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German Pages 264 Year 2006
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 167
Mehrheitsbeschlüsse bei Personengesellschaften Bestimmtheitsgrundsatz, Kernbereichslehre und materielle Beschlusskontrolle unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Institute zueinander
Von
Nils Heinrichs
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
NILS HEINRICHS
Mehrheitsbeschlüsse bei Personengesellschaften
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles
Band 167
Mehrheitsbeschlüsse bei Personengesellschaften Bestimmtheitsgrundsatz, Kernbereichslehre und materielle Beschlusskontrolle unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Institute zueinander
Von
Nils Heinrichs
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-12156-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern, meinen Großeltern und meinem Bruder Sven
Vorwort Die Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität im Wintersemester 2005/2006 als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde sie auf den aktuellen Stand gebracht; Rechtsprechung und Literatur konnten bis Dezember 2005 Berücksichtigung finden. Aufrichtigen Dank schulde ich in erster Linie Herrn Professor Dr. Johann Kindl. Er hat die Arbeit angeregt und betreut sowie das Erstgutachten übernommen. Jederzeit hatte ich in ihm einen geduldigen und verständnisvollen Ansprechpartner. Herrn Professor Dr. Ingo Saenger danke ich für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens sowie für die schöne Zeit an seinem Lehrstuhl. Während meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl von Herrn Professor Dr. Ingo Saenger ist die Arbeit entstanden. An dieser Stelle sei daher auch allen Mitarbeitern des Lehrstuhls für die von Freundschaft und Kollegialität geprägte Arbeitsatmosphäre gedankt. Den Herausgebern der „Münsterischen Beiträge zur Rechtswissenschaft“ bin ich für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe verbunden. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts danke ich schließlich meinem Großvater Herrn OLG-Präsident a. D. Prof. Dr. Helmut Heinrichs, der meinen juristischen Werdegang immer mit dem größten Interesse verfolgt hat. Münster, im Dezember 2005
Nils Heinrichs
Inhaltsübersicht § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1. Teil Grundlagen
32
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . .
32
§ 3 Der Mehrheitsbeschluss, die konkrete Entscheidung im Einzelfall . . . . . . . . .
58
2. Teil Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen § 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . .
69 69
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . 151 § 6 Das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre . . . . . . . 209 § 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter . . . . . . . 220 § 8 Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Schranke für Mehrheitsbeschlüsse . . . . 238 § 9 Die Sittenwidrigkeitsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 § 10 Ergebnis: Die Systematik der Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Ziel der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die möglichen Ansatzpunkte für eine Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausgangsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkung zum Fall 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkung zum Fall 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkung zum Fall 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.
Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 27 28 29 29 29 30 30 30 30 31
1. Teil Grundlagen § 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse . . . . . . . . . I. Die gesetzliche Zuständigkeitsordnung bei Personengesellschaften . . . . 1. Das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Notwendigkeit eines Schutzes der Mehrheitsinteressen unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abdingbarkeit des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips . . . . . . . . . . II. Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Einstimmigkeit für vertragsändernde Beschlüsse . . . . . . . . b) Änderungen des Gesellschaftsvertrags nur durch Abänderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gründe dafür, vom Einstimmigkeitsprinzip abzuweichen und gesellschaftsvertraglich Mehrheitsentscheidungen zuzulassen . . . . . . . . . . . . . . IV. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 32 32 32 34 35 36 36 36 38 39 43 44 47
12
Inhaltsverzeichnis 1. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel bei gesetzestypischen Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel bei Publikumspersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen ohne gesonderte Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen bei Publikumspersonengesellschaften auch ohne gesonderte Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, wie angewachsenen Familiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung zur Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel . . . . Mehrheitsbeschluss, die konkrete Entscheidung im Einzelfall . . . . . . Begriff und Rechtsnatur von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche Gegenstände von Mehrheitsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäftsführungsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisatorische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderungen des Gesellschaftsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Notwendigkeit eines Schutzes der Minderheit insbesondere vor vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 3 Der I. II. III.
