (1980), S. 183. Vgl. Lopez Herrera (1971), S. 148; Castro Alfin (1983), S. 182 f. Zur Ereignisgeschichte des Aufstandes siehe vor allem: Cioranescu (1989), S. 94–101; Castro Alfin (1983), S. 180–183; Lopez Herrera (1971), S. 147–149; Mercer (1980), S. 183. „Pedro de Vera, nuestro governador de la Grand Canaria, fue a la dicha ysla en favor e ayuda de doña Beatriz de Bovadilla, muger del dicho Hernán Peraza; y en vengança de la dicha muerte mataron muchos de los vecinos de la dicha ysla de La Gomera y las mugeres y moças y niños catyvaron e los vendieron por esclavos y esclavas.” Ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 40, S. 236 f.

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allem bei der morisco-Sklaverei auffällig sein wird. Nachdem die Krone von verschiedener Seite Berichte erhalten hatte, dass es sich bei den Sklaven um Menschen christlichen Glaubens handele84, entwickelte sich am Hof eine rege Debatte über deren Schuldfähigkeit. Im Anschluss an eine ausführliche Diskussion der Problematik im königlichen Rat kam man zu dem Entschluss, dass „besagte Frauen und Kinder nicht gefangen werden dürfen und sie nicht als Sklaven verkauft werden dürfen“85. Es folgte der Befehl an die Bischöfe, die Befreiung aller zu Unrecht versklavter Personen vorzunehmen.86 Wie ein nachträglicher Bericht des Königs an mehrere Amtsträger in Aragón nahelegt, wurde aber durchaus zwischen schuldigen und unschuldigen canarios differenziert: Vor einigen Tagen wurden wir informiert, dass einige canarios auf bösartige und gemeine Weise Hernán Pareza ermordet haben. Daraufhin wurden all diese, die Schuld an besagtem Mord trugen, von der Justiz bestraft, einige wurden zum Tode verurteilt, andere in die Sklaverei verkauft. […] Unter diesem Deckmantel nahmen Pedro de Vera […] und Doña Beatriz de Bobadilla viele verschiedene canarios, obwohl sie Christen und unsere Vasallen sind, gefangen und verkauften sie, ohne dabei den göttlichen und königlichen Willen zu beachten und zum Schaden unseres Gewissens.87 Folglich war es im Sinne der Krone, dass alle, die sich am Tod des Hernán Pareza schuldig gemacht hatten, bestraft wurden, was sowohl die Todesstrafe als auch die Sklaverei einschloss. Alle canarios von La Gomera, die danach versklavt wurden, wurden dies jedoch ausdrücklich gegen den „königlichen und göttlichen Willen“. Außerdem finden sich auch in diesem Fall Regressansprüche der Käufer. Um diese geltend machen zu können, befahl die Krone, ein 84 85 86 87

„Nos fue fecha relaçión que las dichas mugeres e niños e niñas eran christianos [...] y que no tovieron cargo ni culpa alguna.” Ebd., S. 237. Vgl. Lobo Cabrera (2000), S. 133. „Las dichas mugeres e niños e niñas no pudieron ser catyvados ni vendidos ni tenidos por esclavos.“ Ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 40, S. 237. „Los saqueís por vuestra propria abtoridad […] e los pongáis en livertad.” Ebd. „En dies passats, essent informats que certs canaris havient mort malament e iniqua Ferrando Peraza, manam que, tots aquells, qui eren stats culpats en la dita mort, fossen per justicia punits, alguns sentenciats a mort corporal e altres venuts per sclaus. […] E ab aquesta color es seguit que Pero [sic!] de Vera […] e dona Beatriu de Bovadilla […] poc mirant lo servey de Deu e nostre e lo carrech de lurs consciencies prenguerent molts e diversos canaris, ja fets christians, vassalls nostres […] e aquells venerent e feren vendre.“ Ebd., Nr. 67, S. 299 f., hier 299.

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umfassendes Register aller freigelassenen Sklaven anzulegen und Käufer und Kaufpreis ausfindig zu machen.88 Um dies sicherzustellen, wurde unter anderem dem Sklavenhändler Pedro de Vique, Mittelsmann Pedro de Veras in Jerez de la Frontera, befohlen, binnen acht Tagen persönlich am Hof zu erscheinen und Bücher und Rechnungen offenzulegen.89 Trotz einer Supplik de Veras, in der er „Unrecht und Schaden“90 beklagte, musste er sämtlichen Käufern ihr Geld zurückerstatten. Zudem ersetzte die Krone ihn im Jahr 1491 aufgrund der Massaker auf La Gomera durch den neuen Gouverneur Gran Canarias, Francisco Maldonado.91 Es zeigt sich an diesem Beispiel deutlich die Doppelfunktion, die die Sklaverei einnahm. Auf der einen Seite war die Rebellion eine willkommene Möglichkeit für Pedro de Vera, um sich durch die Versklavungen zu bereichern respektive die Kosten des Feldzuges zu kompensieren. Auf der anderen Seite stellte die Sklaverei ein militärisches und juristisches Mittel dar, um sowohl vor zukünftigen Revolten abzuschrecken als auch den Mord an einem kastilischen señor zu bestrafen. Darüber hinaus wird auch hier klar, dass sich kein Schwarz-Weiß-Bild von Kritikern und Befürwortern der Sklaverei zeichnen lässt. Die Krone, die sich für die Freilassung aller zu Unrecht versklavten canarios entschied, betrachtete die Sklaverei in vielen Fällen als durchaus legitime Strafe. Der zweite Fall behandelt die Versklavungen durch Alonso de Lugo auf Teneriffa im Jahr 1498 und dessen Konflikt mit Lope Sánches de Valençuela, zu dieser Zeit Gouverneur Gran Canarias. Den Anfang machte eine Supplik eines gewissen Rodrigo de Betanços. Er berichtete dem König, dass die christianisierten Volksstämme Gran Canarias (Adeje, Abona, Güimar) während der Eroberung Teneriffas auf Seiten Alonso de Lugos gekämpft hätten.92 Nach dem Abschluss der Eroberungen im Jahr 1496 habe de Lugo diese verbündeten canarios in die Sklaverei verkauft:

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„Fagáys libro e registro, por ante escrivano público, de todas las personas que asy sacardes e pusierdes en libertad.” Ebd., Nr. 40, S. 237. „Nos es fecha relaçión que vos tovistes cargo por Pedro de Vera [...] de vender los canarios e canarias, quel truxo de la ysla de La Gomera q ue aváys la cuenta e razon dello. [...] Nos quesimos saber la verdad de los que fueron e qué preçio valieron e a qué personas se vendieron. [...] Mandamos que del ora que vos fuere leyda e notificada fasta ocho días siguientes, parescades personalmente ante los de nuestro Consejo.” Ebd., Nr. 41, S. 238. „Agravio e daño.“ Ebd., Nr. 42, S. 238 f., hier 239. Vgl. Mercer (1980), S. 199. „Dize que se juntaron con el dicho Alonso de Lugo para conquistar la dicha ysla e que fazian lo quel dicho Alonso de Lugo les mandava.“ Ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 83, S. 320.

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Der besagte Alonso de Lugo unterwarf und nahm Menschen von den ­anderen Gebieten, die nicht zu den besagten Stämmen gehörten, gefangen. Darüber hinaus nahm er bis zu eintausend Seelen der besagten Stämme der Adeja, Abona und Güimar gefangen und verkaufte einen Teil dieser obwohl sie Christen und frei waren.93 Auch dieser Fürsprecher der versklavten canarios traf also die Unterscheidung zwischen zu Recht während des Eroberungszuges versklavten Personen und den zu Unrecht versklavten canarios der Insel Gran Canaria. Er begründet dies mit der Tatsache, dass jene drei Stämme bereits lange befriedet und christia­ nisiert waren und sogar im Dienst Alonso de Lugos standen und ihrerseits einen Beitrag zur Unterwerfung Teneriffas geleistet hätten. In der Folge bat er den König, die noch nicht verkauften 300 Gefangenen zu befreien, um wenigstens diese vor dem Schicksal der Sklaverei zu schützen.94 Als Reaktion auf die Anschuldigungen befahlen die Katholischen Könige dem derzeitigen Gouverneur Gran Canarias Lope Sánches de Valençuela, nach Teneriffa zu segeln, um diesbezüglich Ermittlungen anzustellen. Während diese andauerten, solle er sämtliche betroffenen canarios konfiszieren.95 Zu betonen ist hier, dass der königliche Befehl sich ausschließlich auf die Versklavungen der christianisierten Stämme der Adeje, Abona, Güimar bezog und nicht auf jene Sklaven, die während der Eroberung Teneriffas gemacht wurden. Informationen über das weitere Vorgehen de Valençuelas gehen aus einer gerichtlichen Beweisführung (probanza) hervor, die Alonso de Lugo dem alcalde mayor La Gomeras vorgetragen hatte, um seine Sicht der Dinge darzulegen und sich über das Verhalten de Valençuelas zu beschweren. Das Protokoll dieser probanza, die in erster Linie aus der Befragung von fünf Zeugen besteht, schickte der Notar der Insel, Antonio de la Peña, an den königlichen Hof und erbat genaue Befehle zum weiteren Vorgehen.96 Die Zeugenaussagen über das Vorgehen de Valençuelas 93

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„El dicho Alonso de Lugo a bueltas de los otros que cautivó e tomó e conquistó de la otra tierra que no heren de los dichos bandos, dize que tomó e cabtivó fasta mil ánimas de los susodichos bandos de Dexa e Bona e Gümad e que ha vendido parte dellos, seyendo christianos e libres.” Ebd., S. 320 f. „E porque dize que los dichos canarios están en poder del dicho Alonso de Lugo fasta CCC ánimas, los quales dize que quiere vender, nos suplicó e pidío por merçed que los mandásemos poner en su libertad.” Ebd., S. 321. „Vos mandamos que vayáys luego a la dicha ysla de Tenerife e vos ynforméys qué canarios están en poder del dicho Alonso de Lugo [...] de los dichos bandos de Dexa e Bona e Gümad [...] e todos los que asy fallardes [...] los toméys en vuestro poder e les pongáys en secrestaçión.” Ebd. Ebd., Nr. 86, S. 325–332.

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decken sich in allen fünf Fällen: Er habe unter dem Deckmantel seines Auftrages, jene 300 Gefangenen canarios zu befreien, alle Sklaven der Insel für frei erklärt, um damit aktiv einen Aufstand gegen Alonso de Lugo zu provozieren. Exemplarisch hierfür ist die Aussage des Händlers Gonçalo de Lepe: Lope Sánches de Valençuela führte einen Guanchen von den Kanarischen Inseln mit sich; und dieser Zeuge weiß zu berichten, dass dieser besagte canario zusammen mit einem anderen canario von Haus zu Haus der Inselbewohner ging und allen [Sklaven, Anm. d. V.] mitteilte, sie seien frei und sie sollten sich gegen ihre Herren auflehnen und aus deren Häusern flüchten.97 Ein weiterer Zeuge betonte, dass de Valençuela nicht nur die Sklaven befreit habe, die in der königlichen carta erwähnt wurden, sondern auch alle anderen: „Sie gingen von Haus zu Haus […] und sagten den Guanchen, dass sie frei seien, jene die in der carta genannt waren wie auch jene die nicht genannt waren.“98 Die Zeugen waren sich darüber hinaus einig, dass dies alles sehr zum Schaden der Insel und ihrer Bewohner gewesen sei.99 Es sei dabei das erklärte Ziel de Valençuelas gewesen, so viel Schaden wie möglich anzurichten, um die Herrschaft Alonso de Lugos zu destabilisieren. Der Zeuge Gayme Joven brachte es auf den Punkt: Er glaubt, dass der Gouverneur Lope Sanches de Valençuela alles was er auf der Insel Teneriffa getan hat nur aus Hass und mit schlechter Absicht gegenüber dem Gouverneur Alonso de Lugo machte und nicht um den Befehl Eurer Hoheit zu vollstrecken.100 Die Freilassungen habe de Valençuela also nicht vorgenommen, um unrechtmäßig versklavten Personen zu helfen und den königlichen Befehl zu 97

„Lope Sánches de Valençuela traya consigo un guanche canario, y que este testigo sabe como andava el dicho canario con otro canario de casa en casa de los vezinos de la ysla, diziendoles como supiesen todos que ya eran forros y que se alsasen se fuyesen de casa de sus amos.” Ebd., S. 327. 98 „Andavan de casa en casa […] deziendo a los guanches que eran libres, asy los que venian en la carta como a los que no venian.“ Ebd., S. 328. 99 So etwa der Zeuge Pantalón Palomar: „El mismo governador Lope Sanches de Valençuela dava horden de faser quanto alboroto y dapño que puedo.” Ebd., S. 330. 100 „Cree que lo fizo el governador Lope Sanches de Valençuela, todo lo que fizo en la ysla de Tenerife, más por odyo e mala voluntad que tiene al governador Alonso de Lugo que por conplir la carta de sus Altezas.” Ebd., S. 332.

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vollstrecken, sondern um seinem politischen Konkurrenten aktiv zu schaden. Sicherlich gilt es, diese Zeugenaussagen kritisch zu hinterfragen. Da die Zeugen ihrerseits als Händler oder Bewohner Teneriffas starkes Interesse an der Sklaverei gehabt haben dürften, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob sich der Konflikt der beiden Gouverneure auf die geschilderte Weise zugetragen hat. Allerdings lassen sich hieraus dennoch zwei wichtige Schlüsse ziehen: Zum einen zeigt sich erneut die stets virulente Unterscheidung zwischen rechtmäßigen, während der Eroberungen gemachten Sklaven und solchen Personen, die zu Unrecht versklavt wurden, da sie bereits zum Christentum konvertiert waren respektive kein „gerechter Krieg“ vorlag. Zum anderen verdeutlicht sich auf interessante Weise, wie die Sklaverei und die mit ihr einhergehenden Schwierigkeiten von den verschiedenen Fraktionen genutzt werden konnten, um eine aktive Machtpolitik zu betreiben. Als Zwischenfazit muss zunächst die Normalität der Verbindung von Sklaverei und Eroberung betont werden. Die Refinanzierung der Eroberungszüge durch den Sklavenfang machte die Sklaverei ökonomisch erstrebenswert, wenn nicht sogar grundlegend. Auch die große Rücksichtnahme der Krone auf Sklavenbesitzer und -händler zeigt deren Bedeutung. Die Truppenmotivation durch die Aussicht auf Beute sowie die Straf- und Abschreckungsfunktion der Versklavungen stellten ferner wichtige militärische Notwendigkeiten dar. Die Vermutung William Phillips Jrs., die Sklaverei der canarios sei Dank der königlichen Verbotspolitik nur ein sehr kurzes Phänomen gewesen101, muss folglich zurückgewiesen werden. Entgegen der üblichen Annahme konnte dargelegt werden, dass einige Verbote nicht ausreichen, um von einer Antisklavereigesetzgebung der Katholischen Könige zu sprechen. Vielmehr unterlag die Sklavereipolitik einer Vielzahl divergierender Interessen, die sich nicht in eine pro-contra-Dichotomie einfügen lassen. So wurden religiös-missionarische Argumente oft erfolgreich gegen die Sklaverei verwendet. Nichtsdestoweniger legitimierten auch religiöse Würdenträger Eroberung und Sklaverei oder waren in den Sklavenhandel verstrickt. Letztlich stand die Sklaverei während der gesamten Eroberung stets auf der Agenda der kastilischen Krone und war ein virulenter Streitpunkt auf allen sozialen und militärischen Ebenen. Die kastilische Regierung und deren Akteure befanden sich dabei auf einer politischen Gratwanderung zwischen militärischen, ökonomischen und religiösen Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Eine flexible Politik, die weder ein striktes Verbot der canario-Sklaverei forderte noch eine massenhafte Versklavung tolerierte, war also essentiell, um zwischen den konkurrierenden Interessen zu vermitteln. Es wird sich darüber hinaus zeigen, dass die Eroberung der 101 Phillips Jr. (1990), S. 149.

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Kanaren bezüglich der Sklaverei tatsächlich eine Art Vorreiterrolle einnahm. In den Kapiteln zur Versklavung der moriscos respektive der indios, werde ich daher immer wieder darauf zurückkommen, inwiefern auf bereits während der Eroberung der Kanarischen Inseln bekannte Semantiken und Praktiken der Sklaverei rekurriert wurde. Gerade bezüglich der (Dys-)funktionen von Sklaverei und wie auf politischer Ebene über diese verhandelt wurde, werden immer wieder Parallelen erkennbar sein.

IV Die guerra de Granada und die Versklavung der moriscos (1568–71) Während nach der Eroberung Málagas durch kastilische Truppen im Jahr 1487 ein Großteil der überlebenden muslimischen Bevölkerung in Gefangenschaft oder Sklaverei überführt wurde, erfuhren die Bewohner Granadas nach der Einnahme ihrer Stadt rund fünf Jahre später eine mildere Behandlung.1 Der Kapitulationsvertrag gewährte den Besiegten weitgehende Rechte: Darunter freie Religionsausübung, eine eigene muslimische Gerichtsbarkeit sowie die Straffreiheit für alle muslimischen Soldaten.2 Tatsächlich wurde diese „Politik der Einigung“3 durch den ersten Erzbischof Granadas, Hernando de Talavara (1428–1507), sowie den ersten capitán general, Iñigo López de Mendoza (1440–1515), später erster Marqués de Mondéjar, zunächst fortgeführt.4 Mit der Entsendung einer Missionskampagne unter der Führung des toledischen Erzbischofs und Beichtvaters Isabellas, Francisco Jiménez de Cisneros (1436–1517), nach Granada ging allerdings ein radikaler Politikwechsel einher: Im Gegensatz zu Talavara stand Cisneros einer Mission mit gewaltsamen Mitteln nicht abgeneigt gegenüber. Sogar die Versklavung der muslimischen Bevölkerung hielt er für angemessen, da sie Unterwerfung und Konversion erleichtere.5 Ab dem Herbst des Jahres 1499 häuften sich Zwangstaufen, Bücherverbrennungen und weitere repressive Maßnahmen gegen die Ausübung des Islam.6 Die Situation verschärfte sich in den Folgejahren. Diese „gross violation of the terms of capitulation“7, so Chejne, führte zu lokalen Aufständen der muslimischen Bevölkerung, die ihrerseits gewaltsam unterdrückt wurden.8 Der Chronist Luis del Mármol Carvajal berichtet für die Jahre 1500 bis 1501 von zahlreichen Revolten

1 Vgl. Ladero Quesada (1967), S. 63. 2 Vgl. ebd (1969), S. 44–53; Coleman (2003), S. 6; Chejne (1983), S. 6. 3 Amelang (2013), S. 11. 4 Vgl. ebd., Coleman (2003), S. 6. 5 Am 3.2.1500 schrieb er an sein Domkapitel in Toledo: „Mas querriamos que se convirtiesen y fuesen cautivos como estos otros, porque seyendo cautivos serian mejores christianos, y la tierra quedaria segura para siempre.“ Abgedruckt in: Ladero Quesada (1969), Nr. 91, S. 237 f. Im Gegensatz zu „prisonero“ wurde „cautivo/captivo“ synonym zu „esclavo“ gebraucht. Vgl. Benítez Sánchez-Blanco (2010), S. 20. 6 Vgl. Amelang (2013), S. 12; Chejne (1983), S. 6; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 19. 7 Chejne (1983), S. 7. 8 Vgl. ebd., Ladero Quesada (1969), S. 69–76; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 19.

© VERLAG FERDINAND SCHÖNINGH, 2018 | doi 10.30965/9783506707123_005

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Die Versklavung der moriscos

als Antwort auf Zwangstaufen und die kastilische Repressionspolitik.9 Ganz im Sinne Cisnerosʼ stellte die Versklavung von Menschen ein probates Mittel zur Bestrafung der Aufständischen dar: Nach Tumulten in den Ortschaften Níjar und Güevéjar wurde deren muslimische Bevölkerung, mit Ausnahme aller Kinder unter elf Jahren, in die Sklaverei verkauft.10 Eine Real Cédula vom 12. Februar 1502 stellte schließlich alle muslimischen Bewohner des Königreichs Granada (Reino de Granada) vor die Wahl zu konvertieren oder zu emigrieren.11 Jene Personen, die eine Konversion dem Exil vorzogen, wurden von da an als „Neuchristen“ (cristianos nuevos de moros) oder – populärer – als moriscos bezeichnet. Diese als cristianos nuevos in Abgrenzung zu den sogenannten „Altchristen“ stigmatisierte Gruppe war dabei keine exklusive Erscheinung des Reino de Granada.12 Auch in den Königreichen Aragón und Valencia findet sich im 16. Jahrhundert eine große Zahl an moriscos. Während diese allerdings nur je zwanzig respektive dreißig Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, stellten sie in Granada die Bevölkerungsmehrheit (etwa 54 Prozent).13 Darüber hinaus unterschieden sie sich erheblich in ihren Sozialstrukturen. Moriscos in Aragón und Valencia waren häufig landlose und abhängige Landarbeiter.14 Das Königreich sowie die Stadt Granada boten hingegen als „frontier society“15

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„La fama corrió por los lugares del reino de Granada cómo los moros granadinos se tornaban cristianos. [...] En aquel año y en el siguiente, que fue de 1500, se rebelaron algunos lugareS. [...] Siendo pues opresos los rebeldes con increßible [sic!] presteza [...]. Y en los meses de agosto, setiembre y octubre se convertieron todos los moros de la Alpujarra.” Mármol Carvajal: Historia, XXVII. 10 „Y en este tiempo se alzaron los moros de Belefique, y en el seguiente año de 1501, al principio dél, fueron presos y muertos por justicia, y las mujeres dadas por captivaS. Los de Níjar y Güevéjar se dieron y fueron esclavos, excepto los niños de once años abajo.” Mármol Carvajal: Historia I, XXVII. 11 Real Cédula vom 12.2.1502. AGS, RGS, 1502, fol. 1, abgedruckt in: Ladero Quesada (1969) Nr. 148, S. 320–324. Vgl. Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 19; Coleman (2003), S. 6; Martín Casares (2013), S. 150. 12 Der Reino de Granada war seit der Eroberung der gleichnamigen Hauptstadt im Jahr 1492 als eines der vier Reiche Andalusiens (Sevilla, Córdoba, Jaén, Granada) der kastilischen Krone eingegliedert. Er umfasste vor allem die Gebirgsregionen östlich von Granada mit den Städten Guadix, Alhama und Baza, sowie große Teile der Südküste Andalusiens mit den Städten Marbella, Málaga und Almería. Vgl. Peinado Santaella u. a. (2000). 13 Kamen (1997b), S. 217; Amelang (2013), S. 14. 14 Vgl. Fernández Álvarez (1998), S. 221; Kamen (1997b), S. 217. 15 Coleman (2003), S. 3.

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diverse Chancen des sozialen Aufstiegs. Somit war auch ländlicher, moriskischer Großgrundbesitz keine Seltenheit und urbane moriskische Eliten ­bekleideten hohe Ämter der Stadtverwaltungen.16 Viele moriscos unterschieden sich von ihren „altchristlichen“ Glaubensgenossen durch ihre spezifische, maurisch beeinflusste Kultur, die sich vor allem in der arabischen Sprache ­sowie in Ess- und Kleidungsgewohnheiten niederschlug.17 Ein Blick auf die Sozialstrukturen der moriskischen Bevölkerung im Reino de Granada macht allerdings schnell klar, dass es sich um keine homogene Gemeinschaft handelte, die sich geschlossen und durchgehend einer „altchristlichen“ Assimilierungsund Repressionspolitik widersetzte. Dennoch ist die Geschichte dieser Bevölkerungsgruppe mit solchen Stereotypen behaftet. In den Forschungsarbeiten von Bernard Vincent18 und Teofilo Ruiz19 vor allem aber bei Fernand Braudel wird häufig ein wirkmächtiger „Kampf zwischen Kulturen“20 postuliert.21 Da die Frage nach der Homogenität des moriskischen Widerstands sowie der Beziehungsgeschichte von „Neu-“ und „Altchristen“ von wesentlicher Bedeutung für die guerra de Granada und die Versklavungen der moriscos waren, wird es in den folgenden Teilkapiteln zunächst um einige soziale Aspekte der moriskischen Bevölkerung sowie um die morisco-Politik der kastilischen Krone im 16. Jahrhundert gehen. Um die historischen Rahmenbedingungen der guerra de Granada verständlich zu machen, werde ich darauffolgend noch kurz die Ereignisgeschichte des Krieges skizzieren. Schließlich werde ich im Hauptteil des Kapitels konkret auf die Versklavungen während des Krieges sowie die Konzeptualisierung der Sklavereipolitik der kastilischen Krone eingehen.

16 Amelang (2013), S. 14. 17 Vgl. Caro Baroja (1957), S. 117–141; Barrios Aguilera (1995), S. 183; Birr (2013), S. 283. 18 Bei Vincent heißt es etwa: „La resistencia de una civilización frente a otra.“ Vincent (1987), S. 174. 19 Ruiz (2001), S. 105–107. 20 Braudel II (1998), S. 585. 21 Auch Kamen ist der Ansicht, dass „moriscos refused assimilation“. Kamen (1997b), S. 220. Bei Ruiz heißt es: „The reluctance of Moriscos to become part of Spanish society […] was remarkable.” Ruiz (2001), S. 105. Ähnlich liest es sich auch bei Kaplan, der den moriscos eine allgemeine Loyalität zum Islam und den islamischen Machthabern in Nordafrika unterstellt. Kaplan (2007), S. 311.

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Morisco-Politik zwischen Integration, Assimilierung und Repression im 16. Jahrhundert

In der historischen Forschung wird die Beziehungsgeschichte von „Altchristen“ und moriscos meist auf eine Verfallsgeschichte reduziert, die von den Zwangskonversionen um 1500 auf die endgültige Ausweisung aller moriscos im Jahr 1609 zuläuft.22 Wie folgende Ausführungen zeigen sollen, werden diese Simplifizierung sowie das einhergehende Schwarz-Weiß-Bild, das „altchristliche“ Repression und moriskischen Widerstand einander gegenüberstellt, der historischen Komplexität nicht gerecht. Wie lässt sich gegenüber dieser landläufigen Annahme die morisco-Politik der kastilischen Krone zwischen Inte­ gration, Assimilierung und Repression verorten? Nach der radikalen Vorgehensweise Cisnerosʼ dauerte es bis in die Zwanzigerjahre des 16. Jahrhunderts bis eine nächste Repressionswelle die moriskischen Gemeinschaften des Reino de Granada traf. Nach Mármol Carvajal häuften sich im Jahr 1526 die Beschwerden granadinischer Kirchenvertreter über die kulturelle Divergenz der moriscos. Die Vorwürfe, die neben der Praktizierung maurisch-muslimischer Traditionen auch die heimliche Ausübung der islamischen Religion sowie die Unterstützung nordafrikanischer Korsaren bei Razzien an der andalusischen Südküste betrafen, wogen schwer.23 Nachdem zu Beginn des Jahres eine Visitation unter der Führung des Bischofs von Guadix sämtliche moriskische Haushalte des Reiches untersucht hatte, rief Karl V. noch im selben Jahr eine junta in der Stadt Granada zusammen. Unter seiner persönlichen Leitung berieten die angesehensten Theologen und Würdenträger des Landes, darunter der Generalinquisitor und Erzbischof von Sevilla Alonso Manrique, der Präsident des Kastilienrates und Erzbischof von Santiago Juan de Tavera, der spätere Generalinquisitor Fernando de Valdés sowie der königliche Sekretär Francisco de los Cobos, wie mit den moriscos umzugehen sei.24 Als Fazit wurde kaum überraschend festgehalten, dass die moriscos „keine guten Christen seien“25. Die Lösungsansätze umfassten vor allem repressive Maßnahmen: Ein Verbot der arabischen Sprache, maurischer Hochzeitszeremonien, traditioneller Kleidung und weiterer maurischer Bräuche. Darüber hinaus wurde eine „Politik der offenen Türen“ forciert. Diese bestimmte, dass sämtliche morisco-Haushalte an allen Frei-, Sams- und Feiertagen ihre Haustüren offenhalten mussten, um ihr religiös-kulturell konformes Verhalten von 22 Barletta (2007), S. 5; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 17; Kamen (1997b), S. 214–229; Ruiz (2001), S. 105–107. 23 Mármol Carvajal: Historia II, I. 24 Ebd. II, II. 25 „No serían buenos christianos.” Ebd.

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außen überprüfbar zu machen.26 Im Anschluss an die ­Publikation der Ergebnisse der junta wurde jedoch schnell die klientelpolitische Verknüpfung der moris-kischen Oberschicht wirksam: Durch Memoriale und Intervention „alt-“ und „neuchristlicher“ Eliten am Hofe Karls wurde eine Aussetzung der ­Bestimmungen auf vierzig Jahre erreicht.27 Das überzeugendste Argument dürfte eine Zahlung der moriscos von 90.000 Dukaten an die Krone sowie die Einführung einer neuen Sondersteuer von 21.000 Dukaten pro Jahr gewesen sein.28 Andere europäische Krisenherde – die beginnende Reformation, der Konflikt mit Franz I. von Frankreich sowie die vernichtende Niederlage des christlichen Königreichs Ungarn gegen die osmanischen Streikräfte bei Mohács (1526) – legen darüber hinaus nahe, dass die Entscheidung Karls V. zur Aussetzung der Beschlüsse wohl ein Akt des politischen Pragmatismus darstellte.29 Häufig wird zudem die Verlegung des Inquisitionstribunals von Jaén nach Granada im Jahr 1526 in Verbindung mit der Unterdrückung der m ­ oriscos gesehen.30 Wie Coleman überzeugend dargelegt hat, kann dies jedoch nicht für die erste Hälfte des Jahrhunderts gelten. Im Fokus der Inquisition standen vielmehr die conversos, also konvertierte Juden, denen die heimliche Ausübung der jüdischen Religion vorgeworfen wurde. So waren beim ersten auto da fe im Jahre 1526 in Granada nur drei der 83 Angeklagten moriscos.31 Letztlich zeigt sich, dass die morisco-Problematik auf der königlichen Agenda weit oben stand. Die konkrete Umsetzung einer Verbotspolitik der m ­ orisco-Traditionen findet sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts jedoch nicht. Jüngere Erkenntnisse verdeutlichen dagegen, dass der Integrationsgrad der moriscos nicht unterschätzt werden sollte.32 Dies gilt in erster Linie für die moriskische Elite Granadas. Alte moriskische Dynastien wie die Granada-­Venegas, Zegrí oder Córdoba bekleideten hohe städtische Ämter und stellten unter anderem Mitglieder des Santiagoordens.33 Ein anderes Beispiel ist die Markgrafschaft Cenete etwa fünfzig Kilometer östlich von Granada, anhand derer Ruiz Pérez die Beziehung von moriscos und „Altchristen“ untersucht hat. Er stellt fest, dass es hier kaum Prozesse der zwanghaften Akkulturation gab: Vielmehr habe der Territorialherr Don Rodrigo eine patriarchalische Politik der Toleranz bevorzugt, die zu einer moriskisch-„altchristlichen“ 26 Mármol Carvajal: Historia II, II. Vgl. Birr (2013), S. 284; Domínguez Ortiz/­Vincent (1984), S. 22. 27 Vgl. Coleman (2003), S. 119. 28 Ebd.; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 25. 29 Coleman (2003), S. 124. 30 Birr (2013), S. 284. 31 Coleman (2003), S. 25. Vgl. Kamen (1997b), S. 218; Contreras/Henningsen (1986). 32 Vgl. Martín Casares (1997), S. 221. 33 Vgl. Coleman (2003), S. 42.

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Die Versklavung der moriscos

­Interessensgemeinschaft geführt habe.34 Dieser feudale Patriarchalismus zeigt sich auch gut am Beispiel der bekannten Familie der Mendozas, die seit 1492 das Generalkapitanat (capitanía general) Granadas innehatte und somit für die Verteidigung des Reiches zuständig war. Schon der zweite capitán general Luis Hurtado de Mendoza y Pacheco (1489–1566) setzte sich ab den 1540er-Jahren immer wieder für moriskische Belange am königlichen Hof ein.35 So erhielt er im August des Jahres 1543 erstmals eine Audienz bei Prinz Philipp, um sich für einen mäßigen Umgang mit den moriscos einzusetzen.36 Sein Sohn und Nachfolger im Amt des capitán general, Íñigo López de Mendoza y Mendoza (1512–1580), in Quellen und Literatur meist nur als (dritter) Marqués de Mondéjar bezeichnet, setzte diese Politik konsequent fort. Die Idee eines patriarchalischen, aber toleranten Verhältnisses zur morisco-Gemeinschaft war im andalusischen Hochadel weit verbreitet.37 Die Gründe hierfür waren politisch-ökonomischer Natur und werden später für die Diskussionen um die ­Versklavung der moriscos noch einmal wichtig werden: „Altchristliche“ Territorialherren waren von der Arbeits- und Steuerkraft ihrer moriskischen Untertanen abhängig.38 Insbesondere die Mendozas hatten im 16. Jahrhundert aufgrund ihrer immensen Ämterkumulation39 einen enormen Schuldenberg angehäuft. Vor allem das Einkommen aus der capitanía general war zu gering, um die anfallenden Kosten zu amortisieren.40 Es liegt somit nahe, dass der Marqués de Mondéjar sehr darauf bedacht war, seine Steuereinkünfte nicht durch eine zu repressive Politik gegenüber den moriscos zu gefährden. Da die Verteidigung des Reino de Granada als capitán general darüber hinaus in seiner Hand lag, hatte er freilich auch großes Interesse daran, das Risiko einer moriskischen Rebellion möglichst gering zu halten. Im Zuge der Thronbesteigung Philipps II. änderte sich das politische Klima gegenüber den moriscos ab den 1550er-Jahren. Als Grund hierfür wird in der Forschung einerseits das expansive osmanische Vorgehen im Mittelmeerraum angeführt.41 Diese Gefahr manifestierte sich vor allem in der Rückeroberung 34 Ruiz Pérez (1991), S. 297 f. 35 Vgl. Garrad (1954), S. 210; Kamen (1997a), S. 129; Amelang (2013), S. 11. 36 „He atado a su alteza memorial de tres cosas que a my parecer no solamente son justas mas tan necesarias y convenientas pa[ra] la conversión delos de aq[ue]l reyno y pa[ra] la pacificacion y seguridad.” AGS, Est, L. 60, fol. 191r. Vgl. Kamen (1997a), S. 14. 37 Vgl. ebd., S. 129. 38 Ebd. 39 Nader (1977), S. 412. 40 Ebd., S. 421. 41 Vgl. Edelmayer (2009), S. 188 f., Ruiz Pérez (1991), S. 292 und 301 f., Domínguez ­Ortiz/Vincent (1984), S. 28.

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Tripolisʼ durch osmanische Truppen unter Turgut Reis im Jahr 1551.42 Die Befürchtung, dass die moriscos eine „5. Kolonne“ darstellen könnten, die die muslimischen Feinde im Krieg gegen das Christentum unterstützt, war in ­Politik und Bevölkerung tatsächlich weit verbreitet.43 Ob diese Gefahr vor 1568 real war, lässt sich kaum beurteilen. Völlig unbegründet war sie jedoch sicherlich nicht, schließlich erhielten die moriskischen Aufständischen während der guerra de Granada massive Unterstützung von nordafrikanischen und ­osmanischen Truppen.44 Zum anderen radikalisierte sich die kulturelle Unterdrückung der moriscos in der Folge des tridentinischen Konzils, das einen Mentalitätswandel der kastilischen Kirche gegenüber den Neugläubigen ausgelöst hatte.45 Tatsächlich waren das Konzil von Trient und die gegenreformatorischen Bemühungen auf das Engste mit der Situation in Granada verknüpft: So war der Erzbischof Granadas, Pedro Guerrero (1501–1576), nach Coleman „Trentʼs most powerful and constant voice“46. Die Sorge Guerreros um die endgültige Konversion der moriscos drückt sich immer wieder in Schreiben an den Hof aus. So beklagte er sich etwa im Januar 1551 über den Mangel an Prälaten (prelados) in Granada, der eine flächendeckende Unterrichtung der moriscos im Katechismus unmöglich mache.47 Nach der Rückkehr von seiner zweiten Trientreise im Jahr 1564 verstärkte sich seine autoritäre Assimilierungsrhetorik.48 Im Juli des Folgejahres berichtete er Philipp II. von der Einberufung einer Provinzialsynode, um die Beschlüsse des Konzils auf regionaler Ebene umzusetzen.49 Die morisco-Problematik nahm einen Hauptteil der Synode ein, was sich vor 42 43

Vgl. Hess (1968), S. 11 f.; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 28. Vgl. Hess (1968), S. 5 f.; Ruiz (2001), S. 106; Ingram (2009), S. 12 f.; Sánchez Ramos (2000), S. 511; Parker (2002), S. 102. 44 Sánchez Ramos (2000), S. 519 f.; Hess (1968), S. 15 f.; Fernández Álvarez (1998), S. 461. 45 Steiner (2014), S. 76. Dies zeigt sich auch anhand des Inquisitionstribunals in Granada. Während – wie oben ausgeführt – in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert vor allem conversos angeklagt wurden, waren zwischen 1560 und 1571 82 Prozent aller Angeklagten moriscos. Vgl. Kamen (1997b), S. 224; Vincent (1987), S. 119–146. Ein weiteres Beispiel gegenreformatorischer Bemühungen ab den 1550er-Jahren ist die Veröffentlichung des „Catálogo de Libros Prohibidos“ im Jahr 1559 mit über 500 verbotenen Bücher. Vgl. Pizarro Llorente (2004), S. 126; Parker (2002), S. 101. 46 Coleman (2003), S. 168. Zur Biographie Pedro Guerreros vgl. vor allem Marin Ocete (1970). 47 „Esta tierra y reino de Granada tiene más necesidad que otra ninguna de estos reinos dela presencia y doctrina del prelado, por ser mucha mayor parte de él de cristianos nuevos que son tan duros en venir a lo que se les manda de cristianidad.” Guerrero an Philipp II. am 1.1.1551. Abgedruckt in: López Martin (1974), Nr. 2, S. 26 f. 48 Vgl. Coleman (2003), S. 146. 49 López Martin (1974), Nr. 46. Zum Konzil siehe auch ebd. (1989), S. 509–541.

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allem in einem gemeinsamen Schreiben der teilnehmenden B ­ ischöfe an die Krone äußerte. Damit „diese Mauren […] die maurischen Sitten aufgeben“50 ­verlangten die Bischöfe eine repressivere Politik gegenüber der moriskischen Kultur. Unter Rückbezug auf die Beschlüsse von 1526 und einer Synode im ­Bistum Guadix im Jahr 155451 rieten sie dem König zu einem Verbot der maurischen Kleidung, wie etwa dem Kopftuch, sowie anderer Bräuche. Das traditionelle maurische Bad sollte an Frei-, Sonn- und Feiertagen untersagt werden und an anderen Tagen von „altchristlichen“ Bademeistern überwacht werden. Neben einem Verbot der arabischen Sprache wurde darüber hinaus erneut die „Politik der offenen Tür“ gefordert.52 In der Folge dieses Schreibens sowie in Anbetracht der Tatsache, dass der 1526 erkaufte vierzigjährige Gnadenerlass Karls V. auslief, beauftragte Philipp II. den Präsidenten des Kastilienrates und neuen Großinquisitor Diego de Espinosa (1513–1572) mit einer Untersuchungskommission, die in der junta de Madrid von 1566 gipfelte.53 Da sich Espinosa der Durchsetzung der tridentinischen Reformen verschrieben hatte54, orientierte sich die aus der junta hervorgehende königliche Verordnung (real pragmática) weitgehend an den repressiven Vorschlägen, die die Bischöfe schon im Vorjahr unterbreitet hatten. Im Mai des Jahres 1566 wurde der Inquisitionsrat und Klient (cliente) Espinosas, Pedro de Deza (1520–1600), als Präsident der Audiencia und der königlichen Kanzlei (real chancillería) nach Granada entsandt, um dort am 1. Januar 1567 die weitreichenden Verbote der moriskischen Kultur zu verkünden.55 Diese strengen Einschränkungen schlugen sich darüber hinaus in der neuen Gesetzessammlung, der Nueva Recopilación, nieder, die im März des Jahres veröffentlicht wurde.56 Der politische Stimmungswechsel drückte sich auch darin aus, dass die ursprünglich so erfolgreiche moriskische Netzwerkpolitik wirkungslos blieb: Der Anwalt der moriscos (procurador general de los moriscos), Jorge de Baeza, scheiterte bei seiner Audienz am Hof in Madrid ebenso wie die „altchristlichen“ Fürsprecher Don Juan Fernández Mofadal und Don Juan Enríquez an 50

„Estos moros […] se les quitasse el abito de moros.“ AGS, Est, L. 148, fol. 113r, ediert auch in: López Martin (1974), Nr. 61, S. 127. 51 Diese beriet auf regionaler Ebene über das Verbot moriskischer Traditionen und Bräuche. Vgl. Garrido García (2001), S. 120. 52 Ebd. 53 Mármol Carvajal: Historia II, VI. Vgl. Birr (2013), S. 286; Coleman (2003), S. 181. 54 Vgl. Brendecke (2009), S. 227. 55 Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 512; Martín Ruiz (1995), S. 393; Braudel II (1998), S. 595; Harvey (2005), S. 211. 56 So widmet sich der zweite Titel des achten Buches ganz den „Neuchristen“. In den Gesetzen fünfzehn bis siebzehn wird das Sprechen und Schreiben der arabischen Sprache verboten sowie das Erlernen des Kastilischen vorgeschrieben. Ferner findet sich das Verbot

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der ­kompromisslosen Einstellung Espinosas.57 Auch die bekannte Bittschrift (memorial), die der adelige morisco Don Francisco Núñez Muley anlässlich der repressiven Pragmática an die Audiencia von Granada sandte, blieb folgenlos.58 Núñez Muley, der häufig als eine Art politisches Bindeglied zwischen kastilischer Zentralregierung und moriskischen Interessen gesehen wird59 und bereits einige Male am Hof Karls über die Lage der moriscos verhandelt hatte60, verteidigte hier die moriskische Kultur als ein regionales Brauchtum, das in keiner Weise in Opposition zum Katholizismus oder zur kastilischen Krone stünde. Im Gegenteil hätten die moriscos „immer Gott und der königlichen Krone gedient”61. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt, unmittelbar vor den ersten Aufständen des Jahres 1568, die diplomatischen Mittel der moriskischen Eliten erschöpft waren, wird erneut deutlich, dass die historiographische Konstruktion einer Dichotomie zwischen „Alt-“ und „Neuchristen“ nicht zielführend ist. Die ­Biographien eines Marqués de Mondéjar, Núñez Muley und vieler weiterer Protagonisten machen klar, dass die moriskischen Eliten bis zum Ausbruch des Krieges durchaus in den üblichen Patronage- und Klientelnetzwerken der damaligen Politik verkehrten. Erst mit der Erstarkung einer höfischen Fraktion, die im Nachgang des tridentinischen Konzils großen Wert auf eine repressive Assimilierungspolitik gegenüber den moriscos legte, nahm der Einfluss des alten Hochadels am Hofe Philipps II. ab. Wenn man möchte, kann man hier die in der Forschung verbreitete Trennlinie zwischen den neu erstarkten letrados um Diego de Espinosa und dem auf ihre Privilegien bedachten, alteingesessenen Hochadel ziehen.62 Wie sich zeigen wird, spielte diese ­Fraktionalisierung

traditioneller maurischer Kleidung und Hochzeitsfeiern. Nueva Recopilación, Lib. 8, Tit. 2, Ley XV–XVII. 57 Harvey (2005), S. 214; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 33; Sánchez Ramos (2000), S. 513; Coleman (2003), S. 181. 58 Es liegen derzeit drei edierte, leicht voneinander abweichende Editionen des Memorials vor. Die populärste findet sich bei Garrad (1954), S. 204–224, eine weitere bei Martín Ruiz (1995), S. 398–402. Darüber hinaus gibt es eine jüngere englische Übersetzung in: Barletta (2007), S. 55–99. 59 Der aus dem granadinisch-marokkanischen Hochadel stammende Núñez Muley war ab 1502 als Page bei Erzbischof Talavera beschäftigt. In dieser Rolle wohnte er bereits 1513 ­einem Treffen mit König Ferdinand bezüglich der morisco-Problematik bei. Im Jahr 1519 gehörte er zum Begrüßungskomitee König Karls V. Barletta ist somit Recht zu geben, wenn er ihm eine „lifelong practice of collaborating“ bescheinigt. Barletta (2007), S. 11. Vgl. Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 33. 60 Vgl. Garrad (1954), S. 210 f. 61 „Siempre ha servido á dios nuestro señor, y á la corona real.” Abgedruckt bei Martín Ruiz (1995), S. 402. Siehe auch bei: Mármol Carvajal: Historia II, IX. 62 Mit letrados werden Personen bezeichnet, die ihren politischen Führungsanspruch nicht aus einer adeligen Herkunft ableiteten, sondern aus ihrer juristischen Hochschulbildung.

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des Hofes auch für den Verlauf der guerra de Granada sowie für die Versklavungen der moriscos eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus war auch die Gemeinschaft der moriscos bei weitem nicht homogen. Soziale Unterschiede innerhalb der moriskischen Bevölkerung spielten eine große Rolle, wenn es darum ging, mit der Zentralregierung zu kooperieren. Ferner kann die Beziehungsgeschichte zwischen „Alt-“ und „Neuchristen“ im 16. Jahrhundert nicht als Verfallsgeschichte bezeichnet werden. Zwar setzen sich spätestens ab den 1560er-Jahren die Befürworter einer Repressionspolitik am königlichen Hof durch. Zuvor jedoch lebten moriscos im Reino de Granada, meist unter der Protektion „altchristlicher“ Adeliger, für fast ein halbes Jahrhundert relativ unbeeinträchtigt. Bevor ich nun chronologisch an die repressive Pragmática von 1567 mit den ereignissgeschichtlichen Ausführungen über den Krieg anknüpfe, möchte ich im folgenden Teilkapitel auf die Rolle der moriscos als Sklavenbesitzer eingehen. 2

Täter versus Opfer? Moriscos als Sklavenbesitzer

Für Fernand Braudel sind „[natürlich] alle Historiker auf der Seite der Morisken“63. Die massenhaften Versklavungen, die Deportationen und letztlich die Ausweisung im Jahr 1609 machen diese Sichtweise verständlich. Gerade mit Blick auf das emotionale Thema der Sklaverei muss jedoch betont werden, dass es sich um keine dichotome Täter-Opfer-Beziehung gehandelt hat. Gegen die absolute Zuschreibung einer Opferrolle spricht schon die im letzten Kapitel angesprochene Heterogenität der moriskischen Gemeinschaften. Außerdem waren Versklavungen des Feindes auf beiden Seiten des Krieges an der Tagesordnung. Moriskische und nordafrikanische Kampfverbände verkauften christliche Gefangene als Sklaven nach Nordafrika, insbesondere um den Nachschub an Waffen zu finanzieren.64 Darüber hinaus waren die moriscos des 16. Jahrhunderts als Sklavenbesitzer und Kaufleute in den Handel mit subsaharischen negro-Sklaven eingebunden. Während sich in den spanischen Archiven zahlreiche Quellen finden, die über die Versklavung von moriscos während der guerra de Granada berichten,

Sie standen somit oftmals in einem Konkurrenzverhältnis zum alteingesessenen Adel. Vgl. Ezquerra Revilla (2000), S. 91–113; Martínez Millán (1992), S. 193 f.; Pizarro Llorente (2004), S. 126 f.; Poole (2004), S. 3–21; Parker (2002), S. 102 f.; Brendecke (2009), S. 226. 63 Braudel II (1998), S. 601. 64 Vgl. Chejne (1983), S. 10; Amelang (2013), S. 17.

Moriscos als Sklavenbesitzer

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sind kaum Dokumente überliefert, die die Versklavung von „Altchristen“ durch moriscos und nordafrikanische Truppen belegen. Trotz der Quellenarmut kann aber davon ausgegangen werden, dass die Praxis der Kriegssklaverei auch auf moriskischer Seite üblich war.65 So berichtete beispielsweise der Truppenführer Luis de Requesens (1528–1576) im Juni 1570 an Philipp II., dass durch puren Zufall ein maurisches Schiff an der Küste Almerías entdeckt wurde, das 47 gefangene Christen als Sklaven nach Nordafrika bringen sollte.66 Nur einen Tag später beklagte Don Juan de Austria sich bei seinem Halbbruder, dass Christen in großem Stil nach Nordafrika in die Sklaverei verkauft würden.67 Auch Caro Baroja betont den Verkauf christlicher Sklaven nach Nordafrika: Leider ohne eine genaue Quelle anzugeben, stellt er fest, dass an der nordafrikanischen Küste „ein Christ für ein Gewehr“ getauscht wurde.68 Ferner wurden, wie Martín Casares betont hat, in einigen Extremfällen sogar morisco-Sklaven durch moriskische Sklavenhändler verkauft, um Profit zu generieren.69 Dass sich moriscos im Hinblick auf die Sklaverei nicht ausschließlich in der Opferrolle befanden, lässt sich noch besser daran zeigen, dass die moriskische Bevölkerung selbst in vielen Fällen aus Sklavenhaltern bestand. Interessant ist hierbei, dass ein Verbot der Sklavenhaltung durch moriscos seit der junta von 1526 Teil der königlichen Repressionspolitik war. Begründet wurde das Verbot von 1526 – das wie alle anderen Verbote auf vierzig Jahre ausgesetzt ­wurde – damit, dass die moriscos muslimische Sklaven kaufen würden, um sie zu befreien.70 Knapp dreißig Jahre später griff die Synode in Guadix diese Problematik erneut auf und forderte ein Sklavenhaltungsverbot für moriscos.71 Im Zuge der tridentinischen Maßnahmen kam das Thema in den Sechzigerjahren immer häufiger auf die Tagesordnung: Auf der Ständeversammlung (cortes) in Toledo (1560) wurde erneut ein solches Verbot formuliert.72 Auch das 65 66

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Vgl. ebd. „A lo menos los que se havian de embarcar en cabo de Gata en las galeotas que se esperavan no pensavan guardalla y asi fue muy buena suerte la que don garcía de Villarroel hizo pues mato algunos y prendio a los demas y dio libertad a quarenta y siete xri[sti]anos, que allo tenian para llevar a berveria.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 157r. „Haviendo me scripto Don sancho de Leyva que en la marina de castil de ferro tenian los moros que se han de embarcar buen numero de xri[sti]anos para los passar en Berveria.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 159r. „Un cristiano por una escopeta.“ Caro Baroja (1957), S. 188. Zu diesem colaboracionismo vgl. Martín Casares (1997), S. 224–227. Vgl. ebd., S. 216. Synode von Guadix y Baza 1554: „Que los christianos nuevos no compren esclavos, ni rescaten moros.“ In: Sinodo de Guadix. Constitución 36, título sexto, zit. nach: Ebd., S. 219. Vgl. ebd., S. 220.

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bereits mehrfach zitierte Schreiben der Bischöfe an Philipp II. aus dem Jahr 1565 verlangte, dass „die Morisken weder schwarze noch weiße Sklaven haben sollen“73. Endgültige legislative Bestätigung fand das Verbot schließlich in der Nueva Recopilación (1567), in der bestimmt wurde, dass „die Mauren weder negro-Sklaven noch solche aus Berberia kaufen oder besitzen dürfen“74. Bei Zuwiderhandlung solle der Sklave konfisziert und eine Geldstrafe von 10.000 maravedíes verhängt werden. Der Betrag solle zwischen der Krone und dem Denunzianten aufgeteilt werden.75 Der Hintergrund dieser Verbotspolitik wird bei Mármol Carvajal, der über die Cortes von Toledo berichtet, recht deutlich: Die Morisken des Königreichs Granada besitzen negro-Sklaven aus Guinea, welche sie im Glauben der Sekte Mohammeds und in ihren Bräuchen unterrichten; abgesehen davon, dass diese Seelen verloren sind, wächst so jede Stunde das moriskische Volk.76 Es handelte sich folglich nicht etwa um vermeintliche moralisch-ethische Bedenken, die die kastilischen Eliten an der Rechtmäßigkeit der Sklavenhaltung durch moriscos zweifeln ließen. Vielmehr war es die Befürchtung, dass subsaharische Sklaven in moriskischen Haushalten zum Islam konvertieren könnten und damit die moriskische Bevölkerung Granadas anwachsen würde. Nachdem sich seit der Synode von Guadix 1554 ein erneutes Verbot der Sklavenhaltung für moriscos abgezeichnet hatte, versuchte die moriskische Elite auch hier politisch aktiv zu werden. Mármol Carvajal weiß auch hierüber zu berichten: Danach supplizierten die moriscos des Reiches ein zweites Mal. Sie sagten, dass sie die negro-Sklaven zur Haus- und Feldarbeit benötigen, und ein Verbot sie ruinieren würde; später wandten sie sich an Don Iñigo López de Mendoza […] Generalkapitän des Königreiches Granada […] und baten ihn, in ihrer Sache aktiv zu werden.77 73

„Los moriscos no tengan esclavos negros ni blancos.“ AGS, Est, L. 148, fol. 113r. Vgl. Lopez Martín (1989), S. 530. 74 „Los moros no compren esclavos negros, ni los tengan, ni de Berbería.“ Nueva Recopilación, Lib. 8, Tit. 2, Ley 14. 75 Ebd. 76 „Los moriscos del reino de Granada tuviesen esclavos negros de Guinea en su servicio enseñaban la seta de Mahoma y los hacían a sus costumbres, y demás de perderse aquellas almas, crecía cada hora la nación morisca.” Mármol Carvajal: Historia II, III. 77 „Desto suplicaron segunda vez los moriscos del reino, diciendo que los esclavos negros eran el servicio de sus casas y sus labores, y era destruirlos so se los quitaban [...]. Luego

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Die moriscos baten also eindringlich, ihnen die lebenswichtige Arbeitskraft der negro-Sklaven nicht zu verbieten. Nachdem diese Eingabe keinen Erfolg brachte, supplizierten sie einmal mehr an den Marqués de Mondéjar, sich ihrer Sache anzunehmen. Da das Verbot der Sklavenhaltung auch in der Pragmática vom Januar 1567 enthalten war, widmet Núñez Muley in seinem bereits zitierten Memorial auch der negro-Sklaverei einen ganzen Abschnitt. Er bestreitet vehement, dass subsaharische Sklaven im muslimischen Glauben unterrichtet würden und somit dem katholischen Glauben geschadet würde.78 Identisch mit der mehrheitlichen Meinung der „altchristlichen“ Bevölkerung Kastiliens hielt er die negro-Sklaverei für gerecht.79 Wie den „Altchristen“ sollten auch den moriscos sklavische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.80 Es zeigt sich, dass die Sklaverei in der moriskischen Gemeinschaft Granadas kaum hinterfragte Normalität war. Wie bezüglich der anderen Artikel der Pragmática, war Núñez Muleys Memorial auch beim Thema der Sklaverei nicht erfolgreich und wurde, wie Mármol Carvajal berichtet, von Pedro de Deza mit dem Hinweis, nur das Beste für das Seelenheil der moriscos im Sinn zu haben, zurückgewiesen.81 Das Bemühen der moriskischen Wortführer für den Erhalt der für sie so wichtigen Arbeitskraft war folglich vergeblich. Im Gegenteil, die kirchlichen und administrativen Würdenträger um Espinosa, Guerrero und Deza, die zumindest vordergründig eine Islamisierung der negro-Sklaven befürchteten82, konnten spätestens seit den Cortes von Toledo ein Verbot der Sklavenhaltung durch moriscos erwirken. In der Praxis jedoch setzte sich bis Kriegsbeginn eine interessante Kompromisslösung durch: In aufwendigen Prozessen, unter der Bezugnahme auf „altchristliche“ Zeugen und Leumunde, konnten reiche 78 79 80 81

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acudieron a don Iñigo López de Mendoza […] capitán general del reino de Granada [...] le suplicaron que tomando la mano en aquel negocio.” Ebd. „¿Que perjuyzio a parado a la santa fee católica de tener algunos de los naturales negros o negras por esclauos?” Garrad (1954), S. 221. „¿Pues no de tener perniçión? ¿Todos an de ser yguales?” Ebd. „Los naturales ayan e tengan negros por esclauos que les sirban como los cristianos viejos.” Ebd. Mármol Carvajal zufolge forderte Deza die moriskischen Wortführer auf, sich keine weiteren Mühen in diesem Anliegen zu machen, da ihre Argumente bekannt waren und für falsch befunden wurden: „Que fuere desta orden no gastasen sus haciendas al aire, ni enviasen a la corte sobre ello; porque las razones que daban se habían dado otra veces, y no eran bastantes para que por ellas se revocase le premática.” Mármol Carvajal: Historia II, XI. Bezüglich hintergründiger Motive des Verbotes kann nur spekuliert werden. Wahrscheinlich ist aber, dass die Entziehung des Privilegs der Sklavenhaltung nicht zuletzt auch als Disziplinierungsmaßnahme gedacht war. Auch der gezielte Versuch der Schwächung der moriskischen Wirtschaft liegt nahe.

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­ oriscos ihren christlichen Glauben und die Einhaltung katholischer Praktim ken nachweisen und so eine Lizenz zum Sklavenbesitz erhalten.83 Dementsprechend klagte ein Anwalt zwei Jahre nach den Cortes vor Gericht: Es sei durchaus legitim, dass seine moriskischen Mandanten negro-Sklaven besitzen, da sie „gütige Personen [sind] und das Leben guter Christen führen, das um Sklaven zu besitzen, nötig ist“84. In der Folge war der Anwalt darum bemüht, den redlichen christlichen Lebenswandel und die Akkulturation seiner Mandaten zu beweisen: Sechs Zeugen bekräftigten, dass sie die Sprache der Altchristen sprechen […], fast nicht mehr wissen, wie arabisch gesprochen wird […] und Tische und Stühle und Betten wie die alten Christen [haben] […] und ihre Kleidung und Gebräuche kastilisch [sind].85 Diese Beweise der kulturellen und religiösen Assimilation konnten letztlich dazu führen, dass es der moriskischen Elite nach jeweiliger Einzelfallprüfung trotz allgemeinen Verbotes erlaubt wurde, negro-Sklaven in ihrem Besitz zu haben. Diese in der Praxis durchgeführte Kompromisslösung lässt auf einen interessanten Aspekt der königlichen Sklavereipolitik schließen, der in ähnlicher struktureller Ausprägung auch im Falle der morisco- und indio-Sklaverei immer wieder präsent ist: Auf der einen Seiten finden sich strikt formulierte Verbote, um die Ängste vor einer Islamisierung der negro-Sklaven zu bedienen und politischen Druck auf die moriscos ausüben zu können. Auf der anderen Seite wurde versucht, dem moriskischen Adel und deren „altchristlichen“ Patronen durch die Möglichkeit der gerichtlich überprüften Lizenzvergabe zur Sklavenhaltung entgegenzukommen. Wie insbesondere an obigem Quellenbeispiel verständlich wird, erscheint die Vergabe von Lizenzen auch als Belohnung für kulturelle und religiöse Assimilierung. Die Sklaverei fungierte demnach als politische Verhandlungsmasse zwischen Krone, kirchlichen und administrativen Akteuren und moriskischem Adel. Neben diesen, infolge des Quellenmangels nur kurzen Hinweisen auf die politischen Funktionen der Sklaverei in diesem Bereich, kann als Zwischenfazit vor allem festgehalten werden, dass im Falle der Versklavungen während 83 84 85

Vgl. Martín Casares (1997), S. 222–224. „Fuesen personas en quiyen concurriesen calidad y vida de buenos xristianos para que pudiesen thener los tales esclavos.“ AGS, CJH, L. 43, fol. 305r. „Hablan lenguaje de xptianos viejos […] casi no saben hablar en algarabía […] tienen mesas e syllas e cama como los xptianos viejos […] su traxe e ábito e manera es a la castellana.” Ebd.

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der guerra de Granada nicht in vereinfachten Täter-Opfer-Kategorien gedacht werden sollte. Vielmehr war die Sklaverei eine kaum hinterfragte Normalität, die „Neu-“ und „Altchristen“ miteinander teilten. Ferner belegen die Bemühungen der moriskischen Elite gegen das Verbot der Sklavenhaltung erneut deren Integration in die „altchristlichen“ Patronage- und Klientelnetzwerke. 3

Rebelión, revolución, guerra – Zur Ereignisgeschichte der guerra de Granada

Für die Auseinandersetzungen, die von 1568 bis ins Jahr 1571 im Reino de Granada zwischen einzelnen Gruppen von moriscos und den Repräsentanten der kastilischen Krone stattfanden, finden sich verschiedenste Quellenbegriffe: Mal werden sie als Aufstand (alzamiento) oder Rebellion (rebelión), hin und wieder sogar als Revolution (revolución) und zumeist als Krieg (guerra) bezeichnet. In der deutschsprachigen Literatur hat sich hingegen der etwas missverständliche Terminus „Alpujarra-Aufstand“ durchgesetzt. Zwar begann der Krieg mit lokalen Aufständen in jener unwirtlichen Gebirgsregion im Osten der Stadt Granada, die als „Alpujarras“ bezeichnet werden. Geographisch beschränkte er sich aber mitnichten auf diese Region. Die kriegerischen Auseinandersetzungen umfassten in ihrer Hochphase fast den gesamten Reino de Granada von Málaga bis Almería an der andalusischen Südküste und im Norden von Granada über Guadix und Baza bis in die westlichen Gebiete Murcias. Dass sich der Aufstand nicht auf die übrigen Regionen der kastilischen Königreiche ausweitete, hatte vielschichtige Gründe. Zu diesen gehörte in erster Linie das dortige Fehlen einer führungsstarken moriskischen Elite und einer kollektiven Erinnerung an ein vergangenes muslimisches Reich. Auch die geographische Nähe zu Nordafrika und die andalusischen Gebirge, die sich vorzüglich für einen Guerillakrieg eigneten, spielten eine Rolle.86 Nichtsdestoweniger war ein Aufstand der moriscos zum Beispiel im Königreich Valencia alles andere als undenkbar. Dies spiegelt sich etwa im Bemühen der Krone, sämtliche Nachrichten über die guerra de Granada zu zensieren. Im August 1569 lobte Philipp II. ausdrücklich die Bemühungen des Conde de Benavente, Vizekönig und capitán general von Valencia, Publikationen zum Thema zu verbieten und befahl, Zuwiderhandlung unter Strafe zu stellen.87 86

Vgl. Lynch (1981), S. 218–225; Reglá (1964), S. 141–143; Amelang (2013), S. 14 f.; Kamen (1997b), S. 217. 87 Philipp II. schrieb am 12.8.1569 an den Conde de Benavente: „Esta bien que los moriscos dese reyno esten tan pacificos como screvis. [...] Esta bien las diligencias que dezis se

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In der Uneinigkeit der Zeitgenossen über die Bezeichnung des Konflikts spiegeln sich die neuartigen Herausforderungen, vor die sich die kastilischen Akteure gestellt sahen. So wurde der beginnende Aufstand und die Tötung von Christen auf kastilischem Gebiet von einem Zeitgenossen als „derart neuartige Angelegenheit“ bezeichnet, deren umfassenden Auswirkungen noch nicht abzusehen seien.88 Ein halbes Jahr später gestand der königliche Vertraute und Truppenführer Don Rodrigo de Benavides, dass dieser Krieg sich von denen, die er bereits gesehen habe, gänzlich unterscheide und deshalb eine neue Vorgehensweise nötig wäre.89 Die Gefahr, die von diesem Krieg ausging, war z­ unächst nicht etwa durch die militärische Potenz der moriscos bedingt, sondern durch die kritische außenpolitische Lage, in der sich die kastilische Krone befand: Die Religionskriege in Frankreich sowie die beginnenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit den aufständischen niederländischen Provinzen banden nahezu sämtliche kastilische Truppen.90 Darüber hinaus bedrohten nordafrikanische Korsaren die kastilischen Küsten und der neue ­osmanische Sultan Selim II. initiierte eine Expansionspolitik im Mittelmeer, die sich in ersten Angriffen auf Zypern manifestierte.91 Die starke Inflation sowie die Bankrotterklärungen der Krone von 1557 und 156092 taten ihr Übriges, um einen zunächst lokal begrenzten Aufstand zu einer „Bedrohung der inneren Sicherheit“93 werden zu lassen. Eine Gemengelage aus geschickter moriskischer Guerillataktik in unwegsamen Gebirgsgebieten, europäischen Krisenszenarien, wirtschaftlicher Schieflage zuzüglich inkompetenter Entscheidungsträger auf regionaler Ebene sowie Kompetenzstreitigkeiten in der militärischen und zivilen Führung bedingten, dass sich innerhalb weniger ­hazen para aberiguar los que publican que los moriscos se lebantan, y si se hallase el origen seria bien castigarlo como dezis lo procurais.” AHN, Nobleza, Osuna, C. 419, D. 167. 88 „[Una] cosa tan nueva.“ So Pedro de Acuña y Avellaneda am 16.1.1569 an seinen Bruder Lope. RAH, A-68, fol. 99r-v. 89 „Esta guerra es muy differente de todas las q[ue] se an visto y ansi sea de proceder en ella diferentemente q[ue] en otras.” Don Rodrigo de Benavides am 9.8.1569 an Philipp II. AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 168r. 90 Vgl. Kamen (1997a), S. 129; Reglá (1964), S. 144; Chejne (1983), S. 9. 91 Vgl. Hess (1968), S. 12; Edelmayer (2009), S. 184–188. 92 Vgl. Elliot (1963), S. 182–200. Die verschiedenen „Staatsbankrotte“ des 16. und 17. Jahrhunderts lassen sich auch als taktische Verhandlungsmanöver gegenüber den ­europäischen Kreditgebern interpretieren. So konnte Philipp II. 1557 durch seine Bankrotterklärung kurzfristig fällig werdende Kredite in langfristige Annuitätsanleihen umwandeln. Dennoch hatten die „Staatsbankrotte“ eine desaströse Auswirkung auf die kastilische Militärkapazität. Vgl. Parker (1996), S. 63; Domínguez Ortiz (1971), S. 31. 93 Kamen bezeichnet den Konflikt als „threat to internal security“. Kamen (1997a), S. 129.

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­Monate aus dem Aufstand einiger Straßenräuber (salteadores) in einer Spirale der Gewalt der nach Kamen „most brutal war to be fought on European soil during that century“94 entwickelte. Während zu Anfang etwa 4.000 Aufständische auf Seiten der moriscos kämpften, waren es ein Jahr später bereits 30.000 Personen, zusammengesetzt aus einheimischen moriscos und nordafrikanischen sowie osmanischen Hilfstruppen.95 Am Ende des Krieges stand eine unbekannte Zahl an Toten, 30.000 bis 50.000 versklavte sowie 80.000 deportierte moriscos.96 Im Folgenden soll – ohne zu sehr in die Details zu ­gehen – eine kurze Skizze der Ereignisgeschichte des Krieges erstellt werden, ohne die die darauf folgenden Ausführungen zur morisco-Sklaverei kaum historisch einzuordnen wären. In der Regel wird der Ausbruch des Krieges auf den Heiligen Abend des Jahres 1568 datiert, an dem sich der granadinische Adelige Hernando de Córdoba y de Valór unter dem arabischen Namen Muley Mohamed Abén Humeya zum König über ein muslimisches Reich von Granada krönen ließ.97 Bereits während des gesamten Jahres 1568 finden sich lokale Krisenherde im Reino de Granada. So hatte beispielsweise ein Onkel Abén Humeyas, Mohamet Aben Jauhar, bereits Angriffe gegen „altchristliche“ Stellungen geführt.98 Der Kriegsausbruch kann für die Krone nicht allzu überraschend gewesen sein. Nach der Verkündung der die moriskische Kultur betreffenden Verbote befahl Philipp II. dem für die Verteidigung des Reino zuständigen capitán general, Iñigo López de Mendoza, dritter Marqués de Mondéjar, noch 1567, die Truppen zu verstärken. Durch die moriscos liege hier eine höhere Gefahrenlage vor als in anderen Teilkönigreichen.99 Ein halbes Jahr später erreichte den Marqués eine weitere Real Cédula: Da die monfíes – so wurden bewaffnete Banden von moriscos ­genannt100 – im Vorjahr einen so großen wirtschaftlichen und militärischen Schaden angerichtet hätten, seien umgehend Maßnahmen zu ergreifen. Er solle Soldaten zur Bewachung der Handelswege und des moriskischen ­Viertels 94 95 96

Ebd., S. 131. Vgl. ebd., S. 129; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 39. Vgl. Kaplan (2007), S. 310; Birr (2013), S. 291; Garrido García (2001), S. 108; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 35; Chejne (1983), S. 23. 97 Mármol Carvajal: Historia IV, VII. Vgl. Fernández Álvarez (1998), S. 457; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 35. 98 Ruiz Pérez (1991), S. 304. 99 „Hemos sido informado que en ese d[ic]ho reyno se hazen con mas dificultad q[ue] en otras partes por ser la mayor poblacion de moriscos.“ König Philipp II. an den Marqués de Mondéjar am 7. Dezember 1567. AGS, GA, L. 72, fol. 40r. 100 Zu den sogenannten monfíes respektive dem bandolerismo vgl. Vincent (1987), S. 173–197.

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Granadas, das Albaícin, abstellen. Außerdem verlangte Philipp II., dass kastilische Einheiten in die Gebirgsregionen der Alpujarras eindrängen, um die dortigen monfíes zur Rechenschaft zu ziehen.101 Am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1568 versuchte schließlich der moriskische Truppenführer Farax Aben Farax, die Aufstände direkt in die Stadt Granada zu tragen, was jedoch nach Mármol Carvajal an der Passivität der moriskischen Stadtbevölkerung scheiterte;102 ein weiterer Hinweis auf die Spaltung der moriskischen Bevölkerung in radikale Befürworter eines Konfliktes und moderate moriscos, die eine friedliche Herbeiführung des status quo ante befürworteten. Die Gründe, warum der Krieg gerade Ende 1568 ausbrach, sind vielschichtig. Die repressive Gesetzgebung gegen die moriskische Kultur war mit Sicherheit ein wesentlicher Faktor. Da ihre Verkündung allerdings bereits knappe zwei Jahre zurücklag, reicht diese jedoch nicht aus, um den Kriegsausbruch zu diesem Zeitpunkt zu erklären. Die lokal unterschiedlichen Krisenherde, die sich im Jahr 1568 herausbildeten, verdeutlichen, dass die moriskischen Akteure meist aus verschiedenen Partikularinteressen heraus handelten.103 Die mannigfaltigen Kriegsgründe lassen sich dennoch grob wie folgt zusammenfassen: Die Missernten des Jahres 1567 hinterließen gerade die Gebirgsgegenden der Alpujarras in einer katastrophalen Versorgungslage.104 Hinzu kam die massive ökonomische Benachteiligung der moriskischen Bevölkerung von Seiten der Krone: Seit 1561 wurden die Steuern auf Seide, dem wichtigsten moriskischen Exportgut, sukzessive erhöht.105 Im Jahr 1567 gab es 101 „Marques de Mondejar primo n[uest]ro capp[it]an general del n[uest]ro Reino de Granada y n[uest]ro corr[egidor] o juez de rresidencia de la ciudad de granada sabed q[ue] a causa de los muchos delitos muertes rrobos y daños que el año pasado de mill y quini[ent]os y sesenta y siete y antes y despues an hecho y hazen los moriscos monfies del n[uest]ro rrey[n]o de granada en todas las tierras della de manera q[ue] muchos naturales del d[ic]ho rreino y otros abitantes en el padecian mucho travajo y no andavan con siguridad y rrecrecian otros daños e inconvenientes el n[uest]ro presidente y oidores de la n[uest]ra audiencia y chancelleria q[ue] rreside ene esa ciudad proveyeron y ordenaron que para la guarda de los caminos de ese d[ic]ho rrey[no] se levantase y an duviese cierto numero de gente y se pusiesen ciertas guardas en el Albayzin de essa ciudad [...] y q[ue] se gastaron en acrecentar gente para ir en busca de los monfies.” Real Cédula vom 10.6.1568. AGS, CCA, Memoriales, L. 388, fol. 120 (2)r-v. 102 „No hubo morisco ni christiano que saliese de su casa ni hiciese de abrir puerta ni ventana.“ Mármol Carvajal: Historia IV, IV. Vgl. Fernández Álvarez (1998), S. 457; Sánchez Ramos (2000), S. 516. 103 Ruiz Pérez (1991), S. 293. 104 Vgl. Parker (2002), S. 104. 105 Siehe hierzu vor allem Garrad (1956), S. 73–98; Coleman (2003), S. 178; Sánchez ­Ramos (2000), S. 512; Garrido García (2001), S. 50; Amelang (2013), S. 16.

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gleichzeitig die schlechteste Seidenernte seit 1492.106 Neben die ­Hungersnot und die Krise des ­Seidenhandels traten schließlich noch illegale Konfiskationen, die die Real Chancillería Granadas in etlichen Fällen an moriskischem Grundbesitz ­vornahm und zunehmend den Widerstand der moriscos herausforderten.107 Diese explosive Gemengelage war es, die die Situation in den ersten Januartagen des Jahres 1569 eskalieren ließ. Innerhalb weniger Tage schlossen sich zahlreiche Orte der Alpujarras den Truppen Abén Humeyas an. Auf diese Weise breitete sich der Aufstand wie ein Lauffeuer an der Westflanke der Sierra Nevada bis in die Gebiete Málagas aus.108 Bereits am zweiten Januar trat der Marqués de Mondéjar mit 2.000 Fußsoldaten dem Aufstand entgegen. Die militärische Überlegenheit seiner Truppen schlug sich schon innerhalb weniger Wochen in großen Gebietsgewinnen nieder.109 Nach einigen militärischen Erfolgen begann er zügig Verhandlungen um eine friedliche Lösung des Konflikts. Dies führte dazu, dass bereits Mitte Januar die ersten Aufständischen an der Westflanke der Alpujarras ihre Waffen niederlegten.110 Unterdessen machten sich die bereits erläuterten politischen Fronten zwischen gemäßigtem Hochadel und kompromisslosen letrados auch auf militärischer Ebene bemerkbar: Der Präsident der Audiencia Granadas, Pedro de Deza, der, ebenso wie sein Patron Diego de Espinosa, eine gnadenlose Unterwerfung der moriscos bevorzugte111, rief ohne königliche Erlaubnis den capitán general des westlich angrenzenden Murcias, Luis Fajardo de la Cueva, dritter Marqués de los Vélez, zu Hilfe.112 Da dieser als langjähriger Konkurrent des Marqués de Mondéjar galt, kann angenommen werden, dass auf diese Weise absichtlich dessen Autorität untergraben werden sollte. Parallel zu den ersten Angriffen des Marqués de Mondéjar marschierte der Marqués de los Vélez am 11. Januar – nun auch mit königlicher Lizenz – in die Ostgebiete der Alpujarras 106 Coleman (2003), S. 178. 107 Vgl. ebd., Amelang (2013), S. 16; Garrido García (2001), S. 50; Sánchez Ramos (2000), S. 512. 108 Mármol Carvajal: Historia IV, VIIIf. Vgl. Ruiz Pérez (1991), S. 308 f.; Garrido García (2001), S. 22 f.; Sánchez Ramos (2000), S. 516. 109 Mármol Carvajal: Historia V, I. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 517. 110 Ebd., S. 518 f. 111 So riet Pedro de Deza dem König in einem Schreiben vom 23.1.1569: „Que con toda la brevedad posible el rey sea avisado que lympie a Granada quitando los del Albayçin sino yo duro a Dyos y a esta cruz antes de munchos dias no sea el rey.” Zit. nach: Sánchez Ramos (2000), S. 520. 112 Mármol Carvajal: Historia IV, XXVI und V, IV. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 517; Amelang (2013), S. 18.

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ein, um den Hafen von Almería vor moriskischen Angriffen zu schützen.113 Es wird gemeinhin angenommen, dass die Uneinigkeit der militärischen Führung maßgeblich zur Verlängerung des Aufstandes beigetragen hat.114 Bei Mármol Carvajal heißt es hierzu: [Es sind] zwei Personen von solch unterschiedlichen Absichten, dass während der eine versucht die Rebellen mit Mäßigkeit zu unterwerfen, der andere sie mit Härte und Rauheit verfolgt.115 Die zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen – radikale Kriegsführung auf der einen und gemäßigte, diplomatische Mittel auf der anderen Seite – und die einhergehenden Kompetenzstreitigkeiten verlangsamten die militärische Entscheidungsfindung und störten darüber hinaus die Kommunikation mit dem Hof und seinen Ratsgremien.116 Wie sich noch zeigen wird, spielte diese Konkurrenzsituation auch für die Versklavungen während des Krieges eine folgenschwere Rolle. Darüber hinaus machte die radikale Vorgehensweise und die „gewalttätigen […] Übergriffe“117 des Marqués de los Vélez eine diplomatische Lösung im Sinne Mondéjars unmöglich. Eine ähnliche Vorgehensweise verfolgte Deza in der Stadt Granada: Um sein politisches Ziel, die Deportation aller moriscos aus dem Albaícin, umzusetzen, bediente er sich weitreichender repressiver Maßnahmen: Die Schikanen reichten von der Einquartierung kastilischer Söldner in moriskischen Haushalten118 bis hin zu willkürlichen Festnahmen und der Konfiskation von Häusern und gipfelten in der Ermordung von 110 gefangenen moriscos im Keller der Real Chancillería durch einen Lynchmob.119 Aufgrund dieser kompromisslosen Vorgehensweise Dezas und des Marqués de los Vélez geriet Abén Humeya zunehmend unter den Druck radikalerer moriscos. Die Folge war eine Verschärfung des Kriegsgeschehens, 113 Mármol Carvajal: Historia V, XIII. 114 Vgl. Fernández Álvarez (1998), S. 461; Harvey (2005), S. 218 f. 115 „Dos personas de voluntad tan contrarios, que cuando con equidad uno intercediese por los rebeldes, procurando medios para reducirlos, otro con rigor y aspereza los persiguiese.” Mármol Carvajal: Historia V, XIII. 116 Hierzu einmal mehr Mármol Carvajal: „Era que las relaciones iban a su majestad y a los de su real consejo tan diferentes, que causaban confusión en las resoluciones que se habían de tomar.” Mármol Carvajal: Historia V, V. 117 „Abusos [...] incontroladas.“ Sánchez Ramos (2000), S. 520. 118 „Este alojamiento [...] era la cosa que más temían los moriscos, y las más grave opresión que se les podía hacer.” Mármol Carvajal: Historia V, VIII. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 520; Ruíz Pérez (1991), S. 302; Garrido García (2000), S. 51. 119 Sánchez Ramos (2000), S. 520.

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die Sánchez Ramos, nachdem die Revolte nach den ersten Januarwochen schon vor dem Aus stand, als „zweite[n] Aufstand“120 bezeichnet. Es kam zur teilweise gewaltsamen Aufwiegelung friedlicher moriskischer Dörfer121 sowie zu einer ersten Ausweitung des Krieges, indem moriskische Einheiten unter den Befehl erfahrener osmanischer und nordafrikanischer Anführer gestellt wurden.122 Parallel intrigierte das Lager um Espinosa am Hof gegen den ungeliebten Marqués de Mondéjar, dem sie vorwarfen, mit dem moriskischen Feind zu paktieren. In einem umfangreichen Brief an den Erzbischof Pedro Guerrero sah sich Mondéjar genötigt, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen: Er sei beschuldigt worden, seine militärischen Erfolge nicht zur endgültigen Unterwerfung der moriscos ausgenutzt zu haben und Gefangene nur nachlässig bestraft zu haben.123 Darüber hinaus seien Gerüchte verbreitet worden, dass er mit dem Feind konspiriere und von diesem Bestechungsgelder erhalten habe.124 Die Verantwortung für die bedenkliche militärische Lage wies er entschieden zurück: Grund für die noch immer andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen sei vielmehr die Beschaffenheit des Geländes, die einen Einsatz der Kavallerie unmöglich mache.125 Ferner beklagt er den Mangel an Waffen, Munition und ausgebildeten Soldaten sowie die kurze Vorbereitungszeit.126 120 „Segundo alzamiento.“ Ebd. 121 Ruíz Pérez (1991), S. 315; Cabrillana (1975), S. 57. 122 Mármol Carvajal: Historia V, XXVII. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 419. 123 „La una que no e hecho en esta enpresa los efectos que pudiera contra estos enemigos ni usado de las vitorias q[ue] N. S. me a dado contra ellos como deviera para deshazellos [...] ni castigado los q[ue] an venido a mis manos con el rrigor que requeria tan graves y atroces delitos como an cometido y los sacrilegios incendios e insolencias y desacatos q[ue] contra los sacramentos e yglesias an hecho.” RAH, N-25, fol. 19r-v. 124 „La otra q[ue] e tratado y asentado con ellos treguas y pazes concediendo les condiciones que no devieran concederseles y que e negociado y hecho grande instancia a su mag[estad] que los perdone y procurado con mucho calor que sus delitos queden sin punicion ni castigo por tenerme sobornado con gruesa cantidad de dinero para ello.” Ebd. 125 „La dispusicion de la tierra donde se apeleado con ellos por ser tan aspera [...] q[ue] no a podido seguir los alcances la cavalleria ni alcancar la infanteria.” Ebd. 126 „Para [...] pacificar la tierra hallara que faltava todo necesario para este efecto porque gente no la avia [...] armas no las avia ni [...] ni polvora ni municiones no pertrechos ni otra cosa alguna de las son necesarias pa[ra] un exercito. [...] Quien conderarse el tiempo hallara q[ue] siendo necesario par[a] hazer formar un excercito muchos dias y meses se hizo y formo de nueva para la dicha enpresa en diez dias desde q[ue] se contraron desde XXV. de diziembre q[ue] se enpeco la rrebelion y levantami[ento] hasta los tres de enero q[ue] parti de Gra[na]da co[n] el dicho exercito.” Ebd.

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Auch die Anschuldigung der Bestechung verneinte er127: Wie die Katholischen ­Könige 1492 habe er lediglich einen Verhandlungs- statt einen Siegfrieden angestrebt128, um die Bewohner des Reiches vor zu großem Schaden zu bewahren. Dabei seien die Schuldigen sehr wohl im üblichen Rahmen bestraft w ­ orden – Hinrichtungen, Versklavungen und Güterkonfiskationen eingeschlossen.129 Zusammengefasst waren es also, neben der schlechten Versorgungslage der kastilischen Truppen und der Guerillataktik der moriscos, die langsame, durch die Konkurrenzsituation bedingte Entscheidungsfindung sowie die kompromisslose Vorgehensweise Dezas und des Marqués de los Vélez, die einen eigentlich aussichtslosen Aufstand in eine bedrohliche Kriegssituation verwandelten. Um die Kompetenzstreitigkeiten zu beenden, übergab Philipp II. Anfang April 1569 den Oberbefehl an seinen Halbbruder Don Juan de Austria.130 Dessen Ankunft in Granada am 12. April kündigte eine Mittelphase des Krieges an, in der trotz intensiver Kampagnen keine Seite entscheidende Vorteile erringen konnte. Als erste Amtshandlung stellte er einen Rat zusammen, der über die weitere Vorgehensweise diskutieren sollte, um so die bisher konkurrierenden kastilischen Kräfte zu bündeln. Am 24. April begann dieser – bestehend aus Don Juan, seinem mayor domus Luis Quijada, Luis de Requesens, Pedro de Deza, dem Marqués de Mondéjar, Pedro Guerrero sowie dem Duque de ­Sessa  – mit den Gesprächen.131 Wie schon zuvor standen die Vorschläge Dezas in direkter Opposition zu den Empfehlungen Mondéjars. Letzterer bemühte sich, Don Juan von einer diplomatischen Lösung zu überzeugen. Am wichtigsten schien ihm hierbei, die eigenen Soldaten zu disziplinieren, um 127 „Digo que es gran [...] falsedad y que su m. es testigo y los de su consejo de estado y guerra [...] y que no soy honbre q[ue] con todo el intrese del mundo avian de corronper.” Ebd. 128 „Los señores Reyes catholicos con todo su poder y auctoridad y con las vitorias que n[uest]ro S. les aviado en este rreyno [...] por puera consejo tomar por partido y capitulacion estas alpuxarras entendiendo la dificultad q[ue] avia en allanarlas y conquistarlas por armas.” Ebd. 129 „Quien considerarse el daño q[ue] se les a hecho [...] tomadoles sus mugeres y hijos y bagajes y otros bienes y pasado a cuchillo sin perdonar ninguno todos los que se an cativado.” Ebd. 130 „Presidente e oydores de la nuestra audiencia e chancelleria que rreside en la ciudad de granada. Vista la rrebelion y lebantamiento de los moros de las alpuxarras dese rreino de granda e vemos mandado hazer gente que vayan a los rreduzir a nuerstra corona rreal y para las provisiones mantenimientos y cosas que son necesarias para la d[ic]ha guerra hemos ordenado al Illuss[trissi]mo don Juan de austria n[uest]ro hermano y capitan general de los exercitos.” AGS, CCA, DIV, L. 44, fol. 39r. 131 Mármol Carvajal: Historia VI, VII. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 522.

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i­llegale ­Plünderungen zu verhindern und auf diese Weise den Krieg langsam zu beenden und Unschuldige zu verschonen.132 Deza hingegen schlug vor, in der Ortschaft Albuñuelas ein Exempel zu statuieren und die Aufständischen so hart wie möglich zu bestrafen.133 Da sich der Rat weitgehend aus dem Klientel Espinosas zusammensetzte, folgte Don Juan letztlich den Vorschlägen Pedro de Dezas.134 In der Folge kam es zu neuen Truppenaushebungen und zu einer beidseitigen Intensivierung des Krieges. Exemplarische Bestrafungen, Hinrichtungen, Plünderungen und Versklavungen häuften sich.135 Schnelle militärische Erfolge blieben dennoch aus, was erneut auf die miserable Versorgungslage der kastilischen Truppen zurückgeführt werden kann.136 Einen richtungsweisenden Vorteil brachte schließlich die Ankunft von 25 Galeeren mit 2.600 Soldaten aus Neapel. Unter Luis de Requesens konnte mit deren Unterstützung am 11. Juni in Frigiliana ein entscheidender Sieg errungen werden, der die Westflanke sicherte.137 Auf der Ostseite kam es aber auch zu neuen Vorstößen moriskischer Einheiten. Diese waren vor allem darum bemüht, einen Korridor von den Hochlagen der Alpujarras bis nach Almería freizukämpfen, um den Hafen unter ihre Kontrolle zu bringen. Trotz einiger Siege gelang ihnen die Einnahme Almerías nicht. Da der militärische Druck auf die moriscos in der Folge noch einmal anstieg, begab sich der moriskische Adelige Hernando el Havaqui persönlich nach Algier, um mit Pascha Uludsch Ali über weitere Unterstützung zu verhandeln.138 Die letztlich erfolgreichen Verhandlungen 132 Ebd. 133 Mármol Carvajal: Historia VI, VIII. 134 Sánchez Ramos (2000), S. 521 f. 135 „Hacían los moros tantos daños […] captivando, matando y robando los cristianos […] tomando don Juan de Austria el parecer del presidente don Pedro de Deza, determinó que se hiciese castigo ejemplar. [...] Se mandó a don Antonio de Luna [...] fuese a hacer efeto del castigo.” Mármol Carvajal: Historia VII, XXI. 136 Im Sommer 1569 häuften sich die Schreiben an den Hof, in denen der Mangel an Waffen, Munition und Nahrung beklagt wurde. So etwa Luis Quijada am 22.6. an Philipp II.: „De armas arcabuzes no ay.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2151, fol. 81r, ebenso fol. 82r-v. Auch Luis de Requesens beschwerte sich häufig. Siehe: Ebd., L. 2152, fol. 89r-v, fol. 105r-v. 137 Mármol Carvajal: Historia VI, XXIII. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 523. 138 Mármol Carvajal berichtet hier – freilich mit tendenziösen Absichten – dass es sich bei den 400 Kämpfern, die el Havaqui angeworben hatte, um Verbrecher handelte, die als Gegenleistung für den Kriegsdienst begnadigt wurden: „Todos los delincuentes que andaban huidos por delitos y quisieren ir a España en favor de los moros andaluces, fuesen perdonados. Destas gentes recogió Hernado de Habaquí cuatrocientos escopeteros debajo la conduta de un turco sedicioso y malo llamado Hoscein.” Mármol Carvajal: Historia VII, IV. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 525 f.; Hess (1968), S. 15 f.

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machten sich bereits im August in verstärkten Gegenangriffen der moriscos bemerkbar, die ein weitgehendes Gleichgewicht der militärischen Kräfte herstellten. Die Tatsache, dass sich keiner der Kontrahenten endgültig durchsetzen konnte, hatte in beiden Lagern personelle Konsequenzen: Auf der einen Seite wurde der Marqués de Mondéjar an den Hof gerufen, was zur Folge hatte, dass die Mendoza-Familie ihre Macht in Granada nach knapp achtzig Jahren endgültig verlor.139 Noch schlechter erging es auf der anderen Seite Aben Humeya, der Opfer eines Attentats radikaler moriscos wurde. Am 10. Oktober übernahm dessen Nachfolger Aben Abóo unter osmanischer Kontrolle die Führung der moriskischen Truppen.140 Im Januar 1570 gelang es Uludsch Ali, Tunis einzunehmen.141 Darüber hinaus verstärkte sich die Bedrohungslage durch die osmanische Flotte, die nach durchschlagenden Erfolgen auf Zypern vor einer Eroberung der Insel stand.142 Die Ernsthaftigkeit der Situation um den Jahreswechsel zeigt sich auch daran, dass Philipp II. die Cortes Kastiliens erstmals seit 1561 außerhalb Madrids zusammenrief: Am 24. Februar 1570 versammelten sich die Cortes um Philipp II. in Córdoba, nicht zuletzt, um den König vor Ort in die Entscheidungsfindung zur raschen Beendigung des Krieges einzubinden.143 Die wachsende Gefahr im Mittelmeerraum zwang Don Juan, die Kriegsführung weiter zu intensivieren. Mit der Eroberung der Stadt Galera und der darauf folgenden grausamsten Bestrafungsaktion des Kriegs, gelang ihm schließlich ein Sieg, der gemeinhin als Wendepunkt im Kriegsgeschehen verstanden wird.144 Die demoralisierten morisco-Verbände konnten bis April des Jahres weitgehend zurückgedrängt werden.145 Parallel hierzu begann man mit Friedensverhandlungen. Zunächst 139 Mármol Carvajal: Historia VII, VI. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 527. 140 Mármol Carvajal: Historia VII, XII. Vgl. Fernández Álvarez (1998), S. 461; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 36 f.; Harvey (2005), S. 223. 141 Vgl. Hess (1968), S. 16. 142 Ebd. 143 Philipp II. schrieb zum Beispiel dem comendador de hornos des Alcantara-Ordens am 23.12.1569: „He acordado de yr en persona en mes de henero primero q[ue] venia a la cibdad de cordova para desde alli ordenar y proveer lo que conviniere y estar mas cerca y aproposito para hacerlo q[ue] fuere nescesario.” RAH, A-50, fol. 5r-v. Zu den Cortes siehe ferner: Actas de las Cortes de Castilla (1863). 144 Mármol Carvajal: Historia VIII, V. Vgl. Kamen (1997a), S. 130; Domínguez Ortiz/ Vincent (1984), S. 36; Harvey (2005), S. 224. 145 Nach Braudel war der Aufstand zu diesem Zeitpunkt bereits „von innen verfault“. Braudel II (1998), S. 596. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 530 f.; Domínguez Ortiz/­ Vincent (1984), S. 36.

Die politische Konzeptualisierung der morisco-Sklaverei

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stimmten die moderaten morisco-Führer um Hernando el Havaqui und Alonso de Granada-Venegas zu, die Waffen niederzulegen.146 Am 22. April ­akzeptierte auch Aben Abóo die Verhandlungen.147 Im Detail werde ich auf die Friedensverhandlungen und die Auswirkungen der Sklaverei auf diese im vierten Teilkapitel eingehen. Am 1. Mai konnte Don Juan schließlich die lang ersehnte Siegesbotschaft nach Madrid senden.148 Nachdem der Konflikt im Sommer 1570 noch einmal aufflammte, dauerte es jedoch noch Monate bis die kaum zugänglichen Gebiete des Reino de Granada gänzlich befriedet waren. Erst nachdem am 13. März 1571 auch Aben Abóo einem Attentat zum Opfer fiel, liefen die letzten Aufstände allmählich aus.149 Allerdings kam es noch mindestens bis in das Jahr 1572 zu Nachwehen des Krieges, die sich in marodierenden Truppenteilen, Plünderungen und Versklavungen niederschlugen.150 Im Hinblick auf die Sklaverei und die Folgekapitel müssen als Zwischenfazit folgende Punkte festgehalten werden: Erstens die relativ lange Dauer des Krieges sowie die exzeptionelle Kompromisslosigkeit der Kriegsführung auf beiden Seiten. Zweitens die völlig neue Situation, vor die sich die kastilischen Akteure gestellt sahen und die innerhalb der militärischen Führung in vielen Fällen zu Ratlosigkeit führte. Drittens die Fraktionsbildung zwischen moderaten Kräften um den Marqués de Mondéjar und den Befürwortern einer radikalen Vorgehensweise um Espinosa, Deza und den Marqués de los Vélez. Viertens die kritische außenpolitische Lage, die sich in zweifacher Hinsicht auf Kriegsführung und Sklaverei niederschlug: Zum einen war die kastilische Krone hierdurch finanziell erheblich geschwächt. Die regulären Streitkräfte befanden sich zudem in Flandern, was dazu führte, dass die kastilischen Truppen in Granada kaum ausgebildet, undiszipliniert, schlecht versorgt und nicht regulär besoldet waren. Zum anderen verlangte die äußere Krisenlage eine schnelle Beendigung des inneren Konfliktes. Dieser Zeitdruck bedingte letztlich auch eine Radikalisierung des Kriegsgeschehens.

146 Mármol Carvajal: Historia VIII, XIV. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 533. 147 Ebd. 148 Ebd., Kamen (1997a), S. 130. 149 Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 539; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 35; Harvey (2005), S. 243.

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Die Versklavung der moriscos

Die politische Konzeptualisierung der morisco-Sklaverei

Versklavungen im großen Stil waren während des Krieges an der Tagesordnung. Bereits Anfang Januar 1569, also unmittelbar nach dem ersten militärischen Eingreifen unter der Führung des Marqués de Mondéjar, beschreibt der Zeitzeuge und Chronist Hurtado de Mendoza die ersten Versklavungen: Die Mauren […] hatten sich entschieden, ihre Reichtümer, ihre Frauen, ihre Kinder und ihren Proviant zurückzulassen: Alles wurde zur Plünderung freigegeben; die Soldaten erbeuteten eine große Menge an Gold, Kleidung und Sklaven.151 Ähnliche Berichte über Chaos, Plünderungen und Versklavungen finden sich auch bei Mármol Carvajal schon für die ersten Kriegstage.152 Am 15. Januar sei eine der größten Plünderungen des Krieges zu verzeichnen gewesen: Unter dem Befehlshaber Pedro Arias de Ávila wurden in der Markgrafschaft Cenete 2000 moriscos versklavt.153 Parallel dazu finden sich für den 20. Januar die ersten Verkaufsurkunden in granadinischen Archiven.154 Die Selbstverständlichkeit, mit der von Beginn an moriskische Überlebende versklavt wurden, erklärt sich dadurch, dass diese Vorgehensweise – wie im zweiten Kapitel ­ausgeführt  – bereits seit Jahrhunderten als Kriegsgewohnheit (costumbre de guerra) betrachtet wurde. Schätzungen über die Gesamtanzahl der versklavten moriscos unterscheiden sich erheblich. Während Martín Casares von rund 10.000 versklavten ­Personen ausgeht155, sprechen die meisten anderen von 25.000 bis 30.000 Sklaven156 und Kaplan kommt sogar auf eine Anzahl von 50.000.157 Diese Zahlen 150 Mármol Carvajal: Historia IX, III; IX, VI f.; X, V f. Vgl. Sánchez Ramos (2000), S. 540. 151 „Los moros […] habían por depósito de sus riquezas, de sus mujeres, hijos, y vituallas: todo se dio a saco; los soldados ganaron cantidad de oro, ropa, esclavos.” Hurtado de Mendoza: Guerra I, S. 132. 152 „Se comenzaron a desmandar en cuadrillas por los lugares del Boloduí y del condado de Marchena, y cargados de ropa, yendo bien proveídos de esclavas y de bagajes, se volvían a sus casas.” Mármol Carvajal: Historia V, XIII. 153 „Más de cuatrocientos hombres muertos y dos mil almas captivas entre mujeres y niños, y mil bagajes cargados de ropa. Esta fue una de las mejores presas que se hicieron en esta guerra.” Ebd. V, XIV. 154 Martín Casares (2000a), S. 173. 155 Ebd. (2013), S. 160. 156 Garrido García (2001), S. 108; Birr (2013), S. 291; Fernández Chaves/Pérez García (2009), S. 90. 157 Kaplan (2007), S. 310.

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schlugen sich eindrücklich in der Einwohnerentwicklung der Stadt Granada nieder: Ein Zensus aus dem Jahre 1561 gab die Einwohnerzahl der Stadt mit 54.000 an, wobei hiervon 1.500 Sklaven waren. Im Jahr 1574 indessen war die Einwohnerzahl durch Krieg und Deportationen auf nun mehr 35.000 gesunken; die Anzahl der Sklaven war jedoch auf rund 6.000 angestiegen.158 Die massenhaften Versklavungen beeinflussten auch den iberischen Sklavenmarkt erheblich: Granada wurde für die Zeit des Krieges zur zentralen Sklavenlieferzone der Iberischen Halbinsel. Für das nahe gelegene Sevilla brachte die guerra de Granada einen Anstieg der Sklaverei um vierzig Prozent mit sich.159 Auch für die Städte Málaga, Córdoba und Valladolid ist ein stark erhöhter Umsatz mit morisco-Sklaven belegt.160 In Valencia sah sich der Rat sogar genötigt, den ansässigen moriscos den Kauf von Sklaven aus Granada zu verbieten, da sie im großen Stil morisco-Sklaven aufkauften, um diese anschließend freizulassen.161 Dieses Überangebot auf dem Iberischen Sklavenmarkt führte schnell zu einem Preisverfall und einem Einbruch des Sklavenhandels mit negro-Sklaven. Die Preisrevolution in den Folgejahren führte sogar soweit, dass sich selbst untere Gesellschaftsschichten Sklaven leisten konnten.162 Aufgrund der zahlreichen Erwähnungen von Sklaverei in den Chroniken Mármol Carvajals und Hurtado de Mendozas finden sich auch in den meisten Arbeiten zu moriscos oder der guerra de Granada Anmerkungen zur Sklaverei. Mit wenigen Ausnahmen wurden die Versklavungen jedoch als unvermeidliche Randerscheinung des Krieges betrachtet. Basierend auf besagten Chroniken wird die Problematik so auf marodierende Söldnerhorden reduziert. Die Krone und ihre obersten regionalen Vertreter seien so durch eigenmächtig handelnde Soldaten vor vollendete Tatsachen gestellt worden.163 Nach Aranda Doncel etwa habe Philipp das „Diktat“164 des Militärs akzeptieren müssen. Wie ich zeigen werde, waren jedoch alle politischen und militärischen Ebenen an der Sklaverei interessiert. Von soldatischen Marodeuren über Truppenführer sowie zivile und kirchliche Amts- und Würdenträger bis hin zu Philipp II. waren alle beteiligten Akteure von ihr betroffen. Sie bot nicht nur für die ­untersten militärischen Einheiten vor Ort entscheidende Vor- und Nachteile. Die Krone 158 Martín Casares (2000a), S. 11. 159 Es wurden in dieser Zeit in Sevilla Sklaven im Wert von circa 13,3 Millionen maravedíes verkauft. Fernández Chaves/Pérez García (2009), S. 88. 160 Pereiro (1986), S. 325; Aranda Doncel (1981), S. 152; Fernández Martín (1988), S. 168 f. 161 Graullera Sanz (1978), S. 164. 162 Martín Casares (2000a), S. 219; Cabrillana (1975), S. 108. 163 Aranda Doncel (1984), S. 127; Benítez Sánchez-Blanco (2010), S. 42; Fernández Chaves/Pérez García (2009), S. 120. 164 Aranda Doncel (1984), S. 127.

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und ihre regionalen Repräsentanten versuchten stets, die Sklaverei im Rahmen ihrer Möglichkeiten als politisches Kontrollmittel zu nutzen. Insbesondere für Philipp II. und den Kastilienrat bedeutete dies eine Gratwanderung zwischen militärischen und ökonomischen Notwendigkeiten und den spezifischen Risiken der Sklaverei. Im Folgenden sollen anhand vier wichtiger Aspekte die Funktionen beschrieben werden, die die Sklaverei für die beteiligten Akteure bereithielt. Es soll im Detail darum gehen, wie die Sklaverei als politische Verhandlungsmasse zwischen Krone, Militärführung und Soldaten verwendet wurde und welche Vor- und Nachteile sie bot. In einem ersten Punkt werden die Debatten um die Gerechtigkeit der Versklavungen zentral sein, die in den ersten Kriegsmonaten geführt wurden. Es wird um die Frage gehen, wie sich die Krone der Sklaverei als Herrschaftsinstrument bediente und wie sie ihre Rolle als Vermittlungsinstanz zwischen den divergierenden Interessen wahrnahm. In einem zweiten Punkt werde ich die Vor- und Nachteile und die Praktiken der Versklavungen im Kriegsgeschehen beleuchten. Drittens wird – eng verbunden mit Punkt zwei – der Fokus auf die Verfahren der Beuteökonomie und Verteilungspraxis gerückt, die mit den Versklavungen einhergingen. Viertens soll die Rolle beleuchtet werden, die die Sklaverei in den Friedensverhandlungen ab dem Frühjahr 1570 einnahm. Abschließend wird in einem Ausblick nach der Rezeption der Versklavungen durch die „Schule von Salamanca“ in den letzten zwei Dekaden des 16. Jahrhunderts gefragt. Gerechte Versklavung: Morisco-Sklaverei zwischen Zweifel und Legitimation Trotz der Selbstverständlichkeit, mit der moriscos schon in den ersten Kriegswochen von kastilischen Soldaten versklavt wurden, lassen sich auch allgemeine Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme feststellen. Auf theologisch-juristischer, ökonomischer, militärischer und politischer Ebene gab es Stimmen, die einer Versklavung der moriscos kritisch oder zumindest unschlüssig gegenüber standen. In diesem Kapitel soll zunächst die theologisch-juristische Debatte, die sich in den ersten Monaten des Krieges über die morisco-Sklaverei entfaltete, im Zentrum stehen. Dabei möchte ich die ideengeschichtliche Dimension mit der Frage verknüpfen, wie die Krone ­theologisch-juristische Überlegungen in eine politische Konzeptualisierung der morisco-Sklaverei integrierte. Dass die Rechtmäßigkeit der Versklavungen der moriskischen Feinde erheblichen Zweifeln ausgesetzt war, zeigt sich zunächst eindrucksvoll an verschiedenen Kaufverträgen jener Zeit, an die Klauseln angehängt waren, die eine Rückerstattung des Kaufpreises garantierten, falls der König oder der Papst die Versklavungen nachträglich für illegal erklären sollte: 4.1

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Im Fall, dass Seine Majestät der König unser Herr oder der Papst nicht gestatten, dass sie eine Sklavin sei, ist er [der Verkäufer, Anm. d. V.] ­verpflichtet, ihm [dem Käufer, Anm. d. V.] die maravedíes, die er einnahm, zurückzuerstatten.165 Dieselbe rechtliche Unsicherheit wird auch daran sichtbar, dass Soldaten ihre moriskischen Gefangenen mitunter – anstelle eines sofortigen Verkaufes – zur Aufbewahrung in „altchristliche“ Haushalte gaben, um die rechtliche Klärung durch die Krone abzuwarten.166 Wie aus einem bekannten Schreiben des ­Königs vom 21. Januar 1569 hervorgeht, war sich auch Philipp II. selbst über den Umgang mit den moriskischen Aufständischen nicht sicher. Im Mittelpunkt des Briefes, der an den Marqués de Mondéjar, den Erzbischof Pedro Guerrero und die Audiencia von Granada adressiert war, stand die Frage, wie die Aufständischen zu bestrafen seien. Das Grundproblem war laut Philipp II. die große Menge an Aufständischen: „Ihre Anzahl ist zu groß und die ­Unterschiede in ihrer Schuld zu erheblich, als dass sie alle mit der Todesstrafe belegt werden könnten.“167 Neben den etwaigen Alternativen für die unrentable ­Todesstrafe stellte er auch die Frage, wie mit den Frauen und Kindern der ­Rebellen umzugehen sei. Diese seien zwar in geringerem Maße schuldig, ihre passive ­Unterstützung der Aufständischen müsse jedoch auf irgendeine Weise bestraft werden.168 Die schon in den Siete Partidas als „alternativa a la muerte“169 ­angeführte Strafsklaverei erschien ihm jedoch zunächst nicht gerechtfertigt: Wir haben vernommen, dass die Soldaten vorgeben, dass die Morisken, die sie in jenem [Krieg] gefangen haben, ihre Sklaven seien und sie über diese verfügen könnten, wie es üblich sei; dieses Handeln erscheint mir keine gerechte Sache zu sein und entbehrt jeder Grundlage.170

165 „En caso que Su Majestas el Rey Nuestro Señor o el Sumo Pontífice no consintieren que sea esclava se obligada devolverle los maravedís que hubiere cobrado.” Zit. nach: Cabrillana (1978), Nr. 419. 166 Martín Casares (2000a), S. 175. 167 „El numero es mucho y aber diferencia de culpa ni puede ni debe ser el castigo de sangre en todos.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 265r. 168 „Y lo que se debe tambien hazer de las mugeres y nynios y delos que no se han hallado en la resistencia con armas aunque son culpados en otra man[era].” Ebd. 169 Vgl. Kap. 2.1.1. 170 „Tenemos e[n]tendido que la gente de guerra pretende que los moriscos q[ue] e[n] ella han tomado son sus esclabos y pueden disponer dellos como de tales, la qual obra no pareçe cosa justa ni que tenga fundamen[to].” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 265r.

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Da der Monarch keinen Grund angibt, weshalb er die Sklaverei für nicht gerechtfertigt hält, kann darüber nur spekuliert werden. Auf t­ heologisch-juristischer Ebene liegen folgende zwei Gründe nahe: Erstens, dass es sich bei den moriscos um kastilische Untertanen handelte. Wie im zweiten Kapitel dargelegt, war es spätestens seit Innozenz IV. umstritten, ob gegen eigene Untertanen überhaupt ein „gerechter Krieg“ geführt werden kann.171 Zweitens handelte es sich bei den moriscos – wenn sie auch stets dem Verdacht ausgesetzt waren, „Kryptomuslime“ zu sein – ganz offensichtlich um getaufte Christen, die prinzipiell das privilegium christianorum genossen und somit nicht versklavt werden durften.172 Es war diese unklare Rechtslage, die Philipp II. in den ersten Wochen an der Rechtmäßigkeit der Versklavungen erheblich zweifeln ließ. Diese anfängliche Skepsis führte gleichzeitig zu der oben angesprochene These, der König habe die Versklavungen der moriscos grundsätzlich kritisch betrachtet und sei ­lediglich durch ungehorsame, marodierende Soldaten vor vollendete Tatsachen g­ estellt worden.173 Es muss jedoch an dieser Stelle betont werden, dass aus dem Schreiben des Königs mitnichten eine Ächtung der morisco-­Sklaverei herauszulesen ist. Anlässlich der zweifelhaften theologisch-juristischen Lage bat er lediglich die Adressaten seines Briefes, möglichst schnell ihre Meinung über die Versklavungen kundzutun und ihn über die Art und Weise einer angemessenen Bestrafung der Aufständischen zu beraten.174 Das Schreiben Philipps II. löste in der Folge eine umfassende Debatte über die Versklavung der moriscos aus, die laut Mármol Carvajal bis weit ins 17. Jahrhundert andauerte.175 Überliefert ist aus den ersten Wochen zunächst ein Schreiben des Marqués de los Vélez. Aus militärtaktischen Gründen – wie sie vor allem im nächsten Kapitel eine Rolle spielen werden – befürwortete er die Versklavungen. Seine Soldaten aus dem Königreich Murcia seien ohne Sold und durch die bloße Aussicht auf Beute – hauptsächlich in Form von S­ klaven – in den Krieg gezogen. Ein Verbot der Sklaverei würde seiner Meinung nach zur Desertion seiner und anderer Soldaten führen.176 Dies war ein starkes 171 Siehe: Kap. 2.3.1. 172 Hierauf verweist auch Mármol Carvajal: „Porque aunque por la ley general se permitía que los enemigos presos en guerra fuesen esclavos, no se debía entender ansí entre cristianos.” Mármol Carvajal: Historia V, XXXIII. 173 Siehe: S. 108. 174 „Os cargamos que nos la embieye [...] con la brevedad que el caso requiere para que es mejor nos podemos resolver.“ AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 265r. 175 Vgl. Kap. 4.4.5. 176 „V. mag[estad] me manda dezir que se tomara resolucion sobre si an de quedar los cativos desta tierra por esclavos o no. Sobre que escrivi al secretario Juan Vazquez de Salazar y que me mandare V. mag[estad] avisar dello. [...] Tiene duda porque si haz resolucion

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­Argument, stellte Fahnenflucht doch eines der Hauptprobleme der frühneuzeitlichen Kriegsführung dar.177 Auf einer anderen Argumentationsebene befindet sich eine umfangreiche scholastische Abhandlung des Domkapitels von Granada zur Thematik der morisco-Sklaverei, die als Antwort auf das königliche Schreiben zu verstehen ist. Unter dem Titel „Abhandlung, ob die moriscos und moriscas und ihre Kinder für die Rebellion gegen das Evangelium und ihren König versklavt werden dürfen, obwohl sie getauft sind“178 werden die zentralen Legitimationsfiguren bezüglich der morisco-Sklaverei abgehandelt. Der Titel selbst gibt schon den entscheidenden Hinweis, weshalb eine solche Beweisführung überhaupt notwendig war: Dürfen die aufständischen moriscos versklavt werden, obwohl sie getauft waren? Die Abhandlung beginnt mit den juristischen Grundlagen der Sklaverei: Mit dem Verweis auf nicht näher genannte Kanoniker und Theologen wird festgestellt, dass die Sklaverei eigentlich Gegenstand des ius gentium sei.179 Auf der anderen Seite gebe es Stimmen, wie auch die Siete Partidas, die die Sklaverei als das Recht der Kaiser begreifen. Die Lösung liege, so die granadinischen Kleriker, in der Mitte: Ihren Anfang nahm sie [die Sklaverei, Anm. d. V.] im ius gentium, aber ihre genauen Bestimmungen und Einschränkungen und welche Personen versklavt werden dürfen, obliegt den Bestimmungen des positiven Rechtes.180 Während demzufolge die Sklaverei generell eine Institution des ius gentium sei, stünde es dem jeweiligen Herrscher – also in diesem Fall dem König – zu,

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fuese no dallos por esclavos yo certifico a V. mag[estad] que no ay para que pensar hazer guerra con gente del Reyno de murcia. Aora nia delante mientras les durare la memorial dello porque por sola cudicia de las d[ic]has cativas entiende que an venido a esta guerra sin sueldo.” AGS, GA, L. 73, fol. 119r. Wie Geoffrey Parker ausführt, war die Desertionsrate der kastilischen Armee enorm. Im Frühjahr 1576 schrumpfte so die Armee in Flandern in wenigen Monaten von 60.000 Soldaten auf nur noch 11.000. Auch für die in der kastilischen Extremadura stationierten Truppen berichtet er von Desertionsraten von bis zu neunzig Prozent. Vgl. Parker (1996), S. 57 f. „Pregúntase si pueden ser captivos los moriscos y moriscas y sus hijos aunque ayan sido baptizados por averse rebelado contra evangelio y contra su rey.” Archivo de la Catedral de Granada, Libro de asuntos varios, no. 3, fols. 520r-v, abgedruckt bei: Martín Casares (2000a), App., S. 471–475. „La servitumbre y captiverio sea de jure gentium, como afirma canonistas y theólogos.” Ebd., S. 471. „Comienzo le tenga en el ius gentium, pero su determinaçión y limitaçión y quienes y quales an de ser los captivos, a la disposiçión del derecho positivo pertençe.” Ebd.