47 48 50 50
51 53
56 57 58 58 60 62 62 63 64 66
2. Teil Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
69
Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen . . . Problemorientierte Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung und Entwicklung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . Die Bestimmtheitsanforderungen an eine Mehrheitsklausel nach dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Urteil des BayObLG vom 10. 11. 2004, ZIP 2005, 164 . . . . . . . 2. Begriff der außergewöhnlichen Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . IV. Dogmatische Herleitung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . 1. Theorie der antizipierten Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kritik an der Theorie der antizipierten Zustimmung . . . . . . c) Eigene Stellungnahme zur Theorie der antizipierten Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 69 70
§ 4 Der I. II. III.
73 75 75 79 79 79 80 81
Inhaltsverzeichnis
V.
13
2. Theorie der Gestaltungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
a) Darstellung der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
b) Die Kritik an der Gestaltungsmachttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
3. Vereinbarung einer Verfahrensregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
a) Darstellung der Ansicht, die die Mehrheitsklausel als bloße Verfahrensregel ansieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
1. Unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes oder Auslegungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
a) Die Freudenberg-Entscheidung des BGH vom 15. 11. 1982 – BGHZ 85, 350 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
b) Die Entscheidung des BGH vom 15. 06. 1987 – BGH, NJW 1988, 411 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
c) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
aa) Unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes . . .
91
bb) Auslegungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
d) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
2. Nur formale Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . .
97
a) Darstellung der h. A., wonach der Bestimmtheitsgrundsatz nur zu einer formalen Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses führt . . .
98
b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Der Bestimmtheitsgrundsatz ein Katalogprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Der Bestimmtheitsgrundsatz ist kein Katalogprinzip . . . . . . . . . . 100 b) Überflüssigkeit der Beschlussgegenstandskataloge? . . . . . . . . . . . 101 4. Zusammenfassende Würdigung der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 VI. Beibehaltung, Aufgabe oder weitere Einschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Die Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Die Forderung nach einer Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes und die damit verbundenen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Konsequenzen einer Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Keine bloße Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses . . . . 105
14
Inhaltsverzeichnis dd) Besondere Lückenhaftigkeit des Minderheitenschutzes bei einer Beschränkung auf eine Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen am Maßstab von § 138 Abs. 1 BGB . . . . . ee) Keine Beschränkung auf eine Inhaltskontrolle am Maßstab der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Keine Ablösung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch den Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft und die damit verbundenen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft . . . . . . . bb) Konsequenzen einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Argumente der Kritiker des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . a) Eindeutigkeit der Mehrheitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerspruch zum Willen der Gesellschafter, die im Gesellschaftsvertrag deutlich gemacht haben, vom Einstimmigkeitsprinzip abweichen zu wollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verlust der Warnfunktion durch die Vertragsgestaltungspraxis . . aa) Darstellung der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurückweisung der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhinderung notwendiger Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . aa) Darstellung der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurückweisung der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nur formale Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verdeckte Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterlaufen der streitverhindernden Funktion der Mehrheitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 108 108 109
110 110
111 111 114 114 114 114
115 115 116 117 117 118 118 120 120 121 121 124 124 125 126 126 127 128
Inhaltsverzeichnis
15
aa) Darstellung der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Fehlen dogmatischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassende Würdigung der Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Publikumspersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Publikumspersonengesellschaften durch die höchstrichterliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kritik an dieser Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes auch bei Kommanditgesellschaften mit einer großen Zahl von Gesellschaftern? . . . . . . . . . . . . . a) Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes durch den BGH auch bei Kommanditgesellschaften mit einer großen Zahl von Gesellschaftern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes bei körperschaftlich strukturierten Kommanditgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis: Der Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes . . VIII. Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit eines Verzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Stellungnahme: Auf den Bestimmtheitsgrundsatz kann nicht verzichtet werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Genügt eine Verweisung auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG dem Bestimmtheitsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung der Ansicht, die sich für die Möglichkeit einer Pauschalverweisung auf das GmbH-Recht ausspricht . . . . . . . . . . b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die Ergebnisse der Untersuchung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . .
128 128 129 129 129
Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . Entstehung und Entwicklung der Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbestimmtheit des Kernbereichsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreiteilung des Kernbereichs in einen unverzichtbaren, einen unentziehbaren und einen stimmrechtsfesten Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der unverzichtbare, zwingende Kernbereich der Mitgliedschaft . . . . a) Charakter der unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . .
151 152 154
§ 5 Die I. II. III.
130 133 134
134 134 135 140 140
140 141 142 143 143 144 145 145 145 146 147
154 156 156
16
Inhaltsverzeichnis
IV.
b) Schrankenfunktion des unverzichtbaren Kernbereichs . . . . . . . . . 2. Der relativierbare Kernbereich der Mitgliedschaft: Die unentziehbaren, mehrheitsfesten Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Charakter der unentziehbaren Kernbereichsrechte . . . . . . . . . . . . b) Schrankenfunktion des unentziehbaren Kernbereichs . . . . . . . . . . aa) Korrektiv auf Klauselebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Korrektiv auf Beschlussebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Zustimmung zu Eingriffen in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unzulässigkeit einer antizipierten Zustimmung . . . . . . . . . . . bb) Zulässigkeit antizipierter Zustimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Stellungnahme: Anwendung der Theorie der antizipierten Zustimmung im Rahmen der Kernbereichslehre . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die inhaltlichen Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zusammenfassung zur antizipierten Zustimmung in unentziehbare Kernbereichsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Charakter der stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände . . . . . . . b) Schrankenfunktion der stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände 4. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung des Kernbereichs der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung des unverzichtbaren Kernbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Mitgliedschaft als solche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitverwaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung . . . . . . . bb) Zustimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis . . . . . . . . . . dd) Das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen einschließlich des Rede- und Antragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Informationsrechte gemäß §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Informationsrechte des Kommanditisten . . . . . . . . . . (3) Der allgemeine Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die mitgliedschaftlichen Klagerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Actio pro socio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Befugnis zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Beschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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d) Lösungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das ordentliche Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das außerordentliche Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Recht auf Gewinnbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Abfindungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis: Der unverzichtbare Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des unentziehbaren Kernbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sonderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Recht, vor grenzenlosen Beitragserhöhungen verschont zu bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bereits entstandene Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten . . . . . . . . . . e) Auflösung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Änderungen des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . h) Ergebnis: Der unentziehbare Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des stimmrechtsfesten Kernbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die strukturelle Neuausrichtung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . b) Umwandlungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Der stimmrechtsfeste Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Geltung der Kernbereichslehre auch bei Publikumspersonengesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung des Meinungsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Kernbereich ist bei Publikumspersonengesellschaften enger zu ziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des Kernbereichs der Mitgliedschaft bei der Publikumspersonengesellschaft regelmäßig nicht veranlasst . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse der Untersuchung der Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . .
192 193 194 194 195 195 196 197 197
§ 6 Das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre . . . I. Das Urteil des BGH vom 10. 10. 1994 – NJW 1995, 194 . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung des Sachverhalts der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die maßgeblichen Erwägungen des BGH, soweit sie den Bestimmtheitsgrundsatz und die Kernbereichslehre betreffen . . . . . . . . 3. Wertung der Bedeutung des Urteils des BGH vom 10. 10. 1994 – NJW 1995, 194 für das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Urteil des BGH vom 29. 03. 1996 – BGHZ 132, 263 . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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212 214 214 214
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III.
2. Wertung der Bedeutung des Urteils des BGH vom 29. 03. 1996 – BGHZ 132, 263 für das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Ergebnis: Das eigene Konzept zum Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter . . . . I. Gang der Untersuchung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dogmatische Herleitung der Treuepflicht als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herleitung der Treuepflichtbindung des einzelnen Gesellschafters . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herleitung der Treuepflicht aus § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundlage der Treuepflicht ist die gesellschaftsvertragliche Zweckförderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Stellungnahme zur dogmatischen Herleitung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der dogmatische Bezugspunkt der Treuepflicht als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhalt der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sachlicher Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkretisierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die im Kapitalgesellschaftsrecht anerkannte Lehre vom Erfordernis sachlicher Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Typische Verstöße gegen die Treuepflichtbindung . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . V. Funktion der Treuepflichtschranke für Mehrheitsbeschlüsse . . . . . . . . . . 1. Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis der Ausübungskontrolle zum Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis der Treuepflicht zur Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . 4. Relativierung des Minderheitenschutzes durch die Zustimmungspflicht kraft Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse der Untersuchung der Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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228 229 231 231 233 233 233 235 235 235 236
Inhaltsverzeichnis § 8 Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Schranke für Mehrheitsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen eines inhaltlichen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einordnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in das System der Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnisse der Untersuchung des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . .