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die genauere Definition selbst zu bestimmen. Aus diesem Grund sei es absolut gerecht, wenn der König die moriscos versklaven ließ: Ohne Skrupel dürfen die Könige in ihren Königreichen Gesetze erlassen, die bestimmen, dass diese aufständischen Morisken, obwohl sie bis jetzt für Christen gehalten wurden, versklavt und als Sklaven verkauft werden.181 Im Anschluss werden die genauen Gründe, die die Versklavungen rechtfertigen, in scholastischer Manier vorgetragen. Als erster Grund wird das 3. Laterankonzil von 1179 genannt, laut dem christliche Unterstützer muslimischer Kämpfer mit der Sklaverei zu bestrafen sind.182 Da die moriscos als getaufte Christen mit nordafrikanischen Machthabern paktierten, wären die Versklavungen nach dieser Lesart der Konzilsbeschlüsse legitim. Zweitens hätten die moriscos ihr privilegium christianorum durch ihre grausamen Verbrechen, die den Tyrannen der Antike gleichkämen, verwirkt. Ferner sei das Hilfegesuch an die nordafrikanischen „Barbareskenstaaten“ ein erwiesenes Hintergehen der christlichen Werte gewesen.183 Der dritte Grund liege in der ungeheuren Blasphemie der moriscos gegenüber den christlichen Zeremonien und den Abbildungen Christi, die sich durch das in Brand stecken von Kirchen manifestiere.184 Als letzter Grund werden die Siete Partidas zitiert: In einem Krieg, der gegen Feinde des Glaubens geführt wird, sei es üblich, die Gegner zu versklaven. Dies sei als ein Akt königlicher Gnade zu verstehen, da die eigentlich vorgesehene Todesstrafe zur Sklaverei abgemildert würde.185 Der verstorbene Kaiser Karl V. habe in der 181 „Sin escrúpulo los reyes en sus reynos podrían hazer pragmática mandar que estos moriscos levantados, aunque hasta aquí fuesen tenidos por christianos, pueden ser captivos y vendidos por tales.” Ebd., S. 471 f. 182 „El Conçilio lateranense manda que los christianos que llevan armas a los ynfieles para efeto de ayudalles y ympunar y destruyr la christianidad [...] sean cautivos de los que vençieron.” Ebd., S. 472. Vgl. zu den Laterankonzilien: Foreville (1970), S. 168–199, speziell S. 186. 183 „Dando tan crueles muertes a los christianos como los antiguos perseguidores tiranos dieron a los mártires. Y aún también lo an mostrado en las cartas que escribieron a Berbería a donde burlan de todos los sacramentos.” Martín Casares (2000a), App., S. 471–475, hier 472. 184 „Yten burlan de tosas las çeremonias christianas y de todas las ymágenes de christo y de los santos en cuyo lugar con blasphemia atrevida.” Ebd. 185 „Yten porque en la ley primera, título 21, 4ª partida, se dize en suma que en la guerra que se haze contra los enemigos de la fe y todos los que se captivan son esclavos si les quieren dar la vida, pues como no aya otros mayores enemigos que estos moriscos levantados no es ynconviente lo que avemos afirmado.” Ebd.

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„Neuen Welt“ darüber hinaus in einem ähnlichen Fall in gleicher Weise entschieden.186 Auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, auf welche Real Cédula Karls hier angespielt wird, ist dieser Hinweis interessant: Zeigt er doch, dass eine Verbindung zwischen der Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel und den Versklavungen der indigenen Bevölkerung in ­Spanisch-Amerika nahelag. Aufgrund der vier angegebenen Gründe seien dabei nicht nur die männlichen moriscos zu töten oder zu versklaven: Auch Frauen und Kinder, die ihren Ehemännern und Vätern im Kampf beigestanden haben, dürften auf gerechte Weise versklavt werden. Die Entschuldigung, Frauen und Kinder seien nicht freiwillig in den Krieg gezogen, sei nach göttlichem Recht bedeutungslos, da die Schuld die gleiche bleibe.187 Die Ausführungen der Kleriker gehen sogar noch weiter: Auch unschuldige Kinder jeden Alters und sogar zum Zeitpunkt des Krieges ungeborene Kinder dürften ruhigen Gewissens in die Sklaverei verkauft werden. Grund hierfür sei eine Übertragbarkeit der Schuld der Eltern auf ihre Kinder, weshalb auch diese Anteil an der Strafe haben sollten.188 Die Argumentationskette der Kleriker scheint schon auf den ersten Blick wenig stringent zu sein. Allerdings ist es an dieser Stelle weder möglich noch zielführend, die theologisch-juristischen Referenzpunkte und Rezeptionen im 186 „También se confirma esto por ver que el christianísmo emperador Don Carlos en la Nueva Hispania mandó cosa semejante en caso semejante como ay testigos fidedinos en esta çibdad que lo afirman y entre ellos uno era oydor de la Chancillería en esta razón y no es de pensarse determino sin gran acuerdo en ello.” Ebd., S. 472 f. 187 „Las mugeres y los hijos de los sobredichos moriscos que an tomado armas y ado a favor a sus padres pueden ser también captivos y se puede hazer premática de su captiverio. La razón es clara pues los cómplices en la culpa lo pueden ser en la pena. [...] Se dize alguno o que ellas y los hijos no podían hazer otra cosa pues sus maridos y padres los mataran a no hazer su voluntad. [...] Digo que aunque en esto no manifestaran su voluntad que de la observançia de la ley divina y natural ninguno se escusa aunque le pongan todos los tormentos posibles delante y por eso ni los hijos ni las mugeres cómplices del delito de sus padres y maridos no tienen excusa.” Ebd., S. 473. 188 „La pena empero real que consisten en las cosas que perteneçen al hombre como bienes suyos como son riquezas, honras o libertad, el derecho puede por la qulpa de uno dellos a otro por graves crímenes como por el de la heregía y crimen lesse magestatis que los pequeños niños sin culpa partiçipan de las penas de sus padres pues desta distinçión questá tan platicada tengo no pequeña fuerza lo que afirmo porque pues la libertad no es pena personal sino real. [...] Ytem ninguno pone escrúpulo en que el pequeño ynoçente en vientre de su madre heredó la pena del captiverio por ser su madre captiva, luego quanto a los primero, pues las mugeres como avemos dicho pueden ser captivas, los niños ynoçentes que aún no avían naçido pueden ser dados por captivos.Y siguiese lo segundo que pues ay muy poca diferencia de los niños después de naçidos a los no naçidos en el heredar las penas.” Ebd., S. 474.

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Einzelnen zu verfolgen und auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Festhalten möchte ich jedoch, dass die Geistlichen des Domkapitels von Granada um ihren Erzbischof Pedro Guerrero, der bekanntlich zusammen mit Pedro de Deza die lokale, politische Opposition zum gemäßigten Marqués de Mondéjar bildete, die Versklavung sämtlicher moriscos empfahlen. Auf diese Weise sollten die starken Zweifel des Königs an der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme zerstreut und das „morisco-Problem“ endgültig gelöst werden. Unterstützt wurde diese Fraktion auch durch den päpstlichen Nuntius in Madrid, der dem Heiligen Stuhl im selben Jahr über den Aufstand berichtete und das Argument des privilegium christianorum entkräftete: „Die Rebellen sind, obwohl sie getauft sind, noch muslimischer als ihre Glaubensbrüder in Afrika.“189 Da nordafrikanische Muslime stets ohne päpstliche Proteste versklavt wurden, ist anzunehmen, dass auch eine Versklavung der moriscos nicht dem päpstlichen Interesse widersprach. Ein päpstliches Einmischen in die kastilische Politik, wie es im Falle der Versklavung der indios durch die Bulle „Sublimus Deus“ im Jahr 1537 geschah, blieb daher aus. Interessant ist nun, wie sich der Inhalt des Memorials auf die Entscheidungsfindung des Königs auswirkte und welche politischen Folgen diese implizierte. Verschiedene gedruckte Versionen einer pragmática Philipps II. aus den Jahren 1572 und 1573190 veranlassten die historische Forschung in vielen Fällen zur Annahme, der Monarch habe erst nachträglich auf Fragen der Rechtsunsicherheit geantwortet;191 ein weiterer Grund, der dazu führte, dass häufig angenommen wird, die Krone habe verspätetet auf die von marodierenden Soldaten vollendeten Tatsachen reagiert. In der Tat bedauert Philipp II. in diesem G ­ esetzestext, dass er während des Krieges kein offizielles Dekret veröffentlichen ließ, welches die genauen Bestimmungen der Versklavungen enthielt. Dies habe zu rechtlicher Unsicherheit und unrechtmäßigen 189 „Los rebelados, bien que bautizados, son más musulmanes que sus correligionarios del África.“ Zit. nach: Ebd., S. 176. 190 Abgedruckt finden sich zwei verschiedene – aber in Bezug auf die Sklaverei der moriscos ähnliche – Dokumente: Eine Version vom 30.7.1572 mit dem Titel „Pragmática y declaración sobre los moriscos que fueron tomados por esclavos de edad de diez años y medio, y de las esclavas de nueve y medio, de Regno de Granada.“ Ediert in: Bauer Landauer (1923), S. 137–140. Ferner eine längere Version vom 6.10.1572 unter dem Titel „Pragmática y declaración sobre los moriscos esclavos que fueron tomados en el regno de Granada, y la horden que con ellos se ha de tener.“ In: Ebd., S. 142–155. Unter demselben Titel zitiert Martín Casares eine weitere Version aus dem Archivo Municipal de Granada. Martín Casares (2013), S. 154. 191 So etwa bei Aranda Doncel (1984), S. 128; Cabrillana (1975), S. 69; Fernández ­Chaves/Pérez García (2009), S. 127; Martín Casares (2013), S. 154; Birr (2013), S. 314.

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­Versklavungen geführt, die nun nachträglich für nichtig zu erklären seien.192 Erstaunlicherweise findet sich jedoch ein königliches Schreiben bezüglich der Versklavungen – mit nahezu identischem Inhalt wie die späteren gedruckten Versionen – datiert bereits auf den 17. März 1569. Auf der Grundlage der Expertise des granadinischen Klerus sowie der Meinungen Dezas sowie des Marqués de Mondéjar und des Marqués de los Vélez, verfügte der König hier genau, wie und auf welche Weise bestimmte moriscos versklavt werden dürfen.193 Der Befehl, der an die Audiencia Granadas sowie die militärischen Führer gerichtet war, beginnt mit Ausführungen über die unvergleichliche Schuld, die die m ­ oriscos durch ihre Rebellion, die Ermordung von Klerikern und anderen Christen sowie die Verwüstung von Kirchen auf sich geladen hätten. Allein dies ließe die Todesstrafe für alle Beteiligten als obligatorisch erscheinen.194 Dennoch solle zwischen der Schwere der Delikte differenziert werden: Alle Rädelsführer und an den Ermordungen und Kirchenschändungen Beteiligten sollten hingerichtet werden.195 Auch bei Frauen müsse eine Einzelfallentscheidung vorgenommen werden. Falls sie sich aktiv am Aufstand beteiligt hatten, solle auch sie die Todesstrafe erwarten. Handelte es sich lediglich um eine passive 192 „Por no se auer despachado carta nuestra ni prouision pate[n]te, ni se auer hecho general pupublicacio[n] dello enestos n[uest]ros reynos, y por esto no auer venido a noticia de muchos se ha hecho y puesto por algunas personas dubda escrupulo y dificultad, si los d[ic]hos moriscos rebelados q[ue] assi fueron tomados y captiuados por personas particulares era[n] y se auia[n] hecho esclauos de los q[ue] los tomaron.” Bauer Landauer (1923), S. 138 f. 193 „Haviendose visto las relaciones y pareceres del presidente y oidores del audiencia de granada y del arcob[is]po y marques de mondejar y de algunos religiosos y otras personas y platicado sobre los puntos que se an propuesto.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 267r-v. 194 „Primeramente q[ue] en quanto toca a la justicia segun la enormidad y gravedad de los delitos que es tos moriscos an cometido juntando los crimines de se mag[estatis] divine y de V. mag. con la suma blasfemia y maldad a que se puede llegar en ellos.Concurriendo con esto los sacrilegios y abominaciones que en los templos y yglesias an hecho y los crueles y nuevos generos de muertes que an executado en clerigos y frayles y otros xri[stia]nos. Aviendose cometido los otros delictos no en particular sino con levantamiento general de los lugares y en voz comun y universalmente, que su mag. justamente podria exercer la justicia de sangre sin remision ni misercordia y casi sin ninguna distinction de personas.” Ebd. 195 „Sobre el dicho presupuesto viniendo al particular delas diferencias y species de personas que enesto an delinquido. Aparecido q[ue] en todos los autores y cavecas y movedores en qual quier manera deste levantamiento y crimines se deve executar la justicia de sangre y muerte sin remision y q[ue] lo mismo se debe hazer en los culpados demas del delicto principal en las abominaciones y sacrilegios que an hecho en los templos y en las muertes de los xristiaños.” Ebd.

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Unterstützung, so sei eine andere körperliche Strafe oder der Verkauf in die Sklaverei angemessen.196 Den Einschätzungen des Domkapitels von Granada entsprechend dürften darüber hinaus auch alle Kinder unter siebzehn Jahren versklavt werden. Dies allerdings mit der Einschränkung, dass alle Jungen unter zehneinhalb und alle Mädchen unter neuneinhalb Jahren zu verschonen seien. Diese seien in die Obhut „altchristlicher“ Familien zu geben, für die sie als Gegenleistung bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr Arbeitsdienste ableisten sollten, was allerdings de facto der Sklaverei gleichkam.197 Gegen Ende des Memorials geht Philipp II. noch einmal auf die Komplexität der königlichen Entscheidungsfindung ein: Was den Punkt angeht, dass bezweifelt wurde, ob die Männer und Frauen, die von den Soldaten gefangen wurden, Sklaven seien: [...] Je nach Betrachtungsweise gibt es hier einerseits keine Schwierigkeiten diesen Artikel zu begründen. Andererseits haben diese das heilige Sakrament der Taufe erhalten und es ist üblich [...], dass Gefangene im Krieg mit Christen nicht versklavt werden. [...] Jedoch fehlen auch keine Argumente für das Gegenteil, denn in einem wahren Krieg [...] gegen Ungläubige macht man Sklaven. [...] Die declaración erscheint nicht nur gerecht, sondern auch nützlich, sowohl für die Gefangenen als auch für die, die am Krieg teilgenommen haben und sie gefangen nahmen.198 196 „Y en quanto toca a las mugeres de los dichos pueblos revelados y que que an andado con los demas. Como quiera fue por la fragilidad del sexu y por ser llevadas de sus maridos o padres parezce q[ue] se pueda con ellas templar la justicia. Pero con esto se entiende que no solo ellas an sido sabidoras del caso pero muchas dellas promotoras consejeras y estimuladoras de sus maridos y de los honbres. En algunas de las quales que mas notablemente fuesen culpadas se podria hazer la misma justicia y en algunas otras se podrian castigar con alguna pena corporal con q[ue] no fuese de muerte. Y estas y as demas podrian ser dadas y declaradas por esclavas para se servir y disponer dellas como de tales.” Ebd. 197 „Y en quanto a los menores de hedad de diez y siete años abaxo y mayores de diez y medio y mugeres de nueve y medio los quales siendo capaces de dolo y delicto. En los otros criminales an de ser castigados arbitrariamente, en esto que son tan grandes [...] no se dubda q[ue] como esta dicho en lo de las mugeres se podrandar y declararse por esclavos.Y en los que fueren menores de los diez años y medio y nueve y medio y no capaces de esto delicto parece que se podra justamente hordenar que aquellos sean sacados fuera del reyno de granada y enbiados a otras ciudades y lugares deste reyno donde sean dados a personas que los crien y instituian xr[isti]anamente y se puedan servir dellos hasta una cierta hedad como seria de veynte años.” Ebd. 198 „En quanto toca al punto de q[ue] se ha dubdado si los hombres y mugeres que por los soldados [...] sean avido seran esclavos.[...] Como quiera que en este articulo no dexa de haver dificultad y razones por una parte y por otra por haver estos rescivido el sacramento

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Es gab folglich einige Argumente, die gegen die Versklavungen gesprochen ­haben. Allen voran die Tatsache, dass es sich bei den moriscos um getaufte Christen handelte, die das privilegium christianorum genossen. Auch konnte durchaus bezweifelt werden, dass es sich bei der Auseinandersetzung tatsächlich um einen Krieg handelte und somit kein zur Legitimation der Sklaverei notwendiger „gerechter Krieg“ vorliegen könne. Jedoch seien die Argumente der Gegenseite stärker zu gewichten: Eigentlich sei für fast alle moriscos die Todesstrafe angemessen. Die Sklaverei sei dementsprechend nicht nur für die Krone und ihre Soldaten nützlich und gerecht, sondern auch für die betroffenen moriscos selbst, da sie eine Abmilderung der Strafe darstelle. Es zeigt sich also erneut das aus den Siete Partidas stammende Argument der „alternativa a la muerte“. Durch die geschickte Einleitung des Memorials, mit dem Hinweis auf die obligatorische Todesstrafe, gelingt es so, die massenhaften Versklavungen der moriscos zu einem Akt königlicher Gnade zu stilisieren. Um den königlichen Einfluss auf die Versklavungen – auch im Hinblick auf die ­Besteuerung – zu gewährleisten und ungeordnete Plünderungen auf ein Minimum zu reduzieren, wurde des Weiteren bestimmt, dass Versklavungen ausschließlich unter königlichem Banner vorgenommen werden dürften. Soldaten, die auf eigene Faust moriscos versklavt haben, sollten zur Rechenschaft gezogen werden.199 Die oben erwähnte Annahme vieler Forscher, Philipp II. habe erst 1572 rückwirkend auf die Versklavungen reagiert, erklärt sich aus einem ­Zusatzschreiben aus der Hand des königlichen Sekretärs Juan Vázquez, das dem Memorial beigefügt ist. Interessanterweise heißt es hier: „Vorliegende Prágmatica […] soll, aufgrund von Schwierigkeiten, die aus ihr resultieren könnten […], nicht veröffentlicht werden.“200 Während also einerseits genaue Befehle über die Rechtmäßigkeit von Versklavungen an die lokalen Führungspersönlichkeiten gingen, sollte explizit vermieden werden, dass andere Personen von

de la agua del baptismo y ser tan usado y determinado que en guerra con xri[stia]nos los q[ue] se cavptivan no son esclavos.[...] No enbargante esto no faltan fundamentos para lo contrario y que como en verdadera guerra [...] contra infieles se hagan esclavos.[...] La qual [la declaración; Anm. d. V.] no solo parecer justa pero conviniente asi de parte de los presos y captivos como de los que en la guerra an intervenido y captiven lo.” Ebd. 199 „Aquellos q[ue] an andado aparte y fuera de Vandera robando sin horden, los quales no han de participar deste derecho ni le han adquerido sobre las personas que asi huvieren tomado pues ni son ni se pueden dezir hombres de guerra ni que la an servido ni ayudado en ella y el derecho de servitumbre de todos los demas que no huvieren sido de particular presa sera de su mag[estad].” Ebd. 200 „Presente pragmatica [...] por los ynconvenientes q[ue] dello podrian resultar [...] no sea de publicar ni declarar.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 266r.

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d­ iesen weitreichenden Bestimmungen erfuhren. Es könnte sich hier etwa die ­Befürchtung ausdrücken, dass der Papst Einspruch gegen die Versklavungen einlegen könnte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Philipp II. von einer öffentlichen und bindenden Entscheidung absehen wollte, um politische Flexibilität zu gewinnen. Es wurde versucht, einen politischen Mittelweg zu beschreiten, der zum einen die eklatanten Vorteile der Sklaverei sicherstellen sollte. Auf der anderen Seite sollten jedoch durch eine Geheimhaltung des Memorials die Nachteile einer solchen Legalisierung abgefedert werden. Eine nicht veröffentlichte Legalisierung der Sklaverei erscheint gerade im Hinblick auf angestrebte Verrechtlichungs- oder Formalisierungsversuche von Seiten der Obrigkeit erst einmal merkwürdig. Es kann deshalb mit einigem Recht angenommen werden, dass der Geheimhaltungsbefehl nicht als absolut zu betrachten ist. In der Tat hatten sich die geheimen Bestimmungen bereits wenige Monate nach dem Eintreffen des königlichen Memorials unter den Söldnern weitgehend herumgesprochen.201 Auf diese Weise blieb den Soldaten die Versklavung von moriscos de facto erlaubt. Auf einen königlichen Gesetzestext konnten sie sich dabei allerdings nicht berufen. De Jure befanden sich die Versklavungen demnach in einer Grauzone, die verhindern sollte, dass die Söldner sich ausschließlich auf die Versklavung von moriscos konzentrierten. Die Krone suchte demzufolge schon zu Beginn des Krieges einen politischen Kompromiss. Nach anfänglichen Zweifeln über die Rechtmäßigkeit der Versklavungen von Untertanen und getauften Christen folgte sie den Vorschlägen des Marqués de los Vélez und des granadinischen Domkapitels nur zum Teil: Zwar wurde die Versklavung von überlebenden moriscos als ökonomischere Alternative zur Todesstrafe und stilisiert als königlicher Gnadenakt erlaubt. Die vom Domkapitel legitimierte Versklavung von Kindern gestattete die Krone jedoch nicht. Der Preis für diesen Kompromiss war allerdings klein: Die Arbeitskraft von Kindern war in der Regel gering, ebenso ihr Verkaufswert. Zusätzlich hatten die Kinder, wie beschrieben, bis zu ihrem zwanzigsten ­Lebensjahr in einem „altchristlichen“ Haushalt zu arbeiten, was nicht selten ein Weg in die dauerhafte Sklaverei war.202 Darüber hinaus kam es häufig zur illegalen Versklavung von Minderjährigen. Martín Casares zählt für die ersten Kriegsmonate bereits 65 offizielle Kaufverträge in granadinischen Archiven, die Kinder unter neuneinhalb respektive zehneinhalb Jahren ­betreffen.203 ­Obwohl die Bestimmungen des geheimen Dekretes bis März 1569 weitgehend bekannt gewesen sein dürften, kam es weiterhin zu massenhaften 201 So berichtet etwa Nicolás Cabrillana für Almería. Cabrillana (1975), S. 69. 202 Martín Casares (2013), S. 155. 203 Ebd., S. 158.

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­ ersklavungen von Kindern. Noch im August 1570 verkaufte der Hauptmann V (capitán) von Almería, García de Villaroel, zehn moriscos zwischen zwei und zehn Jahren.204 In den folgenden Jahrzehnten bemühten sich daher zahlreiche versklavte moriscos, ihre Freiheit vor Gericht einzuklagen.205 Im Jahr 1580 etwa klagte die Sklavin Isabel in Córdoba gegen ihren Herrn, den Apotheker Alonso Ruiz. Isabel forderte im Namen ihrer Tochter Juliana deren Freilassung, da sie zum Zeitpunkt ihrer Gefangennahme während der guerra de Granada jünger als die besagten neuneinhalb Jahre gewesen sei. Zugunsten Julianas sagten mehrere Zeugen aus, sie sei zum Zeitpunkt ihres Verkaufes am 1. Januar 1571 durch den Kapitän Pedro de Castro an ihren damaligen Besitzer sechs oder sieben Jahre alt gewesen. Die Gegenseite bemühte sich in erster Linie darum, die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen zu untergraben: So sei es üblich, dass in Prozessen um die Freilassung von Sklaven falsche Zeugen auftreten. Ferner sei belegt, dass die Schwestern Julianas zum Zeitpunkt ihrer Gefangennahme bezeugt hätten, Juliana sei dreizehn Jahre alt. Das Hauptargument des Apothekers war jedoch der Kaufpreis: Da morisco-Sklaven während des Krieges so enorm günstig gewesen seien, sei der Preis Julianas mit siebzig Dukaten deutlich zu hoch für eine minderjährige Sklavin gewesen.206 Ein Urteil zu diesem 204 Ebd., S. 73. 205 Beispiele von morisco-Sklaven, die versuchten ihre Freiheit einzuklagen, finden sich etwa zuhauf im Archivo de la Real Chancillería de Valladolid: ARCV, Pl Civiles, Fernando Alonso (F), C. 141, 1; Pérez Alonso (F), C. 903, 1; Fernando Alonso (F), C. 989, 2; Registro de Ejecutorias, C. 1454, 27; C. 1636, 24; C. 1420, 48; C. 1286, 29. 206 „Probanza de Alonso Ruiz boticario por receptoria real de Granada en el pleito con Juliana su esclava morisca ante Martin Lopez Escribano publico de Cordoba. [...] Por las preguntas siguientes sean preguntados los testigos que fueren presentados por parte de [...] Ruiz boticario vezino de la cibdad de Cordoba en el pleito que trata con Isabel [...] madre de Juliana esclaba del d[ic]ho Alonso Ruiz. [...] Yten si saben que la d[ic]ha Juliana morisca estan rrebejida y en cubre oy dia entre la hedad que casi la mesma demonstracion y seria les de edad cuerpo y dispusicion q[ue] tenia al t[ie]mpo q[ue] el capitan pedro de castro la bendio a Ju[an] fernandez de lara que fue a primero de enero del año de setenta y uno esa mesma demonstracion e tiene el dia deo y que parece que no a pasado t[iem]po no hedad por ella digan lo que saben. Yten si saben que si la d[ic]ha Juliana esclaba fuera se seis o siete años al t[iem]po que la conpro el d[ic]ho Juan fernandez de lara como la d[ic]ha Juliana pretende. Habiendo al t[iem]po de la guerra las esclabas tan poco precio aunque fuesen mujeres y maiores de edad no el de creer que ubiera honbre e an perdido que siera por persona de tan poco edad sesenta ducados pues no abia de ser esclava siendo de la d[ic]ha edad digan lo que saben. Yten si saben que al t[iem]po que trayeró captiva a la d[ic]ha Juliana poco antes ansimesmo ottras hermanas suias preguntandosles por su hedad la d[ic]ha Juliana y las d[ic]has sua hermanas todas ellas constestavan y afirmaban que tenia de treze a catorze años digan lo que saben. Yten si saben que martin

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Prozess ist leider nicht überliefert; dieser und andere Prozesse unterstreichen aber, dass die illegale Versklavung minderjähriger moriscos keine Seltenheit darstellte. Der Durchsetzungsfähigkeit königlicher Anordnungen während des Krieges waren also offensichtlich enge Grenzen gesteckt. Dennoch war die Krone nachträglich darum bemüht, die Sklaverei – und sei es nur durch die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung des Sklavenstatus – auf eine rechtmäßige Basis zu stellen. Neben den notwendigen Kompromissen auf politischer und rechtlicher Ebene war es vor allem die Geheimhaltung des besagten Memorials, die einem politischen Winkelzug gleichkam. Auf diese Weise sollten den politischen, ökonomischen und militärischen Notwendigkeiten der Sklaverei Rechnung getragen werden, während zu groß angelegte Plünderungen und Sklavenrazzien, die sich in der Regel in militärischer Disziplinlosigkeit niederschlugen, eingedämmt werden sollten. Diese multidimensionalen Funktionen und Problemfelder der Sklaverei werden nun in folgenden Teilkapiteln analysiert. Sklaverei und Krieg: Praktiken und (Dys-)funktionen der Versklavungen Die Versklavung des moriskischen Feindes stellte für kastilische Kampfverbände unter königlichem Banner sowie für marodierende Truppenteile und Gewaltgemeinschaften207 von den ersten Kriegstagen bis weit nach den offiziellen Friedensschlüssen eine alltägliche Praxis dar. Nach Garrido García nahm die Sklaverei auf der Iberischen Halbinsel durch die guerra de Granada gar bis dahin völlig ungeahnte Ausmaße an.208 Die zeitgenössischen Chroniken, allen voran Mármol Carvajal, berichten regelmäßig von Versklavungen. Meist bleibt es jedoch bei beiläufigen Erwähnungen und Aufzählungen, die auf die Normalität dieser Kriegspraxis hinweisen. Bereits im Februar 1569 beschreibt der Zeitzeuge Mármol Carvajal eine Schlacht, in der zahlreiche moriskische 4.2



garcía y lope bernaltes testigos presentados per la d[ic]ha Juliana son testigos falsos que tenian de costumbre ser testigos falsos en todos los negocios de esclabos y ottros.” AHN, Nobleza, Torrelaguna, C. 17, D. 2. 207 Mit dem Begriff „Gewaltgemeinschaften” werden Gruppen beschrieben, die einer spezifischen „Soziologie der Gewalt“ unterliegen. Die Anwendung von Gewalt ist dabei für die Gruppe konstitutiv. Dieses Konzept wurde maßgeblich von der DFG-Forschergruppe „Gewaltgemeinschaften. Entstehung, Kohäsionskraft und Zerfall“ an der Universität Gießen entwickelt. Vgl. Speitkamp (2013); Carl/Bömelburg (2011). Den Bericht der Abschlusstagung siehe: URL: https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsbe richte-6134 (acc. 12.1.2017). 208 „[Un] aumento de la esclavitud hasta cotas antes desconocidos.“ Garrido García (2000), S. 63.

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Sklaven gemacht wurden. Unter der Führung Francisco de Córdobas, Graf von Alcaudete, und Juan de Villaroels wurde bei der Ortschaft Güebro in der Sierra de Inox eine große moriskische Streitmacht vernichtend geschlagen. Die wenigen überlebenden Soldaten wurden umgehend an die Küste gebracht, um sie als Rudersklaven auf den königlichen Galeeren einzusetzen. Weitere 2.700 Frauen und Jugendliche wurden gefangen genommen, um sie bei nächster Gelegenheit in die Sklaverei zu verkaufen.209 Ein weiteres Beispiel unter vielen ereignete sich nur wenige Tage zuvor. In den westlichen Alpujarras bei Ohanes wurden nach einer erfolgreichen Schlacht unter der Führung des Marqués de los Vélez nicht nur dreißig „altchristliche“ Sklavinnen befreit, sondern auch 1.600 moriscos und moriscas versklavt.210 Weitere prominente Beispiele, bei denen moriscos zu tausenden versklavt wurden, wären die Schlacht bei Frigiliana im Juni 1569211, die bereits erwähnte Schlacht bei Galera im Februar 1570 mit circa 4.500 Versklavten212 oder das Gefecht bei Cadiar, in dessen Folge 1.110 Überlebende in die Sklaverei verkauft wurden213. Neben den Chroniken finden sich auch in privaten Korrespondenzen Spuren der Versklavungen. Sancho de Leiva, Generalkapitän der spanischen Flotte (capitán general de las galeras de España) und späterer Vizekönig von Navarra, berichtete beispielsweise am 28. Mai 1569 der Krone von der Versklavung von 186 moriscos, die per Schiff auf der Flucht nach Nordafrika waren. Auf ihrem Weg in den Hafen von Almería seien die kastilischen Galeeren demnach an der Küste, auf der Höhe der Mesa Roldán, etwa fünfzig Kilometer östlich der Stadt, auf vier osmanische (turcos) Brigantinen aufmerksam geworden. Als die moriskischen F­ lüchtlinge  – ­vorwiegend aus der Ortschaft Cabreza stammende Frauen und Kinder – dabei waren, die Schiffe zu besteigen, habe die osmanische Besatzung den kastilischen Feind entdeckt und sei zu Fuß in die Berge geflohen. Während von diesen lediglich eine Person gefangen werden konnte, brachte Sancho de Leiva alle Übrigen nach Almería, wo er die 187 gefangenen moriscas als Sklavinnen unter seiner Schiffsbesatzung aufteilte.214 209 „Captivándose algunos moros, que don Francisco de Córdoba dio para las galeras, y dos mil y setecientas mujeres y muchachos.” Mármol Carvajal: Historia V, XXVIII. 210 Ebd. V, XXVI. 211 Ebd. VI, XVII. 212 Ebd. VIII, V. 213 Ebd. X, V. 214 „Relación de la manera q[ue] se repartieron en cartagena las ciento y ochenta y seis esclavas nynios y muchachos q[ue] don sancho de leyba tomo en los quattro vergantines q[ue] se yvan a berveria y abazzanco en la mesa de Roldan a Veyntiocho de mayo de mil y quis y sesenta y nueve. En el dicha dia veyntiocho de mayo viniendo don Sancho de Leyba de bituallar a la ciudad de Almería y otras fuercas de la costa con onze galeras en los Pozos

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Freilich soll sich dieses Kapitel nicht mit der Aufzählung einzelner Episoden von massenhaften Versklavungen begnügen. Zunächst soll es darum gehen, auf welche Weise Menschen im Krieg versklavt wurden. Welche Akteure waren beteiligt und welche Praktiken standen zur Verfügung? Zentral wird für dieses Kapitel jedoch die Frage sein, welche Funktionen der Sklaverei im Krieg auf herrschaftspolitischer, militärischer und ökonomischer Ebene zugeschrieben wurden. Auf der anderen Seite sollen auch die Konfliktfelder, die sich auf praktischer Ebene um die Sklaverei eröffneten, sowie die Lösungsansätze, die hier entwickelt wurden, in den Blick genommen werden. Große Massen an Sklaven wurden zwar in der Regel in den oben erwähnten wichtigen Schlachten gemacht, die übliche Praxis des Krieges war dies jedoch nicht. Unabhängig von den großen militärischen Operationen wurden organisierte Raubzüge, sogenannte cabalgadas, durchgeführt, um Beute – meist in Form von Sklaven – zu machen. Es lassen sich dabei zwei wesentliche Arten von cabalgadas unterscheiden:215 Zum einen gab es offizielle Raubzüge. Diese wurden von einem Kriegsrat ( junta de guerra) organisiert und waren auf diese Weise obrigkeitlich legitimiert. Teilnehmer dieser cabalgadas waren in e­ rster Linie städtische Milizen und Soldaten der kastilischen Truppen. Zumeist wurden diese Raubzüge von lokalen militärischen Befehlshabern geführt. Der bereits mehrfach erwähnte García de Villaroel, oder dessen Bruder Cristóbal de Benavides, führten etwa häufig cabalgadas in die Gebirgsregionen nördlich von Almería mit der Absicht, moriskische Dörfer zu überfallen und die dort lebenden Frauen und Kinder zu versklaven.216 Weitere bekannte Namen unter den Organisatoren der cabalgadas, wie Pedro und Juan Fajardo, Bruder und Neffe des Marqués de los Vélez, die Hauptmänner Luis und Lorenzo de Leiva oder Francisco de Córdoba legen nahe, dass es sich tatsächlich um von höchster Stelle legitimierte und durchgeführte Raubzüge handelte.217 Hiervon unterschied sich ein zweiter Typus von cabalgadas: Privat geführte und somit illegale Raubzüge meist marodierender oder desertierter Truppenteile und

de chovali q[ue] es junto. A la mesa de Roldan hizo emvestir quatro vergantines los quales se partian cargados de moriscas del lugar de Cabreza a la vuelta de berveria y se fueron huyendo los turcos a la montaña y el dicho don Sancho mando echar gente q[ue] fuesen tras ellos y no pudieron tomar sino un moro q[ue] se avia huido delas galeras el ynvierno pasado y asimysmo toma la dicha gente ciento y ochenta y seis cabecas entre mugeres y niños y muchachos y las manifestaron al dicho don Sancho com[endador] lazzaron dellas los oficiales de su m[a]g[estat] y traidas a esta ciudad el dicho don Sancho las hizo repartir en esta.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 246r-v. 215 Vgl. Cabrillana (1975), S. 59 f. 216 Ebd., S. 98. 217 Ebd., S. 96.

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Gewaltgemeinschaften. Der Einfluss dieser inoffiziellen cabalgadas lässt sich mangels Quellen allerdings kaum abschätzen.218 Aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf die Truppendisziplin werde ich aber später noch einmal auf sie eingehen. Zu betonen ist an dieser Stelle, dass neben undisziplinierten Soldaten und Marodeuren auch die obersten militärischen Befehlshaber federführend an den Versklavungen beteiligt waren. Die Funktionen, die die Sklaverei während des Krieges einnahm, waren politischer, militärischer, religiöser und ökonomischer Natur. Zunächst ist die bereits angesprochene Straffunktion zu nennen. Im Juni 1569 übernahm Don Juan de Austria die Meinung Dezas und Guerreros, dass hinsichtlich der maßlosen Verbrechen der moriscos eine exemplarische Strafaktion notwendig sei. Philipps Halbbruder erließ daraufhin mit königlicher Rücksprache einen Befehl an den Anführer Antonio de Luna, den friedlichen Ort Albuñuelas zu plündern, um ein Exempel zu statuieren.219 Wie Mármol Carvajal berichtet, kehrten die kastilischen Truppen schon wenige Tage danach mit mehr als 1.500 Gefangenen in die Stadt Padul zurück. Dort verteilte Don Juan die Gefangenen eigenhändig unter den beteiligten Soldaten, die sie anschließend in die Sklaverei verkaufen durften.220 Eine Ausnahme stellten lediglich die Angehörigen des moriskischen Gemeinderichters (alguacil) Bartolomé de Santa María dar. Diesen wurde die Freiheit geschenkt, da das Familienoberhaupt bereits im Vorfeld der Bestrafungsaktion wichtige Informationen an Antonio de Luna übermittelt hatte. Die Soldaten, die irrtümlicherweise besagte Angehörige gefangen genommen hatten, wurden aus der königlichen Kasse großzügig mit 600 Dukaten entschädigt.221 Die Krone legitimierte demnach nicht nur die Versklavungen, sondern sah sich aus Gründen einer spezifischen Verteilungsgerechtigkeit dazu verpflichtet, den Soldaten, deren Beute konfisziert worden war, eine Entschädigungszahlung zu leisten. Dieses äußerst bemerkenswerte Konfliktfeld werde ich im Folgekapitel noch genauer behandeln. 218 Vgl. Ruíz Pérez (1991), S. 318; Birr (2013), S. 1. 219 „Hacían los moros tantos daños […] captivando, matando y robando los cristianos […] tomando don Juan de Austria el parecer del presidente don Pedro de Deza, determinó que se hiciese castigo ejemplar. [...] Se mandó a don Antonio de Luna [...] fuese a hacer efeto del castigo.” Mármol Carvajal: Historia III, XXI. 220 „Volvió nuestra gente aquel día al Padul, que está dos leguas de allí, con más de mil y quinientas almas captivas, y gran cantidad de bagajes y de ganados de toda suerte. Esta presa mandó don Juan de Austria que se repartiese entre los soldados, dando las moras por esclavas.” Ebd. 221 „El alguacil Bartolomé de Santa María había servido con avisos ciertos y de importancia. [...] Dió [Don Juan, Anm. d. V.] libertad a la mujer y hijas y sobrinas de Bartolomé de Santa María.” Ebd.

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Ein zweites Quellenbeispiel ist ein anonymes Schreiben an die Krone aus dem März des Jahres 1570. Nach einem kleinen Gefecht nahe der Ortschaft Galera unter der Führung Don Juans begannen die Soldaten unmittelbar mit der Hinrichtung sämtlicher überlebender moriscos. Nachdem bereits einige Frauen getötet worden waren, schritt Don Juan ein und befahl, sämtliche Frauen und Kinder von der Todesstrafe zu verschonen, um unverhältnismäßige Grausamkeiten zu vermeiden. Stattdessen wurden diese zu Gefangenen gemacht und aller Wahrscheinlichkeit nach bei nächster Gelegenheit in die Sklaverei verkauft.222 Wie aus dem oben zitierten königlichen Schreiben und aus den Siete Partidas bekannt, wurde also auch vor Ort, in diesem Fall von Don Juan, die Todesstrafe in die mildere Strafe der Sklaverei umgewandelt. Die Versklavungen der moriskischen Frauen und Kinder können so als Akt der Strafmilderung verstanden werden, die entsprechend stilisiert wurde. Darüber hinaus bot die Sklaverei die Möglichkeit einer maximalen Bestrafung bei gleichzeitiger Vermeidung der finanziell unrentablen Todesstrafe. Für einige kastilische Führungskräfte, allen voran dem Präsidenten der Audiencia, Pedro de Deza, sowie dem Erzbischof Pedro Guerrero, erschien die massenhafte Versklavung der überlebenden moriscos wohl auch als akzeptable Lösung der „morisco­Frage“. Während die erwachsenen moriscos versklavt und deportiert wurden und somit die vermeintlich homogene Parallelgemeinschaft der moriscos zerschlagen werden konnte, wurden durch die Verteilung der minderjährigen moriscos unter zehneinhalb respektive neuneinhalb Jahren auf „altchristliche“ Haushalte die missionarischen Ansprüche befriedigt. Ob Versklavung oder Verteilung auf „altchristliche“ Haushalte: Im Gegensatz zur Todesstrafe konnten die moriscos auf diese Weise bestraft werden, ohne sie für die katholische Kirche zu verlieren. Die Versklavungen erhielten auf diese Weise eine religiös-pädagogische Komponente, wie sie auch schon in den zitierten päpstlichen Bullen des 15. Jahrhunderts zu finden war.223 Die augenscheinlichste ökonomische Funktion der Versklavungen war die individuelle Bereicherung der Soldaten. Nach Schlachten, cabalgadas und 222 „Despues q[ue] el s[eño]r don Juan de Austria hecho los moros de Guejar paso a Baca y de alli a huesca donde formo su campo y fue a ponerse sobre el lugar de Galera que por ser sitio muy fuerte fue neces[ari]o batille y minalle como se hizo y aunque en un asalto fueron muertos algunos capitanes y personas particulares al segundo se entro al dicho lugar sin haverse recebido aquel dia ningun daño, y de los enemigos no escapo ninguno que todos fueron muertos y tambien algunas mugeres que los soldados yvan matando hasta que el s[eño]r don Juan por parecer crueldad la que hazian mando que no matasen a las mugeres ni niños y que fuesen presos y assi se tomaron mucho numero dellas.” AGS, Est, L. 152, fol. 3r-v. 223 Siehe: S. 44 f.

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anderen Plünderungen und Razzien wurde die Beute, darunter in erster Linie Sklaven, unter den Soldaten ihrem Rang entsprechend verteilt. Da die regulären kastilischen Truppen in Flandern gebunden waren, war die Krone auf schlecht ausgebildete Söldner insbesondere aus der näheren Umgebung des Reino de Granada angewiesen. Die schlechte finanzielle Lage bedingte außerdem, dass die kastilischen Truppen in Granada keinen regulären Sold erhielten. Die „Abenteurer und Geächteten“224, die nach Fernándes Chaves und Pérez García in den ersten Kriegsmonaten zu tausenden aus Sevilla nach Granada strömten, zogen ausschließlich mit der Aussicht auf reiche Beute in den Krieg. Da die überwiegende Mehrzahl der moriskischen Bewohner des Königreiches nicht vermögend war, bedeutete dies, dass Sklaven und Sklavinnen meist als einziges profitträchtiges Raubgut verblieben. Die Sklaverei erfüllte also die für den Krieg grundlegende Doppelfunktion der Bezahlung sowie der Motivation der Soldaten. Die Tatsache, dass es sich bei den kastilischen Kämpfern meist um Männer aus den ärmsten gesellschaftlichen Schichten oder gar um zwangsrekrutierte Personen handelte und es entsprechend schlecht um deren Truppendisziplin bestellt war225, dürfte die Versklavungen während des Krieges noch einmal gesteigert haben. Dieser ökonomisch-militärische Aspekt der Sklaverei wird in einem Schreiben des Marqués de los Vélez deutlich, das dieser am 12. Februar 1569 an den König schickte. Es war als Antwort auf den bereits oben zitierten königlichen Brief vom 21. Januar gedacht, in welchem Philipp II. seine Zweifel gegenüber der Rechtmäßigkeit der Versklavungen zum Ausdruck gebracht hatte. Die Ratschläge, die der capitán general Murcias bezüglich der Versklavung der moriscos bereithielt, sind eindeutig: Wenn Ihr den Beschluss fasst, dass Ihr sie [die moriscos, Anm. d. V.] nicht versklaven lasst, versichere ich Eurer Majestät, dass es undenkbar ist, Krieg mit Truppen aus dem Königreich von Murcia zu führen, […] denn ich habe verstanden, dass diese nur aus Habgier nach jenen besagten ­Gefangenen ohne Sold in diesen Krieg gezogen sind.226 224 „Aventureros [y] forajidos.“ Fernández Chaves/Pérez García (2009), S. 71. 225 Ebd., S. 67. 226 „V. mag[estad] me manda dezir que se tomara resolucion sobre si an de quedar los cativos desta tierra por esclavos o no. Sobre que escrivi al secretario Juan Vazquez de Salazar y que me mandare V. mag[estad] avisar dello. Es uno de los mayores trabajos que he sentido en esta guerra entender destas palabras que en ello he. Tiene duda porque si hazz [sic!] resolucion fuese no dallos por esclavos yo certifico a V. mag[estad] que no ay para que pensar hazer guerra con gente del Reyno de murcia. Aora ni adelante mientras les durare la memorial dello porque por sola cudicia de los d[ic]hos cativas entiende que an venido a esta guerra sin sueldo.” AGS, GA, L. 73, fol. 119r-v.

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Im Weiteren betont er, dass alleine die Aussicht auf reiche Beute in Form von Sklaven die Truppendisziplin aufrecht erhalte und dafür sorge, dass die Soldaten nicht desertieren. Sämtliche Soldaten, ob einheimische oder fremde, seien ausschließlich mit dem Versprechen auf reiche Beute nach Granada gelockt worden. Darüber hinaus seien die Soldaten zur Refinanzierung ihrer persönlichen Kriegskosten auf die Sklaverei angewiesen. Die meisten seien schließlich in finanzielle Vorleistung gegangen, um sich, etwa mit einem Pferd oder Waffen, für den Kriegszug auszurüsten.227 Diese übliche Vorgehensweise geht auch aus zahlreichen Suppliken hervor, die den Hof nach Kriegsende erreichten. So bat beispielsweise die Mutter des im Krieg gefallenen Soldaten Antonio de Gormaz aus der andalusischen Stadt Jaén die Krone um eine Entschädigung von 15.000 maravedíes. Ihr Sohn sei aus Pflichtbewusstsein gegenüber seinem König in den Krieg gezogen und habe die Mitgift seiner Frau dafür verwendet, seine Ausrüstung zu bezahlen. Auch habe er aus selbigem Grund einen enormen Schuldenberg angehäuft. Aus gegebenem Anlass war es dem Soldaten natürlich nicht möglich, seine Ausgaben durch Beute zu refinanzieren.228 Anhand dieser und vieler ähnlicher Suppliken zeigt sich deutlich, dass ein Kriegszug für den Söldner ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Risikounternehmen darstellte.229 Aufgrund seiner finanziellen Vorleistungen 227 „Y assi a venido a quedar todo el premio y provecho de la gente de guerra que aguardado sus vanderas y orden en solas las d[ic]has cativas y sino oviesen de quedar por esclavas ellas y sus muchachos la dicha gente se quedaria con su trabajo y peligros y daños que an recibido sus haziendas y sin el premio que pretendian. Demas delo d[ic]has se an venidido aqui de unos a otros y agente forastera y con ellas se an hecho pagar de cavallos otras cossas.” Ebd. 228 „Doña Maria hurtado de mendoca vez[in]a de Jaen dize que don antonio de Gormaz su hijo veintiquatro de la dicha ciudad a sido muerto e[n] la guerra de granada y por su muerte baco la dicha veinti quatria e por q[ue]l dicho Don Antonio murio con muchas deudas en que se a deudo para ir a servir a V. m. e[n] la orden que fue justa con una conpania de soldados de la dicha civdad y gasto la dote de su muger e no quedaron otros bienes sino las dichas veintiquatria y para cunplir esto y descargais su anima vino ella a suplicar a V. m. le hiziese md. del dicho casso e V. m. fue servido de mandallo dar a hernando de gormaz tio del dicho don antonio [...] y pague la mitad del precio a un muy gran md. para ella no vasta para pagar la dote de la dicha su muger ni las otras deudas que no son pocas y pues murio en servicio de V. M.” AGS, CCA, Memoriales, L. 395, fol. 205r-v. 229 Zum Phänomen des europäischen Söldnerwesens und dessen Verbindung zu Beute, Ökonomie und Staatsbildung einleitend Reinhard (2000), S. 346–348; Parker (1996), S. 45– 81; ebd. (2005), S. 150 f.; Burschel (1994); Kramer (2010), S. 21–68; Nicholson (2004), S. 49–52. Zu den individuellen wirtschaftlichen Zwängen der Söldner Jucker (2008), S. 56; Burschel (1994), S. 206–217; Peters (1993); Fernández Chaves/Pérez García (2009), S. 71–77; Allmand (2005), S. 97 f.

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und des nicht vorhandenen Soldes war er zwingend auf die Beuteverteilungen angewiesen. Es ist demnach kaum verwunderlich, dass die Soldaten extrem darauf bedacht waren, ihren rechtmäßigen Anteil an der gemachten Beute zu erhalten. Dass der Marqués de los Vélez keinen Zweifel an der Wichtigkeit der Sklaverei für die Führung der guerra de Granada aufkommen ließ, ist somit gut nachvollziehbar: Würden die Versklavungen der moriscos und ihrer Kinder verboten, so müsse der Krieg ohne die Unterstützung Murcias und wohl auch anderer Provinzen geführt werden.230 Auf ähnliche Weise profitierte die Krone von den Versklavungen. Durch den königlichen Fünft, der auf jeden Sklaven zu entrichten war, sowie durch Einnahmen, die durch den direkten Verkauf von Sklaven erzielt wurden, gelang es der Krone, einen Teil der Kriegskosten zu amortisieren. Die Einnahmen, die die Krone durch die Sklaverei erzielte, sind zwar noch weitgehend unerforscht, es wird jedoch angenommen, dass diese nicht unterschätzt werden sollten.231 Hierbei spielte selbstverständlich nicht nur der quinto eine Rolle. Schließlich fiel bei jedem Weiterverkauf, der notariell beglaubigt werden musste, die bereits erläuterte alcabala von zehn Prozent an.232 Bedenkt man die 13,3 Millionen maravedíes233, die nach Fernández Chaves und Pérez García allein in Sevilla während der drei Kriegsjahre durch den Verkauf von morisco-Sklaven umgesetzt wurden, dürfte letztlich eine stattliche Summe in die königlichen Kassen geflossen sein. Um genauere Angaben zu den fiskalischen Auswirkungen der Sklaverei machen zu können, bedürfte es allerdings neuer Studien, die auf wirtschaftshistorischer Basis die gesamtkastilischen Steuereinnahmen durch Sklavenverkäufe errechnen. Die administrativen Hürden, die sich vor a­ llem durch die Abführung des quinto und den eigens hierfür zuständigen königlichen Steuereintreiber (depositario general del rey) ergaben, werde ich im folgenden Kapitel zusammen mit den Praktiken der ­Beuteökonomie b­ esprechen. 230 „Y assi a venido a quedar todo el premio y provecho de la gente de guerra que aguardado sus vanderas y orden en solas las d[ic]has cativas y sino oviesen de quedar por esclavas ellas y sus muchachos la dicha gente se quedaria con su trabajo y peligros y daños que an recibido sus haziendas y sin el premio que pretendian. Demas delo d[ic]has se an venidido aqui de unos a otros y agente forastera y con ellas se an hecho pagar de cavallos otras cossas. [...] Y por lo que de todo esto entiendo tengo por sin duda que si V. mag[estad] manda se declaran que no que dasen por esclavas las moras que en esta guerra se an tomado o sus ninios la guerra pararia sin poder traer del rreyno de murcia ni aun creo de otras partes.” AGS, GA, L. 73, fol. 119r-v. 231 „Enormes ganancias que Felipe II obtuve del ‚quinto real’ de los esclavos moriscos.” Cabrillana (1975), S. 61. Vgl. Martín Casares (2013), S. 157. 232 Siehe: Kap. 2.2.3. 233 Eine Dukate entsprach etwa 375 maravedíes. Vgl. Martín Casares (2000a), S. 214.

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Der quinto bot darüber hinaus noch einen weiteren, nicht fiskalischen Vorteil: Durch einen speziellen königlichen Gnadenerlass, den merced de quinto real, wurde er in die königliche Belohnungsökonomie integriert: Privilegierte Personen vor Ort erhielten das Recht, die Steuer anstelle des Königs zu erheben.234 Zwar konnte ich für diese übliche Praxis im Falle der guerra de Granada kein Beispiel finden. Jedoch stand mit dem sogenannten campo franco respektive der guerra a fuego y a sangre235 eine Praktik der Kriegsführung zur Verfügung, die auf ganz ähnlicher Basis großen Einfluss auf den Krieg und die Versklavungen der moriscos ausübte. Am 19. Oktober 1569 verkündete ­Philipp II. nach reiflicher Überlegung per Generalerlass die guerra a fuego y sangre. Dies bedeutete, dass die Soldaten, die unter königlichem Banner kämpften, keinen quinto auf sämtliche Beute inklusive Sklaven mehr zu entrichten hatten (campo franco).236 Diese Entscheidung trug letztlich maßgeblich dazu bei, die Kriegsführung erneut zu intensivieren und, nach Braudel, „die Jagd auf Sklaven […] zur täglichen Wirklichkeit des Krieges“237 werden zu lassen. Hintergrund dieser königlichen Entscheidung war sicherlich die aussichtslose m ­ ilitärische Lage, in der sich die kastilischen Truppen Ende des Jahres befanden. Nicht nur häuften sich wie oben gezeigt die Beschwerden über die schlechte Versorgungslage und die miserable Truppendisziplin. Es verdichteten sich auch ­Hinweise auf ein baldiges Eingreifen der osmanischen Flotte. So erreichte den Hof im Frühherbst ein Schreiben des in der nordafrikanischen Stadt A ­ lgier ­gefangengehaltenen kastilischen Kapitäns Jerónimo de Mendoza. Dieser wusste seinem König zu berichten, dass bereits am 11. September drei Schiffe mit Waffen, Munition und Soldaten nach Andalusien aufgebrochen waren. Noch bedrohlicher war jedoch der Hinweis, dass der osmanische Sultan Selim II. die moriscos aufgefordert habe, „noch bis zum Frühjahr auszuhalten, denn dann werde er seine Flotte schicken“.238 Es war also diese Bedrohungslage, die 234 Cabrillana (1975), S. 61. 235 „Krieg durch Feuer und Blut.“ 236 „La otra mandar que se publicase la guerra a fuego y a sangre; cosa que aun hasta este tiempo no se había publicado. [...] Concedió ansimesmo campo franco a todos los cristianos que sirviesen debajo de bandera o estandarte [...] todos los bienes muebles, dineros, joyas y ganados que tomasen a los enemigos, y que no pagasen quinto ni otra cosa alguna de las personas que captivasen.” Mármol Carvajal: Historia VII, XI. Vgl. Ruiz Pérez (1991), S. 328; Harvey (2005), S. 221. 237 Braudel II (1998), S. 595. Vgl. Fernández Chaves/Pérez García (2009), S. 67 und S. 77. 238 „Mañana q[ue] sera a los onze de setienbre separten tres baxeles allebar socorro alos moriscos de armas y municiones y jente. Las armas seran asta encatidade tres mil escopetas sino tras muchas picas y alabarclases padas y rodelas engran cantida. [...] El gran turco

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eine schnelle Beendigung des Krieges dringend notwendig machte, und die Philipp II. dazu veranlasste, die guerra a fuego y a sangre auszurufen. Vorausgegangen war dieser Entscheidung eine umfassende Debatte, die die Vor- und Nachteile dieses „archaischen Mittels“239 gut darlegt: Schon im Spätsommer erreichten den Hof erste Suppliken, die für den Erlass des campo franco warben. So bat etwa Luis de Córdoba, Oberleutnant (alférez mayor) Granadas240, im Namen der Stadt, dass die Steuerfreiheit auf Kriegsbeute für eine begrenzte Zeit gewährt würde, damit die Soldaten mit größerer Motivation kämpften und der Krieg somit schneller beendet würde.241 Auf ähnliche Weise sprach sich auch der capitán Juan Venegas Quijada für den campo franco aus.242 Auch Don Juan de Austria und ein nicht näher bekannter Zirkel an Beratern beklagten in verschiedenen Schreiben an die Krone die schlechte Disziplin der Soldaten. Ein Lösungsansatz bestehe darin, die neu ausgehobenen Truppen mit altgedienten Soldaten zu verstärken. Ein anderer darin, den campo franco für wenigstens einige Monate zu gewähren. Zwar verliere die Krone so wichtige Steuereinnahmen. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass so zum einen die notwendigen Truppenaushebungen enorm beschleunigt werden könnten und zum anderen die Truppenmoral gestärkt würde. Insgesamt habe sein Beraterstab entschieden, dem König diesen Schritt zu empfehlen.243

escribe a los moriscos animandoles aque se detengan asta la primabera y q[ue] el enbiara su armada [...] paradonde no lo sabre dezir ciertamente [...] lo q[ue] es cierto es q[ue] el turco ynbia [...] todos los mas baxeles q[ue] pueda.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 205r-v. 239 Ruiz Pérez (1991), S. 328. 240 Vgl. Mármol Carvajal: Historia IV, V. 241 „V. M. mande sea de una vez para que con mayor brevedad se acabe la guerra, y se les conceda campo franco por tiempo limitado para que con mayor presteba y voluntad se muevan.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 234r. 242 „Fuese servido de mandar se diese voz de campo franco pagando el quinto porque ya lo que queda en el Reyno de Granada no se puede ganar sin pelear y por consiguiente sera bien ganado.” Ebd., fol. 249r. 243 „Tambien se ha mirado y platicado vista la mala orden y disciplina q[ue] estos soldados nuevos parece tienen que seria cosa muy necessaria meter entre ellos algunos viejos que hay an estado en Italia, Alemania y flandes para que dellos aprendiessen y perdiessen el themor [...]. Porque la infanteria de española ha sido tan aventada de las de todas las otras naciones era porque en cada compania havia personas de calidad [...] sera remedio conviniente para q[u]itar las desordeneS. Y tambien se ha propuesto que para que la gente se levante con mas brevedad y permanezca en la guerra serua a proposito y convernia q[ue] se publicasse campo franco de q[ue] lo que en ella se ganase fuesse de los soldados y V. M. perdiesse lo que le pertenece y los quintos, esto ha parecido a todo este consejo a lo menos que se provasse por dos otras meses excepto al licenciado Briviesca que le parece

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Gegen die Gewährung des campo franco argumentierte hingegen der licenciado Diego Briviesca de Muñatones, königlicher Steuereintreiber (cobrador) im Reino de Granada und nach Mármol Carvajal ein „Mann von großem Wert und Sachverstand, […] der sehr erfahren und gewandt in Kriegs- und Regierungsdingen ist“244. Der lang gediente königliche Amtsträger, zuvor consejero im Kastilienrat und Untersuchungsrichter im Vizekönigreich Peru245, sprach sich aus folgenden Gründen entschieden gegen diese Maßnahme aus: Zwar stimme er Don Juan in dem Punkt zu, dass durch die Verkündung des campo franco die Truppenaushebung beschleunigt und die Motivation der Söldner gestärkt würde, es gebe allerdings entscheidende Nachteile. Neben den finanziellen Verlusten würde sich die Steuerbefreiung in erster Linie negativ auf die Truppendisziplin auswirken: Es würde mehr gewalttätige Auswüchse und Unordnung geben, denn je mehr Freiheit man ihnen zum Plündern gibt, desto weniger beachten sie die militärische Ordnung.246 Durch die Aussicht auf steuerfreie Beute würden sich die Soldaten demnach nicht auf das Kämpfen, sondern nur auf das Plündern konzentrieren. Die guerra a fuego y a sangre bringe letztlich so „mehr Schaden als Vorteile“247.248 244 245 246 247 248

que no conviene por algunas causas y que se consulte a V. M. para que mande proveer lo que mas convenga.” Ebd., fol. 26r-v. „[Un] hombre de valor y consejo, […] y era muy prático [sic!] y experimentado en las cosas de la guerra y de gobernación.” Mármol Carvajal: Historia VIII, II. Vgl. Mármol Carvajal: Historia V, VIII; Martínez Millán (1992), S. 163; Brendecke (2009), S. 237. „Antes entiendo seran mas licenciosos y desordenes porque quanto mas se les de la mano en robar tanto menos guardaran la orden militar.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2251, fol. 230r. „Mas daño que provecho.” Ebd. „Don Juan de austria pareciendole que se lebantara mucha mas gente de guerra para este exercito y con mayor presteza si se publicase y declarase generalmente campo franco en esta nueva entiada de manera que entendiese la gente que todo avia de ser suyo sin dar parte ni quinto a V. m. ni otro derecho alguno y aviendose tratado en ello parecio a todos que era conveniente cosa para sacarse y lebantarse mas presto la gente y viniesen y permaneasen con mayor voluntad en ella q[ue] esto se hiziese y publicase asi consultando lo primero a V. m. o al menos se provase por dos o tres meseS. A mi me parecio que para quitar a V. m. sus quintos y derechos siendo cosa tan llana y asentada de tantos años a tras muy evidente y grande a deser el beneficio que para perder esto V. m. a deconseguir y mas probable de lo que yo siento y entiendo lo eS. Porque no entiendo que por darles campo franco los soldados bien governan mas pero no por eso guardaran mejor la orden y sus banderas y diciplina miliar que es a lo que principalmente sea de atender a mirar.

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Trotz dieser wohl berechtigten Bedenken folgte Philipp II. den Ratschlägen seines Halbbruders und gewährte den königlichen Truppen die Steuerfreiheit auf ihre Beute. Versklavungen dienten somit nicht nur als bloße Möglichkeit, ausbleibende Soldzahlungen zu kompensieren. Gerade im speziellen Fall des campo franco wurde die Sklaverei auch in ein komplexes System einer Belohnungsökonomie eingepasst, die zum Ziel hatte, die Truppenaushebung zu beschleunigen und die Truppenmoral zu stärken. Eine letzte Funktion der Versklavungen, die infolge der Quellenlage nur kurz hervorgehoben werden soll, war militärtaktischer Natur. Die Versklavung von ganzen Ortschaften, Frauen, Kindern und friedlichen moriscos (moriscos de paz) kann auch als Variante des Terrorschocks – wenn man möchte also als eine Art psychologischer Kriegsführung – betrachtet werden. Die groß angelegte Versklavung von Frauen und Kindern in der Umgebung von Málaga im Frühsommer 1569 habe beispielsweise nach Sánchez Ramos die moriskischen Bewohner Málagas derart in Furcht versetzt, dass die Westflanke als zunächst gesichert galt.249 Anhand der Quellen kann letztlich nicht bewiesen werden, dass die Versklavungen von der kastilischen Militärführung bewusst als Mittel eingesetzt wurden, um die moriskischen Feinde zu demoralisieren, der Verdacht liegt jedoch nahe. Wie gezeigt, sah sich der Marqués de Mondéjar unmittelbar nach seiner Forderung, die eigenen Soldaten zu disziplinieren, um die Versklavungen einzudämmen, massiver Kritik ausgesetzt. Die Tatsache, dass er den umfangreichen Versklavungen abgeneigt gegenüberstand, wurde ihm als militärische Schwäche ausgelegt. In der Chronik Mármol Carvajals finden sich zudem zahllose Hinweise auf offiziell legitimierte Überfälle auf moriscos de paz, bei welchen große Mengen an Sklaven gemacht wurden. Ein Beispiel wäre der geplante Angriff des Marqués de los Vélez auf eine moriskische Olivenplantage, einige Wegstunden von der Ortschaft Fiñana entfernt. Dieser Überraschungsangriff auf moriskische Erntehelferinnen brachte eine vom Chronisten zwar nicht näher bestimmte, aber doch als groß bezeichnete Menge an Sklavinnen ein.250 Eine kompromisslose Kriegsführung, die auf die

Antes entiendo seran mas licenciosos y desordenes porque quanto mas se les de la mano en robar tanto menos guardaran la orden militar porque todo se pasara en robar lo qual desde el principio desta guerra a sido causa la licencia grande que tubieron de la desorden que oy ay. Y quanto mas robaren y se les diere mano para ello tanto sera mayor desorden y asi entiendo que desto se seguira mas daño que provecho. V. m. proveera y mandar lo que mas fuere servido.” Ebd. 249 Sánchez Ramos (2000), S. 524. 250 „Aben Aboo había enciado gran número de mujeres a coger la aceituna en los lugares del río del Boloduí. [...] Los cuales alcanzaron algunos hombres y los mataron, y captivaron

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massenhafte Versklavung der Angehörigen der gegnerischen Soldaten setzte, war – ob langfristig geplant oder nicht – auf psychologischer Ebene durchaus wirksam.251 Im Gegensatz zu diesen vielschichtigen Vorteilen, die die Sklaverei für Krone, lokale Eliten und Soldaten bereithielt, hatte sie auch entsprechende dysfunktionale Auswirkungen. Betrachtet man die überlieferten Quellen, so wird schnell erkennbar, dass sich diese mitnichten auf die eingangs erläuterten religiösen Bedenken Philipps II. beschränkten. Vielmehr fällt auf, dass die Argumente, die gegen die massenhafte Versklavung der moriscos vorgebracht wurden, meist praktischer Natur waren. Wie der Marqués de los Vélez in seinem Brief an Philipp II. 1569 betonte, waren Sklaven als Beuteobjekte für die Motivation der Truppen grundlegend. Auf der anderen Seite verdeutlichte schon die Einschätzung des Steuereintreibers Diego Briviesca de Muñatones zu den Nachteilen des campo franco, dass die Fixierung der Söldner auf Beute schlechte Auswirkungen auf die Truppendisziplin haben konnte. Tatsächlich sind Quellenberichte über schlecht disziplinierte Söldner, die sich durch die Aussicht auf reiche Beute in Form von Sklaven obrigkeitlichen Anordnungen widersetzten, plünderten oder gar desertierten, um alleine auf Beutezug zu gehen, omnipräsent. So verließen etwa im Spätsommer 1569 ganze 9.000 Mann die Streitmacht des Marqués de los Vélez, da sie mit der Anzahl an versklavten moriscos unzufrieden waren.252 Ein ähnliches Beispiel ereignete sich im Frühjahr des Folgejahres, als 4.000 Söldner aus der Truppe Don Antonio de Lunas desertierten. Die Gründe waren zum einen die schlechte Versorgungslage und zum anderen erneut das Verlangen nach großzügigerer Beute.253 Einer der ersten zentralen Akteure, der diese Problematik erkannte, war der Marqués de Mondéjar. Während der Beratungen nach der Ankunft Don Juans im April 1569 betonte er immer wieder, dass den Söldnern bei der Versklavung unschuldiger moriscos Einhalt geboten werden müsse, damit die militärische Disziplin gewahrt würde. Um Abhilfe zu schaffen, sollten spezielle ­Verwaltungseinheiten

mucha cantidad de moras, y tomaran muchos bagajes.” Mármol Carvajal: Historia VII, XXII. 251 Zum modernen Konzept der psychologischen Kriegsführung, das sich freilich nur mit großen Abstrichen auf vormoderne Kriege übertragen lässt, siehe: Linebarger (1960); Streibl (2004). 252 Die Zahl von 9.000 Söldnern, die Mármol Carvajal nennt, ist vermutlich übertrieben. Mármol Carvajal: Historia VII, IX. 253 Mármol Carvajal: Historia VIII, IX. Die Verbindung von Versklavungen und ­schlechter Truppendisziplin findet sich auch in der Forschung sehr häufig: F­ ernández Chaves/Pérez García (2009), S. 77; Domínguez Ortiz/Vincent (1984), S. 36; ­Harvey (2005), S. 227; Sánchez Ramos (2000), S. 528; Perry (2005), S. 227.

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(presidios) in den verschiedenen Regionen des Kriegsgebietes eingerichtet werden, die dafür verantwortlich sein sollten, Versklavungen von moriscos de paz zu verhindern und Zuwiderhandlung zu bestrafen.254 Auf ähnliche Weise wandte sich der militärische Befehlshaber Luis de Requesens, später bekannt als Statthalter der spanischen Niederlande, an Philipp II: Er berichtet von der Versklavung einer großen Menge von Frauen und Kindern. Die genaue Anzahl der Sklaven könne er jedoch nicht angeben, da die Versklavungen „während der größten Unordnung der Welt“255 stattgefunden hätten. Die militärische Unordnung lag zum einen an der bereits erwähnten schlechten Ausbildung der Soldaten. Zum anderen war aber auch die Uneinigkeit in der militärischen Führung über die Versklavung der moriscos ausschlaggebend. Dies spiegelt sich in zahlreichen lokalen Konflikten, die während des Krieges anhand von Versklavungen entbrannten: Am 28. Februar 1569 etwa plünderten kastilische Reiter die Häuser des Ortes Lauxar de Andarax und versklavten deren Bewohner. Dies führte zu einem handfesten Streit zwischen den Hauptleuten der Truppen und dem Oberbefehlshaber Álvaro Flores. Letzterer bestand darauf, die Befehle des Marqués de Mondéjar, der die Versklavung von moriscos de paz untersagt hatte, einzuhalten.256 Auch die internen Auseinandersetzungen zwischen Mondéjar und Vélez führten zum Kontrollverlust über die eigenen Truppen. So berichtet Mármol Carvajal, dass Anfang des Jahres 1569 Söldner des Marqués de los Vélez in die durch Mondéjar befriedete Ortschaft Pezcina kamen. Laut dem Chronisten standen die Einwohner, die sich bereits ergeben hatten, unter dem Schutz Mondéjars, der zu diesem Zweck sogar zwei Soldaten zurückgelassen hatte. Die Söldner Vélezʼ ließen sich hiervon jedoch nicht zurückhalten: Einer der Soldaten Mondéjars wurde getötet und die 1.500 überlebenden Bewohner der Ortschaft wurden gefangen genommen. Die Männer 254 „El marqués de Mondéjar fue el primero que propuso […] facilitando el efecto de la redución con la disciplina de la gente de guerra, y loándola por el más breve y seguro remedio. [...] Que se pusiesen presidios de gente de guerra en los lugares convenientes [...] para que los defendiesen de los males y daños que la gente desmandada les hacía.” Mármol Carvajal: Historia VI, VII. 255 „Tomaronse gran cantidad de esclavas y ninos.El numero de los quales no puedo certificar a V. M. porque en esto ha passado la mayor desorden del mundo.” Luis de Requesens an Philipp II. am 14.6.1569. AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 99r. 256 „Los capitanes de la caballería quisieran tomar por esclavos todos los moros y moras que se habían venido aguaracer en las casas de los reducidos, diciendo que no se entendía con ellos la salvaguardia; y Álvaro Flores se lo había contradicho con la orden que llevaba del Marqués para conservar los que se hubiesen ya reducido y todos los que se viniesen a reducir; el cual mandó que no tocasen en os unos ni en los otros, sino que los dejasen estar libremente en sus casas, sin darles pesadumbre.” Mármol Carvajal: Historia V, XXV.

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wurden als Rudersklaven an die Küste geschickt, während die Frauen auf dem nächstliegenden Sklavenmarkt verkauft wurden.257 Diese Beispiele offenbaren, dass die Aussicht auf Sklaven während des Krieges nicht nur die Truppenaushebungen erleichtern und die Motivation der ­Soldaten steigern konnte. Ebenso führte die Gier nach schneller Beute zu Desertion, illegalen Plünderungen sowie zu Versklavungen, was eine Verlängerung des Krieges zur Folge hatte. Philipp II. war somit einerseits dazu gezwungen, die gröbsten Fälle militärischer Disziplinlosigkeit, die durch die Versklavungen entstanden, zu bekämpfen. Andererseits war es notwendig, Sklaven als Beute immer virulent zu halten, um so den Nachschub an Soldaten zu gewährleisten und zu verhindern, dass diese sich auf eigene Faust auf Raubzüge begaben. Am 19. September 1570 brachte Luis de Requesens seine Meinung über die massenhaften Versklavungen in einem Brief an seinen Vorgesetzten Don Juan deutlich zum Ausdruck: „Ich versichere eurer Exzellenz, dass ich diesen Sklavinnen und der Habgier der Truppe nach ihnen überdrüssig bin.“258 Der Überdruss, den der engste Berater Don Juans bedauerte, lässt sich in erster Linie auf logistische Schwierigkeiten zurückführen. Tatsächlich hatte die Beute in Form von Sklaven erhebliche negative Auswirkungen auf das militärische Leistungsvermögen der kastilischen Truppen. Requesens beklagte sich mehrfach bei Don Juan, dass der Transport von Sklaven aus seinem Befehlsbereich die militärischen Ressourcen aufzehren würde. In selbigem Schreiben, dem obiges Zitat entstammt, bezweifelte er gegenüber seinem Vorgesetzten stark, dass der Transport von 800 Sklaven in die Städte Adra und La Callahorra militärisch zu verantworten ist, da „niemand seine Sklaven übersendet, ohne diese von Soldaten begleiten zu lassen“. Darüber hinaus lasse die miserable Versorgungslage die Verpflegung großer Mengen an Sklaven kaum zu.259 ­Wenige Wochen später 257 „Salió también estos días del campo del marqués de los Vélez una compañía de infantería de los de Lorca, que anduvo por las taras de Berja y Dalías robando todos quellos lugares, y llegando hasta Pezcina, donde estaban dos soldados de guardia que había dado el marqués de Mondéjar a los vecinos, para que si acudiese alguna gente desmandada mostrasen la salvaguardia y no dejasen hacerles daño, aunque salieron a recebirlos con el alguacil del lugar y se la mostraron, como si no fueran obligados a guardala por no ser del marqués de los Vélez, entraron airadamante en las casas y las saquearon, y captivaron mil y quinientas almas entre mujeres y niños, y mataron el uno de los soldados porque se lo reprehendía. [...] Y pasando al lugar, los saqueó y trajo captivas las mujeres, sin hallar quien le hiciese resistencia [...]. Los moros se llevó don Sancho para las galeras, y las moras fueron vendidas por esclavas.” Ebd. VI, III. 258 „Yo certifico a V. ex[elenci]a que me cansan tanto estas esclavas y la codicia que la gente trae por ellas.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2155, fol. 64r. 259 „Yo estuve en gran duda si embiara esta escolta a Adra o a la calahorra porque embiandola a essa parte desembarcia este campo demas de 800 sclavos y esclavas que ay en el, pero

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schrieb Requesens erneut seinem Befehlshaber mit der Bitte, den Abtransport von Sklaven aus seinem Befehlsbereich zu stoppen, da mit jedem Transport hunderte Soldaten und mit ihnen große Mengen an Lebens- und Versorgungsmitteln die unmittelbare Kampfzone verlassen.260 Das Antwortschreiben Don Juans enthält pragmatische Lösungsansätze: Zunächst solle vermieden werden, dass die Sklaven zu viel Proviant verbrauchen. Zum a­ nderen – und dies deutet schon auf die Praktiken hin, die ich im Folgekapitel hinsichtlich der Beuteökonomie besprechen möchte – sollte Luis de Requesens umgehend zwei Amtsträger pro Kompanie bestimmen, die das besondere Vertrauen der Soldaten genießen. Diese sollten schon während des Transportes der Sklaven für deren Weiterverkauf zuständig sein, um so den Prozess des Sklavenverkaufs zu beschleunigen, ohne dass die Soldaten finanzielle Einbußen verzeichneten.261 Andere militärisch-logistische Schwierigkeiten, die aus dem Sklaven­fang und -handel erwuchsen, lassen sich gut anhand zweier Berichte Mármol Carvajals exemplifizieren. Das erste Beispiel ereignete sich unmittelbar nach der eben erwähnten Versklavung der 1.500 moriscos in der Ortschaft Pezcina durch Truppen des Marqués de los Vélez. Während die kastilischen Söldner sich bemühten, ihre reiche Beute in die nächstliegende größere Stadt zu bringen, um sie gewinnbringend zu veräußern, nutzen die Dorfbewohner, die Tod oder Versklavungen entkommen waren, die Zeit, um eine größere Zahl an moriskischen Kämpfern herbeizurufen. Nachdem sie die durch die zahlreichen Gefangenen verlangsamten kastilischen Streitkräfte einige Tage später eingeholt hatten, gelang es den moriscos, in einem Überraschungsangriff die kastilischen Söldner zu überwältigen, was ihnen laut dem Chronisten einen großen Sieg einschließlich bedeutender Beute in Form von Waffen und militärischer Ausrüstung einbrachte. Grundlage dieses Sieges über einen militärisch hoch überlegenen Feind waren zum einen die klimatischen Verhältnisse, die sich

temi que seme fuera por ay mucha gente porque nadie embie sus esclavas que no embie con ellas soldados, y tambien entendi del proveedir delgado que no ay en la calahorra tanta vichialla quanta pudieran cargar mil y seys cientos bagajes que agora havra aqui.” Ebd. 260 „Desseo que se acabe de desembarcar este campo de esclavas, pues con haver ydo en la escolta pasada mas de mill deve de haver y a otras tantas y cada dia vienen y en los que toca a los pasa partes de los Vagajes y a la vitualla.” Ebd., fol. 106. 261 „Los sclavos y sclavas que ay se hallan no pueden dexar degastar mucha vitualla y embaracar el campo y assi soy de parescer que con la primer escolta que venga a la calahorra se traygan nombrando de cada comp[ani]a dos otres hombres de quien los soldados mas confien para que se hallen en la venta dellas de manera que no rescivan agramiem en gano.” Ebd., fol. 66.

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die moriscos zu Nutze machten: Starker Regen und Nebel machten die Verwendung von Arkebusen unmöglich. Wichtiger aber noch war laut Mármol Carvajal, dass die Kastilier „durch die Mitnahme einer so großen Anzahl an menschlicher Beute behindert waren“262. Eine Anzahl von 1.500 Gefangenen war durch eine kleinere Truppeneinheit nur schwer zu kontrollieren und bot somit ein attraktives Ziel für moriskische Kampfverbände.263 Ein ähnlicher Fall, der diese Problematik gut aufzeigt, ereignete sich im April des Jahres 1569. Die beiden Anführer Antonio de Ávila und Álvaro Flores waren auf Befehl des Marqués de Mondéjar mit ihren Einheiten ins Zentrum der Alpujarras aufgebrochen, um den Anführer der moriscos, Aben Humeya, gefangen zu nehmen. Nachdem diese Mission aus verschiedenen Gründen gescheitert war, kamen sie auf ihrem Rückweg durch die Ortschaft Válor am südlichen Rand der Sierra Nevada. Obwohl die Bewohner des Ortes als moriscos de paz unter dem Schutz des Marqués de Mondéjar standen, wurden ihre Häuser geplündert, die meisten Männer getötet und die Frauen versklavt. Nachdem die Sklavinnen wie üblich in der örtlichen Pfarrkirche gesammelt worden waren, stellte sich die Frage, wie mit ihnen umgegangen werden sollte. Zwei ortskundige Soldaten rieten ihren Anführern, die Sklavinnen unter Bewachung in der Kirche zu lassen, da der Weg zurück zu ihrem Stützpunkt nach Órgiva zu weit und zu gefährlich sei, um 1.200 Sklavinnen zu Fuß mit sich zu führen. Während Álvaro Flores bereit war, diesem Ratschlag zu folgen, machte sich Antonio de Ávila – Mármol Carvajal zufolge aus Habgier und Überheblichkeit – über diesen lustig und befahl den sofortigen Abmarsch inklusive der Sklavinnen. Einige Stunden später trafen sie auf zwei moriscos, die baten, ihre Frauen freizulassen: Sie hätten sich bereits ergeben, seien demnach moriscos de paz und unschuldig. Der Marqués de Mondéjar hätte ihnen zudem persönlich freies Geleit (salvaguardia) zugesichert. Nachdem der kastilische Truppenführer auch für diese kein offenes Ohr hatte, griffen aus einem Hinterhalt 500 moriskische Kämpfer die 250 kastilischen Soldaten an und schlugen diese vernichtend; ein moriskischer Sieg, der nicht nur den Tod Antonio de Ávilas sowie den Verlust der wertvollen 262 „Embarazados con una presa tan grande de gente.” Mármol Carvajal: Historia VI, III. 263 „Los otros, que eran muchos, huyeron a las sierras, y juntando más gente [...] y con la ocasión de una niebla muy espesa y de una aguanieve que se les oferció favorable, los acometieron por diferentes partes dando grandes alaridos; y como los soldados no se pudiesen aprovechar de sus arcabuses porque [...] del fogón se les mojaba el polvorín, yendo ansí mesmo embarazados con una presa tan grande de gente, ganados y bagajes, tuvieron lugar los moros de entrarles, y desbaratándolos [...] y les tomaron mucha cantidad de arcabuses, ballestas y espadas, con que se acabaron de armar los que no lo estaban. Con esta vitoria y con la presa que cobraron, volvieron los moros a sus lugares menos contentos.” Ebd.

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militärischen Ausrüstung bedeutete, sondern aus dem die moriscos nach Mármol Carvajal auch erhebliche Zuversicht bezüglich des weiteren Kriegsverlaufes gewannen.264 Aus diesen Beispielen geht die logistische Problematik der Versklavungen während des Krieges deutlich hervor. Für jeden Transport von Sklaven aus den Kampfzonen zu den umliegenden Sklavenmärkten wurde eine größere Menge an Soldaten als Eskorte benötigt; eine Belastung, die für die ohnehin personell schwach besetzte kastilische Streitmacht kaum zu bewältigen war. Hinzu kam, dass Sklaven als menschliche Beute verpflegt werden mussten. Eine Aufgabe, die die Führung der kastilischen Truppen in Zeiten, in denen die eigenen Soldaten kaum versorgt werden konnten, vor große Probleme stellte. Darüber ­hinaus war der Transport der Sklaven eine große logistische Herausforderung: So war es für die kastilischen Truppen schwierig, eine zahlenmäßig meist hoch überlegene Menge an Sklaven durch unwegsames Gelände zu transportieren. Sklaven als teilmobile Form von Beute verlangsamten die Truppenbewegungen erheblich, behinderten so die Kriegsführung und bargen ferner immer ein 264 „Dos cuadrilleros, como hombres práticos, dijeron a los capitanes que de su consejo dejasen la presa y se recogiesen con tiempo, porque tenían ocho leguas de camino áspero y fragoso hasta llegar a Órgiba, y si cargaban enemigos, correrían riesgo de perderse. Alvaro Flores quisiera tomar su consejo; mas Antonio de Ávila burló dél, diciendo que con la gente que allí tenía atraversaría toda África, llevando mayor presa que aquella. Con este no menos cudicioso que soberbio parecer se conformaron todos los soldados y aventureros, y sacando las moras de la iglesia siendo ya alto el día, hicieron dos escuadrones; con el un tomó la vanguardia Álvaro Flores, y el otro quedó de retaguardia a orden de Antonio de Ávila; y metiendo las moras en medio, que pasaban de mil y docientos almas, con algunas mangas de arcabuceos a los lados.[...] A este tiempo los moros, despojados de sus mujeres y hijos y de sus haciendas, conociendo haber sido desorden la que se había hecho, enviaron dos hombres delante, que dijesen a los capitanes que mirasen que tenían salvaguardia del marqués de Mondéjar y estaban reducidos, y que no había causa por donde hacerles tanto mal; que si había sido inadvertancia de algunos soldados, lo pasado fuese pasado, y les dejasen sus mujeres y hijos, porque ellos querían paz y quietud en sus casas, y de lo contrario, tomaban a Dios por testigo. A los cuales respondió Antonio de Ávila con palabras injuriosas, llamándolos de perros traidores a Dios y al Rey [...] y les mandó tirar de arcabuzados. Viendo esto los moros, acudieron como quinientos, la mayor parte desarmados, y acometieron como hombres desesperados a los docientos y cincuenta soldados al tiempo que iban bajando la cuesta de la ladera; y desbaratándolos a los docientos y cincuenta soldados.[...] Mataron a Antonio de Ávila y más de treinta dellos; los otros dieron todos a huir vilmente. [...] Este fue un infelice suceso con que los moros tomaron ánimo, porque se perdieron aquel día al pie de mil cristianos y mucha candidad de armas y de dineros que llevaban, con que se satisficieron bien del daño recebido en LáorleS. [...] Esta gran pérdida.” Ebd. VI, I.

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akutes Gefahrenpotential in sich. Letztlich stellten Soldaten, die Sklaven mit sich führten, stets ein attraktives Ziel für Befreiungsaktionen dar, denen die Kastilier ihrerseits selten etwas entgegenzusetzen hatten. Neben den enormen Einnahmen, die die Krone und andere Akteure durch die Sklaverei erzielten, barg die massenhafte Versklavung der moriscos auch schwerwiegende ökonomische Nachteile. So führte die große Anzahl der m ­ orisco-Sklaven, die binnen dreier Jahre den iberischen Sklavenmarkt erreichte, zu einem Preisverfall, der den Kauf eines Sklaven selbst für untere soziale Schichten ermöglichte. Kostete ein Sklave während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen zwanzig und vierzig Dukaten, so stiegt der Preis in den Sechzigerjahren auf bis zu einhundert Dukaten an, was Martín Casares vor allem mit einem allgemeinen Lohnanstieg in Verbindung bringt. Ab dem Ausbruch des Krieges 1569 fiel der Preis jedoch auf das Preisniveau der Zwanzigerjahre zurück, was einem Einbruch um rund 75 Prozent gleichkommt.265 Die günstigen morisco-Sklaven beeinflussten den Markt derart, dass dieser innerhalb von drei Jahren weitgehend gesättigt war. Der Handel mit teureren negro-Sklaven aus den subsaharischen Gebieten Afrikas kam somit fast zum Erliegen.266 Neben dem Gewinn, den die Krone durch die Sklaverei erzielte, ist auch der finanzielle Verlust, den die Sklavenhändler – und durch Steuerabgaben letztlich auch die Krone – durch diese massive Verbilligung von Sklaven erlitten, kaum zu quantifizieren. Der geringe Wert der morisco-Sklaven wirkte sich schließlich auch negativ auf die Einkünfte der Söldner aus. Ein Söldner war folglich gezwungen, für die Kompensation seiner Kriegskosten noch mehr Beute in Form von Sklaven zu machen, was freilich wiederum die Preise drückte. Die finanziellen Vorteile, die die Sklaverei kurzfristig bot, müssen ­mittelfristig betrachtet wohl relativiert werden. Ohne dies an konkreten Zahlen belegen zu können, liegt es nahe, dass der Preisverfall, der der guerra de Granada f­ olgte, einer erheblichen Schwächung des iberischen Sklavenmarktes gleichkam. Die Versklavungen und die Deportation eines großen Teils der Bewohner der Alpujarras und anderer Gebiete des Reino de Granada führten noch zu anderen negativen Auswirkungen im ökonomischen Bereich: Nach der Beendigung des Krieges im Jahr 1571 häuften sich die Beschwerden, dass durch Krieg, Versklavung und Deportation die Entvölkerung ganzer Landstriche erfolgt sei. So fordert ein Memorial, das an Requesens und Deza gerichtet war, dazu auf, die menschenleeren Ortschaften der Alpujarras schnellstmöglich neu zu ­besiedeln. Durch die Deportation der moriscos fehle es an A ­ rbeitskräften, 265 Martín Casares (2000a), S. 217–219. 266 Vgl. ebd., S. 96 und 219 f.; Pereiro (1986), S. 325; Aranda Doncel (1981), S. 150; Cortés López (1981), S. 39; Phillips (2010), S. 161.

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um die Felder zu bestellen und somit den Nachschub an Nahrungsmitteln zu ­gewährleisten.267 Die Krone, die Kirche mit ihrem großen Landbesitz und letztlich vor allem der regionale Adel waren in hohem Maße von ihren moriskischen Vasallen und deren landwirtschaftlichen und handwerklichen Erträge und Abgaben abhängig. Die Tatsache, dass die Entvölkerung ganzer Gebiete auch die Ländereien von Kirche und Adel betraf, dürfte deren Einkünfte stark reduziert haben. Deutlich wird dies an einer anonymen Beschwerde, die den Hof in Madrid im Jahr 1571 erreichte: Das Königreich ist noch immer verödet und entvölkert, […] die königlichen Renten, die von großer Bedeutung gewesen sind, sind fast alle verloren; ebenso die kirchlichen Einkünfte und der Unterhalt der Priester, der durch den Zehnt und die Ländereien, die nun nicht mehr bestellt werden können, gewährleistet war.268 Obwohl es keine unmittelbaren Beschwerden des regionalen Adels gibt, die einen ähnlichen Einnahmeverlust durch die Entvölkerung ihrer Ländereien beklagten, liegt es nahe, dass auch diese davon betroffen waren. Es kann deshalb vermutet werden, dass der „altchristliche“ Adel – man denke vor allem an den Marqués de Mondéjar – aus genau diesem Grund die Versklavungen der moriscos bekämpfte. Schon während der Diskussionen um die Deportation der moriscos aus der Stadt Granada hatte Mondéjar angemerkt, dass eine Entvölkerung des Reino de Granada den Verlust der landwirtschaftlichen ­Erträge nach sich ziehen würde.269 Dass anhand der Sklavereikritik, die sich an den praktischen Nachteilen der Entvölkerung entzündete, ein gewisses 267 Anonymer Memorial an Luis de Requesens und Pedro de Deza, ohne Datum: „En lo de los lugares principales se entiende que con la saca de los moriscos que era tanta parte de la vencidad asi en el numero por ser muchos como en el servicio y necessidad para la labor de la tierra opifiados y artifiados y otros offi[ci]os y artes mecanicas juntandose conesto lo de la guerra y lo que de alla a resultado esta en gran parte diminuido lo de la poblacion en muchos lugares y que es de gran ymportancia y muy necessario al restaurarlo y ano quiere su mag[esta]d saber que orden y forma se tendra en esta parte.” AGS, CCA, Cédulas, L. 259, 3v-5v. 268 „Memorial sobre las cossas de la poblacion del reyno de granad: Lo del hecho es notorio la tierra y Reyno queda yerma y depoblada fuera de los lugares principales en los quales assimismo ay gran falta y diminuicion las rentas de su mag[esta]d que heran de gran sustancia y cantidad casi del todo perdidas y lo mismo las eclesiasticas y hostenimiento de los ministros de la yglessia que consiste en los diezmos y otras heredades las haziendas de los particulares sin se poder cultivar ni beneficar.” Ebd., 5v-10v. 269 Mármol Carvajal zitiert Mondéjar indirekt: „Diciendo que cómo se había de despoblar un reino como aquel, donde se perderían los frutos de la tierra, que tan apropriada era para aquella nación.“ Mármol Carvajal: Historia VI, VIII.

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Maß an rationaler Bevölkerungspolitik abgelesen werden kann, wird sich anhand der Debatten um die indio-Sklaverei noch in einem größeren Ausmaß zeigen. Die Konfliktlinie zwischen Sklavenjägern und alteingesessenem Adel, der kein Interesse daran hatte, seine Abgaben leistenden Vasallen als Sklaven an ­ortsfremde Soldaten zu verlieren, wird überdies im Abschnitt zur Sklaverei im Friedensprozess noch einmal eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Als letzter Punkt hatte auch die militärische Taktik der Versklavungen als Terrorschock entsprechende dysfunktionale Auswirkungen. Führten die Versklavungen ganzer Ortschaften, in erster Linie von Frauen, Kindern und ­moriscos de paz, zu Anfang des Krieges noch zu Verängstigung, Demoralisierung und Flucht, kann einige Monate später in vielen Fällen das Gegenteil konstatiert werden: Das kompromisslose Vorgehen, das vor allem der Marqués de los Vélez, aber auch Don Juan, an den Tag legten, führte zu einer Art ­Motivation der Verzweifelten auf Seiten der moriscos. Mármol Carvajal sieht die Verantwortung dafür, dass das Kriegsgeschehen im Frühjahr 1569 erneut aufflammte, bei der radikalen Vorgehensweise der kastilischen Truppen, insbesondere durch die Versklavungen: Diese Disziplinlosigkeiten […] waren der Grund, weshalb Dörfer, die sich bereits ergeben hatten, erneut zu den Waffen griffen […] und Abén ­Humeya neue Streitkräfte bescherte.270 Die Verzweiflung, der sich die moriscos angesichts der Versklavung ihrer F­ rauen und Kinder ausgesetzt sahen, kann dem Chronisten nach als einer der Hauptgründe für deren Kampfeswillen betrachtet werden; noch für das letzte Kriegsjahr 1570 stellte er fest: „Die Feinde kämpfen wie Männer, die dazu bestimmt sind, ihr Leben zu verlieren […]; für die Freiheit ihrer Frauen und Kinder.“271 Dieser Aspekt der Versklavungen spielte nicht nur für Mármol C ­ arvajal eine große Rolle. Auch in den Debatten um die Art und Weise der kastilischen Kriegsführung, die ab Januar 1569 intensiv geführt wurden, war er präsent. Juan Bautista de Antonelli, wichtiger militärischer Ratgeber der Krone272, räumte der ­Thematik der Sklaverei in seinem „Discurso sobre lo de la guerra 270 Ebd. VI, IV. .

271 Ebd. VIII, XXVIII. 272 Der italienische Bauingenieur Juan Bautista Antonelli verfasste zahlreiche Memoriale zu militärischen Themen. So etwa zur Verteidigung der Grenze Navarras (AGS, GA, L. 72, fol.

194r-v), zu notwendigen Verteidigungsanlagen gegen die türkische Flotte an der iberischen Ost- und Südküste (ebd., fol. 195r-v) und viele weitere (ebd., fol. 295r-v). Zu seiner Biographie siehe: Fernández de Navarrete (1851), S. 171–174.

273 Ebd., fol. 181.

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de ­Granada“273 eine b­ edeutende Stellung ein. Da es für die moriscos um Leben und Tod sowie um die Freiheit ihrer Angehörigen gehe, empfahl er Philipp II. gar, offene Schlachten zu vermeiden: Als zentraler Punkt erscheint mir, dass gegen diese [die moriscos, Anm. d. V.] aus vielen Gründen die offene Schlacht vermieden werden muss. Der erste Grund ist, dass es sich um Menschen handelt, für die es um Tod oder Sieg geht […] und die für ihre Freiheit und die ihrer Frauen und Kinder kämpfen.274 Aus diesem Grund sollten die kastilischen Truppen auch unbedingt auf Razzien, Plünderungen und damit zusammenhängende Versklavungen verzichten275, da hierdurch lediglich andere moriscos und nordafrikanische moros zum Widerstand animiert würden276. Eine weit wirkungsvollere Lösung sieht Antonelli im Abschneiden der Kommunikationswege zwischen Gebirge und Meer, um so die Unterstützung der moriscos durch die nordafrikanischen „Barbareskenstaaten“ zu unterbinden. Auf diese Weise könne der moriskische Widerstand gebrochen werden, ohne den Feind im unwegsamen Gebirge unter hohen Verlusten bekämpfen zu müssen.277 Trotz der hohen Detailkenntnis und militärischen Expertise, die Antonelli in seiner Abhandlung unter Beweis stellt, wurden seine Vorschläge nur zum Teil umgesetzt. Zwar versuchte Sancho de Leiva mit seiner Flotte mit überschaubarem Erfolg die andalusische Küste vom nordafrikanischen Nachschub abzuschneiden. Dem Ratschlag, die Versklavung der moriscos zu unterbinden oder gar offene Schlachten zu vermeiden, wurde aber offenkundig keine Aufmerksamkeit geschenkt. Zusammenfassend können für diesen Abschnitt letztlich folgende Punkte festgehalten werden: Die Debatten um die Versklavungen der moriscos gingen bedeutend weiter als die theologisch-juristischen Bedenken, die Philipp II. im 274 „El punto principal parece q[ue] es no venir a battal con estos por muchas razones; Primeram[ente] porq[ue] se combatte con gente determindado de morir, o de vencer [...] su libertad y de sus mujeres y hijos.” Ebd. 275 „V. mag[estad] no dexa alli rayzes y [es]clavos.” Ebd. 276 „Encender un fuego que fuese muy malo.“ Ebd. 277 „Conviene buscar una manera q[ue] sea mas segura y mas libre de tantos ynconvinientes y que se vaya a manifiesto camino de conquistarle la tierra y acabaste las fuercas sin riesgo. [...] Estos moros tienen toda su confianza en lo de la tierra y de la mar [...] tienen su mayor fortaleza [...] en la sierra nevada en las guajaras, y en la sierra de ventomir, la otra confianza en lo de la mar es por el socorro que le viene de Berberia, de Armas, municiones, algunos soldados.[...] Quitarle la comunicacion del Mar, esto se puede hazer con las Galeras.” Ebd.

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Januar 1569 plagten. Die Sklaverei hielt für alle Akteure multifunktionale Vorteile und entsprechende Nachteile bereit. Sie stellte eine attraktive Form der Bestrafung dar, da so die unökonomische Todesstrafe vermieden werden konnte, während die Sklaverei zeitgleich zu einem Akt königlicher Gnade stilisiert werden konnte. Zudem diente die Beute in Form von Sklaven sowohl als Sold wie als Motivation. Nur durch die Aussicht auf reiche Beute gelang es den Verantwortlichen überhaupt, ausreichende Truppenaushebungen vorzunehmen. Auf der anderen Seite konnte nachgewiesen werden, dass die übermäßige Konzentration der Truppen auf das Fangen von Sklaven zu lokalen Konflikten, illegalen Plünderungen und Desertionen führte und so letztlich die Truppendisziplin erheblich störte. Auf ökonomischer Ebene war die Sklaverei für die Krone ebenso ambivalent: Den enormen Steuereinnahmen durch quinto und alcabala stand das Ruinieren des iberischen Sklavenmarktes für mehrere Jahre sowie die Entvölkerung ganzer Landstriche im Reino de Granada gegenüber. Letztlich war auch der militärtaktische Aspekt der Sklaverei zwiespältig: Einerseits konnten die Versklavungen als Taktik des Terrorschocks die Feinde demoralisieren. Andererseits schlug dies auch häufig ins Gegenteil um, sodass sich die moriscos in einem kompromisslosen Kampf um Freiheit und Überleben befanden. Letztlich waren es nicht bloße finanzielle Interessen marodierender Soldaten, die die massenhaften Versklavungen von moriscos während der drei Kriegsjahre zu verantworten hatten. Darstellungen, die die Versklavungen allein undisziplinierten und gierigen Truppenteilen anlasten, übersehen, dass alle beteiligten Akteure versuchten, ihren Einfluss auf die königliche Sklavereipolitik geltend zu machen. Die Interessen an der Sklaverei waren weit gestreut. Ihre multidimensionalen Vorteile, seien sie herrschaftspolitischer, militärtaktischer, religiöser oder fiskalisch-ökonomischer Natur, machten die Versklavungen für viele beteiligte Akteure attraktiv, während ihre Nachteile und Risiken in den meisten Fällen ausgeblendet wurden. Da Philipp II. in der guerra de Granada auf Beute in Form von Sklaven angewiesen war, bedeutet dies für ihn eine politische Gratwanderung zwischen einer Erlaubnis der Sklaverei und der Verhinderung allzu weitgehender Exzesse. Einen Kompromiss, wie im Vorkapitel dargelegt, fand er bereits in dem Verbot der Versklavung Minderjähriger. Eine zweite Lösung stellte die administrative Durchdringung der Beuteverteilung dar, um die es im folgenden Abschnitt gehen soll.

278 Jucker (2011), S. 37.

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4.3 Gerechte Verteilung: Sklaverei und Beuteökonomie „Der Beute inhärent ist der Prozess der Akkumulation und der Distribution.“278 Nachdem im vorherigen Abschnitt bereits die Formen und Funktionen der Versklavungen (also die Akkumulation im weitesten Sinne) im Zentrum standen, soll es nun um den Vorgang der Sklavenverteilung gehen. Grundlegend sind hier neuere Forschungsansätze zur Beuteökonomie und Verteilungsgerechtigkeit279, wie sie seit einiger Zeit in der historischen Forschung populär sind. Wie jüngst vor allem von Michael Jucker, Horst Carl und Hans-Jürgen Bömelburg herausgearbeitet wurde, war Beute stets ein elementarer Aspekt der vormodernen Kriegsökonomie.280 Dem Ansatz der Beuteökonomie ist es zu verdanken, dass neben dem offenkundigen ökonomischen Aspekt der Beute die Vielschichtigkeit dieses Phänomens sichtbar gemacht werden konnte. Vorgenannte Forscher konzentrieren sich dabei in erster Linie auf materielle Aspekte der Kriegsbeute und sind darauf bedacht, deren symbolische Semantiken aufzuzeigen. Ein Beutestück transportiert meist mehr Inhalte als seinen bloßen finanziellen Wert. Obwohl Sklaven als Form menschlicher Beute für diesen praxis- und akteurszentrierten Ansatz bestens geeignet erscheinen und darüber hinaus „Gewaltökonomien im Mittelmeerraum auf der Tradition des Sklavenhandels [gründeten]“281, wurde dieser in der Sklavereiforschung bisher kaum rezipiert.282 Formverwandte Ausnahmen stellen lediglich die Arbeiten Wolfgang Kaisers und Nicole Prieschings dar, die Ansätze der Beuteökonomie im Zusammenhang mit Lösegeldzahlungen, Sklavenfreikauf und Gefangenenaustausch im Mittelmeerraum verwenden.283 Die Begriffe der Beuteökonomie und Verteilungsgerechtigkeit eignen sich im Falle der Sklaverei hervorragend, um die vielschichtigen Aspekte von Sklaven als Beute herauszuarbeiten. Die Verteilung 279 Wenn in der historischen Forschung von „Verteilungsgerechtigkeit“ ( justicia distributiva) die Rede ist, ist meist die direkte Belohnung eines Untertanen für seine Leistungen durch einen königlichen Gnadenerweis (merced) gemeint. Diese vormoderne „Belohnungsökonomie“ war für das politische System des frühneuzeitlichen Kastiliens essentiell. Die hier entstandene kollektive Erwartung von gerechter Entlohnung einer Leistung lässt sich auch auf die Beute- und Sklavenverteilung übertragen. Zum Begriff der justicia distributiva siehe vor allem: Fernández Navarrete: Conservación, S. 202–204. Vgl. Nieto Soria (1993), S. 202 f.; ebd. (1988), S. 163 f.; Brendecke (2009), S. 54–57. Wesentliches zu Beute und Plünderung siehe bei: Redlich (1956); Kaiser (2008a); Jucker (2008, 2011, 2014); Carl/Bömelburg (2011); Deuchler (2015). 280 Carl/Bömelburg (2011); Jucker (2011). 281 Kaiser (2008a), S. 43. 282 In seiner 2015 erschienen Arbeit geht Florens Deuchler in einem Exkurs auf Sklaven als Beutegut ein. Über einen sehr knappen Überblick über die verschiedenen Facetten der Sklaverei in der römisch-griechischen Antike kommt er jedoch nicht hinaus. Deuchler (2015), S. 111–118. 283 Kaiser (2008b, 2009); Priesching (2012).

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von Sklaven und Sklavinnen als menschliche Beute unter den Soldaten hatte sowohl ökonomische, religiöse als auch herrschaftspolitische Komponenten. Um diese verständlich zu machen, werde ich zunächst auf die Praktiken der Beuteverteilung zu sprechen kommen. Welche distributiven Handlungsformen standen zur Verfügung, wer waren die zentralen Akteure und welche Rolle spielten religiöse und symbolische Aspekte? In einem zweiten Schritt möchte ich den administrativen Zugriff der Krone auf die Beuteverteilungen beschreiben und wie dieser gegen eine „strukturelle Affinität“284 von Gewaltgruppen bezüglich Plünderung und Sklaverei gerichtet war. Im Anschluss werde ich noch einige Beispiele für spezielle Konflikte, die aus dem verstärkten königlichen Eingriff in die Sklaverei hervorgingen, beleuchten. Nachdem der capitán general de las galeras de España, Sancho de Leiva, die oben bereits angesprochenen 186 morisca-Sklavinnen, die er an der Küste nahe Almería gefangen genommen hatte, in die circa 200 Kilometer nordöstlich gelegene Hafenstadt Cartagena verschifft hatte, wurde umgehend mit deren Verteilung begonnen. Anhand der Schriftstücke, die den genauen Ablauf der Verteilung dokumentieren, lässt sich minutiös ablesen, auf welche Weise diese vorgenommen wurde. Zunächst wurden den obersten Militärführern Don Juan de Austria und Luis de Requesens, obwohl diese an den Versklavungen keinerlei Anteil hatten, jeweils vier Sklavinnen zugesprochen.285 Es zeigt sich hier, dass nicht nur die Soldaten ihre Beute untereinander aufteilten, sondern dass auch deren Vorgesetzte, ob direkt beteiligt oder nicht, ihren Anteil beanspruchten und erhielten. Ferner stellte der Anteil Don Juans und Requesensʼ wohl auch eine Absicherung – oder Bestechung – dar, falls es nachträglich zu Konflikten um die Rechtmäßigkeit der Versklavungen kommen sollte. Weitere elf Sklavinnen wurden darüber hinaus an nicht näher genannte Personen, die spezielle Verdienste errungen hatten, sowie an Bedürftige verteilt.286 Der mit Abstand größte Teil der Sklavinnen, nämlich drei Fünftel respektive 99 der übrigen 167 Sklavinnen, erhielt Sancho de Leiva. Ein weiteres Fünftel erhielten die Kapitäne der einzelnen Galeeren. Das letzte Fünftel wurde unter den einfachen Soldaten aufgeteilt.287 Dies allerdings unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass nur diejenigen berücksichtigt würden, die sich auch aktiv am Sklavenfang beteiligt hatten.288 284 Carl/Bömelburg (2011), S. 14. 285 „Sacaronse primero quatro cabecas para dar [...] al senor Don Ju[an] de austria y otras q[ua]tro para el com[endador] mayor.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2251, fol. 246r. 286 „Se repartieron otras onze entre personas buenas, meritas y limosnas.” Ebd. 287 „Las demas Restantes se repartieron dando los tres quintos dellos al dicho don Sancho como por su ynstru[ccion] su M. lo ordena y otro quinto a los capitanes de las galeras que a la sazon se hallaron quando se tomaron y el otro quinto restante se reparte entre los soldados y gente de cabo que asimismo se hallaron presentes.” Ebd. 288 „No a los q[ue] q[ue]daron en el puerto de cartagena con las otras galeras.” Ebd.

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Ein zweites eindrucksvolles Beispiel von Beuteverteilung während der guerra de Granada ist die Verteilung von 2.100 Gefangenen, in erster Linie Frauen und Kinder, nach einer cabalgada, die Milizen aus Almería und Cartagena zusammen mit der Besatzung einiger Galeeren im Jahr 1569 in der Sierra de Inox durchgeführt hatten.289 Auch dieses Schriftstück mit dem Titel „Abhandlung über die Art und Weise, wie die Beute, die die Truppen in der Sierra de Inox ­gemacht haben, aufgeteilt wurde“290 legt genauestens Zeugnis über die rechtmäßige Verteilung der Sklavinnen unter allen Beteiligten ab und gibt Aufschluss über die Mechanismen der Beuteverteilung. Zunächst versuchten sich die anwesenden Truppenführer – unter ihnen die bereits bekannten Francisco de Córdoba, García de Villaroel, Gil de Andrada sowie ein gewisser Don Juan de Canoguera – auf eine gerechte Vorgehensweise zu einigen. Dem anwesenden capitán Luis de Acosta zufolge müsse als erstes „eine Person bestimmt werden, die die Verteilung der Beute schriftlich festhält, wie es in Oran und anderen nordafrikanischen Grenzgebieten üblich sei“291. Er habe eine lange Zeit in besagter Stadt verbracht und sei in der gerechten Verteilung von Beute entsprechend erfahren.292 Die Referenz auf die nordafrikanische Stadt Oran verdeutlicht, dass es im Rahmen des Konfliktes zwischen dem christlichen Kastilien und dem muslimischen Nordafrika bereits einen gewissen Bestand an Expertise bezüglich der Beuteverteilung gab, der auch zur Anwendung gelangte. Dem Vorschlag Acostas entsprechend wurde nach kurzem Disput ein gewisser Min de Durango als Schreiber bestellt, da er „eine Person sei, von der man wisse, dass sie dieses Amt gut ausführen wird und verantwortungsvoll mit der Verteilung von Beute umgeht“293. Darüber hinaus erhielten Canoguera, Acosta und zwei weitere capitanes aus Cartagena das Recht, während der Beuteverteilung zu intervenieren, um eine gerechte Zuteilung der Sklaven zu gewährleisten.294 Im Weiteren hielt Min 289 „Lo que pasa a cerca del repartimiento de dos mill y cien esclavos mugeres y ninos q[ue] copieron las galeras desparia de la cabalgada q[ue] se hizo en la sierra de Ynox con la gente de cartagena y almeria.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 247r. 290 „Relacion de la manera q[ue] se repartio la presa que hizieron las galeras en la sierra de Ynox.” Ebd. 291 „Se criase una persona por [e]scr[i]ui[r] de la presa como es costumbre en Oran y en las otras fronteras de berveria.” Ebd. 292 „El dicho Luis de Acosta como persona q[ue] estuvo mucho t[iem]po en la dicha ciudad de Oran e yntervino en repartieron de presas.” Ebd. 293 „Como persona q[ue] sabia hazer bien el dicho cargo y tendria toda buena q[uen]ta en la [sic!] repartimiento.” Ebd. 294 „Se criasen quatro quadrillas los qu[a]les suelen tener cargo de ver y e[n]tervenir en la dicha reparticion para lo qual fueron nonbrados el dicho don juan canoguera y Luis de Acosta y los dos Capitanes q[ue] llevavan a cargo los soldados de Cartagena.” Ebd.

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de Durango explizit fest, dass die Sklaven aus der c­abalgada die gerechte Beute der Soldaten aus Almería und Cartagena seien. Ihre Vorgesetzten Don Juan de Austria oder Sancho de Leiva hätten kein Anrecht auf einen Anteil, da sie keine Soldaten zur cabalgada beigesteuert hätten.295 Letztlich einigte man sich dennoch darauf, dass Don Juan ein ganzes Zehntel – immerhin 210 Sklaven und Sklavinnen – der Gesamtbeute abgetreten wurde; dies jedoch nicht aus einer Pflicht heraus, sondern, wie explizit festgehalten wurde, aus „Hochachtung“ (respeto).296 Auch hier drängt sich freilich der Verdacht auf, dass diese äußerst großzügige Abgabe die Gefahr minimieren sollte, dass die cabalgada nachträglich für illegal erklärt würde, was die Konfiskation der Sklaven bedeutet hätte. Die übrigen 1.890 Sklaven wurden wie folgt aufgeteilt: 333 Sklavinnen gingen nach Cartagena, um sie unter den beteiligten Soldaten aufzuteilen.297 Die Besatzung der einzelnen Galeeren erhielten je 24 Sklaven, die vier Kapitäne je 32. Don Juan de Canoguera sowie die anderen Anführer erhielten je 24 Sklaven. Die vier Personen, die über die gerechte Verteilung der Beute wachten, erhielten für ihre Mühen zusätzliche vier Sklaven pro Kopf.298 Die Liste, welche die Beuteverteilung genauestens widerspiegelte, musste schließlich von allen beteiligten Akteuren u ­nterzeichnet werden. Abschließend heißt es in dem Bericht: „Die Beute gehört den Soldaten und Seine Majestät hat keinerlei Anteil an ihr.“299 Eine Aussage, die dem Rechtsempfinden der Soldaten Rechnung trägt und bereits auf den stetig schwelenden Konflikt zwischen Soldaten und königlicher Zentralgewalt bezüglich der ­Verteilung von Beute verweist. Als drittes und letztes Beispiel für die Distribution von menschlicher Beute soll eine Kommission in der Stadt Málaga dienen, die unter dem Namen „Die 295 „En comun acordio dixan q[ue] por quanto el señor don juan de austria ni sala gente niente ni don San-cho de Leyba ni sala gente niente no se hallaron en las galeras y la dicha presa averse hecho con la gente de almeria y de Cartagena q[ue] de la dicha presa iustam[ente] tocava a ellos.” Ebd. 296 „Y se trato q[ue] [...] al dicho don juan de austria de todas las cantidas que le sacase el diezmo de la dicha presa por buen respeto para lo dar por suja aunq[ue] asimismo se trato no ser obli[gado]s a ello.” Ebd. 297 „De comun conformidas se ordeno q[ue] a la gente de cartagena se les diese trezientas y treinta y tres cabecas para q[ue] ellos lo repartiesen entre la gente.” Ebd. 298 „Se le podia dar como cabeca de las galeras veyntiquatro piecas y q[ue] como a cap[itanes] de sus qu[a]tro galeras se les diesen treinta y dos.Y q[ue] al dicho don juan de canoguera como a cap[itanes] de toda la gente q[ue] salio delas galeras se le diese [...] doze cabecas y otras doze como capitan [...] y cuatro por quadrillero y a cada uno delos o tres quadrilleros.” Ebd. 299 „La presa era de la gente y su m[agestad] no thenia parte en ella.” Ebd.

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gerechte Verteilung der Beute von Frigiliana“300 die Aufteilung ­minderjähriger moriscos innerhalb der Einwohner Málagas organisierte. Wie bereits im Abschnitt zur Rechtmäßigkeit der Versklavungen erläutert, hatte Philipp II. bereits früh die Versklavung von Kindern unter zehneinhalb respektive neuneinhalb Jahren verboten. Da ein Großteil der Beute aus der cabalgada in der fünfzig Kilometer östlich von Málaga gelegenen Ortschaft Frigiliana jedoch aus eben jenen minderjährigen moriscos bestand, bedeutete dies zunächst einen herben finanziellen Verlust für die Teilnehmer. Die Tatsache aber, dass die Kinder und Jugendlichen bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr auf „altchristliche“ Haushalte aufgeteilt werden sollten und als Gegenleistung für ihre christliche Erziehung zu Arbeitsleistungen herangezogen werden durften, brachte diese dennoch in eine der Sklaverei ähnliche Situation. Die Kommission, bestehend aus den hochrangigsten Mitgliedern der Stadtgemeinschaft301, teilte die minderjährigen moriscos auf alle Haushalte Málagas auf, so dass vor allem die Oberschicht, Handwerker und Händler von deren Arbeitskraft profitieren konnten. Um die Freilassung der moriscos an ihrem zwanzigsten Lebensjahr zu gewährleisten, erstellte die Kommission ein umfangreiches Register, aus dem hervorging, welchem Haushalt und in welchem Alter ein minderjähriger morisco zugewiesen wurde. Trotz dieser administrativen Maßnahmen kann vermutet werden, dass ein großer Teil der minderjährigen moriscos letztlich in einen dauerhaften Sklavenstatus überging.302 Anhand der drei Beispiele lässt sich erkennen, dass die Verteilung der Sklaven stets von militärischen oder zivilen Führungspersonen respektive durch von diesen bestimmte Amtsträger durchgeführt wurde. Es waren somit nicht nur marodierende Gewaltgruppen, die für die Versklavung der moriscos verantwortlich waren. Diese Tatsache legen auch zahlreiche überlieferte Kaufverträge nahe: So heißt es etwa in der Verkaufsurkunde des Sklaven Francisco vom 17. März 1569, dass dieser „aus einem gerechten Krieg aus der Ortschaft Ohanes stammt, aus einer Verteilung, die durch den Señor Marqués de los Vélez unter den Teilnehmern der cabalgada vorgenommen wurde“303. Auch der den 300 „El justo repartimiento de la presa de Frixiliana.“ Vgl. Benítez Sánchez-Blanco (1974), S. 39. 301 Arévalo de Zuazo, corregidor von Málaga und Vélez, Pedro Verdugo, proveedor de las galeras de España, Fernando de Arriola, contador de las galeras, Domingo de Zavala, oficial del comendador mayor de Castilla. Ebd. 302 Ebd., S. 40 f. 303 „Juan Cano, vecino ed Almería, vende a Cristobal de Zamora, vecino de la misma ciudad, un esclavo llamado Francisco, de edad de 4 años, habido de buena guerra en el lugar de Ohanes, del repartimiento hecho por el señor Marqués de los Vélez entre los cabalgadores que tomaron parte; lo vende por el precio de 7 ducado.” Zit. nach: Cabrillana (1978), Nr. 33.

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moriscos gegenüber als gemäßigt geltende Marqués de Mondéjar nahm Kaufu rkunden zufolge aktiv an der Verteilung von Sklaven Teil. So heißt es in einer Klausel eines Vertrages vom Mai 1569: „Dieser Sklave stammt aus der Verteilung, die unter den Soldaten […] im Feldlager seiner Exzellenz Señor Marqués de Mondéjar vorgenommen wurde.“304 Betrachtet man die großen Mengen an Sklaven, die etwa Sancho de Leiva oder Don Juan während der oben erläuterten Verteilungen erhielten, wird klar, dass in erster Linie die militärische Führung durch die massenhafte Versklavung der moriscos profitierte. Dabei wurden nicht nur die capitanes besonders berücksichtigt. Auch die Krone erhielt – abgesehen vom ohnehin ­obligatorischen quinto – ihren direkten Anteil: Im August 1570 etwa wurden aus Guadix zwei besonders gute Sklaven an den Hof in Madrid geschickt. ­Ihnen war ein Schreiben an den königlichen Sekretär Juan de Escobedo beigefügt. Dem ­Verfasser des Briefes erschien der Sklave namens Alujo als bestens für die körperliche Arbeit geeignet, während die Sklavin Isabell ein hervorragendes Dienstmädchen abgeben würde.305 Die gerechte Verteilung der Beute spielte eine zentrale Rolle im System der Sklaverei. Die hohe Schriftlichkeit, der organisatorische Aufwand und die Herstellung einer Art Öffentlichkeit306 sollten interne Konflikte vermeiden. Hierzu wurden Kommissionen eingerichtet, Zeugen befragt, offizielle Schreiber beauftragt und Register verfasst. Die Auswahl derjenigen Personen, die mit der Verteilung der Sklaven beauftragt wurden, folgte stets einer entsprechenden Logik: Sie sollten Erfahrung im Umgang mit Beute vorweisen können sowie das spezielle Vertrauen der Soldaten genießen. Durch ein exakt geregeltes und durch Schriftlichkeit überprüfbar gemachtes Verfahren sollte 304 „Aldonza Peretón, vecina de Vera, viuda de Alonso de Muro, que fué escudero de la Capitanía de don Luis dela Cueva, vende a Pedro Guill vecino de la villa de Santa María del Campo, un esclavo, niño de edad de 6 años, poco más o menos, de color moreno, llamado Luis natural del lugar de Barchules, de los alzados de este Reino de Granada; este esclavo es del repartimiento que se hizo entre los escuderos de dicha Capitanía en el campo del Excelentisimo Señor Marqués de Mondejar en el cual murió su marido Alonso de Muro. Lo vende por el precio de 23 ducados.” Zit. nach: Ebd., Nr. 605. 305 Francisco Osorio an Juan de Escobedo am 3.8.1570: „Que con esta va d[e] los dos esclavos que su m. d. dize vino el uno q[ue] me paresce de trabajo y asimismo una esclava que me paresce buena moca el sclavo se llama alujo y la esclava ysabel.” AGS, CJH, L. 107, fol. 16r. 306 Der Begriff „Öffentlichkeit“ ist hier als Forschungs- und nicht als Quellenbegriff zu verstehen. Er beschreibt keine moderne „bürgerliche Öffentlichkeit“ im Sinne Habermasʼ, sondern einen Raum, in dem Menschen in einen kommunikativen Bezug traten. Charakteristisch ist hierfür – gerade auch in diesem Fall – die Sichtbarmachung von Vorgängen und Handlungen für die beteiligten Personen. Vgl. Pröve (2001), S. 15.

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darüber ­hinaus Legitimität und Rechtmäßigkeit hergestellt werden, insbesondere, falls es sich um eine rechtlich fragwürdige cabalgada handelte. Die im Zuge der Beuteökonomie häufig verwendeten Begriffe wie „justamente“ oder „justo“ weisen folglich auf eine doppelte Gerechtigkeit hin: Zum einen ging es um die Rechtmäßigkeit der Versklavungen an sich. Zum anderen musste dem Gerechtigkeitsempfinden der Soldaten bezüglich ihrer angemessenen Belohnung ­Rechnung getragen werden; ein Faktor, der gleich noch einmal eine Rolle spielen wird. Darüber hinaus lässt sich auch eine symbolisch-religiöse Bedeutung der Sklavenverteilungen erkennen. Zunächst erfuhr der Sklave durch die Verteilung, die in gleicher Weise vorgenommen wurde wie die Distribution materieller Beute, eine weitgehende Objektivierung, die den Sklavenstatus ­manifestierte. Die öffentliche, schriftlich festgehaltene und notariell beglaubigte Verteilung kann ferner – den presentaciones in Valencia, die ich im zweiten Kapitel angesprochen habe, nicht unähnlich – als offizielle Einführung in den Sklavenstatus betrachtet werden. Ein korrektes Verfahren während der Versklavung konnte außerdem den Erfolg einer nachträglich durch den Sklaven angestrengten Klage minimieren. Gleichzeitig kann eine performativ ausgeübte Überlegenheit der „Altchristen“ über die versklavten moriscos beobachtet werden. Im Besonderen galt dies wohl für minderjährige moriscos, die durch sklavenähnliche Arbeit einerseits und die christliche Erziehung bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr andererseits eine Sonderrolle in der kastilischen Gesellschaft einnahmen. Auf diese Weise ließ sich der Bedarf nach sklavischer Arbeit gut mit einem missionarisch-erzieherischem Anspruch verbinden. Die Klagen der militärischen und zivilen Führung im Reino de Granada über desertierende oder plündernde Soldaten sowie andere Disziplinlosigkeiten passt gut in das von der Forschung zur Beuteökonomie postulierte Bild, dass ab der Frühen Neuzeit der Blick der Obrigkeit auf das individuelle „Beutemachen“ der Söldner zunehmend kritisch wurde.307 Wie anhand der bereits häufig zitierten Berichte aus den Federn Mármol Carvajals, Requesens oder Muñatones hervorgeht, traf dies in erhöhtem Maße auch auf die guerra de Granada zu. Plünderungen und Versklavungen wurden als Gefährdung der militärischen Disziplin und somit den militärischen Zielen gegenüber als kontraproduktiv betrachtet. Da die Sklaverei andererseits für die Rekrutierung und Motivation von Söldnern, die Refinanzierung der Kriegskosten und als effektive Möglichkeit der Bestrafung der Aufständischen dringend benötigt wurde, entschied sich Philipp II. gegen ein Verbot der Versklavungen. Die Krone reagierte auf das militärische Chaos und die daraus resultierenden Folgen 307 Carl/Bömelburg (2011), S. 15.

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neben dem Verbot der Versklavung minderjähriger moriscos mit einer Sklavereipolitik, die eine Intensivierung des administrativen Zugriffs auf die Beuteund Sklavenverteilung und den Versuch, die Beutepraxis vor Ort zu regulieren, vorsah. Um dem Dilemma zwischen Sklavereiverbot und der Legalisierung der morisco-­Sklaverei zu entkommen, erreichten den Hof schon während des ersten Kriegsjahres verschiedene Lösungsvorschläge. Diese Schreiben königlicher Amtsträger, die vor allem militärische oder fiskalische Aspekte im Auge hatten, geben einen ersten Eindruck über das Ausmaß der Schwierigkeiten, vor die sich die Krone und ihre lokale Administration gestellt sah. Luis de Requesens berichtete beispielsweise am 14. Juni 1569 einmal mehr von zahllosen Versklavungen, denen ein beispielloses militärisches Chaos folgte.308 Requesens zufolge könnte dieses Problem allerdings gelöst werden, ohne die Versklavungen grundsätzlich zu verbieten: Ich bin der Meinung, dass Eure Majestät all diese [die Sklaven, Anm. d. V.] konfiszieren soll. Denjenigen, die sie gefangen genommen haben, sollen fünf oder sechs Dukaten pro Kopf als Entschädigung bezahlt werden. Es soll beschlossen werden, dass niemand versklavt wird, außer jene, die durch Personen verkauft werden, die von Eurer Majestät persönlich dazu bestimmt wurden.309 Durch diese Maßnahmen versprach sich Requesens nachhaltige Vorteile: Zum einen wäre die Konfiskation der Sklaven bei einer derart geringen Entschädigungszahlung, ein großer finanzieller Gewinn für die Krone. Zum anderen würden illegale Versklavungen von unschuldigen Kindern auf diese Weise verhindert werden. Durch die Bestimmung königlicher Amtsträger würde überdies ein allgemeingültiges Verfahren des Sklavenverkaufs eingeführt, das ­unkontrollierte cabalgadas und Versklavungen einschränken würde.310 Darüber hinaus würden die Soldaten hierbei keinerlei Nachteil erfahren: Die Soldaten würden nichts verlieren, da sie diese [die Sklaven, Anm. d. V.] ohnehin zu billig verkaufen. […] Diejenigen, die momentan g­ roße ­Gewinne erzielen, sind die Händler und andere Menschen, die in die 308 AGS, CCA, Rebelión, L. 2152, fol. 99r, siehe auch: S. 130. 309 „Yo seria de opinion que V. mag. los tomase todos para si, pagando a los que los tomaren cinco o seis ducados por cabeca y declarando que ninguno fuesse esclavo, sino los que fuesen vendidos con intervencion de las personas que para ello V. mag. senalase.” Ebd. 310 „Ganaria V. mag. en ello dineros [...]. Otro provecho que si V. mag[estad] fuere servido que los ninos y ninas por no tener culpa enesta rebelion no sean esclavos sino hasta cierta heded se podria tener cuenta y razon con ello.” Ebd.

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Feldlager kommen, um die Gefangenen zu kaufen und durch diese Profite zu erzielen.311 Die größten Profiteure der Versklavungen seien also nach Requesens nicht die einfachen Soldaten, sondern die Sklavenhändler; ein entscheidender Hinweis, der es ihm erlaubte, die Konfiskation von Beute bei nur geringer ­Ausgleichszahlung vorzuschlagen, ohne dabei die Grundsätze der Verteilungsgerechtigkeit zu verletzen. Durch die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen sah Requesens letztlich die wesentlichen Vorteile der Sklaverei gewährleistet, während ihre dysfunktionalen Auswirkungen so gut wie möglich abgefedert werden sollten. Einen ähnlichen Vorschlag unterbreitete der königliche Steuereintreiber Muñatones. Nach ihm sollten alle gefangenen moriscos zu ­königlichen G ­ aleerensklaven erklärt werden. Die Söldner sollten im Falle einer ­Konfiskation großzügig mit dreißig bis vierzig Dukaten pro Sklave entschädigt werden.312 Die Maßnahmen der königlichen Sklavereipolitik, die letztlich vor Ort umgesetzt wurden, gingen in eine ähnliche Richtung wie die Vorschläge Requesens, allerdings ohne den Unmut der Soldaten durch eine Konfiskation ihrer Beute zu riskieren. Sie lassen sich gut anhand eines Memorials aus der Feder Muñatones, das am 14. September des Jahres 1569 den Hof erreichte, herausarbeiten. Diego Briviesca de Muñatones war als offizieller Steuereintreiber (cobrador) Philipps II. in Granada in erster Linie für die Berechnung und Erhebung des quinto sowie für die Konfiskation und den Verkauf von Gütern aufständischer moriscos zuständig. Im Begleitschreiben seines Memorials, in dem er die von ihm im Interesse der Krone durchgesetzten administrativen Maßnahmen erläutert, beklagt er zunächst die ungeheure Arbeitsbelastung, die die Eintreibung der Steuern mit sich bringe. Er bemühe sich zwar, die königlichen Finanzen (hacienda) vor allem durch den quinto auf Sklaven zu steigern, erhalte hierbei aber kaum Unterstützung, da es nur wenige ausgebildete Amtmänner gebe.313 Darüber hinaus scheint Betrug bei der Abführung des quinto 311 „No los perderian los soldados por que tan baratos los venden. [...] Los que ganan agora son los mercaderes y otras gentes que vienen al campo a comprar en haciendose las presas y hacen dello gran grangeria y sacarscia.” Ebd. 312 „Con esta declaracion y editamento que si V. M. los quisiere timendo hedad y disp[osici] on para el servicio de sus galeras o otro effecto que dando treynta o quarenta du[cad]os por cada uno se le de y esto se podria a un tambien estender a otros christianos nuevos captivos por que las galeras fuesen proverdas de sclavos.” Ebd., fol. 151r-v. 313 „En lo que V. m. m[e] escribe a sido ynformado que en la administracion y cobranca de los bienes confiscados y quintos no ay persona de la calidad que convernia para que me ayudase. Despues que a esta ciudad vine e hecho todas las diligencias a mi posibles para el beneficio cobranca y recaudo de la Real hazienda de V. M.” Ebd., fol. 230r-v.

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an der Tagesordnung gewesen zu sein.314 Die schiere Menge an versklavten moriscos sowie der Versuch der Söldner, die Besteuerung der ihrer Meinung nach rechtmäßig verdienten Beute durch die Krone zu umgehen, stellte die königliche Administration offensichtlich vor kaum zu lösende Schwierigkeiten. Einleitend berichtet Muñatones, dass er, um die Besitztümer der aufständischen moriscos aus der Stadt Granada zu konfiszieren und der königlichen hacienda zukommen zu lassen, den corregidor der Ortschaft Villafuerte, „eine Person von großen Fähigkeiten und Talent“, beauftragt habe.315 Im selben Zuge veranlasste er einen gewissen licenciado Mesa, alcalde der ortsansässigen Audiencia, Einwohnerverzeichnisse aller moriscos aus den verschiedenen Pfarrbezirken Granadas anzufordern. Alle verzeichneten Personen wurden in der Folge dazu angehalten, sich innerhalb eines Jahres bei besagtem alcalde zu melden. Die moriscos, die dieser Aufforderung nicht nachkamen, wurden zu Rebellen erklärt und ihre Häuser und Güter – nachdem ein sorgfältiges Inventar angelegt worden war – zugunsten der Krone beschlagnahmt und versteigert.316 Ein weiteres in Auftrag gegebenes Register betraf die Sklavenbesitzer der Stadt: Einem Erlass nach sollten sämtliche Personen in Granada regis­ triert werden, die nach Kriegsbeginn im Reino de Granada versklavt worden waren. Alle morisco-Sklaven, die bis zu einem bestimmten Termin nicht verzeichnet worden waren, wurden konfisziert und zu Sklaven der Krone erklärt. Muñatones zufolge seien bereits innerhalb kürzester Zeit mehr als eintausend Sklaven und Sklavinnen registriert worden.317 Um den Wert der registrierten 314 „Son pocos los que me ayudan y muchos los que me desayudan.” Ebd. 315 „Para recoger beneficiar y arrendar los bienes raybes e muebles de los rrebeldes y alcados desta ciudad de granada y frutos dellas di comision para ello a Juan Roso de villafuerte correg[idor] en ella que es persona de la calidad y avilidad que es notorio. El qual tiene su libro quenta y razon dello.” Memorial de lo hecho en la hazienda de los moriscos rebelados. Ebd., fol. 231r-v. 316 „Tambien esta dada comision al licen[ciado] mesa alcalde desta audiencia para que ante un ano llame por padron todos los moriscos de las parroquias de granada para entender y saber los q[ue] no se presentaron y manifestaron comforme al bando porque ser dezía avia muchos moriscos en granada. Estos ses ordeno para dos hefetos uno para saber los moriscos que de granada se avían escondido otro para saber los que dellos se avían alcado y rrevelado. Y ansi sea ydo tomando lista destos que no parecen y sean ydo que los quales se va declarando por rebeldes y confiscacandole sus bienes para vu[estro] mag. Los quales bienes rayzes y muebles se an ydo y vanse a estando y poniendo por ynventario para q[ue] acabar estas diligencias y secrestos se vendan los bienes muebles y se arrienden y beneficien los rraizes como convenga.” Ebd. 317 „En granada hize hechar un bando para que todas las personas q[ue] ubiesen avido o tubiesen esclavas y esclavos despues del levantam[iento] de los naturales del Reyno q[ue]

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Sklaven zu bemessen und anschließend den quinto abzuführen, bestimmte Muñatones den für Strafsachen zuständigen Amtsträger ( fiscal del crimen) der Audiencia. Besonderes Augenmerk sollte dieser auf Betrugsversuche und illegale Versklavungen legen.318 Darüber hinaus wurde einem gewissen Lope de ­Soria – auch er eine „vertrauenswürdige Person“319 – aufgetragen, die konfiszierten morisco-Sklaven im Namen der Krone zu verkaufen. Er solle bei jedem Verkauf anwesend sein, die Verkaufsurkunden aufbewahren und genauestens Buch führen.320 Ferner war dieser für die Verwahrung des eingenommenen Geldes aus den Sklavenverkäufen und dem quinto zuständig (depositador), wobei auch hier auf die korrekte schriftliche Aufzeichnung der Summen geachtet werden sollte. Um Fehler und Veruntreuung zu vermeiden, überprüfte ein Gerichtsschreiber (relator) der örtlichen Kanzlei dessen Aufzeichnungen in einem eigenen Registerband.321 Im Weiteren berichtet Muñatones von einer Vielzahl unterschiedlicher Amtsernennungen, deren Personen allesamt aus dem Personal der Audiencia rekrutiert wurden und sich durch Renommee, Vertrauenswürdigkeit und Erfahrung322 auszeichneten. Außerdem habe er Richter an verschiedene Orte des Reino de Granada entsandt, um auch dort den quinto auf Sklaven und andere Beutestücke zu erheben.323 Ein eigens an den Marqués de los Vélez gerichtetes Schreiben bezüglich dieser Problematik



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los viniesen a registrar dentro de a esto termíno. A percibiendo les que aquel pasado se declarían por esclavos de V. m. con este vando q[ue] se hecho se registraron mas que mill esclavas de las que estavan en granada.” Ebd. „Para tasar y averiguar el valor del quinto de estas esclavas y los fraudes y colusiones que en esto a avido y podia aver di comision al dotor agreda fiscal del crimen en esta para q[ue] los averiguase.” Ebd. „Una persona de confianca.” Ebd. „Para vender las esclavas que sean avido aqui en granada contra bando e de algunos lugares q[ue] sean alcado en la juridicion y vega della sea nonbrado una persona de confianca que este presente a las ventas q[ue] se hazen en almoneda publica y ante a los quales se toma la quenta y se asienta la rrazon en el libro que ay della y luego rrecibe el din[ero] el dicho lope de soria.” Ebd. „Para el dinero q[ue] sea ydo recogiendo de quintos y otra cosas esta nonbrado por deposita[dor] dello el aso Lope de Soria confiancas bastantes q[ue] del se tomaron el qual tiene libro de todo lo que en su poder entra y antes que lo rreaba se toma la rrazon dello en otro libro que esta a cargo del licen[ciado] bravo relator desta chan[celleria] persona avil y de confianca.” Ebd. „Persona[s] de credito espiriencia y confiancia.” Ebd. „Demas delas comisiones dichas sean proveido para algunas delas tales ciudades villas y lugares donde a conberrido. Juezes de comision para regocer los quintos de las esclabas vagajes e otros bienes de valor.” Ebd.

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blieb allerdings ohne Antwort.324 Eine ganz ähnliche Liste bestellter Richter ist auch von Don Juan überliefert:325 Eine größere Anzahl von Personen sollte im gesamten Reino de Granada unversteuerte Sklaven ausfindig machen und den quinto im Namen des Königs erheben.326 Die ausgeprägte Schriftlichkeit der Verfahren und der hohe Organisationsaufwand, der betrieben wurde, um den königlichen Einfluss auf die Sklaverei sicherzustellen, sind bemerkenswert. In erster Linie ging es den königlichen Amtsträgern darum, die Hinterziehung des quinto zu verhindern. Es kann folglich angenommen werden, dass die Summen, um die es ging, so hoch waren, dass sie den enormen Aufwand rechtfertigten. Die genaue Registrierung sämtlicher morisco-Sklaven sowie die administrative Einflussnahme der Krone auf die Distribution der Sklaven, die Besteuerung und den Verkauf bezweckten letztlich aber nicht nur ökonomische Vorteile. Die nachträgliche Untersuchung der morisco-Sklaven diente auch der Sicherstellung, ob der betroffene Sklave auf legitime Art und Weise versklavt wurde. Es galt, zu prüfen, ob der Sklave zum Zeitpunkt seiner Versklavung das entsprechende Alter erreicht hatte und ob es sich im Fall einer cabalgada um eine rechtskonforme Beutenahme unter königlichem Banner gehandelt hatte. Weigerte sich der Sklavenbesitzer, an diesem Verfahren teilzunehmen, konnte er mit der Konfiskation des Sklaven rechnen. Dass der konfiszierte Sklave in den Besitz der Krone überging und zu Gunsten der königlichen Kasse verkauft wurde, unterstreicht einmal mehr, dass die Krone finanziell ganz erheblich von den Versklavungen profitierte. Letztlich bemühten sich die Akteure um Muñatones und Don Juan darum, die Sklaverei einer umfassenden königlichen Kontrolle zu unterwerfen. Wenn die Krone nicht während der Feldzüge ihrem Anspruch auf ein geregeltes Verfahren der Versklavungen gerecht werden konnte, so wurde dies zumindest im Nachhinein versucht. Die administrativen Zugriffe der Krone auf die Sklaverei weisen somit nicht zuletzt auch sozialdisziplinatorische Elemente auf. Dass diese stets auch das Risiko bargen, Konflikte zwischen Militär und Krone hervorzurufen, sollen folgende Beispiele zeigen. 324 „Tambien para saber y entender que orden razon y quenta a avido y ay en el campo del marques de los velez de las esclavas quintos y otros bienes de valor q[ue] sean avido destos rebeldes envíe en días pasados una persona con carta al mar[ques] ya aunque estoi cierto se le dio no me a respondido a ella ni tengo relacion de lo q[ue] en esto a avido.” Ebd. 325 „Los Juezes q[ue] por comission del señ[or] Don Juan de Austria han salido fuera desta ciudad de Granada con comissiones son los siguientes.” Ebd., L. 2153, fol. 12r. 326 „Estando estos Juezes en las dichas comissiones se les enbiaron otras para recoger vagages y pan, y averiguar los esclavos y esclavas que no fueron quintados para cobrar el quinto a su Magestad.” Ebd.

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Diego Ponce de León, Söldner aus Sevilla und capitán der Festung Padul einige Kilometer südlich von Granada, supplizierte am 2. August 1569 an Philipp II. Anhand seines Textes, in dem er die vermeintlich ungerechte Konfiskation seiner Sklavinnen durch den licenciado Muñatones beklagt, lässt sich gut das zeitgenössische Gerechtigkeitsempfinden der Söldner hinsichtlich ihrer Beute sowie deren Einstellung zu den Versklavungen der moriscos ablesen. Ponce de León beginnt seine Supplik mit einem wohl obligatorischen Treueschwur: „Ich kam mit der Absicht in diese Gegend, Eurer Majestät zu dienen; ich habe Euch immer gedient und werde Euch auch in Zukunft immer dienen.“327 Als Zeugen seiner Loyalität und seiner großen Verdienste in der guerra de Granada benennt er keine geringeren als die höchsten militärischen Anführer: Don Juan, Luis Quijada und den Duque de Sessa.328 Ungeachtet seiner Meriten habe der licenciado Muñatones ihn jedoch seiner gerechten Entlohnung beraubt: In Granada seien ihm von jenem königlichen Amtmann ungerechterweise (injustamente) sieben Sklavinnen aufgrund eines falschen Berichtes (relación falsa) konfisziert worden.329 Im weiteren Text wird Ponce de León nicht müde, zu betonen, dass er die Sklavinnen „auf sehr gerechte Weise verdient habe“ und den Gewinn aus dem Sklavenverkauf darüber hinaus für die Ernährung „seiner armen Kinder“ benötige.330 Der König solle es folglich nicht zulassen, dass ihm als treuem und verdienstvollem Gefolgsmann eine solch schlechte Behandlung zu Teil würde.331 Um zu beweisen, dass ihm ein besserer Lohn als die Konfiskation seiner Beute zustünde, erklärt er, auf welche gerechte Weise er an die sieben Sklavinnen gekommen war: Während einer Kampagne nahe der Ortschaft Albuñuelas an der Westflanke der Sierra Nevada sei ihm durch den Anführer Don Antonio de Luna eine Sklavin namens Brianda zugeteilt worden. Explizit betont er, dass dies nach der rechtmäßigen Abführung des quinto geschehen sei. Der Kommandeur des Feldlagers habe ihm zusätzlich eine Sklavin mit dem Namen Melchiora geschenkt und der capitán Pedro Gomez Esmerado eine weitere, zwölfjährige Sklavin namens Ysabel. Die restlichen vier Sklavinnen habe er von anderen Söldnern aus der Kleinstadt Cenete gekauft und zwar „bevor der heilige und gute Erlass veröffentlicht wurde, dass keine 327 „Yo vine a esta tierra a servir V. Mag. con la voluntad que siempre e servido y servire.” Ebd., L. 2152, fol. 153r. 328 „Y como e servido doy por testigos al señor don Juan y a Luys quixada y al duque de Sesa.” Ebd. 329 „El licenciado Muñatones me a tomado siete esclavas y esclavos injustamente con relacion falsa de traydores.” Ebd. 330 „Lo q[ue] tam justamente e ganado para ayuda a remediar mes pobres hijos.” Ebd. 331 „No permita V. Mag. que yo sea tan mal tratado.” Ebd.

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Kinder versklavt werden dürfen“332. Diese entschuldigende Anmerkung sowie die Tatsache, dass er lediglich bei der Sklavin Ysabel das Alter angab, legen den eigentlich Grund für die Konfiskationen nahe: Offenbar hatte er gegen die Anordnung verstoßen, dass nur moriscos ab neuneinhalb respektive zehneinhalb Jahren versklavt werden dürfen. Dass die Konfiskation der Sklavinnen sogar einen relativ ranghohen capitán traf, zeigt, dass die königliche Administration zumindest bemüht war, die Gesetze auch in der Praxis umzusetzen. Ob letztlich tatsächlich die Minderjährigkeit der moriscos oder doch die von Ponce de León vermuteten persönlichen Motive Muñatonesʼ für die Konfiskationen verantwortlich waren, kann anhand der Quelle nicht abschließend geklärt werden. Im Weiteren berichtet Ponce de León von den administrativen Hürden, die den Söldnern den Bezug ihrer gerechten Beute erschwerten: Muñatones verlange Informationen über die genaue Herkunft der Sklaven, von wem sie verteilt oder gekauft wurden, die Namen von Sklaven und Verkäufern sowie die Geburtsorte und die Unterschriften der Söldner. Da die meisten Soldaten weder des Lesens noch des Schreibens fähig seien und diese darüber hinaus die Gesetze entweder nicht kennen oder nicht verstünden, würden diese Maßnahmen dazu führen, dass den Soldaten ihr ehrlich verdienter Lohn entzogen wird.333 Außerdem sei er nicht der einzige gewesen, der „große Verdienste geleistet habe und sehr schlecht entlohnt wurde“334. Ein gewisser Soldat namens Alonso Valde etwa habe in Córdoba 24 Sklaven „aus einem gerechten Krieg“ erhalten. Diese seien ihm jedoch vom capitán der Kavallerie gewaltsam entwendet worden.335 Der letzte Absatz der Supplik enthält schließlich einen Appell an Gott und das königliche Gewissen, der auf paradoxe Weise an die Freiheitsgesuche von Sklaven und deren Fürsprecher erinnert.336 332 „Mis servicios no merescen tan mal premio, y para que V. M. entienda como uve estos esclavos lo dice en esta, es que quando la jornada de las Albuñuelas me dio don Antonio de Luna de las esclavas quintadas de una q[ue] se llama brianda, el maese de campo Antonio moreno me dio otra q[ue] se llama melchiora. El capitan pe[d]ro gomez esmerado me dio otra q[ue] se llama ysabel de edad de doze años de la parte que fueron repartidas por campañias, los demas compre de soldados jinetes antes q[ue] se publicase la sancta y buena orden de q[ue] los muchachos no fuesen cativos.” Ebd. 333 „Pideme el licenciado q[ue] de quien compre y como se llama y donde nascio y la escritura q[ue] me hizo, hazeme salir de Juyzio. Los soldados no aprendimos leyes no sabemos mas q[ue] dar y tomar y no ay papel ente nosotros.” Ebd. 334 „A servido mucho y muy bien ya sido mal gratificado y otros q[ue] an servido en este particular.” Ebd. 335 „Aver tomado ciertas moras y muchachos, de buena guerra, un don alonso valde tomar veynte y quatro de cordoba y capitan de caballos de la dicha ciudad forciblemente les a tomado los dichos esclavos y esclavas.” Ebd. 336 „Probea v. m. en este como es justo y en esto con cargo a v. m. su real conciencia y considere q[ue] ay dios y emos de morir para q[ue] so se sufra maldad y se castige el q[ue]

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Ein zweites Beispiel dieser häufigen Beschwerden erreichte den Hof Anfang des Jahres 1571. Pedro de Olivares, ein Apotheker aus Madrid, war auf eigene Kosten nach Granada gereist, um dem König nach eigener Aussage im Kampf gegen die moriscos zu dienen. Während des Krieges habe er in der Ortschaft Tijola eine Sklavin „aus gerechtem Krieg“ namens Ysabel Motarif für 55 goldene escudos gekauft. Nach Kriegsende habe er sie mit nach Madrid genommen, wo sie scheinbar als Haussklavin eingesetzt werden sollte. Nach nur wenigen Tagen habe jedoch der licenciado Salazar, alcalde Seiner Majestät, die Sklavin konfisziert und einem gewissen Gonzalo Paniz übergeben. Olivares bat den König, wenigsten dafür zu sorgen, dass ihm die 55 escudos sowie die Reisekosten der Sklavin erstattet würden.337 Diese Beispiele zeigen zunächst, dass die administrativen Maßnahmen, wie von Muñatones beschrieben, zumindest in Teilen auch auf praktischer Ebene umgesetzt wurden. Im Falle der Hinterziehung des quinto oder eines Verstoßes gegen die von der Krone vorgegebenen Verfahren der Versklavung, konnte es schnell zur Konfiskation der Sklaven kommen. Was der Verlust der Beute für die ansonsten nicht entlohnten Söldner in finanzieller Hinsicht bedeuten konnte, wurde bereits einige Seiten zuvor erwähnt. Wie auch schon anhand der erläuterten Gerichtsverfahren, welche die morisco-Sklaven nachträglich anstrengen konnten, um ihre Freiheit einzuklagen, deutlich geworden ist, war die Krone ferner zumindest bemüht, das Verbot der Versklavung minderjähriger moriscos durchzusetzen. Die forcierte administrative Kontrolle der Sklaverei in all ihren Teilaspekten (Versklavung, Verteilung, Verkauf) brachte Konflikte zwischen den lokalen Vertretern der Krone und den Soldaten mit sich. Es offenbart sich hier ein spezifisches Gerechtigkeitsempfinden der Söldner gegenüber ihrer sklavischen Beute. Die Konfiskation von Sklaven sowie das in ihren Augen allzu komplexe administrative System verletzten die im Krieg kollektive (und individuelle) Erwartung von Verteilungsgerechtigkeit. Nachdem der Großteil der Söldner

lo meresciere, Nuestro señor guarde y en estado cresca con aquella felicidad q[ue] v. m. meresce y como dios n[uest]ro señor puede.“ Ebd. 337 „P[edr]o de olivares boticario dize que avjendo ydo a servir a v[uest]ra mg a su costa al reino de granada, conpro en la iylla de tijola una esclava aujda por buena guera que se lama ysabel motarif, por precio de cinquenta y cinco escudos en oro y anso la traxo a su costa a esta corte donde tiene su casa y asiento y avra siete o ocho dias quel licenciado salazar alcalde de v[uest]ra m. g. saco de mi poder la d[ic]ha esclava y la entrego a gonzalo paniz. aqui en vu[est]ra mag. hizo m[erce]d della como consta por este testimonio que presento sin me dar ni pagar los d[ic]hos cinquenta y cinco escudos en oro que me costo y mas quintos que me tuvo de costa de traerla. Avra mag. pido i suplico mande se me paguen los d[ic]hos cinquenta y cinco escudos en oro con mas los quintos de la costa.” AGS, CJH, L. 110, fol. 15r-v.

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in finanzielle Vorleistung gegangen war, um überhaupt an den Feldzügen teilnehmen zu können, war es zum einen der finanzielle Schaden, der diese dazu brachte, auf allen Wegen – etwa durch eine Supplik an die Krone – um ihre Beute zu kämpfen. Zum anderen sahen sich die Söldner durch die Konfiskation der in ihren Augen gerechten Beute um ihren im Kampf verdienten Lohn betrogen und damit nicht zuletzt auch in ihrer Ehre verletzt.338 Nach den ausufernden Debatten über die Legitimität der Versklavung der moriscos eröffneten die Suppliken an den Hof und die vor Ort geführten Diskussionen um die Konfiskation der Sklaven einen zweiten Gerechtigkeitsdiskurs. Die Krone und ihre administrativen Instanzen im Reino de Granada ­sahen sich vor die Herausforderung gestellt, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Gerechtigkeiten zu finden: Zum einen musste dem angesprochenen Gerechtigkeitsempfinden der Soldaten begegnet werden. Zum anderen musste die Krone sicherstellen, dass die moriscos auf gerechte Weise in einem geregelten Verfahren versklavt, verteilt, verkauft und besteuert wurden. Dies schloss sowohl die legale Versklavung im bellum iustum, das Verbot der Versklavung Minderjähriger sowie das königliche Recht auf den quinto mit ein. Offenkundig unterlag die Sklaverei in der guerra de Granada einer spezifischen Beuteökonomie. Die Rezeption der Forschungsarbeiten in diesem Gebiet kann dabei helfen, die vielschichtigen Aspekte von sklavischer Beute zu verstehen. Wie gezeigt werden konnte, enthielt die Distribution von Sklaven je nach Perspektive verschiedene Semantiken, die religiös-symbolischer, herrschaftspolitischer und ökonomischer Natur waren. An dieser Stelle muss der üblichen Annahme, dass die militärische und zivile Führung Kastiliens durch marodierende und versklavende Soldaten vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, erneut widersprochen werden. Die Beuteverteilungen machen sichtbar, dass alle involvierten Akteure, vom Fußsoldaten über die Truppen- und Militärführung bis hin zum König, an den Versklavungen beteiligt waren und von ihnen profitierten. Im Gegenteil weisen die Verteilungsschlüssel sogar darauf hin, dass die militärische Führung den größten finanziellen Vorteil aus der Sklaverei zog. Die Eigendynamik der Beuteverteilung sorgte also dafür, dass die zentralen Akteure, die den königlichen Zugriff auf die Distribution von Sklaven sicherstellen sollten, in der Regel jene Eliten waren, die am meisten von der Beute profitierten. Dies erscheint nur auf den ersten Blick paradox: Die zur praktischen Umsetzung geeigneten Personen – etwa Expertise, Ausbildung oder Vernetzung betreffend – waren verständlicherweise gerade nicht 338 Ganz ähnliche Beobachtungen machte Peter Burschel bezüglich der Verknüpfung von Söldnerwesen und Beuteverteilung im Heiligen Römischen Reich des 17. und 18. Jahrhundert. Burschel (1994), S. 206–217.

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die Interessenlosen, sondern die Interessierten. Eine exakte Trennung zwischen administrativen Akteuren und plündernden „Gewaltgemeinschaften“ ist bezüglich der Beutepraktiken folglich nicht immer möglich. Die hohe Schriftlichkeit und der verfahrenstechnische Aufwand der Beuteverteilung sind darüber hinaus hervorzuheben. Ein überprüfbares Verfahren sollte dem Anspruch der Verteilungsgerechtigkeit Rechnung tragen und gleichzeitig die Legitimität der Sklaverei sicherstellen. Ebenso enthielt die öffentliche Zurschaustellung von Sklaven während der Verteilung einen religiös-symbolischen Aspekt. Um die militärische Disziplinlosigkeit, das Chaos sowie die illegalen Plünderungen und cabalgadas einzuschränken und zumindest nachträglich ein gewisses Maß an Rechtssicherheit herzustellen, setzte die Krone auf die administrative Durchdringung der Sklavenverteilung. Auch hier erstaunen die komplexe Organisation und die hohe Schriftlichkeit der Verfahren. Hierdurch versuchte die Krone respektive ihre lokalen Vertreter, den königlichen quinto auf Sklaven sicherzustellen. Neben diesem ökonomischen Aspekt sollten aber auch die Rechtmäßigkeit der Versklavung sowie eine formal korrekte Verteilung gewährleistet werden. Es zeigt sich, dass die Krone durchaus bemüht war, ihre Gesetze bezüglich der Sklaverei vor Ort umzusetzen, auch wenn der königlichen Administration insbesondere während des Krieges enge Grenzen gesteckt waren. Die Schaffung administrativer Instanzen zur Beutedistribution rief schließlich auch Konflikte zwischen Krone und Militär hervor. Interessanterweise offenbarte sich ein zweiter Gerechtigkeitsdiskurs innerhalb des Phänomens der Sklaverei: Neben die Frage, ob die Versklavung der moriscos gerecht ist, tritt ein spezifisches Gerechtigkeitsempfinden der Soldaten g­ egenüber ihrem Beuteanteil. Die königliche Sklavereipolitik sah sich somit vor die Herausforderung gestellt, zwischen der Legitimität der Sklaverei und dem Rechtsanspruch der Soldaten zu vermitteln. 4.4 Sklaverei und Frieden Nachdem die Friedensbemühungen Mondéjars in der ersten Jahreshälfte 1569 noch von beiden Konfliktparteien sabotiert wurden, kam es ab 1570 zu erneuten Versuchen, den Krieg auf diplomatischer Ebene zu beenden. Einerseits lag dies an den Bemühungen einiger gemäßigter moriskischer Führungskräfte um den angesehenen General Hernando el Havaqui, die die ­festgefahrene militärische Lage und die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung erkannten. Schon Mitte März 1570 erreichte den Hof ein Bericht, dass bereits eine Vielzahl von moriscos ihre Waffen niedergelegt hätten.339 Andererseits war auch die 339 Gaspar Hurtado de Mendoza am 14.3.1570 an den Hof: „Yban rindiendo las armas y q[ue] en effecto quedarian muy pocas por rindir.“ AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 176r.

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k­ astilische Krone an einer raschen Beilegung des Konfliktes interessiert. Die äußere Bedrohungslage hatte sich zugespitzt. Durch die kritische Situation in den Niederlanden aber vor allem durch die verstärkte osmanische Präsenz im westlichen Mittelmeerraum und die befürchtete Unterstützung der moriscos durch nordafrikanische Hilfstruppen sah sich Philipp II. genötigt, eine zügige Beendigung des Kriegs zu forcieren. Don Juan sei darüber hinaus – so weiß Mármol Carvajal aus seiner ex post-Perspektive zu berichten – bereits zu diesem Zeitpunkt von Papst Pius V. für den Oberbefehl der Flotte der Heiligen Liga vorgesehen gewesen, was einen schnellen Abschluss seiner Kampagne im Reino de Granada vorausgesetzt habe.340 Diese Gemengelage brachte einen allmählichen Politikwechsel mit sich: War im Jahr 1569 noch ein kompromissloses militärisches Vorgehen die bevorzugte Taktik, so erkannten die kastilischen Verantwortlichen in der ersten Hälfte des Folgejahres, dass eine schnelle militärische Unterwerfung der moriscos kaum zu erzwingen war. Vielmehr war sich die militärische Führung weitgehend einig, dass marodierende, plündernde und versklavende Truppenkontingente für eine Verlängerung des Kriegsgeschehens mitverantwortlich waren. Am eindrücklichsten lässt sich dieser Politikwechsel an folgendem Beispiel belegen: Am 30. Mai schrieb Luis de Requesens im Namen der Krone an Sancho de Leiva, capitán general de las galeras de España und damit für die Kontrolle der andalusischen Küste zuständig, dass sämtlichen „Mauren“ (moros) und „Türken“ (turcos) freies Geleit zugesichert werden sollte, falls sie mit ihren Schiffen an die nordafrikanische Küste übersetzen wollten: Verehrter Don Sancho Martínez de Leiva, Generalkapitän der spanischen Galeeren, und alle weiteren Kapitäne der Galeeren Ihrer Majestät […], die das Mittelmeer befahren: Gewähren Sie den Türken und Mauren freie und sichere Überfahrt mit ihren Schiffen nach Nordafrika. Sie sollen freies Geleit genießen und erlauben Sie nicht, dass sie angegriffen oder belästigt werden oder andere Behinderungen während ihrer Reise erleiden.341 340 „Se trataba de la liga y confederación de los príncipes cristianos contra el Gran Turco, que amenazaba los pueblos de levante con su poderosa armada; y habiendo de ir don Juan de Austria por generalísimo del ejército de la liga, convenía que diese fin a lo que tenía entre manos; porque papa Pio V de felice memoria, había enviádole su embajada con el maestro don Luis de Torres, natural de la ciudad de Málaga, que después fue arzobispo de Monreal, exhortándole, como verdadero pastor, a la general concordia y defensa del pueblo católico.” Mármol Carvajal: Historia VIII, X. 341 „Muy illu[str]e señor don sancho martínez de leyva capitan general de las galeras de [e] spaña y otros qualesquier capitanes de galeras de su mag[estad] y de baxeles de remos y alto bordo, de sus reynos que navegan y navegaren en el mar Mediterraneo dexaran pasar

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War es nur wenige Monate zuvor üblich, sämtliche „maurische“ oder „türkische“ Kämpfer hinzurichten oder zumindest in die Sklaverei zu verkaufen, scheint es für die militärische Führung nun zielführender gewesen zu sein, das Kampfgebiet auf diese Weise von muslimischen Hilfstruppen zu befreien. Ein weiteres Schreiben, in diesem Falle aus der Feder Don Juans, befahl Sancho de Leiva rund einen Monat später erneut, sämtlichen moros und turcos freies Geleit nach Nordafrika zu gewähren.342 Sowohl Requesens als auch Don Juan sahen in ihren Befehlsschreiben nur eine Bedingung vor: Auf den Schiffen, die die andalusische Küste Richtung Nordafrika verließen, dürften sich weder „Alt-“ noch „Neuchristen“ befinden; zum einen, um die Verschleppung und Versklavung „altchristlicher“ Menschen zu verhindern, zum anderen, damit keine moriskischen Vasallen der kastilischen Krone in die nordafrikanischen „Barbareskenstaaten“ flüchten konnten.343 Da sich allerdings Berichte häuften, dass die osmanischen und nordafrikanischen Schiffe sich nicht an diese Abmachung hielten344, erging zügig ein Befehl an Sancho de Leiva, dass sämtliche Schiffe vor ihrer Abfahrt nach Nordafrika einer sorgfältigen Visitation zu unterziehen seien.345 Das freie Geleit, das den osmanischen und



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a las partes de Berveria segura y libremente a los turcos y moros naturales della q[ue] fueren en el navio q[ue] este nu[est]ro seguro y libre salvo conducto llevare, no permitiendo ni consintiendo que sean offendidos ni molestados, ni puesto impedimento alg[uno] en seguimento de su viage.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 91r-v. Don Juan am 14.6.1570 an Don Sancho de Leyva. Ebd., fol. 152r-v. So heißt es bei Requesens: „Ning[uno] dellos no sea xri[sti]ano viejo ni nuevo aunque sea de los rebelados en este Reyno de Granada assi hombre como muger de qualquiere edad.” Ebd., fol. 91r. Bei Don Juan heißt es: „De quan grandes servicios de Dios y de sa auctoridad del Rey mi s[eñ]or seria que los turcos y moros ultramarinos que se hallan en este Reyno embarcandose como esa apuntado llecassen consigo ningun xri[sti]ano viejo ni nuevo contra lo que les esta ordendado.” Ebd., fol. 152r. So berichtete Luis de Requesens am 15.6.1570 an Philipp II., dass Don García de Villaroel am Cabo de Gata 47 altchristliche Sklaven befreit habe, die sich an Bord eines osmanischen Schiffes befanden haben sollen: „Los turcos no han de guardar en todo la orden que se les ha dado. [...] Don garcía de Villarroel hizo pues mato algunos y prendio a los demas y dio libertad a quarenta y siete xri[sti]anos, que allo tenian para llevar a berveria.” Ebd., fol. 157r-v. Don Juan an Philipp II. am 16.6.1570: „Haviendo me scripto Don sancho de Leyva que en la marina de castil de ferro tenian los moros que se han de embarcar buen numero de xri[sti]anos para los passar en Berveria pareciendome que quado esto subcediese, seria grandes servicio de Dios n[uest]ro señor y de autoridad de v. m[agesta]d se a tomado resolucion de scrivir al dicho Don sancho que visite los navjos en que an de passar los dichos Turcos y moros.” Ebd., fol. 159r-v.

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­ ordafrikanischen Soldaten gewährt wurde, zeigt auf deutliche Weise, dass n sich die königliche Politik hinsichtlich des Krieges verändert hatte. Statt einer kompromisslosen militärischen Vorgehensweise sollte der Krieg nun mit ­diplomatischen Mitteln schnellstmöglich beendet werden. In dieser neuen politischen Konstellation nahm auch die Sklaverei eine veränderte Rolle ein. Anstatt in Form von Beute als finanzieller Anreiz für die Söldner zu dienen oder die königliche Kriegskasse zu füllen, erhielten Sklaven jetzt eine prominente Funktion als Verhandlungsmasse während der Friedensgespräche. Gnadenund Freiheitsversprechen wurden den moriscos vermehrt als Anreize für die Unterwerfung in Aussicht gestellt. In diesem Zuge kam es auch zunehmend zu Sklavereiverboten, Repression gegen Sklavenfänger und -besitzer und folglich auch zu erneuten Konflikten um vermeintlich gerecht versklavte moriscos. Parallel zu teils noch immer heftig geführten Kämpfen bezeugt Mármol Carvajal erste Bemühungen um Friedensgespräche im März 1570. Um die guerra de Granada möglichst schnell zu beenden, befahl Don Juan dem capitán Don Hernando de Barradas aus Guadix, mit Hernando el Havaqui in Verhandlungen zu treten, da diese vor Kriegsausbruch gute Freunde gewesen seien.346 Auch der kastilische capitán Francisco de Molina erhielt die königliche Erlaubnis, mit Havaqui in Schriftkontakt zu treten, um diesen zur Aufgabe und vor allem zu einem Gefangenenaustausch zu bewegen.347 Wenige Wochen später kam es schließlich erstmals zu direkten Verhandlungen mit Aben Abóo. Der aus dem granadinischen Hochadel stammende Alonso de Granada Venegas schrieb dem Anführer der aufständischen moriscos am 8. April mit der Bitte, der ­Vernichtung des Landes und seiner Bewohner ein Ende zu bereiten und Friedensverhandlungen zuzustimmen. Die Tatsache, dass Granada Venegas einer altadeligen moriskischen Familie entstammte, qualifizierte ihn für diese diplomatische Mission und dokumentiert einmal mehr die I­ ntegration von Teilen 346 „Y entendida la voluntad de su majestad, se trataba con calor el negocio de la redución; y hubo algunas personas principales, que solían tener amistad con los caudillos de los moros antes que se alzasen, que se ofrecieron a reducirlos [...]; don Hernando de Barradas, vecino de Guadix, y otros que deseaban hacer algún buen efeto en este particular, y con la paz y redución excusar la saca que se trataba de los moriscos de paces del reino. Don Hernando de Barradas había tenido licencia de don Juan de Austria para poder escrebir a Hernando el Habaquí, que era grande amigo suyo.” Mármol Carvajal: Historia VIII, X. 347 „El capitán Francisco de Molina, que tenía conocimiento con Hernando el Havaqui, general de los moros, [...] pidió licencia a don Juan de Austria para escribirle una carta aconsejándole que se redujese. [...] Y siéndole concedida la licencia que pedía, le escribió luego que holgaría mucho que se viesen, con ocasión de tratar algunas cosas convenientes y muy necesarias al bien de los cristianos y de los moros, y dar orden en lo de los prisioneros.” Ebd. VIII, XIV.

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der moriskischen Elite in die „altchristliche“ Gesellschaft.348 In seinem Antwortschreiben vom 22. April willigte Aben Abóo schließlich ein und b­ estimmte Hernando el Havaqui zu seinem Verhandlungsführer.349 Im Folgenden begann Mitte Mai in der kleinen Ortschaft Fondón de Andarax, in der heutigen Provinz von Almería, eine größere Friedenskonferenz, die insbesondere von Havaqui angetrieben wurde. Nachdem Don Juan acht Geiseln als Unterpfand erhalten hatte, schickte er seinerseits eine sechsköpfige Delegation, ­darunter Alonso de Granada Venegas und Hernando de Barradas, um in Fondón de Andarax mit der moriskischen Gesandtschaft die Bedingungen ­einer Unterwerfung auszuhandeln.350 Die Bereitschaft der moriscos zur schnellen Kapitulation lässt sich anhand eines Briefes Havaquis veranschaulichen, den er im Rahmen der Verhandlungen an Don Juan sandte: Hernando el Havaqui und Pedro de Mendoza küssen im Namen aller aufständischen Neuchristen des Königreichs Granada die Hand Eurer ­Hoheit. Wir alle haben den Wunsch, uns dem gehorsamen Dienst und der Gnade Seiner Majestät, unserem natürlichen König und Herrn, zu unterwerfen […], denn wir finden uns voller Reue über unseren Ungehorsam, wobei wir uns sicher sind, dass der große Teil der Aufständischen nur durch Leichtfertigkeit und die Grausamkeit einiger Weniger angetrieben war. Und somit bitten wir Eure Hoheit demütigst, uns im Namen Ihrer Majestät in seiner großzügigen Gnade aufzunehmen.351 348 „Señor Aben Abóo: Muy espantado he estado que una persona tan cuerda y de tan buena casta como sois haya venido a parar en un camino de tan perdición, así para el alma como para la vida, y destrución de toda esa tierra y gente della. Y porque me pesa mucho dello, y deseo vuestro bien y elde todos, y poner remedio en ello, os pido por merced que me enviéis algunas personas de confianza con quien tratarlo.” Ebd. VIII, XXVII. 349 „El Havaqui nos vino a dar cuenta de todo, como hombre a quien tenemos dada comisión para esto negocios.” Ebd. 350 Don Juan am 16. Mai 1570 an Philipp II.: „A los XI del presente escrivi a V. m[agsta]d dandole cuenta del stado en que quedava la platica de concierto que se abia movido con esta gente, à seydo por ella adelante de manera que a los XIII embiaron aqui ocho hombres por rehenes y a los XIIII embie yo a Andarax à Don Juan Enriquez, a Don Alonso de Granada Venegas, a Don Hernando de Barradas, a Juan Perez de Mescua, y a Don Alonso Venegas de Almeria que son las personas que el Havaqui pidio para que tratassen conellos.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 33r-v. 351 „Hernando el Havaqui y Pedro de Mendoza en nombre de todos los xristianos nuevos revelados deste Reyno de Granada besamos los manos a V. Al[tera] y dezimos q[ue] todos estamos con desseo de reduzirnos al servicio obediencia y gracia de su m[agesta]d como de nue[stro] natural Rey y señor [...] nos hallamos arrependitos de la d­ esobediencia de

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Die Gründe für das Bestreben der moriscos, die Waffen niederzulegen und Philipp II. wieder als ihren rechtmäßigen König anzuerkennen, waren vielschichtig: Sie reichten von Todesangst und allgemeiner Kriegsmüdigkeit über die Hoffnung auf eine Generalamnestie (perdón general) bis hin zur Angst um ihre gefangenen und versklavten Frauen und Kinder sowie das Verlangen, diese zu befreien.352 Interessant für die hier verfolgte Fragestellung sind nun die Bedingungen, an die die moriskischen Verhandlungsführer ihre Unterwerfung knüpften. Parallel zu den Vorbereitungen der Verhandlungen erreichte Don Juan am 12. Mai ein Memorial Havaquis, das die Forderungen der moriscos vorweg knapp zusammenfasste: Zentral war die Gewährung eines perdón general durch den König. Die Wiederherstellung des status quo ante, inklusive aller Rechte, Freiheiten und Ländereien der moriscos, stellte eine recht optimistische Forderung dar.353 Die zweite Bedingung betraf schließlich die Sklaverei: „Wir bitten Ihre Majestät, uns alle gefangenen und versklavten Frauen, Männer und Kinder zurückzugeben.“354 Die Restitution der moriskischen Sklaven und Sklavinnen war zu einer fundamentalen Bedingung innerhalb der Friedensverhandlungen geworden. Ähnliche Forderungen referiert auch Mármol Carvajal für die moriskische Gesandtschaft in Fondón de Andarax: Es solle allen turcos und moros freier Abzug nach Nordafrika gewährt werden. Eine Forderung, der wie oben bereits dargelegt, tatsächlich nachgekommen wurde. ­Darüber hinaus erwarteten die moriscos Hilfe bei der Befreiung ihrer versklavten Frauen und Kinder. Im Gegenzug versprachen sie, sämtliche „altchristlichen“ Gefangenen freizulassen. Ferner wurde auch hier ein perdón general und ein z­ ukünftiges

q[ue] hemos usado siendo cosa cierta q[ue] la mayor parte han sido alterados y l­ ebantados por libiandad y por la violencia de algunos particulares y assi supplicamos humillmente a V. Alteza que en nombre de su m[agesta]d nos admita y rescriva en su buena gracia.” Ebd. fol. 36r-v. 352 „A unos traía el temor de morir y la esperanza del perdón, a otros el amor de la mujeres y hijos que tenían captivos, pensando rescatarlos; y por la mayor parte, a todos el deseo dequietud y paz, cansados de tantos trabajos y desventuras.” Mármol Carvajal: Historia IX, I. 353 „Her[nan]do el abaqui y Pedro de Mendoza en nombre de todos los Revelados de esta Reyno besamos los manos a V. Al[teza] y dezimos que todos estamos con desseo de reducirnos al servicio y gracia de su m[agesta]d y con este presupuesto suplicamos a V. Al[teza] nos hagamis en las cosas siguientes para q[ue] mediante ellas podamos bivir y mejor servir a su m[agesta]d con la voluntad que seamos.Primeramente que su m[agesta]d nos conceda Perdon General dando nos vidas y libertas y haziendas.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 34r-v. 354 „Iten suplicamos a su m[agesta]d mande dar orden como las cautibas y cautivos y niños se nos buelvan pues son tan necesarios para nuestro servicio.” Ebd.

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freies Leben im Reino de Granada verlangt.355 Die Antwort Don Juans, übermittelt durch seinen Sekretär Juan de Soto an Alonso de Granada Venegas, fiel folgendermaßen aus: Den moriskischen Gesandten sei eine Universalamnestie (perdón universal) zu gewähren, allerdings nur bis zur Beendigung des Friedensgipfels. Sie könnten darüber hinaus damit rechnen, dass ihnen ausreichend Ländereien zum Leben und zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt würden.356 Was allerdings die Restitution der versklavten Frauen und Kinder betraf, sah Juan de Soto kaum eine Möglichkeit, den Forderungen nachzukommen: Dies sei „sehr schwierig oder fast unmöglich, da sie über das ganze Land verteilt sind“357. Die logistischen Hürden, die eine Restitution der Sklaven von vornherein unmöglich machten, liegen auf der Hand: Zwar waren Sklaven, insofern sie überhaupt auf legalem Wege versklavt worden waren, registriert und somit zumindest in der Theorie auffindbar. Die Kapazität der königlichen Administration war hierfür aber bei weitem nicht ausreichend. Darüber hinaus wäre eine Konfiskation der legal im Krieg versklavten moriscos den Söldnern, Sklavenhändlern und -käufern ohne umfassende Ausgleichszahlungen kaum vermittelbar. Stattdessen unterbreitete Soto den Vorschlag, dass Seine Majestät den moriscos einen Gnadenerlass (merced) in Aussicht stellen könnte, auf ­dessen Grundlage sie selbst nach ihren versklavten Angehörigen suchen dürften und sie gegen eine angemessene Geldzahlung (rescate) freikaufen könnten.358 Neben dem Friedensgipfel in Fondón de Andarax kam es auch auf lokaler Ebene zu vereinzelten Friedensverhandlungen, in denen die Sklaverei eine entscheidende Rolle spielte. So befand sich beispielsweise der Duque de Arcos 355 „Se diese paso libre a los de Berbería. [...] Que se los ayudase para el rescate de la mujeres y hijos, y nose consintiese sacarlas de Castilla, y que darían luego todos los cristianos que tenían captivos en su poder; que los dejasen vivir en el reino de Granada, y que volviesen los que habían metido la tierra adentro; que se les guardasen las provisiones que tenían antiguas, y que una vez perdonados y reducidos hasta aquel día, había de haber perdón general.” Mármol Carvajal: Historia VIII, I. 356 „Cuanto a lo que toca al Capitulo primero, se les hara perdon universal hasta el dia que se concluyere el concierto y se les daran haziendas donde comodamentes puedan vivir.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 35r. 357 „Cuanto a lo que toca al segundo cabo de la dicha supplicacion que trata a la restitucion de los esclavos y esclavas, y aso ha dicho otra vezes quan difficultoso o quasi impossibles por estar dividadas en tantas partes.” Ebd. 358 „El remedio que podria haver, que su m[agesta]d les mandasse hazer m[erce]d de algun dinero sobre las rentas que ellos mismos son obligados a pagar y se les dara licencia que las rescaten y se pondra una tassa razonable para que los dueños no se las encarzcan demas de los qual se dara orden para que a algunas personas particulares que servian con aficion se procurara que se vuelvan sus mugeres y hijos.” Ebd.

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im Juli 1570 in Gesprächen mit dem regionalen morisco-Anführer der Sierra de Ronda. Aus seinem Bericht an die Krone geht hervor, dass die Bedingungen der moriscos für eine Unterwerfung den obigen weitestgehend glichen. Neben ihren Häusern und Ländereien, waren es ebenfalls die versklavten „Kinder und Frauen und Brüder“359, deren Rückgabe verlangt wurde.360 Der anonyme Verfasser des Berichtes, vermutlich der Sekretär des Duque de Arcos, empfahl dem König, auf diese Forderungen einzugehen: Es sei sinnvoll, die Sklaven freizulassen, allerdings nur mit einer ausreichenden Entschädigungszahlung für deren Besitzer. Anderenfalls könne den moriscos auch per königlichem Dekret erlaubt werden, ihre Angehörigen zum Einkaufspreis freizukaufen.361 Ein weiteres Beispiel sind die Friedensverhandlungen in der Sierra de Arboto. Auch hier machten die moriscos die Restitution ihrer versklavten Frauen und Kinder zur Bedingung ihrer Kapitulation: „[Wir fordern], dass sie uns unsere Güter und Liegenschaften sowie unsere Frauen und Kinder, die nach dem Aufstand versklavt wurden, zurückgeben.“362 Darüber hinaus waren die moriscos sogar bereit, den Sklavenbesitzern den Kaufpreis des jeweiligen Sklaven zu erstatten.363 Es zeigt sich also, dass die Sklaverei mit den beginnenden Friedensverhandlungen eine neue politische Rolle einnahm. Aufgrund der massenhaften Versklavungen während des Krieges wurde die Freilassung versklavter Verwandter zur zentralen Forderung der überlebenden moriscos und somit zur Bedingung für einen schnellen Friedensschluss. Dabei waren nicht nur die königlichen administrativen Strukturen unzureichend, um die Restitution der 359 „Sus hijos y mugeres y hermanos.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 212r. 360 „Lo que piden los moriscos rebelados que estan en la sierra de Ronda: A seis del mes de Jullio de mill y quinientos y setenta años el capitan Alvaro de Tayfoz y Alonso Rababe en nombre de los demas Revelados que estan en el Real dixeron ante el Ill[ustrissi]mo s[eño]r el duque de Arcos mi señor q[ue] los capitulos q[ue] suplican a su mag[esta]d les conceda los presentes: Primeramente que todos los susod[ic]hos se vernan a reduzir al servicio desu mag[esta]d con que les haga m[e]r[ce]d de dexarlos en sus casas y que les buelvan sus haziendas. Rayzes que les tienen tomadas y sus hijos y mugeres y hermanos que tienen por esclavos despues de la Rebelion quedando como antes. Estavan rindiendo primero las armas a la persona q[ue] su mag[esta]d mandare.” Ebd., fol. 212r-v. 361 „Yten q[ue] su mag[esta]d sea servido de mandalles volver las mugeres y hijos de los de ystan dando por ellos un precio moderado por cada uno, y sino fuere servido desto que los que las tienen las den a sus padres y maridos por el precio q[ue] fueron vendidos.” Ebd., fol. 212v. 362 „Q[ue] se les volveran sus bienes rayzes libremente y todos sus hijos y mugeres q[ue] les an tomado despues de la rebelion y alcarmiento y tienen por escalvos.” Ebd., fol. 298r. 363 „Yten q[ue] se les volvean a los dey stan todas sus mugeres y hijos que estan cabtivos dando por ellos el precio q[ue] uviesen costado a las personas q[ue] los tuvieren.” Ebd.

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Sklaven zu gewährleisten. Auch aus finanziellen und herrschaftspolitischen Gründen war dies nicht opportun: Zum einen würden fällige Entschädigungszahlungen enorme Summen verschlingen. Zum anderen barg die Konfiskation von Sklaven stets großes Konfliktpotential. Dennoch erkannten die Krone und ihre regionalen Vertreter im Reino de Granada, dass eine Neuausrichtung der Sklavereipolitik zur Beendigung des Konfliktes unumgänglich war. Diesen Überlegungen folgten zunächst Ultimaten, die den verbleibenden morisco-Kämpfern gestellt wurden: Würden sie innerhalb einer bestimmten Zeit ihre Waffen niederlegen, könnten sie mit einer nachsichtigen Behandlung rechnen, was vor allem den Verzicht auf Hinrichtung oder Versklavung bedeuten sollte. So veröffentliche Don Juan am 23. April einen Erlass (bando) im gesamten Reino de Granada, der allen moriscos, die sich innerhalb von zwanzig Tagen unterwerfen, Gnade versprach.364 Diese Teilamnestie war folgendermaßen begründet: Mein Herr der König hat verstanden, dass der Großteil der Neuchristen, die in diesem Königreich Granada rebellierten, nicht durch ihren eigenen Willen angetrieben waren, sondern von Hintermännern und Anführern […], die nur ihre eigenen Interessen verfolgen und sich an den Gütern der Gemeinschaft bereichern, zur Rebellion genötigt, gezwungen, geblendet und angestiftet wurden.365 Geschickt versuchte Don Juan auf diese Weise, den moriskischen Widerstand zu brechen, indem er die Anhängerschaft Aben Abóos spaltete, Zwietracht zwischen Anführern und der einfachen moriskischen Bevölkerung säte und so der großen Masse der moriskischen Aufständischen die Möglichkeit gab, sich zu unterwerfen. Während die Anführer der moriscos keine Gnade erwarten könnten366, sollten alle anderen Personen zwischen fünfzehn und fünfzig Jahren, die sich der königlichen Autorität unterwarfen und ihre Waffe abgaben, 364 „Dentro de veynte dias que se quenten dela data del en adelante vinieren a rendirse y poner sus personas en manos de su mag[esta]t y en las n[uest]ras en su nombre, de les hazer m[e]r[ce]d de las vidas.” AGS, Est, L. 152, fol. 28r. 365 „Haviendo entendido el Rey mi señor q[ue] la mayor parte de los x[risti]anos nuevos q[ue] se han levantado en este Reyno de Granada fueron movidos no por su voluntad, sino por compelidos, apremiados, engañados e induzidos por algunos principales auctores y moveedores cabecas y caudillos q[ue] an andado y andan entre ellos los quales por sus fines privados y particulares y por gozar y ayudarse de la haziendade la gente comun del pueblo y no por hazerles benefficio nenguno procuraron q[ue] se alcasen.” Ebd. 366 „Con los x[risti]anos nuevos de este Reyno q[ue] an sido capitanes y caudillos de la Revelion y q[ue] obstinados en ella, no querran gozar de la gracia y m[e]r[ce]d.” Ebd.

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von Todesstrafe und Sklaverei verschont werden.367 Darüber hinaus wurde diesen versprochen, zwei weitere Personen – seien es ihre Kinder, Ehefrauen oder andere – angeben zu können, die ebenfalls von der Sklaverei verschont werden sollten.368 Auf diese Weise gelang es Don Juan, die Begnadigung als Anreiz und Belohnung für eine Unterwerfung in Aussicht zu stellen, ohne Sklavenbesitzer und -händler durch eine nachträgliche Konfiskation von Sklaven zu brüskieren. Auch der finanzielle Schaden durch diesen Verzicht auf Sklaven dürfte sich in Grenzen gehalten haben; schließlich bestand der Großteil der versklavten und verschleppten moriscos nicht aus Männern zwischen fünfzehn und fünfzig Jahren, sondern aus deren Frauen und Kindern, die zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1570 bereits in großer Anzahl versklavt worden waren. Um die Einhaltung dieser Versprechungen zu gewährleisten, wurden eigens königliche Amtmänner, sogenannte comisarios de la reducción, beauftragt, die auf lokaler Ebene die Unterwerfung und Waffenabgabe der moriskischen Kämpfer überwachen sollten. Daran, dass diejenigen moriscos, die sich ergeben hatten, mit Milde und Nachsicht behandelt werden sollten, erinnerte nochmals ein Schreiben Don Juans vom 14. Juni, das an die verschiedenen comisarios des Reino de Granada gerichtet war.369 Da der moriskische Widerstand im Juni des Jahres 1570 noch immer nicht gebrochen war, sah sich Don Juan genötigt, ein letztes Ultimatum per bando zu veröffentlichen. Alle moriscos, die sich bis zum Johannestag (24. Juni) nicht ergeben hatten, sollten von diesem Tag an als „Rebellen gegen ihren Herrn und natürlichen König bestraft werden und dürfen nicht auf Mitleid und Nachsicht hoffen“370. 367 „Ansimismo prometemos en nombre de su mag[esta]t de hazer gracia como por la ­pressente la hazemos, a todos los d[ic]hos x[risti]anos nuevos que fueren de edad de quince años arriva y de cinquenta abajo [...] q[ue] se les perdonara la vida y q[ue] el tal no sera sclavo [...] los quales tan poco seran esclavos sino q[ue] quedaran su primer livertad.” Ebd. 368 Von diesem Zusatz, der in der Originalquelle nicht mehr lesbar ist, berichtet Mármol Carvajal: „Y que demás desto puedan señalar para que sean libres dos personas de las que consigo trajeren, como sean padre o madre, hijos o mujer o hermanos; los cuales tampoco serán esclavos, sino que quedaran en su primera libertad.” Mármol Carvajal: Historia VII, XXI. 369 „Copia de la carta en cuya forma se scrivio a los comissarios de la reduction de los moriscos: [...] Los xri[sti]anos nuevos deste reyno se ha concedido me[rce]d para que viviendo a la obediencia del Rey mi s[eñ]or, y rindiendo las armas fuessen admitidos en su real gracia y tractados con la begninidad y blandura.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 155r. 370 „Por lo qual ordenamos y mandamos que todos los moriscos y moriscas deste reyno que de oy por todo el dia de sant Ju[an] no se uvieren reducido a las p[ar]tes y lugares que les esta señalado y rendido las armas, seran tratados y castigados desde el d[ic]ho dia en adelante como Reveldos a su s[eño]r y Rey natural sin que les pueda quedar [e]speranca

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Eine wesentliche Rolle spielte die Sklaverei respektive die Verschonung von dieser nicht nur in den Ultimaten an die moriscos, in denen sie als Anreiz verwendet wurde, um deren Kapitulation zu beschleunigen. Als sich der Bedarf nach einer diplomatischen Lösung in der guerra de Granada allmählich abzeichnete und die massenhaften Versklavungen des Feindes hierfür offenkundig kontraproduktiv waren, kam es vermehrt zu Sklavereiverboten und zunehmender Repression gegenüber Sklavenbesitzern und illegalen cabalgadas. Am 23. April entschloss sich die Krone erstmals zu einem umfassenden Verbot der Versklavungen. Per bando general bestimmte Don Juan, dass weder Hauptmann noch Leutnant der Infanterie, noch Truppenführer, Soldat oder irgendeine andere Person, unabhängig ihres Standes oder ihrer Herkunft, es wagen soll, nach der Publikation dieses Erlasses […] Männer oder Frauen der neuen Christen unabhängig ihren Alters, die in diesem Reich rebelliert haben, zu versklaven. Diese sollen nicht geschädigt oder auf andere Weise belästigt werden. […] Wer hiergegen verstößt, soll zum Tode verurteilt werden.371 Dieses radikale Verbot der Versklavungen, bei dessen Zuwiderhandlung sogar die Todesstrafe vorgesehen war, ist Ausdruck der neuen Situation, in der sich die Krone seit den beginnenden Friedensverhandlungen befand. Um den moriscos die bei Einhaltung der Ultimaten in Aussicht gestellte Straffreiheit zu gewährleisten, war ein Verbot aller zukünftigen Versklavungen unumgänglich. Außerdem kann das Sklavereiverbot als Konzession an die moriskischen Verhandlungspartner gesehen werden. War die Krone schon nicht in der Lage, die bereits versklavten Familienangehörigen zu befreien, so versuchte sie immerhin, zukünftige Versklavungen zu verhindern. Dem bando lag zudem eine Anweisung (instrucción) bei, die beschreibt, in welcher Weise die lokalen königlichen Vertreter in Zukunft mit den moriscos umzugehen hatten. Anstatt wie zuvor üblich den Soldaten Raum für großzügige cabalgadas und Sklavenrazzien zu geben, sollten von nun an alle moriscos, die bereit waren, sich zu

cierta que se aya de usar con ellos de ningun Genero de piedad y clemencia dada.” Ebd., fol. 156r-v. 371 „Por el presente vando se ordena y manda q[ue] n[in]guno cap[itan] de cavallos e infanteria alferez sargento ni soldado ni otra ninguna persona de qualquier grado nacion calidad o condicion no se a osado desde la publicacion del d[ic]ho vando en adelante [...] de salir a correr ni tomar por esclavos ningund hombre ni muger de qualquier edad que sea de los xri[st]ianos nuevos q[ue] en este Reyno se han rebelado. [...] No haziendoles ninguna molestia ni maltratamiento [...] so pena q[ue] al que lo contrario hiziere sera executada la pena de la vida yremisiblemente.” AGS, GA, L. 73, fol. 53r-v.

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ergeben, mit Milde und Nachsicht behandelt werden. Versklavungen waren demnach nur noch mit expliziter königlicher Lizenz möglich.372 Die königlichen comisarios sollten darüber hinaus nicht nur für die Sicherstellung der guten Behandlung der moriscos sowie der Verhinderung von Versklavungen zuständig sein: Es war auch ihre Aufgabe, sämtliche überlebenden moriscos möglichst friedlich zu sammeln, sie mit Namen, Alter und Geburtsort in ein Register einzutragen, um sie in der Folge auf verschiedene Gebiete im kastilischen Königreich zu verteilen.373 Der letzte Punkt der instrucción gibt bereits den entscheidenden Hinweis darauf, mit welcher neuen Taktik die Krone gedachte, den Krieg schnellstmöglich zu beenden und zukünftige Konflikte im Reino de Granada zu verhindern: Durch die Massendeportation der gesamten moriskischen Bevölkerung und ihrer zerstreuten Ansiedlung in den kastilischen Provinzen. Deutlich wird das Ausmaß dieses Vorhabens auf lokaler Ebene anhand einer instrucción, die der königliche Befehlshaber der Stadt Baza, Alonso de Carvajal, señor von Jódar, im Oktober 1570 erhielt:374 Nachdem ein Großteil der aufständischen moriscos bereits bestraft worden sei, gelte es nun, zukünftige Schwierigkeiten (inconvenientes) zu vermeiden, die durch die moriskische Bevölkerung des Reino de Granada entstehen könnten. Hierzu sollten 372 „Instruction, de lo q[ue] se ha de hazer sobre el admitir a la gracia de su m[agesta]d los moriscos.Primeramente se a de tener por entendido q[ue] la voluntad e intencion de la mag[esta]d del Rey mi señor es que los xri[sti]anos nuevos deste Reyno que se han levantado, los quales segun lo que por cierto se sabe, los mas dellos fueron movidos por subdicion, simpleza e Ignorancia e Indiezidos de las personas que por sus intereses privados y particulares los han altezado. Viniendo a darse a la gracia y benignidad. [...] Entre los soldados y gente de guera para q[ue] nenguno baya a correr ni tomen ninguna esclava, sin licencia n[uest]ra o de sus superiores.” Ebd., fol. 54r-v. 373 „En cada lugar de presidio nombrara el cabo o governador del personas de las de mayor caridad conciencia y bondad de todos los q[ue] alli ubiere, las quales tomen y reciban a los xri[sti]anos nuevos q[ue] ansi vinieren a sedar a su m[agesta]d con ordenarles q[ue] no solamente no les hagan ningun maltratamiento ni desgusto, pero antes los recojan con piedad y benignidad humana, y los animen y enferien a hazer lo que son obligados como a bajsallos a que su mag[esta]d haze tanta m[e]r[ce]d y beneff[ici]o la tal persona a de hazer relacion y lista en q[ue] assiente todas las personas q[ue] assi se vendran adar, tanto hombres como mugeres de qualquier edad, grado ò condicion q[ue] sean notando los nombre y hedades que tienen y de q[ue] lugare se son y aquel lugares se an venido a dar, a tal que su mag[esta]d ò nos en su nombre ordenam[o]s lo que sera mas combeniente q[ue] se haga en beneff[ici]o de los tales xri[sti]anos nuevos.Los cabos y capitanes de los lugares a donde assi vendran los d[ic]hos xri[sti]anos nuevos, los han de alimentar y dar de comer.” Ebd. 374 „Instruction q[ue] se dio a don Alonso de Carvajal sobre lo de los moriscos.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2155, fol. 179r.

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sämtliche moriscos auf einen Schlag deportiert (sacar) werden.375 Zu diesem Zwecke wurden diese in den für sie zuständigen Pfarrkirchen versammelt.376 Alle Personen, die sich weigerten, die Kirche aufzusuchen, durften zur Versklavung freigegeben werden. Diejenigen, die zum Galeerendienst fähig seien, mussten vom Sklavenfänger für zwanzig Dukaten an die Krone verkauft werden.377 Die Deportation von circa 80.000 moriscos ist in der Forschung allgemein bekannt und ihre Konsequenzen werden in der Regel als „human and demographic disaster“378 betrachtet.379 Eine genaue Analyse der Funktionen, Praktiken und Mechanismen dieses ungeheuren logistischen Aufwandes und der nach Don Juan „größten Herausforderung“ bleibt jedoch ein Desiderat. Insbesondere ab dem Spätsommer des Jahres 1570 beherrschte nicht mehr die Sklaverei den politischen Diskurs über die morisco-Problematik, sondern die ­Deportationen. Eine umfangreiche Korrespondenz zwischen Pedro de Deza und Philipp II. diesbezüglich gibt genauen Aufschluss über deren Systematik und Verlauf.380 Der Präsident der Audiencia verfolgte in dieser noch immer eine kompromisslose Politik gegenüber den moriscos. Luis de Requesens erkannte hingegen einmal mehr die Gefahren einer derartigen Vorgehensweise: Die Bedeutung der moriscos für die regionale Landwirtschaft sei so groß, dass auf eine Deportation unbedingt verzichtet werden müsse.381 Die letztlich weitgehend erfolgte Deportation der moriscos und ihre Ansiedlung in Kastilien brachten nicht die gewünschten Ergebnisse. Die katastrophale Auswirkung auf die Landwirtschaft konnten erst nach vielen Jahren durch eine aktive 375 „Haviendose pues castigado la mayor parte de los d[ic]hos moriscos allandose el d[ic]ho rey[n]o y queriendo su mag[esta]t prevenir a los inconvinientes q[ue] adelante podran subceder a juzgado no poderse ordenar ni establescer las cosas sino con sacar de una vez todos los moriscos q[ue] en el d[ic]ho Rey[n]o ay.” Ebd. 376 „Para el d[ic]ho dia ultimo del pressente se a de ordenar q[ue] todos los d[ic]hos xri[sti] ano nuevos se junten en las Iglesias de sus lugares.” Ebd. 377 „El q[ue] no lo hiziere luego sera tomado por esclavo del q[ue] le prendre donde quiera q[ue] se hallare, con tal q[ue] el q[ue] fuere util para galera le aya de dar a su mag[esta] t por 20 d[ucad]os, y para mayor declaracion e Justicia se embia con esta el traslado del vando q[ue] se abia de hechar.” Ebd. 378 Coleman (2003), S. 185. 379 Die genauesten Ausführungen zum Thema finden sich bei Steiner (2014), S. 77–79; Perry (2005), Kap. 5. Vgl. Carr (2017), S. 196–200; Sánchez Ramos (2000), S. 537; Birr (2013), S. 290; Hess (1968), S. 5; Fernández Chaves/Pérez García (2009), S. 73. 380 AGS, CCA, Rebelión, L. 2153, fol. 40r-v, fol. 63r-v, fol. 83r-v, fol. 95r-v. 381 „En otras partes del d[ic]ho Reyno del Granada podria aver alguns moriscos por ser tan utiles a la tierra.” Ebd., L. 2154, fol. 101r.

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Siedlungspolitik kompensiert werden, mit der „Altchristen“ mit handfesten ­Steuervorteilen aus Kastilien in den Reino de Granada gelockt wurden.382 Nachdem aus den Neunzigerjahren des 16. Jahrhunderts zahlreiche Memoriale überliefert sind, die den Integrationsgrad der moriscos in den jeweiligen kastilischen Gemeinden beklagten, sollte schließlich die Ausweisung sämtlicher moriscos aus den kastilisch-aragonischen Krongebieten im Jahr 1609 Abhilfe schaffen.383 Für die von mir verfolgte Fragestellung spielten die Deportationen der moriscos allerdings nur eine nebensächliche Rolle. Es kann festgehalten werden, dass die Zwangsmigration der moriscos insbesondere ab dem Spätsommer 1570 die maßgebliche Taktik der Krone darstellte, um den Konflikt ein für alle Mal zu beenden. Die massenhaften Versklavungen waren hier nur hinderlich und wurden entsprechend verboten. Leisteten moriscos jedoch Widerstand, stand die Sklaverei als Sanktionsmittel oder abschreckende Maßnahme nach wie vor zur Verfügung. Dass das allgemeine Sklavereiverbot auch in der Praxis durchgesetzt wurde, lässt sich anhand etlicher Prozesse und verhängter Strafen gegen „altchristliche“ Söldner und Sklavenbesitzer zeigen. Aus der Provinz Málaga sind im ­Archivo General de Simancas beispielsweise hunderte Seiten von ­Prozessakten aus dem Jahr 1570 überliefert. „Altchristen“ wurde hier zumeist vorgeworfen, gegen die bestehende Ordnung der „guten Behandlung“ (buen tratamiento) der moriscos verstoßen zu haben, sei es durch Mord, Misshandlungen oder Versklavung.384 Im selben Jahr berichtete Alonso de Granada Venegas von einem Prozess, den er persönlich gegen einen Soldaten namens Diego Quixado ­geführt hatte, da dieser „einen Mauren getötet […] und dessen Kinder und Frau versklavt hat“385. Auch Don Juan befahl im August 1570, dass die Bestrafung von marodierenden, plündernden oder versklavenden Soldaten höchste Priorität habe: Es ist angebracht, dass die Soldaten, die Verbrechen gegen die Neuchristen begehen, bestraft werden; Ihre Majestät muss darüber hinaus befehlen, dass dies mit größter Strenge geschieht, da es nicht gerecht ist, dass 382 Ersichtlich etwa anhand einer Real Provisión Philipps II. vom 24.2.1571, die schon fast einem Werbetext für einen Umzug in den Reino de Granada gleichkommt. Ebd., L. 2166, fol. 2. 383 Vgl. Perry (2005), Kap. 6; Carr (2017), Kap. 18. 384 „Proceso contra algunos christianos que retienen Moros en el Reyno de Granada contra lo ordenado 1570.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2166, fol. 1r-v. 385 „Viniendo un moro y su muger y dos hijos [...] mataron el moro [...] cativaron el muchacho y la muchacha.” Ebd., L. 2154, fol. 219r-v.

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denjenigen, die sich dem königlichen Schutz unterworfen haben, irgendein Schaden entsteht.386 Die Durchsetzung einer neuen Politik gegenüber den moriskischen Aufständischen sowie die Repression gegen Soldaten, die unterworfene moriscos versklavten oder ihnen anderweitigen Schaden zufügten, rief auch Kritik hervor. Die entschiedensten Gegner einer Beschwichtigungspolitik waren dieselben, die bereits Ende der 1560er-Jahre den Aufstand der moriscos durch ihre Repressions- und Assimilierungspolitik erst provoziert hatten: Die granadinischen Vertreter der katholischen Kirche und das Klientel Espinosas, in erster Linie der Präsident der Audiencia Granadas, Pedro de Deza. So finden sich mehrere Schriftstücke, die nahelegen, dass der Klerus Granadas versuchte, die „altchristliche“ Bevölkerung in Predigten gegen eine königliche Politik der Mäßigung aufzuwiegeln. In einer Real Cédula an den Erzbischof Pedro Guerrero vom 11. Juni 1570 beklagte Philipp II., dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass „in dieser Stadt mit großer Gewandtheit und Offenheit gegen die Nachsicht und Milde, die wir gegenüber jenen Unglücklichen, die in diesem Königreich rebellierte haben, walten lassen, gepredigt wird“.387 Da diese Ordensbrüder, Kleriker und Priester mit ihren skandalösen Predigten dem Königreich größten Schaden zufügen würden, solle Pedro Guerrero schnellstmöglich intervenieren. Die Schuldigen seien ausfindig zu machen und zu bestrafen. Zukünftige Versuche von Seiten der Kirche, die königliche Politik gegenüber den moriscos zu untergraben, seien zu verhindern.388 Dass dies kein Einzelfall war, verdeutlichen ähnliche Schreiben, die an verschiedene Orden im Reino de Granada gerichtet waren. So ergingen etwa sechs Monate später zwei Befehle an die Äbte der Dominikaner und Franziskaner in der Stadt Ronda: Auch hier sei der König informiert worden, dass die Glaubensbrüder während der Gottesdienste die 386 „Mucho conbiene que se castiguen los soldados que hizieron desordenes contra los ­xri[sti]anos nuevos y asi deve V. M. mandar que se haga con todo rigor pues no es justo que a los que estan reducidos debaxo del amparo de su M. se les haga mal ninguno.” Ebd., fol. 376r. 387 „Hemos sido avisado que en esa ciudad se habla con mucha libertad y soltura contra la clemencia y benignidad de que hemos querido usar con estos desventurados que se revelaron en ese reino.” Abgedruckt in: López Martin (1974), Dok. 83, S. 163. 388 „Y que quien más libremente ha hablado en ello y con palabras más desordenadas son frailes y clérigos y algunos de ellos lo predican en los púlpitos con mucho escándalo del pueblo, de manera que podrían suceder algunos inconvientes muy dañosos y nuestro servicio y al beneficio de ese reino; de que os habemos querido avisar para que si es así deis orden que se remedie, castigando a los clérigos que se hubiesen desordenado o se deordenaren en los suso dicho.” Ebd.

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königliche morisco-Politik kritisierten und somit „in der Bevölkerung Unruhe stiften“389. Erneut befahl die Krone, die Schuldigen umgehend zu bestrafen.390 Die verschiedenen Beispiele zeigen, dass es zum einen die Kirchenvertreter waren, die die königlichen Bemühungen um eine diplomatische Beilegung des Krieges und die damit verbundenen Beschwichtigungspolitik gegenüber den moriscos kritisierten. Über die Hintergründe können nur Vermutungen angestellt werden. Religiöser Eifer, der den vermeintlichen muslimischen Feinden keinerlei Zugeständnisse machen wollte, spielte sicherlich eine Rolle. Angesichts der Tatsache, dass es auch die Kirche war, die die Versklavungen der moriscos zu Anfang des Krieges umfassend legitimiert hatte, ist dies kaum verwunderlich. Über ökonomische Verstrickungen der Kirchenvertreter in den Sklavenmarkt – wie ich sie ja schon an vielen Stellen angesprochen h ­ abe  – kann hier allerdings nur spekuliert werden. Neben dem Klerus erfuhr die neue Vorgehensweise der Krone auch von anderer Seite Kritik. Pedro de Deza etwa beschwerte sich im Sommer 1570 bitterlich bei Philipp II., dass die Vergehen der „Altchristen“ nun rigider bestraft würden als die der moriscos. Zwar könne niemand bezweifeln, dass einige Verbrechen „altchristlicher“ Soldaten gegenüber den moriscos verübt worden seien. Jedoch seien jene viel schwerwiegender, die gegen die „Altchristen“ begangen wurden. Deshalb sei es ungerecht, dass der König nun ein größeres Gewicht auf die Verfolgung kastilischer Söldner lege als auf die notwendige Bestrafung der aufständischen moriscos.391 Unter umgekehrten Vorzeichen finden sich also die gleichen Konfliktlinien wie zu Beginn des Krieges. Verfolgte Philipp II. allerdings in den Jahren 1568/69 noch die kompromisslose Politik Espinosas und seiner regionalen Klienten, grenzte er sich nun durch eine Taktik von diesen ab, die Versklavungen und Terror untersagte. 389 „Algunos frayles del monesterio de santo domingo de rronda en particular y publicamente en los pulpitos han hablado con mucha licencia y soltura contra la rreducion que mandamos hazer de los moriscos del Reyno de Granada y otras cosas cerca desta materia, q[ue] an sido causa de escandalizar el pueblo.” AHN, Nobleza, Torrelaguna, C. 250, D. 21r-v. 390 „Y que abiendo vos llegado a la d[ic]ha ciudad y estando advertido dello aveys rreprehendido y castigado a los frayles que an tenido culpa.” Ebd. 391 Pedro de Deza am 18.8.1570 an Philipp II.: „Nadie puede estonar q[ue] no aya algunas deordenes entre los xri[stia]nos viejos y gente de guerra contra moriscos, pues las a avido y las ay contra los mismos xri[stia]nos muchas y muy grandes, mas lo que sobredezir con verdad a V. M. acerca desta materia es que se an hecho y hazen mas diligenicias en averiguar las desordenes q[ue] suceden contra moriscos y averiguadas que se castigan con mayor rigor q[ue] las q[ue] se cometen contra xri[stia]nos.” AGS, CCA, Rebelión, L. 2154, fol. 349r-v.

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Die neue Etappe des Krieges und die allmähliche Aussicht auf eine Befriedung des Reino de Granada legte erneut die Konfliktlinie zwischen Befürwortern und Gegnern der morisco-Sklaverei offen. Anhand eines Quellenbeispiels kann dabei ein weiteres politisches Motiv der Krone und des alteingesessenen, landbesitzenden Adels herausgearbeitet werden. Am 26. Mai 1570 erreichte den Duque de Arcos eine Supplik eines Truppenführers aus Ronda namens ­Pedro Bermúdez. Dieser beklagte sich, dass er im Zuge der neuen Sklavereipolitik folgenden Befehl erhalten habe: Ich habe ein Schreiben Eurer Exzellenz erhalten, in dem mir befohlen wird, Bernadino de Luzón sämtliche moriscas und deren Kinder, die von seinen Ländereien stammen, zu übergeben.392 Jener Bernadino de Luzón, adeliger Großgrundbesitzer aus Ronda, hatte sich an höherer Stelle beklagt, dass ihm durch die Versklavung seiner Vasallen erhebliche Einkünfte – etwa durch Abgaben und landwirtschaftliche ­Produktion – versagt blieben. Mit einer absehbaren Befriedung des Reino de Granada manifestierte sich noch einmal eine ganz neue Konfliktebene der Sklaverei: Während Söldner und Sklavenhändler von der Versklavung der moriskischen Landbevölkerung profitierten, hatte der landbesitzende Adel hierdurch erhebliche finanzielle Einbußen zu verkraften. Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, berichtete Bermúdez detailreich von den Versklavungen: Er habe vier Stunden gegen kühne und grausame moriscos gekämpft und dabei mehr als fünfzig Männer verloren.393 Angesichts der Verbrechen der moriscos und dem vergossenen Blut der christlichen Soldaten sei die Versklavung jener Frauen und Kinder aus „sehr gerechtem Grund“ erfolgt. In der Folge bat er seinen Vorgesetzten, ihm seine rechtmäßige Beute nicht wegzunehmen, insbesondere da sie noch unter den verwundeten Söldnern und den Hinterbliebenen der Gefallenen aufgeteilt werden sollte.394 Falls jedoch ein Ehemann oder Vater der besagten Sklavinnen sich entsprechend des oben erwähnten Ultimatums ergeben sollte und in der Folge die Freiheit seiner Frau oder Tochter verlange, 392 „Recibi la carta de v. S. alti[ssi]ma en que me manda de a Bernardino de Luzon todas las moriscas y muchachos de su estado.” Ebd., fol. 67r. 393 „Comencaron a pelear conmigo tan determindada y rabiosamente que duro quatro horas la pelea y me mataron mas de cinquenta honbres y a mi capitan de compania y al ajudante de sargerito mayor.” Ebd. 394 „Suplico a v. S. alti[ssi]ma se a servido que pues estas son esclabas con tan justa causa y con tanto derramamiento de sangre xri[sti]ana no permita que yo las pierda pues se an de repartir entre los heridos y muertos.” Ebd.

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solle die Krone ihm wenigstens eine Entschädigung bezahlen.395 Dieses Beispiel zeigt, dass die Wiederherstellung des status quo ante nicht nur für die überlebenden moriscos bedeutend war. Auch der landbesitzende Adel des Reino de Granada bemühte sich um die Restitution ihrer versklavten Vasallen, um die Bewirtschaftung ihrer Ländereien zu gewährleisten. Während also die Soldaten, wie im vierten Kapitel ausgeführt, mit allen Mitteln versuchten, die in ihren Augen gerechte Beute zu verteidigen, kam es auf der anderen Seite zu einer Art Interessengemeinschaft zwischen moriscos und ihren „altchristlichen“ Territorialherren, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Die intensiven Bemühungen „altchristlicher“ granadinischer Adeliger um einen schnellen diplomatisch herbeigeführten Friedensschluss und die damit verbundenen Forderungen nach einer strikten Eingrenzung der Versklavungen, erscheinen aus diesem Blickwinkel nur folgerichtig. Den Sklavereiverboten des Jahres 1570 lagen folglich in erster Linie praktische Überlegungen zugrunde. Die Rolle, die die Sklaverei innerhalb des Friedensprozesses spielte, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ab dem Frühjahr 1570 kann ein Politikwechsel von Seiten der Krone hinsichtlich der guerra de Granada beobachtet ­werden. Maßgebend war die Erkenntnis, dass die militärische Überlegenheit der kastilischen Truppen nicht ausreichend war, um die notwendige, schnelle Beendigung des Krieges zu erreichen. Stattdessen bemühten sich beide ­Konfliktparteien um eine friedliche Beilegung des Konfliktes. Da militärische Disziplinlosigkeiten, Plünderungen und Versklavungen den beginnenden Friedensverhandlungen konträr gegenüberstanden, strebten die Krone und ihre regionalen Vertreter nach einer Neuausrichtung der Sklavereipolitik. Sklaven waren als ­Verhandlungsmasse elementarer Bestandteil der Friedensverhandlungen. Die moriskischen Verhandlungsführer machten die Restitution ihrer versklavten Angehörigen neben einem perdón general zur zentralen Bedingung ihrer Kapitulation. Die Freilassung der Versklavten konnte aufgrund struktureller und finanzieller Gegebenheiten zwar nicht gewährt werden. In der Folge lässt sich aber eine restriktive Sklavereipolitik der Krone beobachten. ­Verschiedene Ultimaten boten die Verschonung von Sklaverei als Anreiz für eine Kapitulation. Parallel hierzu kam es zu ersten umfassenden Sklavereiverboten, zu administrativen Überprüfungen der Rechtmäßigkeit von ­Versklavungen und letztlich auch zur strafrechtlichen Verfolgung illegaler Versklavungen. Der P ­ olitikwechsel in der königlichen Sklavereipolitik rief 395 „Y si algun marido de algunas destas mugeres o padre se reduxere al servicio de su m[agestad] como v. S. lo tiene por comision. E yo tambien tengo letra de su mag[esta]d en que me manda lo mismo en tal caso se le puede dar qualquiera destas que aqui estuviere al q[ue] biniere porq[ue] su mag[estad] pagaria el balor della.” Ebd.

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auch Kritik hervor. ­Insbesondere der ­granadinische Klerus, die ortsansässigen letrados sowie Söldner beklagten sich über die Sklavereiverbote und die Beschwichtigungspolitik der Krone. Betont werden muss, dass sich die königliche Sklavereipolitik an den örtlichen Begebenheiten orientierte. Erlaubnisse, Verbote und Kompromisse richteten sich nach den situativen politischen Notwendigkeiten. Sollten im Jahr 1569 Anreize für Söldner geschaffen werden oder die moriskische Bevölkerung mittels Terror demoralisiert werden, war die Sklaverei ein probates Mittel. Mit den beginnenden Friedensverhandlungen waren die militärischen Funktionen der Versklavungen jedoch obsolet. Wichtig ist hier, dass in die ­königlichen Sklavereiverbote keine moralischen oder gar abolitionistischen Absichten hineininterpretiert werden. Die Ablehnung zukünftiger Versklavungen folgte praktischen Überlegungen: Die massenhafte Versklavung der moriscos stand einem erfolgreichen Abschluss der Friedensverhandlungen im Weg, sie erschwerte eine systematische Deportation der moriscos und wurde nicht zuletzt auch von adeligen Großgrundbesitzern abgelehnt, die den Verlust ihrer moriskischen Vasallen beklagten. Nichtsdestoweniger behielt sich die Krone vor, die Sklaverei als flexibles politisches und militärisches Mittel virulent zu halten, falls Bedarf an ihr bestand. Versklavungen waren in Einzelfällen mit expliziter königlicher Lizenz weiterhin erlaubt. Ebenso blieb die Sklaverei als Strafe ­vorgesehen, falls die moriscos gegen ihre Deportation Widerstand leisten sollten. 5

Sklavereikritik? Theologisch-juristische Nachbetrachtungen durch die „Schule von Salamanca“

Zu Beginn des vierten Abschnittes bin ich einleitend auf die Debatten um die Rechtmäßigkeit der Versklavung der moriscos eingegangen. Angesichts ihrer Mitgliedschaft in der christlichen Gemeinde zog Philipp II. die Rechtmäßigkeit der Versklavung seiner moriskischen Untertanen zu Beginn des Krieges in Zweifel. Die Ratschläge der zivilen, militärischen und klerikalen Vertreter der Stadt Granada konnten diese Zweifel allerdings schnell zerstreuen: Wie erläutert, ging das Domkapitel Granadas sogar so weit, nicht nur die Versklavungen der moriskischen Rebellen an sich zu legitimieren, sondern auch die ihrer unschuldigen Frauen und Kinder. Um das Kapitel über die morisco-Sklaverei abzuschließen, möchte ich nun auf die nachträglichen Diskussionen über die Versklavungen der moriscos eingehen, wie sie insbesondere die sogenannte „Schule von Salamanca“ führte. Nachdem die Rolle der Kirche schon an verschiedenen Stellen angesprochen wurde, bietet diese Nachbetrachtung noch einmal die Chance, den Zusammenhang von Theologie, Kirche und Sklaverei

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Die Versklavung der moriscos

zu behandeln sowie das Verhältnis von theologisch-akademischem Diskurs und der historischen Praxis vor Ort in den Blick zu nehmen. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Versklavung der moriscos blieb Mármol Carvajal zufolge noch bis ins frühe 17. Jahrhundert ein erstrangiges Thema im theologisch-juristischen Diskurs.396 Wie Christiane Birr jüngst in einem Aufsatz dargelegt hat, waren es vor allem Vertreter der bekannten neoscholastischen „Schule von Salamanca“, die in umfassenden Kommentaren das b­ ellum iustum und die Sklaverei anhand der guerra de Granada diskutierten.397 Die zentralen Autoren, die alle auf ein Studium an der Universität von Salamanca zurückblicken konnten, waren der Jesuit Luis de Molina (1535–1600), sein bekannter Ordensbruder Francisco Suárez (1548–1617), der Dominikaner ­Domingo Báñez (1528–1604) sowie Pedro de Ledesma (1544–1616) und Fernandus Rebellus (1548–1608). Als neoscholastische Theologen und Kanonisten fußten ihre Ausführungen über die Sklaverei auf den einflussreichsten Autoritäten ihrer Zeit. Im Einklang mit römischem und kirchlichem Recht sowie den meisten mittelalterlichen Legisten und Dekretisten, die im Kapitel 2.1.3 erläutert wurden, vertraten auch sie einhellig die Ansicht, dass in einem „gerechten Krieg“ der besiegte Feind versklavt werden dürfe. Luis de Molina zufolge war es „offensichtlich, dass die Todesstrafe für diejenigen, die im gerechten Krieg gefangen wurden, dem ius gentium zufolge in ewige Sklaverei umgewandelt wird“398. Dass es sich bei Molina um einen der wenigen Vertreter seiner Zunft handelte, der den Handel mit subsaharischen negro-Sklaven scharf kritisierte, zeigt einmal mehr, dass Sklavereikritik immer nur situativ geäußert wurde, nicht aber universell.399 Der Dominikaner Domingo Báñez verhandelt im zwölften Zweifel seines 1586 erschienen Buches „Scholastica Commentaria“ 396 „Había duda desde el principio desta guerra si los rebelados, hombres y mujeres y niños presos en ella, había de ser esclavos; y aun no se había acabado de determinar el Consejo hasta en estos días, porque no faltaban opiniones de letrados y teólogos.” Mármol Carvajal: Historia V, XXXII. 397 Birr (2013). Zur Schule von Salamanca vgl. Azevedo Alves/Manuel Moreira (2010). 398 „Videlicet quando aliquis justo bello capitur: jure namquam gentium […] morte in perpetuum servitutem commuta.“ Molina: De Iustitia, tract. 2, disput. 33, rn. 1, S. 160. Vgl. zum Leben und zur Lehre Molinas: MacGregor (2015). 399 So wirft er etwa den Sklavenhändlern vor, in Todsünde zu leben: „Mihi longe verosimilius est, negotiationem hanc emerium eiusmodi mancipia ab infidelibus illis in locis, eaque inde asportantium, inustam, iniquam esse […] qui horum omnium confessiones audiunt [...] omnesque qui illam exercet, lethalither peccare, esseque in statu damnationis aeternae, nisi quem invincibilis ignorantia excuset, in quam neminem eorum esse affirmare auderem.” Molina: De iustitia, tract. 2, disput. 35, rn. 16, S. 189. Vgl. MacGregor (2015), S. 222–225.

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die Rechtmäßigkeit der Versklavung der moriscos.400 Auch für ihn gilt, dass die Sklaverei im bellum iustum prinzipiell erlaubt ist.401 Auf die gleiche Weise folgt Pedro de Ledesma im dritten Kapitel seiner „Theologia Moralis“ dem römischen Recht: Sklaverei sei durch Geburt, Selbstverkauf und den „gerechten Krieg“, in dem der besiegte Feind zum Sklaven des Siegers wird, legitim.402 Ganz ähnliches kann über die Ausführungen des Fernandus Rebellus gesagt werden.403 Wie zu erwarten war, finden sich also auch hier die üblichen Rechtfertigungen der Sklaverei, die mit einigem Recht als communis opinio des frühneuzeitlichen iberischen Denkens gelten können. Nachdem die grundsätzliche Legitimation der Sklaverei geklärt war, stellte sich den Theologen in einem zweiten Schritt die gleiche Frage, die schon Philipp II. im Jahr 1569 plagte: Dürfen die moriscos als getaufte Christen versklavt werden?404 Entscheidend ist das bereits angesprochene privilegium christianorum, das etwa vom Jesuiten Francisco Suárez folgendermaßen beschrieben wird: Nach dem Völkergemeinrecht, das zwischen den Christen eingeführt wurde, werden die Gefangenen dieser Kriege nicht zu Sklaven. […] Dieses Privileg wurde zugunsten des Glaubens eingeführt.405 400 „Dubitatur iam duodecimo, an in bello iusto contra Saracenos, qui sunt rebelles & rei laesae maiestatis tam diviniae tam divinae quam humanae, licitum sit redigere in servitutem innocentes v. g. in bello Granatensi ultimo & in aliis huismodi.“ Báñez: Scholastica commentaria, quaest. 40, art. I, dub. 12, S. 539. 401 „Ius gentium est, ut capti in bello iusto sint mancipia capientum, ita ut possint vendi.“ Ebd., S. 540. 402 „Robatur, quia leges humanae sunt iustiae & sanctae, multae autem sunt leges que talem servitutem inducunt […]: Servitutem posse introduce tripliciter: Primo nativitate […] secundo iure belli, nam qui bello capiuntur, iure gentium siunt servi illorum, a quibus capti sunt. […] Tertio contratu voluntario emptionis & venditionis.“ Ledesma: Theologia moralis, cap. 3, concl. 6, S. 356. 403 „Hominem licite servum fieri posse, nativitate scilicet aut bello iusto, aut punitione criminis, aut emptione.“ Rebellus: De obligationibus iustitiae, lib. 1, quaest. 9, rn. 5, S. 67. 404 Domingo Báñez formulierte die Frage so: „Quaestio igitur est, an filii illorum rebellantium, qui sunt baptizati & subditi Christiano principi, sortiantur conditionem aliorum infidelium, an vero gaudeant privylegio Christianorum in hoc parte.” Báñez: Scholastica commentaria, quaest. 40, art. I, dub. 12, S. 540. Bei Pedro de Ledesma heißt es: „Utrum Mauri Granatenses licite potuerint vendi & emitanquam mancipia? […] Quia ipsi eran veri Christiani baptizati, ergo non potuerunt in servitutem redigi.“ Ledesma: Theologia moralis, cap. 3, concl. 6, S. 362. 405 „Jure Gentium inter illos [Christianos] introductum esse, ut capti in bello non efficiantur mancipia. […] Vero hoc privilegium introductum est in favorem fidelium.” Suárez: De pace, sect. 7, 13, S. 152.

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An anderer Stelle gibt er zu bedenken, dass das ius gentium, aus dem die Sklaverei entspringt, im gegenseitigen Einvernehmen zwischen christlichen Gemeinschaften in Teilen aufgehoben werden kann. Als solches sei der Verzicht auf die gegenseitige Versklavung im Kriegsfall nicht nur rechtens, sondern auch moralisch bindend.406 Betont werden muss die Formulierung „zugunsten des Glaubens“ (in favorem fidelium), die auch in den Ausführungen von Báñez eine wichtige Stellung einnimmt.407 Durch die Rückkopplung des privilegium christianorum an den inneren Glauben des Christen anstelle des bloßen Rituals der Taufe gelingt es beiden, die rebellischen moriscos später von diesem auszunehmen. Ebenso wie die Rechtmäßigkeit der Versklavung des Feindes im bellum iustum wurde auch deren Einschränkung durch das privilegium christianorum von keinem der anderen Autoren bezweifelt.408 Dass die rebellischen moriscos nicht in den Genuss des Privilegs kamen, wurde letztlich mit deren Apostatentum begründet. Luis de Molina folgt hier weitgehend den Argumenten des Domkapitels von Granada. Im dritten Laterankonzil habe Papst Alexander III. die Waffenlieferung an muslimische Feinde unter die Strafe der Sklaverei ­gestellt.409 Durch ihr inneres Apostatentum hätten die moriscos ihr privilegium christianorum verwirkt. Die zwingende Konsequenz einer Rebellion gegen den Glauben sei die Sklaverei, völlig unabhängig davon, ob die betroffene Person getauft war oder nicht.410 Auch für Suárez war es klar, dass sich eine 406 „Alio vero modo potest aliqua communitatis praecipere ut inter partes et membra sua tale jus gentium non servetur, et hic modus est possibilis et moralis.“ Suárez: De legibus, lib. 2, cap. 20, § 8, S. 172. Vgl. zur Lehre Suárez: Soder (1973), zur Sklaverei vor allem S. 118–123; Kremer (2013). 407 „Inter Christianos vero obtinuit hoc ius in favorem fidei, ut capti in bello non puniantur tam misera servitute.“ Báñez: Scholastica commentaria, quaest. 40, art. I, dub. 12, S. 540. 408 So heißt es bei Luis de Molina: „Excipitur, quando Christiani a Christianis bello justo capiuntur [...] ut servituti non subiciantur.” Molina: De iustitia, tract. 2, disput. 33, rn. 2, S. 160. Rebellus schreibt hierzu: „Si quis capiatur in bello iusto, genitum iure servus sit capientis [...] ut si Christiani capiantur ab aliis Christianis, etiam iuste bellatibus, servi no fiant.” Rebellus: De obligationibus iustitiae, lib. 1, quaest. 9, rn. 5, S. 67. Auch bei Pedro de Ledesma findet sich ein kurzer Absatz zum Thema: „Sequitur quod licet Christiani iure belli possint occidi tanquam hostes & inimici, non tamen possunt ad servitutem maniciporum redigi [...] si quidem eiusmodi nos inter Christianos non est in uso.” Ledesma: Theologia Moralis, cap. 3, concl. 6, S. 362. 409 „Alexander tertius in Concilio Lateranensi statuit ut Christiani deferentes arma, ferrum ad ligamina galearum ad Saracenos, aut in galeis, & piraticis Saracenorum navibus regimen & curam gubernationis exercentes, praeter alias poenas, servi fiant capientium.“ Molina: De iustitia, tract. 2, disput. 33, rn. 5, S. 160. 410 „Superioribus annis, cum in Granatensi Regno illi, qui a Saracenis originem trahebant, a fide apostatando, seu potius internam apostatiam, quam semper in corde habuerunt, aperte manifestando rebellassent, merito in apostatie & rebellionis poenam servitutis

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Person, die sich bewusst von Christus und dem fides abgewandt hatte und somit nicht nur gegen den König sondern auch gegen Gott rebellierte, nicht auf ein Privileg berufen konnte, das in favorem fidelium erteilt worden war. Durch ihre Rebellion seien die moriscos zu Apostaten geworden, deren Status dem von Heiden entsprechen würde.411 Ähnlich sah es auch Domingo Báñez: „Diese Apostaten können in die Sklaverei verkauft werden, gleichwohl den anderen Ungläubigen, die den Glauben niemals empfangen haben.“412 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von Apostaten und Häretikern, die vor allem Báñez und Suárez unterstreichen: Häretiker unterlägen zwar verschiedenen, teils schwerwiegenden Irrtümern gegenüber dem christlichen Glauben. Jedoch blieben sie Gott gegenüber treu. Apostaten hingegen würden den Glauben im Ganzen verlassen. Aus diesem Grund genössen Häretiker das privilegium christianorum, Apostaten aber nicht.413 Entsprechend durften die moriscos in der guerra de Granada zu Recht versklavt werden, nicht jedoch beispielsweise die besiegten Aufständischen in den Niederlanden. Lediglich Pedro de Ledesma empfahl für Häretiker wenigstens die Galeerenstrafe, die in weiten Teilen der Sklaverei gleichkam.414 411

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perpetuae, nihil baptismo, quod antea suscederant, impediente, damnati sunt.“ Ebd., rn. 6, S. 161. „Quia vero hoc privilegium introductum est in favorem fidelium, non semper extenditur ad apostatas. Quare si bellum geratur contra eos baptizatos, qui prorsus apostatarunt a fide, ut sunt hi, qui ad paganismum transeunt, possunt fieri mancipia, et ita habet consuetudo: Quia cum ipsi omnino negent Christum, non est quod fruantur privilegio Christianorum.” Suárez: De pace, sect. 7, 13, S. 152. Das Argument, dass die moriscos sich nicht nur gegen den König, sondern auch gegen Christus und die christliche Religion an sich erhoben hätten, macht auch Fernandus Rebellus stark: „In Regno Granatensi adversus Regem, Christianamque Religionem rebellarunt.“ Rebellus: De obligationibus iustitiae, lib. 1, quaest. 9, rn. 6, S. 67. „Istos apostatas redigere in servitutem tanquam mancipia sicut alios infideles qui nunquam susceperunt fidem.“ Báñez: Scholastica commentaria, quaest. 40, art. I, dub. 12, S. 541. Báñez schreibt zur Unterscheidung von Apostaten und Häretikern: „Apostata in hoc differt ab haeretico, quòd haereticus retinendo finem nempe Christum, eligit diversa media & diversos errores contra fidem, apostata verò deserit etiam finem, & negat Christum, qui est finis totius religionis Christianae, ergo, quamvis haeretici possint gaudere isto privilegio & dispensatione infavorem fidei, apostatae sunt omnino illo indigni.” Báñez: Scholastica commentaria, quaest. 40, art. I, dub. 12, S. 540. Suárez merkt hierzu an: „In haereticis vero usus obtinuit, ut gaudeant illo privilegio, quia saltem aliquo modo Christum fatentur.” Suárez: De pace, sect. 7, 13, S. 152. „Si enim ipsi aliquod aliud particulare crimen admiserint ut v. g. si sint haeretici, iuste ad trimeres damnari possunt.“ Ledesma: Theologia moralis, cap. 3, concl. 6, S. 362. Vgl. Birr (2013), S. 308 f.

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Ein zweiter Einwand neben der Taufe, der gegen die Versklavung der moriscos sprach, ist auf den Dekretalenkommentar Innozenzʼ IV. zurückzuführen: Ein Fürst dürfe nur gegen Personen Krieg führen, die nicht seiner Jurisdiktionsgewalt unterstünden. Diese Meinung, der zufolge die guerra de Granada nicht als bellum iustum zu klassifizieren ist, übernahm in der Mitte des 16. Jahrhunderts auch der einflussreiche Jurist Diego de Covarrubias y Leyva, Schüler Vitorias und selbst der „Schule von Salamanca“ zuzurechnen.415 Zwar handele es sich im Falle einer Rebellion durchaus um einen gerechten Kriegsgrund und der König dürfe Aufständische aller Art bekriegen.416 Allerdings sei dies als eine Form von Krieg zu klassifizieren, der lediglich bestrafenden Charakter habe und sich dadurch von zwei weiteren Arten des „gerechten Krieges“ unterscheide, dem Verteidigungs- und dem Vergeltungskrieg.417 Der punitive Krieg hebt sich von den beiden anderen dadurch ab, dass er lediglich zur Bestrafung von Rebellen und der Wiederherstellung der politischen Ordnung von einem Fürsten gegen seine Untertanen geführt werden dürfe. Das übliche Kriegsrecht gelte hier nicht: Der Raub von Gütern und die Versklavung der Besiegten seien dementsprechend nicht erlaubt.418 Diese Meinung Covarrubias y Leyvas referiert Suárez in seiner Abhandlung über die guerra de Granada, kommt allerdings zu einem völlig anderen Schluss: Da es sich bei den moriscos um Untergebene des Königs handele, dürfe dieser sie auch nach seinem Wunsch bestrafen: Wenn die Sklaverei schon als Strafe für Menschen zur Verfügung steht, die nicht einmal dem eigenen Jurisdiktionsbereich unterstünden, dann müsste dies doch erst recht für die eigenen Untertanen gelten. Gerade die legitimierende Haltung, die die meisten Theologen gegenüber der guerra de Granada einnahmen, habe gezeigt, dass Covarrubias y Leyva falsch liege.419 Seine 415 Zur Biographie Covarrubias y Leyvas siehe: Pereña Vicente (1957), zur Sklaverei besonders: S. 76–94. 416 „Tertia proponitur belli causa cotumacia seu rebellio inique recusantis Imperium, cum subditi adversus Principem insurgunt, necvolunt eiobedire.” Covarrubias y Leyva: ­Regulae Peccatum, pars. II, § 9, rn. 4, S. 193. 417 Es findet hier eine bisher unbekannte dreiteilige Klassifizierung von „gerechten Kriegen“ statt: „Iustum bellum est quod sit ad defensivum, ad vindictum, vel punitionem.“ Ebd., § 9, Summarium, S. 190. 418 „Ex nostris Innoc. Communiter receptus in dicto cap. Olim in I. de restitut. spoliat. hanc esse iustam belli causam opinatur tamet si existimet, potius esse exequutionem ­iurisdictionis, & punitionem rebellium in hoc casu, quam bellum, & ideo captos in eo non effici servos capientium: quod maxime est observandum.“ Ebd., rn. 4, S. 194. Vgl. Birr (2013), S. 303. 419 „Quod vero Covarruvias ex Innocentio et aliis habet, quando bellum est contra subditos apostatas, non posse illos fieri mancipia, quia es non est (inquit) proprie bellum, sed

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Argumentation übernahm Suárez weitestgehend vom kastilischen Rechtsgelehrten Balthasar Ayala (1548–1584), der seine Ausführungen allerdings auf die aufständischen Niederlande gemünzt hatte: Der Fürst habe im Falle einer ­Rebellion das unbedingte Recht, seine Autorität durch Kriegsführung durchzusetzen.420 Zwar stimmt er zunächst mit Covarrubias y Leyva überein, dass Aufständische nicht mit Feinden gleichzusetzen seien und die Niederschlagung einer Rebellion nicht mit dem Begriff „Krieg“ klassifiziert werden ­sollte.421 Da Rebellen aufgrund ihrer Niederträchtigkeit jedoch eine viel schwerwiegendere Bestrafung als der Feind verdient hätten, folgt für Ayala, dass „alle Maßnahmen gegen sie erlaubt sind, die im Krieg gegen die Feinde üblich sind – sowie die Tötung der Feinde, ihre Versklavung, und die Plünderung ihrer Güter“.422 Zum selben Ergebnis kommt Luis de Molina. Für ihn war jedoch der entscheidende Grund, der gegen Innozenz IV. und Covarrubias y Leyva sprach, dass die moriscos mit der Wahl eines neuen Königs aus eigener Kraft aus der res publica Philipps II. ausgetreten wären und somit ihren Untertanenstatus verloren hätten.423 Es zeigt sich also, dass alle aufgeführten Autoren, die die guerra de Granada nachträglich diskutierten, sich nach allen Kräften darum bemühten, die bekannten theologisch-juristischen Einwände zu entkräften, die gegen die Versklavung der moriscos sprachen. Die Sklavereipolitik Philipps II. in der guerra de Granada wurde folglich mit einigem argumentativen Aufwand von der Schule von Salamanca nachträglich legitimiert. ­quasi executio ordinariae iurisdictionisʼ, non videtur verum, et in bello Granatensi videmus contrarium factum fuisse omnibus viris doctissimis, et timoratis approbantibus; docetque Ayala. Ratio est, quia illi sunt subditi; ergo possunt iuste puniri. Item, si licet contra extraneos, in quos est minor iurisdictio, cur non in subditos? Denique falso dicitur illud non esse bellum, quia quando subditi sunt rebelles, ordinarium medium est, bello illos iterum subiugare.“ Suárez: De pace, sect. 7, 13, S. 152–154. 420 „And then a prince has a most just cause of war when he is directing his arms against rebels and subjects who abjure his sovereignty, for it is a heinous offense, against both god and the prince, for subjects to resist his authority.” Ayala: De jure, cap. II, rn. 12/13, S. 11. Vgl. Birr (2013), S. 305 f. 421 „Rebels ought not to be classed as enemies, the two being quite distinct, and so it is more correct to term them the armed contention with rebel subjects execution of legal process, and not war.” Ayala: De jure, cap. II, rn. 14. 422 „But all the modes of stress known to the laws of war may be employed against them, even more than in the case of enemies, for the rebel and the robber merit severer reprobation than an enemy. […] It follows that a war waged by a prince with rebels is a most just one and that all measures allowed in war are available against them, such as killing them as enemies, enslaving them as prisoners, and, much worse, confiscating their property as booty.” Ebd., rn. 15, S. 11 f. 423 Molina: De iustitia, tract. 2, disput. 33, rn. 3, S. 160.

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Waren sich die Autoren über die Rechtmäßigkeit der morisco-Sklaverei im Falle der schuldigen Aufständischen einig, so wurde jedoch über die Versklavung der unschuldigen moriscos, i. e. Frauen, Alte, Kinder und moriscos de paz, kontrovers diskutiert. Luis de Molina war etwa der Meinung, dass neben den tatsächlich schuldigen Rebellen auch deren Frauen und Kinder versklavt werden durften. Als Mitglieder der neuen moriskischen res publica, die sich durch die Ausrufung eines Königs formiert habe, seien auch jene moriscos, die nicht direkt an den Aufständen beteiligt gewesen waren, für die Schuld der Rebellen zu bestrafen und dürften entsprechend versklavt werden.424 Dass Philipp II. 1569 letztlich einen politischen Kompromiss wählte und die Versklavung aller Kinder unter neuneinhalb respektive zehneinhalb Jahren verbot, sei nach Molina keine juristische oder theologische Pflicht gewesen, sondern vielmehr ein höchstchristlicher Akt der Gnade.425 Auf diese Weise stilisiert Molina noch einmal nachträglich den Verzicht auf die Versklavung der jüngsten moriscos zu einem königlichen Gnadenakt.426 Ähnlich liest es sich bei Rebellus: Für die schwerwiegenden Verbrechen der moriskischen Gemeinschaft sei es legitim gewesen, alle Mitglieder zu bestrafen.427 Auch Kinder müssten für die Sünden ihrer rebellischen Väter haften.428 Diese Übertragbarkeit der elterlichen Schuld auf die Kinder entspricht dabei der Argumentation, mit der schon das Domkapitel Granadas 1569 versucht hatte, den König zu überzeugen. Gegen die Versklavung unschuldiger und vor allem unmündiger Kinder (parvuli) 424 „Huic titulo annectere possumus, quando innocentes, qui partes sunt Rei publicae, adversus quam justum bellum geritur, quales sunt infantes & ahi, capiuntur, licet enim licite interfici non possunt, iure tamen belli ac gentium, fiunt mancipia capientium. Ratio est, quoniam illis, tanquam in propriis membris punitur juste Res publica quoad omnia bona fortunae de quorum numero est libertas: est que hoc communi usu receptum. Verum de his omnibus fermo erit materia de bello.” Ebd. 425 „Philippus tamen secundus Hispaniarum Catholicus Rex, timoratam quandam legem tulit christianissimo suo pectore dignissimam, qua statuit, ut rebellantium filij, qui rebellionis, capturaeve eorum tempore, ad annos pubertatis non pervenissent, tanquam innocentes libertate donarentur, ut re ipsa donati sunt.” Ebd., rn. 6, S. 161. 426 Vgl. Birr (2013), S. 317. 427 „Fieri possunt servi ratione criminis. […] Hominem, si eoslegitimus princeps poena ­servitutis condemnaverit, propter grave crimen comissum, vel quod eorum libertas Rei publica noceat, ut nuper contigit in iis, qui in Regno Granatensi adversus Regem, Christianamque Religionem rebellarunt.“ Rebellus: De obligationibus iustitiae, lib. 1, quaest. 9, rn. 6, S. 67. 428 „Non solum enim filij innocentes etiam baptizati fieri possunt servi post servitutem à pare[n]tibus contractam nati, sed etiam nati antequam parentes servi fiant, si nondum usum rationis habeant, & id culpa parentum exigent.“ Ebd., rn. 7, S. 67.

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sprachen sich mit aller Deutlichkeit Domingo Báñez und Pedro de Ledesma aus. Báñez zufolge hätte für moriscos, die nicht als Rebellen zu erkennen gewesen seien, eine Unschuldsvermutung gelten müssen, bis ihnen vor Gericht ihre Verbrechen gegen Gott und König nachgewiesen worden seien. Die Freiheit eines Christen sei ein solch hohes Gut, dass sie nur durch eine persönliche Schuld entzogen werden könnte; kollektive Strafen seien in einem solchen Fall nicht angemessen.429 Noch offensichtlicher sei die Unschuld der unmündigen Kinder der moriscos. Sie seien erstens getauft und zweitens hätten sie zum Zeitpunkt des Krieges noch nicht über ihren usus rationis verfügt, der notwendig sei, um sich bewusst vom rechten Glauben abwenden zu können. Deshalb seien sie zu jeder Zeit im wahren christlichen Glauben verblieben und würden somit auch zu Recht das privilegium christianorum genießen. Die Schuld der Eltern oder anderer apostatischer Gemeindemitglieder berühre die moriskischen Kinder nicht.430 Ledesma referiert zunächst die Ausführungen Molinas über die Rechtmäßigkeit der Versklavung der parvuli, um sie im Anschluss zu widerlegen.431 Grundsätzlich hält er die Freiheit für einen naturrechtlichen Wert: „Die Freiheit ist ein Gut der Natur.“432 Demgemäß könne sie durch den Fürsten nur infolge schwerwiegender individueller Schuld gegenüber Gott oder dem König entzogen werden. Eine derart schwerwiegende Strafe wie die Sklaverei sei nur angebracht, wenn die betreffende Person gerichtlich ihrer Schuld überführt worden war.433 Durch die Legitimation der m ­ orisco-Sklaverei 429 „Dicit tertiò. Adulti, qui nihil contra Regem aut contra fidem peccaverunt, non possunt in servitutem redigi. Nam poena quaedam est personalis, quòd qui est iam sui iuris, sua libertate privetur: at contra rationem videtur, quòd innocens poena personali puniatur; maximè is qui bene meretur de Rege & religione, ergo iustè in servitutem redigi non potest. Quòd si aliqui tales inter rebelles inveniantur, quorum innocentia publicè constare non potest, erunt illi sicut innocens, qui probatur nocens secundùm exteriorem formam.“ Báñez: Scholastica commentaria, quaest. 40, art. I, dub. 12, S. 540. 430 „Arguitur secundò. Pueri innocentes, qui sunt filii istorum apostatarum, retinent veram fidem, qua susceperunt in baptismate, & non potuerunt amittere illam ante usum rationis, ergo saltem isti gaudent isto privilegio.“ Ebd. Vgl. Birr (2013), S. 312 f. 431 „Nulla videtur esse ratio cur parvuli adhuc expertes rationis venderentur in mancipia. […] Ratio est, quia Ecclesia par baptismum ipsos genuit liberos, ergo videtur valde durum, imò gravissimum, eos citra culpam in servitutem redigere. Quidam nihilminus DD. Inter quos Molina de iustit. Tom. 1 tractat. 2. disp. 33. p. 239 tenent Regem potuisse eos ob crimen parentum in servitutem redigere.“ Ledesma: Theologia moralis, cap. 3, concl. 6, S. 363. 432 „Libertate […] est bonum naturae.“ Ebd. 433 „Qui nullum in Regem aut fidem admiserunt, non potuerunt etiam in servitutem redigi. […] Ratio est, quia haec est gravissima poena personalis, ergo non est consentaneum rationi quod infligatur sine culpa: Et si quis adultus innocens inter ipsos rebelles repertus

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Die Versklavung der moriscos

unter Berücksichtigung ihrer Einschränkungen bezüglich Minderjähriger, entsprachen die Ausführungen der beiden Theologen exakt der Sklavereipolitik Philipps II. während der guerra de Granada. Praktischen Überlegungen im Sinne der Beute- und Verteilungsökonomie konnte sich vor allem Ledesma dennoch nicht entziehen: „Falls die Beute nicht ausreicht, um die Kriegskosten zu rekompensieren, ist es erlaubt, die unmündigen Kinder jener Rebellen zu verkaufen.“434 Da es der heiligen Schrift zufolge einem Vater in Zeiten der Not erlaubt war, seine Kinder in die Sklaverei zu verkaufen, könne auch die res publica zu diesem Mittel greifen, um größeren Schaden von der Gemeinschaft abzuwenden. Gerade im Falle der guerra de Granada sei dies notwendig gewesen: Um den allgemeinen Frieden – also wohl vor allem die Zufriedenheit der Söldner – zu gewährleisten, sei der Verkauf von minderjährigen moriscos in die Sklaverei unter Umständen rechtens gewesen.435 Um diese „Macht des Faktischen“ theologisch zu rechtfertigen, bemüht er noch folgende Begründung, ganz in aristotelischer Tradition: Seien die moriskischen Minderjährigen noch bis zu ihrem zehnten Lebensjahr nicht ausreichend im christlichen Glauben unterrichtet worden, so würden sie ihrerseits vom Sklavendienst in einem christlichen Haushalt profitieren.436 Während es mithin durchaus Stimmen gab, die zumindest die rechtmäßige Versklavung unschuldiger moriscos (Kinder, Frauen, Alte, moriscos de paz) in Frage stellten, kehrte eine umfassende nachträgliche Legitimation der Versklavungen aufgrund von Überlegungen, die sich ganz an den praktischen Notwendigkeiten vor Ort orientierten, durch die Hintertür zurück. Es zeigt sich infolgedessen, dass die Problematik der morisco-Sklaverei noch lange Zeit nach Beendigung der guerra de Granada den akademischen und theologischen Diskurs beeinflusste. Für Theologen und Juristen stellte der Krieg gegen die moriscos ein willkommenes Praxisbeispiel dar, an dem sich der Umgang mit Apostaten im Krieg diskutieren ließ und frühere Meinungen

fuerit qui Innocentiam suam publice probare nequiverit, hic in foro conscientiae liber fuit, licet in foro et exteriori nocens probetur.“ Ebd. 434 „Si ad solvendas expensas belli non suffecerunt spolia rebellium, licitum fuit ipsorum rebellium filios parvulos divendere.“ Ebd. 435 „Ratio est, quia patri in necessitate constituto licitum est filios suos vendre ut intra dicemus, ergo id etiam licitum est Reip. Propter aliquam communem necessitatem quando aliunde non potest expensas persolvere, negotium verò Granatensee rat tale, cum ab eo penderet pax communis & Christiana Religio.“ Ebd. S. 363 f. 436 „Sed potuisset aliqua iusta lex statui, quòd scilicet omnes qui anno aetatis sua decimo adhuc ignorarent mysteria fidei eximerentur a potestate parentum, fierent que mancipia: sicut lata est lex ut nullus matrimonium contrahat mysteriorum fidei ignarus.“ Ebd., S. 364.

Sklavereikritik? Theologisch-juristische Nachbetrachtungen

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(Innozenz IV., Covarrubias y Leyva) relativiert werden konnten. Auch legen die weitreichenden Debatten nahe, dass selbst in den letzten Dekaden des 16. Jahrhunderts, also knapp zwanzig Jahre nach Kriegsende, noch immer ein großer Legitimationsdruck bestand. Mit Blick auf die Probleme, die die Deportationen auch in den Neunzigerjahren noch bereiteten, die Ausweisung der moriscos 1609 sowie die häufigen Klagen, die morisco-Sklaven bei Gericht einreichten, wird dies verständlich. Alle beteiligten Autoren waren sich darüber einig, dass eine Versklavung der rebellischen moriscos durch die Krone absolut legitim war, auch wenn es sich bei den Aufständischen um Untertanen der Krone und nominelle Christen gehandelt hatte. Lediglich über die Versklavung Unschuldiger wurde kontrovers diskutiert. Dass letztlich die eigentlich kritisch betrachtete Versklavung von unschuldigen Kindern von Ledesma mit einem Hinweis auf praktische Notwendigkeiten im Kriegsgeschehen legitimiert wurde, passt dabei gut in das in den Vorkapiteln gezeichnete Bild. Die Angehörigen der „Schule von Salamanca“ lieferten so nachträglich umfassende Rechtfertigungen der Versklavungen im Krieg, die nur im Detail voneinander abwichen. In den meisten Teilen überschnitt sich die Argumentation mit den Ratschlägen, die das Domkapitel Granadas 1569 an Philipp II. gerichtet hatte. Durch die Rechtfertigung der morisco-Sklaverei und die oft durchscheinende Kritik an den Versklavungen unschuldiger Kinder, befand sich die zeitgenössische Jurisprudenz auf ganzer Linie mit der Sklavereipolitik der Krone. Ein weiterer Faktor, der diese nachträglichen Debatten interessant macht, ist ihr Einfluss auf die Auseinandersetzungen um die Versklavung der indigenen Bevölkerung in der „Neuen Welt“, mit der ich mich im folgenden Hauptkapitel auseinandersetzen werde. Ein Beispiel hierfür liefert der kastilische Jurist Juan de Solórzano Pereira (1575–1655), der in seinem Standardwerk „De indiarum Iure“ (1629) ein Verbot der indio-Sklaverei aus der Verschonung der minderjährigen moriscos durch Philipp II. ableitet, indem er explizit auf Molina und Báñez Bezug nimmt. Laut Solórzano Pereira war es zwar durchaus im rechtlich-theologischen Rahmen, kriegerische und aufständische indios zu versklaven. Besser sei es jedoch, diese auf friedliche Art und Weise dem christlichen Glauben näher zu bringen.437 Da Philipp II. im Jahrhundert zuvor jene 437 „Et licet aliquando bellum geri et servitutis iure uti permissum fuerit adversus nonnullos indos canibales, caribes et chichimecas vocatos et adversos alios, qui nimis barbariset rebelles esse dicebantur, vel antropphagi aut omnino efferati et inhospitales et regibus regiisque consiliariis sinistris quibusdam relationibus deceptis verius quam informatis, ut referet idem Herrera […]; postmodum tamen securius et congruentius usum fuit, ut praedictis permissionibus non obstantibus hi quoque indi naturali suae libertati restituerentur et suavioribus, quibus fieri possit, mediis ad Christi caulas et voluntariam nostrorum regum obedientiam adducerentur, ut constat ex lege 21 Indiarum.“ Solórzano Pereira:

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moriskischen parvuli verschont habe, sei es auch ratsam, indios nicht zu versklaven.438 Dass allerdings der weit größere Teil der moriskischen Bevölkerung versklavt wurde, findet keine Erwähnung. Interessant ist aber, dass beide Beispiele von Sklaverei, die auch in der Forschung infolge ihres unterschiedlichen Settings und ihrer geographischen Entfernung grundsätzlich getrennt voneinander betrachtet werden, von einem Zeitgenossen miteinander in Verbindung gesetzt wurden. 6 Zwischenfazit Durch den Aufstand einer derart großen Bevölkerungsgruppe wie der moriscos sah sich die kastilische Krone vor eine völlig neue Aufgabe gestellt. Die kritische außenpolitische und wirtschaftliche Lage, in der sich das kastilische Reich b­ efand, ließen die guerra de Granada zu einer unberechenbaren Gefahr werden, die letztlich die extreme Gewaltanwendung, insbesondere von ­kastilischer Seite, erklärt. Die massenhafte Versklavung der moriskischen Gefangenen war, angesichts der ungewöhnlichen Situation, in letzter Konsequenz durchaus eine Folge der politischen und militärischen Ratlosigkeit. Im Gegensatz zu Kriegen mit den muslimischen Feinden im Mittelmeer oder in Nordafrika, war die Versklavung der moriscos jedoch alles andere als unumstritten. Die entstandenen Konfliktfelder und die hierdurch generierten Quellen sowie die Konkurrenzsituation und Fraktionalisierung der politischen und militärischen Akteure machen die guerra de Granada zu einem idealen ­Untersuchungsfeld der Sklavereiforschung. Der Krieg bietet eine hervorragende Möglichkeit, die Konzeptualisierung der königlichen Sklavereipolitik und deren taktische Ausrichtungen zu beobachten. Auf der Basis der zur Verfügung stehenden Quellen konnte ich die beteiligten Akteure, die Fraktionsbildung und die politischen Konjunkturen herausarbeiten. Die Vor- und Nachteile, die die Sklaverei für alle beteiligten Akteure bereithielt, zeigten sich deutlich. Betrachtet man die Anwendung klassischer Sklavereikonzepte auf die Kriegspraxis sowie theologische Legitimationsbemühungen infolge konkreter

De Indiarum Iure, lib. III, cap. 7, rn. 59–62, S. 442. Zu Solórzano Pereira vgl. Mazín ­Gómez (2012). 438 „Molina […] adducit simile defillis parvulis granatensium rebellium, qui a Piissimo Rege nostro Philippo II liberi etiam declarati sunt propter opinionum varietatem, licet eidem auctori vere servosesse probabilius videatur. In quo eandem historiam referens contrariam sententiam et sic dictos parvulos liberos esse aliis relatis probat et sequitur Magister Báñez (in II II, quaest. 40, art. 1, dub. 12, col. 1122).“ Ebd. Vgl. Birr (2013), S. 316 f.

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­ raktischer Notwendigkeiten, offenbaren sich letztlich auch die Schnittstellen p zwischen theoretischem Diskurs und historischer Praxis. Zunächst konnte festgestellt werden, dass Philipp II. eine konkrete Sklavereipolitik verfolgte. Die Versklavung des moriskischen Feindes war folglich mitnichten eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Krieges, die nur auf die Disziplinlosigkeit marodierender Söldner zurückgeführt werden kann. Das zentrale Motiv der königlichen Sklavereipolitik war die Vermeidung einer ­endgültigen Entscheidung zugunsten oder gegen die Versklavung der moriskischen Feinde. Vielmehr bemühte sich die Krone um eine möglichst flexible Politik, die situativ auf Veränderungen reagieren konnte. Ein politischer ­Mittelweg, der zwischen den einzelnen Extrempositionen verhandelte und Kompromisse suchte, sollte den praktischen und situativen Notwendigkeiten des Krieges Rechnung tragen. Dabei galt es, die Vorteile der Sklaverei ausz­ uschöpfen, aber ihre negativen Auswirkungen abzufedern. Dies veranschaulicht das geheime Memorial vom März 1569: Zwar legalisierte Philipp II. die Versklavungen erwachsener moriscos unter königlichem Banner umfassend. Jedoch sollte diese Entscheidung nicht publik gemacht werden, vor allem um ausufernde cabalgadas und Sklavenrazzien zu verhindern. Ein weiterer politischer Kompromiss war das Verbot der Versklavung der minderjährigen moriscos: Auf diese Weise vermittelte die Krone zwischen dem granadinischen ­Klerus sowie den letrados der Audiencia, die auch die Versklavung von Kindern befürworteten, und dem alteingesessenen Adel um den Marqués de Mondéjar, der die massenhaften Versklavungen kritisch betrachtete. Der Frühling des Jahres 1570 brachte schließlich einen politischen Konjunkturwechsel: Den nun einsetzenden Friedensgesprächen, in denen die Sklaverei eine entscheidende Verhandlungsmasse war, folgte ein Umschwung in der königlichen Sklavereipolitik. Die ­politische Flexibilität Philipps II. zeigte sich hier eindrucksvoll. War die Sklaverei unter den Vorzeichen des Krieges im Vorjahr noch grundlegend gewesen, galt sie nun als kontraproduktiv. Den Ultimaten, durch die den moriscos als Gegenleistung für ihre Unterwerfung die Freiheit von Sklaverei versprochen wurde, folgten strikte Sklavereiverbote und Prozesse gegen undisziplinierte Söldner. Nichtsdestoweniger blieb die Versklavung der moriscos stets eine virulente Alternative: In Ausnahmefällen sowie bei Widerstand gegen die nun folgenden Massendeportationen durften moriscos weiterhin versklavt werden. Es ist zu betonen, dass den Sklavereiverboten keine moralischen oder etwaige abolitionistischen Motive zugrunde lagen. Es waren praktische Notwendigkeiten, die eine Entscheidung für oder gegen die Versklavung der moriscos bedingten. Maßgeblich waren Funktionen und Dysfunktionen, die die Sklaverei innerhalb eines solchen Konfliktes einnahm. Die Versklavung der moriscos war

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bereits während der ersten Kriegstage des Jahres 1569 eine weit verbreitete Praxis. In offiziell organisierten cabalgadas oder nach größeren Schlachten wurden zehntausende moriscos versklavt und anschließend auf den lokalen Sklavenmärkten verkauft oder als zukünftige Galeerensklaven in die naheliegenden Hafenstädte transportiert. Die Funktionen, die die Sklaverei einnahmen, w ­ aren vielschichtig: Ein wichtiges Motiv war die Sklaverei als Strafe. Die Todesstrafe, die in juristischer Betrachtung für die meisten Aufständischen legitim gewesen wäre, galt in den Augen der Krone als impraktikabel. Als „­alternativa a la muerte“ bot sich die Sklaverei als Option an, eine höchstmögliche Strafe mit ökonomischer Rentabilität zu verbinden. Ferner versprach diese Abmilderung der Todesstrafe die willkommene Möglichkeit, einen Prestigegewinn zu erzielen, indem die Versklavungen zu einem Akt königlicher Gnade stilisiert wurden. Zur Notwendigkeit des Krieges wurde die Sklaverei in erster ­Linie durch ihre ökonomischen Vorteile. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage sowie der Kriege in den Niederlanden war Philipp II. in Granada auf schlecht ausgebildete Söldner und Abenteurer angewiesen. Da diese nicht besoldet werden konnten und in aller Regel auch eine finanzielle Vorleistung erbrachten, um in den Krieg ziehen zu können, waren sie auf eine nachträgliche Entlohnung in Form von Beute angewiesen. Die Sklaverei hatte in diesem Falle eine Doppelrolle inne: Zum einen wurden die Söldner auf diese Weise ­bezahlt, zum anderen diente die Aussicht auf reiche Beute in Form von ­Sklaven als Anreiz, um die Aushebung von Truppen zu beschleunigen. Als Hauptprofiteure waren vor allem die Truppenführer bis hin zum Oberkommandierenden Don Juan finanziell an der Sklaverei interessiert. Auf diese Weise waren die Versklavungen eng in die königliche Belohnungsökonomie eingebunden. Darüber hinaus war nicht nur die individuelle Bereicherung von Söldnern bis Truppenführern offenkundig: Durch den quinto und andere Steuern profitierte auch die königliche Kriegskasse von der Versklavung der moriscos. Durch sie konnte bereits während des Konfliktes ein Teil der Kriegskosten amortisiert werden. War die Führung des Krieges ohne die Sklaverei kaum möglich, so gab es dennoch einige eklatante Nachteile, die insbesondere von der militärischen Führung immer wieder beklagt wurden. Kritik an der Versklavung der moriscos wurde in erster Linie anlässlich praktischer Umstände geäußert und nicht aus theologischen oder vermeintlich ethischen Motiven: Die ausufernden Plünderungen waren sowohl Ausdruck als auch Ursache einer miserablen Truppendisziplin. Beute als zentrale Kategorie der Entlohnung barg ferner schwer abzuschätzende Gefahren: Wurden zu wenig moriscos versklavt, kam es vor, dass Söldner desertierten, um auf eigene Faust auf Beutejagd zu gehen. War die Aussicht auf reiche Beute zu groß, konnte die Gier nach ihr ebenso zu selbstständigen Plünderungen und illegalen ­cabalgadas führen. Die hieraus

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entstehenden marodierenden Truppenkontingente waren zu einem großen Teil für die Eskalation und Verlängerung des Krieges mitverantwortlich. Darüber hinaus belasteten logistische Schwierigkeiten die Kriegsführung: Sklaven als teilmobile Beute waren in großer Zahl schwierig zu transportieren und boten stets ein attraktives Ziel für Befreiungsaktionen moriskischer Kämpfer. Die für Transport und Bewachung abgestellten Soldaten fehlten wiederum an der Front. Die Tatsache, dass Sklaven als menschliche Beute ernährt werden mussten, verschärfte überdies die ohnehin kritische Versorgungslage. Auch auf ökonomischer Ebene zeichneten sich Schwierigkeiten ab: Die ungeheure Menge an morisco-Sklaven, die innerhalb weniger Monate den iberischen Sklavenmarkt überschwemmten, führten zu einem drastischen Preisverfall. Morisco-Sklaven waren daraufhin sogar für niedrige Gesellschaftsschichten erschwinglich. Der Handel mit negro-Sklaven brach in der Folge ein und die Nachfrage nach Sklaven war auf Jahre saturiert. Darüber hinaus trug die Sklaverei neben den Deportationen ihren Teil dazu bei, dass weite Gebiete des Reino de Granada entvölkert wurden. In der Folge beklagten sich vor allem die Großgrundbesitzer, Kirche und Adel, über massive Einnahmeverluste durch ausbleibende Abgaben und Steuern. Als politische Antwort auf die dysfunktionalen Aspekte der Sklaverei ­bemühte sich Philipp II., den administrativen Zugriff auf die Beute- und Verteilungspraxis zu forcieren. Um den logistischen Schwierigkeiten der Versklavungen zu begegnen, wurden schon während der militärischen Kampagnen königliche Amtsträger eingesetzt, die für die Registrierung und den unmittelbaren Verkauf der Sklaven verantwortlich waren. Auch die distributiven Handlungsformen wurden verstärkt königlicher Kontrolle unterworfen. Während der Verteilung und des Verkaufs der morisco-Sklaven war ein strenges administratives Verfahren einzuhalten. Durch Richter und Notare musste die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Versklavung, die korrekte Abführung des quinto und die gerechte Verteilung der Sklaven auf die jeweiligen Akteure überprüft werden. Die hohe Schriftlichkeit, der organisatorische Aufwand sowie die ­Öffentlichkeit und ein nachprüfbares Verfahren sollten dabei Legitimität und Gerechtigkeit herstellen. Diese Gerechtigkeit ist in einem doppelten Sinne zu verstehen: Zum einen die Gerechtigkeit der Versklavungen der moriscos unter der Berücksichtigung klassischer Sklavereikonzepte, i. e. ob die Versklavungen in einem „gerechten Krieg“ und unter Einhaltung der entsprechenden Praktiken stattgefunden haben. Zum anderen musste auf das kollektive Gerechtigkeitsempfinden der Soldaten, also die Verteilungsgerechtigkeit, Rücksicht genommen werden. Letztlich wurde auch die Schnittstelle von theologisch-juristischem Diskurs und historischer Praxis sichtbar. Alle bedeutenden Theologen und Juristen

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dieser Zeit – vom unmittelbar beteiligten granadinischen Klerus bis zu den nachträglichen Betrachtungen durch die „Schule von Salamanca“ – bemühten sich nach Kräften, bestehende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versklavung der moriscos auszuräumen. Hierzu wurden klassische Konzepte der Sklaverei rezipiert und fanden durch die zuvor genannten Verfahren Einfluss in die historische Praxis vor Ort. Die bestehenden Zweifel, denen sich die Krone hinsichtlich der Versklavungen vor allem wegen des privilegium christianorum ausgesetzt sah, führten letztlich dazu, dass Kirche und Theologie durchweg als rechtfertigende Instanz auftraten. Bedenkt man die von einigen Kirchen- und Ordensvertretern legitimierte Versklavung von Kindern, wird erkennbar, dass diese sogar über ihr Ziel, die Politik Philipps II. zu unterstützen, hinausschossen. Die theologisch-juristischen Überlegungen zur morisco-Sklaverei entsprachen letztlich weitgehend der königlichen Sklavereipolitik. Auf der einen Seite orientierte sich die Krone so an der zeitgenössischen geistigen Elite und rekurrierte in Teilen auf deren theologisch-juristische Expertise. Dennoch konnte gezeigt werden, dass der theologisch-juristische Diskurs letztlich auf die praktischen Notwendigkeiten vor Ort Rücksicht nahm und somit die königliche Sklavereipolitik, die historischen Praktiken vor Ort und der elitäre Diskurs in einer stetigen Wechselbeziehung standen.

V  Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika zwischen 1492 und 1600 Die Geschichte der Sklaverei macht das systemimmanente Aggressionspotential von Expansion sehr deutlich. Was sich anhand der Entdeckungsfahrten der Portugiesen im 15. Jahrhundert oder der Eroberung der Kanarischen Inseln beobachten lässt, gilt auch für die conquista der „Neuen Welt“: Expansion und Gewalt sind kaum voneinander zu trennen.1 An dieser Stelle findet sich auch die erste Gemeinsamkeit von conquista und guerra de Granada: Beide unterlagen von Beginn an einer spezifischen vormodernen Semantik des Krieges. ­Helen Rand Parish geht sogar noch einen Schritt weiter: Für sie betrachteten die Konquistadoren ihre Eroberungen „through a filter of war with the moors“ als „self-justified conquest of infidels“2. Sie erkennt also eine Kontinuität zwischen dem Krieg der Christen gegen ihre muslimischen Feinde und der ­conquista und ihrer Kriegsmechanismen. Bezüglich der Sklaverei lässt sich feststellen, dass auf der Basis des („gerechten“) Krieges die Sklaverei in beiden Fällen einen enormen politischen Bedeutungszuwachs erfuhr. Die Versklavung der moriscos wie der indios wurde von verschiedenen Seiten verdammt und legitimiert, erlaubt und verboten, es wurden politische Kompromisse gesucht und letztlich mit allen Mitteln versucht, ihre Vorteile zu nutzen und ihre Nachteile einzudämmen. Auf den ersten Blick überwiegen allerdings die Unterschiede im historischen Setting der beiden Untersuchungsfelder. Angefangen bei einer ­theologisch-juristischen Betrachtung, lässt sich schnell feststellen, dass die Versklavung der indios oft von lauter Kritik begleitet wurde. Wie ich zum Abschluss des letzten Kapitels gezeigt habe, folgerte Juan de Solórzano Pereira aus der Einschränkung der Versklavung der minderjährigen moriscos eine Verbotsforderung der indio-Sklaverei. Blickt man auf die Menge an Veröffentlichungen, die zum wohl bekanntesten Kritiker der indio-Sklaverei, Bartolomé de Las Casas, vorliegen, wird schnell klar, dass diese Sichtweise auch im heutigen wissenschaftlichen Diskurs omnipräsent ist.3 Die Missbilligung der Sklaverei von theologischer und kirchlicher Seite, die den moriscos weitgehend versagt blieb, findet sich nicht nur bei Las Casas. Angefangen bei der berühmten Predigt, in 1 Bley (2007), Sp. 694; Reinhard (2016), S. 19. 2 Rand Parish (1992), S. 9. Deutlich wird dies auch bei Cook (2013). Allgemein zur Kontinuität von „Alter“ und „Neuer Welt“ vgl. das umfangreiche Werk von Weckmann (1984). 3 Siehe: S. 12.

© VERLAG FERDINAND SCHÖNINGH, 2018 | doi 10.30965/9783506707123_006

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der der Dominikanerpater Antonio de Montesinos (ca. 1475–1545) am 21. Dezember des Jahres 1511 auf der Insel Hispaniola die Ausbeutung und Misshandlung der indios mit einer Absolutionsverweigerung sanktionierte4, hatten sich viele Missionare und Theologen dem Schutz der indigenen Bevölkerung verschrieben. Bekanntlich erfuhren die indios selbst päpstliche Unterstützung. In seiner berühmten, 1537 veröffentlichten Bulle „Sublimis Deus“ sprach Paul III. allen indigenen Völkern zu, vernunftbegabte und beseelte Wesen zu sein und verbot überdies ihre Versklavung.5 Mehr Praxisbezug hatten die Ausführungen des ersten Bischofs von Mexiko und „Beschützer der indios“ (protector de los Indios), Juan de Zumárraga (1468–1548)6, die er im gleichen Jahr als Antwort auf eine Anfrage Antonio de Mendozas, von 1535 bis 1550 Vizekönig N ­ euspaniens, verfasste: Dieser habe ihn gebeten, seine Einschätzung bezüglich zweier Zweifel abzugeben: Erstens ob es gerecht sei, dass die Konquistadoren Sklaven von den lokalen indigenen Gemeinschaften kaufen (rescate). Zweitens ob die Versklavung von indios im Kriegsfall gerecht sei. Bezüglich der ersten Frage schien Zumárraga die Antwort eindeutig: Ihm sei weder ein göttliches noch ein kirchliches oder positives Recht bekannt, das rechtfertigte, dass jene indios, die von anderen indios versklavt worden waren, ihre Freiheit verloren hätten.7 In einem etwas späteren Schreiben erläutert er die Problematik genauer: Seinen Nachforschung zufolge sei der Großteil jener indios auf der Basis völlig unzureichender Gründe, wie etwa dem Diebstahl eines Maiskolbens, versklavt worden.8 Nach Zumárraga erfüllten die Ursachen der Versklavungen innerhalb indigener Gemeinschaften also nicht die Bedingungen, die Christen für eine legitime Versklavung vorsahen. Auch bezüglich des zweiten Zweifels stellte er sich auf die Seite der indios. Er empfahl vorbehaltslos, die conquista mit den friedlichen Mitteln der Mission durchzuführen und die indios gut zu behandeln. 4 Vgl. Baumgartner (1971), S. 117; Aspinall (2014), S. 1–3; König (2010), S. 59; Wendt (2000), S. 77. 5 Die Bulle ist ediert in: Hernaez: Colección, S. 102 f. Vgl. Carillo Cázares (2000), S. 101–103; Baumgartner (1971), S. 122–128; Hanke (1937); Robe (1972), S. 76. 6 Vgl. Borengässer (1998), S. 603–607; Zavala (1967), S. 16. 7 „Y quanto a la primera dubda si es justo q[ue] se hayan esclavos de rescate en esta t[ie]rra digo que hasta agora yo no se ley divina natural ni positiva ni humana ecliastica ni cebil por donde estos na[tura]les desta t[ie]rra segun su condicion se an al presente asi hechos esclavos y pierdan la libertad.” AGI, Patr. 184, r. 26. 8 „Los yndios entresi sin ningu[n] principio juridico natural divino ni humano acostunbran hazer o vender a los yndios e yndias por esclavos por culpas muy pequeñas como es hurtar una mazorca. [...] Estos yndios venden unos a otros muy injustamente por muy poco precio por costunbre de su gentilitad antigua por muy linjanas cabsas.” RAH, N-26, fol. 102 y 103, nr. 61152 del inventario.

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Ein Krieg, „der gegen indios geführt wird, die keinen solchen gegen uns führen und auch den Glauben weder gehört noch verstanden haben“, sei in keinem Fall gerecht.9 Die unterschiedlichen theologischen Grundlagen zwischen indio- und morisco-Sklaverei werden erkennbar: Indios als Menschen, die noch keine Gelegenheit hatten, die „Botschaft Gottes“ zu hören, waren als Neophyten zu betrachten. Im Gegensatz zu den moriscos, die als Apostaten vom Glauben abgefallen waren, durfte hier pauschal kein „gerechter Krieg“ geführt und entsprechend auch keine Feinde versklavt werden. Gerade in der Formulierung Zumárragas wird jedoch klar, was ich schon in meinen Ausführungen zum bellum iustum unter anderem bezüglich Las Casas betont habe: Unter dem Eindruck der demographischen Katastrophe sprach sich der Bischof von Mexico zwar unmissverständlich gegen die Versklavung der indios aus. Die Formulierung „q[ue] no nos la [guerra] hazen“ („falls sie keinen Krieg gegen uns führen“) verdeutlicht jedoch, dass auch der Bischof Mexikos auf den Grundlagen einer bellum iustum-Theorie argumentierte: Zwar sollten indios als Neophyten friedlich und behutsam dem christlichen Glauben zugeführt werden. Falls diese jedoch gegen die Mission und conquista gewaltsam Widerstand leisteten, konnte unter Umständen ein „gerechter Krieg“ vorliegen, was auch die Versklavung mancher indios legitimierte. Als einleitende Prämisse muss deshalb festgehalten werden, dass Kritik an der Versklavung der indios in der Tat häufiger geäußert wurde als im Falle der moriscos. Das Urteil Martín Casares ,̓ die moriscos hätten eben keinen Las Casas gehabt, um sie zu verteidigen10, trifft also sicherlich ein Stück weit zu. Es muss allerdings beachtet werden, dass die Kritik an der indio-Sklaverei nur in den seltensten Fällen absolut geäußert wurde. In den meisten Fällen stand die pro-indigene Argumentation ähnlich wie in der guerra de Granada auf der Basis der anerkannten Theorie des bellum iustum. Lag ein „gerechter Krieg“ vor, wie etwa während der Konflikte mit den sogenannten caribes oder den „Chichimecas“ Nordmexikos, galt deren Versklavung auch von theologischer Seite meist als legitim. Letztlich musste über die Rechtmäßigkeit der Versklavung von indios daher situativ entschieden werden. 9

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„A la segunda dubda si se haran esclavos de guerra: digo que si tubiese poder haria que no se pudiese hazer y esto seria escusando y aun vedando hazer guerra a los indios q[ue] no nos la hazen y nunca han entendido ni aun quica oydo de la fee y creyendo q[ue] la buena guerra o conquista seria la de las Almas enbiando Religiosos a ellos como xr[ist] o enbio sus apostoles y discipulos de paz q[ue] poco a poco penetrasen sus t[ie]rras y moradas yendo hedificando yglesias.” AGI, Patr. 184, r. 26. Vgl. Carillo Cázares (2000), S. 104–108. „No hay un Vitoria ni un Bartolomé de las Casas que defienda al conjunto de moriscos.” Martín Casares (2000a), S. 179.

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Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Untersuchungsfeldern ist der zeitliche Rahmen. Die guerra de Granada dauerte ohne Vorgeschichte in etwa drei Jahre. Die Geschichte der indio-Sklaverei umfasst hingegen von der Landung Kolumbusʼ auf einer der Bahamasinseln am 12. Oktober 1492 bis ins 18. Jahrhundert über 300 Jahre. Dies führte selbstredend dazu, dass die Debatten um die Sklaverei hier weit umfassender geführt wurden. Der lange ­Zeitrahmen bedingte häufige politische Konjunkturwechsel, die letztlich einen enormen Einfluss auf die königliche Sklavereipolitik ausübten. Da die politischen Debatten um die indio-Sklaverei im 16. Jahrhundert am relevantesten waren, werde ich mich weitgehend auf die ersten einhundert Jahre der kolonialen Herrschaft konzentrieren. Auf chronologischer Ebene gilt es zudem, ein weitverbreitetes Forschungsnarrativ zu relativieren. Häufig wird simplifizierend davon ausgegangen, dass sich die Versklavung der indios in einer chaotischen kolonialen Anfangsphase bis in die Zwanzigerjahre der königlichen Kontrolle weitgehend entzogen hatte. Nach dem Aufbau einer kolonialen Administration habe Karl V. schließlich den Massenversklavungen ab circa 1526 mit einer Antisklave­ reigesetzgebung, die letztlich in den Leyes Nuevas von 1542 gipfelte, ein Ende bereitet. Nach 1542 habe es schließlich nur mehr marginale, periphere Fälle von indio-Sklaverei gegeben, die kaum mehr der Rede wert seien.11 Hiergegen möchte ich jedoch betonen, dass die Versklavung von indios während des gesamten Untersuchungszeitraums als strategisches Mittel der conquista eingesetzt wurde. Ich werde zeigen, dass die indio-Sklaverei je nach Situation stets multidimensionale Funktionen einnahm und als politische Verhandlungsmasse zwischen verschiedenen Akteuren fungierte. Da die Kombination aus privatem Gewinnstreben (was die Sklaverei einschloss) und königlichem Interesse für die koloniale Expansion und deren spezifischer Dynamik essentiell war12, 11

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Bei García Añoveros zeichnet sich etwa eine teleologische Betrachtung ab, die letztlich eine immer restriktiver werdende Sklavereipolitik bis hin zur Abschaffung der indio-­ Sklaverei 1542 postuliert: „[Los] leyes nuevas asestaron el golpe definitivo a la permisión de la esclavitud.” García Añoveros (2000), S. 77. Auch bei Mira Caballos heißt es, die Leyes Nuevas hätten „definitivamente abolida y sin excepción la esclavitud del indio americano.” Mira Caballos (1997), S. 276. Elliot schreibt in einem Beitrag in der „Cambridge History of Latin America“: „It was not until the New Laws of 1542 […] that enslavement of Indians was definitively, if not universally, abolished.” Elliot (1984), S. 163. Ähnlich erscheint es auch bei Konetzke (1965), S. 169 f.; Zavala (1967); Lobo Cabrera (1983), S. 519; Lockhart (1983), S. 71 f.; Pohl (1996), S. 210; Blackburn (1997), S. 34 f.; Eltis (2000), S. 24; Lucena Salmoral (2002), S. 48–100; Wendt (2000), S. 77; König (2010), S. 64; Philipps Jr. (2011), S. 332; Fradera/Schmidt-Nowara (2013), S. 2. Stimmen, die dieses Narrativ relativieren, gibt es hingegen selten; in Ansätzen etwa bei: Jiménez (1986); Gallay (2010), S. 316. Vgl. König (2007), Sp. 1098.

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spielte auch das Aushandeln der unterschiedlichen Parteien über die Vor- und Nachteile der indio-Sklaverei eine nicht zu unterschätzende Rolle im zeitgenössischen politischen Diskurs. Die Versklavung der indigenen Bevölkerung und ihre herrschaftspolitischen, ökonomischen und militärischen Funktionen waren letztlich ein wesentlicher Bestandteil der conquista sowie der Sicherung und des Aufbaus des kastilischen Kolonialreiches. Auch geographisch unterscheiden sich die historischen Voraussetzungen der beiden Untersuchungsfelder deutlich: Auf der einen Seite der weitgehend räumlich abgeschlossene und vergleichsweise überschaubare Reino de Granada. Auf der anderen Seite ein sich durch Expansion stetig erweiterndes Überseegebiet mit riesigen Ausmaßen und diversen topographischen und klimatischen Ausprägungen. Um die Sklavereipolitik bezüglich der indios möglichst flächendeckend nachzeichnen zu können, werde ich Beispiele aus den unterschiedlichen kolonialen Regionen untersuchen: Von der Frühphase auf den karibischen Inseln, der conquista Mittel- und Südamerikas bis hin zu den Aufständen indigener Gruppen in den Gebieten des heutigen Nordmexiko, Florida oder Südchile. Im Gegensatz zur guerra de Granada bot das koloniale Setting auch andere kommunikative Voraussetzungen. War es für die Krone schon im Falle der morisco-Sklaverei eine große Herausforderung, ihre Politik administrativ durchzusetzen, galt dies umso mehr für die indio-Sklaverei: Bedingt durch die extrem langen Nachrichtenwege lagen zwischen dem Auftreten eines spezifischen Problems, dem Bericht an die Krone in Kastilien und der königlichen Reaktion – meist in Form einer Real Cédula – viele Monate, wenn nicht gar Jahre.13 Für die Umsetzung ihrer Sklavereipolitik war die Krone also erheblich auf ihre lokalen Vertreter und das Wohlwollen der kolonialen Eliten angewiesen; ein Faktor, den es bei der Untersuchung der königlichen Sklavereipolitik unbedingt zu beachten gilt. Trotz dieser kommunikativen und herrschaftspolitischen Hürden geht die historische Forschung oft davon aus, dass das koloniale Herrschaftssystem den Umständen entsprechend stabil war.14 Schon bei 13

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Nach Betheny Aram konnte ein Schreiben vom Hof nach Spanisch-Amerika zwischen dreieinhalb und neunzehn Monaten benötigen. Die Antwort konnte viereinhalb bis ganze 41 Monate auf sich warten lassen. Aram (2012), S. 225. Die bloße Reise (also ohne Schiffsentladung und Überlandreise) von Sevilla nach Zentralamerika dauerte 50 bis 190 Tage, zurück benötigte man 90 bis 259 Tage. Vgl. Arbellot u. a. (1957), S. 26 f.; ­Burkholder/ Johnson (1990), S. 71. Schon für Braudel galt bekanntlich der Raum als „Feind Nummer eins“. Braudel II (1998), S. 17. Vgl. Parker (1998), S. 47–65. Besonders deutlich wird dies bei Edelmayer, der das kastilische Reich als „erstes lückenlos bürokratisierte[s] staatliches System der Neuzeit“ bezeichnet. Edelmayer (2009), S. 129. Vgl. ebd. (2005), S. 45; Elliot (1963), S. 165 f.; Wendt (2000), S. 75.

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Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika

seiner ersten Landung wurde Kolumbus von königlichen Amtsträgern, einem veedor und einem escribano begleitet, die als eine Art Beobachter zweiter Ordnung eine rudimentäre Art von Staatlichkeit herstellten.15 Diesen folgte ein rascher Aufbau administrativer Instanzen und Institutionen: Die Einrichtung der berühmten Casa de la Contratación in Sevilla im Jahr 1503, die erste Audiencia in Santo Domingo 1511, die Institutionalisierung des Indienrates (Consejo Real y Supremo de las Indias) ab den Zwanzigerjahren und die Schaffung der Vizekönigreiche von Neuspanien (1535) und Peru (1542) gelten als durchaus erfolgreiche Versuche, die königlichen Interessen trotz langer Kommunikationswege zu sichern.16 Darüber hinaus verfügte die Krone über loyale Vertreter vor Ort. Durch das Modell des „Dreiecks der Distanzherrschaft“ lassen sich die Möglichkeiten des Hofes aufzeigen, an den weitentfernten politischen Prozessen teilzunehmen: Durch die gegenseitige, allen bewusste Vigilanz kolonialer Akteure und Beobachter und deren unabhängiger, vertikaler Berichterstattung an den Hof entstand ein System kognitiver Kontrolle.17 Kombiniert mit der üblichen Belohnungsökonomie und anderen administrativen Instanzen gelang es der Krone trotz aller Schwierigkeiten, Aushandlungsprozesse von Macht vor Ort mitzubestimmen. Die Kehrseite dieser bottom-up Berichterstattung war allerdings ein konsequenter „information overload“18, der die Krone oft in einem „graue[n] Rausche[n] der widersprüchlichen Interessen“19 zurückließ. Für die von mir zu untersuchende Thematik bedeutet dies letztlich, dass eine königliche Sklavereipolitik in gewissem Maße trotz aller strukturellen Schwierigkeiten umsetzbar war. Nichtsdestoweniger muss bewusst gemacht werden, dass die Grenzen der königlichen Kontrolle, gerade in Bezug auf illegale indio-Sklaverei, die sich in den Quellen nur selten niederschlug, eng gesteckt waren. Die Krone konnte zwar an den Aushandlungsprozessen von Macht in den kolonialen Überseegebieten partizipieren, war dazu jedoch immer auf ein 15 Als veedor („Inspektor“) befand sich Rodrigo Sánchez de Segovia an Bord des Schiffes ­Kolumbusʼ. Als escribano („Notar“) war Rodrigo de Escobedo zuständig. Colón: Diario, S. 90. Vgl. Bitterli (1999), S. 59 f.; Brendecke (2009), S. 61. Zum systemtheoretischen Konzept der Beobachter erster, zweiter und dritter Ordnung siehe: Luhmann (2002), Kap. 2. Vgl. Krause (2005), S. 129 f. 16 Zum Institutionenaufbau im kolonialen Lateinamerika vgl. Pietschmann (1980); ­Brendecke (2009), S. 119–122, 159–177, 208–217; Burkholder/Johnson (1990), S. 70–97; Hausberger (2001), S. 259 f.; Reinhard (1985), S. 69–87 und einführend auch Wendt (2000), S. 72–75. 17 Zum Modell des „Dreiecks der Distanzherrschaft“ vgl. Brendecke (2009), S. 180–182. 18 Parker (1998), S. 74. Vgl. Dover (2012); Aram (2012); Blair (2010). 19 Brendecke (2009), S. 185.

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symbiotisches Verhältnis zu den lokalen Eliten angewiesen. Dies machte auch die Sklaverei zu einem Objekt des ständigen politischen Aushandelns. Infolge der hier dargelegten zeitlichen und räumlichen Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes kann ich keine vollständige Geschichte der indigenen Sklaverei in Spanisch-Amerika bieten. Da ich das oben erläuterte Narrativ einer in den Leyes Nuevas gipfelnden Verbotspolitik meiden möchte, werde ich auf die übliche chronologische Gliederung (chaotische Anfangsphase der Sklaverei, Hochphase, Verfall bis hin zum Verbot 1542) verzichten. Stattdessen sollen einzelne Schlagpunkte der Sklavereipolitik, der (Dys-)funktionen von indio-Sklaverei sowie ihre Praktiken während der Entdeckung und der conquista in den Blick genommen werden. Hierzu werde ich Quellenbeispiele aus dem gesamten Zeitraum des 16. Jahrhunderts auswählen. Um den Begriff der Sklaverei zu schärfen, werde ich einleitend eine kurze, notwendige Abgrenzung der mannigfaltigen Formen indigener Zwangsarbeit vornehmen. In der Folge wird es um die Sklaverei in der kolonialen Frühphase, der sogenannten „karibischen Phase“ bis etwa 1519 gehen. Hier werde ich die Grundlagen der indio-Sklaverei sowie die Bedeutung herausarbeiten, die der Import von indio-Sklaven in die „Alte Welt“ hatte. Im darauf folgenden Hauptteil soll es um die Rolle der indio-Sklaverei während der conquista gehen. Z ­ unächst werde ich die Praktiken der Versklavungen beleuchten. Welche Handlungsoptionen standen zur Verfügung? Wer waren die zentralen Akteure und wie wurden die massenhaften Versklavungen organisiert? Um den Stellenwert der indio-Sklaverei im zeitgenössischen kolonialen Diskurs klarzumachen, werde ich im Weiteren auf die Funktionen der Sklaverei in Spanisch-Amerika eingehen. Ich werde zeigen, wie die verschiedenen Akteure – von der Krone über koloniale Großunternehmer und Konquistadoren bis hin zu Städten und Siedlern – von der Versklavung der indios profitieren konnten. Maßgebend werden hierfür Suppliken und Petitionen sein, in denen mit wirtschaftlichen, militärtaktischen und religiösen Notwendigkeiten gegen aufkommende Sklavereikritik und -verbote argumentiert wurde. In einem nächsten Schritt werde ich auf die Sklavereipolitik der Krone zu sprechen kommen. Was waren die königlichen Motive der immer wieder formulierten Sklavereiverbote? Wie versuchte die Krone mit einer Kompromisspolitik (zum Beispiel Gesetzesrücknahmen, Ausnahmeregelungen) die indio-Sklaverei als politische Verhandlungsmasse einzusetzen? Zentral werden zudem die administrativen Ansätze sein, die die Krone entwickelte, um allzu exzessive Versklavungen zu verhindern, die Rechtmäßigkeit von Versklavungen sicherzustellen und königlichen Einfluss auf die kolonialen Praktiken der Sklaverei zu erhalten. Abschließend werde ich in einem kurzen Ausblick auf die Entwicklung der indio-Sklaverei im 17. Jahrhundert eingehen.

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Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika

Unfreie Arbeit: Indios encomendados, naborías, esclavos

Die Möglichkeiten, die Ausbeutung der indigenen Arbeitskraft zu organisieren, waren vielfältig. Zum einen bot sich die Übernahme und Anpassung von Praktiken und Institutionen an, die in der feudalen Gesellschaft des iberischen Mittelalters wurzelten. Namentlich waren es der repartimiento und das encomienda-System, die die essentiellen Verfahren für die Arbeits- und Herrschaftsorganisation des frühen Kolonialreiches bereitstellten. Darüber hinaus wurden indigene Formen von Zwangsarbeit wie die naboría oder die mita adaptiert. Eine dritte Variante war schließlich der Rückgriff auf die Sklaverei, die sowohl in Kastilien als auch im präkolumbianischen Süd- und Mittelamerika weit verbreitet war. All diese Formen der erzwungenen Arbeit waren juristisch eindeutig voneinander getrennt. In der Praxis jedoch waren die Übergänge fließend. Ein ­indio, der an eine encomienda gebunden war, war möglicherweise ebensolcher Gewaltanwendung, Erniedrigung und Ausbeutung ausgesetzt wie ein Sklave, auch wenn er per Gesetz explizit besser gestellt war. Aus diesem Grund wurden die verschiedenen Formen der indigenen Ausbeutung in vielen Forschungsarbeiten gemeinsam und vergleichend betrachtet.20 Da ich mich ganz auf die Versklavungen der indigenen Bevölkerung konzentrieren möchte und die Mechanismen der Ausbeutung der indios gerade in der historischen Praxis leicht zu verwechseln sind, soll im Folgenden durch die Abgrenzung des Begriffs „Sklaverei“ (esclavitud) von den Einrichtungen des repartimiento, der encomienda, der mita und der naboría eine terminologische Schärfung erreicht werden. Wichtig ist, dass nicht wie so oft nur der wirtschaftliche Aspekt der erzwungenen Arbeit im Vordergrund steht: Neben den ökonomischen Aspekten hatte gerade die encomienda – ganz ähnlich der Sklaverei – zutiefst soziale und herrschaftspolitische Funktionen. Die oft fälschlicherweise synonym gebrauchten Verfahren21 des repartimiento respektive der encomienda waren letztlich Überreste der mittelalterlichen Auseinandersetzungen der christlichen iberischen Mächte mit ihren muslimischen Feinden, die weitläufig als reconquista bezeichnet werden.22 Repartimiento bedeutete zunächst nichts anderes als einen ­Beuteverteilungsmechanismus, 20 Saco (1932); Mira Caballos (1997); Sherman (1979). 21 Vgl. Hausberger (2005), S. 180. 22 Brendecke bezeichnet sie auch als „Schwundstufe mittelalterlicher Feudalität“. Brendecke (2009), S. 173. Vgl. Redlich (1956); Weckmann (1984), S. 421–441; Gschwendtner (2001), S. 206. Weiteres zum repartimiento siehe: Hausberger (2005), S. 180-182; ebd. (2001); S. 269 f.; Edelmayer (2005), S. 50; Pietschmann (1980), S. 22.

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wie er in den meisten Kriegen üblich war und auch schon im Kapitel zur guerra de Granada besprochen wurde. Verteilt wurden dabei allerdings nicht nur mobile oder teilmobile Beutestücke wie Ausrüstungsgegenstände, Lebensmittel, Gold oder Sklaven. Die mittelalterlichen libros de repartimiento, die die Verteilung der Beute schriftlich festhielten, zeugen auch von immobilem Raubgut: Land, gegebenenfalls inklusive Vasallen, Häuser, Privilegien und Rechte waren in die vormoderne Belohnungsökonomie integriert.23 Diese Art von Beute hatte gerade für reconquista und conquista eine konstitutive herrschaftspolitische Komponente. Durch immobile Beute konnte nach der erfolgreichen Eroberung eines Gebietes das Heer in kurzer Zeit demobilisiert werden. So wurde die schnelle Besiedlung eines Territoriums nach dessen Eroberung erst ermöglicht. Die Söldner und Konquistadoren erfüllten so eine Doppelrolle: Durch die Verteilung von Land, Immobilien und Vasallen wurde aus einem Eroberungsein Besatzungsregime.24 Im Gegensatz zur bloßen Verteilung der Beute, die im repartimiento vorgenommen wurde, kann man die encomienda als mehr oder weniger institutionalisiertes System verstehen. Der Konquistador erhielt als Belohnung für seine Dienste während der conquista als encomendero das Recht an einer gewissen Menge an indigenen Arbeitskräften (indios encomendados) eines begrenzten Gebietes zugeteilt, welches letztlich dessen encomienda bildete. Die Übergabe der indios encomendados an den encomendero stellte dabei zumindest in der Theorie ein Anvertrauungsverhältnis dar.25 Die indios sollten so zu Quasivasallen mit klar umrissenen Rechten und Pflichten werden. Die Ausbeutung von Arbeitskraft oder alternative Tributzahlungen sollten mit Schutz, Verpflegung und vor allem durch eine Erziehung im christlichen Glauben vergolten werden. Letztlich erhoffte man sich wohl ein symbiotisch-patriarchalisches Verhältnis, das die indios in einen Art fürsorglichen Beutestatus überführte. Die Abgrenzung zur Sklaverei war de jure klar gesteckt: Indios encomendados durften im Gegensatz zu versklavten indios weder verkauft oder vererbt noch aus dem Gebiet der encomienda entfernt werden.26 Gerade die Tatsache, dass durch das Verbot von Verkauf und Vererbung nur ein begrenztes Zeitfenster 23

24 25 26

Die Veröffentlichungen zu den libros de repartimiento sind zahlreich. Vgl. Cabanes Pecourt/Ferrer Navarro (1980); González González (1998); Torres Fontes (2007). Speziell zu Gefangenschaft und Sklaverei siehe: Gonzáles Arévalo (2004). Vgl. Brendecke (2009), S. 173 f.; Pietschmann (1980), S. 22. Das spanische encomendar kann im Deutschen mit „anvertrauen“ übersetzt werden. Vgl. zur encomienda: Simpson (1929, 1982); Zavala (1935); Yeager (1995), S. 843; Burkholder/Johnson (1990), S. 108-111; Lockhart (1983), S. 68-71; Kramer (1994), S. 1–24; Pietschmann (1980), S. 22–25; König (2010), S. 56–58; Reinhard (1985), S. 60.

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zur finanziellen Nutzbarmachung der encomienda bestand, führte oft dazu, dass die Arbeitskraft jener indios encomendados auf rücksichtslose Weise ausgebeutet wurde.27 Nach ihrer offiziellen Einführung im Jahr 1503 wurde die encomienda schnell zum wesentlichen Instrument, um die Ausbeutung der indigenen Arbeitskraft zu organisieren. Die Sklaverei wurde dabei meist als Supplement betrachtet.28 Auf diese Weise trug die encomienda wohl einen großen Anteil zur demographischen Katastrophe des 16. Jahrhunderts bei.29 Hieraus wird erkennbar, dass es sich de facto mitnichten um ein symbiotisches Verhältnis von encomendero und indio handelte, von dem beide profitierten. Obwohl immer wieder Schutzgesetze erlassen wurden30, stellte die encomienda weniger einer „Anvertrauen“ sondern vielmehr eine konsequente Form der Ausbeutung dar. Aufgrund dieser gewaltsamen Ausprägungen, die sie in der Praxis entfaltete, wurde die encomienda bekanntlich zu einem der Hauptkritikpunkte des Dominikanerpaters Bartolomé de Las Casas.31 Auch Simpson bezeichnet ihre Institutionalisierung im Jahr 1503 durch eine Real Cédula ­Isabellas wohl mit einigem Recht als „amazing piece of sophistry [that] clearly legalized forced labor“32. Gemessen an der Ausbeutung und dem individuellen Leid, das die indios in der encomienda erfuhren, lässt sie sich trotz aller juristischen ­Unterschiede aus Sicht der Betroffenen nur schwierig von der Sklaverei unterscheiden.33 Dass der Übergang zwischen beiden Formen der Ausbeutung tatsächlich fließend war, veranschaulicht folgendes Beispiel: Im März des Jahres 1534 supplizierte ein indio namens Don Luis aus dem Dorf Uxitlan im Jurisdiktionsbereich der Stadt Veracruz an den Hof. Er berichtete, bereits seit zehn Jahren im Rahmen einer encomienda auf den Feldern eines gewissen Francisco Baca zu arbeiten, „wie es in Neuspanien üblich sei“. Über die Jahre habe sein Herr allerdings die von ihm verlangten Tributzahlungen verbotenerweise immer weiter gesteigert. Nachdem er diesen nicht mehr nachkommen konnte, habe Francisco Baca kurzerhand seine Frau und Kinder in die S­ klaverei 27 Vgl. Yeager (1995), S. 843. 28 Schmidt-Nowara (2011), S. 16. 29 Vgl. Edelmayer (2005), S. 49. 30 So wurde etwa im Jahr 1534 verboten, dass indios encomendados in Minen eingesetzt werden: „Ordenamos e mandamos q[ue] ningunos yndios q[ue] estuvieren encomendados a qualquier o quales personas puedan ayudar no ayuden a los esclavos q[ue] anduvieren en las minas.” Real Provisión vom 28.9.1534. AGI, Indif. 422, L. 16, fol. 136r-137v. 31 Insbesondere in: Las Casas: Entre los remedios, ebd.: Aquí se contienen unos avisos y reglas para los confesores, ebd.: Carta al Maestro Fray Bartolomé Carranza de Miranda. Vgl. auch Castillo Urbano (2000), S. 51. 32 Simpson (1929), S. 31. 33 Vgl. Van Deusen (2015), S. 6.

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­verkauft. Damit nicht genug, habe ihn der encomendero vor dem lokalen Richter (alcalde mayor) in Veracruz gebracht und ihn fälschlicherweise der Anthropophagie angeklagt. Da der Richter ein Freund des encomenderos gewesen sei, habe ihn dieser in die Verbannung geschickt, wo er vermutlich ebenfalls versklavt wurde; dies legt zumindest die Bitte an den König nahe, ihm Gnade zu gewähren und ihn freizulassen.34 An diesem Beispiel zeigt sich einerseits, wie fließend der Übergang vom System der encomienda zu dem der Sklaverei in der Praxis sein konnte. Andererseits wird gerade anhand der Supplik deutlich, dass auch in der kolonialen Praxis ein Unterschied zwischen den Konzepten der Sklaverei und der encomienda wahrgenommen wurde. Wäre eine Überschneidung beider Ausbeutungsformen für die Zeitgenossen üblich gewesen, so hätte sich selbstredend kaum Anlass für eine Supplik geboten. Ersichtlich ist allerdings, dass der indio encomendado von der Willkür seines encomendero abhängig war. Er befand sich somit in einer ständigen, ungewissen Schwebe zwischen theoretischer Freiheit und Sklaverei. Gerade aus dem Blickwinkel der Opfer war die Ausbeutung die offenkundigste Funktion der encomienda. Für die politische Entwicklung Spanisch-Amerikas war sie aber weit mehr als das: Durch die Zuteilung von Land und Menschen war die encomienda die früheste Form lokaler Herrschaftsverwaltung.35 Hinsichtlich ihrer Integration in die Belohnungsökonomie, ihrer Aufgaben bei der Landessicherung, der Kontrolle der indios und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung war die encomienda für conquista und Besiedlung der „Neuen Welt“ von essentieller Bedeutung. 34

35

„Don Luis señor natural del pueblo de Uxitlan q[ue] es en la costa de la mar fondo d[e]la cibdad d[e]la veracruz de la nueva [e]spaña. Digo q[ue] por mandado de los governadores de v[uest]ra mag. q[ue] han governado la d[ic]ha nueva spaña yo fuy encomendado en fran[cisco] baca vezino dela d[ich]ha cibdad de veracruz pa[ra] q[ue] yo y los naturales del d[ic]ho pueblo le sirvieremos y ayudasemos en sus grangerias segund es costumbre en la d[ic]ha nueva spaña en el qual estuve encomendado mas de diez años y el d[ic]ho fran[cisco] baca no cumpliendo lo q[ue] los d[ic]hos v[uest]ros governadores le mandaron antes yendo contra ello me pedia y demandava muchos y demasiados tributos q[ue] no podia darle ni cunplir con el q[ue] pa[ra] los cunplir enpeñava a mi muger y hijos y los hazia esclavos y no contento con esto tomo odio conmigo y servicio de mi ante el alca[lde] mayor dela d[ic]ha cibdad de la veracruz diziendo q[ue] comia carne humana y matavalos niños pa[ra] la comer lo qual es el contrario de la veridad el d[ic]ho al[cal] de mayor por ser como hera su amigo p[ro]cedio contra mi y me condeno en destierro de la d[ic]ha nueva sp[aña]. [...] A v[uest]ra mag. sup[li]co pues el d[ic]ho fran[cis]co baca es fallescado desta p[re]sente vida y la denunciacion q[ue] contra mi hizo fue por mala voluntad [...] e el por v[uest]ra mag. me haga md. de me mandar alcar el d[ic]ho destierro y me mandar su real cedu[la] pa[ra] q[ue] me dexen libre.” AGI, Indif. 1382ª, nicht nummeriert. Vgl. Brendecke (2009), S. 174; Pietschmann (1980), S. 22 f.

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Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika

Durch ihre stark feudalen Charakterzüge war sie in den Augen der Krone jedoch nicht unumstritten. Während die kastilischen Monarchen der encomienda in der kolonialen Anfangszeit noch positiv gegenüberstanden, wurde mit der Zeit eine „Neofeudalisierung“ der Kolonien und damit eine Schwächung der königlichen Zentralgewalt befürchtet.36 Dieser Konflikt zwischen Krone und Konquistadoren war quasi systemimmanent: Während der Entdeckung und Eroberung war die Krone auf private Akteure angewiesen, die durch Rechte, Privilegien und encomiendas belohnt wurden. Nachdem jedoch nach und nach administrative Instanzen geschaffen worden waren, galt es, die Macht der lokalen A ­ utoritäten wieder zu beschneiden. Gerade die Einschränkung der Vererbbarkeit der encomienda führte von Seiten der encomenderos zu Forderungen nach einer encomienda perpetua, die insbesondere von Las Casas vehement kritisiert wurde.37 Seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt erreichte der Kampf um die encomienda in den Jahren nach ihrer empfindlichen Einschränkung durch die Leyes Nuevas von 1542. Diese führten zu einzelnen Aufständen der Siedler und spielten letztlich eine bedeutende Rolle im „peruanischen Bürgerkrieg“ bis 1548.38 Da die in den Leyes Nuevas vorgesehenen Restriktionen jedoch kaum umgesetzt wurden, bestand das System der encomienda vereinzelt noch bis ins 18. Jahrhundert und darüber hinaus.39 Die Krone konnte vom System der encomienda sowie den encomenderos profitieren. Allerdings war sie auch stets daran interessiert, die Macht lokaler Herrschaftsträger zu limitieren, um einer „Neofeudalisierung“ der Kolonien zuvorzukommen. Im Falle der encomienda führte dies zu einer Kompromisspolitik des ständigen Aushandelns, die stark an die politischen Debatten um die Sklaverei erinnert. Eine weitere populäre Form indigener Zwangsarbeit stellte die sogenannte naboría dar. Naborías waren indios, die als nominell freie Hausangestellte im Dienst kastilischer Siedler standen.40 Da sie aber meist lebenslang Arbeit leisteten, kann auch hier davon ausgegangen werden, dass die Institution in der Praxis eine de facto-Sklaverei darstellte. Wie im Falle der encomienda war die juristische Abgrenzung zur Sklaverei klar umrissen. Eine Real Cédula, die im 36

Vgl. Burkholder/Johnson (1990), S. 70; Hausberger (2005), S. 181; ebd. (2001), S. 272 f.; Pietschmann (1994a), S. 259; ebd. (1980), S. 25. 37 Die Tatsache, dass Las Casas hier klar die königliche Partei ergriff, macht ihn für Castro zu einem „agent of imperialism“. Castro (2007), S. 76. 38 Vgl. Pietschmann (1980), S. 34 f.; Brendecke (2009), S. 219; Bernecker (1994), S. 18. 39 Vgl. Simpson (1927), S. 188–190. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte die encomienda jedoch ihre wesentliche Rolle für Wirtschaft, Arbeitsorganisation und Herrschaftsaufbau weitgehend verloren. Vgl. Hausberger (2001), S. 273. 40 Zur naboría im Allgemeinen siehe: Jiménez (1986), S. 127; Simpson (1929), S. 40, fn. 13; Lockhart (1983), S. 71; Gallay (2010), S. 316 f.

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November 1540 an alle Provinzen geschickt wurde, gibt über die Problematik Aufschluss. Hier heißt es: Wir sind informiert, dass einige Spanier […] indios als naborías besitzen; und obwohl diese frei sind, werden sie wie Sklaven gehalten, sie werden verkauft und verschleppt […]. Ich befehle Euch, dass Ihr nicht zulasst, dass die Spanier […] naborías in ihren Diensten haben, die wie Sklaven behandelt werden, denn sie sind frei.41 Naborías wurden also grundsätzlich als frei betrachtet. Im Unterschied zu Sklaven durften sie weder verkauft noch in andere Provinzen verschleppt werden. Dass sich allerdings die Krone genötigt sah, jene Cédula an alle Provinzen zu schicken, zeigt auch, dass diese Vorgaben de facto kaum eingehalten wurden. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die naborías eine ­Mittelklasse zwischen Freien und Sklaven darstellten sollten. Die Grenze zwischen Freiheit und Sklaverei sollte so willentlich verwischt werden.42 In diesem Sinne wurde die naboría vor allem als mildere Alternative zur Sklaverei verwendet, wenn eine Versklavung – etwa weil kein bellum iustum vorlag – nicht zu rechtfertigen war. Die naboría stellte folglich eine Art gemäßigte Form von Zwangsarbeit dar, die jenen indios vorbehalten blieb, die sich den Konquistadoren widerstandslos unterwarfen. Ein letztes Beispiel für indigene Zwangsarbeit ist die sogenannte mita, die vor allem in den Gebieten des Vizekönigtums Peru Anwendung fand und auf dem Vorbild indigener Arbeitsorganisation beruhte.43 Als im Jahr 1573 das kostenintensive Amalgamierungsverfahren beim Silberabbau in den Minen Potosís eingeführt wurde, benötigte man schnell billige Arbeitskräfte, um die hohen Ausgaben zu kompensieren.44 Die mita bedeutete letztlich, dass alle siebzehn indigenen Gemeinden zwischen Potosí und Cusco jährlich ein Siebtel ihrer Männer zwischen achtzehn und fünfzig Jahren zur Arbeit in den ­Silberminen abstellen mussten.45 Gerade was die miserablen Arbeitsbedingungen anging, war diese Arbeit kaum von Sklavenarbeit zu unterscheiden. 41

42 43 44 45

Real Cedúla vom 5.11.1540: „Somos informados que algunos de los españoles [...] tienen indios por naborías, y siendo como ellos son libres, usan delos como de esclavos, y los venden y traspasan [...]. Por ende yo vos mando que no consintáis ni deis lugar que los españoles [...], tengan las naborías de que se sirvieren por esclavos, sino por libres.” AGI, Indif. 423, L. 19, fol. 410v-411r, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 122, S. 197. Vgl. Van Deusen (2015), S. 6. Vgl. Hausberger (2005), S. 183; Burkholder/Johnson (1990), S. 111 f. Vgl. Hausberger (2005), S. 183. Vgl. Ebd.; ebd. (2001), S. 273.

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Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika

Festzuhalten bleibt, dass man in der Praxis sehr genau hinsehen muss, um Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen indigener Zwangsarbeit ausmachen zu können. Auch wenn indios encomendados oder naborías de jure als freie Vasallen der Krone betrachtet wurden, war der Übergang in die ­Sklaverei – gerade in Regionen, in denen die königlichen Verwaltungsstrukturen schwach waren – fließend. Der Grad der Gewaltanwendung und damit die individuelle Leiderfahrung der indigenen Bevölkerung waren in den meisten Fällen der Zwangsarbeit extrem hoch. Betrachtet man allerdings nicht die Gewalt und die erzwungene Arbeit als alleinige konstitutive Faktoren der Sklaverei, lassen sich ihr viele Funktionen zuschreiben, die sie von anderen Formen indigener Zwangsarbeit auch in der Praxis abgrenzten. Diese Unterscheidung muss auch deshalb getroffen werden, da es nicht darum gehen soll, eine Geschichte der indigenen Opfer und deren individueller Leiderfahrung zu schreiben. Im Vordergrund sollen vielmehr Konzeptionen der Sklavereipolitik stehen. Daher ist es wichtig, die indio-Sklaverei – ihre Funktionen und Praktiken – separat zu betrachten, auch wenn sie sich de facto mit anderen Formen von Zwangsarbeit überschneiden konnte. Darüber hinaus wird diese Differenzierung benötigt, um stets die Vergleichbarkeit mit der morisco­Sklaverei sicherzustellen. 2

Vorspiel: Die „karibische Phase“

Die sogenannte „karibische Phase“, von Burkholder auch als „period of experimentation“46 bezeichnet, beschreibt den frühkolonialen Abschnitt zwischen dem Erstkontakt Kolumbusʼ mit indigenen Völkern im Oktober 1492 und dem Beginn der Eroberung des heutigen Mexikos ab 1519. Geographisches Zentrum war die Insel Hispaniola, auf der Kolumbus schon nach seiner Ankunft eine erste Festung mit dem Namen La Navidad hatte errichten lassen.47 1498 wurde hier mit Santo Domingo schließlich auch die erste Stadt des kastilischen Kolonialreiches gegründet48 und 1511 die erste Audiencia eingerichtet49. ­Geprägt war diese erste Phase von einer allmählichen Formation von Kolonialität, bei der die Schwäche administrativer Strukturen und königlicher Autorität eklatant war.50 Von den ersten Entdeckungsfahrten des Kolumbus über die 46 Burkholder/Johnson (1990), S. 27. 47 Ebd. 48 Vgl. Pietschmann (1994a), S. 240. 49 Vgl. ebd. (1998), S. 46 f.; Burkholder/Johnson (1990), S. 30; Reinhard (1985), S. 74. 50 Simpson bezeichnet die Zustände der frühen Kolonie überzogen als „absolute anarchy“. Simpson (1929), S. 25.

Vorspiel: Die „karibische Phase“

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b­ eginnende Siedlungskolonisation unter dem Gouverneur Nicolás de Ovando (1451–1511) ab 1502 bis zu den ersten Expeditionen auf dem mittelamerikanischen Festland entwickelten sich erst allmählich koloniale Strukturen. Neben der Etablierung der Handelswege nach Sevilla, dem System der encomienda sowie einer ersten religiösen und administrativen Institutionalisierung51, war es vor allem die demographische Katastrophe, die diesen ersten Abschnitt der kastilischen Kolonialbemühungen bestimmte.52 Seuchen und Krankheiten sowie die Massaker an der indigenen Bevölkerung, wie sie Las Casas insbesondere für die Eroberung Kubas unter Diego Velázquez (1465–1524) in seiner „Brevísima relación“ mit drastischen Worten beschreibt53, führten dazu, dass die ersten 25 Jahre der kastilischen Herrschaft in Spanisch-Amerika von Simpson mit einigem Recht als „worst period in all the history of Spanish colonization“54 bezeichnet wurden. Hieran beteiligt war nicht zuletzt auch die Versklavung der indigenen Bevölkerung. So fällt zwischen die Jahre 1492 und 1512 auch die Entstehung der indio-Sklaverei;55 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sollten es schließlich geschätzte 650.000 indios sein, die in die Sklaverei verkauft wurden.56 Während der ersten Reise des Kolumbus und dem Erstkontakt mit dem Volk der Taínos der Großen Antillen spielte die Versklavung der indigenen Bevölkerung nur eine geringe Rolle. Zwar berichtet Kolumbus in seinem von Las Casas paraphrasierten Bordbuch immer wieder von indios, die er – teils auch unter Zwang – an Bord seines Schiffes brachte. Diese sah er aber wohl eher zur Präsentation am königlichen Hof vor als zum Verkauf in die Sklaverei.57 Überdies 51 52

Vgl. Burkholder/Johnson (1990), S. 33. Nach unterschiedlichen Schätzungen zählten die verschiedenen indigenen Gesellschaften, die die Insel Hispaniola bewohnten, vor der Ankunft Kolumbusʼ 500.000 bis 1.000.000 Personen. Um 1510 waren sie bereits auf etwa 46.000 reduziert; um 1520 zählten sie nur mehr 16.000. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts finden sich kaum mehr Überlebende. Vgl. König (1992), S. 88; Burkholder/Johnson (1990), S. 28; Hausberger (2001), S. 266. Im Gesamten wird angenommen, dass im Jahr 1492 35 bis 45 Millionen Menschen im Gebiet des späteren Spanisch-Amerika lebten. Bis 1650 war ihre Zahl auf unter vier Millionen gesunken. Vgl. Wendt (2000), S. 81. Zur demographischen Entwicklung siehe weiterhin: Marder (2005), S. 3 und S. 62; Reinhard (1985), S. 62 f. 53 Las Casas: Brevísima relación, S. 42 f. 54 Simpson (1927), S. 47. 55 Lucena Salmoral (2002), S. 48. 56 Vgl. Van Deusen (2015), S. 2. 57 So berichtet er beispielsweise am 12.11.1492, dass er fünf männliche indios und zu deren Begleitung sieben Frauen und Kinder an Bord nahm, um sie nach Kastilien zu bringen: „Así que ayer vino a bordo de la nao una almadía con seis mancebos, y los cinco entraron en la nao; estos mandé detener y los traigo. Y después envié a una casa que es dela parte del río del Poniente, y trajeron siete cabezas de mujeres entre chicas y grandes y tres

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Indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika

war er von Beginn an voller Lob für die angetroffenen Indigenen. Da sie augenscheinlich keiner Sekte (secta) angehörten, wären sie seiner Meinung nach leicht zum Christentum zu konvertieren.58 Eine Feststellung die er offenbar nicht zuletzt getroffen hatte, um seine Expedition missionarisch zu legitimieren. Nichtsdestoweniger erschienen ihm die friedfertigen Inselbewohner als „gute Diener“59, die leicht zu befehligen seien und deren Arbeitskraft gewinnbringend ausgebeutet werden könne.60 Mehrfach betont er, dass es ein Leichtes wäre, sie mit einer geringen Anzahl an Soldaten zu unterwerfen und als Gefangene zu halten oder nach Kastilien zu verschiffen.61 Nachdem er in den Jahren 1481 bis 1484 an portugiesischen Entdeckungsfahrten entlang der westafrikanischen Küste teilgenommen hatte, dürfte er die Bedeutung der S­ klaverei für die Expansion bereits kennengelernt haben.62 Ohne den Begriff explizit zu verwenden, kann mit einigem Recht spekuliert werden, dass er in den indios bereits während der Phase des Erstkontakts potentielle Sklaven sah.63 Den positiven Berichten Kolumbusʼ bezüglich einer Konversion der indios entsprechend veröffentlichte Papst Alexander VI. am 4. Mai 1493 seine berühmte Bulle „Inter caetera“.64 Zentral war hier der Missionsauftrag, der den kastilischen Königen erteilt wurde. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Verdienste im Kampf gegen die muslimischen Feinde seien sie dazu verpflichtet, „mit rechtgläubigem Eifer die in jenen Inseln und Ländern wohnenden Völker dahinzuführen, daß [sic!] sie die christliche Religion annehmen“65. Dass ihnen jedoch 58 59 60 61

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niños.Esto hice porque mejor se comportan los hombres en España habiendo mujeres de su tierra por la buena compañia.” Colón: Diario, S. 121. So heißt es etwa am 11.10.: „Y creo que ligeramente se harían cristianos, que me pareció que ninguna secta tenían.” Ebd., S. 91. „Buenos servidores.“ Ebd. Am 16.12. schrieb Kolumbus: „Y así son buenos para les mandar y les hacer trabajar y sembrar, y hacer todo lo otro que fuese menester.” Ebd., S. 153. Etwa am 14.10.: „Salvo que Vuestras Altezas cuando mandaren puedenlos todos llevar a Castilla o tenerlos en la misma Isla cautivos, porque con cincuenta hombres los tendrán todos sojuzgados, y los harán hacer todo lo que quisieren.” Ebd., S. 94. Vgl. Reinhard (2016), S. 96. Vgl. Maltby (2009), S. 25; Konetzke (1983), S. 266. Hinzu kamen drei weitere, weniger bekannte Bullen. Siehe: S. 69. Vgl. Davenport (1967), S. 5; Seed (1992), S. 200 f.; Burkholder/Johnson (1990), S. 26; Wendt (2000), S. 70–72; Simpson (1929), S. 19. „Qua mandatis Apostolicis obligati estis, & viscera misercordiae Domini Jesu Christi, attente requirimus, ut cum expeditionem hujusmodi omnino prosequi & assumere proba mente, Orthodoxae Fidei zelo intendatis, Populos in hujusmodi Insulis & Terris degentes ad Christianam Religionem suscipiendam inducere velitis & debeatis.“ Fontes, 10, S. 106. Ediert u. übers. auch in: Davenport (1967), S. 58–63.

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auch erlaubt wurde, zum Ziel der Mission „alle Festländer und Inseln mitsamt ihrer Bevölkerung zu unterwerfen“66 zeigt, dass schon dieses frühe Schriftstück die Semantik des Krieges in sich barg und diese auf die „Neue Welt“ übertrug. Zwar erwähnt die Bulle Alexanders die Sklaverei nicht. Jedoch erinnert sie in Form und Ausstattung stark an die erwähnte Bulle „Romanus Pontifex“ von Nikolaus V. aus dem Jahr 1455, in der den Portugiesen auf sehr ähnliche Weise die Mission und Eroberung sowie schließlich auch die Versklavung der Einwohner Westafrikas erlaubt wurde.67 Bereits hier stellte sich der Krone ein Problem, das sich durch die ersten zweihundert Jahre der Kolonialzeit ziehen sollte: Ein Dilemma zwischen der guten Behandlung und Christianisierung der neuen indigenen Vasallen einerseits und der gewaltsamen Eroberung ihrer Gebiete mit all ihren Konsequenzen andererseits – eingeschlossen der Sklaverei, die als Beute und Wirtschaftsfaktor zentrale ökonomische, militärische und (herrschafts-)politische Funktionen wahrnahm. Als Kolumbus bei der Rückkehr nach Hispaniola während seiner zweiten Reise im Herbst 1493 die Festung La Navidad zerstört vorfand, bedeutete dies erste kriegerische Auseinandersetzungen mit der regionalen indigenen Bevölkerung. Die (Gegen-)angriffe der indios boten Kolumbus die Möglichkeit, diese mit der Legitimation eines bellum iustum zu unterwerfen und die Kriegsgefangenen zu versklaven.68 Da Kolumbusʼ zweite Expedition unter erheblichem finanziellem Druck stand69, war der Export von indio-Sklaven nach Kastilien eine willkommene Alternative zu deren Refinanzierung. Da die erhofften großen Goldfunde sowie die Gelegenheit, Erträge aus kolonialen Handelsbeziehungen zu erwirtschaften zunächst ausblieben, stellte die Versklavung der ­indios letztlich auch eine Kompensation dar, und zwar sowohl auf finanzieller als auch auf legitimatorischer Ebene. Schließlich galt es, die Expedition mit einschlägigen materiellen Erfolgen nachträglich zu rechtfertigen.70 In seiner berühmten Denkschrift vom 30. Januar 1494 entwarf Kolumbus in diesem Zuge sogar ein ganzes koloniales Programm, in dem er der Krone den systematischen Export von indio-Sklaven nach Sevilla empfahl.71 Objekte der Versklavung sollten dabei die sogenannten caribes sein. Bereits bei seiner ersten Reise hatte Kolumbus eine folgenschwere Zweiteilung der indigenen B ­ evölkerung 66 67 68 69 70 71

„Regum Terras firmas & Insulaes praedictas, illarumque incolas & habitatores vobis, d­ ivina favente clementia, subjicere, ad Fidem Catholicam reducere.“ Fontes, 10, S. 106. Vgl. Aspinall (2014), S. 4 f. Vgl. Simpson (1929), S. 20. Insbesondere aufgrund der Größe der Mannschaft (etwa 1.400 Personen). Vgl. Pietschmann (1994a), S. 239 f. Vgl. Maltby (2009), S. 25. Vgl. Simpson (1929), S. 21; Konetzke (1965), S. 166; Zeuske (2006), S. 166.

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vorgenommen, die letztlich eine Grundlage für die Sklaverei während der gesamten conquista darstellen sollte: Auf der einen Seite standen friedliche indios, wie die Taínos Hispaniolas, die keinen Widerstand leisteten und den christlichen Glauben annahmen. Diese berichteten Kolumbus schon unmittelbar nach dem Erstkontakt von ihnen feindlich gesonnenen Bewohnern der Nachbarinseln, die sie als Kannibalen (caníbales) oder caribes bezeichneten. Diese seien schwer bewaffnet, kriegerisch und würden darüber hinaus Anthropophagie betreiben.72 Seinem Bordbuch zufolge hielt Kolumbus diese angsterfüllten und mythenbelasteten Erzählungen der Taínos zunächst für übertrieben. In der militärischen Überlegenheit der beschriebenen Krieger sah er vielmehr ein Zeichen höherer Zivilisation.73 Da er die soeben entdeckten Inseln fälschlicherweise dem asiatischen Kontinent zuordnete, vermutete er in ihnen Untertanen des „großen Khan“, die auf Hispaniola Sklavenrazzien durchführten.74 Diese Vorstellung wich allerdings schnell dem Topos der barbarischen, kannibalischen caribes, der unhinterfragte Gewaltmaßnahmen rechtfertigte.75 Kurz vor seiner Abreise versprach Kolumbus schließlich einem Kaziken der Taínos, dass die Könige Kastiliens die kriegerischen caribes vernichten würden.76 Durch die Anthropophagie, die als Verbrechen gegen Gott 72

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Die Berichte der Taínos über jene caribes, die Kolumbus in seinem diario wiedergibt, sind häufig. So zum Beispiel am 23.11.1492: „La cual decían que era muy grande y que había en ella gente que tenía un ojo en la frente, y otros que se llamaban caníbales, a quien mostraban tener gran miedo. Y des que vieron que lleva este camino, dice que no poidían hablar porque los comían y que son gente muy armada. [...] Creía que habrían cautivado algunos y que, porque no volvían a sus tierras, dirían que los comían.” Colón: Diario, S. 128. Ebenso am 26.11.: „Toda la gente que hasta hoy ha hallado dize que tiene grandísimo temor de los de los Caniba o Canima, y dicen que viven en esta isla de Bohio. [...] Y cree que van a tomar aquellos a sus tierra y casas.” Ebd., S. 131. Eine deutschsprachige Einführung zum kontroversen Thema „Kannibalismus“ findet sich bei Peter-Röcher (1998). Vgl. Bitterli (1999), S. 68. Am 5.12. heißt es: „Mas el Almirante no dize que las creía, sino que debían tener más astucia y mejor ingenio [...] para los cautivar que ellos, porque eran muy flacos de corazón.” Colón: Diario, S. 139. So berichtet Kolumbus am 11.12.1492: „Y así torno a decir como otra veces dijel dice él, que Canibano es otro cosa sino la gente del Gran Can, que debe ser aquí muy vecino; y tendrá navíos y venrán a cautivarlos, y como no vuelven creen que se los han comido.” Ebd., S. 146. Vgl. Zeuske (2006), S. 161. „El comienzo fue sober hablar de los de Caniba que ellos llaman caribes, que los vienen a tomar, y traen arcos y flechas sin hierro [...]. El Almirante le dijo por señas que los Reyes de Castilla mandarían destruir a los Caribes y que a todos se los mandarían traer las manos atadas.” Colón: Diario, S. 170.

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und die Natur betrachtet wurde, sowie den Widerstand, den sie gegen die conquista und die christliche Mission leisteten, erfüllten die caribes – wie im zweiten Kapitel dargelegt – entscheidende Bedingungen für einen „gerechten Krieg“. Dies war die Grundlage der Zweiteilung der indigenen Bevölkerung: Auf der einen Seite friedfertige indios, häufig auch als guatiaos bezeichnet, die sich freiwillig unterwarfen, den christlichen Glauben annahmen und entsprechend nicht versklavt werden durften, jedoch als indios encomendados oder naborías ausgebeutet werden konnten. Auf der anderen Seite jene caribes, die sich der conquista widersetzten und so auf der Basis des bellum iustum versklavt werden durften.77 In seinem Memorial schlug Kolumbus den Monarchen Kastiliens nun vor, Lizenzen auszustellen, die Privatleuten erlaubten, pro Jahr einige Karavellen auszurüsten, die die Kolonie auf Hispaniola mit notwendigen Gütern aus dem Mutterland versorgen sollten. Als Bezahlung sollten sie auf dem Rückweg caribes als Sklaven nach Kastilien bringen.78 Durch ihrer Tüchtig- und Stattlichkeit würden sie wertvolle Sklaven abgeben.79 Zudem sei es der richtige Weg, um sie der christlichen Religion näher zu bringen. Erst weitab ihrer Heimat würden sie von ihrer unmenschlichen Sünde der An­ thropophagie ablassen.80 Kolumbus bediente sich also ebenfalls der tradierten aristotelischen Sichtweise, dass auch der Sklave selbst von seinem Status profitieren würde. Die Krone zeigte sich indessen von seinem Vorschlag nicht überzeugt und lehnte ihn bis auf weiteres ohne die Angabe von Gründen ab.81 In den Folgejahren normalisierte sich der Transport von indio-Sklaven nach Kastilien dennoch. Die ersten 500 Personen erreichten Sevilla im Frühjahr 1495.82 Dass die Krone zunächst kein Problem sah, wird anhand einer Real Cédula vom 12. April an den für die Kolonialpolitik zuständigen Juan Rodríguez de Fonseca (1451–1523) klar: 77 78

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Vgl. Van Deusen (2015), S. 151–154; Jiménez (1986), S. 90 f.; Zeuske (2006), S. 161; Mira Caballos (1997), S. 291. „Para el sostenimiento de la gente que acá ha de estar, y bien de todas estas islas, sus Altezas podrán dar licencia é permiso á un número de carabelas suficiente que vengan acá cada año, y trayan de los dichos ganados y otros mantenimientos y cosas para poblar el campo y aprovechar la tierra [...] las cuales cosas se les podrián pagar en esclavos de estos canibales.” Memorial Kolumbusʼ vom 30.1.1494, ediert in: Fernández de Navarrete: Colección 1, S. 373–389, hier 380. „Gente tan fiera y dispuesta, y bien proporcionada y de muy buen entendimiento.“ Ebd. „Los cuales quitados de aquella inhumanidad creemos que serán mejores que otros ningunos esclavos, la cual luego perderán que sean fuera de su tierra.” Ebd. Vgl. Jiménez (1986), S. 112. Vgl. Lucena Salmoral (2002), S. 49; Rumeu de Armas (1969), S. 133; Konetzke (1983), S. 266.

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Und betreffend jenem, was Ihr uns über die indios, die in den Karavellen gekommen sind, geschrieben habt: Es erscheint uns, dass Ihr diese besser in Andalusien verkaufen könnt denn anderswo.83 Diese Empfehlung, die auf die größere Nachfrage nach Sklaven im Süden des Reiches zurückzuführen ist, wurde jedoch bereits vier Tage später widerrufen. Um überprüfen zu lassen, ob jene indios „guten Gewissens verkauft ­werden dürfen“84, sollte Fonseca den Verkauf aufschieben, bis ein Brief Kolumbusʼ mit einer Erklärung zum Grund der Versklavungen eingetroffen sei.85 Letztlich stellte dieser Befehl an Fonseca jedoch lediglich eine Politik der ­Entscheidungsvermeidung dar, die zunächst wenig Einfluss auf die tatsächlichen Umstände des Sklavenimports von Spanisch-Amerika nach Kastilien hatte. Kostenaufstellungen (relaciones de los gastos) von Schiffen aus dem Jahr 1496 belegen, dass der Transport von indio-Sklaven nach Sevilla weiterhin praktiziert wurde.86 Ein weiteres Beispiel ist ein Brief des bekannten Amerigo Vespucci (1451–1512) aus dem Jahr 1504, in dem er erwähnt, sechs Jahre zuvor 202 indios von der Insel Hispaniola in Cádiz verkauft zu haben.87 Ein endgültiges, leider nicht überliefertes Urteil einer Kommission, die über die Rechtmäßigkeit der Versklavung jener 500 indios entscheiden sollte, traf erst im Jahr 1500 ein und führte dazu, dass die Krone am 20. Juni bestimmte, dass die von Kolumbus geschickten indio-Sklaven zu befreien und in ihre Heimat zurückzubringen seien.88 Grundlegend für diese Entscheidung war, 83

„Cerca de lo que nos escribisteis de indios que vienen en la carabelas, parécenos que se podrán vender allá mejor en esta Andalucía que en otra parte.” AGI, Patr. 9, r. 1, fol. 83r, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 2, S. 2, siehe auch voll abgedruckt in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 76, S. 314. 84 „Si con buena conciencia se pueden vender estos.” Brief der Krone an Fonseca vom 16.4.1495, abgedruckt in: ebd., Nr. 77, S. 314 f. 85 Vgl. Lucena Salmoral (2002), S. 50; Simpson (1929), S. 20. 86 Es handelt sich hierbei vor allem um Abrechnungen über die Versorgungskosten von Sklaven während der langen Überfahrten: „Relación de los gastos que se hicieron con los esclavos indios que se trajeron el año de 1496.” AGI, Contr. 3249, fols. 143v-144r, ediert in: Codoin-2, Bd. 2, Nr. 342, S. 913. 87 Jiménez (1986), S. 87. 88 „El Rey y la Reina. [...] Algunos indios de los que fueron traídos de las Indias y vendidos en esta ciudad y su Arzobispado y en otras partes de est Andalucía por mandado de nuestro Almirante y en de las dichas Indias; los cuales agora nos mandamos poner en libertad, y habemos mandado al Comendador Frey Francisco de Bobadilla que los llevase en su poder a las dichas Indias y haga dellos lo que tenemos mandado.” AGI, Contr. 3249, fol. 242, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 5, S. 4. Vgl. Rumeu de Armas (1969), S. 137; Lucena Salmoral (2002), S. 51; Jiménez (1986), S. 87.

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dass es sich bei den durch Kolumbus 1495 versklavten und nach Kastilien verschleppten indios um Angehörige der Taínos handelte und nicht um die berüchtigten caribes.89 In der Forschung wurde diesem Schriftstück lange Zeit eine enorme Rolle zugeschrieben: Rafael Altamira zufolge war der 20. Juni „ein denkwürdiges Datum für die gesamte Welt, da hier zum ersten Mal die Anerkennung der Würde und der Freiheit aller Menschen festgelegt wurde“90. Auf den Einfluss, den diese Cédula tatsächlich auf die indio-Sklaverei ausübte, werde ich noch einmal zurückkommen. Nichtsdestoweniger war insbesondere Königin Isabella in der Folge bemüht, ihre Gesetzgebung auch in der Praxis umzusetzen. So sind aus dem Folgejahr beispielsweise Zeugenbefragungen und sogenannte ­informaciones überliefert, aus denen hervorgeht, dass intensiv nach den bereits verkauften indio-Sklaven gesucht wurde. Anhand von Kaufverträgen wurde versucht, Käufer oder Verkäufer der Sklaven ausfindig zu machen, um letztlich den Aufenthaltsort des jeweiligen indios ausfindig zu machen und seine Befreiung zu erwirken.91 Einen ähnlichen Eindruck hinterlässt auch der Fall des Konquistadors Cristóbal Guerra. Dieser hatte im Jahr 1499 im Auftrag der kastilischen Krone Entdeckungsfahrten nach Cumaná an der Nordküste des heutigen Venezuela unternommen und war 1501 mit zahlreichen indio-Sklaven nach Jerez de la Frontera in Andalusien zurückgekehrt.92 Nachdem die Katholischen Könige hiervon erfahren hatten, sandten sie umgehend eine Real Cédula an den corregidor der Stadt, damit dieser überprüfe, ob Guerra sich tatsächlich des illegalen Verkaufes von indio-Sklaven schuldig gemacht habe. Da es sich bei der indigenen Bevölkerung Spanisch-Amerikas um Vasallen der kastilischen Krone handele, solle der corregidor – falls sich die Vorwürfe bestätigten – den zurückgekehrten Konquistador festnehmen und sein Vermögen beschlagnahmen. Die verkauften Sklaven solle er ausfindig machen und die Käufer aus dem konfiszierten Vermögen ausreichend entschädigen. Die befreiten indios seien dem neu bestimmten Gouverneur der Kolonien, Nicolás de Ovando, zu übergeben, damit dieser sie im Zuge seiner Reise nach Spanisch-Amerika

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Vgl. Zeuske (2006), S. 166. „[Una] Fecha memorable para el mundo entero, porque señala el primer reconocimiento del respeto debido a la dignidad y libertad de todos los hombres.” Altamira (1946), S. 306. Befragungen von Zeugen über den Aufenthaltsort und den Verkauf von den befreiten indios (sogenannte esclavos de merced) finden sich in: AGS, CJH, 7–2, ediert in: Cododes 3, Nr. 550, S. 1367. Vgl. Simpson (1929), S. 23.

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zurück in ihre Heimat bringe.93 Diese Sklavereipolitik der Katholischen Könige zugunsten ihrer indigenen Untertanen schlug sich letztlich auch in den Instruktionen an eben jenen Ovando nieder, der 1502 den Untersuchungsrichter Francisco de Bobadilla als Oberbefehlshaber in Spanisch-Amerika ablöste.94 Als Gouverneur sollte er im Besonderen auf die Mission und die christliche Erziehung der indigenen Untertanen achten. Darüber hinaus forderten die K ­ atholischen Könige ihn dazu auf, die gute Behandlung der indios unter empfindlicher Strafandrohung durchzusetzen. Indios sollten sich frei und sicher bewegen dürfen, ohne dass ihnen jemand Schaden zufüge oder sie beraube.95 Diese vermeintliche Antisklavereigesetzgebung führte häufig zu einer vorschnellen ­Glorifizierung der Sklavereipolitik der Katholischen Könige und insbesondere Isabellas. ­Rumeu de Armas stellt etwa fest, dass die kastilischen Monarchen „sich in eifrige Verteidiger der Freiheit der indios gewandelt haben“96. Arthur Helps beklagt hinsichtlich des Todes Isabellas 1504, ob die indios denn gewusst hätten, was für eine Freundin sie in ihrer Königin verloren hätten.97 Eine praxisnähere Betrachtung der frühen 93

„El Rey y la Reina. Gonzalo Gómez de Cervantes, nuestro Corregidor de la ciudad de Jerez de la Frontera. A nos es fecha relación que Cristóbal Guerra, que por nuestro mandado fué a las tierras de Cumaná y Cuchina [...] y otros por su mandado prendieron y mataron ciertos indios y indias en la isla de Poynare, y los que tomaron vivos, los trajo y vendió muchos dellos en la ciudad de Sevilla y Cádiz y Jerez y Córdoba y en otra partes [...] y porque susodicho fué hecho contra nuestra provisión y defendimiento, y siendo los dichos indios nuestro súbditos [...] mandamos que luego vos informéis y sepáis la verdad [...]; y así sabida la verdad, si halláredes los susodicho ser y haber pasado como dicho es, toméis luego de poder del dicho Cristóbal Guerra y de sus bienes todos los maravedís y precios [...], y toméis los dichos indios e indias de poder de las personas que los tienen, restituyendo a cada uno el precio que cada uno le costó; [...] los unos y los otros los entreguéis al [...], nuestro Gobernador de las islas y tierra firme de mar Océano, para que los lleve a la dichas isla donde fueron tomados, y los ponga en libertad.” AGI, Indif. 418, L. 1, fol. 70r-v, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 8, S. 7. Vgl. Lucena Salmoral (2002), S. 52; Rumeu de Armas (1969), S. 139; Simpson (1929), S. 23. 94 Vgl. Burkholder/Johnson (1990), S. 31; König (1992), S. 55; Helps I (1855), S. 188 f. 95 „Primeramente, procuraréis con muncha deligencia las cosas del servicio de Dios, e que los oficios devinos se fagan con muncha estimación e orden ereverencia, como conviene. [...] Otrosi: procuraréys como los yndios sean bien tratados e pueden andar toda la tierra, e nenguno los faga fuerza, nin los roben, nin fagan otro mal nin dapño.” Instrucciones al comendador frey Nicolás de Ovando, gobernador de las islas y Tierra firme del Mar Océano, para el bien tratamiento de los indios.Granada, 16 de septiembre de 1501, ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 111, S. 373–376. Vgl. Jiménez (1986), S. 88. 96 Rumeu de Armas (1969), S. 139. 97 Helps I (1855), S. 213.

Vorspiel: Die „karibische Phase“

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Sklavereipolitik der Krone lieferte dagegen schon Lesley Byrd Simpson. Er betrachtete die Sklavereiverbote der Jahre 1500 und 1501 nicht als universell und absolut, sondern im Kontext der bereits erwähnten ­„Neofeudalisierung“ der Überseegebiete. ­Dementsprechend sei das zentrale Motiv der Krone die Einschränkung der Souveränität der G ­ ouverneure – allen voran Christopher Kolumbusʼ – gewesen. Simpson zufolge war es die „jealousy of Columbusʼ assumption of sovereignty, rather than as belated tenderness toward her Indian subjects“98, die das Verbot der Versklavung der ­indios erklärt. Einen Mittelweg zwischen beiden Positionen wählte Richard Konetzke: ­Einerseits erkennt er in der Sklavereipolitik der K ­ atholischen Könige eine „neue politische Gesinnung“ und ein ethisches Hinterfragen des Sklavenhandels, andererseits betont auch er die herrschaftspolitische ­Komponente der Sklavereigesetzgebung.99 Dass die Antisklavereigesetzgebung der Katholischen Könige weder als universelle Verdammung der indio-Sklaverei noch als neue politische (oder gar ethische) Gesinnung betrachtet werden sollte, zeigt die folgende Ausnahmeregelung zur Versklavung der caribes aus dem Jahr 1503.100 In ihrer Real Provisión vom August jenes Jahres wiederholte Isabella zunächst das Verbot, ihre indigenen Untertanen zu versklaven, zu verschleppen oder ihnen irgendeinen anderen Schaden zuzufügen, wenn sie sich bereitwillig der kastilischen Krone unterworfen hatten und zum christlichen ­Glauben konvertiert waren.101 Allerdings habe sie erfahren, dass es auf dem San-­Bernardo-Archipel sowie in den Puertos de Cartagena sogenannte caníbales gebe. ­Berichten zufolge würden diese Anthropophagie betreiben, der conquista und der Verbreitung des christlichen Glaubens widerstehen, Christen töten und die friedlichen indios bekriegen.102 Entsprechend dem göttlichen 98 Simpson (1929), S. 23. 99 Konetzke (1965), S. 167. 100 Vgl. Zeuske (2006), S. 166; Simpson (1926), S. 24; Jiménez (1986), S. 118; Lucena ­Salmoral (2002), S. 53; Mira Caballos (1997), S. 261; Rumeu de Armas (1969), S. 140. 101 „Todas las personas que viven e están en las islas e Tierra Firme del Mar Océano fuesen cristhianos e se reduxesen a nuestra Sancta Fee Cathólica, obimos mandado, por suso nuestra carta, que persona nin personas algunas [...] non fueren osados de prender nin capturar a nenguna nin alguna nin algunas personas nin personas de los yndios de las dichas islas e Tierra Firme del dicho Mar Océano para los traer a estos mis reynos nin para los llevar a otras partes algunas, nin le ficiere otro nengún mal nin dapño en sus personas e en sus bienes.” Carta de provisión autorizando la reddución a esclavitud de los indio caníbales. Sevilla, agosto de 1503, zit. nach: Rumeu de Armas (1969), Nr. 127, S. 396–398, hier 397. 102 „En las islas de San Bernardo e en los puertos de Cartagena e en las islas de Canarias, donde están que se dice caníbales, no los quisieron oyr nin acoxer, antes se defendieron

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und königlichen Willen und um des Friedens willen müssten jene caníbales für ihre Verbrechen bestraft werden: Und da ich erfahren habe, dass es Gott und uns sowie dem Frieden und dem Erhalt der Menschen dienlich ist, sollen besagte caníbales für ihre Verbrechen gegen meine Untertanen bestraft werden. […] Ich erlaube daher […] allen meinen Untertanen, auf den Inseln und dem Festland des ozeanischen Meeres, seien sie bereits entdeckt oder noch unbekannt, die besagten Kannibalen, wenn sie noch immer Widerstand leisten und sich nicht unterwerfen, gefangen zu nehmen und sie von den Inseln und Ländern, auf denen sie sich befinden, zu entfernen, damit sie in den Dingen unseres heiligen katholischen Glaubens unterrichtet werden und mir gehorsam sind. Hierzu dürfen sie in das hiesige Reich oder in alle anderen Gebiete gebracht werden, solange uns der rechtmäßige Anteil bezahlt wird; hierzu können sie verkauft und ausgebeutet werden […]. Werden sie in diese Gebiete gebracht und dienen sie den Christen, können sie leichter zu unserem heiligen katholischen Glauben bekehrt werden.103 Der theologisch-juristische Hintergrund dieser Provisión entspricht weitgehend den erläuterten Ausführungen Innozenzʼ IV.: Isabella erkannte das Naturrecht der indigenen Bevölkerung auf Herrschaft (dominium) und ­ ­Eigentum (possessiones) durchaus an. Die Verstöße gegen das Naturrecht – als ­welches die Anthropophagie gewertet wurde – und die Behinderung der Mission rechtfertigten hingegen eine Bestrafung durch einen christlichen Herrscher. Darüber hinaus enthält die Provisión Isabellas viele Semantiken,

dellos con sus armas, e le resistieron que non podiesen entrar nin estar en las dichas islas dondellos están, e aun en la dicha resistencia mataron algunos cristhianos; e [...] haciendo guerra a los yndios que están a mi servicio.” Ebd. 103 „E porque yo he sido informada que para lo que conviene al servicio de Dios e nuestro, e a la paz e sosiego de las gentes, e los dichos caníbales sean castigados por los delitos que an cometido contra mis súbditos. [...] Doy licencia e facultad a todos e qualesquieres personas que con mi mandado fueren, ansí a las islas e Tierra Firme del dicho Mar Océano que fueren, agora están descobiertas, como a las que fueren a descobrir [...] que sie todavía los dichos caníbales resystieren e non quisieren rescebir e acoxer en sus tierras a los capitanes [...] e oydos para ser dotrinados en las cosas de nuestra Sancta Fee Cathólica e estar a mi servicio e obydiencia, lospuedan captivar e captiven para los llevar a las tierras yslas donde fueren; e para que los pueden traer e traygan a estos mis reynos [...] e a otra qualesquier parte e logares do quisieren e por bien tobieren, pagándonos la parte que dellos Nos pertenezca; e para que los puedan vender e aprovecharse dellos [...], porque ser más ligeramente avertidos e ynstruidos a nuestra Sancta Fee Cathólica.” Ebd., S. 398.

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die schon aus den Debatten um die morisco-Sklaverei und das bellum iustum bekannt sind. Zunächst der Strafaspekt: Auch hier stand die Sklaverei zur Bestrafung von Verbrechen „Ungläubiger“ gegen christlichen Glauben und Herrschaft als willkommene „alternativa a la muerte“ zur Verfügung. Die Sklaverei stellte eine maximale Form der Bestrafung dar, ohne die Betroffenen für die christliche Gemeinschaft zu verlieren. Wie auch häufig während der guerra de Granada wird betont, dass die Schaffung von Frieden den Einsatz der Sklaverei legitimiere. Im Weiteren befinden sich die Ausführungen der Provisión im Einklang mit den zeitgenössischen Ideen zum bellum iustum: Krieg gegen Andersgläubige – und damit zusammenhängend auch deren Versklavung – galt als legitim, falls der Mission Widerstand geleistet wurde, Verbrechen gegen die Natur begangen wurden oder die Rettung Unschuldiger notwendig war.104 Zusätzlich wird noch – wie im Falle der moriscos auch – die Ermordung von Christen als besonderer Frevel betont. Auch die üblichen religiösen Motive der Sklaverei sind offenkundig: Die Versklavung kriegerischer indios erleichtere die Mission. Ferner würden die versklavten caribes selbst von ihrem Sklavenstatus profitieren, da sie so eine bessere religiöse Erziehung erfahren würden. Letztlich erwähnt die Provisión sogar die ökonomischen Aspekte der Versklavungen: Der Krone stünde ein finanzieller Anteil am Verkauf der caribes zu. Die Tatsache, dass explizit festgehalten wird, dass jene versklavten caribes auch auf andere Inseln gebracht werden dürften, gibt ferner Aufschluss über ein weiteres Motiv: Die Versorgung der Kolonie auf Hispaniola mit günstiger Arbeitskraft. Das Massensterben der Taínos der Insel hatte diese weitgehend entvölkert hinterlassen. Die Folge war eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften, um die Versorgung der Siedler zu gewährleisten. Die Arbeitskräftenachfrage war somit letztlich der Katalysator des Sklavenhandels. In der Folge nahm der Transport von indio-Sklaven aus den Gebieten, in denen man caribes vermutete, auf die Insel Hispaniola massiv zu.105 Die Stigmatisierung der caribes als barbarisch und kriegerisch blieb für Jahrzehnte die zentrale Grundlage der Versklavungen. Im Jahr 1518 beklagte der von Kardinal Cisneros nach Hispaniola geschickte licenciado Alonso de Zuazo (1466–1539) ausführlich die großen Nachteile, die eine Versklavung der indigenen Bevölkerung mit sich bringe.106 In einem Brief an den Erzieher und engsten Berater des jungen Königs Karl, Guillaume II. de Croÿ, Seigneur de Chièvres (1458–1521), 104 Siehe: Kap. 2.1.3. 105 Vgl. Jiménez (1986), S. 118; Newson (1986), S. 107. 106 Alonso de Zuazo an Guillaume II. de Croÿ am 22.1.1518: „Porque el bien de todos estos reinos tan anchos é espaciosos está en que estén poblados de indios, y faltando estos falta todo.” Ediert in: Codoin-e 2, S. 347–375, hier 348.

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vertritt er allerdings auch eindeutig die zeitgenössische Überzeugung, dass die caribes guten Gewissens versklavt werden dürften. Sie seien Barbaren, äßen Menschenfleisch und würden durch Angriffe auf die verbündeten guatiaos den Frieden in der Kolonie gefährden.107 Darüber hinaus verschränkte auch er diese Argumente mit rein praktischen Überlegungen zu den Versklavungen: „Diese Leute wären der Insel [Hispaniola, Anm. d. V.] sehr von Nutzen; sie sind eine große Notwendigkeit, da die einheimischen indios bald ausgelöscht sein werden.“108 Die letztlich auch geographische Zweiteilung der indigenen Bevölkerung bot den Vorteil, immer mehr Inseln als den caribes zugehörig zu erklären, wann immer es die Situation erforderte. Letztlich öffnete das Gesetz von 1503 das Tor für die massenhafte, legale wie illegale, Versklavung von indios, da es insbesondere in der „Karibischen Phase“ ein Leichtes war, diese unhinterfragt zu feindlichen caribes zu erklären.109 Auch auf Kuba klagten die Siedler nach dem Aussterben der lokalen indigenen Bevölkerung über den Mangel an Arbeitskraft. 1508 supplizierte Ovando an den Hof, Sklaven von den benachbarten Inseln nach Kuba bringen zu dürfen.110 Hierzu traf er eine Unterscheidung, die für den weiteren Verlauf der Sklavereigeschichte im karibischen Raum von großer Bedeutung war: Die ­Einteilung von Inseln in solche, die als nützlich (útiles) betrachtet wurden und solche, die „unnütz sind, von denen niemand profitiert“ (inútiles)111. Maßgeblich für die Nützlichkeit einer Insel war der Fund von Edelmetallen. Blieb 107 „Hay necesidad tambien que los caribes de Tierra firme que comen carne humana, se puedan traer por esclavos á esta isla porque aquellos viven bárbaramente, con que se señale el lugar donde los puedan traer, que ha de ser cabe nuestros guatiahos, que quiere decir nuestros amigos ó questan de paz en servicio de su Alteza y aquellos caribes cómenselos é hácenles mucho daño.” Ebd., S. 371. 108 „Esta isla será muy aprovechada de gente ques bien menester, porque los indios della ya van de caida.” Ebd., S. 372. 109 Vgl. Mira Caballos (1997), S. 261. Lucena Salmoral sieht ab 1503 „una captura indiscriminada de esclavos” realisiert. Lucena Salmoral (2002), S. 53. 110 „Don fray nicolas de ovando come[ndador] mayor d[e]la fernandina [...]. Asimismo me hizieron Relacion con los d[ic]hos p[ro]cur[ador]es por p[ar]te dela dicha ysla diziendo q[ue] en esa dicha ysla ay mucha nesesydad de yndios e q[ue] se han apocado tanto e se apocan de cada dia q[ue] syno se remedia en pocas dias se despoblará de yndios e para el rem[ed]io d[e]llo me suplicaron q[ue] les diese licencia q[ue] de algunas yslas comarcanas ynutiles dlas quales ninguno provecho se espera puedan llevara esa dicha ysla los yndios q[ue] pueden llevar para q[ue] los s[ir]van dla man[er]a q[ue] otros de esa ysla diziendo q[ue] qu[an]do otro frudo no aya syno hazellos xr[ist]ianos seria muy grande lo qual me ha parecido muy bien.” AGI, Indif. 1961, L. 1, fol. 31r-36v. 111 „Yslas [...] ynutiles d[e]las quales ninguno provecho.” Ebd.

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­dieser aus, galt die Insel als weitestgehend wertlos. In diesem Falle sollte – nicht zuletzt um den Konquistadoren Beute zu ermöglichen – wenigstens die Arbeitskraft der Bevölkerung ausgenutzt werden. Solche „yslas inútiles“ wurden also zu Sklavenlieferzonen, die die Bewirtschaftung und den Edelmetallabbau auf den „yslas útiles“ überhaupt erst ermöglichten.112 Bereits ein Jahr später verschärfte sich die Lage auf Hispaniola weiter. Das Massensterben der indigenen Arbeitskräfte nahm solche Ausmaße an, dass die Krone nun auch die Versklavung sogenannter Lucayos erlaubte. Als solche bezeichnete man die Bewohner der Inseln nordwestlich von Hispaniola (Bahamas, Bermudas) sowie der Insel Trinidad, welche prinzipiell als friedlich galten und somit eigentlich nicht in den Definitionsbereich der caribes fielen. Nichtsdestoweniger autorisierte die Krone Diego Kolumbus (Gouverneur), Gil Gonzáles Dávila (contador) und Miguel de Pasamonte (tesorero general de las Indias), Lizenzen für Sklavenrazzien auf besagten Inseln auszustellen. Vordergründig sollten die Lucayos als nominell freie naborías nach Hispaniola verschleppt werden. Falls sie jedoch Widerstand leisteten, galt die Versklavung als legitim.113 Am Beispiel der Insel Trinidad verdeutlicht sich außerdem noch einmal die Unterteilung in „nützliche“ und „unnütze“ Inseln: Nachdem 1510 Gerüchte aufkamen, dass hier doch Gold zu finden sei, wurde die Insel per Real Cédula Real vom 15. Juni als Sklavenlieferzone ausgeschlossen.114 Als jedoch recht schnell klar wurde, dass es sich hierbei um eine Fehlinformation handelte, wurde das Verbot rund ein Jahr später wieder aufgehoben.115 Grundlegend war offenbar die Überlegung, dass bei einem Goldfund die indigenen Arbeitskräfte vor Ort benötigt wurden und somit nicht für den Transport auf andere Inseln zur Verfügung standen. Die Folge der um sich greifenden Sklavenrazzien war ein verstärkter indigener Widerstand, der sich in mehrfachen Angriffen von caribes auf die kastilischen Stützpunkte auf San Juan (das heutige Puerto Rico) manifestierte. ­Nachdem diese überwiegend von den Kleinen Antillen aus im Jahr 1511 San Juan mit rund vierzig Kanus angegriffen hatten und dabei unter anderen den Statthalter Cristóbal de Sotomayor und dessen Neffen getötet hatten, verschärfte die Krone das Vorgehen gegen die caribes.116 Am 23. Dezember erweiterte Ferdinand die Bestimmungen zur Versklavung der indigenen Bevölkerung. Von nun an sollten sämtliche Bewohner der Kleinen Antillen und zahlreicher, 112 113 114 115 116

Vgl. Konetzke (1983), S. 271. Vgl. Jiménez (1986), S. 123 f.; Lucena Salmoral (2002), S. 54. AGI, Indif. 418, L. 3, fol. 23v-24r. Vgl. Jiménez (1986), S. 125 f. AGI, Indif. 418, L. 3, fol. 73v. Vgl. Jiménez (1986), S. 125 f. Vgl. Floyd (1973), S. 102 f.

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dem Festland vorgelagerter Inseln, als caribes kategorisiert werden. Grundlage für deren Versklavung war erneut die Tatsache, dass diese den christlichen Glauben ablehnen und koloniale Vorstöße mit Waffengewalt beantworten würden. Darüber hinaus würden sie Krieg gegen die friedlichen indigenen Vasallen der Krone führen und Anthropophagie betreiben.117 Diese Vorwürfe wurden konkret mit den Angriffen auf San Juan verknüpft: Auf „teuflische Art und Weise“118 würden die caribes jener Inseln einen aktiven Krieg gegen die christlichen Siedler führen, hätten den kastilischen Statthalter und viele weitere Christen getötet und würden so den Frieden und das Überleben der übrigen Bewohner Spanisch-Amerikas gefährden.119 Um die caribes zu bestrafen und dem rechten Glauben zuzuführen, dürften sie in die Sklaverei verkauft werden. Da Ferdinand die Lage äußerst bedrohlich erschien, verzichtete er sogar auf einen königlichen Anteil an der menschlichen Beute120, was letztlich dem campo franco gleichkam, wie er schon im Kapitel zur guerra de Granada erläutert wurde. Bereits in dieser frühen kolonialen Phase war die Versklavung der indigenen Feinde also ein militärtaktisches Mittel, durch das sich die Krone eine schnellere Beilegung von Konflikten erhoffte. Als Reaktion auf weitere kriegerische Auseinandersetzungen und das indigene Massensterben mit dem erläuterten Arbeitskräftemangel als Folge, wurden in den Folgejahren die Sklavenlieferzonen sukzessive erweitert: 1513 um die Inseln Curaçao, Aruba und Bonaire sowie 1519 erstmals um einige indigene Gruppen auf dem Festland des heutigen Venezuelas.121 Um auf das Massensterben seiner indigenen Vasallen zu reagieren sowie deren christliche Erziehung zu gewährleisten, veröffentlichte Ferdinand 1512 117 „De algunas de las dichas islas fueron [nuestra Fe Católica] bien acogidos y recibidos, en las islas de San Bernardo e isla Fuerte y en los puertos de Cartagena e islas de Baru y la Dominica y Matiniño y Santa Lucía y San Vicente y la Ascensción y la isla de los Barbudos y Tabaco y Mayo, donde estaba una gente que le llaman los caribes, nunca los quisieron ni han querido ni quieren oír ni quieren acoger, antes se defendieron dellos con sus armas y les resistieron que no pudiesen entrar ni estar en las dichas islas. [...] Haciendo guerra a los indios que están a nuestro servicio y prendiéndolos para los comer, como de hecho los comen.” Ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 146, S. 421–423, hier 422. 118 „Forma diabólica.“ Ebd. 119 „Los dichos indios hagan muchos malos y excesos, como ha acontecido de poco ha que en la Isla de San Juan: [...] Mataron y traición y alevosamente a don Cristóbal de Sotomayor, lugarteniente de nuestro capitán de la dicha isla, y a Don Diego de Sotomayor, su sobrino, y a otros muchos cristianos que en la dicha isla estaban [...] y después se alzaron y rebelaron contra nuestro servicio.” Ebd. S. 422 f. 120 „Sin que nos paguen dello parte ninguna.“ Ebd., S. 423. 121 Vgl. Jiménez (1986), S. 128.

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die bekannte Leyes de Burgos, die die „gute Behandlung der indios“122 gewährleisten sollten. Die Gesetze bezogen sich allerdings in erster Linie auf die indios encomendados und trafen keine Aussagen gegenüber indio-Sklaven, mit der Ausnahme, dass sie milder zu behandeln seien als negro-Sklaven.123 Letztlich bekräftigten sie sogar den inferioren Status der indigenen Bevölkerung124, auch wenn Lewis Hanke aus ihnen eine „kindly intention of the Spanish Monarchs towards the indians“125 ableitet. Da ihre Vorschriften in der Praxis überdies kaum durchgesetzt wurden, hatten die Leyes de Burgos wohl nur wenige positive Auswirkungen auf die Behandlung der indios.126 Enormen Einfluss auf die Versklavung indigener Gruppen hatte indessen der berüchtigte, kurze Zeit später vom bekannten Juristen Juan López de Palacios Rubios (1450–1524) verfasste requerimiento. Hierbei handelte es sich um ein offizielles Schriftstück, das indigenen Gegnern ab 1513 vor jeder kriegerischen Auseinandersetzung verlesen werden musste.127 Der Text beginnt mit einer knappen Erläuterung des christlichen Weltbildes. Es folgt eine Erklärung, dass der Papst als Vertreter Gottes auf Erden den Königen von Kastilien die Inseln und Festländer jenseits des Ozeans übertragen habe. Das Dokument fordert die indigenen Gegner schließlich auf, sich der Oberherrschaft der kastilischen Könige zu unterwerfen und christliche Missionare ohne Widerstand zuzulassen. Würden sie dieser Aufforderung nachkommen, könnten sie mit Freiheit, Güte, Liebe sowie vielen Exemtionen und Gnadenerweisen rechnen.128 Falls nicht, würde sich der jeweilige Konquistador zur Kriegsführung mit allen Konsequenzen genötigt sehen: 122 Die Sammlung von 35 Einzelgesetzen wurde unter dem Titel „Ordenanzas para el buen tratamiento de los indios“ veröffentlicht. Abgedruckt in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 154, S. 435–453. Vgl. Helps I (1855), S. 260–263; Pietschmann (1980), S. 32; König (2010), S. 59. 123 „Mandamos que no sea con aquella riguridad y aspereza que suelen tratar a los otros esclavos.” Ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 25, S. 38 f. 124 Vgl. Castro (2007), S. 61. 125 Hanke (1959), S. 15. 126 Vgl. Castro (2007), S. 59–61; Pagden (1982), S. 48 f.; Gillner (1997), S. 33. 127 Vgl. Maxwell (1975), S. 57–61; Seed (1992), S. 202 f.; Reinhard (1985), S. 58 f.; ­Burkholder/Johnson (1990), S. 30; Pietschmann (1980), S. 33 f.; ebd. (1994a), S. 256; König (2010), S. 61 f. 128 „Sy ansy lo hizierdes, hareys bien, y aquello a que soys tenidos y obligados, y Sus Altezas, y yo en su nonbre, vos recibiran con todo amor y caridad, y vos dexaran vuestras mugeres, hijos y haziendas libres sin servitunbre, para que dellas y de vosotros hagays libremente todo lo que quisierdes e por bien tubierdes [...] Su Alteza vos dara muchos privilegios y esenciones, y vos hara muchas mercedes.” Ediert in: Fontes, S. 68–70, hier 70.

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Wenn Ihr es aber nicht thun [sic!] solltet, oder wenn Ihr boshafter Weise damit ungebührlich lange zögern solltet, so versichere ich Euch, daß [sic!] ich mit der Hilfe des Himmels gewaltsam einschreite und in euer Land einrücken werde, und Euch […] mit Krieg überziehen werde, und daß [sic!] ich Euch mit Gewalt unter das Joch bringen will, und in den Gehorsam der Kirche und Seiner Majestät.129 Als gerechte Strafe, für die sie schließlich auch selbst verantwortlich seien, sah der requerimiento schließlich die Versklavung der indios sowie die Konfiskation ihres Besitzes vor: Und dann werde ich Euch, eure Weiber und eure Kinder nehmen und sie zu Sklaven machen, und als solche werde ich sie verkaufen, und ich werde alle eure Güter nehmen.130 Über lange Zeit wurde dieses Schriftstück in der historischen Forschung belächelt oder als völlig abwegig abgetan. Hanke bezeichnet es als „absurd“131 und Eggensperger als „ausgesprochen merkwürdig“132. Wieder andere hielten es für einen „useless legalism“133 und für Arthur Helps war der requerimiento gar eine humorvolle Abwechslung, die ihn während eintöniger Forschungsarbeit belustigte134. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Selbst wenn es gelingen konnte, den Text in Hörweite zu den indigenen Adressaten zu verlesen, war es diesen mangels kastilischer Sprachkenntnis nicht möglich, ihn zu verstehen. Auch falls der requerimiento in indigene Sprachen übersetzt werden konnte, waren Konzepte wie Kirche, Vasallentum oder Gnade für die indios kaum zu begreifen. Es sind jedoch auch andere Interpretationen des Schriftstückes denkbar als die der Absicht einer bloßen Kriegserklärung. Muldoon geht etwa davon aus, dass der requerimiento den Zweck erfüllte, dem Papst zu demonstrieren, 129 „Sy no lo hizierdes, o en ello dilaçion maliçiosamente pusierdes, çertificos que con el ayuda de Dios yo entraré poderosamente contra vosotros y vos haré guerra [...] y vos subjetaré al yugo y obidiençia de la Yglesia y de Sus Altezas.” Ebd. 130 „Y vos tomaré vuestras personas y de vuestras mugeres y hijos y los haré esclavos, y como tales los venderé y disporne dellos como su Alteza mandare, y vos tomaré vuestros bienes.” Ebd. 131 Hanke (1959), S. 16. Auch König bezeichnet den requerimiento in seiner populären „Kleinen Geschichte Lateinamerikas“ als „eine Farce“. König (2010), S. 62. 132 Eggensperger (2000), S. 22. 133 Vgl. Muldoon (1979), S. 141 f. 134 „The comicality of the document has often cheered me in the midst of tedious research.“ Helps I (1855), S. 383.

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dass die indios die christliche Mission ablehnten. Er war demnach letztlich ein Versuch, die conquista vor dem apostolischen Stuhl zu rechtfertigen.135 Auch wurde der Text häufig im Kontext einer Gewissensentlastung für die Konquistadoren gesehen136 und Konetzke hält ihn im Sinne einer Schutzmaßnahme gar für das „erste Erwachen menschlichen Gewissens in den überseeischen Kolonisationen“137. Darüber hinaus ist es vorstellbar, dass die eigentlichen Adressaten die Konquistadoren selbst waren. Der requerimiento sollte weitab des Mutterlandes und des Hofes die monarchische und missionarische Grundordnung in Erinnerung rufen.138 Im Zusammenhang mit der hier verfolgten Fragestellung ist allerdings vor allem ein Punkt wichtig: Mit dem requerimiento wurde die Semantik eines Eroberungskrieges in offizieller Form in die kolonialen Gebiete implementiert. Das klassische Konzept des bellum iustum – also vor allem die thomistischen Bedingungen der auctoritas principis, iusta causa bis zur intentio recta – fand auf diesem Weg in quasi institutionalisierter Weise Eingang in die Praktiken der conquista. Da die Versklavung der Besiegten seit jeher ein essentieller Bestandteil des „gerechten Krieges“ war, stellte der requerimiento so eine zentrale legitimierende Grundlage der indio-Sklaverei in ­Spanisch-Amerika dar. Ähnlich der guerra de Granada findet sich auch hier der Sklavereidiskurs des gesamten 16. und 17. Jahrhunderts mit der Diskussion um die Gerechtigkeit des Krieges verknüpft. Auf die administrativen Funktionen des requerimiento werde ich überdies an späterer Stelle noch einmal eingehen. Zusammenfassend kann für die „karibische Phase“ zunächst Ähnliches konstatiert werden wie für die portugiesische Atlantikexpansion und die Eroberung der Kanaren: Der Sklavenfang diente in erster Linie der Refinanzierung der Entdeckungsfahrten. Insbesondere wenn – wie so oft der Fall – keine Edelmetalle gefunden werden konnten, bediente die Versklavung der indigenen Bevölkerung die wirtschaftlichen Zwänge einer Expedition. Gerade K ­ olumbusʼ zweite Reise, bei der hunderte von Teilnehmern auf einträgliche Gewinne hofften, zeigt dies eindeutig. Auch die Unterteilung der entdeckten Inseln in „nützliche“, auf denen Gold gewaschen werden konnte, und „unnütze“, die als Sklavenlieferzonen ausgebeutet werden durften, belegt dies eindrücklich. Zwei Punkte, die für die Sklaverei wesentlich waren, müssen darüber 135 Muldoon (1979), S. 142. 136 Gillner (1997), S. 35. 137 Er interpretiert den requerimiento als Versuch, die indio-Sklaverei aus moralischen Gründen in legalen Grenzen zu halten. Konetzke (1965), S. 169. 138 Vgl. hierzu auch die Sichtweise von Patricia Seed, die den Text vor allem im Sinne einer sprachlich-rituellen Praxis zur Artikulation von Autorität der Kastilier über die indigenen Bewohner der „Neuen Welt“ interpretiert. Seed (1992), S. 203–209.

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­ inaus im ­Hinblick auf die Folgeabschnitte festgehalten werden: ­Zunächst die h ­Unterteilung der indigenen Bevölkerung in friedliche indios, die der conquista keinen Widerstand leisteten, das Christentum annahmen und entsprechend von der Sklaverei verschont bleiben sollten. Auf der anderen Seite die sogenannten caribes oder caníbales, die bewaffnete Gegenwehr leisteten und denen mit der Anthropophagie ein Verstoß gegen das Naturrecht vorgeworfen wurde. Obwohl etwa Vitoria den Kannibalismus später als iusta causa für einen ­„gerechten Krieg“ ablehnte, so war doch zumindest der Widerstand gegen die christlichen Herrscher und Missionare ein weithin als legitim begriffener Grund für Krieg und Sklaverei.139 Diese Zweiteilung der indigenen Bevölkerung spielte einer flexiblen Politik der Krone in die Karten: Sie erlaubte die Erfüllung des päpstlichen Missionsmandats bei der Ausnutzung der Vorteile der Versklavung mancher indios. Weiterhin bot sie die Möglichkeit, die Sklavenlieferzonen sukzessive zu erweitern. Auf diese Weise konnte situativ auf Krisensituationen – wie etwa den häufig auftretenden Arbeitskräftemangel auf Hispaniola oder Kuba – reagiert werden. Ab den 1530er-Jahren wurden schließlich fast alle widerständischen indios in Spanisch-Amerika als caribes bezeichnet.140 Eng zusammenhängend mit dem Kampf gegen jene caribes fällt außerdem auf, dass die Semantik des Krieges mit der zunehmenden Expansion immer stärker auftrat. Mit dem campo franco wählte Ferdinand schließlich ein kriegstaktisches Mittel, das dem Sklavenfang im Krieg mit den caribes einen zentralen Platz einräumte. Durch den berüchtigten requerimiento wurden das bellum iustum und die Versklavung rebellischer indios schließlich auf ein mehr oder weniger institutionelles Fundament gestellt. Letztlich war die königliche Sklavereipolitik – gerade in dieser frühen kolonialen Phase – erheblich von den Problemen der Distanzherrschaft beeinflusst. Dies dürfte sich in diesem Untersuchungsbereich vor allem in kaum zu quantifizierenden Fällen illegaler Versklavungen niedergeschlagen haben. Außerdem sollte aus den Schutzgesetzen und Sklavereiverboten, wie sie von Ferdinand und Isabella immer wieder erlassen wurden, keine Antisklavereigesetzgebung abgelesen werden. Rumeu de Armas ist somit zu widersprechen, wenn er konstatiert, dass „die Freiheit der indios bereits im ersten Moment der Entdeckung und der Kolonisation proklamiert [wurde]“141. Die Sklavereipolitik der Krone stand vielmehr auf der anerkannten Basis des bellum iustum und sie versuchte, die Versklavung der 139 Siehe: S. 30. 140 Seed (2001), S. 122; Van Deusen (2015), S. 152 f. 141 „La libertad del indio fue proclamada por los Reyes Católicos en los momentos iniciales del descubrimiento y la colonización.” Rumeu de Armas (1969), S. 143.

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indigenen Bevölkerung situativ für die Zwecke der conquista und Kolonisation zu nutzen. Auch wenn es über den chronologischen Rahmen der „karibischen Phase“ hinausgeht, möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf den bereits kurz angesprochenen Export von indio-Sklaven nach Kastilien eingehen. Wie jüngst Nancy van Deusen in ihrer eindrucksvollen mikrohistorischen Analyse von Einzelschicksalen indigener Sklaven in Kastilien gezeigt hat, war dies alles andere als ein marginales Phänomen.142 Nachdem bereits um die Jahrhundertwende indio-Sklaven in Andalusien befreit und wieder zurück in ihre Heimat gebracht wurden, war die Krone immer wieder bemüht, deren Export zu unterbinden. Die Gründe gehen aus einer Real Cédula an Diego Kolumbus vom 21. Juni 1511 deutlich hervor: Einige Personen dieser Inseln besitzen indio-Sklaven und es wird gesagt, dass sie von diesen Inseln nach Kastilien kommen und besagte indio-Sklaven mit sich nehmen. […] Dadurch wird besagte Insel entvölkert und es entsteht ein großer Schaden, da, wie Ihr wisst, das höchste Gut dieser Gebiete darin besteht, dass es eine große Anzahl von indios gibt, die zur Minen- und Feldarbeit zu Verfügung steht.143 Aus klar formulierten wirtschaftlichen Gründen sollte es demnach verboten sein, indio-Sklaven ohne explizite Lizenz der Krone aus Spanisch-Amerika nach Kastilien zu bringen.144 Der Export von indio-Sklaven widersprach dem kolonialen Programm der Krone: Sowohl für die Siedlungspolitik, die spätestens seit 1502 verfolgt wurde, als auch für den Abbau von Gold war man auf die Ausbeutung der indigenen Arbeitskraft angewiesen.145 Das juristische Schlupf­loch der Lizenzen führte allerdings dazu, dass in den Folgejahren dennoch häufig indio-Sklaven nach Kastilien transportiert wurden. Die Korrespondenz der Krone mit der Casa de la Contratación in Sevilla gibt über diese Problematik Aufschluss. In Sevilla herrschte offenbar große Unsicherheit über 142 Van Deusen (2015). 143 „Algunas personas de las que en esa isla están y tienen indios esclavos en su poder dize que [...] se vienen del a isla a Castilla, traen los dichos indios esclavos que así tienen [...] esa dicha isla se despoblaría dellos, de que recibiría daño, porque como sabéis todo el bien desas partes consiste en que haya número de indios para traer en las minas y granjerías.” AGI, Indif. 418, L. 3, fol. 91v, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 20, S. 29. 144 „Por ende mando que [...] ni personas algunas e las que en dicha isla residen [...] saquen ni traigan ni envíen por ninguna vía, color ni manera que sea ningunos indios esclavos que tuvieron desa dichas isla para Castilla, salvo si no fuerecon expresa licencia.” Ebd. 145 Vgl. Reinhard (1985), S. 59; Burkholder/Johnson (1990), S. 31.

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die Rechtmäßigkeit der Versklavung der indios, die im Monopolhafen der Stadt ankamen. Um Abhilfe zu schaffen, befahl Karl V. 1529 der Casa, dass jeder, der einen Sklaven aus Spanisch-Amerika an Bord seines Schiffes hatte, innerhalb einer genauen Frist einen schriftlichen Nachweis vorlegen musste, aus dem hervorging, dass es sich um einen rechtmäßigen, i. e. aus einem „gerechten Krieg“ stammenden, Sklaven handelte. Die Notare der Casa sollten darüber hinaus Registerbände über die importierten Sklaven anlegen.146 Die konkreten Einzelfallprüfungen sahen wie folgt aus: Im Juli 1530 waren der bekannte Kapitän und „oberste Steuermann“ (piloto mayor) der Casa Sebastiano Caboto und der Konquistador Diego García de Paredes von einer vierjährigen Entdeckungsfahrt zum Rio de la Plata mit zahlreichen indio-Sklaven nach Sevilla zurückgekehrt. Nachdem die Krone hiervon in Kenntnis gesetzt worden war, wurden die Mitarbeiter der Casa umgehend angewiesen, in diesem Fall aktiv zu werden. Aus einer Real Cédula vom Oktober 1530 geht hervor, dass in einer Anhörung Herkunft und Alter der indios sowie der Grund ihrer Versklavung ermittelt werden sollten. Im Anschluss sollte eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Versklavungen getroffen werden.147 Nur zwei Jahre später wollte Caboto erneut indio-Sklaven in Sevilla verkaufen. Da es sich bei den beiden Sklaven um indios von der bereits christianisierten Karibikinsel Santa Catalina handelte, wurde die Casa angewiesen, diese umgehend freizulassen.148 Dass Caboto bereits vor dem Beginn seiner Expedition im Jahr 1526 sowie ab 1532 als 146 „En lo q[ue] dezis q[ue] vos enbie a mandar q[ue] oviese desynformacion acerca de sy son esclavos o libres quales quier yndios q[ue] se truxesen de las yndias y me suplicays vos mande enbiar declaracion de quales tenemos por esclavos.Quando algunos vinyeren q[ue] los traigan por esclavos tomareis seguridad q[ue] dentro de un termyno traeren certificacion y testymonio como es verdaderamente esclavo y terneis un libro en q[ue] acomtareis por memoria los esclavos q[ue] traen y q[ue]yen y de donde son.” AGI, Indif. 1952, L. 1, fol. 15r-17r. 147 „Soy informado que algunos de los yndios q[ue] truxeron sebastian caboto e diego garcía por esclavos son libres o no. Fue informado de la cibdad de todo ello yo vos mando q[ue] luego aya yo ynformacion [...] de donde quales yndios [son] que edad tenerlos e por q[ue] caussa q[ue] se a serf dellos e de todo lo demas de q[ue] castoviere des q[ue] devoser ynformadome.” AGI, Indif. 1961, L. 2, fol. 1v. 148 „Yo he informada q[ue]l capitan sebastian caboto al tiempo q[ue] se venia pa[ra] estas partes de viaje q[ue] hizo estavan e[n] la ysla de santa catalina ciertos yndios q[ue] se avian tornado xristianos entre los quales estava un yndio e una yndia q[ue] el ynido se llamava X e la yndia maria los quales le rogaro[n] q[ue] los traxese de tera de xristianos en su conpanya. [...] Los traxo a esa ciudad e[n] q[ue] las personas q[ue] los tuve en su poder los tratan e tiene como esclavos.[...] Yo vos mando q[ue] [...] vos ynformais de lo q[ue] pasa e probeer q[ue] los d[ic]hos yndios [...] pongan en libertad.” AGI, Indif. 1961, L. 2, fol. 168v-169r.

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piloto mayor einen der höchsten Posten innerhalb der Casa de la Contratación wahrnahm, macht diesen Fall besonders pikant.149 Wie im Falle der guerra de Granada lassen sich also auch hier die administrativen Akteure nur schwer von jenen Eliten unterscheiden, die von Sklaverei und Sklavenhandel profitierten. Die Bemühungen der Krone, den Export von indio-Sklaven aus Spanisch-Amerika auf eine gesetzlich geregelte Basis zu stellen und so zum einen die Rechtmäßigkeit der Versklavungen sicherzustellen und zum anderen der Entvölkerung Spanisch-Amerikas entgegenzuwirken, bedeuteten nicht, dass der Transport von indio-Sklaven nach Kastilien gänzlich untersagt wurde. War der Sklavenhändler respektive -besitzer in der Lage, die legitime Herkunft seiner indio-Sklaven zu belegen, konnte er mit einer königlichen Lizenz rechnen. Der Johanniterpater Francisco Manos Albas erhielt beispielsweise im Jahre 1532 nach einer Supplik die königliche Erlaubnis, seine vier indio-Sklaven, die er seit Kindesalter im christlichen Glauben erzogen hatte, mit sich nach Kastilien zu bringen, falls er sie gut behandele, weiterhin im christlichen Glauben erziehe und nicht verkaufe.150 Wie bei moriskischen oder ehemals muslimischen Sklaven schützte die Konversion zur christlichen Religion also auch hier nicht vor Sklaverei. Ähnliche Lizenzen, die den Transport von indio-Sklaven nach Kastilien unter bestimmten Umständen erlaubten, finden sich darüber hinaus für das 16. Jahrhundert in großer Anzahl.151 Die Schwierigkeit der Casa de la Contratación, nachträglich und mit großem räumlichem Abstand über die rechtmäßige Versklavung eines indios zu entscheiden, spiegelt sich in einer Real Cédula der Königin vom 14. Januar 1536: Hier heißt es, die illegale Verschleppung von 149 Zum Amt des piloto mayor und speziell zum Amtsträger Sebastiano Caboto vgl. Brendecke (2009), S. 122–133. 150 „Me ha sydo hecha r[e]lacion que vos aveys criado desde pequeños quatro yndios a los quales aveys yndustriado en las cosas de n[uest]ra santa fee catho[li]ca y por que son ­v[uest]ros esclavos y las aver criado desde pequeños les teneys mucho amor y deseays trazerlos a estos n[uest]ros Reynos a donde los teneys bien tratados y asi nescesario fuese dava desfiancas q[ue] no las venderades a persona alguna y me suplicastes y pidestes por mrd. Vos diese lic[encia] para poder traher los d[ic]hos quatro yndios a esta partes o como la mi mrd. fuese y por la presente constonido ante todas cosas al presidente y oydores dela n[uest]ra audi[enci]a y chancelleria real de la nueba spania que los d[ic]hos quatro yndios son esclavos a vos el d[ic]ho fray fran[cisc]o manos alvas vos doy licencia para poder traher y facultad para que vos o quien v[uest]ro poder oviere los podays traher y trygar a estos n[uest]ros Reynos sin q[ue] en ello vos ser puesto enbargo ni ynpedim[iento] alguno con tanto q[ue] [...] las tratareys bien e yndusturreys las cosas de n[uest]ra sante fee catho[lica] y q[ue] los [...] no enajenareys.” AGI, Méx. 1088, L. 2, fol. 54r. 151 Zahlreiche Suppliken und Cédulas zur Lizensierung des Exports von indio-Sklaven aus Spanisch-Amerika finden sich etwa in: Ebd.

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indios aus ihrer Heimat nach Kastilien sei im Allgemeinen abzulehnen. Aus ihr entstünden erhebliche – wohl w ­ irtschaftliche – Nachteile und die Krone strebe generell den unbedingten Erhalt der indigenen Bevölkerung an. Um allerdings den Transport legitimer indio-­Sklaven nach Kastilien auf administrativer und rechtlicher Ebene zu erleichtern, solle eine Lizenz nur ausgestellt werden, falls der Sklavenbesitzer eine Urkunde des regionalen Gouverneurs vorlegen könne, die die gerechte Versklavung beglaubigt.152 Auf diese Weise sollte zum einen der Export unrechtmäßig versklavter indios eingeschränkt werden. Zum anderen wurde der Casa de la Contratación das Verfahren zur Feststellung einer rechtmäßigen Versklavung erleichtert. Im gleichen Zuge befahl die Krone dem licenciado und consejero im Indienrat, Juan Suárez de Carvajal, die Überprüfung aller bereits in Sevilla lebender indio-Sklaven. Wohl angesichts des verheerenden Massensterbens der indigenen Bevölkerung Spanisch-Amerikas sollten sämtliche Sklavenbesitzer Sevillas ihre indio-Sklaven vor Gericht registrieren lassen. Der Name des Sklaven, seine Herkunft und vor allem der „gerechte Besitztitel“ (título) mussten vorgelegt werden. Konnte kein „gerechter Titel“ (zum Beispiel eine Urkunde, die den Status eines Gefangenen eines „gerechten Krieges“ belegte) angeführt werden, sollte es zu einer Verhandlung kommen, die über den rechtmäßigen Sklavenstatus des indio entschied.153

152 „Nos somos ynformados q[ue] muchas personas q[ue] vienen de las n[uest]ra Indias yslas e tierra firme del mar oceano trae[n] a estos n[uest]ros Reynos algunos yndios e no siendo sus esclavos los vende e dispone dellos como sy lo fuese en gran daño [...] y en des[er] vicio de dios n[uest]ro señor e n[uest]ro q[ue] deseamos la conservacion dellos e q[ue] no les recibe agravio ni vexacio[n] alguna e q[ue]riendo proveer ello. [...] P[ro]ybimos e mandamos q[ue] de a[qu]i adelante persona al[guna] no sea osado de traer ni treyga a estos n[uest]ros Reynos yndio alguna a titulo de esclavo syn q[ue] trayga testimo[nio] del governador o justicia [...] de la ysla o p[ro]vincia donde se sacare el tal indio por el q[ua]l conste q[ue] es su esclavo.” AGI, Indif. 422, L. 16, fol. 257v-258v. Das Gesetz wurde im Jahr 1538 schließlich noch einmal als Real Provisión veröffentlicht. AGI, Patr. 277, n. 4, r. 78. 153 Real Cédula vom 14.1.1536: „Somos ynformados que muchas personas an traydo a esa ciudad muchos yndios libres de las n[uest]ras yndias yslas e t[ie]rra firme del mar oceano y los an tenido e tienen por esclavos e como de tales an dispuesto e disponen en gran daño e perjuizio delos d[ic]hos yndios e des[er]vicio de dios n[uest]ro s[e]ñor e n[uest]ro e queriendo p[ro]veer en Remi[dio] della por la p[re]sente vos mandamos y encargamos que luego e[n] esta resibays haga y poner he dado pu[blicacion] e[n] esa d[ic]ha cibdad pa[ra] q[ue] todas e qualesquires personas y v[ezino]s y estantes en ella manifiesten ante vos todos los yndios e yndias que ansy tuvieren por esclavos declarando sus nombres e p[ro]vincias donde son naturales e les mandeys que muestre ante vos los titulos e d[e] r[echo]s q[ue] tienen pa[ra] los traer por tales e los que hallare e q[ue] tienen bastantes titulos se los dexeys poseer como a tales esclavos y los q[ue] luego no mostraren los

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Dass die Krone tatsächlich darum bemüht war, die illegale Versklavung von indios einzuschränken, zeigt sich auch an etlichen überlieferten Gerichtsverfahren, in denen indio-Sklaven – ganz ähnlich den einleitend erwähnten valencianischen demandas de libertat – versuchten, ihre Freiheit einzuklagen. Van Deusen, die diese Fälle zur Grundlage ihres Buches gemacht hat, geht davon aus, dass die Chancen sehr gut standen, auf diese Weise die Freiheit zu erlangen.154 So wurden etwa in den Jahren 1543 bis 1545 durch einen visitador der Casa de la Contratación, Gregorio López Tovar, zahlreiche Verfahren gegen indio-Sklavenhalter in Sevilla angestrengt. Dass sich unter den Beklagten auch der Vikar und der Sakristan der Kathedrale Sevillas befanden, offenbart einmal mehr, dass auch die katholische Kirche von Sklavenarbeit profitierte und somit keine generelle oppositionelle Haltung zur indio-Sklaverei vertrat. Die Verfahren endeten letztlich mit der Freilassung von über einhundert indio­Sklaven.155 Ähnliche Gerichtsverfahren, an deren Ende zumeist die Freilassung der Sklaven stand, da eine Versklavung im bellum iustum nicht nachgewiesen werden konnte, finden sich häufig.156 Exemplarisch möchte ich den Fall der indio-Sklavin Ynés aus den Jahren 1551/52 herausstellen. Diese hatte durch ihren Anwalt, den licenciado Agreda, seinerseits Steuerbeamter ( fiscal) im Indienrat, eine Petition an eben jenes Ratsgremium gerichtet, die das Verfahren einleitete. Ynés sei als kleines Mädchen unter einem Vorwand aus ihrer Heimat im heutigen Mexiko von einem gewissen Esteban de Villalobos verschleppt und nach Kastilien gebracht worden. In Toledo habe er sie als Sklavin an Catalina de Olvera verkauft, gegen die sich die Klage schließlich richtete. Zwölf Jahre habe sie in den Diensten jener Frau Sklavenarbeit verrichtet. Dabei habe Catalina de Olvera keinen rechtmäßigen Besitztitel vorweisen können (sin título) und habe sie „in böser Absicht“ (con mala fe) besessen, da sie von ihrer Geburt an frei gewesen sei. Nachdem ihre Besitzerin von ihren Freiheitsbemühungen

d[ic]hos titulos rescibays dellos n[uest]ra m. en forma pa[ra] q[ue] declaren como desyen ovieron los d[ic]hos yndios y que cabsa y razon tiene por los tener por esclavos y sy por la declaracion de alguno paresciere que tienen los d[ic]hos yndios o yndias ynjusta e yndevidamente o que son libres pongays en toda libertad a los d[ic]hos yndios.[...] La paresciere que poseen los tales yndios por esclavos con buena fee y por justos titulos aunque no los pueden mostrar a tento lo susod[ic]hos se los consyntays tener e poseer por tales.” AGI, Indif. 1962, L. 4, fol. 30r-31v. Ähnliche Aufforderungen gingen auch in den Folgejahren an die Casa de la Contratación. Zum Beispiel AGI, Pan. 244, L. 1, fol. 27r-v. 154 So waren 95 Prozent der Klagen, die sie untersuchte, erfolgreich. Wobei unklar bleibt, wie viele Sklaven überhaupt die Möglichkeit zur Klage hatten. Van Deusen (2015), S. 123. 155 AGI, Just. 741, n. 3. Vgl. Van Deusen (2015), S. 99–124. 156 Hunderte Dokumente zu Gerichtsverfahren finden sich etwa in: AGI, Indif. 423, L. 20, fol. 781r-v; AGI, Just. 783, n. 3; 831, n. 13; 832, n. 2; 1164, n. 6, r. 1.

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erfahren hatte, habe diese darüber hinaus versucht, sie schnellstmöglich zu verkaufen und sie schwer misshandelt. Schließlich bat der licenciado Agreda den Rat im Namen seiner Mandantin um ihre Freiheit sowie um eine rückwirkende Bezahlung von einem Dukaten für jedes Jahr, in dem sie als Sklavin in den Diensten Catalina de Olveras stand. Auch die Kosten ihrer Rückreise nach Spanisch-Amerika sollten beglichen werden.157 Die rechtlichen Grundlagen waren prägnant umrissen: Ynés sei als freie Person geboren worden, ihre Verschleppung und Versklavung nur unter einem betrügerischen Vorwand (por engaños) geschehen. Sie sei darüber hinaus nicht nur nach dem Naturrecht eine freie Person, sondern auch die Leyes Nuevas (1542) würden die Sklaverei der indios verbieten oder zumindest verlangen, dass die Sklavenbesitzer innerhalb kürzester Zeit ihre rechtmäßigen Besitztitel vorlegen, was noch immer nicht geschehen sei.158 Nur wenige Tage nach dem Eintreffen der Petition im Indienrat reagierte die Krone mit einer Real Cédula an die Sklavenbesitzerin Catalina de Olvera und den Verkäufer Esteban de Villalobos, in der die Vorwürfe der Sklavin noch einmal wiederholt wurden. Um die genauen Umstände der Versklavung aufzudecken, wurde beiden befohlen, die Sklavin Ynés innerhalb von nur sechs Tagen vor dem Indienrat zu präsentieren. Hier sollte nicht nur die Aussage der Sklavin gerichtlich überprüft, sondern vor allem etwaige schriftliche Zeugnisse über ihren rechtmäßigen Sklavenstatus vorgelegt werden. Sollte die sechstägige Frist versäumt werden, würde eine Geldstrafe 157 „Ynes yndia natural de la provin[cia] de mex[ico] de la nueba españa dize q[ue] siendo niña y de poca edad fue trayda destos Reynos por enganos por un estevan de villalobos v[ezino] de la villa de santa olalla puede aver mas de doze años y venido ala d[ic]ha villa la venido e dio por esclava a una catalina de olvera muger de alonso Rodriguez e vez[ino] de la d[ic]ha villa de san olalla la qual se a syrvido e sirve de la bien los d[ic]hos doze años sin titulo e con mala fee siendo ella libre [...] de su nacimiento como lo es e despues q[ue] esta e[n] poder de la d[ic]ha catalina de olvera a yntenido de la vender y porq[ue] an sabido q[ue] quiere pedir su justicia e libertad la hazen malos tratamientos a lo qual no se deve dar lugar pide e su[pplica] a V. Al. q[ue] avida su relacion por verdadera [...] declare a la d[ic]ha ynes yndia ser y aver sido libre de su nacimiento y no aver podido esclava y condenar a las pars contrarios a q[ue] le den e paguen doze ducados en cada uno de los d[ic]hos años q[ue] se an sirvido e sirven e sirvieren della y q[ue] a su costa la buelvan ala d[ic]ha p[rovinc]ia de mex[ico] donde es sua natural e la saco el d[ic]ho estevan de villalobos.” AGI, Just. 1179, n. 1, r. 2. 158 „Otrosi pide e supp[lica] a V. Al. q[ue] a tento q[ue] la d[ic]ha yndia tiene fundada su yntencion de d[e]r[ech]o natural y por las leyes nuebas e hordenancas de las yndias no puede ser esclava se mande a las partes contrarias que dentro de su breve termino traygan e presenten ante los deste v[uest]ro Real consejo los titulos e relaciones q[ue] tuvieren y no los trayendo anparen a la d[ic]ha Ynes yndia e[n] su libertad durante este d[ic]ho pido.” Ebd.

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von 20.000 maravedíes fällig.159 Nachdem über eine eventuelle mündliche Anhörung keine Protokolle überliefert sind, findet sich mit einem Schreiben des Anwalts Catalina de Olveras, Sebastian Rodriguez, erst im Mai des Folgejahres eine Fortsetzung des Falles. Hierin behauptet er, dass Ynés zu keinem Zeitpunkt eine Sklavin seiner Mandantin gewesen sei. Catalina de Olvera habe Ynés nach dem Tod ihres Bruders, der sie rechtmäßig aus Spanisch-Amerika nach Toledo gebracht habe, in eine „getreue und behütete“ („guarda e fiel“) encomienda genommen. Gemeint ist hier nicht jenes Modell einer encomienda, wie es aus Spanisch-Amerika bekannt ist, sondern – wie aus dem weiteren Text hervorgeht – ein formell freies Bedienstetenverhältnis, das Arbeitskraft durch Kost und Logis entlohnte. Da Ynés jedoch nach bereits kurzer Zeit schwer erkrankt sei, hätten – so der Anwalt – die Kosten für Kleidung und Nahrung die geleisteten Arbeitsleistungen schnell überstiegen. Aus diesem Grund plädierte er dafür, dass Ynés noch so lange in den Diensten seiner Mandantin bleiben solle, bis jene Ausgaben abgearbeitet seien.160 Zwar ist infolge des hohen Beschädigungsgrades des Dokumentes kein Urteil überliefert. Jedoch ist eine ­Befreiung von Ynés nicht unwahrscheinlich. Nicht zuletzt, da die Besitzerin nicht in der Lage war, einen „gerechten Titel“ geltend zu machen. Auch im Falle der indio-Sklaven, die nach Kastilien exportiert wurden, versuchte die Krone also regulierend einzugreifen. Da es sich in diesem Falle um keine ausgeprägte Distanzherrschaft handelte, waren die Erfolgschancen, eine königliche Sklavereipolitik durchzusetzen, ungleich höher als in Spanisch-Amerika. Tendenziell lässt sich beobachten, dass der Transport von indios aus den überseeischen Kolonialgebieten nach Kastilien schon um 159 „Por vos mando q[ue] dentro de seys dias [...] presenteys ante los el d[ic]ho consejo dlas yndias la d[ic]ha ynes yndia p[er]sonalmiente con los titulos e derechos q[ue] teneys pa[ra] tenerla por esclava lo qual ansi cumplir so pena dla n[uest]ra md. de veynte mill mrs. pa[ra] la cam[ara].” Ebd. 160 Sebastian Rodríguez am 4.5.1552 an den Indienrat: „A la d[ic]ha ynes yndia no la a tenido ni tiene por esclava ni libre que lo que pasa es que un su hermano que de la d[ic]ha catalina de olvera que vino de yndias la traxo de yndiaS. [...] Al tiempo de su fallecim[iento] se la dexo en guarda e fiel encomienda sin que en ello aya mas de lo que de sugo se dize ni que della se aya servido en cosa alguna antes la d[ic]ha mi parte la a servido a ella y hecho buenas obras porque durante el tienpo que en su poder a estado a causa de un para que la d[ic]ha ynes [...] vienen grandes e[n]fermedades porque en cada un año se le hinchan las piernas e an esta e[n]fermedad a n[uest]ra mucho tiempo [...] avia gastado mas de treynta ducados demas de los vestidos a otros gastos que con ella a hecho segun lo qual negado que la d[ic]ha ynes fuese libre entre conpensa de las gastos que con ella a hecho la d[ic]ha mi parte la es obligada a la servir mas t[ie]mpo de lo servido hasta hazer se pago delo que asi le a dado e gastaido.” Ebd.

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1500 kritisch betrachtet wurde. Grundlage waren jedoch keine theologisch-­ rechtlichen oder gar abolitionistischen Bedenken über die Rechtmäßigkeit der Sklaverei, sondern in erster Linie ökonomische Sorgen: Eine Siedlungspolitik in Spanisch-Amerika und vor allem die Ausbeutung von Gold- und Silbervorkommen sowie anderer Ressourcen waren ohne indigene Arbeitskraft nicht möglich. Die massenhafte Deportation von indios in andere Gebiete war somit für eine langfristige Kolonialpolitik nicht opportun. Dies bedeutete jedoch mitnichten ein universelles Verbot für den Export von indio-Sklaven. Vielmehr waren situative Fallenscheidungen vorgesehen, um auch Ausnahmen zulassen zu können. Um den Transport von indios aus Spanisch-Amerika königlicher Kontrolle zu unterwerfen und allein quantitativ zu regulieren, wurden administrative Hürden installiert. Verfahren wie Anhörungen, Beweisführungen und das Anlegen von Registerbänden in der Casa de la Contratación sollten die Rechtmäßigkeit einer Versklavung feststellen. Auf diese Weise hoffte man, den massenhaften Export von indios zu verhindern und gleichzeitig den bereits vorhandenen Besitzern von indio-Sklaven die Möglichkeit zu geben, ihren vermeintlich rechtmäßigen Besitz zu verteidigen, indem sie einen „gerechten Titel“ vorlegten. Darüber hinaus sollten die erfolgreichen Gerichtsverfahren zur Befreiung der indio-Sklaven nicht überbewertet werden. Auch nach der Visitation der Casa durch Gregorio López Tovar im Jahr 1543 blieben indio-­ Sklaven in den Gassen Sevillas – etwa indem die zuständigen Amtsträger von den Sklavenbesitzern bestochen wurden – ein alltägliches Phänomen.161 3

Conquista und Sklaverei

Im letzten Abschnitt habe ich geklärt, inwiefern die Versklavung der indigenen Bevölkerung der „Neuen Welt“ für die koloniale Frühphase wichtig war, wie Praktiken und Legitimationsmuster transformiert und adaptiert wurden und sich allmählich neue Semantiken herausbildeten. In einem zweiten Schritt möchte ich nun die Bedeutung der indio-Sklaverei für die systematische conquista Spanisch-Amerikas herausarbeiten. Äquivalent zur morisco-Sklaverei wird es zunächst darum gehen, auf welche Art und Weise indios versklavt wurden. Welche Praktiken und Handlungsoptionen standen zur Verfügung? Im Weiteren werde ich die verschiedenen Funktionen, die die indio-Sklaverei im Zusammenhang mit der Eroberung und Besiedlung Spanisch-Amerikas bereithielt, in den Blick nehmen. Hierfür werde ich in erster Linie die Argumente der Befürworter der Sklaverei analysieren. 161 Van Deusen (2015), S. 100 f.

Conquista und Sklaverei

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Sklavenrazzien auf dem Festland – die sogenannte Tierra Firme – sind bereits für die „Karibische Phase“ ab etwa 1509 belegt und betrafen zunächst vor allem die Costa de las Perlas. Hierbei handelt es sich in etwa um den Küstenabschnitt von der Mündung des Orinoco im Nordosten des heutigen Venezuela bis zur Bucht von Santa Marta im Norden des heutigen Kolumbiens. Da das Massensterben der indigenen Taínos auf Hispaniola bereits zu dieser Zeit akut war, begann der Menschenraub auf Tierra Firme attraktiv zu werden, obwohl dieses Gebiet grundsätzlich als útil betrachtet wurde und demnach per Gesetz als Sklavenlieferzone ausgeschlossen war.162 Der bereits erwähnte licenciado Alonso de Zuazo schlug angesichts des Arbeitskräftemangels nach seiner Ankunft auf Hispaniola im Jahr 1517 vor, den Sklavenfang an der Costa de las Perlas zu legalisieren. Als Kompromiss wurde hierauf zumindest die Versklavung und Verschleppung von indios auf der Halbinsel von Paria (im äußersten Nordosten des heutigen Venezuela) erlaubt.163 Ab 1519 war es der Untersuchungsrichter ( juez de residencia) Juan Rodríguez de Figueroa (ca. 1477–1525), der für die Krone in Spanisch-Amerika die Situation der indio-Sklaverei begutachten sollte. Es oblag ihm, die Differenzierung von feindlichen caribes und friedlich gesonnenen guatiaos durchzuführen und so letztlich über die Rechtmäßigkeit von Versklavungen zu entscheiden.164 Wie bereits erwähnt, erklärte er im selben Jahr erstmals vier Stammesgruppen der Tierra Firme zu caribes. Ein veedor sollte die Versklavungen überprüfen und um den Schutz aller freien guatiaos zu gewährleisten, wurde ein gewisser Antonio Flores zum alcalde mayor von Tierra Firme ernannt.165 Insgesamt waren die meisten Expeditionen nach Tierra Firme noch bis in die Dreißigerjahre des 16. Jahrhunderts hinein durch die Suche nach Sklaven motiviert. Das Massensterben der indios auf den bereits kolonisierten Inseln, aber auch die Entdeckung des Perlenvorkommens auf Cubagua machten die Beschaffung von Arbeitskräften durch solche „expediciones esclavistas“166 notwendig. Wie Jiménez betont hat, waren die erhöhte Nachfrage nach indio-Sklaven und der Bedarf nach Arbeitskräften, die zum Perlentauchen auf der küstennahen Insel benötigt wurden, unmittelbar miteinander verknüpft. Insbesondere nach Aufständen indigener Gruppen in Cumaná, im Nordosten des heutigen Venezuela, wurden im Jahr 1522 erhebliche Mengen von indio-Sklaven zum Perlentauchen nach Cubagua verschifft. Bis

162 163 164 165 166

Vgl. Jiménez (1986), S. 121 f. und S. 131. Vgl. ebd., S. 149; Mira Caballos (1997), S. 271. Vgl. Jiménez (1986), S. 153 f.; Mira Caballos (1997), S. 271. Vgl. Jiménez (1986), S. 156. Ebd., S. 181; vgl. Blackburn (1997), S. 133.

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zum Ende des Jahrzehnts wurde die Insel so zum Organisationszentrum von Sklavenrazzien auf festländischen Gebieten.167 Am offenkundigsten war die wirtschaftliche Bedeutung des Handels mit indio-Sklaven für die Provinz Nicaragua. Wie Macleod und Radell dargelegt ­haben, waren die Sklavenrazzien, die ab 1515 einsetzten sowie der darauf folgende Export von indio-Sklaven nach Peru, Panama und Hispaniola noch bis in die Vierzigerjahre des 16. Jahrhunderts der Hauptwirtschaftszweig der Provinz.168 Da die erhofften Edelmetallfunde ausblieben, waren Sklavenrazzien die einzige Möglichkeit, schnellen Reichtum zu erlangen. Die Tatsache, dass beinahe jede Expedition den Sklavenfang zum Ziel hatte, führte zu einer rasanten Depopulation der Provinz Nicaragua. Die kontrovers diskutierten Angaben, die Las Casas für die ersten vierzehn Jahre der kastilischen Herrschaft macht, sprechen von bis zu 500.000 versklavten indios.169 Weitere Schätzungen über die absoluten Zahlen gehen weit auseinander: Für die Hochphase der Sklavenexporte aus Nicaragua zwischen den Jahren 1536 und 1540 schwanken die Zahlen zwischen 10.000 und 200.000 exportierten indio-Sklaven pro Jahr.170 Unabhängig davon, wie viele indio-Sklaven tatsächlich verschleppt wurden oder durch die katastrophalen Bedingungen auf den Sklavenschiffen starben, war die indigene Bevölkerung Nicaraguas bis in die Vierzigerjahre von geschätzten 1.000.000 Personen in präkolumbianischer Zeit auf wenige tausend dezimiert worden.171 Letztlich war das Massensterben der indigenen Bevölkerung der Grund, warum die Versklavungen ab etwa 1540 allmählich abnahmen und nicht eine etwaige Verbotspolitik der Krone oder theologische Bedenken.172 Durch die Berichte verschiedener kolonialer Akteure war die Krone über die Umstände des Sklavenhandels in Nicaragua informiert. Bereits im Jahr 1527 bemühte sie sich, die illegale Versklavung von indios massiv einzuschränken. In einer Real Cédula vom 29. November befahl sie dem ­Gouverneur der Provinz, Pedrarias Dávila (1468–1531), dass kein Bewohner von Tierra Firme indio-Sklaven aus Nicaragua besitzen dürfe. Da der Gouverneur der Provinz Castilla de Oro, die an der Nordküste des heutigen Panama lag, sich offenbar an der illegalen Versklavung von indios beteiligte, sollten der licenciado Castañeda 167 Vgl. Jiménez (1986), S. 169–181; Deive (1995), S. 257–280. 168 Newson (1986), S. 107–111; Macleod (2008), S. 50; Radell (1976), S. 67. Vgl. Lohse (2010), S. 48; Gallay (2010), S. 315. 169 Diese Zahlen werden von Oviedo y Valdés und Alonso de Herrera bestätigt. Vgl. Radell (1976), S. 68 f. 170 Vgl. Macleod (2008), S. 52; Blackburn (1997), S. 133; Kamen (2003), S. 125. 171 Vgl. Radell (1976), S. 68; Macleod (2008), S. 56. 172 Vgl. Radell (1976), S. 73; Gabbert (2005), S. 82.

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(der alcalde mayor der Provinz) sowie Diego Alvarez Osorio, der das Amt des „Beschützers und Verteidigers der indios“ (protector y defensor de los indios) ausübte, dessen repartimientos überwachen. Die indios sollten auf gerechte Weise verteilt werden, eine gute Behandlung erfahren, im katholischen Glauben erzogen werden und vor allem als Freie und nicht als Sklaven gelten.173 Knapp zehn Jahre später sah sich Karl V. erneut genötigt, die illegale Versklavung und Verschleppung von indios aus der Provinz Nicaragua zu unterbinden. Grund hierfür war die Entvölkerung der Provinz sowie die hohen Todesraten auf den Sklavenschiffen.174 In seiner Real Cédula an den derzeitigen Gouverneur Rodrigo de Contreras y La Hoz (1502–1558) heißt es: Man sagt, dass sie alle [die Sklaven, Anm. d. V.] vor Hunger und Durst sterben oder aufgrund der schweren Arbeiten und der schlechten Behandlung, welche ihnen nah und fern ihrer Heimat zuteilwurde; weiterhin sagt man, dass in nur einem einzigen Schiff 400 indios und indias transportiert werden, von welchen nur fünfzig bis zur Ankunft überleben. Auf diese Weise gelangen mehr als zwanzig Schiffe mit indios in die besagten Provinzen von Peru und Castilla de Oro, was der Grund dafür ist, dass dieses Land von ihren Ureinwohnern entvölkert und zerstört ist.175 173 Real Cédula an Pedrarias Dávila, Gouverneur von Nicaragua, vom 29.11.1527: „Vos mandamos que luego que esta veays proveays como ninguno v[ezin]o dela d[ic]ha t[ie]rra firme estando en ella no pueda tener ni tenga yndios en esta prov[inci]a de nicaragua […]. Y mandamos que el licen[cia]do de Castañeda n[uest]ro al[calde] mayor dela d[ic]ha t[ie] rra juntamente con diego Alvarez osorio chantre de t[ie]rra firme protector y defensor delos yndios desa d[ic]ha t[ie]rra revoca[n] el repartimi[ent]o de yndios [...] an hecho en esa p[rovinci]a por el d[ic]ho P[edro] de los Rios y lo parecen que no estuviere hecho justamente lo provean como les pareciere ara justi[ci]a [...] p[or] bien e conservacion delos d[ic]hos yndios e buen tratamiento e insti[tuci]on dellos a n[uest]ra santa fee catolica e aziendo q[ue] sean tratados como libres como lo son e no como esclavos.” AGI, Pan. 234, L. 3, fol. 30r-31r. 174 Von den katastrophalen Bedingungen auf den Sklavenschiffen berichtet auch Girolamo Benzoni, wobei er sich vermutlich auf Las Casas bezieht: „Others [Sklaven, Anm. d. V.] are sent to the island of Spagnuola, filling with them some large vessels built like caravels. They carry them under deck, and being nearly all people captured inland, they suffer severely the sea horrors, and not being allowed to move out of those sinks, what with their sickness and their other wants, they have to stand in the filth like animals; and the sea often being calm, water and other provisions fail them, so that the poor wretches, oppressed by the heat, the stench, the thirst, and the crowding, miserably expire there below.” Benzoni: History, S. 12. 175 Real Cédula an Rodrigo de Contreras y La Hoz, Gouverneur von Nicaragua, vom 9.9. 1536: „Diz[e] q[ue] todos sean muerto de hanbre y sed y otros grandes trabajos y malos

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Da das Überleben der indigenen Bevölkerung im Sinne des katholischen Glaubens sei, sei die Versklavung von indios in der Provinz Nicaragua in Zukunft verboten.176 Um die Sklavenhalter nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen, gewährte die Cédula jedoch „ein bis zwei Sklaven für den persönlichen Dienst“, solange der Halter den rechtmäßigen Besitz nachweisen konnte.177 Dass diese Real Cédula mitnichten einem Sklavereiverbot entsprach, zeigt sich auch daran, dass bereits versklavte indios in ihrem Status verbleiben sollten.178 Die Probleme, die sich bei der Umsetzung der königlichen Sklavereigesetzgebung in der Provinz Nicaragua ergaben, waren ähnlicher Natur wie in vielen anderen Fällen: Die königlichen Offiziellen, die den massenhaften Export von indio-Sklaven aus Nicaragua hätten stoppen können, waren genau jene Akteure, die am meisten vom Sklavenhandel profitierten. So überrascht es wenig, dass die Besitzer zahlreicher Sklavenschiffe mit den bekanntesten Konquistadoren und kolonialen Amtsträger identisch waren: Unter ihnen finden sich bekannte Namen wie Gil Gonzales de Dávila, Alonso de Cáseres, Francisco Pizarro, Diego Almagro (el Viejo), Hernando de Soto und schließlich auch der Gouverneur Pedrarias Dávila persönlich.179 Diese kurzen Ausführungen zu Nicaragua respektive der Tierra Firme im Allgemeinen verdeutlichen bereits die große Bedeutung der indio-­Sklaverei für die Eroberung des Festlandes. Auf wirtschaftlicher, militärischer und politischer Ebene war sie ein zentraler Aspekt nahezu aller kolonialen ­Unternehmungen. Um nun die einleitend erläuterten Fragen systematisch zu beantworten, möchte ich in zwei separaten Schritten vorgehen: Zunächst wird es um die Praktiken der Versklavungen gehen. Welche H ­ andlungsoptionen ­tratami[ent]os q[ue] les an hecho y hazen anso estando en su naturaleza como fuera della y q[ue] en solo un nabio q[ue] llevava quatro cientos yndios e yndias entres de ser acabada el viaje no q[ue]daron dellos cinquenta porque todos los demas se murieron y q[ue] con este trato andan mas de veynte navios llevando los d[ic]hos yndios a las d[ic] has provincias del peru e castilla del oro lo qual asido cabsa q[ue] es t[ie]rra esta despoblada de los naturales y destruyda.” AGI, Guatemala 401, L. 2, fol. 177v-178r, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 97. 176 „Y porq[ue] esto es cosa a q[ue] no se ha de dar lugar antes es n[uest]ra voluntad q[ue] los d[ic]hos yndios se an tratado y consevados y ynstruydos en las cosas de n[uest]ra fee yo vos mando hagays pregonar en los pueblos de xr[isti]anos desa d[ic]ha provincia que ninguno saq[ue] della yndio no yndia esclavo.” Ebd. 177 „Sino fuere uno o dos pa[ra] su servico constandos q[ue] verdaderamente son sus esclavos.” Ebd. 178 Sie sollten lediglich mit Namen und Herkunft in ein Register eingetragen werden: „Hareys escrivir en una matricula los q[ue] agora son esclavos poniendo sus no[m]bres y su naturaleza.” Ebd. 179 Vgl. Macleod (2008), S. 51 f.; Radell (1976), S. 69–71; Sherman (1979), S. 54.

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standen beim Sklavenfang zur Verfügung? Wie wurde die Versklavung von indios während der conquista organisiert? Im Anschluss werde ich die wirtschaftlichen, militärtaktischen und religiösen Funktionen der indio-Sklaverei beleuchten. 3.1 Praktiken der Versklavung: Entradas de guerra – armadas de rescate Für Siedler, Konquistadoren und Sklavenhändler gab es im Grunde zwei legale Möglichkeiten, indios zu ihren Sklaven zu machen: Zum einen sogenannte entradas de guerra, i. e. militärische Eingriffe in zumindest nominell feindlichem Gebiet, in deren Folge die Kriegsgefangenen als esclavos de guerra verkauft wurden. Zum anderen bestand die oft genutzte Möglichkeit, in die bereits präkolumbianisch bestehenden, indigenen Sklavenmärkte einzusteigen. Den Kauf von indio-Sklaven von bereits unterworfenen oder verbündeten Kaziken bezeichnete man dabei als rescate und die erworbenen Sklaven entsprechend als esclavos de rescate. Versklavungen während der entradas de guerra waren durch die zeitgenössische Kriegspraxis legitimiert: Indigener Widerstand gegen conquista oder Mission, Angriffe auf verbündete indigene Gruppen oder Anthropophagie rechtfertigten im Rahmen eines bellum iustum die Versklavung der besiegten Feinde. In vielen bekannten Chroniken der conquista findet man entsprechende Berichte über massenhafte Versklavungen während der Kriege und Eroberungszüge. Auffällig sind diese beispielsweise bei Pedro de Alvarado, der während seines Feldzuges nach Guatemala im Jahr 1524 Berichte an seinen Vorgesetzten Hernán Cortés ins 1521 eroberte Tenochtitlan schickte. In einem ersten Schreiben aus Soconusco im äußersten Süden des heutigen mexikanischen Bundesstaates Chiapas erklärt er sein militärisches Vorgehen anhand des requerimiento: Er sei in diese Provinz gekommen, um sie zu erobern und zu befrieden, da sie sich nicht freiwillig unter die Herrschaft Seiner Majestät unterwerfe.180 Ganz im Sinne des requerimiento habe er allen indios gedroht, „sie wie Verräter, die sich zur Rebellion gegen Gott und den Kaiser erhoben haben, zu bekriegen und als solche zu behandeln und darüber hinaus alle, die lebendig im Krieg gefangen genommen werden, zu versklaven“181. Einen zweiten Bericht über seine Vorgehensweise verfasste Alvarado nahe der Stadt Cuzcatlan im Westen des heutigen El Salvador. Auch hier rechtfertigt er ­seine 180 „I was come to conquer and pacify the provinces that might not be willing to place themselves under the dominion of His Majesty.” An Account, S. 52. 181 „If not, I threatened to make war on them as on traitors rising in rebellion against the service of our Lord the Emperor and that as such they would be treated, and that in addition to this, I would make slaves of all those who should be taken alive in the war.” Ebd.

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Vorgehensweise mit der Verlesung des requerimiento. Nachdem er die bösen Absichten der indigenen Feinde erkannt und das requerimiento verlesen hätte, habe er mit den Kriegshandlungen begonnen. Alle indigenen Anführer seien nach der Schlacht zum Tode verurteilt worden. Alle anderen Gefangenen, die er während des Krieges gemacht habe, habe er zu Sklaven erklärt und entsprechend gebrandmarkt.182 Welche Rolle das requerimiento in der Praxis tatsächlich spielte, lässt sich anhand solcher Berichte allerdings kaum überprüfen. Da Pedro de Alvarado den zweifelhaften Ruf genießt, während der conquista einer der erfolgreichsten Sklavenjäger gewesen zu sein,183 kann davon ausgegangen werden, dass seine Berichte und die häufige Betonung des formal korrekt durchgeführten requerimiento vor allem die massenhaften Versklavungen nachträglich rechtfertigen sollten. Auch Francisco López de Gómara (ca. 1511–1566) beschreibt in seiner bekannten Chronik über die Eroberung Mexikos durch Cortés immer wieder Szenen der Versklavung von feindlichen indios. Während des Krieges in den Gebieten von Tepeacac etwa habe Cortés die indios, die sich unterworfen hatten, zwar begnadigt. All jene aber, die am Tod von Kastiliern beteiligt waren, seien von Cortés persönlich in die Sklaverei verkauft worden, nachdem ordnungsgemäß der königliche quinto abgeführt worden war.184 Für den Krieg gegen indios in den Gegenden von Pánuco weiß Gómara zu berichten, dass rund 200 indio-Sklaven gemacht wurden. Grund hierfür seien zum einen die Bestrafung der Aufständischen sowie die Abschreckung gewesen, zum anderen sollten die kastilischen Soldaten für den Verlust zahlreicher Pferde entschädigt werden.185 Auf ähnliche Weise w ­ urden 182 „And when I saw their evil intentions, I sent them an order and requirement on the part of the Emperor, in which I required and ordered that they should not break the peace nor revolt, as they had already given themselves as his vassals, and if not, I would proceed against them as rebellious traitors and rebels against the service of His Majesty, and that I would make war against them, and all that were taken alive would be slaves and would be branded.” Ebd. S. 82. „And as I saw their rebelliousness, and the proceedings were closed, I sentenced them, as traitors, to death, both the chiefs of these provinces and all the others that had been taken during the war, and might be taken henceforth, until such time that they would give obedience to His Majesty, should be slaves and branded.” Ebd., S. 85. 183 Vgl. Sherman (1979), S. 27 f. 184 „Los señores y república de Tepeacac, viendo que ni sus fuerzas ni las de los mexicanos bastaban a resistir a los españoles, se dieron a Cortés por vasallos del Emperador, accediendo a echar de todas sus tierras a los de Culúa, ya dejarle castigar como quisiese a los que mataron a los españoles; por lo cual Cortés, y porque estuvieron muy rebeldes, hizo esclavos a los pueblos que se hallaron en la muerte de aquellos doce españoles, y de ellos sacó el quinto para el Rey.” Gómara: México, S. 251. 185 „Se vendieron por esclavos en almoneda doscientos de aquellos hombres, para rehacer la pérdida de los caballos.Con este castigo y con darles por señor otro hermano del muerto, estuvieron quietos y sujetos.“ Ebd., S. 323.

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die Versklavungen von indios während der Unterwerfung der Zapotecas, die der Eroberung Tenochtitlans folgte, angewandt. Gómara zufolge zog der Konquistador Rodrigo Rangel auf den Befehl Cortésʼ mit indigenen Hilfstruppen Richtung Süden. Hier sollte er die als äußerst kriegerisch beschriebenen Zapotecas und Mixtecas, die sich in offener Rebellion befanden, unterwerfen. ­Nachdem Rangel etliche requerimientos verlesen hatte, begannen im Februar des Jahres 1524 die Kriegshandlungen. Nach deren Unterwerfung wurden sämtliche Überlebende gefangen genommen und in die Sklaverei verkauft.186 Nicht nur während der expansiven Eroberungszüge war die Versklavung der indigenen Feinde mehr als eine Begleiterscheinung. Auch eigens organisierte Strafexpeditionen dienten dazu, die Nachfrage nach Sklaven in den kolonialen Zentren zu decken. Nachdem beispielsweise zahlreiche indigene Gruppen 1522 in Cumaná rebellierten und dabei ein Kloster niedergebrannt und vier Kastilier getötet hatten, wurde umgehend eine Vergeltungsaktion organisiert. Die Truppe, die am 7. September von Hispaniola aus aufgebrochen war, konnte den Aufstand schnell niederwerfen. Die indios, die währenddessen gefangen genommen worden waren, schickten sie umgehend zurück nach Santo Domingo, wo sie auf dem lokalen Sklavenmarkt verkauft wurden.187 Vor allem die Zerstörung von Klöstern und der Tod von Geistlichen führten immer wieder zu Bestrafungsaktionen. So zum Beispiel auch 1592 in Jalisco, als die oidores der Audiencia 600 indios für den Tod eines Mönches verantwortlich gemacht und zur Versklavung freigegeben haben.188 Was weitere Praktiken im Zusammenhang mit den Versklavungen angeht, etwa bezüglich der Beuteverteilungsmechanismen, des Verkaufs, der Brandmarkung oder der Verfahren zur Feststellung legitimer Sklaverei, so werde ich in einem späteren Abschnitt darauf eingehen. Im Weiteren möchte ich auf das Phänomen der sogenannten armadas de rescate eingehen, die die zweite gängige Form des Akquirierens von sklavischen Arbeitskräften darstellte. Bezüglich des Begriffes rescate ist zunächst zu beachten, dass er in verschiedenen Bedeutungszusammenhängen und Semantiken unterschiedlich 186 „Y dejó de enviar a poblar el río de las Palmas, que está más allá de Pánuco, aunque tenía dispuesto ya el camino, y despachó primero doscientos españoles y sesenta de a caballo con muchos mexicanos a tierra de los chichimecas, para si era buena, como le decían, y rica en minas de plata, poblasen en ella; y si no los recibían de paz, hiciesen guerra y cautivasen para esclavos, pues son gente bárbara.” Ebd., S. 402. 187 Vgl. Jiménez (1986), S. 169. 188 So der Vizekönig Neuspaniens, Álvaro Manrique de Zúñiga, Marqués de Villamanrique, in einem Memorial: „Yo di cuenta a S. M. los oidores de Jalisco habían condenado por esclavos más de 600 indios porque en la provincia de Guaynamota habían muerto un fraile y que les había enviado por la causa por ser de guerra y pertenecerme.” AGI, Méx., L. 2, ediert in: Hanke: Virreyes. México 1, S. 283–303, hier 299.

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gebraucht wurde. Wie gezeigt, bezeichnete er auf der Iberischen Halbinsel – ganz im Sinne des kastilischen rescatar (dt. befreien/auslösen) – den Akt des Freikaufs eines Sklaven durch eine Geldzahlung an den Besitzer. Im kolonialen Zusammenhang erfuhr der Begriff allerdings eine Bedeutungsverschiebung: Rescate beschreibt hier den Vorgang des Kaufs von bereits versklavten Personen durch Kastilier von indigenen Gemeinschaften. Ähnlich wie bei der mita oder der naboría griffen die Konquistadoren und Siedler also auch bei der Sklaverei auf bestehende indigene Strukturen zurück, indem sie sich in den bereits präkolumbisch bestehenden Sklavenhandel einklinkten. Die Tatsache, dass auch indios Sklaven hielten – Gómara etwa widmet der Sklaverei in indigenen Gesellschaften sogar ein ganzes Kapitel189 – diente überdies als ein wesentlicher Legitimationsaspekt für die indio-Sklaverei an sich.190 Wie schon zu Anfang des Kapitels erläutert, war es Vizekönig Mendoza höchstpersönlich, der dem Bischof von Mexiko, Juan de Zumárraga, 1537 befohlen hatte, ihn über die Praktiken der indigenen Sklaverei zu informieren.191 Auch wenn sich Zumárraga aus dargelegten Gründen gegen den Kauf von indio-Sklaven durch rescate aussprach, wurde die Versklavung von indios im Allgemeinen auch durch die Tatsache gerechtfertigt, dass auch indios selbst Sklaven hielten. Grundlegend für die Legitimation des rescate war der Faktor der Christianisierung. Auf dieser Ebene scheint die ursprüngliche Bedeutung des rescate-Begriffes durch: Auch wenn die gekauften indio-Sklaven in ihrem Status verblieben, sollte der Begriff wohl suggerieren, dass die christliche Erziehung, die sie durch ihre neuen kastilischen Besitzer erhalten sollten, einer Befreiung gleichkam. Anhand einiger ausgewählter Quellenbeispiele möchte ich nun im Folgenden die Praxis des rescate im Detail erläutern. In einem eigens protokollierten Verfahren (testimonio) vom 10. März 1526 wurde in allen Einzelheiten das Recht der Bewohner der Insel Hispaniola zum Erwerb von indio-Sklaven per rescate diskutiert. Demnach sei – einer Supplik des Rates von Santo Domingo folgend und unter Berücksichtigung einer Consulta des Indienrates – b­ eschlossen worden, dass eine einst vom licenciado Rodrigo de Figueroa ausgestellte Lizenz verlängert werden sollte: Um die Kolonisten bei der ­mühevollen Besiedlung 189 Gómara: México, S. 454. 190 Nach Sherman: „The pre-existence of slavery as a native institution served to reinforce the justification for its continuance under Spanish rule.” Sherman (1979), S. 19. 191 Siehe: S. 182. 1530 schrieb auch Karl V. an die Audiencia von México: „Y Porque somos informados que los Indios entre si tienen por ley y costumbre de hazer esclavos, ansi en las guerras que vnos con otros tienen, como por hurtos que hazen, y otras causas, informaroseys [sic!] dello muy particularmente.” Encinas IV, S. 364. Vgl. Cook (2013), S. 27 f.; Van Deusen (2015), S. 5.

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und Bewahrung des Landes zu unterstützen, wurde ihnen erlaubt, auch weiterhin indios per rescate von den umliegenden Inseln oder dem Festland zu kaufen. Allerdings sollte die Lizenz ab sofort an einige „Verpflichtungen und Ergänzungen“ (cargos y aditamentos) gebunden sein. Armadas de rescate sollten dementsprechend nur als armada general durchgeführt werden. Um eigenständige Unternehmungen zu verhindern, sollten die armadas entsprechend offiziell organisiert werden. Hierzu sollten eigens zwei Karavellen ausgerüstet werden. Da die armadas de rescate wohl stets die Gefahr bargen, durch Habgier in unkontrollierte Sklavenrazzien umzuschlagen, wurde explizit betont, dass sich alle Teilnehmer „ruhig und friedlich“ (en toda paz e ­quietud) zu verhalten hätten. Raubzüge am Zielort oder auch nur das Kartenspielen sowie Gotteslästerung wurde unter Strafandrohung verboten. Das Verbot des Kartenspiels hatte einen besonderen Hintergrund: Wie aus der „Historia del Nuevo Mundo” Girolamo Benzonis (1519–1572), der zwischen 1542 und 1556 die „Neue Welt“ bereiste, hervorgeht, dienten Sklaven oftmals als Wetteinsatz.192 Es kann außerdem vermutet werden, dass Wettschulden durch verstärkten Sklavenfang kompensiert wurden. Die indios, mit denen gehandelt wurde, seien darüber hinaus als „Freunde der Christen“ (amigos a los xri[stia]nos) zu betrachten und entsprechend gut zu behandeln. Um die königliche Kontrolle über diese armadas de rescate zu gewährleisten, wurde eigens ein veedor (Gaspar de Torres) ernannt, der als Teilnehmer der Unternehmungen die Sklavenkäufe überwachen sollte. Dieser sollte in erster Linie Information über die gekauften Sklaven sammeln sowie Fehlverhalten der Kastilier dokumentieren und bestrafen.193 Solche ­Lizenzen waren dabei nichts ­Ungewöhnliches. Auch 192 „Then the governors and captains do as they like with them [die Sklaven, Anm. d. V.]; some are given to the soldiers, so that the Spaniards afterwards sell them, or gamble them away among each other.” Benzoni: History, S. 11. Vgl. zu Benzoni und seinem Werk: ­Greve (2004), S. 173–208. 193 „Por quanto por parte del consejo desta cibdad de santo domingo por sy en nonbre desta ysla espanola fue pedido en esta consulta se les concidiese licenciass a traer yndios de les partes y lugares conocidos por su mag. y declaradas por el licenciado Rodrigo de figueroa juez de governacion la q[ua]l d[ic]ha licencia se les concidió en cierta forma e man[er]a e con ciertos cargos e aditam[ento]s especialmente q[ue] la d[ic]ha cibdad e ysla hiziessen armada general a los que de las p[ar]tes e lugares q[ue] les fuessen declarados e nos fue pedido q[ue] porq[ue] por su parte tienen atradas o a declaradas doss caracelas [...]. P[ri]meramente q[ue] en todo p[ro]beys q[ue] la gente q[ue] va en las d[ic]has caravelas vayan en toda paz e quietud e no rebuelan ruydos ni alborotos entresy ni en las p[ar] tes donde llegardes ni jeguen naypes ni dados no [...] juegeos vedidos ni diga mal pedios n[uest]ro señor no a su bendita ni adre y a los q[ue] lo congarjo hiziere los castigueys y peneys [...]. Yten esta concidada licencia a los vesynos e moradores desta ysla pa[ra] q[ua] nta y generalmente para todos porq[ue] las presonas q[ue] tienen nescisidad y pueblan

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den Konquistadoren und Siedlern der Provinz Peru wurde 1533 per Real Cédula erlaubt, indio-Sklaven per rescate zu kaufen. Ebenso wie im vorherigen Falle, sollten die Sklavenkäufe von königlichen Offiziellen, in diesem Fall vom dienstältesten Kleriker der Provinz, begleitet werden. Durch das Befragen der Sklaven sowie deren Verkäufer sollte die Rechtmäßigkeit der Versklavungen im Sinne eines bellum iustum sichergestellt werden. Um der Entvölkerung Perus entgegenzuwirken, wurde ferner bestimmt, dass die Sklaven nicht in andere Provinzen transportiert werden dürfen.194

e p[er]manesen e[n] la t[ie]rra sean remediados e ayudados puedan enbiar e resgatar e resgate[n] como hasta aqui se a hecho con los yndios guatraos q[ue] se entiende a los q[ue] estan a cobidiencia e s[er]vi[cio] de sus mags. E son amigos a los xri[stia]nos todos los yndios esclavos q[ue] ellos tienen e poseen por tales esclavos.Por ende vos mandamos q[ue] con los tales yndios en el resgate q[ue] con ellos hizierdes sea guardando les enteramente la verdad y lo q[ue] con ellos pusyerdes y no consysirtays q[ue] les sea hecho mal ni daño alguno en sus casas ny mugeres ni hijos syno animando los e retificandolos en el servi[cio] de sus mags. e amistad n[uest]ra porq[ue] de lo contr[ario] se seguiria mucho daño y escandalo y los yndios q[ue] asy resgataredes para de os ynformar por la nias cierta ynformacion q[ue] pudierdes sy son e os tienen por sus esclavos e sy son dellos mismos o parientes o trados suyos y la ynformacion e resgate q[ue] hizierdes sea por ante gaspar de torres q[ue] nos nonbradamos por veedor de la d[ic]ha armada pa[ra] q[ue] de todo ello aya entera e verdadera relacion e sy alguno español de los q[ue] leenays hiziere algund daño o agravio a los tales yndios los castigad por man[er]a q[ue] los mismos yndios conoscan q[ue] porq[ue] sse les hizo daño se da a q[ua]l castigo.” AGI, Patr. 172, r. 24. 194 Real Cédula vom 8.3.1533: „Por quanto Rodrigo de Macuelas en nonbre d[e]los conquistadores e pobladores de la probincia del peru nos fue fecha relacion q[ue] ya sabiamos las relaciones q[ue] en v[uest]ro nonbre y de fran[cisco] Pizarro n[uest]ro ­governador desa probincia e [...] presentado ante los e n[uest]ro consejo delas yndias del estado de las cosas desa t[ie]rra y delos trabajos q[ue] abia despasado e porq[ue] los caciques des t[ie]rra tyenen entresy yndios esclavos los q[ue] les os dan para q[ue] os oyrbays dellos por esclabos como los dichos caciques lo hazen me suplicastes e pedietes por md. os diesemos licencia y facultad pa[ra] q[ue] con los dichos yndios esclabos pudiesedes contratar en esa d[ic]ha t[ie]rra y fuera della e q[ue] sobre ello proveyesemos como la n[uest]ra md. fuese lo e[n] el visto e platicado en el n[uest]ro consejo de las yndias fue acordado q[ue] debiamos mandar dar esta n[uest]ra carta en la d[ic]ha razon a nos tubimos lo por bien y por la p[re]sente por el t[ie]mpo q[ue] n[uest]ra md. y voluntas fuere damos licencia y facultad los pobladores e conquistadores des t[ie]rra e v[ecino]s e moradores della para q[ue] podays conprar rescatar e aver los esclabos q[ue] los caciques desa d[ic]ha t[ie]rra tubieren justamente por esclavbos syn q[ue] ello vos sea puesta enbargo ni contrario alguno con tanto q[ue] no los podays sacar ni saqueys desa d[ic]ha t[ie]rra y el obispo della e q[ue] la aberiguacion de sy son verdaderamente esclabos delos d[ic]hos caciques o no la haya de hazer haga el n[uest]ro governador des d[ic]ha t[ie] rra y el ubiera della y un religioso o clerigo mas antiguo delos q[ue] resydieren en esa

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Solche Vorsichtsmaßnahmen, die den ungezügelten oder illegalen käuflichen Erwerb von indio-Sklaven beschränken sollten, waren offenkundig notwendig. Häufig finden sich Berichte, dass Kaziken unter Gewaltandrohung freie indios als Tribut in Form von rescate abgepresst wurden. Mit der ansteigenden Nachfrage nach Arbeitskräften auf den Karibischen Inseln vervielfältigte sich auch die Anzahl der rescate-Käufe. Die Folge war, dass illegale armadas zunahmen und die unterworfenen Kaziken genötigt wurden, freie indios in die Sklaverei zu verkaufen.195 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine Real Cédula an den Bischof und die Audiencia von Santo Domingo aus dem Jahr 1528, in der eine Supplik des alcalde der Festung von Cumaná referiert wird. Dieser habe von den üblichen Praktiken der rescate-Käufe berichtet: Die Besatzung der Festung, an der Mündung des Golfes von Cariaco an der Costa de las Perlas gelegen, würde regelmäßig in kleinen Mengen von den nahegelegenen indio-Dörfern Sklaven kaufen. Da es sich hierbei um kleine Dörfer handele, sei stets darauf geachtet worden, dass die Nachfrage das Angebot nicht übersteige.196 Wie der alcalde berichtet, gäbe es allerdings seit geraumer Zeit ein Problem: Die Christen, die die Inseln Cubagua und Margarita bewohnen, besitzen königliche Lizenzen, um rescate-Käufe zu tätigen. Ihre Gier ist groß und die Möglichkeiten der friedlichen indios (indios de paz) sind klein. Deshalb sind die besagten indios so sehr überfordert, dass sie, aufgrund der Gefahr mit der sie bedroht waren als sie ihnen keine Sklaven gaben, ihre Verwandten verkaufen, um die Christen zufriedenzustellen. Die Folge ist, dass sie häufig rebellieren und Christen töten.197

d[ich]a t[ie]rra a los quales mandamos q[ue] entiendan en la d[ic]ha aberiguacion ansy por confesyon d[e] los d[ic]hos esclabos q[ue] ansy se recataren y conformen como por todas las maneras q[ue] mas vieren q[ue] convengan pa[ra] la d[ic]ha aberiguacion sobre lo q[ue]l les encargamos las conciencias y dellos mandamos en la presente senalada un n[uest]ro sello.” AGI, Lima 565, L. 1, fol. 106r-v. 195 Vgl. Radell (1976), S. 70. 196 „Por p[ar]te de Jacome de castellon n[uest]ro alcalde dela fortaleza de cumana q[ue] es en la costa dlas perlas me a sido f[ec]ho R[elaci]on q[ue] la d[ic]ha fortaleza esta situada en la boca de golf de cariaco el q[ua]l es un peq[ue]ño braco de mar q[ue] entra por doze o onze leguas en la costa del q[ua]l hay tres o q[ua]tro pueblos de yndios los q[ua] les contratan con los xri[sti]anos vendiendoles yndios q[ue] ellos tienen por esclavos los q[ue] han y prenden del nygossiyos los q[ue] les dize q[ue] es en poca cantidad porq[ue] el termino es poca y los pueblos peq[ue]ños.” AGI, Pan. 234, L. 3, fol. 78r-79r. 197 „Los xri[sti]anos q[ue] abitan la ysla de cubagua y la de la margarita tienen licencias n[uest]ra para rescatar y su codicia es m[uc]ha y la posibilidad de los yndios de paz poca los

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Die ausgiebigen armadas de rescate bedrohten also offenbar die Sicherheitslage der festländischen Stützpunkte an der Costa de las Perlas. Zu betonen ist, dass es dabei nicht die Sklaverei an sich war, die als Problem wahrgenommen wurde, sondern die Art und Weise, in der die Versklavungen durchgeführt wurden. Die zahlreichen Berichte, die nahelegen, dass armadas de rescate häufig in unkontrollierte Sklavenrazzien umschlugen, machen die Aussagen des a­ lcalde glaubwürdig. Dass seine Motive allerdings weit über den Schutz der indigenen Dörfer und damit seiner Festung hinausging, veranschaulicht der zweite Teil des Textes. Der königliche Sekretär referiert im Namen des Königs: Er [der alcalde, Anm. d. V.] supplizierte an mich und bat mich, ihm einen Gnadenerlass (merced) zu gewähren, dass er eine Lizenz erhalte, die ihm oder der Person, die in seiner Absenz der Festung vorstehe, erlaubt, […] Sklaven im besagten Golf von Cariaco zu kaufen (rescatar). Darüber hinaus solle bestimmt werden, dass niemand in einem Umkreis von zehn leguas von der Festung entfernt Sklaven kaufen oder Kriegszüge durchführen dürfe, ungeachtet der Lizenzen, die ihm bereits ausgestellt worden sind.198 Darüber hinaus habe der alcalde erklärt, der Krone ein Achtel des Gewinns zukommen zu lassen, ohne dass ihr weitere Kosten entstehen würden.199 Wie üblich reagierte der König auf diese Forderungen mit der Anweisung an die lokale Audiencia und den Bischof, in dieser Sache Informationen zu beschaffen und im Interesse der Sicherheit der Festung und dem Wohlbefinden der friedlichen indios über die Supplik zu entscheiden.200 Es ist letztlich erkennbar, dass es

fatigan en tanta man[er]a q[ue] por los d[ic]hos respetos y por amenazas q[ue] les hazen y no dandoles esclavos muchas vezes los d[ic]hos yndios venden sus parients [...] por contentar a los xri[sti]anos.[...] A lo q[ua]l resulta adanse como sean alcado muchas vezes e matar xri[sti]anos.” Ebd. 198 „A me a sup[licó] e pidio por md. le mandase dar licencia y facultad pa[ra] q[ue] el o la p[er]sona q[ue] en su absencia resydiere en la d[ic]ha fortaleza [...] pueda conbiar e contratar y rescatar esclavos en el d[ic]ho golf de cariaco y diez leguas a la ridonda dla d[ic]ha fortaleza en los q[ue] les limites ningund p[er]sona pueda rescatar ni contratar ni hazen entradas de guerra no enbargant qualesq[ui]er licencia q[ue] hoviesemo dado.” Ebd. 199 „El q[ual] nos daria la ochava p[ar]te dlo q[ue] granjearse y adq[ue]iere en los susod[ic] ho sin costa ninguna.” Ebd. 200 „Por ende yo vos mando q[ue] [...] vos ynformeis [...] lo q[ue] convernia proveer cerca d[e]llo para q[ue] nos fuesemos s[er]vido en la d[ic]ha t[ie]rra y la d[ic]a fortaleza estuviese segura y los yndios d[e]la d[ic]ha comarca fuesen bien tratados y estuviesen de paz.” Ebd.

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sich hierbei um einen Monopolisierungsversuch des lokalen alcalde handelte und nicht – oder erst an nachgeordneter Stelle – um den Versuch, die lokalen indigenen Gemeinschaften vor überzogenen rescate-Forderungen zu schützen. Solche Versuche, die letztlich Ausdruck der Fraktionalisierung der kolonialen Eliten waren, sind eine Grundkonstante der spanisch-­amerikanischen Sklavereigeschichte. Die bevorzugte Taktik war es, andere Akteure der vermeintlich illegalen oder übermäßigen Versklavung von indios anzuzeigen, um auf diese Weise die eigene Position im Sklavenhandel zu stärken. Ein ähnliches Beispiel ist ein Memorial des kastilischen Offiziers Juan de Ampiés, der seit 1511 als factor de las Indias in Spanisch-Amerika weilte. Nachdem er vom Gouverneur Santo Domingos ans Festland geschickt worden war, um die illegale indio-Sklaverei zu bekämpfen, bat er in seinem Memorial von 1526 die Krone, den Sklavenhandel zwischen der Küste und den Karibischen Inseln selbst monopolisieren zu dürfen und vom quinto befreit zu werden: Entsprechend seines Auftrages forderte er zunächst, dass „keine Person kommt, um indios gefangen zu nehmen oder ihnen Schaden zuzufügen“201. Um die Gegend zu befrieden, sei es allerdings nötig, dass er „persönlich Sklaven kaufen könne […], während er auf alles wie üblich den quinto bezahle, außer für Kleidung und Sklaven“202. Darüber hinaus forderte er die Erlaubnis, gewisse caribes im Landesinneren versklaven und auf den Karibischen Inseln verkaufen zu dürfen.203 Es ist offenkundig, dass auch in diesem Fall die geäußerte Kritik am Umgang mit den indios keine grundsätzlichen Zweifel an der Sklaverei darstellte, sondern ein ökonomisches Kalkül, um sich selbst einen Vorteil im lukrativen Sklavenhandel zu verschaffen. Als kurzes Zwischenfazit soll vor allem Folgendes festgehalten werden: Als Beschaffungsmöglichkeiten von indio-Sklaven standen zwei Varianten zur Verfügung, deren Übergang fließend war: Zum einen die Versklavung indigener Feinde während Eroberungs- oder Vergeltungsangriffen (entradas de guerra). Die gefangenen indios wurden auf der Grundlage des requerimiento respektive des bellum iustum in die Sklaverei verkauft. Zum anderen war es üblich, ­bereits 201 „Que ninguna persona vaya a cautivar indios ni hacer mal y daño.” Zit. nach Jiménez (1986), S. 212. Vgl. Deive (1995), S. 258 f. 202 „Que para pacificar las tierras pueda rescatar personalmente [...] pagando de todo lo que se adquiriese, el quinto, según se ha acostumbrado, escepto de los esclavos y ropa.” Zit. nach Jiménez (1986), S. 212. 203 „[La] autorización para cautivar indios caribes, que están bien lejos de la costa, a los cuales se les puede hacer la guerra y prenderlos como esclavos, para luego venderlos en la Española, San Juan, Cuba o Jamacia; con esto se acrecentarán las rentas de su Magestad.” Ebd. Die Supplik Ampíesʼ wurde letztlich von der Krone zurückgewiesen. Vgl. ebd., S. 212–214. Vgl. zu den Verstrickungen Ampíesʼ im Sklavenhandel: Haebler (1903), S. 139 f.

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versklavte indios von lokalen Kaziken käuflich zu erwerben oder als ­Tribut abzupressen. Diese armadas de rescate wurden von lokalen Eliten organisiert und durchgeführt und hatten somit letztlich einen exklusiven Charakter. Dies widerspricht erneut der These, Versklavungen seien die Folge chaotischer Kriegszustände und plündernder, unkontrollierter Söldnerhorden. Die häufig in den Quellen postulierte, in beidseitigem Einverständnis vorgenommene Kaufabwicklung suggeriert eine weitgehend selbstbestimmte Rolle indigener Eliten als Akteure im Sklavenhandel. Die indigene agency im Sklavenhandel204 sollte jedoch nicht überbewertet werden: Wie gezeigt, war es absolut üblich, dass armadas de rescate, falls der lokale Kazike den Forderungen der Sklavenkäufer nicht nachkommen konnte, in gewaltsame Sklavenrazzien umschlugen. Überdies gilt es auch für die weiteren Kapitel zu bedenken, dass insbesondere bei Argumenten, die sich vordergründig gegen die indio-Sklaverei richteten, oftmals ökonomische oder machtpolitische Motive verfolgt wurden. Wurde die illegale Versklavung von indios durch einen Konkurrenten beklagt, geschah dies in der Regel nicht aus ethischen Motiven, sondern um die eigene Position im Sklavengeschäft zu stärken. Der Sklaverei wurden folglich spezifische politische Funktionen während der Austragung lokaler Herrschaftskonflikte zugeschrieben; ein Punkt, der bereits auf das folgende Teilkapitel verweist. 3.2 Zentrale Funktionen der Sklaverei Nach seiner ersten Expedition an die Küste des heutigen Florida kehrte der bekannte Entdecker und Konquistador Juan Ponce de León im Herbst des Jahres 1514 nach Kastilien zurück.205 Am Hof Ferdinands in Valladolid erhielt er für seine Verdienste den Ritterschlag. Seine Entdeckungen wurden in Sevilla in der Casa de la Contratación in den padrón real – eine standardisierte ­Musterseekarte – eingetragen und er erhielt eine capitulación, die ihm die z­ ukünftige Eroberung und Besiedlung der von ihm entdeckten Gebiete ­erlaubte.206 Zuvor jedoch sollte er die noch immer andauernden Angriffe von caribes auf San Juan niederschlagen.207 Als Eroberer und erster Gouverneur der Insel (1508) war er mit den Rahmenbedingungen bestens vertraut. In einer Real Cédula vom 27. September 1514 forderte Ferdinand ihn zu größtmöglicher Eile auf: 204 Die agency der lokalen, einheimischen Machthaber in Sklavenlieferzonen und deren Verstrickung in den Sklavenhandel ist insbesondere für die Gebiete Westafrikas und den Handel mit subsaharischen Sklaven kontrovers diskutiert worden. Vgl. Zeuske (2006), S. 151; Flaig (2009), S. 171–174; Meissner u. a. (2008), S. 46–69. 205 Vgl. Marley (2008), S. 9–11; Fuson (2000), S. 125–127; Clark (2010), S. 46 f. 206 Vgl. ebd. 207 Vgl. Fuson (2000), S. 129–138; Mira Caballos (1997), S. 297.

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Handelt so eilig, wie es Euch möglich ist […], denn wie Ihr wisst, besteht die größte Notwendigkeit, um die Insel San Juan zu befrieden und zu sichern und die Insel Hispaniola mit Sklaven, die Ihr aus den besagten ­caribes machen werdet, zu versorgen.208 Von Beginn an war die Expedition also nicht nur geplant, um die Insel San Juan vor Angriffen zu schützen. Als zweite Intention stand klar fest, dass die Nachfrage nach sklavischer Arbeitskraft auf Hispaniola bedient werden musste. Um eine Flotte zu organisieren, sollte Ponce de León zunächst nach Sevilla reisen, um sich mit den Mitarbeitern der Casa de la Contratación über die nötige Anzahl an Schiffen und deren Besatzung zu beraten. Das Hauptproblem hierbei war finanzieller Natur: Da die finanziellen Möglichkeiten der Casa bereits voll ausgelastet waren, mussten die Kosten der Expedition so niedrig wie möglich gehalten werden.209 Der Arbeitskräftemangel in den Kolonien sowie die Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Flotte machten die Versklavung der caribes zu einem zentralen Punkt dieser Unternehmung. In der Cédula heißt es weiterhin: Die caribes, die im gerechten Krieg gefangen werden, sollt Ihr zu unseren Amtsträgern auf die Insel Hispaniola schicken. Diese sollen sie in unserem Namen verkaufen, damit sie dazu beitragen, die Kosten der besagten armada zu decken.210 Ein Drittel der Sklaven sollte dabei direkt unter der Besatzung aufgeteilt werden, damit diese sie „verkaufen und sie ihnen von Nutzen seien, als ihr eigener Besitz“211. Die Verteilung von Beute in Form von Sklaven sollte explizit 208 „Dar toda la priesa q[ue] pudierd[e]s [...] po[r]q[ue] como sabeys ay g[ran]disima nesesididad pa[ra] la pacificacio[n] y seguridad d[e]la ysla d[e] san Ju[an] y pa[ra] p[ro]veer la ysla española d[e]los esclavos q[ue] se tomaré d[e]los d[ic]hos carib[e]s.” AGI, Indif. 419, L. 5, fol. 236v-237v. 209 „Primerament aveys d[e] yr a la cibdad d[e] sevilla y platicar sobr[e] ello con los n[uest] ros oficial[e]s d[e]la casa d[e]la contratacion d[e]las yndias q[ue] resid[en] e[n] la d[ic] ha cibdad q[ue] navios y gent[e] bastara pa[ra] la d[ic]ha armada y sy llevareys d[e] aca toda la gent[e] o se tomara en la española y tomareys e[n] la d[e]t[er]minacion q[ue] pa[ra] ello mejor pareciere p[ro]curado q[ue] la d[ic]ha Armada se haga a lo menos costa q[ue] se pueda po[r]q[ue] la d[ic]ha casa agora esta gastada y ay otras cosas si proveer.” Ebd. 210 „Los caribes q[ue] se va y vare[n] d[e] buen[a] g[ue]rra aveys d[e] enbiar a la ysla española a los n[uest]ros oficiales q[ue] en ella residen pa[ra] q[ue] los ve[n]dan en n[uest] ro nonbr[e] y lo q[ue] dellos se oviere syrva[n] pa[ra] ayuda a los gastos d[e]la d[ic]ha Armada.” Ebd. 211 „Los venda[n] e se aproveche[n] delos como d[e] cosa suya.” Ebd.

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ausbleibende Soldzahlungen kompensieren.212 Die Sklaverei nahm überdies noch eine weitere Funktion ein: Ponce de León sollte mit den Mitarbeitern der Casa de la Contratación darüber beraten, auf welche Weise am schnellsten Truppen ausgehoben werden könnten. Falls die Anwerbung der Besatzung Schwierigkeiten bereiten sollte – so die Cédula – sollte die Aussicht auf reiche Beute in Form von Sklaven als besonderer Anreiz dienen. Notfalls sei es auch in Ordnung, der Schiffsbesatzung mehr als das besagte Drittel als Sold zu versprechen.213 Die Berichte über die tatsächliche Kampagne Ponce de Leóns sind darüber hinaus spärlich. Als gesichert gilt, dass er im Mai 1515 mit drei Schiffen in die Karibik aufbrach. Bis zum Tod Ferdinands 1516 führte Ponce de León, vor allem im Bereich der Kleinen Antillen, wohl tatsächlich Krieg gegen indios, die er zu den caribes zählte.214 Die Angriffe sogenannter caribes auf San Juan beendete er damit übrigens nicht: Noch im Jahr 1583 beklagten sich die Verantwortlichen der Insel bei Philipp II. über die andauernden Überfälle und baten um die Erlaubnis, jene indios zu versklaven.215

212 „La otra tercia p[art]e delos aveys d[e] rep[ar]tir entre la gent[e] q[ue] con vos fuere en la d[ic]ha Armada [...] porq[ue] a darlo la tercia p[art]e d[e] los esclavos q[ue] se oviere[n] q[ue] es sanse el sueldo q[ue] se les avia d[e] dar.” Ebd. 213 „Pa[ra] esto solicitays a los n[uest]os oficiales d[e]la casa d[e] sevylla pa[ra] q[ue] ellos juntament[e] con vos lo concirteys asy con la gent[e] y sy con se no hallard[e]s gent[e] q[ue] vaya[n] e[n] la di[cha] armada los d[ic]hos n[uest]ros oficiales e vos a ellos solicitareys el sueldo q[ue] se les deva dar d[e]mas d[e]la d[ic]ha tercia p[art]e d[e] esclavos.” Ebd. 214 Vgl. Fuson (2000), S. 138 f. 215 Dies geht aus einer Real Cédula vom 4.10.1583 an die Audiencia von Santo Domingo hervor: „Presidente e oydores de la n[uest]ra aud[iencia] real de la ysla española por parte de la Isla de S. Juan de puerto rico nos ha sido hecha Relacion que los indios carives de la ysla de la dominica y otras comarcanas an hecho y hazen de ordinario muchas muertos daños y rovos a n[uest]ros subditos y tienen cautivos a algunos y comen carne umana y por su causa se bive e[n] la d[ic]ha ysla con riesgos y mucha ynquietud y desasosiego y q[ue] para q[ue] cesasen los d[ic]hos daños convernia dar por esclavos a los d[ic]hos Indios por algun t[iem]po y abria personas que a su costa armarian contra ellos supp[lica]do nos lo mandasemos proveer assi o como la n[uest]ra mrd. Fuese e bisto por los del n[uest]ro c[onsej]o delas Indias porque queremos ser informado delos daños que hazen los dichos Indios y la orden q[ue] se podria dar para evitarlos y si convernia dar la que refiere la d[ic]ha isla y en que forma asi en ello podria haver ynconvine y porque os mando q[ue] luego os ynformeys de todo y e[n]bieys al d[ic]ho n[uest]ro c[onsej]o Relacion particular dellos pa[ra] que bista se provea lo q[ue] convenga.” AGI, Santo Domingo 2280, L. 3, fol. 129v-130r.

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Die Real Cédula an Ponce de León gibt bereits Aufschluss über einige der Funktionen der Sklaverei, um die es in diesem Teilabschnitt gehen soll. Die ­Versklavung der caribes diente als wesentlicher Bestandteil der Eroberungen: Sie stellte zunächst ein militärtaktisches Mittel zur Niederwerfung des indigenen Widerstandes dar. Ferner diente sie dazu, die kolonialen Zentren mit Arbeitskräften zu versorgen. Nicht zuletzt machte die Sklaverei die militärische Expedition überhaupt erst möglich: Der Verkauf von indio-Sklaven refinanzierte die armada. Indio-Sklaven dienten nicht nur als Sold, sondern sollten auch explizit als Anreiz verwendet werden, um die schleppende Anwerbung von Expeditionsteilnehmern in Kastilien zu beschleunigen. Darüber hinaus kann einmal mehr betont werden, dass die Versklavungen von indios nicht von undisziplinierten Gewaltgemeinschaften organisiert wurden. Im Gegenteil war sie nicht nur in diesem Fall von oberster, königlicher Stelle legitimiert und als wichtige Maßnahme der conquista ins Spiel gebracht worden. Auch die Organisation der Sklaverei vor Ort wurde von königlichen Amtsträgern durchgeführt und überwacht. Im Folgenden möchte ich nun die einzelnen Funktionen als Aspekte herausgreifen und im Detail analysieren. Grundlegend werden hierfür die Suppliken sein, die Konquistadoren und Siedler an die Krone richteten, um für die Beibehaltung der indio-Sklaverei respektive gegen die zahlreichen Verbote und Einschränkungen zu agitieren, die zwischen 1526 und 1542 erlassen wurden. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sklaverei in Spanisch-Amerika wurde in den beiden Vorkapiteln bereits angerissen. Insbesondere in der „Karibischen Phase“ profitierten die Siedler Hispaniolas enorm von sklavischer Arbeitskraft. Die Wirtschaft der Provinz Nicaragua basierte zudem noch bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Export von indio-Sklaven. Darüber hinaus finden sich weitere siedlungspolitische, wirtschaftliche, finanzielle und fiskalische Funktionen der Sklaverei, die immer wieder in den zeitgenössischen Debatten um die Rechtmäßigkeit der Sklaverei zu finden sind. Auch wenn die Krone sich oftmals skeptisch gegenüber der Versklavung der indigenen Bevölkerung äußerte, war sie selbst ein bedeutender Akteur im kolonialen Sklavenhandel und erzielte auch finanzielle Gewinne aus der indio-Sklaverei. Exemplarisch kann dies anhand eines Berichtes aus der Feder des Vizekönigs Antonio de Mendoza aus dem Jahr 1543 belegt werden. Hinsichtlich des Sklavereiverbotes in den Leyes Nuevas aus dem Vorjahr gibt er zu bedenken, dass indigene Delinquenten, die wegen verschiedener Verbrechen zur Todesstrafe verurteilt worden waren, stets mit einer Umwandlung dieser Strafe in Sklaverei rechnen konnten. Diese übliche Praxis sei nicht nur als ökonomisch und siedlungspolitisch sinnvoller zu betrachten, sondern fülle auch die königliche Kasse: Jene

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indios, die zur Strafsklaverei verurteilt werden, würden schließlich im Namen der Krone verkauft werden. Sklavereiverbote würden somit zu allererst der Krone selbst einen nicht unwesentlichen finanziellen Schaden zufügen.216 In einem finanziell-fiskalischen Zusammenhang waren es darüber hinaus die Steuereinnahmen, welche die Krone durch die Erlaubnis der indio-Sklaverei erzielte, die eine wichtige ökonomische Funktion der Sklaverei ausmachten. Wie im Falle der moriscos, war auch auf jeden indio-Sklaven, der im Krieg gefangen oder per rescate gekauft wurde, der quinto fällig. Leider verhält es sich im Falle Spanisch-Amerikas ähnlich wie in Kastilien: Die fiskalische Bedeutung der Sklaverei ist wenig erforscht217 und auch im Rahmen dieser Arbeit kaum zu quantifizieren. Ob der quinto im Falle der Sklaverei überhaupt finanziell ins Gewicht fiel, ist dabei umstritten. Sherman geht etwa davon aus, dass die Einnahmen hierdurch unbedeutend waren.218 Unterstrichen wird diese Sichtweise unter anderem durch den bereitwilligen Verzicht auf den quinto, den die Krone in kritischen Situationen notwendigerweise in Kauf nahm. So gewährte sie etwa 1511 und 1533 im Krieg gegen die caribes die guerra a fuego y a sangre, die – wie schon aus dem Abschnitt zur guerra de Granada bekannt – die Steuerfreiheit auf Beute einschloss.219 Auf der anderen Seite wurde die finanzielle Bedeutung des quinto für die Krone immer wieder betont. Zavala zufolge wurden i­ndio-Sklaven häufig versteckt oder explizit als formal freie 216 Schreiben des Vizekönigs an die Krone vom 8.10.1543: „En esta Real Audiencia se tratan pleitos contra indios sobre delitos graves que cometen de que, conforme a derecho merescen se les imponga pena de muerte, e yo el visorrey antes de agora hice dello relación a vuestra majestad que por la facilidad e ignorancia destos, no se les imponía la pena ordinaria de muerte, sino que se condenaban por esclavos para vuestra majestad y se vendían en pública almoneda, a lo cual vuestra majestad respondío que parescía bien lo que se hacía; e agora por una de las ordenanzas se prohibe que por ninunga manera, causa ni razón se hagan esclavos: vuestra majesta mande declarar su esta generalidad deroga esta especialidad.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 58, caj. 5, L. 8, ediert in: Paso y Troncoso: Epistolario 4, Nr. 217, S. 60. 217 So finden sich etwa in der Arbeit Hans Pohls zur Wirtschaftsgeschichte Spanisch-Amerikas kaum konkrete Hinweise zur ökonomischen Bedeutung der indio-Sklaverei. Pohl (1996). 218 Sherman (1979), S. 73. 219 Real Provisión vom 23.12.1511: „Doy licencia y facultad a todos [...] para que hagan guerra a los caribes de las islas [...] y los puedan cautivar y cautiven, para los llevar a las partes e islas donde ellos quisieren, y para que los puedan vender y aprovecharse dellos, sin que por ello caigan ni incurran en pena alguna y sin que nos paguen dello parte alguna.” Ediert in: Rumeu de Armas (1969), Nr. 146, S. 421–423, hier 423. Zur Lizenz von 1533 vgl. Mira Caballos (1997), S. 300.

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naborías b­ ezeichnet, um der Erhebung des quinto zu entgehen.220 Darüber hinaus finden sich in den Quellen häufig Hinweise auf die Steuerpraxis. So berichtet Benzoni etwa von der Steuererhebung: Alle von den Spaniern in diesen Regionen [das Festland, Anm. d. V.] gefangenen Sklaven werden nach Cubagua gebracht, denn auf dieser Insel sind die Amtmänner des Königs ansässig, welche die königlichen Einkünfte aus Perlen, Gold, Sklaven und anderen Gütern sammeln. Im Gesamten bezahlt man den Fünft (quinto), dies ist der fünfte Teil von Hundert.221 Auf ähnliche Weise schildert auch Bernal Díaz del Castillo in seiner Chronik die Besteuerung von Sklaven: Während der Verteilung der Kriegsbeute sei es üblich, den quinto abzuführen.222 Auch lässt sich über die wirtschaftliche Bedeutung des quinto anhand von Suppliken spekulieren. Im Jahr 1529 etwa schickte der Rat der Stadt Villa de Santisteban del Puerto (vormaliger Name der mexikanischen Stadt Panúco) eine Liste mit dreizehn Argumenten, die ihrer Meinung nach für die Versklavung der indios sprachen, an den Indienrat. Punkt Nummer zwölf geht direkt auf finanzielle Vorteile ein, die der König aus den Versklavungen ziehen könne: Außerdem solltet Ihr wissen, [...] dass diese [die Sklaven, Anm. d. V.] Ihrer Majestät dienlich wären, da die Einkünfte und quintos Ihrer Majestät enorm steigen würden.223 Als ein letztes Indiz, das sowohl für als auch gegen die Bedeutung des quinto spricht, können Rekompensationszahlungen gewertet werden, die der König bei der Konfiskation von illegalen Sklaven anordnete. Solche traten immer dann auf, wenn die Krone über die Freilassung illegal versklavter indios verfügte. So bestimmte beispielsweise Karl V. in einer Real Cédula aus dem Jahr 1541, 220 Zavala (1967), S. 3 f. 221 „All the slaves that the Spaniards catch in these provinces are send to Cubagua, because the kingʼs officers are in that islands, who collect the royal revenues, consisting of pearls, gold, slaves and other articles; for a fifth of every thing is paid, that is twenty per cent.” Benzoni: History, S. 11. Vgl. Mira Caballos (1997), S. 283. 222 Díaz de Castillo: Historia verdadera, cap. CXXXV, S. 318 f. Vgl. Zavala (1967), S. 2. 223 Supplik der Stadt Villa de Santisteban del Puerto an die Krone vom 9.10.1529: „Item si saben [...]; que [...] también se sirve dellos su majestad porque [...] las rentas e quintos de su majestad van en crecimiento.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 6, L. 9, ediert in: Paso y Troncoso: Epistolario 1, Nr. 78, S. 153.

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dass allen durch Freilassungen geschädigten Sklavenbesitzern der bereits bezahlte quinto zurückerstattet werden sollte.224 Einerseits zeigt dieses Beispiel, dass es wohl tatsächlich üblich und durchsetzbar war, dass indio-Sklaven mit dem quinto besteuert wurden. Auf der anderen Seite deutet die Rückerstattung der Steuergelder in vielen Fällen darauf hin, dass der Verlust der Einkünfte aus dem quinto die notorisch von Geldsorgen geplagte Krone wohl vor keine allzu großen finanziellen Schwierigkeiten gestellt hat. Eine Erklärung hierfür ist der extrem niedrige Kaufpreis von indio-Sklaven, der entsprechende Auswirkungen auf den quinto hatte.225 Zudem lassen sich weitere, indirekte fiskalische Auswirkungen der indio-Sklaverei auf die Steuereinnahmen der Krone beobachten: Die Rede ist von jenen Gütern, die die Sklaven durch ihre Arbeit erwirtschafteten und auf welche ebenfalls Steuern erhoben wurden. Ebenso wie der quinto sind allerdings auch diese Beträge nicht zu quantifizieren. Schließlich lässt sich hinsichtlich der erwirtschafteten Erträge kaum zwischen indio­Sklaven, negro-Sklaven, indios encomendados, naborías und freien Arbeitern, die gemeinsam auf einem Landgut beschäftigt waren, unterscheiden. Alles in allem bleibt eine Bewertung der fiskalischen Rolle der indio-Sklaverei schwierig. In den Quellen wird der Abführung der königlichen Steuern durchaus ein prominenter Platz eingeräumt. Ob die Einnahmen für die Krone jedoch tatsächlich eine wesentliche Bedeutung gespielt haben, muss offen bleiben. Infolge des niedrigen Preises, den indio-Sklaven auf dem Markt erzielten, kann jedoch vermutet werden, dass die finanzielle Bedeutung des quinto für die Krone zumindest nicht überschätzt werden sollte. Wichtiger ist in diesem Zusammenhang der politische Faktor. Der Verzicht auf den quinto war als merced Teil der königlichen Belohnungsökonomie zwischen der Krone und ihren 224 Real Cédula vom 7.10.1541: „Sepais que Indios se an hecho esclavos en esa provincia y los que hallaredes que sean hecho injustamente y sin guardar las ynstruciones y provisiones que por nos cerca dello estan dadas los pongais en libertad para que como personas libres hagan de si lo que quisieren y por bien tuvieren y si dellos se ovieren pagado a nos el quinto hagais que se buelva a quien lo oviere dado.” AGI, Lima 566, L. 4, fol. 243v-244r. Ein weiteres Beispiel ist eine Real Cédula vom 24.4.1545: „Y si en estos yndios conforme a esto oviere algunos q[ue] del quinto de su mag. se ovieren vendido y cobrado el precio de sus oficiales y constandos que se hizo cargo dellos en sus libros hareis justi[cia] llamada la p[ar]te del fiscal y averiguado esto hareis q[ue] dela hazienda de su mag. se buelvan a la p[ar]te o q[ue] conforme a justicia su mag. tuviere obligacion de pagar.” AGI, Santo Domingo 868, L. 2, fol 234r-239r. 225 Auf den Großen Antillen der frühen Kolonialzeit kostete ein indio-Sklave in etwa zwei pesos, ein Pferd konnte sich auf 500 bis 800 pesos belaufen. Vgl. Sherman (1979), S. 68 f. Der Preis der indio-Sklaven war überdies stark von Ort und Zeit sowie von Geschlecht und Alter des Sklaven abhängig.

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­Untertanen. Die administrative Erhebung des quinto vor Ort wiederum bot der Krone zudem eine gute Möglichkeit, Einfluss auf die kolonialen Praktiken der Sklaverei zu nehmen, etwa um im gleichen Zuge die Rechtmäßigkeit der Versklavungen zu überprüfen; beides sind entscheidende Punkte, die ich in einem späteren Kapitel noch einmal aufgreifen werde. Wenn schon die steuerspezifischen Vorteile der indio-Sklaverei für die Krone nicht einwandfrei nachgewiesen werden können, so gibt es jedoch eine Handvoll indirekter wirtschaftlicher Auswirkungen. Die Rede ist zunächst von der Bedeutung sklavischer Arbeitskraft für die Gold- und Silberminen226, die einen unbestrittenen Einfluss auf den königlichen Haushalt hatten. In den zahllosen Suppliken, die im 16. Jahrhundert den Indienrat oder direkt den König erreichten, findet sich der Topos der Sicherstellung des Edelmetallabbaus häufig. Im Februar 1533 etwa betonte der Rat (cabildo) der Stadt Compostela in Neuspanien in einem Brief an die Krone die Wichtigkeit der indio-Sklaverei. Ein zentraler Punkt der Argumentationskette war die angebliche Notwendigkeit von indio-Sklaven für die Gold- und Silbergewinnung: „Und es zeigt sich auch, dass wir mit diesen [Sklaven, Anm. d. V.] Gold- und Silberminen suchen können, die hier gut und zahlreich sind.“227 Ähnlich argumentierten sechs Jahre später die Städte Santiago de Guatemala, Ciudad Real de Chiapa, San Salvador und San Miguel. Sie seien insbesondere auf die rescate-Käufe von Sklaven angewiesen, da ohne diese eine Bewirtschaftung der Minen nicht möglich sei: Außerdem ist es Eurer Majestät dienlich, wenn Sklaven per rescate gekauft werden, […] denn man kann weder Gold noch Silber abbauen ohne Sklaven oder naborías aus diesem Land.228 Die Bedeutung der indio-Sklaverei für den Gold- und Silberabbau erweist sich auch anhand der Instruktionen, die Antonio de Mendoza in seiner Rolle als neu ernannter Vizekönig Neuspaniens im Jahr 1535 erhielt. Karl V. zeigt sich hier zunächst erfreut über die jüngst entdeckten „großen und reichen Gold- und ­Silberminen“. Die königlichen Erträge hieraus sollten jedoch noch weiter gesteigert werden. Hierzu befahl er seinem kolonialen Stellvertreter, 226 Zu den Silberminen Nordmexikos im Allgemeinen und der Sklavenarbeit im Speziellen: Bakewell (1971), vor allem S. 122. 227 Carta vom 28.2.1533: „Pues tanbien lo merecen para con ellos nos podamos remediar y buscar minas de oro y plata q[ue] las ay muy buenas y muchas.” AGI, Guadalajara 30, n. 1. 228 Carta vom 22.1.1539: „Yten V. M. fue serbido que se herrasen esclavos de rescate [...] porq[ue] no se puede coger oro ni plata sin esclabos o naborias de la t[ie]rra.” AGI, Guatemala 41, n. 4.

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die ­Möglichkeit zu prüfen, vermehrt indigene Sklaven in den Minen einzusetzen.229 Auch weit nach 1542 war die Betonung der Notwendigkeit von ­indio-Sklaven für die Minen ein beliebtes Argument: Noch 1575 wurde in einem Bericht aus Santa Fe verlangt, die rebellischen Pijaos zu versklaven, um unter anderem die überaus reichen Goldminen der Provinz bewirtschaften zu können.230 Dass die Verknüpfung von Edelmetallabbau und indio-Sklaverei in den Argumenten der kolonialen Akteure ein prominenter Topos war, verwundert wenig. Die Krone, der insbesondere die Silberlieferungen aus Spanisch-­ Amerika überaus willkommen waren231, konnte sich solchen Argumenten wohl kaum verschließen. Neben dem Einsatz von indio-Sklaven in Gold- und Silberminen gab es noch einen zweiten Punkt, der von erheblichem wirtschaftlichem Interesse für die Krone war. Ab Mitte der Zwanzigerjahre des 16. Jahrhunderts begann sich ein Wandel innerhalb der kastilischen Politik gegenüber dem Überseehandel mit der „Neuen Welt“ abzuzeichnen: Um seine kostspielige Machtpolitik in Europa zu finanzieren, sah sich Karl V. zunehmend genötigt, die finanzielle ­Nutzbarmachung der neuen spanisch-amerikanischen Territorien zu beschleunigen. Da das kastilische Handelskapital hierzu nicht ansatzweise ausreichend war, wurden die Restriktionen gegenüber nicht-kastilischen Akteuren ab 1524 229 Instruktionen an den Vizekönig Antonio de Mendoza vom 25.4.1535: „Otrosí, somos informados que en muchas partes de la provincia hay grandes y muy ricas minas de oro y plata metales, y que además del quinto, que las personas particulares que con la licencia y permisión nuestra lo sacan a nos han pagado y pagan podríamos ser muy servidos y nuestras rentas reales acrecentadas si nuestro oficiales en nombre y por nos tuviesen en las minas alguna buena cantidad de esclavos negros, o de los indios que justamente son habidos y tener por esclavos.Y porque esto es cosa muy importante y de que, si se acertase, podríamos ser muy servidos, os encargamos y mandamos que, platicado en nuestros oidores y oficiales de la Nueva España y otras personas que de ello tengan noticia y amén nuestro servicio, lo proveais como vieréis que más conviene para el efecto. Y si vieréis que para mejor cumplirse, convendría que de estos reinos, o de otras partes, se os envié alguna cantidad de esclavos, nos aviaréis de ello, particularmente del número y calidad de ellos, y de lo que hubieréis comenzado a efectuar en este caso, para que yo lo mande proveer con brevedad, como convenga a nuestro servicio y al buen recaudo de nuestra hacienda.” AGI, Patr. 180, r. 63, ediert in: Hanke: Virreyes. México 1, S. 27. 230 Bericht aus Santa Fe vom 24.3.1575: „Pido y supp[lico] me conceda y haga mrd. que los d[ic]hos yndios [...] dar los [...] por esclavos lo qual se hara mucho beneficio y se gozara de la tierra q[ue] possen ques muy rrica de minas de oro ques cosa publica y muy cierta que se saca a dos pessos por batea cada un dia y mas y si fuere necessario dar ynformacion para esto me ofresco dar la.” AGI, Patr. 233, r. 1, fol. 127r-132r. 231 Vgl. Reinhard (1985), S. 97–108; Elliot (1963), S. 185 f.; Lynch (1981), S. 129–136; Kamen (2002), S. 88 f.; König (2010), S. 91 f.

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­gelockert.232 Koloniale Großunternehmer und Investoren profitierten dabei nicht unerheblich von der Versklavung der indigenen Bevölkerung. Mehr noch, so scheint schon die Aussicht auf die maximale Ausbeutung der indigenen Bevölkerung einen großen Anreiz zur Investition in Spanisch-­Amerika dargestellt zu haben. Das Paradebeispiel hierfür ist die bekannte augsburgische Handelskompanie der Welser, die als Financiers Karls V. eng mit dem Habsburger Herrscherhaus verbunden war.233 Nachdem sie bereits 1525/26 Faktoreien in Sevilla und Santo Domingo gegründet hatte234, ermöglichten die Faktoren Hieronymus Sailer (1495–1559) und Heinrich Ehinger (1484–1537) im Jahr 1528 die Eroberung der Provinz Venezuela im Namen der Welser. Im berühmten Kronvertrag (asiento) vom 27. März 1528 erklärten sich Sailer und Ehinger im Namen der Welserkompanie bereit, eine armada zur Befriedung der Provinz Santa Marta auszurüsten. In der Folge wurde ihnen erlaubt, auf eigene Kosten die im Osten angrenzende Provinz Venezuela zu erobern und zu besiedeln.235 Der Ulmer Ambrosius Dalfinger (1500–1533), der zum ersten Welserʼschen Gouverneur jener Provinz ernannt wurde, erhielt dabei explizit die Erlaubnis, im Zuge der Eroberungen indios nach der Verlesung des requerimiento zu versklaven oder diese per rescate zu kaufen.236 Die Ereignisgeschichte der Welserʼschen Unternehmungen war von der ­Amtsübernahme Dalfingers 232 Ab 1524 durften „Ausländer“ von Sevilla aus in den Überseehandel einsteigen. Ein Jahr später wurde die Einwanderung von Bewohnern des Heiligen Römischen Reiches sowie von Genuesen erlaubt. Vgl. Pohl (1996), S. 114–117; Simmer (2000), S. 35; Denzer (2002), S. 287. 233 Vgl. Simmer (2000), S. 32; Deive (1995), S. 282–286; Kamen (2002), S. 54; Lynch (1981), S. 59 und S. 111. Darüber hinaus gibt es weitere Beispiele für koloniale Großunternehmer, etwa das bekannte Handelsunternehmen der Fugger. Vgl. Walter (1992, 2001), S. 55–59; Kellenbenz (1990). 234 Vgl. Weber (2009), S. 42; Reinhard (1985), S. 57; Kamen (2003), S. 84 f. 235 Zur Geschichte der Welser in Venezuela siehe vor allem die detailreiche Studie von Simmer (2000). Auch Denzer (2002); Walter (1992); Schmitt (1992, 1996); Grosshaupt (1987), S. 214–344; Friede (1961); Haebler (1903); Bitterli (1999), S. 288–296. Der asiento befindet sich ediert in: Otte: Cédulas, Nr. 147, S. 244–252. 236 „Vos doy liçençia e facultad a vos y a los dichos pobladores para que a los indios que fueren rebeldes, siendo amonestados y requeridos, los podáis tomar por esclavos, guardando çerca destos lo que de yuso en esta nuestra capitulaçión y asiento será contentido, y las otras instruçiones e provisiones nuesren los caçiques y otras personas de la tierra por esclavos, pagándoselos a su voluntad a vista de la justiçia y veedores e de los religiosos que con vos irán, los podáis tomar y conprar, siendo verdaderamente esclavos, pagándonos el quinto de los dichos esclavos.” Ediert in: Otte: Cédulas, Nr. 147, S. 244–252, hier 250. Vgl. Jiménez (1986), S. 215; Deive (1995), S. 286; Haebler (1903), S. 58 und S. 136–160, vor allem S. 141 f.

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in der Provinzhauptstadt Coro 1529 bis hin zur formellen Aberkennung der Statthalterschaft der Welser durch die Krone im Jahr 1556 von militärischen Unternehmungen (entradas), Sklavenrazzien und Expeditionen auf der Suche nach dem legendären „El Dorado“ geprägt.237 Von Beginn an war die Versklavung der indigenen Bevölkerung ein zentraler, wenn nicht sogar konstitutiver Bestandteil. Unmittelbar vor seiner ersten entrada ins venezolanische Hinterland befahl Dalfinger, eine große Anzahl an indio-Sklaven zu requirieren, um diese als Träger, Übersetzer und ortskundige Führer einzusetzen.238 Durch den Export von indio-Sklaven insbesondere auf die Inseln Hispaniola und Cubagua dienten diese auch zu einem wesentlichen Teil dazu, die zahlreichen Expedition zu (re-)finanzieren. Die Ankunft Dalfingers als Agent im Auftrag der Welser bedeutete damit eine massive Intensivierung der indio-Sklaverei in jenen Gebieten. Wie gezeigt, war die venezolanische Küste bereits seit dem frühen 16. Jahrhundert als Sklavenlieferzone beliebt. Die ständige Präsenz bewaffneter Soldaten brachte im Gegensatz zu den sporadischen – wenn auch wohlorganisierten – Sklavenrazzien von Cubagua aus jedoch eine neue Qualität mit sich.239 Die Amtsnachfolger Dalfingers, der auf der Rückkehr von einer entrada im Jahr 1533 von einem Pfeil tödlich verletzt wurde, fuhren mit der rücksichtslosen Versklavung der indigenen Bevölkerung fort. Unter Nikolaus Federmann (1506–1542), Georg Hohermuth von Speyer (1500–1540) und dem letzten Statthalter der Welser, Philipp von Hutten (1505–1546), kam es ab Mitte der Dreißigerjahre sogar noch zu einer weiteren Intensivierung der indio-Sklaverei. Die forcierte Ausweitung der rescate-Käufe ermöglichte es nun auch zivilen Akteuren, die nicht an entradas teilnahmen, Sklaven direkt zu erwerben.240 Die Folge war ein Aufschwung des Sklavenmarktes, der Götz Simmer dazu veranlasst, die versklavten indios in den Jahren der Welserherrschaft auf 13.500 Personen zu schätzen.241 Das rigorose Vorgehen der Welserʼschen Akteure, die illegale Versklavung von indios de paz und die Entvölkerung nahezu des gesamten G ­ ebietes zwischen Coro und dem Maracaibo-See führten letztlich zu zahllosen Beschwerden kolonialer Amts- und geistlicher ­Würdenträger. Ab 1536 kam es in diesem Zuge zu einer Reihe von Untersuchungen des

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Vgl. Walter (1992); Denzer (2002), S. 98 f.; Lockhart (1983), S. 283 f. Vgl. Simmer (2000), S.171–174; Denzer (2002), S. 303; Haebler (1903), S. 150. Vgl. Simmer (2000), S. 171. Vgl. ebd., S. 434–440; Haebler (1903), S. 156 f.; Grosshaupt (1987), S. 304. Mit eingerechnet sind hier jedoch nur die zum Verkauf vorgesehenen Sklaven. Die Zahl der indios, die als Träger für die entradas verschleppt wurden, ist nicht zu quantifizieren. Vgl. Simmer (2000), S. 645.

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I­ ndienrates ­gegenüber der Welserherrschaft, was 1556 letztlich in der formalen Aberkennung der Statthalterschaft gipfelte.242 Wie ist nun die Bedeutung der indio-Sklaverei für die Herrschaft der Welser zu bemessen? Offenkundig ist zunächst die Bedeutung von indio-Sklaven für die conquista-Züge und entradas. Ohne indigene Sklaven, die vor allem als Träger eingesetzt wurden, wäre die Erkundung und Eroberung der Provinz nicht durchführbar gewesen. Dass Dalfinger bereits unmittelbar nach seiner Ankunft organisierte Sklavenrazzien durchführen ließ, um seine erste entrada vorzubereiten, verdeutlicht, dass die indio-Sklaverei bereits vom Beginn der kolonialen Unternehmung an ein Faktor war, mit dem gerechnet wurde. Die enorme Bedeutung der indio-Sklaverei für Dalfinger und seine Bestrebungen wird auch anhand seiner politischen Agitation gegen die indio-Schutzpolitik der Krone ab den Dreißigerjahren klar. Dem Sklavereiverbot von 1530 (hierzu im nächsten Kapitel mehr) stellte er die Unabdingbarkeit von Sklaven für seine entradas entgegen. Die bisher etwa 80.000 investierten Dukaten seien ohne die indio-Sklaverei nicht zu refinanzieren.243 Ferner erinnerte er an die ihm im asiento explizit zugestandene Erlaubnis, indios dem bellum iustum entsprechend versklaven zu dürfen und warf der Krone Vertragsbruch vor.244 Nur ein Jahr später hatte sein Protest vor dem Indienrat Erfolg. Am 31. Mai 1531 wurde das Sklavereiverbot für die Provinz Venezuela ausgesetzt.245 Die rasche Reaktion Dalfingers und der durchschlagende Erfolg seiner politischen Agitation belegen den Stellenwert der indio-Sklaverei für seine koloniale Unternehmung. Die ökonomische Relevanz der Sklaverei für die Handelskompanie der Welser ist schwierig zu beurteilen. Vorweg muss festgehalten werden, dass die koloniale Unternehmung, in die sie 100.000 Dukaten investierten, für die Welser ein finanzieller Reinfall war, an dem die Sklaverei – wie ich gleich erläutern werde – nicht unbeteiligt war. In den Vorüberlegungen zur Investition in die conquista Venezuelas dürfte die indio-Sklaverei eine wesentliche Rolle gespielt haben. In dem enormen Risikogeschäft246, das die Handelskompanie mit dem 242 Nach Jiménez: „[El] gobernador Ambrosio Alfinger […] y sus tenientes y Francisco Vanegas habían cometido numerosas ofensas e injusticias contra los colonos e indígenas.” Jiménez (1986), S. 231. Vgl. ebd., S. 231–238; Simmer (2000), S. 433 f.; Deive (1995), S. 310. Ein prominenter Kritiker der Welserherrschaft war auch Las Casas. In seinem 1531 verfassten „Carta al Consejo de Indias“ kritisiert er sie auf das Schärfste. Las Casas: Carta al Consejo. Vgl. Castro (2007), S. 90; Bernecker (1994), S. 18. 243 Vgl. Haebler (1903), S. 152 f.; Grosshaupt (1987), S. 301. 244 Supplik Dalfingers an die Krone vom 3.1.1531. AGI, Just. 987, n. 2, r. 2, fol. 3v-4v. Vgl. ­Jiménez (1986), S. 220 f.; Simmer (2000), S. 182 f.; Deive (1995), S. 320. 245 Vgl. Simmer (2000), S. 185; Haebler (1903), S. 52 f. 246 Denzer (2002), S. 294.

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asiento von 1528 einging, war sie einer der wenigen finanziell planbaren Faktoren. Im Gegensatz zu Möglichkeiten im Bergbau, Edelmetallvorkommen oder der Fruchtbarkeit des Bodens wussten die Welser von Beginn an, dass die Küsten Venezuelas bereits seit vielen Jahren Sklavenlieferzonen waren. Auch blieb die indio-Sklaverei während der gesamten Statthalterschaft der Welser der ökonomische Hauptpfeiler der Provinz und nach Großhaupt „einer der wenigen florierenden Wirtschaftszweige“247. Zwar ist der finanzielle Vorteil, den die Welser aus der indio-Sklaverei zogen, kaum zu quantifizieren. Simmer kann aber sicherlich Recht gegeben werden, wenn er konstatiert, dass sich das augsburgische Unternehmen der Vorteile und Funktionen der indio-Sklaverei wohl bewusst war.248 Ein Stück weit muss ihre Rolle aber auch relativiert werden: Wie Denzer gezeigt hat, stellte die indio-Sklaverei während der Kalkulation des kolonialen Investments nur eine von vielen Möglichkeiten zur w ­ irtschaftlichen Nutzbarmachung der Provinz dar. Gerade durch Bergbau, eine Spezialität der Welserkompanie, durch den Abbau von Tropenholz oder Perlenfischen hätte sich eine langfristige Wirtschaftspolitik betreiben lassen.249 Dass sich mit entradas und Sklavenrazzien letztlich nur eine kurzfristige Ausbeutung der Provinz durchsetzte, lag an den Strukturen der Welserʼschen Kolonialverwaltung. Gouverneure, die wie Ambrosius Dalfinger im Namen der Handelskompanie die Provinz verwalteten, waren koloniale Subunternehmer. Sie standen ihrerseits mit ihren Auftraggebern in einem Vertragsverhältnis, das ein hohes finanzielles Eigenrisiko barg und den ökonomischen Erfolgsdruck der Expeditionen erhöhte. Gepaart mit der relativ hohen Entscheidungsautonomie der Gouverneure (aufgrund der langen Kommunikationswege) war es dieses Eigeninteresse, das zu ad-hoc-Entscheidungen über finanzielle Unternehmungen führte. Eine entrada versprach in diesem Sinne einen schnellen finanziellen Erfolg. An einer langfristigen Wirtschaftspolitik hatten die Akteure vor Ort somit ­weniger Interesse. Im Gegenteil widersprach die massive Versklavung der indigenen Bevölkerung sogar einer kontinuierlichen wirtschaftlichen Entwicklung der Provinz. Sklaverei, Verschleppung und eine hierdurch bedingte Entvölkerung führten zu Versorgungsengpässen und schädigten die (Infra-)struktur der Provinz nachhaltig;250 eine substantielle Dysfunktion der Sklaverei, die ich im nächsten Kapitel thematisieren werde. Festzuhalten bleibt a­ ngesichts dieser 247 Grosshaupt (1987), S. 304. 248 Simmer (2000), S. 715. Schon Haebler betont, dass Ehinger und Sailer sich 1528 auch wegen der Möglichkeiten des Sklavenfangs um die Provinz Venezuela bemüht haben. ­Haebler (1903), S. 58 f. 249 Denzer (2002), S. 307–313. 250 Ebd., S. 305 und S. 315.

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kolonialen Episode zunächst eines: Die Sklaverei war auch in der Frühen Neuzeit kein Patent mediterraner Gesellschaften. Gerade im kolonialen Zusammenhang waren es auch Akteure des Heiligen Römischen ­Reiches, die an ihr verdienten und sie vor Ort organisierten. Ferner zeigt sich, dass die Sklaverei als Anreiz für Investitionen kolonialer Großunternehmer wie der Handelskompanie der Welser (und durch den Vertragsabschluss wiederum auch für die Krone) eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte. Koloniale Eliten, Siedler und Städte waren am offenkundigsten an der Versklavung von indios beteiligt. Liest man die zahllosen Suppliken, die im 16. Jahrhundert den Hof erreichten, um die Versklavung der indios zu rechtfertigen und Lizenzen zum Sklavenfang zu erbitten, gewinnt man schnell den Eindruck, dass viele koloniale Akteure von den Einkünften aus der indio-­Sklaverei abhängig waren. Die oben bereits zitierte información der Stadt Villa de Santisteban del Puerto aus dem Jahr 1529 über die Notwendigkeit von indio-Sklaven gibt hier erneut Aufschluss. Das Grundanliegen des procurador der Stadt, Juan de Fuentes, war letztlich, eine bereits unter dem vormaligen Provinzgouverneur, dem bekannten Nuño Beltrán de Guzmán, gültige Lizenz zum Sklavenfang und -export zu verlängern. Es war demnach gängige Praxis, dass die Stadtbewohner Sklaven in der Provinz fangen oder per rescate kaufen durften. Diese wurden daraufhin durch Zwischenhändler auf die benachbarten Inseln verschifft, um sie dort gegen Pferde und andere lebensnotwendige Güter einzutauschen. Da es in der Provinz Pánuco keine Minen gebe – so Fuentes – sei der Export von Sklaven die einzige sinnvolle Möglichkeit, um das wirtschaftliche Überleben der Stadt zu sichern.251 Vielmehr noch sei die indio-­Sklaverei sogar notwendig, um das Bestehen der Kolonie überhaupt zu garantieren: „Und besagte Stadt benötigt den Sklavenfang, um fortzuleben und um den Ackerbau fortführen zu können, denn es gibt keine andere Möglichkeit, um hier zu verbleiben.“252 Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, präsentierte der procurador vor der Audiencia Neuspaniens zehn Zeugen, die anhand eines Fragenkataloges Richter und Krone von der essentiellen ­Bedeutung der 251 „Que yo dé una petición en esta su Real Audiencia suplicando a vuestra majestad por las cabsas en ella contenidas diese licencia a los vecinos de la dicha villa de alguna saca de esclavos para que pudiesen contratar con ellos con mercaderías que los llevasen a rescatar a las islas comarcanas dando fianzas que volviese a la dicha villa con el retorno en yeguas y caballos e ganados porque en la dicha provincia no hay minas en que los dichos esclavos pudiesen servir, puesto que se han buscado especialmente por mandado de Nuño de Guzmán.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 6, L. 9, ediert in: Paso y Troncoso: Epistolario 1, Nr. 78, S. 155. 252 „Y la dicha villa tiene necesidad de la dicha saca para se perpetuar e poder sostener de la labranza e crianza porque de otra manera no podría permanecer.” Ebd.

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indio-Sklaverei für die Stadt überzeugen sollten.253 Die Zeugenaussagen glichen sich weitgehend und können wie folgt zusammengefasst werden: Da es in jener Provinz keine Minen gebe, seien die Bewohner vor allem auf die Landwirtschaft angewiesen. Um die Felder zu bestellen, brauche man jedoch sowohl Sklaven als auch Pferde. Um letztere in den kolonialen Zentren kaufen zu können, benötige man die Einkünfte aus dem Sklavenhandel.254 Die folgenden fünf Fragen beziehen sich in erster Linie auf die Regierungszeit des ehemaligen Gouverneurs Guzmán. Bevor dieser die Lizenzen zum Sklavenfang ausgestellt hatte, seien die Bewohner der Provinz sehr arm und ohne Pferde gewesen.255 Erst nachdem der Gouverneur den Sklavenhandel erlaubt habe, habe sich die Situation gebessert. In der Folge sei es möglich gewesen, ein Pferd für den Preis von fünfzehn indio-Sklaven zu kaufen.256 Letztlich hätten es die Bewohner nur jener Lizenz zu verdanken, dass „ihnen geholfen sei und jeder ein Pferd hat“257. Eine Argumentation, die das Überleben der Kolonie mit der Möglichkeit, die indigene Bevölkerung zu versklaven, verschränkte, war letztlich im gesamten 16. Jahrhundert durchweg üblich. Ein zentrales Argument war dabei zumeist die „falta de gente“, i. e. die durch Gewalt, Hunger und Krankheit ­bedingte Entvölkerung ganzer Landstriche. Im Jahr 1528 etwa reagierte Karl V. mit einer Real Cédula auf ein Schreiben des Rates der Stadt San German auf der Insel San Juan: Der licenciado Antonio de la Gama hatte im Namen der Stadt die fortschreitende Entvölkerung beklagt. Nicht nur die indigene Bevölkerung sei nahezu verschwunden, auch bestehe ein erheblicher Mangel an Siedlern. Die „falta de gente“ ist also doppeldeutig zu verstehen: Zum einen mangelte es an indigenen Arbeitskräften, um die lebensnotwendigen Felder zu bestellen. Zum anderen fehlte es an Kolonisten, um überhaupt einen territorialen Anspruch aufrechterhalten zu können. Für den Rat San Germans stellte die indio-Sklaverei für beide Probleme die ideale Lösung dar: Die Versklavung 253 „El cabildo de la dicha villa e yo en su nombre, queremos hacer cierta información e probanza por donde conste a nuestra majestad cuanta necesidad tiene la dicha villa de la dicha saca y como della no viene dapño a la tierra. [...] Por tanto a vuestra majestad pido e suplico mande al dicho licenciado, pues va a la dicha villa, resciba la dicha información que sobre susodicho el dicho cabildo le dieren e que a los testigos que sobre ello presentare les mande preguntar pos las preguntas siguintes.” Ebd. 254 „Que a causa de no haber minas en la dicha provincia la dicha villa ha estado muy necesitada [...] e cualquier vecino daba un caballo.” Ebd., S. 156. 255 „Que al tiempo de quel dicho Nuño de Guzmán vino por gobernador de la dicha provincia halló los vecinos muy pobres e desencabalgados.” Ebd. 256 „Que vío vender los caballos y yeguas a precio de quince esclavos.” Ebd., S. 164. 257 „Que a causa de dicho retorno los vecinos se habían remediado y muchos tenían caballos.” Ebd., S. 165.

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von indios respektive deren Import sollte dabei das indigene Massensterben kompensieren und so die Nachfrage nach Arbeitskräften bedienen. Von der billigen sklavischen Arbeitskraft angelockt, versprach man sich wiederum einen verstärkten Zustrom von Kolonisten.258 Ähnliche Beispiele finden sich im Zusammenhang der conquista unabhängig von Ort und Zeit: Im gleichen Jahr bedauerten die Bewohner Hispaniolas den großen Schaden, den ihnen die caribes zufügen würden. Um die „falta de gente“ auf der Insel zu bekämpfen, wäre es angebracht, diese als Sklaven auf die Insel zu bringen.259 Fünf Jahre später war es der Rat der Stadt Compostela, der um die Versklavung bestimmter indigener Gruppen bat, „um sich zu ernähren und fortzudauern“260. Noch im Jahre 1574 wurde auf ganz ähnliche Weise argumentiert: Der General Pedro Menéndez de Avilés beklagte in einem 72 Folien umfassenden Dossier (expediente) die großen Schäden, welche rebellische indios an der Küste Floridas anrichten würden. Hieraus folge die allmähliche Entvölkerung ganz Floridas sowohl von friedlichen indigenen Gruppen als auch von Kastiliern. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, sei die konsequente Versklavung der rebellischen indios. Um seinen Forderungen noch mehr Nachdruck zu verleihen, beschwor er ein spezielles Bedrohungsszenario: Würde es nicht bald mehr kastilische Siedler in Florida geben, bestünde das große Risiko, dass protestantische Kolonisten in das Vakuum vordringen könnten.261 258 Real Cédula an die Audiencia von Santo Domingo vom 20.3.1528: „[Nuest]ro presydent[e] e oidor[e]s de n[uest]ra abdiencia e chancelleria real dlas yndias q[ue] reside en la ysla spañola. El lic[enciad]o Antonio de la gama en nonbre dla villa d ̓ san german q[ue] es en la ysla d ̓ San juan me hizo r[elaci]on q[ue] la d[ic]ha ysla esta muy despoblada asy de españoles como delos naturales della y q[ue] para q[ue] no se acabe a perder o despoblar tiene necesidad para thener en las haziendas e grangerias de la d[ic[ha ysla de traer a ella yndios de los q[ue] estan declarada por esclavos y me sup[licó] e pidió por md. mandase dar licencia a los v[ecin]os dla d[ic]ha villa para lo poder hazer sin ynpedim[ien]to alguno pues hera s[er]vi[cio] n[uest]ro e bien dla d[ic]ha ysla e conservacion dlla de la poblacion e a bueno della.” AGI, Indif. 421, L. 13, fol. 69v-70r. 259 Real Cédula an die Audiencia von Santo Domingo vom 15.2.1528: „Conviene traellos a las d[ic]has yslas pa[ra] la poblacion y granjeria dellas por la falta que en ellas ay de gente.” AGI, Indif. 421, L. 13, fol. 31v-32v. 260 Brief des cabildo von Compostela an die Krone: „Para poder sustenarnos y permanecer.” AGI, Guadalajara 30, n. 1. 261 Expediente des Pedro Menéndez de Avilés aus dem Jahr 1474: „Y quando v. mag. no proveyerlo uno lo otro el teme que las yndios de la florida se despoblaran de los españoles que en ella estan poblados y que por ser la llave de todas las yndios porque los tesoros que de ellas vienen es por aquella canal de bahama y aunq[ue] v. mag. gaste mucho de su real hazienda no los podra poner en el punto que agora estan de mas del rriesgo que se tiene que luteranos la poblaran por los muchos yndios amigos que en aquellas provincias

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Diese Beispiele zeigen, dass in der Wahrnehmung der Städte, Siedler und Konquistadoren der Erhalt der Kolonien ganz enorm von der indio-Sklaverei abhing. Wenn das direkte Überleben der Siedler oder die „conservación de la población“ mit der Versklavung der indios verknüpft wurde, dann war dies offenkundig der diskursiven Taktik der Supplikanten geschuldet. Es liegt insofern nahe, dass die eigene Lage, um die Lizenz zur Versklavung von indios zu erhalten, erheblich dramatisiert wurde. Unabhängig davon verdeutlichen diese Beispiele dennoch, welche wirtschaftlichen Funktionen die indio-Sklaverei gerade für Siedler und Kolonisten bereithalten konnte. Rein wirtschaftlich betrachtet betrafen die Funktionen der Sklaverei also drei Ebenen: Die Krone profitierte finanziell von Einnahmen aus dem quinto sowie der Ausbeutung der indigenen Arbeitskraft in den Gold- und Silberminen. Darüber hinaus diente die indio-Sklaverei als Anreiz, um rentable asientos mit Handelskompanien abzuschließen. Letztere stellen die zweite Ebene dar. Koloniale Großunternehmungen wie die der Welser in der Provinz Venezuela waren von der Versklavung der indigenen Bevölkerung abhängig. Gleiches gilt für die dritte Ebene: Die kolonialen Eliten vor Ort, Konquistadoren, aber auch Städte und Siedler profitierten in finanzieller Hinsicht enorm von der indio-Sklaverei. Das zweite Funktionsfeld der indio-Sklaverei, das ich separat betrachten möchte, war militärischer Natur. Die militärischen Funktionen der indio-­ Sklaverei sind dabei kaum von ihren ökonomischen zu trennen. Dies wird schon anhand der Refinanzierung von Expeditionskosten durch den Verkauf von indio-Sklaven ersichtlich, wie sie am Rande schon mehrfach angesprochen wurde. Die einleitend erläuterte Strafexpedition Juan Ponce de Leóns gegen die aufständischen caribes, die Erkundungs- und conquista-Züge der Wel­serʼschen Stadthalter in Venezuela und viele weitere koloniale Unternehmungen wären ohne den finanziellen Gewinn aus dem indio-Sklavenhandel kaum möglich gewesen. Sehr deutlich lässt sich dies noch einmal anhand des Schreibens des licenciados Alonso de Zuazo an Guillaume II. de Croÿ, Seigneur de Chièvres, zeigen, aus dem ich schon andere Teile zitiert habe:

tienen supp[lica] a v. mg. lo mande ver todo y haviendo lugar proveer lo que tiene supplicado y no lo haviendo esto ultimo q[ue] pide pues dello se sirve tanto dios [nuest] ro s[eñor] y v. mag. y a provechamiento de su real hazienda y es bien general para todas las yndias y navegantes en ellas y quando los pobladores salieren de aquella tierra por el daño notable que reciben de los d[ich]os yndios pues el anda ocupdao en servicio de V. magestad en esta partes y los estads de flandes no sea ni ningun t[ie]mpo a su culpa y cargo.” AGI, Patr. 257, n. 1, g. 3, r. 20. Tatsächlich war es bereits 1564 zur Gründung einer hugenottischen Kolonie in Florida gekommen, die allerdings von den Kastiliern zerstört wurde. Vgl. Fisch (1984), S. 61.

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Und Ihre verehrte Herrschaft wisse, dass eine der größten Schwierigkeiten in diesen Gegenden deshalb auftritt, da Seine Majestät der Katholische König erlaubt hat, dass man, um Entdeckungen zu machen, auf eigene Kosten nach Tierra Firme und zu anderen Inseln vordringen darf. Denn die Anführer bezahlen viel, um diese armadas durchzuführen; dies führt zu einer schrecklichen Gier, um die Ausgaben zu kompensieren […]; in dieser Absicht beladen sie ihre Schiffe mit Gold und Sklaven.262 Die Tatsache, dass die Konquistadoren zum Teil eigenständige Unternehmer waren, die ihre Ausgaben – oftmals durch Kredite finanziert – amortisieren mussten, erklärt die Wichtigkeit der indio-Sklaverei. Ein weiteres Beispiel, das die Alltäglichkeit dieser Vorgehensweise unterstreicht, liefert der Chronist Díaz del Castillo. Als Teilnehmer berichtet er von der bekannten Expedition, die der Konquistador Francisco Hernández de Córdova (ca. 1475–1517) im Jahr 1517 von Kuba aus startete und in deren Rahmen er zufällig die Halbinsel von Yucatán entdeckte. Bezüglich der Vorbereitungen weiß der Chronist zu berichten, dass der Konquistador eines seiner drei Schiffe auf Kredit beim Gouverneur Kubas, Diego de Velázquez (1465–1524), kaufte. Um die Schulden zu t­ ilgen habe ihm Velazquéz vorgeschlagen, auf seinem Weg von Kuba in Richtung Tierra Firme Sklavenrazzien auf den dazwischengelegenen Inseln durchzuführen. Die gefangenen indio-Sklaven würde er für das Schiff in Zahlung nehmen.263 Auch wenn Hernández de Córdova diesen Vorschlag ablehnte, zeigt sich in aller Deutlichkeit die übliche Finanzierungspraxis von conquista-Zügen und Expeditionen. Da diese nun schon mehrfach veranschaulicht wurde, kann kurzum festgehalten werden: Wie in der von eigenständigen Unternehmern 262 Brief Alonso de Zuazos an Chièvre vom 22.1.1518: „Y sepa V. Ilustre Señor, que uno de los grandes daños que acá ha habido en estas partes, ha sido querer su Alteza del Rey Católico dar á alguno facultad para que so color de descobrir fuesen con armadas á su propia costa, é entrar por la Tierra firme é las otras islas, porque como los tales armadores se gastaban para hacer las dichas armadas, llevaban terrible codicia para sacar sus expensas é gastos, é propósito de doblallos si pudiesen; y con estas intenciones querian cargar de oro los navios, é de esclavos é de todo aquello que los indios tenian de que pudiesen hacer dineros.” Codoin-E 2, S. 347–375, hier 362. 263 „Y para aquel efecto compramos tres navíos, los dos de buen porte, y el otro era un barco que hobimos del mesmo gobernador Velázquez, fiado, con la condición que primero que nos lo diese nos habíamos de obligar que habíamos de ir con aquellos tres navíos a unas isletas que estaban entre la isla de Cuba y Honduras, que agora se llaman las islas de los Guanaxes, y que habíamos de ir de guerra y cargar los navíos de indios de aquellas islas, para pagar con indios el barco, para servirse de ellos por esclavos.” Díaz del Castillo: Historia verdadera, cap. I, S. 16 f.

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und ­Söldnern geführten guerra de Granada, waren auch während der conquista militärische oder expansive Unternehmungen von den finanziellen Vorzügen der Sklaverei abhängig. Ein weiterer Aspekt, der in diese Richtung geht, war die kollektive (und individuelle) Beuteerwartung der Soldaten. Indio-Sklaven wurden während Entdeckungs- und Eroberungsfahrten sowie Strafexpeditionen als Beute unter den Teilnehmern verteilt und waren somit wesentlicher Teil der Besoldung. Darüber hinaus diente die Chance auf Sklavenfang – ganz ähnlich wie in der guerra de Granada – als besonderer Anreiz für Soldaten. Die Truppenmotivation sowie überhaupt die Möglichkeit der Truppenaushebung respektive das Anheuern der Schiffsbesatzung hingen zu einem großen Teil von der Aussicht auf reiche Beute in Form von indio-Sklaven ab. Dies lässt sich leicht an einer Vielzahl von Suppliken, Consultas und Reales Cédulas ablesen. So berichtet etwa eine Consulta des Indienrats aus dem Jahr 1556 über die Beratungen anlässlich eines beunruhigenden Berichtes des Bischofs von Chiapas, Tomás de Casillas, aus dem Jahr 1553. Wie zahlreiche andere Schreiben aus Spanisch-Amerika beklagt auch er den Aufstand indigener Volksgruppen im Bereich seines Bistums. Die rebellischen indios würden Dörfer überfallen, Ritualmorde und Sakrilege begehen, Menschenopfer darbringen, Kirchen niederbrennen und generell den christlichen Glauben ablehnen.264 Eine von ihm selbst angeführte Gesandtschaft, die um eine friedliche Beilegung des Konfliktes bemüht gewesen sei, sei attackiert worden, wobei die meisten Teilnehmer umgekommen seien.265 Daraufhin bat er die zuständige Audiencia um Hilfe. Nachdem auch dies nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatte – die Audiencia lehnte eine 264 Consulta des Indienrates vom 14.3.1556: „Este n[uest]ro ob[is]pado de chiapa esta mal seguro a causa de unos pueblos ynfieles comarcanos [...] los quales son tan perjudiciales y son tan ynfestos a la fee que no ay año que no destruyen algun pueblo. [...] Estos ynfieles vinieron de noche a dar sobre este pueblo y mataron y cativaron mucha gente y de los niños sacrificaron sobre los altares y sacaron les los coracones y con la sangre untaron a las ymaginas que estavan en la iglesia [...] y quemaron la iglesia y las casas del pueblo llevaronse mucha gente presa a su tierra.” AGI, Indif. 737, n. 144. 265 „Y recogidos los que puede determineyr a aquellos ynfieles que estan cinquenta leguas de la cibdad a llamarles a la fee y requerirles y rogarles que no hiziesen mas daño y llegue con harto travajo por ser el camino largo y enusitado y el tiempo de aguas y embie a rogarles que me viniesen aver que hera su padre que yo les queria defender y que no sirviesen a nadie sino solamente que sirviesen y conociesen a dios y oyesen su dotrina y mataron los mensageros y de los que conmigo yvan dos españoles y quatro o cinco yndios volvime con gran tristeza por ver los de mi compania muertos los pueblos asolados y la tierra alterada.” Ebd.

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kriegerische Intervention mit Hinweisen auf die Leyes Nuevas ab266 – wandte er sich an den Indienrat in Madrid. In seiner Consulta an den König benennt dieser das Problem eindeutig: Durch die Leyes Nuevas ist es verboten, dass man indios, egal aus welchem Grund, zu Sklaven macht. Deshalb scheint es, dass jene aufständischen indios in besagtem Bistum von Chiapa nicht bekämpft und bestraft werden können: Gibt man die Erlaubnis, einen Krieg gegen sie zu führen, findet sich niemand, der dies auf eigene Kosten unternimmt, ohne dass ihm auch eine Lizenz zu Versklavungen gewährt wird. Dies liegt daran, dass sämtliche Ungläubige ebenso wie das Land, in dem sie leben, sehr arm sind und diejenigen, die sie unterwerfen würden, hieraus sonst keinerlei Vorteil ziehen könnten.267 Nach ausführlicher Beratung hielt der Indienrat die Aussagen des Bischofs für glaubwürdig und empfahl der Krone den Erlass einer Real Provisión, die die Versklavung der aufständischen indios erlaubt. Wie bei einer Consulta üblich, findet sich die Antwort des Königs handschriftlich direkt darunter: Die vorgeschlagenen Maßnahmen erscheinen auch ihm angemessen (Nos convenga). Die Wichtigkeit, indios im Krieg versklaven zu können, zeigt sich in aller Deutlichkeit. Die Konquistadoren und Söldner Spanisch-Amerikas waren zur Bekämpfung aufständischer indios ohne die Aussicht auf reiche Beute nicht bereit, da sie die Kosten der Expedition oft selbst tragen mussten. Da die Besitztümer der indios in den seltensten Fällen ausreichend materielle Beute ­versprachen, blieb neben der Verteilung von immobiler und immaterieller Belohnung (i. e. encomiendas, Privilegien, Titel) eben nur das menschliche B ­ eutegut. Die Niederschlagung einer indio-Rebellion war somit ohne deren Versklavung auch nach 1542 nur schwer umsetzbar. Dass es sich bei dem Supplikanten in diesem 266 „Y hize mensajero a la audiencia real pidiendoles socorriesen a esta necesidad de n[uest] ra iglesia y defendiesen a estos yndios vasallos del rey y los mantuviesen en paz y justicia pues lo pedian y se lo devia el rey como a vasallos suyos y respondieron me q[ue] tenia v[uest]ra mag. proveida una provision que no hiziesen guerra a esta provincia.” Ebd. 267 „Por las nuevas leyes esta prohibido que no se puedan hazer sclavos ningunos yndios por ninguna causa ha parecido q[ue] aquellos yndios alterados del d[ic]ho ob[is]pado de chiapa no se podran hallanar e castigar sino se diese p[er]mision para les hazer guerra y que esta no abria nadie q[ue] la quisiere hazer a su costa no se dando licencia para hazer esclavos porq[ue] se tiene entendido q[ue] todos aquellos ynfieles es gente pobre y tanbien la t[ie]rra donde avitan y que no podrian aver ningund provecho los que los pacificasen.” Ebd.

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Fall nicht um einen weltlichen Akteur handelte, sondern um einen geistlichen Würdenträger, ist darüber hinaus ein weiteres interessantes Detail, gelten doch die Vertreter des Glaubens gemeinhin als die schärfsten Kritiker der Sklaverei. Ganz Ähnliches trug sich schon gut zwanzig Jahre zuvor in der Provinz Pánuco zu. Um den Aufstand einiger indigener Völker niederzuwerfen, erlaubte Karl V. 1532 deren Versklavung. Der Grund lag auch hier darin, dass niemand in den Krieg ziehen möchte, da sie sehen, dass sie hieraus keinen Vorteil ziehen könnten; falls ihr Pferd stirbt, könnten sie kein neues kaufen, falls die Rebellen nicht als Sklaven unter ihnen verteilt werden.268 Hier werden die materiellen Zwänge der Söldner noch einmal verständlich: Das finanzielle Eigenrisiko – ein Pferd hatte im frühkolonialen Spanisch-Amerika den vielfachen Wert eines indio-Sklaven269 – war enorm und ließ sich nur mit der Erwartung einer angemessenen Beute eingehen. Betrachtet man die rein militärtaktischen Funktionen der Versklavungen, fällt vor allem die Straffunktion ins Auge. Im Oktober 1543 brachte es der Konquistador Jerónimo López in einem Schreiben an die Krone auf den Punkt. Anlässlich des Sklavereiverbotes in den Leyes Nuevas (1542) fragte er: Welche Strafe befiehlt Eure Majestät, welche gnädiger wäre als diese [die indios, Anm. d. V.] zu Sklaven zu machen? Indem sie Sklaven sind, behalten sie ihr Leben, sie helfen den Spaniern in diesem Land zu überleben und kommen zur Erkenntnis Gottes.270 Die Betrachtung der Sklaverei als gnädige (misercordioso) Strafe ist bereits bekannt. Nicht nur würden die indios auf diese Weise ihr Leben behalten, auch erhielten sie durch die Konversion Zutritt zur christlichen Glaubensgemeinschaft und würden nicht zuletzt den Spaniern durch ihre Arbeitskraft das 268 Real Cédula an die Audiencia von México vom 20.3.1532: „Nadie q[uer]ria yr a la guerra porq[ue] veyan q[ue] no tenidos p[ro]ve[ch]o de su trabajo de q[ue] comprar otro cavallo sy se lo matase no les repartiendo por esclavos los rebeldes.” AGI, Méx. 1088, L. 2, 32r-46v. 269 Vgl. Zavala (1967), S. 11; Sherman (1979), S. 24. 270 Brief Jerónimo Lópezʼ an den König vom 25.10.1543: „Cuanto al segundo capítulo, que no se hagan esclavos aunque se alcen e rebelen. [...] Qué pena manda vuestra majestad que se les dé que más misercordiosa sea que hacerlos esclavos; pues con ser esclavos tienen vida, sirven en la tierra a los españoles que le sustentan, vienen en conocimiento de Dios.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 58, caj. 6, L. 9, ediert in: Paso y Troncoso: Epistolario 4, Nr. 220, S. 68.

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Überleben in den Kolonien erleichtern. Für die Tötung von Christen oder den Aufstand gegen die Krone war eigentlich die Todesstrafe vorgesehen. In diesem Zusammenhang ist es nachvollziehbar, dass López die Sklaverei als „alternativa a la muerte“ aus pragmatischen und religiösen Gründen für sinnvoller hielt. Auch Vizekönig Antonio de Mendoza war angesichts des allgemeinen Sklavereiverbotes überrascht. Es sei üblich, dass indios, die wegen schwerster Verbrechen mit der Todesstrafe rechnen müssten, infolge ihrer die kastilischen Gesetze betreffenden Unwissenheit begnadigt würden. Begnadigung bedeutete in diesem Fall den Verkauf in die Sklaverei, die als öffentliche Versteigerung organisiert wurde (pública almoneda).271 Ganz ähnlich sah es auch die Audiencia Neuspaniens in einem Schreiben aus dem Jahr 1545. Dabei fügte sie der Argumentation Mendozas noch ein nicht unwesentliches finanzielles Argument hinzu: Die Einnahmen aus den Versteigerungen einiger Sklaven würden in die Kassen der Audiencia fließen.272 Gerade angesichts von Aufständen und Rebellionen in Spanisch-Amerika findet sich die Debatte um eine angemessene Bestrafung häufig. So etwa im Rahmen der Aufstände der Apilcingos in den frühen Dreißigerjahren des 16. Jahrhunderts. Am 20. März 1532 erreichte eine Real Cédula die Audiencia von México, in der sich die Krone erschüttert über jene indigene Gruppe zeigt. Diese habe bereits drei Mal gegen die königliche Herrschaft rebelliert und dabei fünf oder sechs Kastilier sowie eine unbestimmte Menge befreundeter indios de paz und Sklaven getötet. Da es sich hierbei um „große Exzesse auf eine böse Art und Weise“ handelte, solle die Audiencia umgehend prüfen, ob es rechtens sei, die schuldigen indios zu versklaven; nicht zuletzt, da es „einer harten Strafe bedarf, um in diesem Land ein Exempel zu statuieren“.273 In einer Real 271 Brief Antonio de Mendozas an die Krone vom 8.10.1543: „En esta Real Audiencia se tratan pleitos contra indios sobre delitos graves que cometen de que, conforme a derecho merescen se les imponga pena de muerte, e yo el visorrey antes de agora hice dello relación a vuestra majestad que por la facilidad e ignorancia destos, no se les imponía la pena ordinaria de muerte, sino que se condenaban por esclavos para vuestra majestad y se vendían en pública almoneda, a lo cual vuestra majestad respondío que parescía bien lo que se hacía; e agora por una de las ordenanzas se prohibe que por ninunga manera, causa ni razón se hagan esclavos: vuestra majesta mande declarar su esta generalidad deroga esta especialidad.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 58, caj. 5, L. 8, ediert in: Ebd., Nr. 217, S. 61. 272 Carta der Audiencia von México an die Krone vom 17.3.1543: „Y se vendían en pública almoneda por los oficiales de vuestra majestad aplicando el valor dellos para cámara y estados desta Real Abdiencia.” Ebd., Nr. 241, S. 195. 273 Real Cédula vom 20.3.1531: „Dezis q[ue] stando scuviendo estaca tuvistes ynformacion delos apilcingos en tierra fragosa y la gente della en ella causa y desaso sepada y cruel como parecia por unas cartas q[ue] nos e[n]biastes con la d[ic]ha ynforma[cion]

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Provisión desselben Tages konkretisierte Karl V. seine Entscheidung noch einmal: Die indios apilcingos hätten „Übel und Verbrechen gegen Gott unseren Herrn und Uns und mit großem Schaden für jene Provinzen begangen“274. Insbesondere hätten sie rebelliert, obwohl sie sich zuvor bereits der königlichen Herrschaft unterworfen hatten. Nach ausführlicher Beratung im Indienrat sei festgestellt worden, dass hierfür „große und harte Strafen“ – die Rede ist von der Sklaverei – verhängt werden müssten.275 Ein anderes Quellenbeispiel aus diesem Bereich stammt aus dem sogenannten „Chichimeca-Krieg“, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen Kastiliern und ihren indigenen Verbündeten gegen eine Allianz verschiedener indigener Gemeinschaften in den Provinzen des heutigen Zentralmexikos geführt wurde.276 Im Jahr 1560 begann der reiche Minenbesitzer und Gouverneur des Marquesado de Valle, Pedro de Ahumada Sámona, im Auftrag der Audiencia von Nueva Galicia eine Strafexpedition gegen die aufständischen Volksgruppen der Zacatecas und der Guachichiles.277 In ­einem ausführlichen

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q[ue] los yndios de la d[ic]ha p[ro]vincia estan alcados y a muertes cinco o seys cristianos y mucho delos yndios q[ue] s[er]vian y estavan de paz y esclavos q[ue] tenian e[n] las minas y hecho otras muchos daños.[...] Q[ua]les mandase en castigo p[re]sentaci[on] del d[ic]ho levantami[ento] e q[ue]sto excesos han sydo grandes y de mala manera pa[ra] en esa tierra porq[ue] sean alcado otras dos veces y q[ue] asy req[ue]sta q[ue] oviese mucho castigo e[n] ello pa[ra] el exemplo della d[ic]ha t[ie]rra [...] por ende ynformandeys de lo q[ue] en esto e pasado y estando ciertos y certificados q[ue] han sydo [...] q[ue] lo susod[ic]ho e por ello merecen conforme a d[e]r[echo] s[er] esclavos.” AGI, Méx. 1088, L. 2, fol. 27r-30v. „Males e delitos en deservicio de dios n[uest]ro señor e n[uest]ro y en desasosiego desas p[rovincia]s.” Real Provisión vom 20.3.1532. Ebd., fol. 31r-31v. „Nos somos ynformados q[ue] los apilcingos e[n] una p[rovinci]a e[n] la d[ic]ha nueva spana despues de nos ay dado la obediencia [...] se an alzado dos otres vezes y muerto algunos xristianos spanoles q[ue] conellos habitavan y asymismo otro cierto numer[o] de yndios naturales de la d[ic]ha tierra q[ue] estavan co[n] ellos de amistad. [...] Visto los delitos y excesos de los d[ic]hos apilcingos y por los del n[uestr]o consejo delas yndias con nos conssultado e aparescado q[ue] no se deve guardar a ellos a d[ic]ha provision [...]. Vos mandamos q[ue] [...] os ynfformeys de lo pasa e constandos q[ue] los d[ic]hos apilcingos e an seydo culpantes e[n] las d[ic]has muertos y levantamientos y delitos, dysembargo de la d[ic]ha p[ro]vision q[ue] debajo va encorporada p[ro]cedays contra los d[ic]hos apilcingos.” Ebd. Hierbei handelte es sich vor allem um die Volksgruppen der Zacatecas und der Guachichiles sowie der Pames und Guamares. Vgl. Powell (1975), S. 33. Zum „Chichimeca“-Krieg und der Sklaverei siehe ferner: Bakewell (1971); Carillo Cázares (2000); Cook (2013), S. 16; Zavala (1967), S. 185 f.; Lucena Salmoral (2002), S. 78. Vgl. Powell (1975), S. 73–101; Carrillo Cázares (2000), S. 218 f.; Cook (2013), S. 25; ebd. (2016), S. 175 f.

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Bericht vom 20. März 1562 an den amtierenden Vizekönig Neuspaniens, Luis de Velasco (1550–1564), erläuterte er, aus welchen Gründen die aufständischen indios zu bekriegen und zu versklaven seien. Neben vielen anderen Punkten ist auch hier die Bestrafung (castigo) der schwerwiegenden Verbrechen zentral, die die indios durch ihre „großen Dreistigkeiten, Missachtungen und Grausamkeiten“278 angerichtet hätten. Die rebellischen indios der Zacatecas und die mit diesen verbündeten Guachichiles seien für den Tod zahlreicher Kastilier –­ darunter der Kleriker fray Juan de Tapia – und indios de paz verantwortlich. Jeden Tag – so Ahumada Sámona – würden die Rebellen kastilische haciendas überfallen und insbesondere die Wege zwischen der Provinzhauptstadt Guadalajara und den großen Silberminen bedrohen. Das Niederbrennen der kastilischen Häuser und Friedhöfe sorge für eine zunehmende Entvölkerung der betroffenen Gebiete. Hinzu komme die Aufwiegelung friedlicher indios.279 Ahumada Sámona beschreibt die beiden indigenen Volksgruppen als äußerst kriegerische salteadores („Straßenräuber“) – ein Begriff, der im Zusammenhang mit den moriscos häufig auftrat. Darüber hinaus belegt er sie durchweg mit der aristotelischen Semantik des Barbaren. Die indigenen Feinde seien wild, unzivilisiert (salvajes) und trügen keine Kleidung (andan desnudos).280 Ferner stellt er sie noch in einen gewichtigeren ­Bedeutungszusammenhang: 278 Relación von Pedro de Ahumada Sámona an Luis de Velasco vom 20.3.1562: „Siendo tantas los daños que an echo con tanta desberguencia e desacato e tantas las crueldades que an cometido.” AGI, Patr. 182, r. 5, 1r-3v. 279 „Por los Procesos criminales que en la pacificacion e castigo de Aquel Reyno se hizieron consta los grandes daños muertes y rrobos que los yndios que llaman cacatecas e goachichiles an echo en todo el despoblado e caminos desde esta ciudad a las dichas minas desde el pueblo de san miguel q[ue] es el postrero que por aquel camino esta poblado [...] y como an muerto mucha cantidad de Españoles e de yndios amigos mexicanos e tavascos y an echo de daños en las aziendaS. [...] Aviendose tratado por los d[ic]hos yndios cacatecas y confederados con los guachichiles e[n] los pueblos de los cazcanes que estavan de paz se rrebelasen y persuadiendo los a ello con palabras diziendo que ya los xr[ist]ianos no heran balientes y que qllos eran balientes y ejercitados en la guerra como lo avian visto pues que les avian muerto mucha gente y no se avian podido bengar e como de nuevo lo berian comencaron debaxo deste ofrescimiento la guerra en muchas partes aun mismo t[ie]mpo e demas de muchos saltos rrobos y muertes q[ue] hizieron en todos los caminos rreales destruyeron y quemaron en la comarca delas minas de los cacatecas muchas aziendas estancias y sementeras de que las dichas minas se proveyan. [...] Todos ellos confesaron ser salteadores y averse allado la muerte de fray Ju[an] de tapia q[ue] mataren en las palmillas.” Ebd. Vgl. Bakewell (1971), S. 33. 280 „La nacion delos guachichiles casi todos ellos q[ue] dan a la mano yzquierda del camino como benimos de cacatecas a la parte del norte son todos los que se an visto desnudos.[...] Los yndios que llaman chichimecas que tanbien so salvajes y andan desnudos.” Ebd.

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Wie die A ­ raber (como alarbes) zögen sie in ihren Gebieten umher, ohne eine feste Behausung.281 Dies ist eines der seltenen Beispiele, in dem indigene Gruppen explizit mit den muslimischen Feinden verglichen wurden. Indem Ahumada Sámona die indios mit dem in Kastilien bekannten Bild des Arabers gleichsetzte, versuchte er, die Führung eines „gerechten Krieges“ (und damit die Versklavung) zu legitimieren. Nicht zuletzt unterfütterte er seine Argumentation noch mit der üblichen Bemerkung, dass es sich bei den Zacatecas und Guachichiles um Kannibalen handele.282 Letztlich kommt Ahumada S­ ámona zum Schluss, dass es im Dienste Gottes und Seiner Majestät sowie der Sicherheit der Wege und jener Gebiete und des gesamten Reiches angebracht sei, diese zu bekriegen und sie auf diese Weise zu bestrafen, dass sie eingeschüchtert bleiben; denn so würden die Wege gesichert, wozu Seine Majestät verpflichtet ist, um sein königliches Gewissen zu entlasten.283 Ahumada Sámona verknüpft also eine Vielzahl von Argumenten. Zentral ist der Appell an das königliche Gewissen, die Aufständischen zu bestrafen. Parallel erinnert er den König an seine Pflichten der Landessicherung, was stark an die pro-Sklaverei Argumente während der guerra de Granada erinnert. Die Belastung des königlichen Gewissens (real consciencia), die die Krone üblicherweise als Begründung bei Sklavereiverboten betonte, setzt er hier in einen rein praktischen Zusammenhang: Die Sicherung der Verkehrswege. Schließlich war er als größter Minenbesitzer der Provinz im Besonderen auf diese angewiesen. Ähnliche Berichte über Aufstände und Revolten, verknüpft mit der Bitte, die indigenen Rebellen versklaven zu dürfen, finden sich im gesamten 16. Jahrhundert in nahezu allen Gegenden Spanisch-Amerikas. Ein letztes Beispiel stammt aus der Provinz Popayán im heutigen Kolumbien. Am 5. Juli des Jahres 1566 erschien der procurador general Antonio de Alegria im Namen der Stadt Popayán vor dem zuständigen Gouverneur, um eine Petition einzureichen, die in der Folge den Weg an den königlichen Hof fand. Wie im obigen Falle ­berichtet auch er über Aufstände indigener Gruppen, in diesem Falle der Pijaos und der 281 „Andan como alarbes y salvajes sin tener lugar cierto. [...] E corren toda aquella comarca como alarbes no deteniendose mas en un lugar.” Ebd. 282 „Los otros que son goachichiles comen carne humana y que cuando los prenden en la guerra se los comen.” Ebd. 283 „Convernia al servi[ci]o de dios y de su mag[estad] y a la seguridad de los caminos y de auquella t[ie]rra e de todo auquel rreyno que se les hiziese guerra e diese castigo de manera que quedasen amedrentados porque se seguira lo uno aseguran los caminos como su mag[estad] es obligado para descargo de su rreal conciencia.” Ebd.

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Paeces. Nachdem die indios der Provinz bereits unterworfen und in encomiendas verteilt worden waren, befänden sie sich nun in offener Rebellion. Sie hätten die encomienda des Kapitäns Don Francisco de Belalcacar überfallen und dort zahlreiche Kastilier und insbesondere einen Priester getötet, dessen Leichnam anschließend der Anthropophagie zum Opfer gefallen sei. Überdies sei die örtliche Kirche attackiert und niedergebrannt worden. Im Weiteren weiß Alegria von etlichen anderen Überfällen zu berichten. Die indios hätten den alcalde dieser „friedlichen Provinz“ (provincia de paz) getötet und die Angehörigen eines Minensuchtrupps angegriffen und ermordet.284 Auf diese Weise würden „durch besagte Morde und Schäden der Aufstand und die Siege von Tag zu Tag größer“285. Auch hier präsentiert der Supplikant die einzig 284 Bericht des Antonio de Alegria aus Popayán vom 5.7.1566: „Muy Ill[ustre] señor antonio de alegria p[rocurador] general del consejo e vezinos desta ciudad de popayan en su nombres e por lo que toca al servicio real de su mag. e al bien [...] comun della e de los españoles e naturales destas provincias e de todos los vezinos estante y avitantes y entes e vinientes a ellas me querello e acusso criminalmente a todo lo sea a ques e yndios delas provincias de paez e de los pijaos e a todos los de mas sus cequases y aliados q[ue] parescieren culpados en los alcamientos e delitos q[ue] de yuso se haramincion con la rrelacion siguiente. Reynando su mag. e digo que estando poblada la ciudad de san sebastian vicente de paez diez años avua y estando en ella yglesia y sacerdotes que celebraban el culto divinio e teniendo los d[ic]hos yndios dada la ovidiencia de su mag. e como sus vasallos y estando partidos y encomendados en los vezinos e pobladores de la d[ic]ha ciudad y aviendoles dado la paz como los otros yndios que estan encomendados en esta governacion se les antaron e amotinaron y negaron la d[ic]ha oviediencia y en muchas e diversas vezes mataron muchos españoles vezinos y estantes en la d[ic]ha ciudad e sus provincias y le amandose e apellidandose los d[ic]hos yndios de paez con los d[ic]hos pijaos todos ello unanimas y conformess con mano armada vinieron a la provincia de guanbea que es dela encomienda del capitan don fran[cisco] de belalcacar e mataron a un sacerdote que estava por dotrinero de aquellos yndios e a muchos de los naturaless dellos e quemaron la yglesia e robaron el caliz es ornaniento con que celebrava e todo ello profanaron con grande escarnio e ygnorancia y allo se comieron al d[ic]ho sacerdote e yndios por ser como los d[ic]hos pijaos son comedores de carne humana como es notorio y antes avian muerto en la d[ic]ha provincia de paz al capitan santa cruz alcalde ordinario que era de la d[ic]ha ciudad e a otros españoles con el d[ic]ho e no contentos proseguiendo el d[ic]ho su alcamiento y alianca dieron una noche los d[ic]hos yndios un asalto al capitan domingo locano e a otros diez e ocho españoles que con estavan en un descubrimiento de minas [...] e a todos ellos mataron e despedacaron y comieron.” AGI, Patr. 233, r. 1, fol. 35r-45v. In selbigem finden sich noch zahlreiche ähnliche Berichte über die Aufstände der Pijaos und Paezes aus den Nachbargebieten Ibague (13.3.1558), La Plata (16.11.1577), Santa Fee und Ibague (24.3.1575/1577), Santa Fee (25.4.1577). 285 „Con las d[ic]has muertes e daños prosiguiendo el d[ic]ho alcamiento elas vitorias que cada dia yvan alcando.” Ebd.

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mögliche Lösung: Die Versklavung der schuldigen indios.286 Die diskursive Strategie Alegrias ist offenkundig. Um sein Ziel, die Versklavung der indios, zu erreichen, beschreibt er die Ausmaße des Aufstandes in all ihrer Grausamkeit. Insbesondere die Berichte über niedergebrannte Kirchen und den dem Kannibalismus zum Opfer gefallenen Priester – auch wenn ich sie weder veri- noch falsifizieren kann – wirken übertrieben. Wichtiger in der Argumentation erscheint aber ohnehin ein anderer Punkt: Die Sicherung der Provinz. Mehrfach betont der Supplikant, dass es sich um eine eigentlich bereits befriedete Gegend handelt. Die indios der Pijaos und Paeces hätten bereits die Oberhoheit der Krone anerkannt gehabt und seien somit klar als Aufständische zu identifizieren. Verknüpft mit obigem Vorwurf, durch die Verbrechen gegen Kirche und Priester den christlichen Glauben verlassen zu haben, ließ sich hieraus ein rebellisches Apostatentum konstruieren, das mit der Sklaverei bestraft werden konnte. Ein Vorgang, durch den nur gute zwei Jahre später – auf ganz ähnliche Weise – auch die Versklavung der moriscos gerechtfertigt wurde. Die Sklaverei funktionierte nicht nur als nachträgliche Bestrafung für aufständische indios. Auch erhoffte man sich durch die bloße Androhung von Versklavung eine abschreckende Wirkung. Dies geht beispielsweise aus einer Real Provisión an den Gouverneur Kubas, Gonzalo Nuño de Guzman (gestorben 1539), aus dem November 1526 hervor: Auf der Insel Kuba rebellierten seit geraumer Zeit verschiedene indigene Gruppen. Wie im vorherigen Falle wurde ihnen vorgeworfen, sich als Vasallen der Krone in offener Rebellion zu befinden, Kastilier zu töten und große Verwüstungen anzurichten. Die Lösung des Konflikts wurde allerdings nicht unmittelbar durch eine Strafexpedition gesucht. Vielmehr wollte der Gouverneur diplomatisch vorgehen. Falls die Aufständischen freiwillig ihre Waffen niederlegten, solle ihnen sogar der Mord an Christen verziehen werden (les perdonamos). Alle indios, die sich diesem Ultimatum jedoch nicht unterwarfen, sollten in der Folge zu „lebenslänglichen Sklaven“ (esclavos perpetuamente) gemacht werden.287 Ähnliche Beispiele, in 286 „E porque de los delitos e alcamientos delos d[ic]hos yndios se a cado noticia e querella a su magestad e en ell su rreal consejo de yndiass y se a dado aviso de como son comedores de carne humana e pedido e sup[lico] a su magestad los mandase dar por esclavos a los que lo conquistassen.” Ebd. 287 Real Provisión an den Gouverneur Kubas, Gonzalo Nuño de Guzmán, vom 9.11.1526: ­„Somos ynformados q[ue] muchos yndios naturales desa ysla contra la fidelidad y ­servi[cio] y obid[encia] q[ue] nos deven y son obligados como n[uestr]os subditos y basallos se an alcado e levantado de los lugares y stancias donde estavan y se han ydo y estan en los montes y q[ue] estando como estan en la d[ic]ha rebellion e alcami[ento] salen a los caminos y stancias donde estan los xri[sti]anos y los matan y roban e hazen otros muchos delitos y excesos en mucho des[er]vi[cio] de dios n[uest]ro señor y n[uest]ro dño de la

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denen die Androhung der Sklaverei respektive die Verschonung von ihr als Abschreckung oder Anreiz zur Unterwerfung verwendet wurden, finden sich darüber hinaus häufig.288 Neben den mannigfaltigen ökonomischen und militärischen Funktionen der indio-Sklaverei möchte ich als letzten Aspekt die religiösen Motive ansprechen. Den Supplikanten aus der „Neuen Welt“ dienten missionarische Argumente stets dazu, die praktischen Funktionen der indio-Sklaverei auch r­ eligiös zu untermauern. Durch die Versklavung indigener Gruppen, gegen die ein bellum iustum geführt wurde, versprach man sich eine schnellere Verbreitung des christlichen Glaubens, eine verbesserte christliche Erziehung der indios – gerade was den bedeutenden christlichen Wert der Arbeit betrifft – sowie die Ahndung von Verbrechen gegen das göttliche Recht und das Naturrecht (etwa Idolatrie, Anthropophagie, Ermordung von Priestern). Die Versklavung der caribes der Insel Trinidad wurde im Jahr 1519 somit explizit erlaubt, um „jenen caribes unseren heiligen katholischen Glauben zu bringen“289. Wie im Kapitel über den bellum iustum bereits angesprochen, war auch die Behinderung der christlichen Mission durch indigene Gruppen stets ein Thema. Einige Siedler

d[ic]ha ysla e desasosiego della e de los otros Indios q[ue] estan pacificos lo qual visto por los del n[uest]ro consejo delas Indias [...]. Vos mandamos q[ue] luego hagais noteficar e notefiq[ue]eis a los d[ic]hos yndios a q[ue] dentro d[e]l termi[no] q[ue] por vos les fuere señalado vengan a a n[uest]ra obidiencia e servi[cio] e fidelidad q[ue] como n[uest]ros vasallos [...] q[ue] los q[ue] asy lo hisieren e cumplieren husando con ellos de piedad e misercordia les perdonamos y havemos por perdonados qualesquier delitos y excesos q[ue] durante d[ic]ha Rebellion e alcam[iento] ayan h[ec]ho asi de muerte de Indios y spanoles [...] y q[ue] si asi no lo hisieren e cumplieren y perseveraren en la d[ic]ha Rebellion si les hara guerra y los q[ue] en ella fueren h[e]chos seran esclavos p[er]petuamente.” AGI, Indif. 421, L. 12, fol. 9r-v; siehe auch: Ebd., L. 11, fol. 304v-305r. 288 So zum Beispiel eine Real Provisión vom 16.3.1527 an den Gouverneur der Provinz Las Higueras: „Somos ynformados q[ue] algunos indios naturales dlas d[ic]has tierras contra la fidelidad s[er]vi[cio] y obidiencia q[ue] nos deven y son obligados como n[uest]ros subditos y vasallos se an alcado […] y estando e[n] la d[ic]ha rebelion e alcam[iento] hazen muchos delitos y muertes de xri[sti]anos y casos en m[uch]o des[er]vic[io] de dios n[uest]ro señor y n[uest]ro e dapño dlas d[ic]has tierraS. [...] Por la qual vos mando q[ue] luego hagais notificar e notifiqueys a los d[ic]hos Indios [...] q[ue] por vos le fuere señalado vengan a n[uest]ra obidiencia y s[er]v[icio] y fidelidad q[ue] como n[uest]ros vasallos nos deven y esten quiertos y pacificos [...] q[ue] los que asy hizieren [...] les perdonamos. [...] Sy asy no hizieren [...] e proberaren en la d[ic]ha Rebellion se les haga guerra e los q[ue] e[n] la fueren presos seran esclavos p[er]petuamente.” AGI, Guatemala 402, L. 1, fol. 53v-54r. 289 Real Cédula vom 5.7.1519: „Plantarse n[uest]ra santa fe catholica a los d[ic]hos caribes.” AGI, Indif. 420, L. 8, fol. 82v.

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der Insel Jamaika supplizierten beispielsweise im Jahr 1533 an den königlichen Hof, dass sie die indios der Küstengebiete des Festlandes versklaven dürfen, damit diese „die Verkündung des Christentums zulassen und ihre Idolatrie und ihre schändlichen Handlungen aufgeben“290. Karl V. erteilte den Inselbewohnern in der Folge die Lizenz zur Versklavung jener indios, mit der Auflage, zuvor den requerimiento sorgfältig zu verlesen.291 Ähnliche Beispiele finden sich in nahezu jeder Supplik, die die Versklavung der indigenen Bevölkerung thematisiert. Während praktische Notwendigkeiten jedoch stets ausführlich begründet wurden, erscheinen die religiösen Funktionen meist lediglich als Randnotiz. Dies heißt jedoch nicht, dass die Rolle von Religion ­marginal war: Gerade die bloße beiläufige Erwähnung gewichtiger religiöser Motive und Formeln deutet auf eine Selbstverständlichkeit hin, die sich durchaus als fundamental interpretieren ließe. Hierbei liegt eine Vermutung nahe: Die Verbreitung des Christentums sowie die Bestrafung von Verbrechen gegen das göttliche Recht waren Aspekte, die schon bei der Legitimierung der conquista an sich eine zentrale Rolle spielten und somit zum Zeitpunkt etwaiger Versklavungen bereits als gegeben angesehen werden konnten. Die kurzen Formeln bezüglich des „heiligen katholischen Glaubens“ dienten folglich eher dazu, noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass sich die Supplikanten in einem „gerechten Krieg“ gegen „Ungläubige“ befanden. Nichtsdestoweniger sollten die religiösen Funktionen der indio-Sklaverei nicht unterschätzt werden. Gerade gegen religiöse Kritiker der indio-Sklaverei stellten sie ein starkes Argument dar; konnten missionarische oder theologische Motive doch sowohl gegen als auch für die Versklavungen ins Feld geführt werden. Als Zwischenfazit ist an dieser Stelle Folgendes festzuhalten: Die Funktionen der indio-Sklaverei, die von den Akteuren in Spanisch-Amerika a­ ngeführt wurden, waren multidimensional; sie erstreckten sich von ökonomisch-­ finanziellen über (siedlungs-)politische und militärische bis hin zu religiösen Aspekten. Betrachtet man die Argumentationsweise der Supplikanten, ist selbstverständlich zu beachten, dass diese einer speziellen diskursiven ­Taktik 290 Dies geht aus einer Real Provisión vom 16.2.1533 hervor: „La d[ic]ha ysla nos hizo relacion por su peticion diziendo q[ue] por alg[uno]s e los v[uestr]os de la d[ic]ha Villa e ysla q[uie]ren armar e yr con sus caravelas e brigantines por la costa de tierra firme e a otras yslas ala d[ic]ha ysla comarcanas pa[ra] q[ue] los yndios dellas admita la p[re]dicacion xr[istia]na y se aparten de sus ydolatria e delitos nefandios.” AGI, Santo Domingo 1121, L. 1, fol. 133r-134r. 291 „Vos mandamos q[ue] vosotros en persona juntas o el uno de vos estando el otro absente o ympedido vays a las d[ic]has yslas o costa de tierra firme de no hoviere n[uest]ros g[overnado]res e hagays a los yndios della el requerimiento.” Ebd.

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folgten, um ihr Ziel – Lizenzen zur Versklavung von indios – zu erreichen. Auch wenn einzelne Berichte – etwa hinsichtlich indigener Revolten, die die Versklavungen legitimieren sollten – konstruiert sind, lassen sich hieraus die Funktionen ablesen, die der indio-Sklaverei zugeschrieben wurden. Während ich in diesem Kapitel jene Funktionen aus analytischen Gründen idealtypisch und separat dargestellt habe, wurden sie in der diskursiven Praxis der Antragssteller stets eng miteinander verknüpft. Ökonomische, politische und militärische Funktionsweisen wurden argumentativ vermengt und meist mit religiösen Argumenten untermauert. Auch hinsichtlich der Funktionsebenen finden sich häufig Überschneidungen: Wenn etwa Siedler argumentierten, die indio-Sklaverei für das wirtschaftliche Überleben in der Kolonie zu benötigen, versäumten sie nicht, zu betonen, dass auch die Krone durch ihre Steuererhebungen erheblich profitieren würde. Dies offenbart einmal mehr, dass sich die Profiteure der indio-Sklaverei auf allen sozialen Ebenen finden lassen (Krone, lokale Eliten, Söldner, Siedler). Die Funktionen und ihre argumentative Verwendung betreffend lassen sich letztlich zwei Situationen unterscheiden: Zum einen falls es um eine koloniale Friedenssituation ging. Hier handelte es sich bei den Supplikanten meist um Siedler oder ganze Städte. Situativ bedingt wurden vor allem die ökonomischen und siedlungspolitischen Funktionen und Vorteile der indio-Sklaverei betont: Finanzielle Notwendigkeiten, etwa um in der kolonialen Peripherie den Nachschub an Versorgungsgütern zu bezahlen; billige Arbeitskräfte, um die Entvölkerung der Gebiete zu kompensieren sowie um neue Siedler – oder im Falle der Welser sogar koloniale ­Großunternehmer – anzulocken; der quinto, der auch die Krone finanziell am Sklavenhandel beteiligte. Bei der zweiten Situation handelte es sich um Eroberungen, Strafexpeditionen oder Aufstände indigener Gruppen. Entsprechend wurde vor allem auf die militärischen Funktionen der indio-Sklaverei rekurriert: Die Straf- und Abschreckungsfunktion, die Refinanzierung der Kriegszüge, die Beuteerwartung der Soldaten sowie die Truppenmotivation. In beiden Situationen wurden die Funktionen darüber hinaus mit klassischen Argumenten des bellum iustum unterstützt: Verstöße gegen das Naturrecht respektive das göttliche Recht (Anthropophagie, Mord an Geistlichen, Schändung von Kirchen) sowie der Widerstand gegen die christliche Mission. Es handelte sich hierbei folglich um eine interessante Verknüpfung der Betonung von praktischen Notwendigkeiten mit theologisch-juristischen Argumenten. Hierbei ist auffällig, dass den handfesten praktischen Funktionen der Sklaverei wesentlich mehr Platz eingeräumt wurde. Philosophische Modelle wie den aristotelischen „Sklaven von Natur“ sucht man hingegen vergeblich. Letztlich wird deutlich, dass die Argumente und beschworenen Funktionsweisen der indio-Sklaverei jenen stark ähneln, die während der guerra de Granada angeführt wurden.

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Die Sklavereipolitik der Krone

Nachdem die Praktiken der Versklavungen sowie die zentralen Funktionen der Sklaverei nun geklärt sind, gilt es in diesem Abschnitt, die Politik der kastilischen Krone hinsichtlich der indio-Sklaverei in Spanisch-Amerika zu analysieren. Wie reagierte die Krone mit einer spezifischen Sklavereipolitik auf die Probleme, die in diesem Bereich auftraten? Anstelle der häufig bemühten Annahme, es habe sich lediglich um eine inkonsistente Chaospolitik292 gehandelt, möchte ich die politischen Motive der Krone in den Blick nehmen. Wie wurde die Frage nach der Versklavung der indios zwischen Krone und kolonialer Peripherie als politische Verhandlungsmasse genutzt? Hierzu werde ich die repressiven politischen Entscheidungen der Krone, die die indio-­Sklaverei mehrfach untersagten, den zahlreichen Gesetzesrücknahmen, p ­olitischen Kompromissen und Ausnahmeregelungen gegenüberstellen, die die Versklavung von ­indios situativ immer wieder erlaubten. Als erstes werde ich die Sklavereiverbote der Krone, wie sie vor allem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufig erlassen wurden, untersuchen. Hiermit eng zusammenhängend sind die Dysfunktionen und Nachteile, die die Sklaverei für die Kolonialpolitik der Krone bereithielt. In einem zweiten Schritt wird es um die politische Reaktion der Krone auf die im Vorkapitel erläuterten Funktionen der indio-Sklaverei gehen. Anhand von spezifischen Ausnahmeregelungen und Gesetzesrücknahmen werde ich zeigen, dass sich die Krone um eine dezidierte Kompromisspolitik bemühte, um die Vorteile und praktischen Notwendigkeiten der indio-Sklaverei zu berücksichtigen und andererseits ihre Dysfunktionen abzuschwächen. Zuletzt werde ich die Versuche der Krone betrachten, die Versklavungen einer administrativen Kontrolle zu unterwerfen. 4.1 Verbotspolitik Wie bereits angesprochen, stand die kastilische Krone der Versklavung der indios schon zur Jahrhundertwende in Teilen durchaus skeptisch gegenüber. Der Export von indio-Sklaven sowie die Versklavung sogenannter indios de paz wurden von Isabella in mehreren Cédulas stark eingeschränkt oder ganz verboten. In Kombination mit religiös-juristischen Bedenken lag dies an den eklatanten praktischen Nachteilen, die eine Versklavung der indigenen Bevölkerung mit sich brachte. Solche veranlassten die Krone auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zu umfangreichen Einschränkungen der indio-Sklaverei bis 292 Für Carlos Esteban Deive gilt für die Kronpolitik hinsichtlich der Sklaverei etwa: „Las ordenanzas acerca de la esclavitud del indio carecen de criterios definidos, son confusas y contradictorias.” Deive (1995), S. 313.

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hin zu Generalverboten. Die verschiedenen Gesetze sowie die ihnen zugrunde liegenden politischen Motive werden für folgende Ausführungen wichtig sein. Chronologisch betrachtet sind die Jahre zwischen 1526 und 1542, in denen die Debatten um die rechtmäßige Versklavung der indios ihren Höhepunkt erreichten, zentral. Die Sklavereipolitik Karls V. in diesen sechzehn Jahren wird von der historischen Forschung überwiegend als Verbotspolitik (antiesclavista) beschrieben, die letztlich in der Abschaffung der indio-Sklaverei durch die Leyes Nuevas von 1542 kulminiert habe: Für García Añoveros etwa versetzten sie der indio-Sklaverei den „finalen Schlag“293 und nach Esteban Carlos Deive verbot die Gesetzessammlung „die Sklaverei der indios endgültig“294. Von den sechs Gesetzen, die Sherman für diese Zeit zählt295, werde ich im Folgenden zunächst drei exemplarisch herausgreifen: Die sogenannten Leyes de Granada zum Schutz der indigenen Bevölkerung vom 17. November 1526296, die Provisión General zum allgemeinen Verbot der indio-Sklaverei vom 2. August 1530297 sowie die Leyes Nuevas von 1542. Einen ersten weitreichenden Erlass zum Schutz der indigenen Bevölkerung, der auch einen wesentlichen Abschnitt zur Sklaverei enthält, veröffentlichte die Krone am 17. November des Jahres 1526. Grundlegend war die Feststellung, dass die zügellose Gier (desordenada codicia) der Konquistadoren und Siedler in Spanisch-Amerika zur schlechten Behandlung (mal tratamiento) und zur exzessiven Ausbeutung (grandes y excesivos trabajos) – vor allem in den Goldminen und der Perlenzucht – der indigenen Bevölkerung geführt habe. Das Ergebnis dieser Umstände sei das Massensterben der indigenen Untertanen (muerte del gran número) und die Entvölkerung der Inseln und des Festlandes („Las islas y parte de Tierra Firme quedaron yermas y sin población“).298 293 „[Las] Leyes Nuevas asestaron el golpe definitivo a la permisión de la esclavitud.” García Añoveros (2000), S. 77. 294 „[Las] Leyes Nuevas, las cuales prohiben definitivamente la esclavitud del indio.” Deive (1995), S. 20. Ähnliches liest man auch bei vielen anderen Autoren. Etwa bei Lucena Salmoral (2002), S. 69; Mira Caballos (1999), S. 206; Rumeu de Armas (1969), S. 141; Konetzke (1983), S. 275 und S. 283. 295 Sherman (1979), S. 11. 296 „Real Provisión dando las Ordenanzas para el buen tratamiento de los indios e instrucción para nuevos descubrimientos“ vom 17.11.1526. AGI, Indif. 421, L. 11, fol. 332r-336v. Ediert in: Codoin-e 1, S. 110–122. 297 „Real Provision que no se pueda cautivar, ni hacer esclavo a ningun indio” vom 2.8.1530. Ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 68, S. 134. Exakt referiert wird diese Real Provisión auch in einer weiteren Real Provisión vom 22.1.1535. AGI, Contr. 5787, n. 1, L. 2, fol. 79r-85r. 298 „Nos somos certificados y es notorio q[ue] por la desordenada cobdicia de algunos de n[uest]ros subditos q[ue] passaron a las n[uest]ras yslas e t[ie]rra firme al mar oceano y

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Darüber hinaus behindere Ausbeutung und Sklaverei die christliche Mission (grande estorbo á la conversión), da eine große Anzahl von indios ins sichere Hinterland geflüchtet sei. Dies sei nicht nur „Gott, unserem Herrn sehr von Nachteil“, sondern auch eine Belastung für das königliche Gewissen (carga de nuestra consciencia).299 Nicht zuletzt hätten Mord, Ausbeutung, Raub und Sklaverei, die in vielen Fällen ohne gerechten Grund (causa justa) im Sinne eines bellum iustum vorgenommen worden seien, auch negative Auswirkungen auf den militärischen Erfolg der conquista. Insbesondere die unrechtmäßigen Versklavungen würden indios dazu motivieren, sich zu verbünden und organisierten, bewaffneten Widerstand zu leisten („Se levantaron é juntaron con mano armada“).300 Wie die Konquistadoren und Siedler in ihren Suppliken verknüpfte also auch die Krone religiös-juristische, ökonomische, politische sowie militärische Argumente miteinander. Hier dienten diese allerdings dazu, die indio-Sklaverei zu beschränken. Neben den theologisch-juristischen Bedenken, die Karl V. plagten, waren es vor allem die praktischen Nachteile der indio-Sklaverei, die ein Teilverbot der indio-Sklaverei nahelegten: Verschleppung und Sklaverei wirkten sich negativ auf die demographische Entwicklung aus und verhinderten so eine langfristige Siedlungs- und Wirtschaftspolitik. Auch im militärischen Zusammenhang stellte die Krone den Argumenten der Konquistadoren die Dysfunktionen der Versklavungen gegenüber: Das rücksichtslose Vorgehen in Spanisch-Amerika führte zu zahllosen Aufständen und

por el mal tratamiento q[ue hizieron a los indios naturales delas d[ic]has yslas e t[ie]rra firme del mar oceano avienlos grandes y excessivos trabajos que les daban, teniéndolos en las minas para sacar oro, y en las pesquerías de perlas [...], faciéndolos trabajar excesiva é incómodamente [...]; lo cual todo ha sido é fué causa de la muerte del gran número de los dichos indios, en tanta cantidad que muchas de las islas y parte de Tierra Firme quedaron yermas y sin poblacion alguna de los dichos indios naturales de ellas.” AGI, Indif. 421, L. 11, fol. 332r-336v, hier 332r. 299 „Y que otros huyesen, é se fuesen é se ausentasen de sus propias tierras é naturalezas, é se fuesen á los montes é otros lugares para salvar sus vidas y salir de la dicha sujecion y mal tratamiento, lo cual fué tambien grande estorbo á la conversion de los dichos indios á nuestra santa fee católica, y de no haber venido todos ellos entera y generalmente en verdadero conocimiento de ella, de que Dios nuestro Señor es muy deservido.” Ediert in: Codoin-e 1, S. 110–122, hier 111. 300 „Sin que los dichos indios les hobiesen dado causa justa, ni hobiesen precedido ni hecho las amonestaciones que eran tenidos de les facer, ni fecho á los cristianos resistencia ni daño alguno para la predicacion de nuestra santa fee; lo cual demas de haber sido en grande ofensa de Dios nuestro Señor, dió ocasion y fué causa que no solamente los dichos indios que recibieron las dichas fuerzas, daños ó agravios, y otros muchos comarcanos que toviereon de ello noticia é sabiduría, se levantaron é juntaron con mano armada contra los cristianos.” Ebd., S. 112.

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bewaffnetem indigenen Widerstand.301 Die Lösung dieser Probleme bestand für die Krone im indio-Schutz im Allgemeinen sowie in einer Einschränkung der Versklavungen im Speziellen. Zunächst sollten sämtliche indio-Sklaven, die nicht aus einem „gerechten Krieg“ stammten, konfisziert, freigelassen und in ihre Heimatgebiete zurückgebracht werden.302 Darüber hinaus sollten auch zukünftige Versklavungen von indios unter Strafandrohung (Verlust aller ­Güter, Ämter und Privilegien) unterlassen werden.303 Dies allerdings mit einer bedeutenden Einschränkung: Falls die Gründe für ein bellum iustum gegeben seien – also vor allem der Widerstand gegen die christliche Mission und die königliche Herrschaft – sei die Versklavung der betroffenen indios weiterhin gestattet. Hiermit jedoch nicht genug: Die Krone reagierte auch auf die praktischen Notwendigkeiten der Siedler vor Ort. Falls indio-Sklaven zum Suchen von Goldminen benötigt würden oder die Siedler sich und ihren Besitz gegen aufständische indios verteidigen müssten, könnten sie auf Krieg und Sklaverei zurückgreifen, falls die Zustimmung zweier Geistlicher eingeholt werden könne.304 Letztlich zeigt sich an diesem Beispiel, dass der Krone die Nachteile der Versklavungen durchaus bewusst waren. Das Gesetz von 1526 bedeutete einen ersten Versuch, die ausufernden Versklavungen zwar nicht zu verbieten, jedoch zumindest einzuschränken. Die Grundlage, auf der eine Unterscheidung zwischen gerechter und ungerechter Sklaverei vorgenommen wurde, blieb dabei das bellum iustum, kombiniert mit lokalen praktischen Notwendigkeiten. 301 Im Kontext des Krieges gegen die Zacatecas bezeichnet Bakewell die ungezügelten Versklavungen gar als „one of the main causes of the hostility of the nomads to the Spaniards”. Bakewell (1971), S. 33. 302 „Otrosí ordenamos y mandamos que [...] tuvieron algunos indios por esclavos sacados y traídos de sus tierras y naturaleza injusta e indebidamente, los saquen de su poder y queriendo los tales indios los hagan volver a sus tierras y naturaleza si buenamente y sin incomodidad se pudiere hacer, y no se pudiendo esto hacer cómoda o buenemente los pongan en aquella libertad.” Codoin-e 1, S. 110–122, hier 114. 303 „Otrosí mandamos que ninguno no pueda tomar ni tome por esclavo á ninguno de los dichos indios so pena de perdimiento de todos sus bienes, y oficios, y merced.” Ebd., S. 118. 304 „Salvo en caso que los dichos indios no consintiesen que los dichos religiosos ó clérigos esten entre ellos é los instruyan en buenos usos ó clérigos esten entre ellos é los instruyan en buenos usos é costumbres, é que les prediquen nuestra santa fee católica, y no quisieren darnos la obediencia, ó no consintieren, resistiendo ó defendiendo con mano armada, que no se busquen minas ni saquen de ellas oro ó los otros metales que se fallaren; sí en estos casos permitimos que por ello y en defension de sus vidas y bienes los dichos pobladores puedan con acuerdo y parecer de los dichos religiosos, seynendo conformes y firmándolo de sus nombres, facer guerra ó facer en ella aquello que la dicha nuestra santa fee y religion cristiana permiten y mandan que se faga y pueda facer.” Ebd.

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Nachdem diese Einschränkungen der indio-Sklaverei nicht ausreichten, um den oben genannten Schwierigkeiten zu begegnen, sah sich Karl V. im Jahr 1530 gezwungen, deutlich restriktivere Maßnahmen zu ergreifen.305 Lucena Salmoral zufolge „kulminierte die revisionistische Politik gegen ungerechte ­Sklaverei“306, für Jakob Baumgartner brach sich gar „eine neue ethische Gesinnung allmählich Bahn“307 und auch Hans Pohl konstatiert der Krone „moralische Bedenken“308. In der Tat stellte die Real Provisión vom 2. August 1530 ein bis dahin nie da gewesenes Generalverbot der indio-Sklaverei dar. Gleich zu Beginn des Textes machte die Krone klar, dass sie die Versklavung von Feinden, auch der indigenen in Spanisch-Amerika, nicht prinzipiell ablehnt: Es war durch die Katholischen Könige, unsere Großeltern, erlaubt, Krieg zu führen und die Gefangenen zu versklaven, falls gerechte Gründe vorlagen und ausführliche Erwägungen belegten, dass besagte indios die Missionare unseres heiligen katholischen Glaubens nicht zuließen oder mit Waffengewalt Widerstand leisteten; […] und selbiges wurde von uns toleriert als eine Sache, die durch das Recht und Gesetz unseres Reiches ohne die Belastung unseres Gewissens erlaubt werden konnte.309 Obwohl Karl V. die Rechtmäßigkeit der indio-Sklaverei also unter Umständen durchaus anerkannte, zeigte er sich in der Folge äußerst beunruhigt über die Art und Weise der Versklavungen sowie die negativen Auswirkungen der maßlosen indio-Sklaverei: Durch die ungestüme Gier der Konquistadoren und anderer Personen erfolgen Tag für Tag große und unerträgliche Schäden. Durch Krieg und die Versklavung besagter indios, die in Wahrheit keine Sklaven waren, 305 Vgl. García Añoveros (2000), S. 77; Mira Caballos (1999), S. 205 f.; Deive (1995), S. 313; Jiménez (1986), S. 180; Sherman (1979), S. 29. 306 „[La] política revisionista contra la injusta esclavitud culminó en 1530.” Lucena Salmoral (2002), S. 62. 307 Baumgarnter (1971), S. 123. 308 Pohl (1996), S. 211. 309 „Fué permitido por los Reyes Católicos, nuestro abuelos, por justas causas y buena consideración que algunos de los dichos indios, por no querer admitir a los predicatores la predicación de nuestra santa fe católica, antes resistir con mano armada a los tales predicatores della, se les hiciese guerra, y los presos fuesen esclavos; […] y esto mismo fué por nos despúes tolerado como cosa que, por derecho y leyes de nuestro Reinos, se podría sin cargo de nuestra conciencia hacer permitir.” Ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 68, S. 134.

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e­ ntstanden der Bevölkerung des besagten Indiens große Schäden. […] Und […] sie haben viele der besagten indios gefangen, welche friedlich waren und keine Kriege gegen unsere Untertanen geführt haben und nichts anderes getan haben, was rechtfertigt, sie zu versklaven und ihnen ihre Freiheit zu nehmen, welche sie dem Naturrecht nach gehabt haben und noch immer haben.310 Unter diesen Voraussetzungen sah sich Karl V. dazu veranlasst, zum Schutz der unschuldigen indios de paz das nicht erst seit Beginn der conquista praktizierte Recht auf Versklavungen im bellum iustum zu revidieren: Keiner unserer Gouverneure […] soll es wagen, in Zeiten des Kriegs, sei er auch gerecht und von uns befohlen […], besagte indios gefangen zu nehmen […] oder zu Sklaven zu machen. […] Wir befehlen, dass von dem Tage an, an dem dieses unseres Schreiben in der Stadt Sevilla verkündet wurde […], keine Person es wagen soll, einen indio zum Sklaven zu machen, weder im Krieg noch im Frieden; er soll ihn ebenso nicht als Sklaven halten, auch wenn er über einen Titel verfügt, der dessen Herkunft aus einem gerechten Krieg belegt.311 Dass es der Krone mit diesem weitreichenden Schritt durchaus Ernst war, zeigt die Tatsache, dass das Schreiben auch separat an die Gouverneure von Nueva Galicia, Tierra Firme, Nicaragua und Yucatán geschickt wurde.312 Der Versuch der Krone, ein seit Jahrhunderten bestehendes Rechtsprinzip auszuhebeln, ist durchaus bemerkenswert. Interessant ist vor allem, dass es sich bei 310 „Los muchos e intolerables daños [...] se han seguido y siguen de cada día por la desenfrenada codicia de los conquistadores y otras personas que han procurado de hacer guerra y cautivar los dichos indios muchos esclavos que en la verdad no los son, lo cual ha sido gran daño para la población de las dichas Indias [...] y [...] han cautivado muchos de los dichos indios y naturales que estaban de paz que no habían hecho ni hacen guerra a nuestro súbditos, ni a otra cosa alguna por do mereciesen ser esclavos ni perder la libertad que de derecho natural tenían y tienen.” Ebd. 311 „Ningún nuestro gobernador [...] en tiempo de guerra, aunque sea justa y mandada hacer por nos [...], sean osados de cautivar a los dichos indios [...] ni tenerlos por esclavos.[...] Mandamos que desde el día que esta nuestra carta [...] fuere pregonada en la dicha ciudad de Sevilla [...] ninguna persona sea osada de tomar en guerra ni fuera della ningún indio por esclavo ni tenerle por tal con título que le hubo en la guerra justa.” Ebd. 312 Für Nueva Galicia siehe: Real Provisión vom 25.1.1531. AGI, Indif. 422, L. 15, fol. 9v, für Tierra Firme: Real Provisión vom 25.1.1531. Ebd. fol. 9v (2), für Nicaragua: Real Provisión vom 25.1.1531. Ebd. fol. 8r-9v, für Yucatán: Real Provisión vom 25.1.1531. Ebd. fol. 8v.

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den zugrunde liegenden Motiven keineswegs nur um theologisch-juristische Überlegungen handelte. Vielmehr waren es die praktischen Umstände, die die Krone zwangen, von einer eigentlich anerkannten Rechtspraxis ­abzuweichen: Durch die erheblichen Ausmaße, die der Handel mit indio-Sklaven angenommen hatte, entvölkerten weite Teile Spanisch-Amerikas zunehmend. Die Gier der Konquistadoren nach Sklaven führte darüber hinaus zu Versklavungen von indios de paz, was zum einen juristisch nicht zu rechtfertigen war und zum anderen, wie oben besprochen, erhebliche negative Auswirkungen auf conquista und Mission hatte. Die Hauptschwierigkeit lag letztlich auch im administrativen Bereich: Bei der großen Menge an indio-Sklaven war es kaum noch möglich, zwischen gerechten, im bellum iustum versklavten indios, und ungerecht versklavten indios zu unterscheiden. Um diesem Problem zu entgehen, blieb der Krone als eine ihrer letzten Handlungsoptionen lediglich das Generalverbot; dass dieses bereits vier Jahre später nach erheblichem Protest der Konquistadoren und Siedler Spanisch-Amerikas wieder gelockert wurde, werde ich im nächsten Kapitel erörtern. Letztlich bleibt an dieser Stelle vor allem festzuhalten, dass beim Sklavereiverbot von 1530 vor allem praktische Notwendigkeiten im Vordergrund standen. Es war nicht die Essenz der Sklaverei, die Karl V. zu diesem Schritt veranlasste, sondern ihre äußeren Umstände. Neben diesen zwei allgemeinen, repressiven Gesetzen bezüglich der indio-Sklaverei, wurden in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 16. ­Jahrhunderts auch immer wieder situative, regional gültige Verbote und Einschränkungen erlassen. Bereits erwähnt wurden die vergeblichen Versuche der Krone, den Sklavenhandel in Nicaragua einzuschränken. Ein weiteres Beispiel ist eine Real Cédula an Pedrarias Dávila, zu dieser Zeit Gouverneur und ­Generalkapitän Nicaraguas, aus dem Jahr 1528, die verbot, die aufständischen Cherotegas zu versklaven.313 Darüber hinaus trafen die Verbote nicht nur esclavos de guerra, sondern auch die rescate-Käufe. Im Dezember 1538 wurden diese aus zwei Gründen verboten: Zunächst beklagte Karl V. erneut die nicht mehr zu überblickende Menge an indio-Sklaven. Auch sei deren schlechte ­Behandlung 313 Real Cédula an Pedrarias Dávila vom 2.10.1528: „Asymismo nos escriven como en comarca dlas cibdads de leon y granada ay ciertas [go]vernacion[es] de caciquis [sic!] q[ue] se llaman los cherotegas q[ue] [...] an alcado y muerto muchos xristianos y enbiadolos a desafiar desas cibdades y q[ue] porq[ue] despues de les haver fecho caerlos r[e]querimy[ent] os no an q[ue]rido admitir lo que se les pedia las an pronunciado por esclavos y me suplicaron q[ue] asy para estos como pa[ra] los demas desta calidad mandase proveer lo q[ue] fue servido dando la orden q[ue] se deve tener o viese de tener p[o]ner presente vos mando enbiar una n[uest]ra p[rovisi]on e[n] aq[ue]lla haveys guardaria deste tenyendo mucho anydado del buen tratamiento delos d[ic]hos yndios y que en ninguna man[er]a haga esclavos.” AGI, Pan. 234, L. 3, fol. 229v-232r.

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und übermäßige Ausbeutung der Konversion zum katholischen Glauben abträglich. Der wichtigere Grund war in diesem Fall jedoch juristischer Natur und folgte exakt den Ausführungen des Erzbischofs Juan de Zumárraga, die ich einleitend schon referiert habe:314 Die Versklavungen von Menschen innerhalb der indigenen Gemeinschaften würden durch allzu leichtfertige Gründe (muy livianas causas) legitimiert. Deshalb sei es in Zukunft verboten, dass Kastilier Sklaven von Kaziken per rescate kaufen. Bei einem Verstoß solle der betreffende Sklave konfisziert und befreit werden. Als weitere Strafe war eine Geldzahlung in der Höhe des Wertes des Sklaven vorgesehen, die zwischen Krone, zuständigem Richter und dem Denunzianten des illegalen rescate-Kaufs aufgeteilt werden sollte.315 Noch am selben Tag wurde – aus denselben Gründen – die Sklavenhaltung durch indios generell verboten.316 Wie bereits angedeutet, wurde das Verbot der indio-Sklaverei – auch im ­bellum iustum und im Falle von rescate-Käufen – in die berühmte Gesetzessammlung der Leyes Nuevas von 1542 inkorporiert. Hier heißt es unter anderem: 314 Siehe: S. 182. 315 Real Provisión vom 6.12.1538: „Por quanto somos ynformados q[ue] a causa de estar permitido q[ue] los españoles q[ue] han ydo a conquistar y poblar la nueba españa pudiesen r[e]scatar y conprar de los caciques y principales y otras p[er]sonas naturales dela d[ic]ha t[ie]rra los yndios q[ue] les son subgetos y tienen por esclavos havenido en tanto exceso q[ue] se han hecho muchos esclavos ala y a causa no son tanbien tratados como convernia y son obligados porq[ue] les dan trabajos demasiados y les hazen otras prenyas delo q[ua]l allende del grand estorbo [...] pa[ra] su conbersio[n] a n[uest]ra santa fee catholica y dimicinaci[on] en sus vidas los d[ic]hos yndios reciben agravio y sin just[ici] a el modo de hazer los esclavos los d[ic]hos principales po[r]q[ue] nos es not[icia] la facilidad con q[ue] ha sido costunbre entrellos en hazer los esclavos q[ue] es por muy libianas cabsas e queriendo proveer en ello de man[er]a q[ue] de aqui adelante cesen los d[ic]hos ynconvenientes visto y platicado e[n] le n[uest]ro c[onsej]o delas yndias fue acordado q[ue] deviamos mandar dar esta n[uest]ra carta e nos tovimos lo por bien por la q[ua]l proyvimos y mand[amo]s q[ue] desde el dia q[ue] esta n[uest]ra provisio[n] fuere pregonada en la cibdad de mexico de la d[ic]ha nueba españa en adelante por ning[un] a via ni forma q[ue] sea ni se puede direte ni yndireamente ningund espanol natural destos n[uest]ros R[e]ynos sea osado de rescatar ni conprar delos d[ic]hos caciques y principales y otras p[er]sonas naturales dela d[ic]ha t[ie]rra q[ue] estuvieren de paz y en n[uest]ra subjecid los yndios q[ue] ellos tienen subgetos y po[r] sus esclavos y si alguno los rescatare o conprare los haya perdido y sean dado por libres pa[ra] q[ue] hagan de sy lo que quisiere y po[r] bien tuvieren y demas dello pierda lo q[ue] oviere costado lo qual se aparta en esta manera: La tercia parte pa[ra] n[uest]ra Camara e fisco y la otra tercia parte pa[ra] la persona q[ue] lo denunciare e la otra tercia p[ar]te para el juez q[ue] lo sentiarse.” AGI, Méx. 1088, L. 3, fol. 227v-228r. 316 Real Cédula an die Audiencia von Mexiko vom 8.12.1538: „E deviamos mandar q[ue] de aqui adelante ningund cacique desa t[ie]rra haga esclavos los yndios.” Ebd., fol. 231.

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Außerdem bestimmen wir, dass von nun an aus keinem Grund, sei es im Krieg oder nicht, auch falls es sich um eine Rebellion oder um rescate handelt, indios zu Sklaven gemacht werden dürfen; wir wünschen, dass sie wie unsere Vasallen behandelt werden, denn das sind sie.317 Neben den Nachteilen der Sklaverei für conquista, wirtschaftliche Entwicklung und Konversion wird ein neuer Faktor deutlich, der analog zur gleichzeitigen Einschränkung der encomiendas gesehen werden kann: Die explizite Bezeichnung aller indios als Vasallen der Krone (vasallos nuestros). Dies erinnert zum einen stark an die Debatten, die nach der guerra de Granada darüber geführt wurden, ob eigene Vasallen überhaupt zu Sklaven erklärt werden könnten. Zum anderen zeigt dies, dass das Sklavereiverbot auch im Panorama der befürchteten „Neofeudalisierung“318 Spanisch-Amerikas gesehen werden muss. Wurden die indios als Vasallen der Krone betrachtet, entzog ihre Versklavung sie unweigerlich der direkten Herrschaft der kastilischen Krone. Die massenhafte Versklavung ihrer indigenen Untertanen konnte infolgedessen allein aus herrschaftspolitischen Gründen kaum im Interesse der kastilischen Krone liegen. Das immer wieder von der Krone angeführte Argument der „Entvölkerung“ offenbart sich somit als doppeldeutig: Zum einen bedeutet es eine konkrete „Entvölkerung“ durch das Massensterben der indigenen Bevölkerung durch Krieg, Seuchen sowie Misshandlung und Ausbeutung in der Sklaverei. Zum anderen äußert sie sich in der Überführung der indigenen Bevölkerung vom Vasallen- in den Sklavenstatus. Neben dem Verbot zukünftiger Versklavungen zielte das Gesetz auch auf die bisher versklavten indios ab. Diese seien umgehend freizulassen; allerdings nur, falls der Besitzer nicht in der Lage war, vor der zuständigen Audiencia einen „gerechten Besitztitel“ (título) vorzulegen.319 Hier kommt also erneut ein politischer Kompromiss zum Ausdruck, der die Grundlagen des bellum iustum zumindest für bereits versklavte ­indios anerkannte, um die Sklavenbesitzer Spanisch-Amerikas nicht zu sehr zu 317 „Item ordenamos y mandamos que de aquí adelante por ninguna causa de guerra ni otra alguna, aunque sea so título de rebelión, ni por rescate, ni de otra manera no se pueda hacer esclavo indio alguno y queremos sean tratados como vasallos nuestros de la corona de Castilla, pues lo son.” Ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 144, S. 217. 318 Hierzu siehe: S. 190. 319 „Como habemos mandado proveer que de aquí adelante por ninguna vía se hagan los indios esclavos, ansí en los que hasta aquí se han fecho contra razón y derecho y contra las provisiones e instrucciones dadas, ordenamos y mandamos que las Audiencias llamadas partes [...] los pongan en libertad, si las personas que los tuvieron por esclavos, no mostraren título como los tienen y poseen legítimamente.” Ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 144, S. 217.

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­brüskieren. Eine abschließende Bewertung der Bedeutung der Leyes Nuevas hinsichtlich der Sklaverei ist nicht leicht. Wie erwähnt, betrachten zahlreiche Forscher das Sklavereiverbot als bahnbrechend. Andererseits ist es allgemein bekannt, dass weite Teile der Gesetzessammlung nach heftigen Protesten von Konquistadoren und Siedlern nur kurze Zeit später wieder kassiert oder gar nicht erst umgesetzt wurden.320 Bezüglich der indio-Sklaverei habe ich nun schon mehrfach gezeigt, dass es auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts viele Beispiele gibt, die belegen, dass sie weiterhin auch mit Zustimmung der Krone in großem Stil praktiziert wurde. In dieser Sichtweise stellten die Leyes Nuevas also einmal mehr einen Verbotsversuch dar, der im Nachgang einem politischen Kompromiss weichen musste. Das juristische Schlupfloch, indio-Sklaven behalten zu dürfen, falls man einen „gerechten Besitztitel“ vorlegen konnte, hatte dagegen interessante – und durchaus erfolgreiche – Auswirkungen auf die administrative Praxis der Sklaverei in den kolonialen Überseegebieten: Auf die durch die Leyes Nuevas eingeführten Anhörungen, Beweisführungen und Gerichtsverfahren, mit welchen die Rechtmäßigkeit einer Versklavung überprüft wurde, werde ich im übernächsten Kapitel noch ausführlich zu sprechen kommen. Bezüglich der Verbotspolitik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lassen sich abschließend folgende Punkte festhalten: Die Krone betrachtete die Versklavungen von indios nicht grundsätzlich als ungerechtfertigt. Von der Bahnbrechung einer neuen ethischen Gesinnung zu sprechen, ist folglich übertrieben. Vielmehr waren es konkrete praktische Auswirkungen und Nachteile sowie die unübersichtlichen Auswüchse des Sklavenhandels und illegale Versklavungen, die die Krone zum Erlass von Gesetzen veranlassten. Äquivalent zu den Funktionen der Sklaverei waren auch ihre Dysfunktionen und Nachteile multidimensional: Das Massensterben und die Verschleppung der indigenen Bevölkerung, an denen ihre Versklavung einen großen Anteil hatte, bedingten letztlich auch die Zerstörung der wirtschaftlichen Strukturen der kolonialen Provinzen. Auf militärischer Ebene ermöglichte die Sklaverei nicht nur die schnelle Rekrutierung und Entlohnung von Soldaten: Massenhafte Versklavungen motivierten auch indigene Gruppen zum bewaffneten Widerstand. Die stetig andauernde Jagd nach Sklaven stand letztlich einer dauerhaften Pazifizierung Spanisch-Amerikas im Wege. Auch herrschaftspolitisch hielt die indio-Sklaverei erhebliche Nachteile für die Krone bereit: Die Versklavung der indigenen Bevölkerung bedeutete für die Krone den Verlust von Vasallen. Der Übergang vom Vasallenstatus zum Sklavenstatus und damit in das 320 Vgl. Pietschmann (1980), S. 155 f.; Hausberger (2001), S. 273; ebd. (2005), S. 181; ­Gabbert (2005), S. 83; Jiménez (1986), S. 250 f.; Castro (2007), S. 114 f.

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­ igentum eines kolonialen Akteurs markierte somit auch eine Schwächung E der königlichen Machtbasis. Als solche kann die massenhafte Versklavung von indios durchaus als Teil einer „Neofeudalisierung“ gesehen werden. Zuletzt sprachen auch religiöse und missionspolitische Gründe gegen die Sklaverei: Die Flucht der indios vor Sklaverei und Ausbeutung erschwerte die christliche Mission. Misshandlungen führten gleichzeitig zu einer nachvollziehbaren Abneigung gegenüber dem katholischen Glauben. Zu diesen praktischen Nachteilen gesellten sich nicht zu unterschätzende theologische Bedenken: Die Einschätzungen Zumárragas, Las Casasʼ und anderer hatten durchaus Einfluss auf die Politik Karls V. und bedingten letztlich sicherlich auch die bekannte Formel der „Belastung unseres Gewissens“ (carga de nuestra consciencia). Es zeigt sich folglich, dass es bezüglich der Debatten um die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der indio-Sklaverei keine Dichotomie zwischen ökonomischen, politischen oder militärischen Rechtfertigungen der Sklaverei und theologisch-philosophischen Gegenargumenten gab. Je nach Situation ließen sich die verschiedenen Argumentationsebenen sowohl für als auch gegen die indio-Sklaverei einsetzen. Am augenscheinlichsten wird dies beim Argument der „Entvölkerung“: Für die meisten kolonialen Akteure war die indio-­Sklaverei die Lösung, für andere wiederum einer ihrer Ursachen. Auch religiöse Argumente wurden von beiden Seiten verwendet: Für die Einen erleichterte die Versklavung die Konversion, für die Anderen stand sie dieser im Weg. Die Sklavereiverbote bedeuten dabei bei weitem nicht, dass die Krone die enormen Vorteile der indio-Sklaverei nicht anerkannte. Die Verbote sind angesichts der demographischen Katastrophe und der weiteren Schwierigkeiten eher als eine ultima ratio zu begreifen. Sie waren eine Maximalforderung der Krone im politischen Aushandlungsprozess mit den lokalen Akteuren, die stets nachverhandelt wurde, um einen politischen Kompromiss zu erzielen. Diese politische Gratwanderung der Krone zwischen dem Ausnutzen der Vorteile der Sklaverei und ihrem Verbot wird Thema des folgenden Abschnitts sein. Sklaverei als politische Verhandlungsmasse: Ausnahmen und Kompromisse Verbot die Krone die indio-Sklaverei, konnte sie sicher sein, dass eine umgehende Reaktion der Sklavenhalter und -händler Spanisch-Amerikas erfolgte. Meist geschah dies in Form von Suppliken, in denen mit dem Verweis auf die oben angesprochenen Funktionen der Sklaverei um eine situative Ausnahmeregelung gebeten wurde. So erreichte die Krone nach den Generalverboten von 1530 und 1542 eine Flut von Petitionen und Protestschreiben. Thematisieren möchte ich nun die politische Reaktion der Krone auf die Forderungen der kolonialen Akteure. Die Sklavereipolitik der Krone kam dabei einem ­politischen 4.2

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Manövrieren zwischen der Verbotspolitik und nachträglichen, situativen Ausnahmeregelungen gleich. Einem Sklavereiverbot folgten demnach stets Relativierungen und partielle (oder absolute) Gesetzesrücknahmen, die meist in einem politischen Kompromiss zwischen Krone und kolonialen Akteuren mündete. Wie ich darlegen werde, war die Krone genau darauf bedacht, die Vorteile der Versklavung von indios, vor allem in Kriegszeiten, auszunutzen und gleichzeitig ihre negativen Begleiterscheinungen einzudämmen. Bereits zwei Jahre nach dem Erlass von 1530 relativierte Karl V. zum ersten Mal das Generalverbot der indio-Sklaverei. Angesichts der Aufstände der Apilcingos sowie der alarmierenden Berichte, die über diese am Hof eingetroffen waren, befahl er dem Präsidenten der Audiencia von Mexiko, die Lage zu untersuchen und die schuldigen indios gegebenenfalls zu versklaven.321 Gegen Ende desselben Jahres kam es zu einer weiteren Ausnahme: Die Einwohner der Ortschaften Pueblo Grande, Betonia und Valle de Casto in der Provinz Santa Marta, im Norden des heutigen Kolumbien, hatten berichtet, dass die ­indigene Bevölkerung dieser Gegend sich in offener Rebellion befände und Idolatrie betreibe. Um die Lage unter Kontrolle zu bringen und die Schuldigen zu bestrafen, hatten die Einwohner gebeten, die betroffenen indios versklaven zu dürfen. In seinem Antwortschreiben an den Gouverneur der Provinz, García de Lerma, und den zuständigen Bischof befahl die Krone, Amtsträger in die betroffenen Gebiete zu entsenden, erneut den requerimiento zu verlesen und die rebellischen indios auf friedliche Weise zurück unter die königliche Herrschaft zu bringen. Falls diese in Zukunft von Götzenverehrungen absähen und die christliche Mission zuließen, sollten ihnen sämtliche Verbrechen verziehen und sie wie freie Vasallen der Krone behandelt werden. Sollten sie jedoch nicht auf das Angebot eingehen, so könne der Gouverneur sie mit Recht zu Rebellen erklären und eine guerra a fuego y a sangre anordnen, was die Versklavung aller schuldigen indios mit einschloss.322 321 Siehe auch: S. 243 f. 322 Real Provisión an den Licenciado Toves, Bischof der Provinz Santa Marta, und den Gouverneur García de Lerma vom 10.12.1532: „Por p[ar]te de los v[uest]ros moradores desa d[ic]ha p[ro]bincia nos a sydo h[ec]ho relacion [...] como los yndios del pueblo grande e betonja e el valle de coto q[ue] es todo una p[ro]vincia son rebeldes y no obidientes a n[uest]ra santa fee catholica [...] e por su p[ar]te nos fue suplicado e pedido por md. q[ue] porq[ue] los dic[ho]s yndios fuesen castigados de su rebelion estuviesen en n[uest]ro s[er]vi[ci]o e otros yndios q[ue] lo estan no tuviesen atrebi[miento] [...] les mandasemos dar licencia pa[ra] q[ue] pudiesen hazer guerra a los yndios de los d[ic]hos pueblos a fuego e a sangre e q[ue] los q[ue] asy prendiesen los tuviesen por esclavos.[...] Vos mandamos q[ue] luego q[ue] estaveais bays o ynbieis a los d[ic]hos pueblas e p[ro]vincias sy segura e buenamente pudiere dezyr o enbiar e requirar a los d[ic]hos yndios q[ue] en ella

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Eine ganze Welle an Suppliken traf schließlich im Winter 1532/33 in ­ astilien ein. Als erstes erhielt der Indienrat ein Schreiben im Namen der Insel K Cubagua. Wie im obigen Fall beklagten sich die Supplikanten über einen Aufstand der indigenen Bewohner der umliegenden Inseln und des Festlandes, die sie als c­ aribes bezeichneten. Nachdem ihnen bereits mehrfach, auch durch Übersetzer, der requerimiento verlesen worden war („muchas vezes an sido requeridos“), würden sie noch immer schwerwiegende Verbrechen (graves delitos) begehen. Um diese indios zu bestrafen und sie erneut der königlichen Oberherrschaft zu unterwerfen, baten auch sie die Krone um die Erlaubnis zur guerra a fuego y a sangre, so wie es bis zur Veröffentlichung des Verbotes von 1530 üblich gewesen sei. In seiner Real Cédula vom 8. Januar befahl Karl V. schließlich verschiedenen Amtsträgern auf Cubagua, hierüber Untersuchungen anzustellen und persönlich einen weiteren requerimiento vorzunehmen. Sollten sich die indios in der Folge noch immer im Zustand der Rebellion befinden, überlasse er es der geistlichen Führung der Insel, darüber zu entscheiden, ob Krieg und Versklavungen ohne Beleidigung Gottes („sin ofensa de dios n[uest]ro s[eñor]“) und Belastung für das königliche Gewissen („syn daño de n[uestr]as consciencias“) durchgeführt werden könnten. Falls dies der Fall sei, seien alle in der Vergangenheit erlassenen Sklavereiverbote zu revidieren.323

hallare de n[uest]ra p[ar]te q[ue] luego vengan en n[uest]ro s[er]vi[ci]o e obidiencia e admitan la predicacion de n[uest]ra religion xri[st]iana e dexen de sus ydolatrias e delitos; [...] les perdona n[uest]ros todos eguales e delitos q[ue] ovieren h[ec]ho e cometido. Pa[ra] q[ue] por ello no ir pueda p[ro]curir contra sus p[er]sonas e a vosotros los trateis e faborescais como an n[uest]ros vasallos e si fechas las d[ic]has diligencias con los d[ic] hos yndios no quisieren venir en n[uest]ro s[er]vi[ci]o ni dar lugar a la d[ic]ha predicacion ni apartirse delos d[ic]hos delitos en tal caso de ay adelante es n[uest]ra md. e voluntad q[ue] podais declarar e declareis los d[ic]hos yndios por rebeldes y ynobidientes a n[uest]ra religion xr[isti]ana e como tales se les pueda hazer e hagar guerra a fuego e a sangre e cautibar los d[ic]hos yndios e tomar los por esclavos e venderlos e llevarlos de quisieren e por bien tuvieren con tanto q[ue] no se pueden sacar e vender a las yslas.” AGI, Santa Fe 1174, L. 1, fol. 102v-103v. 323 Real Cédula vom 8.1.1533 an den juez de residencia von Cubagua, Francisco de Prado, das Kloster San Francisco sowie an Francisco de Villacorta, beneficado der Kirche Santiago in Nueva Cadiz: „Sepades q[ue] Juan lopez de cerchuleta n[uest]ro veedor desa ysla e pedro ortiz de matrenco en nombre della nos hiziero[n] relacion por su peticion diziendo q[ue] [...] como los yndios de las yslas e costa de tierra firme a ella comarcanas son rebeldes e ynobidientes a n[uest]ra santa fee catholica e q[ue] aunq[ue] por muchas vezes an sido requeridos asy por lenguas d[e] los xri[sti]anos españoles como con yndios dela tierra q[ue] tengan por bien de venir en conocimi[ento] de n[uest]ra santa fee catholica [...] e se laparten de sus ydolatras e delias e q[ue] vengan en n[uest]ro servicio e dize q[ue] no lo an querido hazer antes perseverando en su rebelion e da nada yntincion quando los

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Nahezu identische Schreiben erhielt die Krone in der Folge von den Inseln Jamaika324 und San Juan325 sowie aus den Provinzen Panama326, Peru327 und Guatemala328. In allen Fällen hatten sich Konquistadoren und Siedler der jeweiligen Provinzen über Aufstände indigener Gruppen beklagt und um eine Erlaubnis zu deren Versklavung gebeten. Die Antworten der Krone fielen wie im obigen Beispiel jeweils sehr ähnlich aus: Sie übertrug die Verantwortung an koloniale Eliten. Gouverneure und Bischöfe sollten in die entsprechenden Provinzen reisen, sich über die Lage vor Ort informieren, einen neuen requerimiento verlesen und danach über die Rechtmäßigkeit der Versklavungen situativ entscheiden. Würde die Entscheidung positiv ausfallen, seien alle vorangegangenen Sklavereiverbote zu ignorieren. In allen Fällen machte die Krone jedoch eine interessante Einschränkung: Sie verbot die Verschleppung der indio-Sklaven aus der Provinz, in der sie versklavt worden waren. So heißt es beispielsweise im Schreiben an Francisco Pizarro, zu dieser Zeit Gouverneur der Provinz Peru:

324 325 326 327 328

vezinos dela d[ic]ha ysla van a sus enquadas y pesquerias los an oferido e cometido delitos graves saliendo los a matar [...] e nos suplicaron y pidieron por mrd. q[ue] porq[ue] los d[ic]hos yndios fuesen castigados de su Rebelion y estuviesen en n[uest]ro servicio [...] les mandasemos dar licencia para q[ue] pudiesen hazer guerra a los d[ic]hos yndios segund e como hasta aqui la solian hazer a fuegos e sangre e q[ue] a los q[ue] asi prendiesen los tuviesen por esclavos.[...] Vos mandamos q[ue] vosotros en persona juntos o el uno de vos es tando los otros absentes o enpedidos vais a los d[ic]hos pueblos [...] e hagais a los yndios dellas el requerimi[ento] [...] e por vosotros vistos podais determinar e determineis si se puede hazer la d[ic]ha guerra e cabtiverio e hallando q[ue] sin ofensa de dios n[uest]ro s[eñor] e syn daño de n[uestr]as conciencias se puede hazer la d[ic]ha guerra e cavtiverio a los d[ic]hos yndios deys lic[enci]a a q[ue] les q[ua]les p[er]sonas pa[ra] q[ue] dando la vosotros en n[uestr]o nonbre se la damos en la q[ue] llos yndios q[ue] asy cabtivaren pueda ser esclavos e se pueda llevar e lleendo quisiere e por bien [...] sin embargo de q[ua]lesq[uieres] n[uest]ras car[tas] e p[ro]biciones q[ue] por ellas ayamos proybido la d[ic]ha guerra e cabtiverio q[ue] en quanto a esto las derogamos e damos por ningunas.” AGI, Santo Domingo 1121, L. 2, fol. 60v-61v. Real Provisión vom 16.2.1530 an den licenciado Gil González de Avila. Ebd., L. 1, fol. 133r-134r. Real Cédula an die Audiencia von Santo Domingo vom 13.9.1533. Ebd. 2280, L. 1, fol. 166r-167r. Real Provisión an den Bischof von Tierra Firme fray Tomás de Berlanga vom 8.3.1533. AGI, Pan. 234, L. 5, fol. 107r-108r. Real Provisión an Hernando Luque, Bischof der Provinz Peru und Francisco Pizarro, ­Gouverneur derselben, vom 8.3.1533. AGI, Lima 565, L. 1, fol. 114v-115v. Real Provisión an den licenciado Marroquín, Bischof von Guatemala, und an den Gouverneur Pedro de Alvarado vom 19.3.1533. AGI, Guatemala 393, L. 1, fol. 86v-87v.

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Wenn Ihr euch vergewissert habt, dass der Krieg mit Gerechtigkeit geführt werden kann, erklärt ihn; wenn Ihr ihn erklärt habt, gewähre ich die Lizenz, dass die Personen, die an diesem Krieg teilnehmen, diejenigen, die sie in diesem gefangen nehmen, zu ihren Sklaven machen dürfen und sie als solche verkaufen dürfen, ungeachtet irgendwelcher vorangegangener Verbote oder Gesetze, in welchen wir Krieg und Sklaverei verboten hatten; in diesem Fall setzen wir sie außer Kraft mit der Einschränkung, dass niemand diese [Sklaven, Anm. d. V.] auf welche Weise auch immer aus der besagten Provinz Peru verschleppen darf.329 Das Verbot, indio-Sklaven aus der jeweiligen Provinz zu exportieren, ist als königliche Antwort auf das dringlichste Problem der indio-Sklaverei zu sehen: Die Entvölkerung der Provinzen, die als Sklavenlieferzonen galten. Mit dieser Teildemobilisierung der Beute bemühte sich die Krone also um einen politischen Kompromiss. Einerseits sollten die Vorteile der Versklavungen – gerade in Anbetracht von Aufständen und Revolten – gewahrt werden. Sklaven blieben folglich die wichtigste Kriegsbeute der Soldaten und dienten somit w ­ eiterhin als deren Bezahlung sowie als Motivation und Anreiz für die Truppenanwerbung. Auch die Straf- und Abschreckungsfunktion der Sklaverei konnte so gewahrt werden. Auf der anderen Seite versprach sich die Krone durch die neuen Einschränkungen der indio-Sklaverei die Abschwächung der mit ihr einhergehenden Schwierigkeiten. Das Verbot der Verschleppung der versklavten indios bewirkte, dass die Soldaten ihre menschliche Beute noch in eben jener Provinz verkaufen mussten, in welcher die Kriegshandlung stattgefunden hatte. Dies bedeutete letztlich eine regionale Begrenzung der Sklaverei. Hiervon erhoffte sich die Krone, die Entvölkerung einzelner Provinzen zu verhindern sowie letztlich auch eine schnellere Befriedung Spanisch-Amerikas. Darüber hinaus richtete sich die Einschränkung offenkundig gegen den kolonialen Sklavenmarkt, der wegen seiner Größe kaum mehr zu kontrollieren war und so die illegale Versklavung friedlicher indios begünstigte. Im Zusammenhang mit der illegalen indio-Sklaverei gab es überdies noch einen anderen Grund, der dafür 329 „Sy vistos os pareciere q[ue] con just[ici]a se les pueden hazer guerra lo declareys ansy e anys declarado por vosotros por la presente damos lic[enci]a qualesquieres p[er]sonas des d[ic]ha t[ie]rra q[ue] puedan hazer la d[ic]ha guerra a los q[ue] en ella prendieren tomarlos por sus esclabos y como a tales venderlos syn enbargo de qualesquieres n[uestr] as cartas e probisyones en q[ue] por ellas ayamos proybido la d[ic]ha guerra e cautiverio q[ue] en quanto a esto las derogamos e anulamos e damos por ningunas con tanto q[ue] no se pueda sacar ni saquen desa d[ic]ha probincia del peru alos unos no los otros no fagados no fagan en e al por alunga manera.” AGI, Lima 565, L. 1, fol. 114v-115v.

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sprach, die Verschleppung der Sklaven zu verbieten: Um einer obrigkeitlichen Konfiskation von illegalen Sklaven zu entgehen, war es übliche Praxis, den betroffenen Sklaven aus dem Jurisdiktionsbereich des untersuchenden Richters zu bringen. Dies geht klar aus einer Real Cédula aus dem Jahr 1547 hervor, in der die Krone erneut die Verschleppung von indio-Sklaven von einer Provinz in die andere verbot. Der Grund hierfür sei, dass Kastilier „indios als Sklaven halten ohne einen „gerechten Titel“ ( justo título) vorweisen zu können und diese, aus Angst dass sie konfisziert werden, wegbringen und verkaufen“330. Als Strafe für eine Zuwiderhandlung waren der Verlust und die Befreiung des Sklaven sowie eine Geldstrafe von 5.000 maravedíes vorgesehen.331 Einmal mehr zeigt sich hier, dass sich die königliche Skepsis gegenüber der Sklaverei nicht gegen die Institution an sich richtete. Karl V. bemühte sich, die Sklaverei als eine wirksame Praktik des („gerechten“) Krieges beizubehalten. Die Auswüchse des kolonialen Sklavenhandels und der unkontrollierten Sklavenrazzien, die für die Entvölkerung der einzelnen Provinzen mitverantwortlich waren und letztlich einem finalen Frieden im Wege standen, galt es ­allerdings zu verhindern. Die Sklavereipolitik der kastilischen Krone ähnelt hier derjenigen, die gegen Ende der guerra de Granada betrieben wurde: ­Nachdem ein Friedensschluss abzusehen respektive erwünscht war, verlor die Sklaverei einige ihrer wesentlichen (Kriegs-)Funktionen und diente in der Folge vor allem als Bedrohungsszenario, das einzelne Gruppen von Aufständischen zur Aufgabe bringen sollte. Ein neues Kapitel der Sklavereigesetzgebung eröffnete sich im Jahr 1534. Im Anblick der großen Menge an Suppliken und der ihnen folgenden Ausnahmeregelungen, entschloss sich Karl V., das Verbot von 1530 ganz offiziell ­aufzuheben. In seiner Real Provisión vom 20. Februar betont er zunächst die erfolgreiche Durchsetzung des Sklavereiverbotes von 1530 („La guarda y observancia de lo contenido en la dicha nuestra carta“). Nun, vier Jahre später, sei er jedoch von „Personen, die mit großem Eifer Gott und uns dienen“ über die negativen Auswirkungen des Verbotes informiert worden. Diese gleichen weitestgehend den bereits erörterten Argumenten der Befürworter der indio-Sklaverei. Dadurch, dass auf die Versklavung der indios im bellum iustum verzichtet worden sei, habe sich die Zahl der indigenen Kriegsopfer sowie 330 „Tienen indios por esclavos sin los tener con justo título y por temer que se los han de quitar si los tienen injustamente, procuran de los traspasar y vender.” AGI, Indif. 424, L. 21, fol. 82. 331 „So pena que el que lo contrario hiciere, haya pertido los tales indios y sean luego dados por libres sin otra declaración alguna, y demás dello incurra en pena de cincuenta mil maravedís para la nuestra cámara y fisco.“ Ebd.

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der ­Hinrichtungen vervielfacht. Hier findet sich also das Argument der Sklaverei als „alternativa a la muerte“, wie es schon in den Siete Partidas prominent aufgeführt ist. Auch habe sich der Wagemut der indios, Widerstand zu leisten („osadía para resistir“) – angesichts der Ermangelung der Sklaverei als Abschreckungs- und Bestrafungsmöglichkeit – gesteigert. Ferner hätten Idolatrie, Gotteslästerung und ähnliches seit dem Verbot wieder zugenommen. Um hier zu einer Lösung zu kommen und um die entstandenen Nachteile zu entschuldigen („para excusar los dichos inconvenientes“), sei die vorliegende Real Provisión erlassen worden.332 Interessant ist an dieser zunächst die einleitende Betonung, die Bestimmungen von 1530 seien gewissenhaft in der kolonialen Praxis durchgesetzt worden. Unabhängig davon, ob dies tatsächlich zutraf, war es der Krone offenbar sehr daran gelegen, nicht den Eindruck zu erwecken, die Gesetzesrücknahme sei infolge mangelnder Durchsetzungskraft vollzogen worden. Politische Fehlentscheidungen hinsichtlich des Inhalts der Bestimmungen räumte sie dagegen vorbehaltslos ein. Dass die Krone es vorzog, inhaltliche Fehler eines Gesetzes zuzugeben – und sich sogar für diese zu entschuldigen – denn Schwierigkeiten bei dessen Umsetzung einzugestehen, verweist auf die enormen Schwierigkeiten der kolonialen Distanzherrschaft. Auch die Real Provisión von 1534 stellte einen sklavereipolitischen Kompromiss dar. Zwar erlaubte die Krone die Versklavung von indios im bellum iustum, jedoch mit einigen entscheidenden Einschränkungen: Die Provisión verbot unter Strafandrohung den Export der indio-Sklaven vom Festland auf die Inseln. Da die meisten indio-Sklaven dieser Zeit von der kolonialen Peripherie, die als noch nicht befriedete Gebiete ideale Sklavenlieferzonen darstellten, auf die Inseln Hispaniola, Kuba oder Cubagua gebracht wurden, kam dies einem Exportverbot gleich, dessen Motive bereits oben angesprochen wurden. 332 Real Provisión vom 29.2.1534: „Somos informados de muchos y las más principales partes de las dichas Indias por cartas y relaciones de dichas personas que tienen buen celo al servicio de Dios y nuestro, que de la guarda y observancia de lo contenido en la dicha nuestra carta y de no se haber fecho esclavos en guerras justas se han seguido más muertes de los naturales de los dichos indios y han tomado ellos mayor osadía para resistir a los cristianos y les hacer guerra, viendo que ninguno dellos era preso, ni tomado por esclavo como antes lo era, y nuestros súbditos cristianos viendo los daños, heridos y muertes que reciben en guerra de los dichos indios y que de los matar a todos ningún beneficio [...] por les haber prohibido lo que de derecho y por leyes de nuestro Reinos está permitido; y asimismo resultaban otras inconvenientes de no se permitir [...] permanecían en la idolataría y otros vicios y costumbres. [...] Acordamos para el remedio de todo ello y para excusar los dichos inconvenientes, debíamos mandar daresta nuestra carta.” AGI, Indif. 422, L. 16, fol. 61v-66v. Ein weiteres Exemplar befindet sich in: AGI, Contr. 5787, n. 1, L. 2, fol. 79r-85r, ediert in: Konetzke: Colección, Nr. 84, S. 153–159, hier 153 f.

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Eine weitere Einschränkung erinnert einmal mehr an die Maßnahmen bezüglich der Versklavung der moriscos: Die Versklavung von Kindern unter vierzehn Jahren wurde verboten. Darüber hinaus sollten auch Frauen, die in Kriegsgefangenschaft gerieten, nicht wie bisher versklavt werden, sondern höchstens als freie naborías in den Haushalten ihrer kastilischen Herren dienen.333 Das Gesetz betraf ferner auch die durch rescate gekauften Sklaven. Dies sei nur in solchen Fällen gestattet, in denen stichhaltig nachgewiesen werden kann, dass die indigenen Sklavenhalter den Sklaven in einem bellum iustum gefangen ­hätten.334 Nicht zuletzt schuf die Krone auch neue administrative Voraussetzungen, die ich im nächsten Kapitel im Detail ansprechen werde. Protestschreiben, Suppliken, situative Verhandlungen, Gesetzesrücknahmen und politische Kompromisse folgten auch dem Sklavereiverbot in den Leyes Nuevas von 1542. Nach den zum Teil heftigen Protesten, die sich der Veröffentlichung der indio-Schutzgesetze anschlossen, kam es in den folgenden Jahrzehnten zu zahlreichen situativen Nachverhandlungen zwischen Krone und kolonialen Akteuren über die rechtmäßige Versklavung von indios. Die Feststellung Henry Kamens, die Krone hätte nach 1542 nur noch ein einziges Mal (nämlich 1608 im Zuge des Krieges in Chile) die indio-Sklaverei formell erlaubt, muss zurückgewiesen werden.335 Die Debatte um die Versklavung 333 „Mandamos que cada y cuando acaeciere que algunos de vos, los nuestro gobernadores y capitanes y otros nuestros súbditos españoles, hiciérdes guerra justa conforme a las ordenanzas e instrucciones por no dadas y acaeciere que en la tal guerra justa fecha por nuestro mandato o por personas que nuestro poder especial para ello tuvieren, prendierdes algunos de los dichos indios, los podáis tener por esclavos y contratarlos como habidos en la guerra justa, con tanto que los indios que así se tomasen por esclavos en cualquier de las provincias de tierra firme, no los puedan sacar a vender ni contratar a las islas de las dichas Indias, ni a alguna dellas; y asímismo que las mujeres que fueren presas en la dicha guerra, ni los niños de catorce años abajo no puedan ser cautivos, pero permitimos y damos licencia a los dichos nuestros gobernadores y capitanes [...] que así prendieren a las dichas mujeres y niños en la dicha guerra, que se pueden servir y sirvan dellos en sus casas por naborías y en otras labores como de personas libres.” Ebd., S. 154 f. 334 „Somos informados que los dichos caciques [...] antes que fuesen sujetos a nos, acostumbran a hacer los esclavos por causas injustas y livianas, lo cual es contra toda razón y derecho natural [...] y mandamos que vos, los dichos nuestros presidentes y oidores [...] vos informéis de las causas por qué los tales caciques e indios han fecho y hacen entre sí esclavos, y en las que hallardes ser justas y conforme a derecho y leyes de nuestro Reinos, les permitid que de aquí adelante lo pueden hacer y no de otra manera alguna [...] y no permitiréis ni daréis lugar que por otra causa alguna se hagan esclavos entre ellos.” Ebd., S. 157 f. 335 Kamen schreibt: „He [Charles V, Anm. d. V.] grappled firmly with the problem in 1542 by a decree that was incorporated in November into the famous New Laws. It was a

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sogenannter caribes war beispielsweise auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch immer aktuell. Ende der Fünfzigerjahre hatte ein gewisser Balthasar García im Namen Hispaniolas um eine königliche Lizenz zur Versklavung der indigenen Bewohner der Inseln Guadeloupe, La Deseada (die heutige La Désirade) und Matinino (vermutlich das heutige Martinique), die alle zu der östlichen Inselkette der Kleinen Antillen zuzurechnen sind, gebeten. Die Begründung hierfür entsprach den üblichen Argumenten: Die Bewohner der Inseln seien caribes, äßen also Menschenfleisch. Sie seien äußerst kriegerisch, überfielen Hispaniola und andere christianisierte Inseln der Großen Antillen und machten ihre Bewohner zu Sklaven. Um dieser Gefahr zu begegnen, sei es zwingend erforderlich, dass sich die Bewohner Hispaniolas bewaffnen und jene caribes bekriegen und versklaven dürfen.336 Nach wie vor wurden also die zentralen Voraussetzungen eines bellum iustum belegt: Verteidigung, Verstöße gegen das Naturrecht und die Behinderung der christlichen Mission. In seinem Antwortschreiben betont Philipp II. zunächst die Leyes Nuevas, nach denen die Versklavung der indigenen Bevölkerung Spanisch-Amerikas im Krieg oder per rescate unter keinen Umständen („por ninguna causa“) erlaubt sei.337 Nichtsdestoweniger zeigte sich die Krone auch in diesem Fall kompromissbereit. Ungeachtet der Verbote erlaubte sie den Bewohnern Hispaniolas, besagte



historic step. Thereafter the Spanish crown formally permitted slavery on only one occasion, when in 1608 it allowed Araucanian ʿrebelsʾ in Chile to be enslaved.” Kamen (2003), S. 124. 336 Real Provisión vom 22.6.1558: „E agora Valtasar garcía en nonbre de la ysla española nos ha echo relacion que en las yslas de guadalupe y matinino y la deseada y otras yslas a ellas comarcanas y en la t[ie]rra firme ay una nacion de yndios que se dizen carives q[ue] hazen gran daño y comen carne umana y que es tanta la sobernia que tienen y gente tan guerrera q[ue] salen a los navios que de la d[ic]ha yslas spañola van y vienen a la t[ie]rra firme y la margarita y otras partes y han tomado algunos dellos y quemado los y captibado alos xri[stia]nos q[ue] en ellos yban y mugeres y frailes y se sirben dellos como esclabos [...] y nos suplicó en el d[ic]ho nonbre diesemos licencia alos v[ezin]os de la d[ic]ha ysla para poder armar y hazer guerra y captivar alos d[ic]has carives.” AGI, Santo Domingo 899, L. 1, fol. 111r-112r. 337 „Don felipe por quanto por las Nuevas leys y hordenancas por nos hechas para el buen govierno dela yndias y buen tratam[iento] de los naturales dellas esta por nos mandado que de aqui adelante por ninguna causa de guerra no otra alguna se puedan hazer esclavos yndios algunos segun [...] un capitulo de las d[ic]has nuevas leyes su thenor del q[ue] les este q[ue] se sigue: Iten ordenamos y mandamos q[ue] de aqui adelante por ninguna causa de guerra ni otra alguna aunque sea so titulo de rebelion ni por rescate ni otra manera no se pueda hazer esclavo yndio alg[un]o y queremos que se an tratados como vasallos n[uest]ros de la corona de castilla como lo son.” Ebd.

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indios zu bekriegen und zu versklaven. Die versklavten indios seien jedoch den Richtern der Audiencia in Santo Domingo vorzuführen, um ihre Abstammung von besagten Inseln zu überprüfen und damit eine illegale Versklavung von ­indios anderer Inseln – betont wird Trinidad – zu verhindern. Auch hier wurden darüber hinaus Frauen und Kinder unter vierzehn explizit von der Sklaverei ausgenommen. Ferner sollte der Präsident der Audiencia jährlich einen Bericht an die Krone schicken, in dem er über die Versklavungen berichtet, um die Umsetzung dieser Beschlüsse sicherzustellen.338 Ein weiteres Beispiel sind die Konflikte mit den indio-Gruppen der Páez und Pijaos, die sich in den Siebziger- und Achtzigerjahren in den Regionen des heutigen Zentralkolumbien zutrugen. 1579 erreichte die Krone ein alarmierendes Schreiben des Gouverneurs der betroffenen Provinz Popayán, das über etliche Gräueltaten jener indios berichtete.339 Ein Jahr später folgte ein detaillierter Brief der oidores der zuständigen Audiencia von Quito: Noch immer befände sich die Provinz im Zustand der Rebellion („una calamidad tan grande para este distrito“), was dazu führe, dass deren Einwohner die Region fluchtartig verließen. Der Verrat (traición), die Grausamkeiten (crueldades), die Morde (muertes), Raubzüge (robos) und Blutbäder (carnecerias publicas) der Pijaos

338 „Por la qual syn embargo de la d[ic]ha ley suso yncorporada damos lic[enc]ia a los vezinos de la d[ic]ha ysla spanola para que les yndios carives q[ue] vinieren a ellos comarcanos despues de la data de la n[uest]ra provision puedan armar contra ellos y hazerles guerra con autoridad del n[uest]ro p[residente] e hoidores de la audiencia rreal de la ysla spañola y con parescer y acuerdo [...] los puedan seguir y hazer guerra y permitimos y thenemos por vien que alos Indios carives q[ue] se cautibaren e[n] la d[ic]ha guerra y fueren presentados ante el d[ic]ho n[uest]ro presidente e oydores y a ellos les constare q[ue] se cabtivaron en ella y siendo les adjudicados por ellos les puedan thener y tengan por esclabos [...] y mandamos al d[ic]ho n[uest]ro presidente e oydores que se ovieren de dar permision para que los v[ezin]os dela d[ic]ha ysla pueden armar y hazer guerra a los d[ic]hos carives sea con muy gran ocassion y que quando los obieren de adjudicar les conste primieram[ent]te de donde son y q[ue] verdaderamente son de aquellas yslas de donde vinieron a hazer los d[ic]hos daños y con que no ajudiquen por esclabos ninunga muger de qualquier hedad q[ue] sea ni a niños de catorze a[ño]s avaxa y queremos y es n[uest]ra voluntad q[ue] esta lic[enci]a que damos para la susod[ic]ha no se entienda para con los yndios de la ysla de la trinidad por quando aquellos no consta y paresces ser carives ni ynfestar ni hazer daño alg[un]o a las otras yslas n[uest]ras y mandamos al d[ic] ho n[uest]ro presidente e oidores q[ue] enbien relacion e[n] cada año al d[ic]ho n[uest] ro c[onsej]o delas Indias de lo que ubieren echo en execucion y cumplim[iento] de lo esta n[uest]ra carta y aviso de los que los d[ic]hos yndios carives hizieren.” Ebd. 339 Carta von Sancho Gaspar de Espinar, Gouverneur Popayáns, vom 25.3.1579. AGI, Quito 8, n. 24.

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und Páez seien überdies in zahlreichen Prozessen nachgewiesen worden.340 Zwar seien vereinzelt schuldige indios zu zwanzig Jahren Sklaverei verurteilt worden, dies wurde jedoch als Strafe für die Verbrechen gegen Gott und Natur als nicht ausreichend empfunden. Darüber hinaus würden sich ausschließlich durch die Erlaubnis der Versklavung jener indios genügend Soldaten finden, die dem Aufstand ein schnelles Ende bereiten würden.341 Um die Provinz zu sichern, bedürfe es – so die Richter der Audiencia – eines letzten Beschlusses (ultima resolución): Die Krone sollte eine Real Cédula erlassen, die alle Pijaos und Páez zu Sklaven erklärt.342 Noch im November desselben Jahres gestattete die Krone der Audiencia von Quito, die Pijaos und Páez wegen ihrer Rebellion, der Anthropophagie, der Morde und Raubzüge zu Sklaven zu erklären.343 Ganz ähnlich verhielt es sich auch mit dem bekanntesten Konflikt, der sich im 16. Jahrhundert zwischen Kastiliern und Indigenen in Spanisch-Amerika zutrug: Der sogenannte „Chichimeca-Krieg“.344 Seit der Eroberung Tenochtit­ lans war der Norden des heutigen Mexikos ein steter Unruheherd. Schon 1531 führte der bekannte Konquistador und erste Präsident der Audiencia Mexikos, Nuño Beltrán de Guzmán, die sogenannte guerra de Jalisco.345 Aufgrund der großen Menge an versklavten indios bezeichnet Carillo Cázares Guzmán 340 Carta der oidores der Audiencia von Quito an die Krone vom 20.2.1580. „El estado de los paez y pijaos a v[uest]ra M. entendido por el g[overnad]or de popayan acerca del qual conviene dar q[uen]ta a v. m. de lo suscedido asido una calamidad tan grande para este distrito; [...] despoblacen de moradores tan crueles y ynumanos cuyas traiciónes crueldades muertes rrobos carnecerias publicas desombres ya a v. m. le es notoria y consta por muchos y acuerdos procesos que se an hecho sobre este particular.” Ebd. 341 „Y ansi se dieron por esclavos por vente años que no avia de ser sino para siempre y que hijos e decendientes de tan ynumano cruel y ynjusta gente sintieran la pena de tantas maldades que an cometido contra dios n[uest]ro señor y contra las leyes de naturaleza. [...] Pues con solo dexarlos por esclavos y dexarlos cautivar oviera soldados q[ue] los del poblaran y cautivaran y esparzieron y acabaran una nacion traidora ladrona comedora de carne humana y no asad ni cocida sino cruda.” Ebd. 342 „Q[ue] los v[uest]ros subditos vezinos mercaderes y viandantes rresaben de que se agravian que es cossa lamentable a tomado una ultima resolucion que si el governador a su costa. [...] V. m. diere cedula para que todos los yndios paez pijaos toribios sean esclavos.” Ebd. 343 Real Cédula vom 1.11.1580: „Por la la carta [...] referís los muchos daños, muertes y robos que hacen los indios Pijaos y los Paeces, los cuales decís comen carne humana [...] mandásemos dar por esclavos por tiempo limitado o perpetuamente.” AGI, Santa Fe 528, L. 1, fol. 64, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 396, S. 531. 344 Eine Episode aus diesem Konflikt – den Feldzug Pedro de Ahumada Sámonas und dessen Argumente für eine Versklavung der indigenen Feinde – habe ich bereits erläutert. Siehe: S. 244–246. 345 Vgl. Gerhard (1993), S. 5 f.; Carillo Cázares (2000), S. 44; Zavala (1967), S. 53.

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auch als „vielleicht aktivsten Befürworter der Sklaverei“346. Auch als rund zehn Jahre später der „Mixtón-Krieg“ in der neugeschaffenen Provinz Nueva Galicia ausbrach, ordnete Vizekönig Antonio de Mendoza umgehend eine guerra a fuego y a sangre an und förderte somit auch aktiv die Versklavung der aufständischen indios.347 Von nun an bis zum Ende des „Chichimeca-Krieges“ im ausgehenden 16. Jahrhundert war die Sklaverei im politischen und theologischen Diskurs omnipräsent. 1544 kam es in Mexiko-Stadt zu einer ersten groß angelegten junta unter dem ersten Bischof Nueva Galicias, Pedro Gómez de Maraver (1548–1551). Nicht zuletzt um den sozialen Frieden nach der Veröffentlichung der umstrittenen Leyes Nuevas zu wahren, sprach sich der Bischof explizit für eine militärische Offensive einschließlich der Sklaverei aus.348 Als zu Beginn der Fünfzigerjahre der „Chichimeca-Krieg“ ausbrach, häuften sich erneut Petitionen an die Krone, die eine härtere Vorgehensweise gegen die aufständischen indios forderten.349 Im Jahr 1551 kam es deshalb zu einer Visitation der Provinz unter Hernán Martínez de la Marcha. Dieser kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Versklavung der Zacatecas, Guachichiles und anderer indigener Gemeinden angebracht sei.350 Nachdem sich das Kriegsgeschehen über die folgenden Jahre weiter radikalisiert hatte, ohne dass sich jedoch ein Ende des Konfliktes abzeichnete, rief Vizekönig Don Martín Enríquez Vertreter der drei großen Orden (Dominikaner, Franziskaner, Augustiner) im Jahr 1568 zu einer weiteren junta in die Hauptstadt. Während sich lediglich die Dominikaner gegen eine Erweiterung des Kriegs und die Sklaverei aussprachen, war es der Augustinermönch Guillermo de Santa Maria, dessen Vorschlag die Krone letztlich befolgte. Es handelte sich auch hier um einen politisch ausgehandelten Kompromiss, der einen Mittelweg zwischen den Extrempositionen der junta darstellte: Frauen und Kinder seien demnach von der Sklaverei zu verschonen. Alle weiteren schuldigen indios dürften für die Dauer von drei Jahren versklavt werden.351 Dieser Kompromiss einer zeitlich limitierten Sklaverei setzte sich im Laufe des Krieges allmählich durch. Da sich das Kriegsgeschehen bis in die Achtzigerjahre allerdings erneut verschärfte, wurde die Zeitspanne der Sklaverei sukzessive erweitert. 1573 etwa betrug die maximal zulässige Dauer der Sklaverei dreizehn Jahre.352 Letztlich blieb die Sklaverei – wenn auch teilweise zeitlich begrenzt – in den Siebziger- und Achtzigerjahren des 16. Jahrhunderts 346 „Fue quizás el más activo promotor del esclavismo.“ Carillo Cázares (2000), S. 155. 347 Vgl. Gerhard (1993), S. 6 f.; Powell (1975), S. 3–15. 348 Vgl. Carillo Cázares (2000), S. 47. 349 Vgl. ebd., S. 55. 350 Vgl. ebd., S. 137; Powell (1975), S. 57–72. 351 Vgl. Carillo Cázares (2000), S. 56 f.; Powell (1975), S. 73–101; Gerhard (1993), S. 7. 352 Powell (1975), S. 106.

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die Hauptantwort auf Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Besoldung von Söldnern. Zusammenfassend lassen sich somit für den vorliegenden Abschnitt folgende Punkte festhalten: Die Sklavereiverbote der Krone zielten letztlich wohl kaum auf ein Generalverbot der indio-Sklaverei ab. Ihre Intention war vielmehr, die königliche Verhandlungsposition im politischen Prozess zu verbessern. Die Verbote stellten somit Maximalforderungen der Krone dar, die anschließend in komplexen Verfahren nachverhandelt wurden. Einem königlichen Sklavereiverbot folgten somit stets Suppliken und Petitionen der betroffenen ­Sklavenhalter, die wiederum in Gesetzesrücknahmen, Ausnahmen und situativen Kompromissen mündeten. Die Beibehaltung der Sklaverei als zentrale Praxis des „gerechten Krieges“ lag auch im Interesse der Krone, insbesondere angesichts indigener Revolten und Aufstände. Speziell in Friedenszeiten und bei Fällen illegaler Versklavungen galt es jedoch, ihre negativen Begleiterscheinungen einzugrenzen. Um diese politische Gratwanderung zu vollziehen, war die Krone gezwungen, Kompromisse einzugehen: Eine Teildemobilisierung der menschlichen Beute, das Verbot der Versklavung von Frauen und Kindern sowie eine zeitlich begrenzte Form der Sklaverei sollten den militärischen, ökonomischen und (herrschafts-)politischen Notwendigkeiten der Sklaverei Rechnung tragen und gleichzeitig ihre geschilderten Nachteile einschränken. 4.3 Administrative Kontrollversuche Einhergehend mit einer forcierten Sklavereipolitik Ende der Zwanzigerjahre des 16. Jahrhunderts verfolgte die Krone noch eine weitere Möglichkeit, Einfluss auf die lokalen politischen Prozesse zu nehmen: der sukzessive Aufbau administrativer Strukturen und die Entwicklung und Institutionalisierung spezifischer Praktiken der Sklaverei. Diese dienten nicht nur der bloßen Umsetzung der Sklavereiverbote. Ein engerer administrativer Zugriff auf die Praktiken der Sklaverei sollte ganz grundsätzlich den königlichen Einfluss auf politische Prozesse fernab des Hofes ermöglichen. Neben der Umsetzung der ausgehandelten Kompromisse ging es um eine Begrenzung des ausufernden Sklavenhandels, um die Verhinderung illegaler Versklavungen, um die Erhebung von Steuern, um eine längerfristige Wirtschafts- und Siedlungspolitik sowie nicht zuletzt – wie auch während der guerra de Granada – um einen Eingriff in die eigenständige Distribution von Kriegsbeute durch die Soldaten. Um dies sicherzustellen, bedienten sich die Krone und ihre kolonialen Stellvertreter verschiedener Praktiken und Verfahren: Eine erhöhte Schriftlichkeit, das Anlegen von Registerbänden, Praktiken wie die Brandmarkung, Befragungen, Visitationen und Gerichtsverfahren zur Überprüfung rechtmäßiger

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Sklaverei sowie Amtsernennungen und verstärkte Bemühungen zur Schaffung von mehr Rechtssicherheit sind Ausdruck dieser Entwicklung. Es gilt somit zunächst aufzuzeigen, welche administrativen Handlungsmöglichkeiten der Krone zur Verfügung standen. Ferner, wie diese umgesetzt wurden und mit welchen Schwierigkeiten hier gerechnet werden musste. Hierzu möchte ich in zwei Schritten vorgehen: Als Erstes wird es um administrative Praktiken und Verfahren gehen, die direkt mit der Versklavung eines spezifischen, indigenen Gefangenen in Verbindung standen. In einem zweiten Schritt werde ich auf Entwicklungen eingehen, die das System der Sklaverei im Ganzen betrafen. Eine interessante Praktik, die bereits vor der eigentlichen Versklavung angelegt war, habe ich bereits in einem Vorkapitel angesprochen: Den requerimiento.353 Als verschriftlichte Legitimation der Versklavungen spielte er eine prominente Rolle als administrative Instanz. Generationen von Konquistadoren, Söldnern und Sklavenfängern rechtfertigten ihre Versklavungen durch den Umstand, den requerimiento formal korrekt durchgeführt zu haben. Die theologisch-juristische Basis war zwar der bellum iustum, es galt jedoch offenbar die Legitimation der Sklaverei durch Verfahren wir den requerimiento stets zu reproduzieren. Wurde die Rechtmäßigkeit der Versklavung spezifischer i­ndios in Zweifel gezogen, war er zudem häufig ein Teil der königlichen Problem­ lösung: Koloniale Autoritäten sollten die besagten Gebiete, in welchen die zu versklavenden indios lebten, bereisen und dort erneut einen requerimiento verlesen. Bei dessen Nichtbeachtung durch die betroffenen indios galt deren Versklavung als legitim.354 Der requerimiento ist folglich auch als adminis­ trative Strategie zu verstehen, die die Führung eines „gerechten Krieges“ und somit die Sklaverei schriftlich fixieren sollte. Er ist als solches nicht nur eine Drohgebärde gegenüber den indigenen Feinden oder ein Schriftstück, das die Konquistadoren an eine monarchische und missionarische Ordnung erinnern sollte. Vielmehr war er auch eine administrative Instanz, die den Beginn eines „gerechten Krieges“ und damit die Grenze zwischen illegalen und legalen Versklavungen markierte. In Bezug auf die indio-Sklaverei diente der Satz „wir nehmen euch und eure Frauen und Kinder und machen sie zu Sklaven und 353 Siehe: S. 205–207. 354 Quellenbeispiele für königliche Befehle dieser Art finden sich zuhauf. So befahl die Krone dem Bischof von Guatemala am 19.3.1533, vor der Versklavung einiger „caciques de guerra“ einen erneuten requerimiento durch „glaubwürdige Übersetzer“ verlesen zu lassen. AGI, Guatemala 393, L. 1, fol. 86v-87v. Viele ähnliche Befehlsschreiben an lokale Autoritäten finden sich etwa in: AGI, Santo Domingo 1121, L. 2, fol. 60v-61v; ebd., L. 1, fol. 133r-134r; ebd., Pan. 234, L. 5, fol. 107r-108r; ebd., Lima 565, L. 1, fol. 114v-115v.

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verkaufen sie als solche“355 also zum einen der Legitimation der zukünftigen Versklavungen, insbesondere falls im Nachhinein Beschwerden aufkommen sollten. Zum anderen stellte er eine Möglichkeit dar, die beteiligten Soldaten in schriftlicher und performativer Form zu erinnern, wann die Versklavung von indios erlaubt war und wann nicht. Die administrativen Praktiken, die zur Verhinderung illegaler Sklaverei und zur Feststellung eines legitimen Sklavenstatus in Spanisch-Amerika zur Verfügung standen, orientierten sich in der Regel an jenen der „Alten Welt“. Gerichtsverfahren und Anhörungen, die vor der offiziellen Überführung in einen rechtmäßigen Sklavenstatus stattfanden, galten in den iberischen Städten bereits einige Jahrhunderte zuvor als weitgehend institutionalisiert.356 Um die Anwendung solcher Praktiken in ihren Kolonien war die Krone spätestens seit den ausgehenden Zwanzigerjahren des 16. Jahrhunderts bemüht. In einer Real Provisión vom September 1528 an die beiden Audiencias in Übersee hieß es entsprechend: Wir sind davon in Kenntnis gesetzt worden, dass viele indios ungerechterweise durch unsere christlichen Untertanen sowie durch Eingeborene und andere Personen, die sich auf jenen Inseln und in jenen Ländern aufhalten und Handel treiben, gefangen genommen wurden und werden und als Sklaven besessen und als solche behandelt werden.357 Um dies in Zukunft zu verhindern und ein geregeltes Verfahren zur Herstellung von überprüfbarer Rechtmäßigkeit zu installieren, sollten alle Sklavenbesitzer – egal welchen Standes – in Zukunft vor offiziellen königlichen Amtsträgern Angaben zur Herkunft der betroffenen Sklaven machen: Wir befehlen, dass von nun an alle Personen, von welchem Stand und Bedeutung sie auch seien, die indios besitzen und behaupten diese seien 355 „Tomaremos v[uestr]as personas y de v[uest]ras mugeres e hijos y los haremos esclabos y como tales los benderemos.” Aus einem requerimiento, der 1533 in Peru aufgesetzt und vor der Versklavung einer Gruppe von caribes verlesen wurde. AGI, Lima 565, L. 1, fol. 122v-124v. 356 Vgl. etwa die presentaciones von Gefangenen vor dem batle general in Valencia. Siehe: Kap. 2.2.2. 357 Real Provisión an die Audiencias von Neuspanien und Hispaniola vom 19.9.1528: „Somos informados q[ue] muchos indios an sido y son cativados ynjustamente p[or] los xristianos n[uestr]os subditos y naturales e otras p[er]sonas estants en esas yslas e t[ie]rras e tratants en ellas y p[or] los poder tener p[or] esclavos y q[ue] sean avidos por tales.“ AGI, Indif. 421, L. 13, fol. 375v-376r.

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einem gerechten Titel gemäß ihre Sklaven, dazu verpflichtet sind, diese an jenem Ort, an dem sich unsere Amtmänner befinden, vorzuzeigen und einen Besitztitel vorzulegen und den Grund, warum jene gefangen wurden, anzugeben.358 Ähnliche Befehle finden sich in den Folgejahren oft.359 Die Präsentation des Gefangenen vor einem offiziellen Amtsträger zur Sicherstellung seiner rechtmäßigen Versklavung im Rahmen eines bellum iustum ist mit den gängigen – bereits erläuterten – Verfahren auf der Iberischen Halbinsel nahezu ­identisch. Diejenige Person, die den betroffenen indio gefangen genommen hatte oder diesen von einer dritten Person erhalten hatte, war entsprechend dazu aufgefordert, die Herkunft des Gefangenen aus einem „gerechten Krieg“ gerichtlich zu beweisen (manifestar). Hierzu wurde in der Regel der Gefangene ­vernommen, Zeugen wurden befragt und Kaufverträge konsultiert. Konnte die Gefangennahme in einem bellum iustum einwandfrei belegt werden, wurde der betroffene indio offiziell in den Sklavenstatus überführt; eine administrative Praxis, die nicht nur die Rechtmäßigkeit der Sklaverei feststellte, sondern auch eine einigermaßen zentralisierte Abführung des quinto ermöglichte. Was für Kriegsgefangene galt, war auch im Falle der per rescate-Kauf erworbenen Sklaven obligatorisch. 1533 gewährte Karl V. den Siedlern, Konquistadoren und Bewohnern der Provinz Peru, Sklaven von lokalen Kaziken zu kaufen (rescatar), falls diese rechtmäßig ( justamente) versklavt worden waren.360 Um diesen Status zu ermitteln, unterlag der rescate-Kauf folgender Bedingung: Alle Sklaven mussten vom Bischof der Provinz einer genauen Überprüfung (averiguación) unterzogen werden, bei der überdies der Provinzgouverneur sowie ein Kleriker in möglichst fortgeschrittenem Alter zu Rate gezogen werden sollten. Grundlage der Ermittlungen sollte auch hier eine Aussage (confesión) des

358 „Mandamos q[ue] agora ni de para adelante todas e qualesquieres p[er]sonas de quales estado e calidad e condicion q[ue] sean y tuvieren algunos Indios q[ue] pretendan ser esclavos avidos con justo titulo se an thenidos e obligados de los manifestar y asentarlo en el lugar donde estuvieren n[uest]ros oficiales y mestren el titulo e causa q[ue] tienen pa[ra] ser cativos.” Ebd. 359 Real Provisión vom 28.11.1528. AGI, Patr. 180, r. 21, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 57, S. 109. Ebenso die Real Cédula an die Audiencia von Neuspanien vom 24.8.1529. AGI, Méx. 1088, L. 1, 61v-64v. 360 Real Provisión vom 8.3.1533: „Damos licencia y facultad los pobladores e conquistadores des t[ie]rra e v[ecino]s e moradores della para q[ue] podays conprar rescatar e aver los esclabos q[ue] los caciques desa d[ic]ha t[ie]rra tubieren justamente por esclavbos.” AGI, Lima 565, L. 1, fol. 106r-v.

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­betroffenen Sklaven sein sowie andere, leider nicht weiter spezifizierte Praktiken (maneras), falls sie angebracht seien.361 Die Forcierung von Schriftlichkeit war ein zweiter Schritt, um das System der Sklaverei administrativ zugänglich zu machen. Wurde die Beweislage durch die zuständige Stelle für ausreichend befunden, leitete man diese Einschätzung an einen Notar (escribano) weiter. Dieser war in der Folge dafür zuständig, den für rechtmäßig befundenen Sklaven in ein offizielles Register einzutragen, in dem Name, Herkunft und die Ursache der Versklavung festgehalten wurden. Erst nach dieser schriftlichen Fixierung des gesetzmäßigen Sklavenstatus wurde der Gefangene in einem formellen Akt zum Sklaven erklärt („pronunciar por esclavo“).362 Um die Kontrolle über den kolonialen Sklavenmarkt zu erhalten, um illegale Sklaverei zu bekämpfen und die Besteuerung sicherzustellen, war eine erhöhte Schriftlichkeit von wesentlicher Bedeutung. Daher verwundert es kaum, dass der erste obrigkeitliche Befehl in Fällen groß angelegter – und vor allem legitimatorisch zweifelhafter – Versklavungen meist lautete, ein offizielles Register anzulegen. Nachdem beispielsweise im Bistum Peru im Jahr 1539 zahlreiche aufständische Indigene versklavt worden waren, erging an den lokalen Gouverneur umgehend der Befehl, Namen und Herkunft sämtlicher Sklaven in einem Verzeichnis (matrícula) zu registrieren.363 Sollten die Versklavungen im Nachhinein doch noch für illegal befunden werden, war es so theoretisch möglich, die betroffenen Sklaven ausfindig zu machen und zu befreien. Eine Praxis, die vergleichsweise hohes politisches Konfliktpotential in sich trug, war die Brandmarkung von Sklaven. Auch hierbei handelt es sich um eine Vorgehensweise, die bereits auf der Iberischen Halbinsel populär war 361 „Y el obispo della e q[ue] la aberiguacion de sy son verdaderamente esclabos delos d[ic] hos caciques o no la haya de hazer y haga el n[uest]ro governador des d[ic]ha t[ie]rra y el ubiera della y un religioso o clerigo mas antiguo de los q[ue] resydieren en esa d[ich] a t[ie]rra a los quales mandamos q[ue] entiendan en la d[ic]ha aberiguacion ansy por confesyon d[e] los d[ic]hos esclabos q[ue] ansy se recataren y conformen como por todas las maneras q[ue] mas vieren q[ue] convengan pa[ra] la d[ic]ha aberiguacion.” Ebd. 362 Diese vorgeschriebene Rechtspraxis geht aus einer Real Provisión aus dem Jahr 1528 hervor: „Y que de scripto y asentado en el rregistro del escribaño ante quien pasare le presentaré el qual le desde de la declaración que la tal justicia hiziere en que le pronunce por esclavo.” AGI, Patr. 180, r. 21, ediert in: Konetzke: Colección 1, Nr. 57, S. 109. Weitere Beispiele finden sich oft, etwa in der Real Cédula an die Audiencia von Neuspanien vom 28.8.1529. AGI, Méx. 1088, L. 1, 61v-64v. 363 Real Cédula vom 8.11.1539: „Hagays cunplir e[n] una matricula todos los yndios q[ue] se covieren d[ich]os sclavos e[n] esa d[ic]ha p[ro]vincia pronjendo e[n] ella sus nonbres e su naturaleza.” AGI, Lima 565, L. 3, fol. 134r-v.

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und in der historischen Forschung eine ganze Kontroverse nach sich zog.364 Ihre prominente Stellung innerhalb der spanischen Sklavereigeschichtsschreibung verdankt jene Praxis unter anderem der Tatsache, dass sie bereits im berühmten, 1611 von Sebastián de Covarrubias veröffentlichten „Tesoro de la lengua Castellana o Española“ erläutert wird. Im Artikel „esclavo“ heißt es bereits im zweiten Satz, dass es üblich sei, flüchtigen oder aufsässigen Sklaven die Buchstaben „S“ und „I“ auf die Wangen zu brennen. Ob dies als Abkürzung für das lateinische „Sine Iure“ („ohne Recht“) stand oder das „I“ eigentlich die Zeichnung eines Nagels ist („Nagel“ bedeutet auf Kastilisch „clavo“ und kann entsprechend mit dem „S“ zu „esclavo“ zusammengesetzt werden), wird dabei nicht abschließend geklärt.365 Feststeht dagegen, dass die Kennzeichnung nicht nur als Strafe für geflohene Sklaven diente, sondern vor allem den Sklavenstatus der gebrandmarkten Person öffentlich machen sollte. Umstritten ist die gesellschaftliche Bedeutung dieser Praxis. Während Gómez García für Málaga feststellt, dass knapp fünfzig Prozent aller Sklaven gebrandmarkt waren366, merkt Martín Casares an, dass die Brandmarkung keineswegs die Norm gewesen sei.367 Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass keine offizielle Regulierung dieser Praxis bekannt ist.368 Das Gegenteil kann interessanterweise für die Sklaverei in Spanisch-Amerika konstatiert werden. Mit indirektem Bezug zur Praxis der Iberischen Halbinsel finden sich über das gesamte 16. Jahrhundert verteilt genaueste königliche Handlungsanweisungen, um den Umgang mit der Brandmarkung von Sklaven zu regeln. Den Anfang machte eine Real Provisión im September 1528. Um die illegale Versklavung von indios einzudämmen, verbot sie erstmals das private Brandmarken. Das königliche Gesetz sah entsprechend vor, dass rechtmäßige, von der Justiz offiziell zu Sklaven erklärte Personen nur in Anwesenheit königlicher Offizieller gebrandmarkt werden durften. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass es sich um ein wiedererkennbares und einheitliches Brandzeichen handelt, das allerdings nicht weiter spezifiziert wurde. Benzoni berichtet diesbezüglich, 364 Diese Kontroverse stand in engem Zusammenhang mit der Frage nach dem Grad der Animalisierung der Sklaven in der iberischen Gesellschaft. Vgl. Stella (1992); Franco Silva (1979), S. 213. 365 „Algunos quieren se haya dicho del hierro que les ponen a los fugitivos y discolos en ambos carrillos de la S. y del clavo, pero yo entiendo ser dos letras S. y I. que parece clavo [...] y valé tanto, como Sine Iure.” Covarrubias: Tesoro, S. 811 f. 366 Gómez García (1993), S. 23. Hierzu siehe auch Stella (1992), S. 147–163. Weiterhin entsprechen dieser Ansicht vor allem Pike (1967), S. 348; Cortés López (1981), S. 121. 367 Für Granada gibt sie die Anzahl der gebrandmarkten Sklaven mir nur 5,3 Prozent an. Martín Casares (2000a), S. 392 f. 368 Vgl. Graullera Sanz (1978), S. 120; Gómez García (1993), S. 25.

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dass indio-Sklaven auf der Insel Cubagua mit dem Buchstaben „C“ im Gesicht und auf den Armen gebrandmarkt wurden. Geht es nach dem Herausgeber und Übersetzer des Werkes Benzonis, W. H. Smyth, stand dieses eindeutig für den Anfangsbuchstaben des kastilischen Königs Carlos I (Karl V.).369 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass jener Buchstabe für „Cubagua“ stand und sich somit auf den Ort der Brandmarkung bezog. Entsprechend wurden Sklaven in der Provinz Venezuela mit einem „V“ gebrandmarkt.370 Um die rechtmäßige Durchführung dieser Praxis zu gewährleisten, wurde die Einführung eines offiziellen, königlichen Brandeisens bestimmt, das sich zu jeder Zeit ausschließlich im Besitz der lokalen Justiz befinden sollte. Betrug wurde in diesem Zusammenhang unter empfindliche Strafen gestellt: Sollte das offizielle Brandeisen bei einer Privatperson gefunden oder ein Sklave auf eine andere Weise gebrandmarkt werden, wurde der betroffene Sklave befreit und eine Geldstrafe in Höhe der Hälfte des Gesamtvermögens des Delinquenten verhängt. Dem Denunzianten des Verbrechens stand überdies die Hälfte des Wertes des Sklaven zu; ein Umstand, der dem für jene Zeit typischen inquisitorischen Rechtsprinzip geschuldet war.371 Da sich die Beschwerden über Betrug bei den Brandmarkungen häuften, konkretisierte die Krone die einzuhaltende Praxis ein Jahr später in einer Real Cédula an die Audiencia Neuspaniens: Um nun unser Gewissen zu entlasten, um höhere Einkünfte zu erzielen und um zu verhindern, dass es bei der Brandmarkung besagter Sklaven 369 „The slaves are all marked in the face and on the arms by a hot iron with the mark of C.“ Benzoni: History, S. 11. Smyth merkt hierzu an: „The letter C, with which the wretched slaves were branded, was doubtless the initial of Charles V.“ Ebd., fn. 1. 370 „Sean herrados de la marca de esta provincia que es una V griega con fuego.” Zit. nach Grosshaupt (1987), S. 300. Lockhart merkt wiederum an, dass Sklaven in Peru mit dem Buchstaben „R“ für Rey (König) gebrandmarkt wurden. Lockhart (1968), S. 200. 371 Real Provisión vom 19.9.1528: „E si el dueno o el quisiere herra[r]lle po[r] tal esclavo no lo pueda hazer ni haga po[r] su avtoridad sino con licencia y po[r] mandado de la d[ic]ha juste y con hierro y señal conosada el q[ua]l hierro con la d[ic]ha senal o marca aya destar y este en poder dela d[ic]ha n[uest]ra just[ici]a y no de otra p[er]sona alguna. So pena q[ue] si el d[ic]ho hierro fuere hallado en poder de alguna p[er]sona p[er] traclada o se supiere q[ue] hierra algun p[or] esclavo con otro hierro o sin licencia dela d[ic]ha n[uest] ro juste haya e yncurra q[ue] perdimiento dela mitad de sus bienes para n[uest]ra camara e fisco aya perdido el esclavo q[ue] asi oviere herrado de otra man[er]a e orden dela forma e orden [...] y se ala mitad del valor del d[ic]ho esclavo pa[ra] el q[ue] lo delator e la otra mitad para el juez q[ue] los entenare.” AGI, Indif. 421, L. 13, fol. 375v-376r. Zur Denunziation und Vigilanz als inquisitorisches Rechtsprinzip vgl. Kabus (2000); Contreras (1997), S. 17–26; Peyre (2001); Kamen (1997b), S. 175–179; Rawlings (2005), S. 30–32; Brendecke (2009), S. 51 f.

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zu Täuschung und Betrug mit dem Brandeisen kommt, haben wir beschlossen, dass das besagte Brandeisen in einer Truhe mit zwei Schlössern und zwei verschiedenen Schlüsseln verwahrt werden muss; den ­einen Schlüssel soll der Priester Juan de Zúmarraga, Bischof von Mexiko, an seinem Residenzort behalten […]; den anderen die Justiz dort, wo sich das Brandeisen befindet.372 Die Motive dieses verstärkten königlichen Eingriffs in die Praktiken der Versklavung zeigen sich deutlich: Zum einen handelt es sich um rechtliche, möglicherweise auch um religiöse Bedenken („descargo de nuestra consciencia“), die die illegale Versklavung von indios de paz betrafen und bereits im Kapitel zu den Dysfunktionen der indio-Sklaverei besprochen wurden; zum anderen um eine administrative Strategie gegen Steuerbetrug. Da die Erhebung der Steuern auf Sklaven in einem Zuge mit der Deklaration des Sklavenstatus durch den Richter und der offiziellen Brandmarkung durchgeführt wurde, entgingen der Krone durch jede Form der privaten, illegalen oder betrügerischen Brandmarkung Einkünfte (recaudo). Befehle über das Vorgehen mit dem königlichen Brandeisen gingen dabei nicht nur an die Audiencia in Neuspanien. Die königlichen Vertreter auf der Insel Cubagua etwa erhielten im Dezember 1533 eine ganz ähnliche Cédula. Auch aus dieser geht hervor, dass sich das offizielle Brandeisen in einer Truhe mit verschiedenen Schlössern befand. In diesem Fall handelte es sich um drei Schlüssel, die sich in der Obhut der königlichen Justiz, des Vikars des Klosters San Francisco sowie eines gewissen Francisco de Villacorta, Benefiziat der Kirche Santiago in der Inselhauptstadt Nueva Cádiz, befinden sollten.373 372 Real Cédula vom 24.8.1529: „Y agora para descargo de nuestra conciencias y para que mejor recaudo [...] y en el herrar de los d[ic]hos esclavos no pueda aver fraude ni engaño e seguar delo contenido en la d[ic]ha n[uest]ra provision [...] avemos acordado q[ue] el d[ic]ho hierro este en un arca de dos cerraduras con dos llaves diferentes la una de la otra, las cuales tengan la una el R[everen]do en xr[ist]o padre fray Juan de cumarraga ob[is]po de mexico en el lugar donde residiere [...] la otra la just[ici]a del lugar donde estuviese el d[ic]ho hierro.” AGI, Méx. 1088, L. 1, 61v-64v. Wiederholt wurden diese Bestimmungen in den Folgejahrzehnten häufiger: So etwa in einer Real Cédula vom 13.1.1532. AGI, Indif. 422, L. 15, fol. 104v-105r; und in einer weiteren Cédula vom 6.8.1544. Ebd. 427, L. 30, fol. 20v-21v. 373 Real Cédula vom 30.12.1530: „N[uest]ros officiales de la ysla de cubagua yo e sydo ynformada q[ue] el yerro con q[ue] hasta aqui se señalavan los yndios q[ue] se pronunciavan en essa tierra por esclavos esta en v[uest]ro poder en casca delas tres llaves y porq[ue] n[uest]ra mrd. e voluntad es q[ue] lo d[ic]ho yerro este a parte en un casca de tress llaves las quales tengan en esta man[er]a la n[uest]ra Justicia q[ue] es o fuere desa ysla e la otra el guardian del monast[er]io de sant fran[cisco] della e la otra a fran[cisco] de villacorta

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Anhand dieser kurzen Beispiele wird klar, dass die Brandmarkung der indigenen Sklaven in Spanisch-Amerika einen ungleich höheren politischen Stellenwert besaß als in Kastilien selbst. Grundlegend war die öffentliche Sichtbarmachung von illegalen respektive rechtmäßig versklavten Perso­ nen durch eine administrative Systematisierung der Brandmarkungen in ­Spanisch-Amerika. In Kastilien hingegen war eine solche optische Abgrenzung nur partiell notwendig. Subsaharische Sklaven wurden etwa nicht gebrandmarkt, da ihre dunkle Hautfarbe bereits ausreichte, um sie als Sklaven zu stigmatisieren.374 Um illegale Versklavungen zu bekämpfen und die Besteuerung der Sklaven zu kontrollieren, war die königlich lizensierte Brandmarkung ein probates Mittel. Allerdings war hierzu ein striktes administratives Verfahren notwendig, um Betrug und Korruption zu vermeiden. Hiervon zeugen die ergriffenen Maßnahmen: die Einführung eines offiziellen, königlichen Brandzeichens (das als solches allerdings nicht spezifiziert wurde), Strafandrohungen sowie die Verteilung der Autorität über das Brandeisen auf mehrere Amtsträger. Nichtsdestoweniger kam es häufig zu Missbrauch; Berichte über Korruption der Amtsträger oder das Verwenden gefälschter Brandeisen sind nicht selten. Einer der berühmtesten Fälle findet sich in den Berichten des visitador der Audiencia Neuspaniens, Francisco Tello de Sandoval, der zwischen 1544 und 1547 einige ernstzunehmende Vorwürfe gegen den Vizekönig Antonio de Mendoza untersuchte.375 Eine der zahlreichen Anschuldigungen gegen ihn lautete, während des „Mixtón-Krieges“ das königliche Brandeisen in die Hände unberechtigter Personen gegeben zu haben, die in der Folge unzählige indios de paz gebrandmarkt und versklavt hätten.376 Die Vorsichtsmaßnahme, den Zugang zum offiziellen Brandeisen durch verschiedene Schlösser und Schlüssel zu limitieren, wird anhand dieser Probleme verständlich.



a n[uest]ra beneficiado de la yglesia de Santiago de d[ic]ha cibdad de Cadiz.” AGI, Santo Domingo 1121, L. 3, fol. 48v-49r. 374 Vgl. Arévalo (2006), S. 190. 375 Die 44 Anklagepunkte, von denen er letztlich freigesprochen wurde, finden sich, von Francisco Tello de Sandoval zusammengefasst, ediert in: Hanke: Virreyes. México 1, S. 110–120. 376 „Item. Que habiendo dichos peñoles, y pacificada la tierra al tiempo que se volvía a la ciudad de México, dejó el hierro de S. M. a ciertas personas que quedaban en dicha provincia, para que pudiesen hacer y herrar esclavos, los cuales en su ausencia herraron muchos indios por esclavos, y muchos de ellos tomados y recogidos de los pueblos que estaban de paz.” Ebd., S. 118.

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Die königliche Sklavereipolitik war also sehr um eine administrative Durchdringung der Versklavungen bemüht. Die administrativen Verfahren wurden entsprechend geregelt und Praktiken wurden institutionalisiert, von welchen man sich versprach, dass illegale Sklaverei, eigenmächtige Distribution von Sklaven und Steuerbetrug verhindert würden. Nach der Gefangennahme in einem „gerechten Krieg“ oder dem Kauf per rescate musste der Gefangene vor der lokalen Justiz präsentiert werden. Dort wurde er zu seiner Herkunft und dem Grund seiner Gefangennahme verhört und etwaige Zeugen wurden befragt. Festgehalten werden muss der hohe Institutionalisierungsgrad des Verfahrens, der eine Doppelfunktion, zusammengesetzt aus legitimatorisch-rechtlichen und fiskalisch-ökonomischen Aspekten, erfüllte. Konnte die rechtmäßige ­Herkunft aus einem „gerechten Krieg“ nachgewiesen werden, wurde er vom lokalen Notar in ein Register aufgenommen und offiziell zum Sklaven erklärt. Dem folgten die Besteuerung und die obligatorische Brandmarkung mit einem königlich lizensierten Brandeisen, wovon man sich eine optische Unterscheidungsmöglichkeit von legalen und illegalen Sklaven versprach. Die Forcierung administrativer Praktiken beschränkte sich jedoch mitnichten auf das Verfahren der Versklavung selbst. Auch eine allgemeine Verrechtlichung des Systems der Sklaverei sowie Überprüfungen der bereits in Sklaverei lebenden indios durch Visitationen oder strafrechtliche Ermittlungen können beobachtet werden. Visitationen von encomiendas oder haciendas wurden in erster Linie durch Amtsträger der zuständigen Audiencias oder durch eigens ernannte protectores de los indios durchgeführt. Insbesondere Letztere erfuhren nach den expliziten Sklavereiverboten ab den Dreißigerjahren einen enormen Bedeutungszuwachs, waren sie doch für die Befreiung sämtlicher illegal versklavter indios zuständig. Deutlich geht diese Vorgehensweise aus einem königlichen, 1540 verfassten Befehlsschreiben an den Bischof von Tierra Firme, Tomás de Berlanga, hervor. Grundlage war hier die Annahme, dass es in jener Provinz zahlreiche Sklaven gebe, deren Versklavung die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Der Bischof, der gleichzeitig als protector general de los indios fungierte, sollte entsprechend sicherstellen, dass sämtliche indios die Möglichkeit besitzen, ihren Sklavenstatus gerichtlich überprüfen zu lassen. Zusätzlich sollte er als erste Instanz für die Beweisaufnahme zuständig sein. Konnte der Besitzer keinen „gerechten Besitztitel“ ( justo título) vorlegen, sollte Berlanga den Fall an die Audiencia in Panama übermitteln. Um einen zwischenzeitlichen Weiterverkauf durch den Besitzer zu verhindern, wurde der Sklave konfisziert und in die Obhut eines Dritten gegeben. Der Sklavenbesitzer hatte in der Folge das Recht, seinen Fall vor den Richtern der Audiencia darzulegen. Dieses Verfahren galt überdies ausschließlich für gebrandmarkte indios.

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Wies der entsprechende Sklave kein Brandzeichen auf, war er umgehend zu befreien.377 Dies zeigt einmal mehr die Bedeutung der offiziellen Brandmarkung als administrative-juristische Praxis. Ähnlich dem protector general de los indios war das sogenannte Amt des „Anwalts der indios“ (procurador general de los indios), das insbesondere nach der Veröffentlichung der Leyes Nuevas immer wichtiger wurde.378 Dank der jährlichen Berichte des procurador Bartolomé Melgarejo an die Krone, lässt sich dessen Arbeit gut rekonstruieren. Melgarejo wurde am 19. März des Jahres 1551 durch die Audiencia Neuspaniens als procurador eingesetzt.379 Sein Aufgabenfeld war wie folgt umrissen: Er sollte illegal versklavte indios ausfindig machen, diese in ihrem Befreiungsprozess aktiv unterstützen und hierzu Petitionen einreichen. Außerdem sollte er auf die Einhaltung der Leyes Nuevas achten, minderjährige indio-Sklaven befreien, verschleppte Sklaven in ihre Heimatprovinz zurückführen und über sämtliche Aktivitäten genauestens Buch führen sowie jährliche Berichte an den Hof schicken.380 Nach zwei Schreiben Melgarejos, die genauere Spezifikationen seines Aufgabengebietes betrafen (hierzu gleich mehr), erreichte der erste Rechenschaftsbericht den Hof im Januar 1552. Er gibt hierin an, dass seit seinem Amtsantritt am 7. A ­ pril des Vorjahres 170 indio-Sklaven mit seiner Unterstützung vor Gericht ihre 377 Real Cédula vom 15.4.1540: „Padre don fray tomas de berlanga obispo de t[ie]rra firme del n[uest]ro consejo e p[ro]tector delos Indios dela d[ic]ha p[ro]vincia nos somos ynformados que en esa d[ic]ha p[ro]vincia ay muchos indios que estan herrados y otros que no lo estan. Dellos quales se sirven los españoles que en ella residen como de esclavos no los siendo. [...] Vos encargo e mand[ad]o que cada y quando alguno de los esclavos q[ue] oviere en esa d[ic]ha p[ro]vincia q[ue] tuvieren yerro p[ro]clamaren libertad los hagais luego encaminar e si el tal dueño cuyo fuere el tal esclavo no os diere informacion de tenerle por justo titulo le hagais luego sacan e saqueis en pod[e]r e le depositeis en un vezino del pueblo donde el tal dueño residiere y remitireis a los n[uest]ros oydores de la n[uest]ra audiencia real q[ue] reside en esa cibdad de panama la causa para q[ue] pronuncien cerca desa servitumbre libertad brevemente lo q[ue] se justa e allaren y el yndio que no tuviere yerro la pongais en su libertad e si el dueño cuyo fuere pretendiere d[e] r[ech]o a el lo pida ante los d[ic]hos mis oydores a los quales mando q[ue] hagan sobrello e[n]tero e breve cunplays de justi[cia].” AGI, Pan. 235, L. 7, fol. 123v-124v. 378 Das Amt des procurador general de los indios war seit den Leyes Nuevas in jeder Provinz obligatorisch. So setzte beispielsweise die Audiencia von Nueva Galicia im Jahr 1561 einen gewissen licenciado Vazquez ein, um indigene Sklaven bei ihrer Freiheitsklage zu unterstützen. AGI, Guadalajara 230, L. 1, fol. 62v-64r. Vgl. Konetzke (1965), S. 170. 379 Vgl. Zavala (1967), S. 124. 380 AGI, Patr. 231, n. 4, r. 4. Vgl. Sarabia Viejo (1978), S. 124. Die Aufgaben des procurador gehen darüber hinaus auch aus einer Real Cédula vom Juli 1550 hervor. Ediert in: ­Konetzke: Colección 1, Nr. 184, S. 274.

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­Befreiung verlangt (pedir libertad) hätten. Von diesen seien bereits siebzig in einem ordentlichen Prozess befreit worden, die restlichen Verfahren würden noch andauern.381 Im Laufe des Jahres habe er zudem erneut sechzig Sklaven befreit und zahlreiche weitere Verfahren auf den Weg gebracht, wie es in einem weiteren Bericht heißt.382 In seinem Schreiben vom Folgejahr rechnet er einmal mehr sämtliche Freiheitsgesuche auf und stellt zudem fest, dass fast alle indio-Sklaven, deren Fälle von der Audiencia überprüft worden waren, freigelassen wurden. Ausnahmen hätten lediglich jene indios dargestellt, die während des laufenden Prozesses verstorben oder geflohen waren, sowie jene, die von Antonio de Mendoza während eines für gerecht befundenen Krieges in der Provinz Jalisco versklavt worden waren.383 Das Prinzip des bellum iustum war also auch hier maßgeblich. Im Folgejahr konnte Melgarejo gar von 1.694 befreiten indio-Sklaven berichten. Dieser einschlägige Erfolg brachte ihm offenbar einige Sympathien in klerikalen Kreisen ein.384 Nichtsdestoweniger überwogen die negativen Reaktionen auf seine Tätigkeit: So sah er sich 1554 gezwungen, den König um seine Entlassung zu bitten, da der Hass, der ihm 381 Brief Bartolomé Melgarejos an die Krone vom 15.1.1552: „Vuestro majestad se mande quel tal procurador general le escriba en cada un año lo que acerca de su oficio se hubiere hecho en complimiento dello digo que dende siete días del mes de april del año pasado [...] hasta el día de la fecha desta, y así desde el día que comencé a usar del dicho oficio, piden, han pedido y conseguido libertad ciento y setenta indios y los plenariamente libres serán hasta setenta, de los demás penden sus pleitos, entre todos los cuales entran los que hallé pendientes que podrían ser hasta número de diez.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 4, L. 3, ediert in: Paso y Troncoso: Epistolario 6, Nr. 337, S. 123. 382 Brief Bartolomé Melgarejos an die Krone vom 17.11.1552. AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 4, L. 3, ediert in: Ebd., Nr. 360, S. 208. 383 Brief Bartolomé Melgarejos an die Krone vom 13.3.1553: „Relación de lo que se hiciere acerca de los indios que en esta su Real Audiencia proclamasen libertad he escrito dos veces, la primera de ciento y cuarenta indios la segunda de docientos y veinte y éstos ya casi todos han conseguido su libertad y si los muy pocos que restan no la consiguen es porque huyeron de donde estaban depositados y no parescen, y alguno porque se murió, y otro por la absencia y dificultad de la parte con quien para ello se debe litigar; y [...] despúes de los dichos han venido a proclamar su ibertad han sido y son, hasta la hecha desta, trecientos y trece; entre los cuales más de ciento fueron del marqués de Valle y los más de todos ellos por sus finales sentencias o consentimientos de los que los poseían por esclavos están dados por libres, y lo mismo se hará con los demás de los que restan y penden sus pleitos, y con los que nuevo vinieren, si no fueren de los de Jalisco que hizo don Antonio de Mendoza, porque éstos se dice esta aprobados por bien hechos en esta dicha su Real Audiencia.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 4, L. 3, ediert in: Ebd. 7, Nr. 365, S. 7. 384 Vgl. Sarabia Viejo (1978), S. 306.

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entgegenschlage, ihn großer Gefahr aussetze.385 Da ihm dieser Wunsch versagt blieb, finden sich bis zu seiner Amtsausscheidung im Jahr 1561 noch sieben weitere Berichte, in denen sich der Erfolg seiner Maßnahmen abzeichnet: Für jedes Jahr gibt er an, indio-Sklaven im vierstelligen Bereich befreit zu haben. Der Vizekönig schätzte seine Tätigkeit allerdings nicht besonders: Schon 1557 beklagte sich der procurador, dass seine Gehaltszahlungen ausblieben; eine Klage, die sich bis 1561 durch jeden seiner Berichte zog.386 Die Detailgenauigkeit und die Regelmäßigkeit der Listen Melgarejos sowie die Klagen anderer kolonialer Akteure lassen seine Berichte durchaus glaubwürdig erscheinen; auch wenn es im Rahmen des Möglichen liegt, dass er die Bedeutung seiner Rolle übertrieb, um sein Amt vor der Krone zu rechtfertigen. Das Beispiel Melgarejos deutet an, dass die königlichen Vorgaben zur Einschränkung illegaler Sklaverei in der Praxis durchaus erfolgreich umgesetzt werden konnten. Ebenso wie Sklaven in Kastilien, die, wie gezeigt, realistische Chancen hatten, vor Gericht ihre Freiheit einzuklagen, konnten indio-Sklaven in Spanisch-Amerika in vielen Fällen mit Hilfe des procurador general de los indios befreit werden. Die Probleme, die diesem dabei begegneten, – von Anfeindungen bis hin zu ausbleibender Bezahlung – weisen allerdings darauf hin, dass stets mit der ­Opposition der Sklavenbesitzer gerechnet werden musste. Darüber hinaus macht Melgarejo in seinen Berichten auch ein um das andere Mal deutlich, dass er nicht auf die Bekämpfung der indio-Sklaverei im Allgemeinen abzielte. Vielmehr begriff auch er seine Tätigkeit als Beitrag dazu, die rechtmäßige Herkunft eines Sklaven aus einem „gerechten Krieg“ administrativ sicherzustellen. Die Agitationen Las Casasʼ, die sich gegen die indio-Sklaverei richteten, lehnte er entsprechend vehement ab.387 385 Brief Bartolomé Melgarejos an die Krone vom 20.10.1554: „Digo y declaro ser mil y seiscientos y noventa y cuatro, de los cuales los muy más por sentencias finales o concierto o voluntad de partes se han dado por libres, excepto algunos que penden sus pleitos, y muchos de los que se hicieron esclavos por el visorrey don Antonio de Mendoza en la guerra de Jalisco, que por se tener de buena guerra y por bien hechos esclavos.[...] Pido y suplico a vuestra majestad como muy odioso y peligroso contra mí, se me quite y dé a otro, porque acá no he podido con su Real Audiendia ni en particular con su muy ilustre visorrey don Luis de Velasco se me quite.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 60, caj. 4, L. 1, ediert in: Paso y Troncoso: Epistolario 7, Nr. 410, S. 270. 386 Siehe hierzu die Briefe vom 11.4.1557 (AGI, Papeles de Simancas, Est. 58, caj. 4, L. 3, ediert in: Ebd. 8, Nr. 447, S. 128), vom 28.7.1559 (ebd., Nr. 478, S. 245) und vom 10.2.1561 (ebd. 9, Nr. 494, S. 102). 387 Dies geht aus seinem Schreiben an die Krone vom 14.5.1551 hervor, in dem er Las Casasʼ Generalkritik an der indio-Sklaverei als „falso, erróneo, herético“ bezeichnet. AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 4, L. 3, ediert in: Ebd. 6, Nr. 315.

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Visitationen waren im Übrigen nicht nur ein beliebtes Mittel, um illegale Versklavungen aufzudecken. Auch um den unübersichtlichen Sklavenmarkt administrativer Kontrolle zu unterwerfen oder um die Arbeitsbedingungen von Sklaven, etwa in den Minen, zu verbessern, wurde dieses rechtlich geregelte Verfahren angewendet. So erhielt etwa der zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits verstorbene Francisco Pizarro in seiner Rolle als Gouverneur der Provinz Peru im Oktober 1541 folgenden Befehl: Alle Schiffe, die von Lima aus nach Panama ausliefen, sollten visitiert werden, da sich Berichte über die illegale Ausfuhr von indio-Sklaven gehäuft hatten. Sämtliche Sklaven, die während der Visitationen gefunden wurden, sollten dem procurador de los indios übergeben und im Anschluss befreit werden. Wie üblich wurde auf Ausnahmeregelungen geachtet: So sollte es weiterhin möglich bleiben, ein oder zwei Sklaven mit sich zu führen, falls diese sich seit mehr als fünf oder sechs Jahren im Besitz der betroffenen Personen befinden.388 Erneut zeigt sich ein Kompromiss zwischen der Bekämpfung des ausufernden Sklavenmarktes und der Beibehaltung der jahrhundertealten Praxis der Sklaverei. Ein ähnliches Vorgehen lässt sich bezüglich der Silberminen Neuspaniens beobachten. In den Instruktionen an Vizekönig Luis de Velasco aus dem Jahr 1550 findet sich an prominenter Stelle der Befehl, die Silberminen regelmäßigen Visitationen zu unterziehen, um illegale indio-Sklaven ausfindig zu machen und zu befreien. Ferner sollte auf diese Weise sichergestellt werden, dass eine übermäßige Ausbeutung der Sklaven vermieden und ihre christliche Erziehung gewährleistet wurde.389 Dieselben 388 Real Cédula an Francisco Pizarro vom 26.10.1541: „Marques don fran[cis]co picarro n[uest]ro gov[er]nador dela provincia del peru [...] a nos se ha hecho r[elaci]on que al t[iem] po que se besitan los navios que salen del puerto de lima para panama se besitan por vos el n[uest]ro gov[ernad]or y por el protector de los Indios desa provincia y que hallando algunos Indios o indias que van en los tales navios sin licencias de vos el dicho n[uest]ro gov[ernad]or los sacen dellos los alg[u]a[ci]les y los apropian para si contra la voluntad de los dichos Indios y que convernia mandarse que los Indios e yndias que asi se sacasen se manifestasen ante el protector para qual los ponga en su libertad [...] y que los que se quisieren yr de su voluntad en los dichos navios no siendo mas de uno o dos especialm[en]te aviendo los criado el que los trae cinco o seis años se los dexasen traer.” AGI, Lima 566, L. 4, fol. 257r-v. 389 Instruktionen an Vizekönig Luis de Velasco vom 16.4.1550: „Y porque somos informados que los indios que andan en las minas de plata de la Nueva España, así libres como esclavos, reciben mucho daño, así en en lo que toca a sus ánimas y conciencias como al buen tratamiento de sus cuerpos, entre otras cosas que visitaréis las minas, las que de ellas buenamente pudiereis, y las que no visitaréis el oidor que hubiese de visitarlas visite; y daréis orden como cesen dichos daños y agravios.Y os informaréis si en las minas hay persona suficiente que tenga cuidado de adoctrinar dichos indios en las cosas de nuestra fe católica [...]. Y si hay algunos indios tenidos por esclavos que en la verdad sean libres,

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Befehle waren darüber hinaus im Laufe des 16. Jahrhunderts ebenfalls wichtige Bestandteile der Instruktionen an die nachfolgenden Vizekönige.390 Eine weitere Herausforderung, der es administrativ beizukommen galt, war die allgemeine Rechtsunsicherheit bezüglich der indio-Sklaverei. Zwar begünstigten situative Einzelfallentscheidungen und Ausnahmeregelungen eine flexible Sklavereipolitik der Krone; die Kehrseite war jedoch eine allgemeine Unsicherheit gegenüber den rechtlichen Normen und administrativen Praktiken. Deutlich geht dies beispielsweise aus einem Schreiben der Audiencia Neuspaniens aus dem Jahr 1548 hervor. Nach einigen Zweifeln (algunas dudas) über Sinn und Zweck des allgemeingültigen Sklavereiverbotes in den Leyes ­Nuevas, beklagten die oidores vor allem die Ungewissheit darüber, wie eine rechtmäßige Versklavung gerichtlich überhaupt überprüft werden sollte. Wie sollten die Freiheitsbekundungen der Sklaven gegenüber den Zeugenaussagen, Brandzeichen und Kaufurkunden der Besitzer gewichtet werden?391 ­Einen ganz ähnlichen Eindruck gewinnt man anhand der ersten zwei Schreiben aus der Hand des eben erwähnten Bartolomé Melgarejo. In einem Bericht aus dem Jahr 1551 erläutert er etwa die Schwierigkeiten der juristischen Umsetzung des Sklavereiverbotes, da es „unterschiedliche und gegenteilige Auffassungen über das Verständnis der besagten Gesetze und Befehle [die Leyes ­Nuevas, Anm. d. V.]“392 gebe. Aus diesem Grund bat er die Krone, eine

haréis acerca de ello justicia, conforme a un capítulo de una carta que mandamos escribir al presidente y oidores de nuestra Real Audiencia de México que habla acerca de la orden que se debe tener en los pleitos sobre la libertad de los indios.” AGI, Méx. 1089, fs. 179–188, ediert in: Hanke: Virreyes. México 1, S. 135. 390 So die Instruktion an Vizekönig Martín Enríquez de Almansa vom 7.6.1568 (AGI, Méx. 1089, L. 5, ediert in: Ebd., S. 192) und an Lorenzo Suárez de Mendoza, Conde de Coruña, vom 3.6.1580 (AGI, Méx. 1064, L. 2, fs. 20v-39, ediert in: Ebd., S. 233–238). 391 Carta der Audiencia von Neuspanien an die Krone vom 20.2.1548: „Esta Real Audiencia ha tenido algunas dudas que le paresció ser necesario consultarlas con vuestra majestad. [...] Tiénse otra duda, cerca de los esclavos que piden libertad; a los que prueban ser de padres libres, o que injustamente fueron hechos sclavos o tienen el hierro dudoso o el poseedor no muestra otro título salvo el hierro, danse por libres; pero paresciendo el hierro claro y mostrando título de venta y posesión y el esclavo no mostrando ser de padres libres o que fué herrado injustamente tiénese duda si el título de venta junto con el hierro será habido por título bastante para no liberarlos; e ansí mismo nos paresce que en los que tienen hierro claro, vuestra majestad sería obligado a mandar satisfacer al dueño del interese que pretende en libertarle su sclavo pues se herraron con licencia y facultad de vuestra majestad y gozó de los quintos y derecho.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 58, caj. 5, L. 8, ediert in: Paso y Troncoso: Epistolario 5, Nr. 271, S. 86. 392 „Por haber paresceres diversos y contrarios en el entendimiento de las dichas leyes e instruciones.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 4, L. 3, ediert in: Ebd. 6, Nr. 315, S. 48.

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­„notwendige Erklärung der besagten Gesetze“393 zu schicken, um „alle schlechten Widersprüche aufzuheben“394. In einem Brief des Folgejahres beklagte er erneut das „gegenteilige Verständnis“ (contrario entendimiento) der Gesetze: Während die Audiencia in Santo Domingo eine rechtliche Überprüfung des Sklavenstatus für unmöglich halte, sei bezüglich der Audiencia Neuspaniens das Gegenteil der Fall.395 Hieraus wird ersichtlich, dass die komplexen politischen Aushandlungsprozesse und die mit ihnen verbundenen mannigfaltigen Verbote, Ausnahmen und Gesetzesrücknahmen einen erheblichen Beitrag zur Rechtsunsicherheit in den Kolonien leisteten. Die königlichen Lösungsansätze zielten darauf ab, eine verbesserte Rechtssicherheit für den Umgang mit indio-Sklaven zu schaffen. So fiel die Antwort auf das oben zitierte Schreiben der Audiencia von Neuspanien (1548) wie folgt aus: Alle Frauen und Kinder unter vierzehn Jahren seien ohnehin zu befreien. Für alle weiteren indio-Sklaven solle der Besitzer umgehend einen rechtmäßigen Besitztitel vorlegen, aus dem einwandfrei hervorgeht, dass der betroffene Sklave einem bellum iustum entstammt; ein bloßes Brandzeichen oder eine Kaufurkunde reiche hierfür nicht

393 „Enviar y envié la debida declaración y entendimiento de las dichas leyes.” Ebd. 394 „De manera que toda mala contradición se escluya.” Ebd. 395 Bericht Melgarejos vom 3.1.1552: „Dos cosas [...] me parescieron ser necesarias de escribir a vuestra majestad: la primera del contrario entendimiento que por sus jueces letrados se ha dado a la ley ordenada [...] sobre los indios esclavos para que según por ella se manda, llamadas la partes sin tela de juicio, sumaria y brevemente sola la verdad sabida, se pongan en libertad, si las personas que los tuvieren por esclavos no mostraren título que los tienen y poseen legítimamente: y así queriendo los unos como fueron los de su Real Audiencia de la isla Española entender la dicha ley de prueba impossible acerca de lo que por ella se manda si las partes que los tuvieron por esclavos etc. [...] y así por ello vuestra majestad fué visto querer que todos como malhechos o porque [...] no haber esclavos de derecho divino, de hecho o casi sin oír se den por libres según ellos lo hicieron. Otros, como fueron los de esta su Real Audiencia de Méxiko queriendo entender la dicha ley por el contrario de prueba posible. Atento que la ley para que se daba guardar, demás que debe ser honesta y justa ha y debe ser posible según naturaleza, tienen [...] que e deben oír las partes para se poder inquirir la verdad que por dicha ley se manda saber, pues sin se saber, jamás se puede recta ni buena justicia hacer, y también que deberse las dichas partes oír se comprueba por la instrución declatoria de la dicha ley por vuestra majestad dada. Aunque en obligar asimismo por ella a los poseedores no sólo a prueba de justa guerra pero a que en él se haber hechos los dichos indios esclavos se guardó la diligencia y forma para ello ordenada como so se publicó y a que lo mismo por la dicha ley e entienda no lo entienden [...] si han de dar testigos que vieron los dichos indios por esclavos herrar y cognoscen ser los mismos que se herraron.” AGI, Papeles de Simancas, Est. 59, caj. 4, L. 3, ediert in: Ebd., Nr. 335, S. 120.

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aus. Die Beweislast – wie genauestens betont wird – liege keineswegs beim Sklaven, sondern beim Besitzer.396 Bereits einige Jahre zuvor war die Krone darum bemüht, die rechtlichen Grundlagen der indio-Sklaverei zu vereinheitlichen. In einer Real Provisión aus dem Jahr 1528 beklagte sie einmal mehr die Entvölkerung verschiedener Gebiete durch massenhafte Versklavungen. Als Hauptproblem stellte sie fest, dass es keine einheitliche rechtliche Basis gab, die die Versklavung von indios im „gerechten Krieg“ regelte. Demgemäß forderte die Krone die Audiencia dazu auf, eine Sammlung sämtlicher Lizenzen anzulegen, die in der Vergangenheit zur Versklavung von indios ausgestellt worden waren. Hieraus sollte hervorgehen, welche Verbrechen jener indios im Einzelfall ihre Versklavung gerechtfertigt hatten. Die hierdurch gewonnen Informationen sollten in Zukunft als Entscheidungsgrundlage dienen, wenn es darum ging, zwischen rechtmäßiger und illegaler Sklaverei zu unterscheiden.397 Ein ähnliches Vorgehen verlangte Karl V. von seinem Vizekönig Antonio de Mendoza. Er sollte sich insbesondere darüber informieren, auf welcher Art und Weise in seinem Regierungsbereich Sklaven gefangen werden. In der Folge sollte er dem König mitteilen, ob die administrativen und juristischen Regelungen ausreichten, um eine gute Behandlung (buen tratamiento) der indios mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonie („aumento del trato y comercio“) in Einklang zu bringen.398 396 Antwortschreiben der Krone an die Audiencia von Neuspanien vom 28.10.1548: „Pronunciéis por libres todas las mujeres de cualquier edad y todos los varones niños que eran de catorce años abajo al tiempo que los tomaron. [...] Si el poseedor no probare que el indio que tiene por esclavo fué habido en guerra justa [...] darlos heis por libres, aunque no se apruebe por los indios cosa alguna, por manera que carguéis la probanza al poseedor no al indio, aunque estén herados y tengan carta de compra u otros títulos los poseedores de ellos, porque estos tales por la presunción que tienen de libertad en su favor son libres como vasallos de S. M.” Ediert in: Konetzke: Colección, Nr. 162, S. 248. 397 Real Provisión an die Audiencia von Hispaniola vom 20.11.1528: „Mandamos que veais todas las cartas e provisiones que en qualquier man[er]a esten dadas por qualesquier juezes e justicias por comision n[uest]ra o en otra qualquier man[er]a por lo ayan declarado e dado licencia para hazer gurra a algunas pueblos dese provincia e sus provincias que estan devaxo de la juridicion de la audiencia real e cautibar e prender y tener por esclavos alos Indios naturales dellas e que causa e razon tubieron para declarar e que dapños [sic!] hizieron primero los d[ic]hos Indios antes del d[ic]ha declaracion y licencia para les azer guerra. [...] E avida la d[ic]ha Informacion de todo lo susod[ic]ho si allare les que algunos pueblos estan injusta o yndevidamente declarados para les poder hazer guerra rrevoqueis la tal declaracion e proibais e vedeis que ningund xri[sti]ano ni otras persona les pueda hazer guerra ni cautibar los d[ic]hos Indias.” AGI, Patr. 275, r. 6. 398 Instruktionen an Vizekönig Antonio de Mendoza vom 25.4.1535: „Otrosí, os informaréis de la manera que al presente se tiene en hacer esclavos los indios naturales de aquella

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Die großen Schwierigkeiten, die eine flexible, situative Sklavereipolitik mit sich brachte, waren der Krone also durchaus bewusst. Um hier entgegenzuwirken, bemühte sie sich um eine rechtliche Vereinheitlichung auf administrativer Ebene. Ein dritter und letzter Aspekt, der einen verstärkten administrativen Zugriff auf das System der indio-Sklaverei im Ganzen illustriert, sind strafrechtliche Ermittlungen, die gegen illegale Versklavungen, Steuerhinterziehung und die verbotene Verschleppung von Sklaven eingeleitet wurden. Das bekannteste Verfahren habe ich oben im Zuge des Problemfeldes der Brandmarkungen bereits kurz erwähnt: Es handelt sich um jene Vorwürfe, die Francisco Tello de Sandoval gegenüber dem Vizekönig Antonio de Mendoza erhob. Auch wenn Mendoza später vom Indienrat freigesprochen wurde, zeigen sich interessante Einblicke in die sklavereipolitischen Prozesse. Der erste von zwei Anklagepunkten betraf die illegale Versklavung von indios de paz; ein Delikt, das sich in zahllosen Fällen in den Quellen niederschlug. Der zweite Vorwurf betraf die Beuteverteilung: Während des „Mixtón-Krieges“ habe er entgegen der üblichen Verteilungsgerechtigkeit verschiedene Einzelpersonen bei der Zuweisung von Sklaven bevorzugt und gar 190 oder 200 indios für sich selbst behalten.399 Auch hier findet sich demnach der doppeldeutige Gerechtigkeitsbegriff: Zum einen galt es, die juristisch zweifelhafte Versklavung von indios im Nachhinein einer gerichtlichen Untersuchung zu unterziehen. Auf der anderen Seite ging der Untersuchungsrichter gleichzeitig auf Korruptionsvorwürfe ein, die im Zusammenhang mit der gerechten Beuteverteilung standen. Darüber hinaus

provincia, así por los caciques como por nuestros gobernadores y capitanes en la guerra que en nuestro nombre se les hace. [...] Y me avisaréis de si aquello que está proveído es bastante remedio para excusar los inconvientes y excesos que en esto ha habido, o qué otra orden se podría dar en ello, lo que fuese mejor. Y ordenaréis lo que viereis que más conviene al buen tratamiento de los naturales y conservación y aumento del trato y comercio de la república de la provincia, sin agravio ni premio de los naturales de ella.” AGI, Patr. 180, r. 63, ediert in: Hanke: Virreyes. México 1, S. 29. 399 Vorwürfe gegen Antonio de Mendoza, präsentiert von Francisco Tello de Sandoval vom 21.6.1546: „Item. Que ha tenido y tiene compañia con un Gonzalo del obraje de los daños que se hacen en el pueblo de Tezcuco, donde tienen muchos indios esclavos chichimecas de Jalisco y muchas indias naborías, que trabajan en dicha hacienda. Item. Que en el repartier entre la gente de guerra los esclavos que hicieron en dicha guerra, no mandó guardar la igualdad que convenía, porque dio a unas personas más que a otras; y no vinieron todos los esclavos a partición, como fueron los indios que se tomaron en el peñol de Coyna, que los mandó dar a los indios amigos, y los que se tomaron en el Mizton, que se mataron, repartieron entre personas particulares, y para sí tomo 190 ó 200 esclavos de los de dicha guerra.” AGI, Just. 259, ediert in: Ebd., S. 111–118.

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verdeutlicht diese Episode einmal mehr, dass – auch angesichts der Erfolge eines Bartolomé Melgarejo – den königlichen Versuchen, die Sklaverei einer administrativen Kontrolle zu unterwerfen, Grenzen gesteckt waren. Das Beispiel Mendozas belegt, ganz ähnlich wie es schon während der guerra de Granada beobachtet werden konnte, dass gerade die obersten Amtsträger häufig in den Sklavenhandel verstrickt waren und diese somit nur ein geringes Interesse an einer administrativen Überprüfbarkeit hatten. Gerade Verstöße gegen eine formal korrekte Versklavung waren überdies häufig Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. 1531 etwa bat die Krone die Casa de la Contratación, Untersuchungen gegen einen gewissen Bartolomé Ruiz anzustellen. Dieser habe in Nicaragua indios ohne die Lizenz des Gouverneurs versklavt. Ferner habe er weder die königlichen Bestimmungen zur Registrierung der Sklaven noch zu deren Brandmarkung eingehalten.400 Eine ähnliche Real Cédula ging 1541 an den Gouverneur Perus, den licenciado Vaca de Castro: Er solle umgehend Verfahren gegen jene Personen einleiten, die „ohne die Ordnung und Art und Weise, die durch uns befohlen wurde, einige indios versklavt haben“401. Neben illegaler oder formal unkorrekter Versklavung war auch Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Sklavenfang und -verkauf stets ein Thema, wenn es um strafrechtliche Ermittlungen ging. So finden sich etwa Befehle der Krone, aus denen explizit hervorgeht, dass sie sich der finanziellen Schäden, die hieraus entstanden, durchaus bewusst war. Es war dabei die Aufgabe der zuständigen Audiencia, solchen Vorwürfen nachzugehen und hinterzogene Steuern (vor allem den quinto oder den almojarifazgo) nachträglich einzutreiben.402 Ein letzter Punkt, der bei der Strafverfolgung eine Rolle spielte, betraf das bereits erläuterte Verbot der Verschleppung von indio-Sklaven aus ihrer Heimatprovinz. Wie besprochen, befahl schon Isabella um 1500, Ermittlungen über illegale Exporte von indio-Sklaven nach Kastilien 400 Real Cédula vom 11.3.1531: „El licenciado Villalobos n[uest]ro fiscal me hizo relacion q[ue] bartolome ruiz maestre y ciertos marineros y otra personas contra lo que por nos esta probeydo y mandado en deservicio de dios y n[uest]ro enbarcaron y sacaron ciertos españoles e yndios por el puerto del rio dla posesyon que es en la provincia de nicaragua sin licencia de n[uest]ro governador y oficiales y sin hazer registro dello trayendo los d[ic]hos yndios por esclavos sin los herrar ni hazer la solenidad.” AGI, Indif. 1961, L. 2, fol. 41v-42v. 401 Real Cédula an Vaca de Castro vom 7.10.1541: „Sin guardar la orden forma y manera que por nos esta mandado an hecho algunos Indios esclavos.” AGI, Lima 566, L. 4, fol. 243v-244r. 402 1531 etwa verkaufte ein gewisser Christobal Alvarez etwa zwanzig indio-Sklaven von der Insel Santa Marta auf der Insel Fernandina. Der contador (eine Art Buchhalter) der Insel kaufte die Sklaven, ohne dabei die Steuer (almojarifazgo) zu berechnen, was die Krone dazu veranlasste, durch einen oidor der Audiencia in Santo Domingo Ermittlungen anstellen zu lassen. AGI, Santo Domingo 1121, L. 1, fol. 73r-74v.

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anzustellen.403 Sehr ähnlich verhielt es sich in Spanisch-Amerika. Regelmäßig finden sich entsprechende Befehlsschreiben, die vom betroffenen Gouverneur die Untersuchung von Fällen verbotener Exporte verlangten. Die verschleppten indios waren in der Folge in ihre Heimatprovinz zurückzubringen oder – falls es sich um illegale versklavte Personen handelte – zu befreien.404 Wie lassen sich die hier vorgestellten administrativen Praktiken nun zusammenfassen und abschließend bewerten? Zunächst sollte festgehalten werden, dass die administrativen Maßnahmen der Krone auf zwei Ebenen durchgeführt wurden: Die eine betraf den Vorgang der Versklavung an sich, die andere zielte darauf ab, das System der Sklaverei im Ganzen zu kontrollieren. Bezüglich der ersten Ebene war der berüchtigte requerimiento von besonderer Wichtigkeit. Jenes Schriftstück markierte den offiziellen Beginn eines bellum iustum und sollte damit den Soldaten den Unterschied zwischen legaler und illegaler Versklavungen verdeutlichen. Dem Akt des gewaltsamen Menschenraubes folgten weitere administrative Instanzen: Die Gerichtsverfahren, Verhöre und Zeugenbefragungen hatten eine Doppelfunktion inne: Zum einen sollten sie die rechtmäßige Versklavung der betroffenen Personen sicherstellen. Zum anderen ermöglichten sie eine einigermaßen zentralisierte Abführung der königlichen Steuern. Darüber hinaus lässt sich eine Forcierung von Schriftlichkeit feststellen. Insbesondere bei Fällen von Sklaverei, die hinsichtlich eines bellum iustum fragwürdig erschienen, war das Anlegen von Registerbänden gefordert. Auch die Praxis der Brandmarkung von Sklaven erfuhr eine administrative Systematisierung. Um illegale Sklaverei zu unterbinden und um einen legalen Sklavenstatus öffentlich sicht- und überprüfbar zu machen, wurde die Einführung eines offiziellen, königlichen Brandeisens befohlen. Der Versuch, die Sklaverei durch ein institutionalisiertes Verfahren, hohen formalen Aufwand und die Herstellung einer gewissen Öffentlichkeit rechtlich überprüfbar zu machen, ist durchaus bemerkenswert. Die zweite Ebene der administrativen Maßnahmen schloss in erster Linie Amtsernennungen, Visitationen, eine allmähliche Verrechtlichung sowie strafrechtliche Ermittlungen ein. Als Paradebeispiel für die Ernennung neuer Amtsträger kann der sogenannte procurador general de los indios dienen. Anhand des procurador Bartolomé Melgarejo konnte gezeigt werden, dass die königlichen Bemühungen zum Schutz illegal versklavter 403 Siehe: S. 198 f. 404 So heißt es beispielsweise in einer Real Cédula vom 9.5.1532: „Sean verdaderamente esclavos e los que fueren libres sino fuere de su voluntad sui. Previja alguna e obligandose las p[er]sonas q[ue] estos yndios libres sacaren que los tornaran a esa t[ie]rra.” AGI, Pan. 234, L. 5, fol. 25v-26r. Ähnliche Fälle finden sich häufig, etwa in: AGI, Lima 565, L. 2, fol. 142v-143r.

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i­ ndios in der Praxis durchaus umgesetzt werden konnten. Auch Visitationen, etwa von haciendas oder Minen, waren eine erfolgsversprechende Möglichkeit, um den Sklavenmarkt einer administrativen Kontrolle zu unterwerfen, die Arbeitsbedingungen von indio-Sklaven zu verbessern oder illegal versklavte Personen aufzuspüren. Eine negative Folgeerscheinung der flexiblen und situativen Sklavereipolitik der Krone war eine allgemeine Rechtsunsicherheit. Um dieser beizukommen, bemühte man sich schon ab den Zwanzigerjahren um eine allmähliche Verrechtlichung der indio-Sklaverei. Um allgemeingültige Grundlagen der Versklavungen sowie der Sklavenbefreiungen zu schaffen, sollten vergangene politische Entscheidungen evaluiert und gerechte Gründe für die Sklaverei gesammelt werden. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse sollten schließlich als Entscheidungsgrundlage für die Audiencias dienen, wenn es darum ging, über die Versklavung einer bestimmten Gruppe von indios oder die Befreiung eines Sklaven zu entscheiden. Parallel hierzu wurde versucht, die Strafverfolgung illegaler Sklaverei sowie der Steuerhinterziehung und der verbotenen Verschleppungen zu intensivieren. Bei all diesen Maßnahmen ist zu beachten, dass es der Krone wohl nicht darum ging, ein umfassendes System der Sklaverei einzurichten. Die vorgestellten Maßnahmen zeugen eher von Versuchen, zwischen unreglementierter Versklavung und den verschiedenen Sklavereiverboten zu vermitteln. Insofern folgten administrative Kontrollversuche stets dem in den Vorkapiteln behandelten Prozess des politischen Aushandelns. Überdies war eine administrative Durchdringung der Sklaverei der Versuch einer königlichen Einflussnahme auf lokale politische Prozesse. Dieser Eingriff erfolgte über die Regulierung der Beuteverteilung und die Sicherstellung von Gerechtigkeiten: gerechte Versklavung, gerechte Verteilung und gerechte Besteuerung. 5 Ausblick: Indio-Sklaverei im 17. Jahrhundert Den Schwerpunkt dieser Arbeit habe ich allein aus forschungspragmatischen Gründen auf das 16. Jahrhundert gelegt. Die Jahrhundertwende ist im Bereich der Sklavereigeschichte keineswegs als Epochenzäsur zu verstehen. Falls die indio-Sklaverei im Laufe des 17. Jahrhunderts tatsächlich quantitativ abnahm und spätestens im 18. Jahrhundert allmählich in der Bedeutungslosigkeit verschwand, sind die Gründe dafür nicht in einer restriktiven Sklavereipolitik oder in aufkommenden ethisch-moralischen Bedenken zu suchen. Vielmehr kann die Ursache in einem sukzessiven Rückgang der Sklavenlieferzonen ausgemacht werden. Zum einen lag dies bekanntlich an der demographischen Katastrophe, die die indigene Bevölkerung bereits im Laufe des 16. J­ ahrhunderts erheblich dezimiert hatte. Der Sklavenexport aus einer der wichtigsten

Ausblick

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S­ klavenlieferzonen, der Provinz Nicaragua, kam, wie gezeigt, allein durch die Entvölkerung zum Erliegen.405 Ähnliches kann für zahlreiche andere Provinzen Spanisch-Amerikas beobachtet werden.406 Es gibt allerdings noch einen anderen Grund: Die zunehmend abgeschlossene Eroberung. Zwar gab es im 17. Jahrhundert weiterhin einige Konfliktzonen, vor allem im heutigen Chile. Im Großen und Ganzen war die militärische Lage jedoch eine andere als noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.407 Da Versklavungen fast immer eine Erscheinung des bewaffneten Konflikts waren, bedeutete die Befriedung weitreichender Gebiete eine zunehmende Einschränkung der Sklavenlieferzonen. In dem Maße, in dem indigene Gruppen in Frontiergebieten (etwa die Provinzen des heutigen Nordmexiko, die im 16. Jahrhundert aufgrund der verschiedenen Kriege mit die größten Sklavenlieferzonen darstellten) zu indios de paz wurden, wurde auch die Möglichkeit eingeschränkt, indios im Rahmen eines bellum iustum zu versklaven. Nichtsdestoweniger finden sich auch noch im 17. Jahrhundert viele, die Sklaverei betreffende, politische Konfliktfelder, die noch bis ins 18. Jahrhundert Bestand hatten. Die Suppliken, Consultas und Cédulas, die die Versklavung von indios betrafen, blieben weiterhin ein Bestandteil der königlichen Tagespolitik, sodass sich eine Geschichte der indio-Sklaverei auch für das 17. Jahrhundert problemlos weiterschreiben ließe. Das bekannte fortschrittsgeschichtliche Narrativ, die indio-Sklaverei wäre spätestens seit den Leyes Nuevas anlässlich ethisch-theologischer Bedenken (vor allem verbunden mit den lascasianischen Ideen) nur noch eine marginale Randerscheinung gewesen, muss folglich – wie bereits an anderen Stellen betont – erheblich relativiert werden. Politische Debatten um die Versklavung von indios finden sich im 17. Jahrhundert vor allem an zwei Stellen: Zum einen gibt es auch zu dieser Zeit noch periphere Konflikt- und Frontierzonen, die als Sklavenlieferzonen fungierten. Zu nennen wären vor allem Gebiete im heutigen Chile sowie die Philippinen. Zwar sind Letztere nicht unter dem geographischen Überbegriff ­„Spanisch-Amerika“ zu fassen. Da sich die Semantiken von Eroberung und Sklaverei allerdings glichen, ist ein Blick auf diese koloniale Sondersituation aufschlussreich; nicht zuletzt auch, da es auf jener Inselgruppe zu einer ­interessanten Gemengelage zwischen christlichen Eroberern, Einheimischen sowie muslimischen Machthabern und Korsaren kam. Zum anderen finden 405 Siehe: S. 215–217. 406 Vgl. Radell (1976), S. 68 f.; Sherman (1979), S. 55; Jiménez (1986), S. 128; Denzer (2002), S. 300. Auch bei Las Casas finden sich häufig Hinweise auf eine mit der Sklaverei in Verbindung stehende Depopulation der Kolonialgebiete. Las Casas: Carta a un personaje de la corte, S. 366 f.; ebd.: Carta al Consejo, S. 356. 407 Vgl. König (2007), Sp. 1097 f.

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sich – ganz ähnlich dem Jahrhundert zuvor – zuhauf Berichte über lokale ­indigene Revolten in bereits befriedeten Gebieten sowie Klagen über aufständische und kannibalische caribes. Zwar hatten kastilische Eroberer unter der Führung Miguel Lopez de Legazpis (1502–1572) den lokalen muslimischen und indigenen Machthabern die Oberherrschaft über die Philippinen bereits um 1571 weitgehend entrissen.408 Dennoch blieb die Inselgruppe weiterhin Teil eines militärischen Spannungsfeldes: Die Frontstellung zwischen Christentum und Islam – die zentrale Grundlage der Sklaverei im Mediterraneum – tauchte nun auch im kolonialen Zusammenhang auf. Die entscheidende Frage, die sich vor allem ab dem beginnenden 17. Jahrhundert stellte, war, ob zum Islam konvertierte Indigene ­versklavt werden dürfen. Die Argumentation der Befürworter ähnelt dabei einerseits sehr den Suppliken der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Andererseits lassen sich durch den Faktor des Islam klare Parallelen zur Debatte um die Versklavung der moriscos erkennen. Um dies an einem Quellenbeispiel zu illustrieren: Im Jahr 1606 sandte der procurador Fernando de los Ríos Coronel ein Memorial an die Krone, in dem er die zunehmenden Attacken muslimischer indios von den südlichen Inseln Mindanao, Jolo und Borneo auf die philippinischen Stützpunkte der Kastilier beklagte. Bereits hier legt er nahe, dass ihm die Versklavung jener indios äußerst sinnvoll erscheine.409 Wesentlich aufschlussreicher erläutert er seine Sichtweise in einem Memorial aus dem Folgejahr: Für die Versklavung sprächen demnach vier Gründe: Erstens, dass es sich bei den indios „um unsere Feinde und um Mohammedaner, die fast alle Feinde unseres heiligen katholischen Glaubens sind, gegen welche der Krieg gerecht ist“410 handele. Zweitens betont er die Grausamkeit, mit der die muslimischen indios die christlich besiedelten Gebiete überfielen und deren Bewohner versklavten und ermordeten. Auch der bekannte Topos der Kirchenschändung und der Verbrechen gegen das Christentum findet seinen Platz.411 Dies gehe sogar 408 Vgl. Abeto: Philippine History, S. 101–117; Molina (1984), S. 57–70. Zur Eroberung der ­Philippinen im Allgemeinen siehe: San Augustín (1975). 409 Memorial des procurador Fernando de los Ríos Coronel aus dem Jahr 1606. AGI, Filip. 27, n. 52. 410 Memorial des procurador Fernando de los Ríos Coronel vom 30.6.1607: „Son nuestros enemigos y mahometanos casi todos enemigos de nuestra sancta fee catholica contra quienes justa la guerra.” Ebd., n. 63. 411 „La segunda que nos bienen a rrobar a nuestra tierra donde no tenemos ningunas siguridad y an muerto y cautivado mui grande suma de gente naturales de las islas vasallos de V. alt[eza] a quien tiene obligacion de defender y [...] an quemado mucho pueblos i yglesias y en oprobio de nuestra s[anta] fee catholica an incuriado las ymagines a cuchillandolas y haziendo las padacos profanando las cosas sagradas.” Ebd.

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soweit, dass die „spanische Nation“ (nación española) empfindlich an Reputation einbüßen würde.412 Das dritte Argument zielt auf die „alternativa a la muerte“ ab: Wenn es erlaubt sei, die Angreifer in einem Akt der Selbstverteidigung zu töten, so sei es ökonomisch sinnvoller (mas beneficio), sie zu versklaven.413 Viertens sei die Versklavung die wirksamste (eficaz) Möglichkeit, um den Krieg schnell zu beenden und die Ausgaben für die Landessicherung zu refinanzieren.414 Der procurador greift also auf eine Mischung aus Argumenten zurück, die sowohl im kolonialen als auch im mediterranen Kontext verbreitet waren. Die Grundlage für den Umgang mit zum Islam konvertierten indios schufen drei Reales Cédulas aus den Jahren 1568 bis 1574. In diesen hatte die Krone zwar erlaubt, muslimische Korsaren zu versklaven. Zum muslimischen Glauben missionierte indios seien jedoch unter allen Umständen zu verschonen. Vielmehr sollten sie mit guten und gerechten Mitteln zum Christentum missioniert werden.415 Der königlichen Entscheidung lagen vor allem die Berichte einiger Kleriker über die Eroberung der Philippinen zugrunde. So hatte etwa der Augustiner fray Diego de Herrera 1573 einen Bericht an den Hof gesandt, in dem er im Stile Las Casasʼ die Grausamkeiten der kastilischen Konquistadoren anprangerte und insbesondere zahllose Fälle illegaler Versklavungen beklagte. Als Lösungsansatz sah er unter anderem vor, alle indio-Sklaven einem inquisitorischen Verfahren zur Feststellung ihres rechtmäßigen Sklavenstatus zu unterziehen.416 Blickt man auf die Ausführung zur morisco-Sklaverei, fällt außerdem noch ein anderer Grund auf: Während die Versklavung der moriscos mit dem Verweis auf ihr Apostatentum einigermaßen stichhaltig legitimiert 412 „Pierde mucha reputacion la nacion española.” Ebd. 413 „La tercera si es licito matarlos como lo es y agora se haze mas en beneficio suyo sera hazerlos esclavos.” Ebd. 414 „La quarta dandose por esclavos sera el medio mas eficaz para allanar aquello y escusar a V. alt[eza] muchos gastos y costas a segurar su tierra.” Ebd. 415 Real Cédula an Miguel López de Legazpi, Gouverneur und Generalkapitän der Philippinen, vom 16. November 1568: „Os demos licencia para hazer a los tales moros sclabos y tomarles sus haziendas. [...] Mas a los que fueren yndios y ovieren tomado la sera de maoma. No los hareis esclabos por ninguna via ni manera q[ue] sea sino procurareis dselos convertir y persuadir por buenos y licitos medios a n[uest]ra santa fee catholica.” AGI, ­Filip. 339, L. 1, fol. 1r-2v. Ähnliche Befehle gingen in den Folgejahren auch an den Vizekönig Neuspaniens Don Martín Enríquez (Brief vom 4.7.1570, ediert in: Konetzke: ­Colección 1, Nr. 326, S. 459) und den Nachfolger Legazpis, Francisco de Sande (Real Cédula vom 7.11.1574, AGI, Filip. 339, L. 1, fol. 57v-58r). Vgl. Zavala (1967), S. 201. 416 „Que se haga inquisicion de sclavos mal avidos [...] que estan en poder de spañoles y que se los quiten.” Relación des fray Diego de Herrera aus dem Jahr 1573. AGI, Filip. 84, n. 3. Einen ganz ähnliche Bericht lieferte der Franziskaner fray Pablo de Jesús am 22.6.1580. Ebd., n. 15.

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werden konnte, waren besagte muslimische indios nicht vom christlichen Glauben abgefallen und galten somit wohl noch als potentiell konvertierbar. Die rechtliche Grundlage im Umgang mit muslimischen indios war also seit den frühen Siebzigerjahren eindeutig. Dennoch konnte sich die Krone auch hier den Argumenten, wie sie etwa von Fernando de los Ríos Coronel vorgetragen wurden, nicht entziehen. Unter Berücksichtigung der Sklavereipolitik der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist es nicht verwunderlich, dass sich die Krone auch unter der Herrschaft Philipps III. um einen Kompromiss bemühte. So wies sie die Petition des procurador nicht ab, was im Hinblick auf die rechtliche Situation nahe gelegen hätte, sondern befahl dem Gouverneur und der Audiencia in Manila, den Fall genauer zu untersuchen. Das Sammeln von politisch verwertbaren Informationen hatte auch hier oberste Priorität. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sollten sie über die Versklavung der muslimischen indios entscheiden.417 Die Krone gab also wie so oft die politische Verantwortung an lokale, besser informierte Vertreter ab und vermied damit eine bindende königliche Entscheidung. Das zweite militärische Konfliktfeld betraf von der Mitte des 16. Jahrhunderts noch bis ins frühe 19. Jahrhundert das heutige Chile. Seit den ersten ­Vorstößen unter dem Konquistador Pedro de Valdivia in den 1540er-Jahren befanden sich die Kastilier vor allem in der Region südlich des Bío Bío-Flusses in einem dauerhaften bewaffneten Konflikt mit der dort vorherrschenden Volksgruppe der Mapuche.418 Die Auseinandersetzung, die als „Arauco-Krieg“ in die Geschichte einging, stellte die kastilische Kolonialmacht vor nahezu unlösbare militärische Aufgaben. Nach empfindlichen Niederlagen sah sie sich letztlich im Jahr 1641 gezwungen, die Herrschaft der Mapuche südlich des Bío Bío-Flusses anzuerkennen.419 Dieser jahrzehntelange militärische Konflikt machte jene Provinzen zu einer der wichtigsten Sklavenlieferzonen des 17. Jahrhunderts.420 Entsprechend präsent war die Thematik in den politischen Debatten. Aufgrund des anhaltenden militärischen Konfliktes bekräftigte die Krone im Jahr 1605 für die Provinzen des heutigen Chile noch einmal das generelle Verbot der indio-Sklaverei, da es „gegen Recht und Gerechtigkeit“ verstoße. Selbst die rebellischsten Dörfer und größten Verbrechen sollten nicht mit der S­ klaverei bestraft werden.421 Da der Widerstand der Mapuche auch in den Folgejahren 417 Real Cédula an den Gouverneur und die Audiencia der Philippinen vom 30.8.1608. AGI, Filip. 340, L. 3, fol. 41r-42v. 418 Vgl. Latcham (1988); Jara (1971). 419 Vgl. Seiffert (1988), S. 28; Reinhard (1985), S. 57. 420 Zur Versklavung der indios in der guerra de Arauco siehe vor allem: Jara (1971), S. 151–236; Hanisch Espíndola (1991); Konetzke (1983), S. 286–292. 421 Real Provisión vom 28.4.1605: „Habiendo consultado el caso con ministros míos e otras personas graves de ciencia y teólogos, ha parecido ser lo susodicho cosa injusta y contra

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nicht gebrochen werden konnte und sich die Klagen aus der Provinz häuften, wurde die Problematik zwei Jahre später im Indienrat erneut verhandelt. Aufschluss über die internen Beratungen gehen aus einer Consulta des Indienrates an die Krone vom 17. November 1607 hervor. Einleitend wird die aktuelle militärische Situation erläutert: Der Krieg dauere schon viel zu lange, er habe zum Tode zahlloser Kastilier und indios geführt und belaste den königlichen Haushalt enorm. Dabei hätten die Gouverneure über lange Zeit versucht, dem königlichen Wunsch nach einer friedlichen Beilegung des Konfliktes nachzukommen. Allein die indigenen Rebellen hätten mit Waffengewalt geantwortet: So seien große Schäden (daños) entstanden, Christen seien ermordet und verschleppt, Kirchen geschändet und Städte erobert worden. Angesichts der Einnahme der Stadt Valdivia durch die Mapuche im Jahr 1598 und des gewaltsamen Todes des Gouverneurs Martin Óñez García de Loyola im selben Jahr422 wird klar, dass die Einschätzung des Indienrates, das Reich sei hier in „großer Bedrängnis“ (gran aprieto), zutraf. Als Lösungsansatz empfahl der Rat schließlich, die Versklavung der feindlichen indios zu erlauben. Es habe bereits eine Beratung unter Theologen und letrados in Lima stattgefunden, die Vorteile und Nutzen der Sklaverei (beneficios y utilidades) erkannt hätten.423 Die Argumente

todo derecho y justica y porque sólo yo y mi virrey tiene autoridad y poder para condenar y dar por tales esclavos y hasta ahora por mí no se ha dado para ello tal poder, cédula ni facultad alguna, por lo cual se debía en conciencia y en justicia remediar, declarando por libres de toda servitumbre y esclavitud generalmente a todos los indios naturales de dichas provincias, ansí a los que se han traído a los dichos mis reinos llevando a otras partes, como los que tuviese en las dichas provincias de Chile y adelante prendieren en la guerra, aunque sean de los pueblos más rebelados y de mayores delitos, los cuales de aquí adelante podían ser castigados, cuando fueron presos, con destierro o otras penas corporales, o muerte como más conviniese.” Ediert in: Jara/Pinto: Fuentes 1, S. 247–250, hier 248. Vgl. Jara (1971), S. 216–219. 422 Vgl. Seiffert (1988), S. 25; Jara (1971), S. 219 f. 423 Consulta vom 17. Novemeber 1607: „La guerra de las provincias de Chile ha sido tan larga y proliza [...] tiene entendido en que se ha consumido mucha gente española y de la mesma natural de los yndios y gran suma de hazienda real y todos los governadores q[ue] V. M. ha embiado a aquel Reyno teniendo entendida la volunt[ad] de V. M. que siempre ha sido de q[ue] se haga esta pacificacion sin tomar las armas y por bien de paz an procurado que los indios la den y ellos de su voluntad an conbidado conella y se les a admitido diversas vezes ofresciendo se les buen tratamiento mas siempre ha sido fingida la que an dado y la an quebrantado toman de las armas y haziendo grandes daños y muertes violando y profanando los templos y asolando muchas ciudades y captivando y llevandose los españoles mugeres y niños y oy dia tienen muchos en su poder y an muerto algunos governadores religiosas y ministros del evangelio usando de grandes crueldades y ay esta la guerra mas encendida que nunca sin que sean bastantes los socorros de gente que V. M. ha embiado estes ultimos años y el Reyno esta puesta en gran aprieto y necesidad per la continua

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waren hierbei in militärische, wirtschaftliche und religiöse Aspekte gegliedert: Sklaven seien notwendiger Bestandteil der Kriegsbeute (buena gana). Nur so könnte die Desertion von Soldaten gestoppt und neue Söldner angeworben werden.424 Überdies würden die neuen indio-Sklaven zu einer Entlastung der freien indigenen Bediensteten (servicio personal) führen. Dies habe erstens den Vorteil, dass sie mehr Zeit hätten, den katholischen Glauben zu studieren und zweitens, dass sie durch eigene landwirtschaftliche Produktion zur Wirtschaft der „Republik der Spanier“ (republica de los Españoles) beitragen könnten.425 Schließlich würden auch die versklavten Mapuche spirituell profitieren, da ihnen endlich der christliche Glaube nahegebracht werden könne.426 Infolge dieser Argumente empfahlen die consejeros des Indienrates der Krone, die Versklavung der Mapuche zu erlauben, allerdings mit einer wohlbekannten Einschränkung: „So wie es mit den moriscos des Königreichs Granada gemacht wurde“ sollten alle Mädchen unter neuneinhalb respektive alle Jungen unter zehneinhalb Jahren von der Sklaverei verschont werden. Stattdessen sollten sie bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr in christlichen Haushalten zum rechten Glauben erzogen werden.427 Per Real Cédula folgte Philipp III. schließlich im

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guerra de manera que obliga a pensar en todos los medios que puede aver pa[ra] acavarla y ha se tenido alla y aca por muy necesario el dar por esclavos a estos indios rebeldes q[ue] fueren tomados en la guerra lo qual se puso en disputa en el mesmo Reyno de chile por algunas personas doctas quando mataron al governador Martin García de loyola y embiaron a lima a comunicar este punto con los letrados y theologos.[...] La mayor parte de los theologos y letrados que bentilaron este punto y quistion sere suelben en que es licito dar por esclavos los d[ic]hos yndios de se siguiran los beneficios y utilidades siguientes.” AGI, Patr. 229, r. 3. „Lo primero que los soldados que tantos trabajos an padecido y padecen en esta guerra por lo qual huyen della se animaran y serviran en ella con el premio de los esclavos y acudiran otros de fuera del Reyno de buena gana a la guerra.” Ebd. „Lo segundo que los yndios amigos y de paz seran aliviados del servi[cio] personal y trabaxo q[ue] agora tienen pues se suplica con los esclavos y estaran mal desocupado para acudir ala doctrina y a su Instru[ci]on en las cosas de la fee lo q[ue] agora no pueden hazer por su much servitumbre y ocupacion. Lo tercero q[ue] a la republica de los Españoles sera muy probechoso porq[ue] estando aliviados los indios de paz del servi[cio] personal y que dando libres y que solo paguen su tributo se aplicaran a aprender offi[cios] y al cultivar y sembiar y porver las placas de mantenimientos de q[ue] agora se padece mucho en el Reyno.” Ebd. „Lo quarto que a los mesmos indios rebelados que gueren dados por esclavos seles siguira gran bien espiritual pues seran instruidos y enseriados en las cosas de la fee.” Ebd. „Y haviendose visto y considerado todo muy attentamente en el consejo [...] ha parescido que sin embargo de estar proveido por algunas cedulas que no se den por esclavos los indios se pueden y deven dar por esclavos los que se cautibaren en la d[ic]ha guerra de chile

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Mai 1608 den Vorschlägen des Rates und erlaubte die Versklavung der feindlichen indios. Ausnahmen blieben lediglich die besagten Minderjährigen sowie Mapuche, die keinen bewaffneten Widerstand geleistet hatten und sich binnen einer gesetzten Frist freiwillig unterwarfen.428 Im Verlauf des 17. Jahrhunderts stand die Problematik weiterhin auf der politischen Agenda der Krone. Sie blieb ihrer sklavereipolitischen Linie weitgehend treu und bemühte sich, Erlaubnisse, Verbote, und Ausnahmen dem Kriegsgeschehen situativ anzupassen. So erklärte sie 1610 erneut einen „defensiven Krieg“ (guerra defensiva), was die rechtmäßige indio-Sklaverei weitgehend ausschloss.429 Nachdem sich der militärische Konflikt wieder zugespitzt hatte, wurde fünfzehn Jahre später wieder ein „offensiver Krieg“ (guerra ofensiva) ausgerufen. Dieses Mal wurde die Versklavung des Feindes sogar ohne jegliche Einschränkungen erlaubt.430 Erst kurz vor Weihnachten des Jahres 1674 verfügte die Krone ein endgültiges Generalverbot der Versklavung der indios in Chile.431 Die Frage nach der indio-Sklaverei blieb nicht auf die konfliktträchtigen Randgebiete der Kolonialherrschaft beschränkt. Wie schon zuvor waren auch im 17. Jahrhundert Suppliken nicht selten, die um die Versklavung einzelner – angeblich rebellischer oder kannibalischer – indigener Gruppen baten. Exemplarisch kann hierfür etwa eine Supplik des Rates (cabildo) der Stadt Cartagena aus dem Jahr 1623 stehen. Diese beklagte einen massiven Mangel an indigenen Arbeitskräften, der die landwirtschaftliche Produktion nahezu zum Erliegen

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a los que los tomaren desde la publicacion de la provision que para ello se despachare asi hombres como mugeres siendo los hombres mayores de diez años y medio y las mugeres de nueve y medio y q[ue] los menores de la d[ic]ha hedad no pueden ser esclavos enpero que puedan ser sacados de las provincias rebeldes y llebados a las otras que estan de paz y dados y entregados a personas a quien sirban hasta tener hedad de veynte años para que puedan ser ynstruidos y enseriados xri[sti]anamente como se hico con los moriscos del Reyno de Granada.” Ebd. Real Cédula vom 26.5.1608: „Todos los indios, así hombres como mujeres de las provincias rebeladas del reino de Chile, siendo los hombres mayores de diez años y medio y las mujeres de a nueve y medio, que fueren tomados y cautivados en la guerra por los capitanes y gente de guerra, indios amigos nuestros y otras cualesquier personas que entendieren en esta pacificación, dos meses después de la publicación de esta provisión en adelante, sean habidos y tenidos por esclavos suyos; y como tales se puedan servir de ellos y venderlos, darlos y disponer de ellos a su voluntad.” Ediert in: Jara/Pinto: Fuentes 1, S. 254–256, hier 255. Vgl. Hanisch Espíndola (1991), S. 106. Nach Hanisch Espíndola kam dies einer „esclavitud universal“ gleich. Ebd., S. 122. Die Real Cédula vom 13.4.1625 befindet sich ediert in: Jara/Pinto: Fuentes 1, S. 275 f. Real Cédula vom 20.12.1674. Ediert in: Ebd., S. 319–323. Vgl. Hanisch Espíndola (1991), S. 116 f.

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gebracht habe. Ursächlich sei das Massensterben der indigenen Bevölkerung durch die schwere körperliche Arbeit, die Pocken und andere Krankheiten. Die Lösung sah der cabildo in der indio-Sklaverei: In den Gegenden des Río Marañón und des Amazonas gebe es eine endlose Menge (infinita multitud) von caribes, die Anthropophagie betreiben und bewaffneten Widerstand leisten würden. Offenkundig könne hier also ein bellum iustum geführt werden. Mit dem Verweis auf die portugiesischen Kolonialgebiete, in dem die Versklavung von indios uneingeschränkt praktiziert würde, bat der cabildo schließlich, jene indios im Krieg versklaven oder per rescate erwerben zu dürfen.432 Insgesamt kann man sicherlich von einer allmählichen Abnahme der indio-Sklaverei ab dem späten 16. Jahrhundert sprechen. Dennoch sollte man sich hüten, eine abolitionistische Fortschrittsgeschichte zu konstruieren. Der Rückgang ist höchstens zu einem kleinen Teil theologisch-philosophisch motivierten Sklavereiverboten oder der Agitation einiger kritischer Kleriker zu verdanken. Zumal sich diese meist nur gegen die illegale Versklavung von indios außerhalb eines bellum iustum richteten und nicht gegen die Sklaverei an sich. So blieb die indio-Sklaverei im Rahmen des „gerechten Krieges“ auch im 17. Jahrhundert präsent und auf der politischen Tagesordnung der Krone. Die Praktiken, Debatten und politischen Konfliktfelder blieben weitgehend gleich. Die Grausamkeit feindlicher indios mit dem populären Topos der Kirchenschändung sowie die Anthropophagie galten noch immer als die ultimative Legitimation der Sklaverei. Hinzu kam die bekannte Verschränkung politischer, militärischer und ökonomischer Argumente: Die „alternativa a la muerte“, Sklaven als Kriegsbeute, Anreiz für Söldner und als Teil der ­Rekompensation 432 Supplik des cabildo secular der Stadt Cartagena vom 14.12.1623: „En el Rio del Marañon y en el gran Rio de las Amazonas ay ynfinita multitud de yndios carives que comen carne humana los quales traen continuas guerras unas contra otros y los que se cautivan se comen y venden entresi para el mismo effecto y los que deste genero rescatan los Portugueses y Castellanos que dan por sus esclavos perpetuos: [...] Esta ciudad de Cartagena y su Provincia esta muy necessitada de servicio de yndios por la grande suma delos que an muerto con travajos viruelas y otras enfermedades y anso las rosas y sementeras labores y culturas del campo an venido a menos.[...] Se podria remediar siendo V. M. servido de hacer md. a esta provincia que se de las partes del brasil, Rio de Marañon o de las Amazonas se trageren algunos yndios rescatados delos carives o cuidos en guerra puedan entrar en ella libres de todos derechos y que sus dueños puedan usar dellos en la forma que se ussa y permite en la corona de Portugal constando por certificacion y letrados de los officiales Reales y escribaños de la Real hacienda de aquellas conquistas ser los tales yndios avidos de buena guerra o rrescatados de los carives que los tubiessen para comer, supp[lica] a V. M. humillmente le haga esta md. pues resulta en utilidad publica y comun demas de ser gran servi[cio] de n[uest]ro s[eñor].” AGI, Santa Fe 63, n. 50.

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von Kriegskosten sowie religiöse Funktionen waren noch immer zentral. Die Sklavereipolitik der Krone war weiterhin vom Bemühen geprägt, situative Kompromisse zwischen Verbot und Erlaubnis zu finden und politische Verantwortung an lokale Autoritäten weiterzugeben, was insbesondere anhand der Beispiele aus Chile und den Philippinen ersichtlich geworden ist. Die Annahme der traditionellen Sklavereiforschung, (vor allem illegale) indio-Sklaverei habe es, nachdem die königliche Antisklavereigesetzgebung 1542 in den Leyes Nuevas kulminiert habe, nur noch in peripheren Randgebieten des Kolonialreiches gegeben, hat angesichts der quantitativen Abnahme der indio-Sklaverei durchaus einen plausiblen Kern. Selbst wenn man von der Tatsache absieht, dass es nach Aufständen und Revolten sehr wohl auch nach 1542 noch legale Massenversklavungen von indios im kolonialen Kerngebiet gab, sollte daraus jedoch keine Marginalisierung der Sklaverei abgeleitet werden. Vielmehr war die Versklavung von Menschen in vielen Fällen ganz grundsätzlich ein Phänomen der herrschaftlichen Randgebiete. In Frontierzonen und Grenzgebieten wurden jene Konflikte ausgetragen, die diese überhaupt erst zu Sklavenlieferzonen machten. Dies galt sowohl für kastilische Sklavenrazzien während der sogenannten reconquista oder der Eroberungen in Nordafrika (Oran 1509, Tripolis 1511), für die periphere Gebirgsregion der Alpujarras während der guerra de Granada als auch für Spanisch-Amerika: Waren es während der „karibischen Phase“ die Costa de las Perlas des heutigen Panama oder die Kleinen Antillen, die aus Sicht der kastilischen Eroberer als konfliktreiche Randgebiete galten, wurden nach der territorialen Expansion im 16. und 17. Jahrhundert eben Gebiete im heutigen Chile, Nordmexiko oder Florida zu Sklavenlieferzonen. Dass die Versklavungen von indios in den kolonialen Randgebieten stattfanden, kann somit kaum als ein neues Phänomen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts betrachtet werden. Diesen Beobachtungen entsprechend erklärt sich der quantitative Rückgang der indio-Sklaverei im Laufe der Zeit nicht aus sklavereikritischen oder gar abolitionistischen Postulaten: Es war der allmähliche Abschluss der territorialen Eroberungen in Spanisch-Amerika, der ein langsames Versiegen der Sklavenlieferzonen bewirkte. So verschwanden sukzessive jene Gebiete, in denen Sklaven einem bellum iustum entsprechend akquiriert werden konnten. 6 Zwischenfazit Ähnlich der guerra de Granada erfuhr die Sklaverei während der conquista einen enormen politischen Bedeutungszuwachs. Das politische Konfliktfeld der indio-Sklaverei stand spätestens ab Kolumbusʼ zweiter Reise 1494 bis weit

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in das 17. Jahrhundert auf der Agenda der kastilischen Krone. Aufgrund der spezifischen, situativen und multidimensionalen Funktionen und Dysfunktionen, die ihr zugeschrieben wurden, war die indio-Sklaverei stets politische Verhandlungsmasse zwischen den unterschiedlichen politischen Fraktionen. In den Vorkapiteln habe ich entsprechend gezeigt, wie die Vor- und Nachteile der indio-Sklaverei zwischen Krone und kolonialen Akteuren verhandelt wurden. Dabei ging es vor allem um die Fragen, welche Praktiken in diesem Zusammenhang entwickelt wurden, wer die zentralen Akteure waren, welche (Dys-)funktionen die Sklaverei in diversen Situationen bot und wie Sklaverei administrativ organisiert wurde. Weiterhin standen die politischen Motive der Krone im Zentrum sowie die Art und Weise, in der sie versuchte, über das Themengebiet der indio-Sklaverei auf lokale politische Prozesse einzuwirken. Einleitend ging es zunächst um die Versklavung von indios in der sogenannten „karibischen Phase“. Diese war geprägt von der Transformation und Adaption verschiedener Praktiken und Legitimationsmuster. So unterlag der Sklavenfang zu Beginn der kolonialen Unternehmungen einer ganz ähnlichen Semantik wie beispielsweise während der Expansion der portugiesischen Seefahrer im 15. Jahrhundert: Die hohen Expeditionskosten und enttäuschte kollektive Beute- und Gewinnerwartungen wurden durch Sklavenfang kompensiert. Maßgeblich für die Sklavereipolitik der Krone in dieser Phase war die Kategorisierung der indigenen Bevölkerung in indios de paz und caribes sowie die eng damit verknüpfte geographische Zweiteilung des Kolonialgebietes in islas útiles und islas inútiles. Besonders Erstere schuf ein folgenschweres Fundament der Rechtfertigung der indio-Sklaverei für nahezu zwei Jahrhunderte. Sie entsprach der bevorzugten flexiblen Sklavereipolitik der Krone, wie sie schon aus dem Kapitel zur guerra de Granada bekannt war: Sie erlaubte ein formales Erfüllen des päpstlichen Missionsmandates und wahrte dennoch die Möglichkeit, die Vorteile der indio-Sklaverei auszunutzen; darüber hinaus ermöglichte sie eine situative, sukzessive Ausweitung der Sklavenlieferzonen, wann immer es die politische oder ökonomische Lage erforderte. Der folgende, kurze Exkurs zum Import von indio-Sklaven nach Kastilien zeigte überdies, dass sich die administrativen Maßnahmen der Krone bereits sehr früh abzeichneten. Ein regulierendes Eingreifen der Krone – etwa durch Gerichts- und Strafverfahren – in die Praktiken der indio-Sklaverei wurde somit zumindest im iberischen Kontext schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts umgesetzt. Die Exportverbote sind höchstens teilweise in einem theologisch-religiösen und keinesfalls in einem abolitionistischen Zusammenhang zu sehen. Sie waren in erster Linie ökonomisch und siedlungspolitisch motiviert: Für eine weitsichtige Kolonialpolitik musste eine Entvölkerung unbedingt verhindert werden.

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Anschließend ging es um die Bedeutung der indio-Sklaverei für die conquista der „Neuen Welt“. In diesem Zusammenhang habe ich die Praktiken der Versklavungen sowie die zentralen Funktionen, die die indio-Sklaverei einnahm, herausgearbeitet. Hierbei kann zunächst festgehalten werden, dass die Versklavung der indigenen Bevölkerung für die meisten kolonialen Unternehmungen von großer – in vielen Fällen sogar von konstitutiver – Bedeutung war. Als Möglichkeit der Akquirierung von Sklaven standen zwei Handlungsoptionen bereit: Zunächst sogenannte entradas de guerra, die durch die zeitgenössische Kriegspraxis legitimiert waren. Daneben bestand die populäre Möglichkeit, Sklaven durch armadas de rescate zu erwerben. Der Kauf von Sklaven von indigenen Gemeinschaften stellte ein Einklinken in den präkolumbianischen Sklavenmarkt dar. Die armadas wurden zunehmend offiziell organisiert und hatten somit letztlich einen elitären Charakter. Zudem ermöglichten sie auch nicht-militärischen Akteuren direkten Zugang zu Sklavenlieferzonen. In der historischen Praxis war der Übergang zwischen entrada de guerra und armada de rescate meist fließend: Konnte die betroffene indigene Gemeinschaft die Nachfrage nach esclavos de rescate nicht befriedigen, schlugen die Kaufverhandlungen oft in gewaltsame Sklavenrazzien um. Eine indigene agency im Sklavenhandel fand also schnell ihre Grenzen. Die Funktionen der Sklaverei stellten sich als ausgenommen multidimensional heraus und schlugen sich entsprechend in den Suppliken der kolonialen Akteure nieder. Auch wenn sie nicht immer quantifizierbar waren, wurden die ökonomischen und fiskalischen Funktionen der Sklaverei auf drei Ebenen deutlich: Zunächst profitierte die Krone finanziell durch Steuererhebungen bei Sklavenfang und -verkauf. Überdies verdiente sie indirekt durch den massiven Einsatz sklavischer Arbeitskräfte in den Gold- und Silberminen. Wie das Beispiel der Welser gezeigt hat, diente die Aussicht auf indio-Sklaven auch als Anreiz, koloniale Großunternehmer zu Investitionen zu bewegen. Eben diese, mit einem asiento ausgestatteten, kolonialen Großunternehmer stellten die zweite Ebene der Profiteure dar. Die Eroberung der Provinz Venezuela wäre ohne die indio-Sklaverei sicherlich nur schwer durchführbar gewesen. Nicht nur da die Welserʼschen Agenten vor Ort auf indigene Sklaven als Arbeitskräfte, Träger, Ortskundige oder Übersetzer angewiesen waren; sondern vor allem, da Sklaven den einzigen ökonomischen Faktor darstellten, der bereits während der Planungsphase der Unternehmung als gesichert galt. Die dritte Ebene der Profiteure setzte sich – unabhängig ihres sozialen Ranges – aus den übrigen kolonialen Akteuren zusammen: von Gouverneuren über lokale Eliten bis hin zu Städten, Konquistadoren und einfachen Siedlern und Soldaten. Sklaven waren insbesondere in der kolonialen Peripherie und an Orten, an

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denen kein Edelmetall abgebaut werden konnte, von großer Bedeutung: Offenkundig waren indio-Sklaven äußerst wichtig für den Ackerbau und um den Nachschub an lebenswichtigen Versorgungsgütern aus den kolonialen Zentren zu finanzieren. Daneben standen als zweiter Punkt die militärischen Funktionen: Zusammenfassend können die Refinanzierung von Eroberungszügen, das Erfüllen der kollektiven Beuteerwartung der Soldaten sowie eine Straf- und Abschreckungsfunktion genannt werden. Schließlich wurden auch stets religiöse Funktionen betont: Durch die Versklavung der indios würde die Mission erleichtert und christliche Werte könnten besser vermittelt werden. Wie auch während der guerra de Granada bildeten theologisch-religiöse Funktionen allerdings eher einen allgemeinen Rahmen, der zwar stets als argumentativer Hintergrund der Suppliken diente, dem aber konkret wenig Platz eingeräumt wurde. Letztlich waren die Funktionen der Sklaverei multidimensional: Ökonomisch-finanziell, siedlungs- und machtpolitisch, militärisch und religiös. Die Funktionen unterschieden sich dabei situativ: Handelte es sich um eine koloniale Friedenssituation, was vor allem für Siedler und Städte galt, waren ökonomische und siedlungspolitische Funktionen der Sklaverei entscheidend: Finanzielle Notwendigkeiten, Ackerbau, Arbeitskräftemangel und die falta de gente waren maßgebliche Punkte. War es eine Kriegssituation, wurden entsprechend die militärischen Funktionen virulent: Terrorschock, Abschreckung, Strafe, Refinanzierung von Kriegszügen, Beute und Truppenmotivation. Im Mittelpunkt des Kapitels zur Sklavereipolitik der Krone standen die politischen Funktionen der Sklaverei, die ich im Vorkapitel noch weitgehend ausgenommen hatte. Wie reagierte die Krone mit einer spezifischen Politik auf die Probleme hinsichtlich der indio-Sklaverei? Wichtig war mir in erster Linie, das Narrativ einer inkonsistenten, chaotischen Politik der Krone zu relativieren und die indio-Sklaverei als permanente politische Verhandlungsmasse zwischen den politischen Akteuren zu beschreiben. Hierzu habe ich die königlichen Sklavereiverbote den Gesetzesrücknahmen und Ausnahmeregelungen gegenübergestellt und anschließend die administrativen Kontrollversuche der Krone analysiert. Aus der durchaus skeptischen Haltung der Krone gegenüber der indio-Sklaverei, die sich der Dysfunktionen durchaus bewusst war, haben Forscher und Forscherinnen häufig eine „política antiesclavista“ konstruiert, die in einer finalen Abschaffung der indio-Sklaverei in den Leyes Nuevas (1542) gegipfelt habe. Schon zu Zeiten der Katholischen Könige, besonders aber ab den Zwanzigerjahren griff die Krone immer öfter zu Sklavereiverboten: Die Ordonanzas de Granada (1526) beklagten die exzessive Ausbeutung und die Misshandlungen der indigenen Bevölkerung und stellte Sklaverei aufgrund ihrer Nachteile (Entvölkerung, militärische, siedlungspolitische und missionarische Schwierigkeiten) erstmals explizit zur Disposition. Die Folge war ein

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striktes Verbot der indio-Sklaverei außerhalb des bellum iustum sowie die unbedingte Freilassung aller illegal versklavter indios. Dem folgte vier Jahre später jenes absolute Sklavereiverbot, mit dem die Krone ein jahrhundertealtes Rechtsprinzip aushebelte. Trotzdem ist zu betonen, dass es sich auch hierbei um kein religiös-ethisch oder abolitionistisch motiviertes Verbot handelte, sondern in erster Linie die äußeren und praktischen Umstände der Sklaverei kritisiert wurden. Das Verbot hatte vor allem die militärischen, siedlungspolitischen und administrativen Dysfunktionen der indio-Sklaverei im Auge. Schließlich wurde das Sklavereiverbot auch in die Leyes Nuevas inkorporiert und um einen interessanten Faktor erweitert: Die Rede ist vom Vasallentum der indigenen Bevölkerung; diese herrschaftspolitischen Bedenken der Krone, die durch die Versklavung ihrer Vasallen den Verlust herrschaftlicher Macht befürchtete, erinnert stark an die Debatten um die Vererbbarkeit der encomienda und die „Neofeudalisierung“ Spanisch-Amerikas. Insgesamt handelte es sich bei der königlichen Verbotspolitik wohl kaum um eine wie auch immer geartete „Bahnbrechung einer neuen Gesinnung“ oder um einen Vorreiter des Abolitionismus. Im Zentrum standen vielmehr konkrete, praktische Nachteile der Sklaverei, die äquivalent zu ihren Funktionen waren: Die Zerstörung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen durch Entvölkerung, die Verhinderung einer dauerhaften Pazifikation durch entradas de guerra sowie herrschaftspolitische, missionarische und religiöse Faktoren. Folglich lässt sich auch keine Dichotomie zwischen harten, praktischen Faktoren und theologischphilosophischen Gegenargumenten ausmachen. Je nach Situation ließen sich die verschiedenen Argumentationsebenen für oder gegen die Versklavung von indios einsetzen. Zudem sind die Sklavereiverbote als ultima ratio und Maximalforderung der Krone im politischen Prozess zu verorten, die stets nachverhandelt wurden. Die Verbote der indio-Sklaverei wurden entsprechend nur kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung von der Krone selbst wieder relativiert. Der Aushandlungsprozess, der einem Verbot folgte, mündete üblicherweise in einem politischen Kompromiss. So wurde das Gesetz von 1530 nur zwei Jahre später nach zahlreichen Suppliken zurückgezogen; allerdings mit der Auflage, die Verschleppung der indio-Sklaven aus ihrer Heimatprovinz zu unterlassen. Diese Teildemobilisierung menschlicher Beute war eindeutig gegen die Entvölkerung der Sklavenlieferzonen gerichtet. Die Krone war also bemüht, die Sklaverei als politische Notwendigkeit stets virulent zu halten, dabei aber ihre einschlägigen Dysfunktionen einzuschränken. So kam es neben dem Verbot der Verschleppungen zu vielen weiteren Kompromissen wie dem Verbot der Versklavung von Frauen und Kindern oder der Einführung der zeitlich begrenzten Sklaverei. Die Intention der Verbote von 1530 und 1542 war letztlich kein Generalverbot der indio-Sklaverei. Vom König über den Vizekönig bis zum

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Indienrat war man sich der Notwendigkeit und der Vorteile der Sklaverei wohl bewusst. Einem Verbot folgten immer Petitionen und Suppliken der betroffenen Akteure, woraufhin die Krone mit der Bitte um mehr Informationen und dem Übertragen der politischen Verantwortung auf ihre lokalen Stellvertreter reagierte; dem folgten üblicherweise eine politische Gratwanderung aus Gesetzesteilrücknahmen, Ausnahmeregelungen und Kompromissen. Die forcierte Sklavereipolitik ab den Zwanzigerjahren bedeutete zudem auch einen sukzessiven Aufbau administrativer Strukturen und die systematische Institutionalisierung spezifischer Praktiken. Um verstärkt an den lokalen politischen Aushandlungsprozessen teilzunehmen, bemühte sich die Krone um die administrative Regulierung der Versklavungen, Beuteverteilung und Freilassungen. Durch eine erhöhte Schriftlichkeit und durch die Einführung klar strukturierter Verfahren wurde so versucht, eine Reduktion von Komplexität im politischen Prozess zu erreichen. Die Krone versuchte dies auf zwei Ebenen umzusetzen: Zum einen stand die Versklavung einer Person an sich im Zentrum der Bemühungen; zum anderen ging es um das System der Sklaverei im Ganzen. Bezüglich der ersten Ebene war der requerimiento die erste administrative Instanz, die die Grenze zwischen legaler und illegaler Versklavung markieren sollte. Neben seinen anderen Funktionen kann er demnach als administrative Strategie begriffen werden, die den Beginn eines bellum iustum sowohl schriftlich als auch mündlich-performativ fixieren sollte. Um einen solchen gerechten Sklavenstatus auch im Nachhinein verifizieren zu können, kam es zudem verstärkt zu Gerichtsverfahren und Anhörungen, wie sie auf der Iberischen Halbinsel schon seit langem institutionalisiert waren. Die Befragungen von Besitzern, Sklaven und weiteren Zeugen stellten ein Verfahren zur Herstellung einer überprüfbaren Rechtmäßigkeit dar. Überdies diente die obligatorische gerichtliche Überprüfung einer versklavten Person auch der zentralisierten Abführung des quinto. Die Hinzuziehung eines offiziellen Notares, der nach einer Gerichtsentscheidung zugunsten des Sklavenbesitzers, den Sklaven in ein Register einzutragen hatte, zeugt darüber hinaus von einer Forcierung von Schriftlichkeit im Bereich des Systems der indio-Sklaverei. Von dieser erhoffte man sich eine verstärkte Kontrolle des Sklavenmarktes, der Besteuerung sowie eine Eindämmung der illegalen Sklaverei. Als letztes bin ich in diesem Zusammenhang auf den Aspekt der Brandmarkung eingegangen. Diese war nur in der Anwesenheit königlicher respektive kirchlicher Amtsträger zugelassen. Zudem kam es ab den späten Zwanzigerjahren zur Einführung offizieller königlicher Brandzeichen und zu Maßnahmen zur Vermeidung von Betrug, wie die erläuterte Verwahrung der Brandeisen in speziellen Truhen. Die offizielle Brandmarkung war letztlich eine Möglichkeit, den legalen respektive illegalen Sklavenstatus öffentlich sichtbar zu machen und stellte somit

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eine weitere Strategie gegen Steuerbetrug und illegale Sklaverei dar. Die Institutionalisierung von Praktiken um illegale Versklavungen, Steuerhinterziehung und eigenmächtige Beutedistribution zu verhindern, führte letztlich zu einer Verkettung einzelner Verfahren: Nach der Verlesung des requerimiento und der Gefangennahme in einer entrada de guerra folgte die Präsentation und Befragung des Gefangenen sowie gegebenenfalls weiterer Zeugen. Konnte die Herkunft des Sklaven aus einem bellum iustum einwandfrei belegt werden, wurde der Sklave durch den anwesenden Notar in ein Register eingetragen, besteuert und sein Sklavenstatus offiziell erklärt. Als letzter Schritt folgte die Brandmarkung mit dem offiziellen königlichen Brandeisen. Eine zweite Ebene der administrativen Bemühungen zielte auf das System der Sklaverei an sich ab. Dies betraf vor allem die Verrechtlichung der Sklaverei an sich sowie nachträgliche Überprüfungen von Sklaven etwa durch die Visitationen von haciendas. So waren eigens zuständige visitadores und procuradores generales de los indios für das Ausfindigmachen illegal versklavter indios und deren Befreiung zuständig. Gerade der Fall des Bartolomé Melgarejo hat gezeigt, dass die Maßnahmen gegen illegale Sklaverei durchaus umsetzbar waren. Auch hier ist jedoch zu betonen, dass sich die Arbeit eines Melgarejo nicht gegen die Sklaverei an sich richtete, sondern auf der anerkannten Basis des bellum iustum argumentiert wurde. Die Kehrseite einer flexiblen, situativen Sklavereipolitik der Krone war darüber hinaus eine allgemeine Rechtsunsicherheit in den kolonialen Gebieten. Infolgedessen bemühte sich die Krone immer wieder um eine rechtliche Vereinheitlichung. In diesem Zuge forderte sie die Evaluierung vergangener politischer Entscheidungen sowie die Sammlung und Ordnung von möglichst umfassenden Informationen zur Thematik der Sklaverei, um eine verbindliche Entscheidungsgrundlage für zukünftige Versklavungen zu schaffen.433 All diese administrativen Instanzen dienten letztlich der Herstellung verschiedener Gerechtigkeiten ( justicias): Gerechte Versklavung, gerechte Verteilung und gerechte Besteuerung.

433 Dies erinnert ein wenig an die Reformen der Siebzigerjahre des 16. Jahrhunderts, die aus der Visitation des Indienrates durch Juan de Ovando (ca. 1530–1575) hervorgingen und im Kern auf einer „vollständigen Kenntnis“ (entera noticia) gründen sollten. Vgl. Brendecke (2009), S. 217–259; Poole (2004).

VI Praktiken, Semantiken, Konfliktfelder: Indio- und morisco-Sklaverei im Vergleich Im Laufe der Studie ließen sich Praktiken, Legitimationsdiskurse und die Entwicklung von Institutionen gemeinsam betrachten. Es ist dabei klar geworden, dass das Thema der Sklaverei während des 16. Jahrhunderts stets auf der politischen Agenda der kastilischen Krone stand. Sowohl die Katholischen Könige als auch Karl V. und Philipp II. versuchten, eine spezifische Sklavereipolitik zu konzeptualisieren und so zwischen divergierenden Interessen zu vermitteln. Das Argument, das politische Handeln der Krone bezüglich der Sklaverei sei sowohl während der guerra de Granada als auch der conquista von Inkonsistenz und eigenmächtig handelnden, marodierenden Söldnern geprägt gewesen, muss entsprechend relativiert werden. Selbstverständlich profitierte der einfache Söldner direkt von der Sklaverei. Jedoch waren die verschiedenen Akteure auf allen sozialen, militärischen und politischen Ebenen an ihr interessiert. Entweder, weil sie einschlägige Vorteile für sie bereithielt oder weil es galt, sie wegen ihrer praktischen Dysfunktionen zu bekämpfen. Entsprechend wurden Fragen und Probleme bezüglich der Sklaverei zwischen den konkurrierenden Interessengruppen und Fraktionen stets situativ ausgehandelt. Dabei lässt sich keine Konfliktlinie oder Dichotomie zwischen einer vermeintlichen theologisch-philosophischen Kritik an der Sklaverei und einer militärisch-politischen Befürwortung erkennen. Dies verdeutlichen Beispiele wie der granadinische Klerus, der in den Nachwehen der guerra de Granada die Sklavereiverbote scharf kritisierte, Geistliche in Spanisch-Amerika, die die Inhalte der Leyes Nuevas angesichts indigener Revolten ablehnten oder Truppenführer, die die Versklavungen aufgrund militärlogistischer Schwierigkeiten kritisierten. Deshalb ist es besonders wichtig, die königliche Sklavereipolitik sowie die politischen und theologischen Debatten nicht in einen abolitionistischen, moralisierenden Fortschrittsdiskurs einzupassen oder ausschließlich nach Pionierleistungen im Sinne eines Las Casas zu fahnden. Falls Entscheidungen gegen die Versklavung von indios oder moriscos getroffen wurden, ­hatten diese selten theologische oder gar – wie oft unterstellt – moralisch-abolitionistische Ursachen und waren somit nicht gegen die Sklaverei im Ganzen gerichtet. Vielmehr waren es in allen untersuchten Fällen die praktischen Dysfunktionen, die die massenhafte Versklavung des Feindes meist mit sich brachten, die ein Verbot oder Restriktionen bedingten. Diese Beobachtung zeigt sich auch anhand der Rolle der katholischen Kirche. Sicherlich gab es einige kritische Stimmen, die gerade im Falle der indigenen Bevölkerung Spanisch-Amerikas © VERLAG FERDINAND SCHÖNINGH, 2018 | doi 10.30965/9783506707123_007

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gegen Versklavungen agitierten. Aber auch an diesen lässt sich letztlich keine Generalkritik an der Sklaverei ablesen. Kritik wurde auch hier stets auf der omnipräsenten Basis des „gerechten Krieges“ geäußert; lag ein solcher vor, durften auf dessen Grundlage auch aus Sicht der meisten Theologen und Juristen indios versklavt werden. Im Falle der guerra de Granada, in dem die Frage nach einem bellum iustum klar positiv beantwortet wurde, avancierte der Klerus sogar zu einem Hauptbefürworter der Sklaverei und findet sich auch als Akteur im Sklavenhandel. Statt sich des üblichen Narrativs, Sklaverei sei die Folge marodierender Truppenteile und im Laufe des Jahrhunderts durch königliche Gesetzgebung und Administration sowie theologisch-philosophische Kritik zurückgedrängt worden, zu bedienen, gilt es, situativ die divergierenden Interessen der unterschiedlichen Akteure zu beachten. In diesem Sinne erscheint die königliche Sklavereipolitik – auch wenn sie auf den ersten Blick wie eine chaotische Mixtur aus Legalisierungen, Restriktionen, Verboten und Ausnahmeregelungen aussieht – vielmehr als der Versuch, einen flexiblen Weg zwischen den Extrempositionen zu finden. In einem politischen Balanceakt versuchte die Krone so, zwischen politischen, ökonomischen sowie militärischen Funktionen und Dysfunktionen der Sklaverei zu vermitteln. Dies kann als eine der fundamentalen Konstanten der königlichen Sklavereipolitik im 16. Jahrhundert gelten. Auch wenn sich das historische Setting beider Untersuchungsfelder erheblich voneinander unterschied und unmittelbare Querverweise in den Quellen recht selten sind, ließen sich in beiden Fällen ähnliche Beobachtungen bezüglich der Sklavereipolitik machen. Zwar handelt es sich bei dieser Arbeit nicht um eine komparative Studie. Um nun allerdings die verschiedenen Teilergebnisse zusammenzufassen und die wichtigsten Punkte abschließend zu bilanzieren, möchte ich im Folgenden vier Aspekte vergleichend betrachten: Die Versklavungspraktiken, die legitimatorischen Grundlagen, die (Dys-)funktionen und politischen Konfliktfelder sowie die königliche Sklavereipolitik als Kompromisspolitik. Die Versklavungspraktiken weisen in beiden Fällen deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf. Die Praktiken der cabalgadas der andalusischen Städte und Söldner während der guerra de Granada und die der ­entradas de guerra der conquista hatten weitgehend ähnliche Grundlagen. Beide dienten erst in zweiter Linie der Bestrafung oder militärischen Unterwerfung des Feindes. Vorrangig war die Beutenahme, vor allem in der Form von Sklaven. Die militärischen Aktionen waren meist obrigkeitlich organisiert. Dies ging so weit, dass die administrativen und militärischen Eliten auf das Engste in Sklavenfang und -handel involviert waren. So finden sich als Besitzer von Sklavenschiffen in Spanisch-Amerika mit Pizarro, Almagro oder Dávila

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häufig die bekanntesten Namen der spanischen Kolonialgeschichte. Ebenso war es während der guerra de Granada die Elite, die am meisten von den Versklavungen profitierte: Oft sind es die obersten militärischen Autoritäten wie Don Juan de Austria, der Marqués de los Vélez oder mit dem Marqués de Mondéjar sogar der prominenteste „altchristliche“ Fürsprecher der moriscos, die in den Kaufurkunden und Verteilungslisten an oberster Stelle genannt werden. Eine zentrale Kriegspraxis findet sich überdies regelmäßig in beiden Fallbeispielen: Die guerra de fuego y a sangre, die immer dann verfügt wurde, wenn die militärische Lage besonders kritisch erschien. So beispielsweise während der guerra de Granada, als das unmittelbare Eingreifen der osmanischen Flotte befürchtet wurde, oder während der conquista nach den verheerenden Angriffen sogenannter caribes auf die Insel San Juan. Im Mittelpunkt stand der sogenannte campo franco, also die Steuerfreiheit auf Beute, die die Soldaten zusätzlich motivieren sollte und in beiden Fällen zu einer Intensivierung der Versklavungen führte. Ferner zeigten sich hier eindrücklich die Möglichkeiten der Krone, Sklaverei mittelbar in ihre Belohnungsökonomie zu integrieren: Bei Bedarf konnte sie so im Rahmen eines Gnadenerweises (merced) auf die ihr zustehenden Steuerabgaben (quinto) verzichten, ohne dabei einen allzu großen finanziellen Schaden zu erleiden. Auch aus Sicht der Beuteökonomie lassen sich beide Fälle ähnlich beschreiben. Konquistadoren und Söldner zogen mit einer spezifischen Erwartungshaltung in den Krieg: Die Hoffnung auf reiche Beute oft in Form von Sklaven. Diese dienten als Soldzahlung und die ­Aussicht auf sie als entsprechender Anreiz bei der Truppenaushebung. Dies ging so weit, dass die Krone explizit anordnete, die Chance auf reichen Sklavenfang als Werbemaßnahme bei der Rekrutierung von Söldnern zu verwenden. Der Beuteökonomie und der Verteilungspraxis lag dabei ein kollektives Gerechtigkeitsempfinden der Soldaten zugrunde. Sie achteten genau auf die ihnen zustehende Beute und bemühten sich, obrigkeitlichen Zugriff auf diese abzuwehren. Hiervon zeugen Formulierungen in Beutelisten wie etwa die, dass die Krone keinerlei Anteil an der Beute habe und diese ganz allein den Soldaten gehöre. Wurde das Gerechtigkeitsempfinden von Soldaten verletzt, ging ihre Argumentation in den Petitionen an die Krone oft über die bloßen finanziellen Schäden hinaus: Der Entzug der Beute als gerechte Entlohnung für geleistete Dienste wurde auch mit einem Ehrverlust gleichgesetzt. Entsprechend musste bei der Beutedistribution auf eine spezifische Verteilungsgerechtigkeit ( justicia distributiva) geachtet werden. Hierbei ließ sich beobachten, dass die Obrigkeit stets bemüht war, die eigenständige Distribution von Beute durch Soldaten zu unterbinden oder diese administrativ zu regeln. Überprüfbare Verfahren – durch die Institutionalisierung von routinisierten Praktiken, einer erhöhten Schriftlichkeit vor allem in der Form von Verteilungslisten sowie der

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Ernennung von Amtsleuten, die über spezifische Expertise in Sachen Beuteverteilung verfügten – sollten zunächst die gerechte Verteilung der Sklaven unter den Soldaten gewährleisten. Auch eine fiskalische Funktion ist offenkundig. Durch ein geregeltes Verfahren sollte die Besteuerung der Sklaven durch königliche Amtsträger vorgenommen werden. Nicht weniger wichtig war zudem der legitimatorisch-rechtliche Aspekt. Im Zuge der Beuteverteilung bestand die Möglichkeit, die gerechte Versklavung des Gefangenen zu überprüfen. Sowohl bei moriscos als auch bei indios oblag es einem Amtsträger, deren Herkunft aus einem „gerechten Krieg“ sicherzustellen. Indios de paz respektive moriscos de paz sollten schließlich keinesfalls versklavt werden. Mit dem bellum iustum stand zwar ein allgemein akzeptierter, juristisch-theologischer Legitimationsrahmen zur Verfügung. Dieser musste jedoch dauerhaft durch die genannten administrativen Verfahren reproduziert werden. In beiden Fällen nahm die offizielle Distribution von Sklaven als Kriegsbeute also eine Doppelfunktion war, die auf einem doppeldeutigen Gerechtigkeitsbegriff beruhte: Die gerechte Verteilung inklusive ihrer ökonomisch-fiskalischen und die gerechte Versklavung mit ihrer legitimatorisch-rechtlichen Funktion. Außerdem bot der forcierte administrative Zugriff auf die Verteilungsmechanismen von Sklaven der Krone vor Ort eine bedeutende Möglichkeit, an lokalen politischen Aushandlungsprozessen zu partizipieren. Die Partikularinteressen der lokalen Akteure standen den administrativen Formalisierungsprozessen dabei nicht unbedingt entgegen: Bot sich doch so zum einen die Möglichkeit, den eigenen Sklaven zu legitimieren. Zum anderen konnten gerade die unteren militärischen Ränge durchaus von einer administrativen Straffung der Beuteverteilungsmechanismen profitieren, insofern sie Verteilungsgerechtigkeit sicherstellen konnte. Je nach Situation finden sich hingegen auch oft Beispiele, in denen lokale Akteure aus meist ökonomischen oder machtpolitischen Motiven königliche Eingriffe in das System der Sklaverei ablehnten. Selbstredend lassen sich auch Unterschiede innerhalb der Versklavungspraktiken verzeichnen. Besonders eklatant ist etwa der Aspekt der ­Verschleppung und Zwangsmigration: In Spanisch-Amerika war es eine wesentliche ­sklavereipolitische Entscheidung der Krone, die Verschleppung von indio-­Sklaven aus ihrer Heimatprovinz zu verbieten. Hierdurch sollte eine ­Entvölkerung der Sklavenlieferzonen vermieden werden. Das Gegenteil war interessanterweise im Königreich Granada der Fall. Nicht nur wurden morisco-Sklaven auf der gesamten Iberischen Halbinsel verkauft, die Krone verfügte sogar selbst die Deportation sämtlicher moriscos. Die Folgen entsprachen den Befürchtungen, die sie bezüglich Spanisch-Amerika hegte: Eine Entvölkerung weiter Landstriche und ein damit einhergehender, fataler Einbruch der landwirtschaftlichen Produktion.

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Bezüglich der legitimatorischen Grundlagen sind vor allem zwei Aspekte zu betonen. Zunächst der omnipräsente „gerechte Krieg“, dem eine entscheidende Rolle zukam: In beiden Fällen erfolgte dessen Begründung aus verschiedenen Richtungen. Immer wieder findet sich der Topos der Grausamkeit. Nicht nur bewaffneter Widerstand von moriscos oder indios wurde beklagt, sondern auch Kirchenschändungen und Priestermord wurden in zahlreichen Fällen als Begründung für Versklavungen in einem bellum iustum angeführt. Darüber hinaus wurden sowohl moriscos als auch indios als „enemigos de nuestra Santa Fe Católica“ stigmatisiert, die Verbrechen gegen den katholischen Glauben begehen. Während den moriscos ein Apostatentum – also die bewusste Abkehr vom christlichen Glauben – vorgeworfen wurde, war es bei den sogenannten caribes die Anthropophagie, Idolatrie oder Menschenopfer, die einen „gerechten Krieg“ rechtfertigten. Ferner schloss sich hieran das beliebte Argument der „christlichen Erziehung“ an. Sklaverei wurde so zu einem Faktor der Konversion, von dem der Sklave selbst profitiere. Dass der Sklave Nutznießer seines eigenen Sklavenstatus sei, ist dabei wohl von der Antike (Aristoteles, Cicero) über die Päpste des 15. Jahrhunderts (Eugen IV., Nikolaus V.) bis in die Neuzeit eine Grundkonstante der Sklavereigeschichte. Der zweite Aspekt zielt auf die Sklaverei als „gnädige“ (misercordioso) Strafe im Sinne einer „alternativa a la muerte“ ab. Basierend auf römischem Recht und den Siete Partidas ermöglichte die Sklaverei eine Verbindung von möglichst harter Strafe, ökonomischer Rentabilität und Missionsgedanken. Die Todesstrafe, die für Rebellion gegen die Krone durchaus vorgesehen war, war gerade für die letzten beiden Punkte denkbar ungeeignet. Überdies bestand hier die Möglichkeit, die Sklaverei im Sinne einer Strafmilderung als einen Akt königlicher Gnade zu stilisieren. Sie hatte somit noch einmal einen weiteren herrschaftspolitischen Aspekt. Eng mit den legitimatorischen Punkten verknüpft waren die Funktionen der Sklaverei, die ihr von verschiedenen Seiten zugeschrieben wurden. Auffällig ist zunächst, dass Sklaven im Hinblick auf etwaige Verbote gerade von zivilen Akteuren in Friedenszeiten als Lebensgrundlage beschrieben wurden. Dies galt vor allem für zentrumsferne Siedlungen und Städte in Spanisch-Amerika, insbesondere falls keine Gewinne aus dem Edelmetallabbau erwirtschaftet werden konnten. In zahllosen Suppliken klagten die unterschiedlichen Akteure, indio-Sklaven würden als Tauschobjekte oder Arbeitskraft in der Landwirtschaft benötigt und seien damit für die Kolonie lebenswichtig. Auf ganz ­ähnliche Weise beklagte sich Francisco Núñez Muley 1567 im Namen der moriscos bei Philipp II.: Sklaven seien für das wirtschaftliche Leben der m ­ oriskischen Gemeinschaften dringend erforderlich. Auch wenn die Bittsteller in diesen Fällen anscheinend einer klaren diskursiven Taktik folgten, die gegen die einschlägigen Sklavereiverbote gerichtet war und ihre Berichte entsprechend­

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übertrieben sein könnten – die ökonomische Bedeutung der Sklaverei für die frühneuzeitlichen Gemeinschaften in Kastilien und S­ panisch-Amerika lässt sich kaum abstreiten. Diese Feststellung geht dabei weit über diese beiden Beispiele hinaus: Auf allen politischen, sozialen oder militärischen Ebenen wurden Gewinne aus der Sklaverei erzielt. Vom gewöhnlichen Söldner über Truppenführer und vom administrativen oder geistlichen Amtsträger bis hin zum König profitierten zahllose Akteure direkt und indirekt von der Sklaverei. Parallel zu den ökonomischen und fiskalischen Funktionen der Sklaverei wurde im Laufe beider Fallstudien auch ihre militärische Bedeutung erkennbar. Von der Truppenaushebung, der Motivation und der Bezahlung der Söldner, der Amortisierung von Kriegskosten, der Straffunktion, dem Terrorschock bis hin zur Abschreckungsfunktion wurden der Sklaverei zentrale militärische Funktionen zugeschrieben. Ohne die Sklaverei wären letztlich sowohl die zahlreichen conquista-Züge als auch die guerra de Granada nur schwer durchführbar gewesen. Ein weiterer Punkt, der in diesem Zusammenhang in beiden Fällen immer wieder auftauchte, war der Topos der Landessicherung. In vielen Suppliken – etwa im Falle des „Chichimeca-Krieges“ oder im Vorfeld der guerra de Granada – wurde die Krone aufgefordert, der Sicherung des Landfriedens nachzukommen. Dies wurde meist mit der Forderung verknüpft, jene salteadores („Straßenräuber“) – ein Begriff der sowohl auf moriscos als auch auf indios angewendet wurde – versklaven zu dürfen. Ähnlich verhielt es sich mit den Dysfunktionen der Sklaverei. Kritische Äußerungen gegenüber der Sklaverei basierend auf militärlogistischen Schwierigkeiten finden sich häufig. So führte die Gier nach reicher Beute in Form von Sklaven oft zu illegalen Razzien sowie Desertion und der Transport der menschlichen, teilmobilen Beute verbrauchte relevante militärische Kapazitäten und Versorgungsgüter. Hinzu kam das Argument der Entvölkerung. Dies war vor allem bei der Konzeptualisierung der königlichen Sklavereipolitik in Spanisch-Amerika ein wichtiger Aspekt, stand die Depopulation der Sklavenlieferzonen doch einer langfristigen Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik gegenüber. Das Argument findet sich in abgeschwächter Form jedoch auch während der guerra de Granada: Der Großgrund besitzende Hochadel beklagte immer wieder die Versklavung ihrer moriskischen Vasallen und die damit einhergehende Entvölkerung ihrer Ländereien. Anhand solcher Konflikte zeigen sich die divergierenden Interessen bezüglich der Sklaverei. Gerade in Spanisch-Amerika entsprach dies der Fraktionalisierung der kolonialen Gemeinschaften. Sowohl die Argumente der Befürworter der Sklaverei als auch die der Kritiker basierten dabei auf praktischen Überlegungen. So finden sich häufig Beispiele, in denen ein kolonialer Akteur vermeintlich illegale Versklavungen bei der Krone anzeigte, nur um sich selbst gegenüber dem Konkurrenten

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einen Vorteil im Sklavenhandel zu verschaffen. Diese situativ aufeinanderprallenden Interessen dokumentieren die herrschaftspolitischen Funktionen der Sklaverei. Über sie konnte der Krone der Zugriff auf die Konflikte vor Ort und die Teilnahme an den lokalen, machtpolitischen Aushandlungsprozessen gelingen. Durch Lizenzen zum Sklavenfang, Restriktionen und Verbote wurde die Sklaverei in die königliche Belohnungsökonomie integriert. So war es der Krone möglich, sich über die Sklaverei Loyalitäten zu sichern und sich die Fraktionalisierung vor Ort zu Nutze zu machen. Ein letzter entscheidender Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist der Unterschied zwischen Kriegs- und Friedenssituationen, wie er in beiden Fallbeispielen eklatant war. Unstrittig ist, dass die Sklaverei ein wesentlicher Faktor des „gerechten Kriegs“ war. War jedoch ein Friedensschluss absehbar, lässt sich eine Funktionsverschiebung beobachten. Im Falle der guerra de Granada waren die militärischen Notwendigkeiten der Sklaverei ab diesem Zeitpunkt obsolet. Sie spielte im Folgenden vielmehr eine gewichtige Rolle als Verhandlungsobjekt in den Friedensgesprächen. Ähnliches ließ sich in Spanisch-Amerika beobachten, etwa anhand des stetigen Wechselspiels von guerra ofensiva und guerra defensiva während des „Arauco-Krieges“ im 17. Jahrhundert. Dennoch galt es, die Sklaverei auch während der Friedensverhandlungen als Abschreckungs- und Bedrohungsszenario gegenüber einem potentiellen Wiederaufflammen der Konflikte virulent zu halten. Entsprechend hielten die meisten Sklavereiverbote eine Hintertür offen, die die Sklaverei in Ausnahmefällen wieder erlaubte. Allein deshalb ist ein generelles Sklavereiverbot im Sinne des Abolitionismus, wie die Leyes Nuevas häufig interpretiert wurden, für diesen Untersuchungszeitraum kaum vorstellbar. Sklavereipolitik – das ist anhand dieser Studie klar geworden – war immer Flexibilitätspolitik. Sklaverei fungierte durchweg als politische Verhandlungsmasse, sie war stets das Objekt politischen Aushandelns und nachverhandelter Kompromissfindung. Bezüglich der Debatten um die Sklaverei kann ­dabei nicht von einer Dichotomie zwischen sklavereikritischem Zentrum und ­peripheren Befürwortern der Sklaverei gesprochen werden. Es kam auf eine spezifische und situative Beurteilung der Funktionen und Dysfunktionen der Sklaverei an, auf deren Grundlage die verschiedenen Akteure ihre Entscheidungen trafen. Die königlichen Sklavereiverbote und Restriktionen, die in ­vielen Fällen erlassen wurden, sind somit nicht als absolut zu interpretieren. Ihre strikten Formulierungen waren vielmehr der Absicht geschuldet, die königliche Position in den Nachverhandlungen zu stärken. Nachdem der Sklavenbesitz durch moriscos im Jahr 1567 unmissverständlich verboten worden war, folgte so auch hier schnell eine Kompromisslösung, die die S­ klavenhaltung doch erlaubte, falls die betroffenen moriscos eine ausreichende Assimilation

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an die kastilisch-christliche Gesellschaft gerichtsfest nachweisen konnten. Ähnliche Nachverhandlungen finden sich in der Folge nahezu aller Sklavereiverbote. So besonders in den Jahren nach 1530 oder 1542, deren zunächst strikte Sklavereiverbote schnell in einem politischen Kompromiss mündeten, der die indio-Sklaverei weiterhin ermöglichte. In beiden Fällen lässt sich die königliche Sklavereipolitik als situative, politische Gratwanderung zwischen Erlaubnis und Lizenzen, Verboten und Restriktionen sowie Ausnahmeregelungen beschreiben. Entsprechend finden sich auch Überschneidungen bei der Kompromissfindung: Die Einschränkung, – wie sie bezüglich der moriscos vorgenommen wurde – keine Kinder unter neuneinhalb respektive zehneinhalb Jahren zu versklaven, wurde etwa in exakt gleichem Wortlaut auf die indigene Gemeinschaft der Mapuche im heutigen Chile angewandt. Auch in anderen Teilen Spanisch-Amerikas fand das Verbot der Kindersklaverei als Kompromiss zwischen Sklavereiverbot und -erlaubnis Eingang in die königliche Gesetzgebung. Ein Unterschied lässt sich allerdings anhand der Versklavung von Frauen ausmachen: Während die Versklavung indigener Frauen in Spanisch-Amerika seit den Nachverhandlungen des Sklavereiverbotes von 1530 untersagt blieb, waren die versklavten Personen während der guerra de Granada überwiegend Frauen. Dies lässt sich anhand von zwei Aspekten erklären: Zum einen gab es in Spanisch-Amerika mit der naboría eine Institution, die die Ausbeutung von Frauen im Haushalt auch ohne deren formelle Versklavung ermöglichte. Zum anderen lässt sich für die guerra de Granada feststellen, dass die intensive Kriegsführung zahllose Opfer unter den moriskischen Kämpfern forderte und entsprechend weniger Männer zur Versklavung verfügbar waren. Die angesprochene Kompromisspolitik war in hohem Maße auf die politische Flexibilität aller Beteiligten angewiesen. Der in dieser Studie gewählte Fokus auf die Ebene der politischen Praxis erlaubte dabei die Beschreibung der Schnittfläche zwischen juristisch-theologischen Legitimationsdiskursen und historischen Alltagspraktiken abseits von Ideengeschichte und slave agency. Anhand vieler Fallbeispiele offenbarte sich oftmals ein Spannungsfeld ­zwischen einer anfänglichen Skepsis der Krone gegenüber den m ­ assenhaften Versklavungen und den letztendlich umgesetzten Versklavungspraktiken. Diese Kluft zwischen theoretischen Überlegungen und der historischen Praxis war ein wichtiger Bestandteil der Funktionalität vormoderner Politik. Am deutlichsten ist dies anhand des geheimen Memorials zur Erlaubnis der Versklavung der moriscos vom März 1569 geworden: Die vermeintlichen Widersprüche zwischen Sklavereiverboten, (geheimer) Legalisierung und Ausnahmeregelungen waren nicht unbedingt die Produkte einer „inkonsistenten Chaospolitik“. Sie sind vielmehr Ausdruck jener Kluft, die dazu genutzt werden konnte, die für eine Kompromisspolitik so bedeutsame politische Flexibilität zu schaffen.

Anhang Abkürzungen AGI Archivo General de Indias, Sevilla AGS Archivo General de Simancas AHN Archivo Histórico Nacional, Madrid/Toledo ARCV Archivo de la Real Chancillería de Valladolid ARV Archivo del Reino de Valencia BAE Biblioteca de Autores Españoles CODOIN-2 Colección de documentos inéditos relativos al descubrimiento, conquista y organización de la antiguas posesiones españolas de ultramar. 25 Bde. Madrid 1885-1932. CODOIN-E Colección de documentos inéditos para la historia de España. 112 Bde. Madrid 1842-1895. CODODES Colección documental del descubrimiento (1470-1506). 3 Bde. Madrid 1994. CRRS I Corpus der Römischen Rechtsquellen zur Antiken Sklaverei. Teil I. RAH Real Academia de la Historia, Madrid

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Ungedruckte Quellen

Ungedruckte Quellen

Madrid

Real Academia de la Historia (RAH) Catálogo de la Colección Salazar y Castro A-50 / A-68 / N-25 / N-26

Sevilla

Archivo General de Indias (AGI) Contratación 3249 / 5758, L. 2 Gobierno Filipinas 27 / 84 / 339, L. 1 / 340, L. 3 Gobierno Guatemala 41 / 393, L. 1 / 401, L. 2 / 402, L. 1 Gobierno Guadalajara 30 / 230 Gobierno Lima 565, L. 1-3 / 566, L. 4 Gobierno México 1064, L. 2 / 1088, L. 2-3 / 1089, L. 5 Gobierno Panama 234, L. 3, L. 5 / 235, L. 7 / 244, L. 1 Gobierno Quito 8 Gobierno Santa Fe 63 / 528, L. 1 / 1174, L. 1 Gobierno Santo Domingo 868, L. 1 / 899, L. 1 / 1121, L. 1-3 / 2280, L. 1, L. 2 Indiferente 418, L. 1-3 / 419, L. 5 / 420, L. 8 / 421, L. 11-13 / 422, L. 15-16 / 423, L. 19-20 / 424, L. 21 / 737 / 1382 / 1952, L. 1 / 1961, L. 1-2 / 1962, L. 4 Justicia 259 / 741 / 783 / 831 / 832 / 987 / 1164 / 1179 Patronato 9 / 18 / 172 / 180 / 182 / 184 /229 / 231 / 233 / 257 / 275 / 277

Simancas

Archivo General de Simancas (AGS) Cámara de Castilla (CCA) Diversos de Castilla, L. 6 / 8 / 14 / 44 / 46 Libros de Cédulas, General, L. 146 / 147 Libros de Cédulas, Hacienda, L. 301 Libros de Cédulas, Libros del Reino de Granada, L. 259 Memoriales y expedientes, L. 388 / 391 / 392 / 393 / 394 / 395 / 396 / 397 Rebelión de los moriscos y nueva población de Granada, 1561-1619, L. 2151 / 2152 / 2153 / 2154 / 2155 / 2156 / 2157 / 2158 / 2166 / 2201 Guerra Antigua (GA), L. 64 / 70 / 72 / 73 / 74 / 75 / 76 / 77 / 137 / 138 / 155 / 163 / 179 / 195 / 199 / 234 / 240 Consejo de Estado (Est), L. 60 / 148 / 150 / 151 / 152 / 153 Consejo y Juntas de Hacienda (CJH), L. 2 / 43 / 73 / 91 / 92 / 93 / 94 / 95 / 100 / 103 / 105 / 107 / 110 / 112 / 115

Gedruckte Quellen

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Toledo

Archivo Histórico Nacional (AHN) – Sección Nobleza Archivo de los Duques de Osuna C. 419 Archivo de los Marqueses de Torrelaguna C. 17 / C. 250

Valencia

Archivo del Reino de Valencia Gobernación 2290 / 2316 / 2317 / 2331 / 2332 / 2343 / 2372 /2397 / 4581

Valladolid

Archivo de la Real Chancillería de Valladolid (ARCV) Pl. Civiles, C. 141 / 336 / 903 / 989 Registro de Ejecutorias, C. 827 / 1286 / 1420 / 1454 / 1636



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Orts- und Namensverzeichnis Aben Abóo 120–121, 178–179, 183 Abén Humeya, Muley Mohamed 113, 115–116, 156 Aben Jauhar, Mohamet 113 Acosta, Luis de 161 Ahumada Sámona, Pedro de 284–286, 312 Albaícin 114, 116 Albuñuelas 119, 139, 171–172 Alegria, Antonio de 286–288 Alexander III. (Papst) 196 Alexander VI. (Papst) 77, 224 Alfonso X., el Sabio 24 Algaba, Pedro de 79, 82 Algier 119, 144 Alhama 98 Almadén 72 Almagro, Diego (el Viejo) 252, 352 Almería 28, 98, 107, 111, 116, 119, 134–135, 137–138, 160–163, 179 Alpujarras 111, 114–115, 119, 137, 152, 154, 343 Alvarado, Pedro de 253–254, 305 Ampiés, Juan de 261 Andalusien 7–8, 98, 144, 228–229, 241 Andrada, Gil de 161 Antiphon 22 Antonelli, Juan Bautista de 156–157 Aquin, Thomas von 23–24, 30 Aragón 39, 42–44, 68–69, 71, 79, 83, 86, 91, 98, 188 Aristoteles 20–21, 24–25, 28, 202, 227, 285, 291, 355 Aruba 236 Atlantik 5, 47–49, 75, 239 Austria, Juan de 16, 107, 118, 139, 145, 160, 162, 164, 170–171, 176–188, 206, 353 Ávila 42, 72 Ávila, Antonio de 152 Ávila, Arias de 122 Avilés, Pedro Menéndez de 277 Ayala, Balthasar 199 Azoren 47 Baeza, Jorge de 104 Baeza, Juan de 81 Bahamas 212, 235

Balkan 43, 63 Báñez, Domingo 28, 194–197, 201, 203–204 Barcelona 43, 71 Barradas, Hernando de 178–179 Baza 98, 107, 111, 186 Belalcacar, Francisco de 287 Benavides, Cristóbal de 138 Benavides, Rodrigo de 112 Benzoni, Girolamo 16, 251, 257, 267, 319–320 Berberia 108, 157 Berlanga, Tomás de 323 Bermúdez, Juan 78, 82, 191 Betonia 303 Bío Bío-Fluss 338 Bloch, Marc 6, 11, 38, 40 Bobadilla, Beatriz de 85, 89–91 Bobadilla, Francisco de 230 Bodin, Jean 19 Bonaire 236 Borneo 336 Brasilien 39 Braudel, Fernand 5, 99, 104, 106, 120, 144, 213 Briviesca de Muñatones, Diego 146, 148, 167 Burgos 21 Caboto, Sebastiano 242–243 Cabreza 137 Cadiar 137 Cádiz 41, 228, 230 Canoguera, Juan de 162 Caribes 310 Cartagena 67, 160–162, 231, 236, 341–342 Casa de la Contratación 242–244 Cáseres, Alonso de 252 Casillas, Tomás de 280 Castilla de Oro 250–251 Cenete 101, 122, 171 Ceuta 46 Chiapas 253, 280 Chile 10, 213, 309–310, 335, 338–339, 341, 343, 358 Cicero, Marcus Tillius 20–21, 28, 355 Cisneros, Francisco Jiménez de 97–98, 100, 233 Ciudad Real de Chiapa 269

390 Clemens VI. (Papst) 76 Compostela 269, 277 Contreras y La Hoz, Rodrigo de 251 Córdoba 41, 55, 70, 84, 87, 98, 120, 123, 135, 137, 172, 230 Córdoba, Francisco de 137–138, 161 Córdoba, Luis de 145 Córdova, Francisco Hernández de 279 Coro 272 Cortés, Hernán 154, 253–254 Costa de las Perlas 249, 259–260, 343 Covarrubias, Sebastián de 319 Covarrubias y Leyva, Diego de 27, 30, 198–199, 203 Cubagua 249, 259, 267, 272, 304, 308, 320–321 Cumaná 229–230, 249, 255, 259 Curaçao 236 Cusco 221 Cuzcatlan 253 Dalfinger, Ambrosius 271–274 Dávila, Gil Gonzáles 235, 252 Dávila, Pedrarias 250, 252, 298, 352 Deza, Pedro de 73, 104, 109, 115–116, 118–119, 121, 130–131, 139–140, 154–155, 187, 189–190 Dias, Bartolomeu 47 Díaz del Castillo, Bernal 16, 267, 279 Ebra 52 Eduard I. (Portugal) 77–78 Ehinger, Heinrich 271, 274 El Havaqui, Hernando 119–120, 175, 179–180 El Hierro 75, 78 Elias, Norbert 12–14, 38 El Salvador 253 England 40 Enríquez, Juan 104 Enríquez, Martín (Vizekönig) 313 Escribano (Notar) 214 Espinosa, Diego de 104–105, 109, 115, 117, 119, 121, 189–190 Eugen IV. (Papst) 47, 77–78, 81, 83, 355 Fajardo de la Cueva, Luis, 3. Marqués de los Vélez 115–116, 118, 121, 126, 131, 134, 137–138, 141, 143, 147–151, 156, 163, 169, 353

Orts- und Namensverzeichnis Fajardo, Juan 138 Fajardo, Pedro 138 Farax Aben Farax 114 Federmann, Nikolaus 272 Ferdinand (der Katholische) 80, 86–87, 105, 235–236, 240, 262, 264 Fernández de Lugo, Alonso 79, 87–88, 92–94 Fernández Mofadal, Juan de 104 Figueroa, Juan Rodríguez de 249 Figueroa, Rodrigo de 256 Florentinus 27 Flores, Álvaro 149, 152 Flores, Antonio 249 Florida 213, 262, 277–278, 343 Fondón de Andarax 179–181 Fonseca, Juan Rodríguez de 227–228 Frankreich 19, 41, 101, 112 Frías, Juan de 81–82, 84 Frigiliana 119, 137, 163 Fuentes, Juan de 275 Fuerteventura 49, 75, 78 Galera 120, 137, 140 Gama, Vasco da 47 Gambia 3 García de Herrera, Diego 78–79 Genua 44 Gewürzinseln (Molukken) 46 Gómara, Francisco López de 254–256 Granada (Königreich) 44, 59, 97–103, 106, 108–109, 111, 113, 120–121, 123, 141–142, 145–146, 154–155, 158, 165, 167–170, 173– 174, 176, 179, 181, 183–184, 186, 188–189, 191–192, 206–207, 213, 340, 354 Granada (Stadt) 41, 43, 60–61, 70, 97–98, 100–101, 103–105, 111, 114–116, 118, 122, 125, 127, 130–132, 141, 155, 168, 171, 189, 193, 196, 319 Granada Venegas, Alonso de 120, 178–179, 181, 188 Gran Canaria 49, 78–79, 82, 87–90, 92–93 Gratian 22 Griechenland 43, 66 Große Antillen 223, 268, 310 Guadalajara 285 Guadeloupe 310 Guadix 98, 100, 104, 107–108, 111, 164, 178 Guatemala 252–253, 269, 289, 305, 315

Orts- und Namensverzeichnis Güebro 137 Guerra, Cristóbal 229 Guerrero, Pedro 103, 109, 117–118, 125, 130, 139–140, 189 Güevéjar 98 Guillaume II de Croÿ, Seigneur de Chièvres 233, 278 Guinea Bissau 3 Guzmán, Nuño Beltrán de 275–276, 312 Hautacuperche 90 Hernando de Córdoba y de Valór. See Siehe Abén Humeya, Muley Mohamed Herrera, Diego de 337 Hippo, Augustinus von 23, 28–29, 34 Hispaniola 10, 58, 210, 222–223, 225–228, 233, 235, 240, 249–250, 255–256, 263, 265, 272, 277, 308, 310 Hostiensis 26–27 Huelva 58, 81 Hurtado de Mendoza y Pacheco, Diego 16, 121, 123 Hurtado de Mendoza y Pacheco, Luis 102 Hutten, Philipp von 272 Iberische Halbinsel, v 1, 3, 6, 8, 14, 20, 38, 40–46, 48–49, 69, 73–74, 123, 129, 136, 256, 317–319, 348, 354 Indien 46 Innozenz IV. 26, 29–30, 76, 78, 126, 198–199, 203, 232 Isabella I. (die Katholische) 10, 24, 80–81, 87, 97, 218, 229–232, 240, 292, 332 Isidor 29, 34 Italien 41, 43 Jaén 98, 101, 142 Jakob I. (Aragón) 44 Jalisco 255, 325 Jamaika 290, 305 Jerez de la Frontera 82, 84, 92, 229–230 Johann II. (Aragón) 68 Johann III. (Portugal) 1 Jolo 336 Kap Bojador 47 Kap der guten Hoffnung 47 Kapverdische Inseln 58

391 Karl V. 21, 31, 100–101, 104–105, 128–129, 212, 233, 242, 251, 256, 267, 269–271, 276, 282, 284, 290, 293–294, 296–298, 302–304, 307, 317, 320, 330, 351 Kastilien 1, 5, 8, 11, 27, 42–43, 51, 62, 79, 109, 120, 159, 161, 174, 187–188, 213, 216, 223–224, 226–229, 237, 241, 243, 245, 247, 262, 265–266, 286, 304, 322, 326, 332, 344, 356 Katalonien 7 Kleine Antillen 235, 264, 310, 343 Köln 6, 66 Kolumbien 249, 286, 303, 311 Kolumbus, Christoph 75, 212, 214, 222–229, 231, 239, 343 Kolumbus, Diego 235, 241 Konstantinopel 36, 43, 45, 48 Kuba 10, 223, 234, 240, 279, 288, 308 La Cerda, Luis de 76 La Désirade 310 La Gama, Antonio de 276 La Gomera 51, 75, 78, 82–84, 89–92 La Mancha 72 La Marcha, Hernán Martínez de 313 Lanzarote 49, 78 La Palma 51, 79, 87–88 Las Casas, Bartolomé de 1–2, 10, 14, 21, 25, 30, 35–37, 209, 211, 218, 220, 223, 250–251, 273, 302, 326, 335, 337, 351 Lauxar de Andarax 149 Ledesma, Pedro de 28, 194–197, 201–203 Leiva, Lorenzo de 138 Leiva, Luis de 138 Leiva, Sancho de 137, 157, 160, 162, 164, 176–177 Lepanto 49 Lerma, García de 303 Lissabon 42, 44, 58 Livorno 48 López de Mendoza, Iñigo, 1. Marqués de Mondéjar 97 López de Mendoza y Mendoza, Íñigo, 3. Marqués de Mondéjar 16, 102, 105, 108–109, 113, 115, 117–118, 120–121, 125, 130–131, 147–149, 152, 155, 164, 205, 353 López de Ugarte, Juan 72 López, Jerónimo 282–283 López Tovar, Gregorio 245, 248

392 Los Cobos, Francisco de 100 Los Ríos Coronel, Fernando de 336, 338 Ludwig X. (Frankreich) 40 Luhmann, Niklas 52, 214 Luna, Antonio de 139, 148, 171 Luzón, Bernadino de 191 Madeira 47 Madrid 15, 69, 104, 120–121, 130, 155, 164, 173, 281, 359 Major, John 21 Málaga 43, 53, 58–59, 61, 72, 84, 90, 97–98, 111, 115, 123, 147, 162–163, 188, 319 Maldonado, Francisco 92 Mali 3 Mallorca 44, 65–66 Manila 338 Manrique, Alonso 100 Maracaibo-See 272 Maraver, Pedro Gómez de 313 Marbella 98 Mármol Carvajal, Luis del 16–17, 97–98, 100, 104–105, 108–109, 113–123, 126, 136–137, 139, 144–149, 151–153, 155–156, 165, 176, 178, 180–181, 184, 194 Marokko 52 Marqués de los Vélez. See Siehe Fajardo de la Cueva, Luis, 3. Marqués de los Vélez Marqués de Mondéjar. See Siehe López de Mendoza y Mendoza, Íñigo, 3. Marqués de Monadéjar Martinique 310 Medina del Campo 28 Melgarejo, Bartolomé 324–326, 328–329, 332–333, 349 Mendoza, Antonio de 210, 265, 269–270, 283, 313, 322, 325, 330–331 Mendoza, Jerónimo de 144 Menorca 44 Mesa Roldán 137 Mexiko 210–211, 222, 245, 254, 256, 275, 284, 299, 303, 312–313, 321 Mindanao 336 Mittelmeer 5, 19–20, 41–44, 48–49, 102, 112, 120, 159, 176, 204 Moguer 82 Mohács 101 Molina, Francisco de 178

Orts- und Namensverzeichnis Molina, Luis de 38, 194, 196, 199–201, 203 Montesinos, Antonio de 210 Münzer, Hieronymus 43, 79 Murcia (Königreich) 44, 111, 115, 126, 141, 143 Navarra 137, 156 Neapel 63, 119 Neuspanien (Vizekönigreich) 37, 210, 214, 218, 269, 283, 285, 316–318, 320–322, 324, 327–330, 337 Nicaragua 10, 250–252, 265, 297–298, 332, 335 Níjar 98 Nikolaus V. (Papst) 47–48, 81, 225, 355 Nikosia 65 Noah 23 Nordafrika 20, 44, 46, 49, 52, 99–100, 103, 106–107, 111–113, 117, 128, 130, 137, 144, 157, 161, 176–178, 180, 204, 343 Nueva Cádiz 321 Nueva Galicia 284, 297, 313, 324 Núñez Muley, Francisco 105, 109, 355 Nürnberg 43, 79 Ochoa, Francisco de 3 Ohanes 137, 163 Óñez Garcia de Loyola, Martin 339 Oran 49, 161 Órgiva 152 Osorio, Diego Alvarez 251 Ovando, Juan de 349 Ovando, Nicolás de 223, 229–230, 234 Oviedo y Valdés, Gonzalo Fernández de 16, 250 Padul 139, 171 Palacios Rubios, Juan López de 21, 27, 237 Palos 81–82, 84 Panama 250, 305, 323, 327, 343 Pánuco 254–255, 275, 282 Paredes, Diego García de 242 Pareza, Hernán (der Jüngere) 91 Paria 249 Pasamonte, Miguel de 235 Patterson, Orlando 12, 39 Paul III. (Papst) 210 Pérez de Hita, Ginés 16

393

Orts- und Namensverzeichnis Peru (Vizekönigreich) 146, 214, 221, 250–251, 258, 305–306, 316–318, 320, 327, 332 Philipp II. 1, 3, 9, 21, 72, 102–105, 107–108, 111– 114, 118–120, 123, 125–126, 130, 132–134, 139, 141, 144–145, 147–150, 157–158, 163, 165, 167, 171, 176–177, 179–180, 187–190, 193, 195, 199–200, 202–203, 205–208, 264, 310, 351, 355 Philipp III. 72, 338, 340 Philipp IV., der Schöne 40 Philippinen 335–338, 343 Pius V. (Papst) 176 Pizarro, Francisco 252, 305, 327, 352 Platon 28 Ponce de León, Diego 171–172 Ponce de León, Juan 262–265, 278 Popayán 286–287, 311 Portugal 1, 46–47, 77, 79 Potosí 221 Pueblo Grande 303 Puerto Rico 235 Quijada, Luis 118–119, 171 Quito 311–312 Rebellus, Fernandus 28, 194–197, 200 Reino de Granada. See Siehe Granada (Königreich) Rejón, Juan 78–79, 82 Requesens, Luis de 107, 118–119, 149–151, 154–155, 160, 165–167, 176–177, 187 Río de la Plata 1 Rom 39, 77 Ronda 189, 191 Russland 43 Sahara 46 Sailer, Hieronymus 271, 274 Salazar Espinosa, Juan de 1 San German 276 San Juan 235–236, 261–264, 276, 305, 353 San Miguel 269 San Salvador 269 Santa Catalina 242 Santa Fe 270 Santa Marta 249, 271, 303 Santa Maria, Guillermo de 313 Santiago de Guatemala 269

Santo Domingo 58, 214, 222, 255–256, 259, 261, 264, 268, 271, 277, 290, 305, 310–311, 315, 322, 329, 332 São Vicente 1 Selim II. (Osmanisches Reich) 112, 144 Senegal 3 Sepúlveda, Juan Ginés de 2, 21–22, 30, 34–35, 37 Sevilla 7, 29, 34, 39, 41–42, 44–45, 53–54, 59–60, 69, 88, 98, 100, 123, 141, 143, 171, 213–214, 223, 225, 227–228, 230–231, 241–242, 244–245, 248, 262–263, 271, 297 Sierra de Arboto 182 Sierra de Inox 137, 161 Sierra de Ronda 182 Sierra Nevada 115, 152, 171 Soconusco 253 Solórzano Pereira, Juan de 203–204, 209 Soto, Hernando de 252 Soto, Juan de 181 Sotomayor, Cristóbal de 235 Suárez de Carvajal, Juan 244 Suárez, Francisco 194–199 Talavara, Hernando de 97 Tapia, Juan de 285 Tavera, Juan de 100 Tello de Sandoval, Francisco 322, 331 Teneriffa 79–80, 92–95 Tenochtitlan 253, 255, 312 Tepeacac 254 Tijola 173 Toledo 15, 97, 107–109, 245, 247, 359 Torres, Gaspar de 257 Toskana 45 Toulouse 40 Trient 103 Trinidad 235, 289, 311 Tripolis 49, 102, 343 Tunis 120 Turgut Reis 102 Ulpian 22–23, 30 Uludsch Ali 119–120 Ungarn 36, 66, 101 Urban V. (Papst) 65

394 Valdés, Fernando de 100 Valdivia, Pedro de 338–339 Valencia 7, 44–45, 49–50, 52–53, 59–61, 63–66, 69, 79–81, 98, 111, 123, 165, 316, 359 Valençuela, Lope Sánches de 92–94 Valladolid 55, 59, 61, 123, 262 Valle de Casto 303 Válor 152 Vázquez, Juan 133 Velasco, Luis de 285, 326–327 Velázquez, Diego 223, 279 Venegas Quijada, Juan 145 Venezuela 10, 229, 236, 249, 271, 273–274, 278, 320, 345 Veracruz 218–219 Vera, Pedro de 79, 81, 83, 87, 90–92, 164 Verdugo, Pedro 163 Vereinigte Staaten von Amerika 6 Vespucci, Amerigo 228

Orts- und Namensverzeichnis Villa de Santisteban del Puerto 267 Villafuerte 168 Villaroel, García de 135, 138, 161, 177 Villaroel, Juan de 137 Vitoria, Francisco de 2, 24–25, 27, 30–33, 36, 198, 211, 240 Westafrika 37, 46, 48, 224–225, 262 Ynox 28, 161 Yucatán 279, 297 Zentralamerika 10, 213 Zimmern, Alfred 12 Zuazo, Alonso de 233, 249, 278–279 Zuazo, Arévalo de 163 Zumárraga, Juan de 210–211, 256, 299, 302, 321 Zypern 75, 112, 120

Sachregister Abolitionismus 6, 13, 347, 357 Alcabala 69, 143, 158 Almojarifazgo 69, 332 Alternativa a la muerte 25, 125, 133, 206, 233, 283, 308, 337, 342, 355 Antebellum South 4, 13, 39 Anthropophagie 32, 34–35, 219, 226–227, 231–232, 236, 240, 253, 287–289, 291, 312, 336, 341–342, 355 Antisklavereigesetzgebung 95, 212, 230–231, 240, 343 Apilcingos 283–284, 303 Arauco-Krieg 338, 357 Asiento 3, 173, 271, 273–274, 278, 345 Audiencia 15, 18, 58, 104–105, 115, 125, 131, 140, 168–169, 187, 189, 205, 214, 222, 255–256, 259–260, 264, 266, 275, 277, 280, 282– 284, 299–300, 303, 305, 311–312, 316–318, 320–325, 328–330, 332, 334, 338 Augustiner (Orden) 313, 337

Conquista 2, 4, 10, 18, 21, 28, 33–34, 36–38, 48, 74–75, 78, 80, 87, 88, 209–213, 215, 217, 219, 226–227, 231, 239–241, 248, 253–254, 265, 273, 277–280, 290, 294, 297–298, 300, 343, 345, 351–353, 356 Conversos 101, 103 Corpus Iuris Civilis 22 Creator Omnium (päpstliche Bulle) 81

Bellum iustum 3, 27–30, 32–38, 47, 52, 55, 77, 81, 86–87, 95, 126, 133, 163, 174, 194–196, 198, 207, 211, 221, 225, 227, 233, 239–240, 242, 244–245, 253, 258, 261, 273, 286, 289–291, 294–295, 297–300, 307–310, 314–315, 317, 323, 325–326, 329–330, 333, 335, 342–343, 347–349, 352, 354–355 Belohnungsökonomie 3, 87, 144, 147, 159, 206, 214, 217, 219, 268, 353, 357 Brandmarkung 255, 314, 318–324, 331–333, 348–349

El Dorado 272 Encomienda 9, 10, 216–220, 223, 247, 281, 287, 300, 323, 347 Entrada de guerra 253, 260–261, 345, 347, 349, 352 Escribano (Notar) 54, 84, 214, 318

Cabalgada 18, 138–140, 161–163, 165–166, 170, 175, 185, 205–206, 352 Caribes 203, 211, 225–227, 229, 231, 233–236, 240, 249, 261–266, 277–278, 289, 304, 310, 316, 336, 342, 344, 353, 355 Carta de libertad 57–59, 61, 67, 70 Casa de la Contratación 18, 214, 241, 243, 245, 248, 262–264, 332 Cherotegas 298 Chichimeca-Krieg 284, 312–313, 356 Chichimecas 211

Decretum Gratiani 29 Dekretisten 22–23, 194 Demanda de libertat 57, 62, 67, 73, 245 Deportation 106, 116, 122, 154–155, 187–188, 193, 203, 205, 207, 248, 354 Desertion 126, 150, 158, 340, 356 Disputation von Valladolid 30, 35 Dominikaner (Orden) 1, 21, 27, 34, 189, 194, 210, 218, 313 Dum Diversas (päpstliche Bulle) 47

Falta de gente 276–277, 346 Feudalgesellschaft 38 Franziskaner (Orden) 81, 189, 313, 337 Freilassung 1, 3, 19, 49, 57–61, 67–68, 81, 83–84, 92, 94, 135, 163, 182, 192, 245, 267–268, 347–348 Gerechte Beute. See Siehe Spolia iusta Gerechter Krieg. See Siehe Bellum iustum Gerechtigkeit 28, 38, 74, 87, 89, 124, 165, 171, 173–175, 207, 239, 306, 331, 334, 338, 349, 353–354 Gewaltgemeinschaft 136, 139, 175, 265 Glossatoren 22 Guachichiles 284–286, 313 Guamares 284

396 Guerra a fuego y a sangre 144–146, 266, 303–304, 313 Guerra de Granada 2–4, 9, 11, 15–16, 18, 28–29, 38, 40, 74, 78, 87, 97, 99, 103, 106, 111, 123, 135–136, 143–144, 154, 156, 158, 161, 165, 171, 174, 178, 185, 192, 194, 197–199, 202, 204, 209, 211–213, 217, 233, 236, 239, 243, 266, 280, 286, 291, 300, 307, 314, 332, 343–344, 346, 351–353, 356–358 Guerra de Jalisco 312, 326 Illius Qui (päpstliche Bulle) 47, 81 Indienrat 37, 214, 244–247, 256, 267, 269, 273, 280–281, 284, 304, 331, 339–340, 348–349 Indios de paz 259, 272, 283, 285, 292, 297–298, 321–322, 331, 335, 344 Inquisition 101 Inter caetera (päpstliche Bulle) 77, 224 Islamische Expansion 41, 46 Ius gentium 23, 29, 78, 127, 194, 196 Junta de Madrid 104 Kannibalismus. See Siehe Anthropophagie Kanonisches Recht 22, 25, 29 Karavelle 47, 227, 257 Karibische Phase, vi 4, 215, 222, 234, 239, 241, 249, 265, 343–344 Kirchenzehnt 89, 155 Konstantinische Schenkung 76 Kreuzzug 30, 47 Legisten 22–23, 194 Leibeigenschaft 38 Leyes de Burgos 237 Leyes de Toro 24 Leyes Nuevas 4, 10, 14–15, 24, 212, 215, 220, 246, 265, 281–282, 293, 299, 301, 309–310, 313, 324, 328, 335, 343, 346–347, 351, 357 Lucayos 235 Mapuche 338–341, 358 Mission 31–32, 34, 36, 48, 75, 77–78, 80–83, 97, 152, 178, 210–211, 225, 227, 230,

Sachregister 232, 239, 253, 289, 291, 294–295, 298, 302–303, 310, 346 Mita 216, 221, 256 Mixtón-Krieg 313, 322, 331 Monfíes 113–114 Moriscos de paz 147, 149, 152, 156, 200, 202, 354 Naboría, vi 216, 220–222, 227, 235, 256, 267–269, 309, 331, 358 Naturrecht, v 22–26, 31, 34–35, 78, 201, 232, 240, 246, 289, 291, 297, 310 Neofeudalisierung 220, 231, 300, 302, 347 Neophyten 76, 211 Nueva Recopilación 24, 104, 108 Ordonanzas de Granada 346 Osmanische Expansion 45 Padrón real 262 Páez 311–312 Pames 284 Perlentauchen 249, 274, 293 Pest 45 Pijaos 270, 286–288, 311–312 Piloto mayor 242–243 Plantagensklaverei 4, 6, 9, 13, 39, 73 Portugiesische Expansion 46 Praxeologie 13–14 Privilegium christianorum 27, 68, 83, 126, 128, 130, 133, 195–197, 201, 208 Procurador general de los indios 18, 286, 324–326, 333 Protector y defensor de los indios 251 Quinto (königlicher Fünft) 50, 52, 68–69, 87–88, 143–144, 158, 164, 167, 169–171, 173–175, 206–207, 254, 261, 266–269, 278, 291, 317, 332, 353 Rassismus 6 Rebellion 9, 92, 102, 111, 127, 131, 183, 196–199, 253, 255, 281, 283, 287–289, 300, 303, 304, 311–312, 355 Reconquista 30, 42, 79, 216–217, 343 Redescubrimiento 78 Repartimiento 10, 161, 163–164, 216–217, 251

397

Sachregister Requerimiento 237–240, 253–255, 261, 271, 290, 303–305, 315–316, 333, 348–349 Rescate, vi 59–60, 67, 181, 210, 253, 255–262, 266, 269, 271–272, 275, 298–300, 309–310, 317, 323, 342, 345 Romanus Pontifex (päpstliche Bulle) 48, 77, 225 Römisches Recht 22–23 Salteadores 113, 285, 356 Scholastik 23 Schule von Salamanca, vi 28, 31, 124, 193–194, 198–199, 203, 208 Sicut exhibitae (päpstliche Bulle) 76 Siete Partidas 15, 24–25, 57, 125, 127–128, 133, 140, 308, 355 Sklavenhändler 44, 80, 84–85, 88–89, 92, 107, 154, 167, 181, 191, 194, 243, 253 Sklavereikritik, vi 81, 155, 193–194, 215 Sklavereiverbot 4, 24, 81, 83–85, 166, 178, 185, 188, 192, 193, 205, 215, 231, 240, 252, 265, 266, 273, 282–283, 286, 292, 298, 300–305, 307, 309, 314, 323, 328, 334, 342, 346, 347, 351, 355, 357, 358 Slave agency 1, 8, 12–13, 17–18, 56, 358 Social death 12

Sophistik 22 Sozialgeschichte 5, 7 Spolia iusta 29, 38, 87, 162, 192 Steuerbetrug 321, 323, 349 Sublimis Deus (päpstliche Bulle) 24, 210 Supplik 15, 82, 84–85, 87–89, 92, 142, 145, 171–172, 174, 191, 215, 219, 243, 256, 259– 261, 265, 267, 269, 273, 275, 280, 290, 294, 302, 304, 307, 309, 314, 335–336, 341–342, 345–348, 355–356 Taínos 223, 226, 229, 233, 249 Terrorschock 147, 156, 158, 346, 356 Tridentinisches Konzil 103–105 Truppenmotivation 95, 280, 291, 346 Veedor 16, 18, 214, 249, 257–258, 304 Verteilungsgerechtigkeit 139, 159, 167, 173, 175, 207, 331, 353–354 Vertrag von Alcáçovas 75 Welserkompanie 271–275, 278, 291, 345 Zacatecas 284–286, 313 Zapotecas 255