19 238 238 239 239 240 241
§ 9 Die Sittenwidrigkeitsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 I. Die Sittenwidrigkeitsschranke auf Klauselebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 II. Die Sittenwidrigkeitsschranke auf der Ebene der Beschlusskontrolle . . 243 § 10 Ergebnis der Untersuchung: Die Systematik der Beschlusskontrolle . . . . 244 I. Kompetenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. AcP a. E. a. F. AG AGB AktG ALR Anh. Anm. Art. Aufl. BAG BayObLG BB Bd. begr. BezG BFH BGB BGH BGHZ BVerfG BVerfGE DB ders. d.h. dies. Diss. DJT DNotZ DStR DVBl. EStG
anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft, auch: Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Anhang Anmerkung Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater Band begründet Bezirksgericht Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notarzeitschrift Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt Einkommensteuergesetz
Abkürzungsverzeichnis EWiR f. ff. FGG Fn. FS GbR GenG GesRZ GG ggf. GmbH GmbH & Co. KG GmbHG GmbHR h. A. Hdb. HGB h. M. hrsg. HS i. d. R. i. S. i. V. m. JA JBl JuS JW JZ KG KGaA Komm. LG LM MDR m. N. MünchKomm. m. w. N. n. F. NJW NJW-RR
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Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende fortfolgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Der Gesellschafter Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Compagnie Kommanditgesellschaft Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau herrschende Ansicht Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung herausgegeben Halbsatz in der Regel im Sinne in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kommentar Landgericht Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des BGH Monatsschrift für Deutsches Recht mit Nachweisen Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport Zivilrecht
22 Nr. NZG NZM OHG OLG OLGZ Österr. OGH Rdnr. RG RGZ S. SMG Sonderbeil. u. a. UmwG Urt. usw. u. U. v. vgl. Vorb. VwVfG WiB WM WuB z. z. B. ZGR ZHR ZIP zit. ZPO
Abkürzungsverzeichnis Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Mietrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Österreichischer Oberster Gerichtshof Randnummer Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Satz, Seite Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Sonderbeilage unter anderem; und andere Umwandlungsgesetz Urteil und so weiter unter Umständen vom vergleiche Vorbemerkung Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Wertpapier-Mitteilungen Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung
§ 1 Einführung I. Problemstellung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Fragen des Innenrechts der Personengesellschaften. Ihr Thema ist die Entscheidungsfindung bei Personengesellschaften durch Mehrheitsbeschluss. Erörtert werden soll das sich vor allem im Zusammenhang mit Mehrheitsentscheidungen stellende Problem des Minderheitenschutzes.1 Ein effektiver Minderheitenschutz ist gerade bei Personengesellschaften, bei denen kein Markt zur Veräußerung der Beteiligung zur Verfügung steht und der Austritt aus der Gesellschaft regelmäßig durch Beschränkungen des Kündigungsrechts und des Abfindungsanspruchs erschwert wird, unverzichtbar.2 Wenn bei einer Personengesellschaft für die Beschlussfassungen gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip vereinbart ist, ist die Minderheit erhöht schutzbedürftig: Wesensimmanent ist dem Mehrheitsprinzip eine Tendenz zur Benachteiligung der Minderheit: Bei Geltung des Mehrheitsprinzips kann die Minderheit in der Gesellschafterversammlung auch in wichtigen Fragen, wie Änderungen des Gesellschaftsvertrags, überstimmt und benachteiligt werden. Sie muss vor allem davor geschützt werden, dass der Gesellschaftsvertrag einseitig zu ihren Lasten abgeändert wird.3 Wird durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschaftsvertrag geändert, wird typischerweise auch in Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter eingegriffen. Aus alledem ergibt sich eine besondere Schutzbedürftigkeit der Minderheit, die bei Geltung des Mehrheitsprinzips das Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen, die ihre Rechtsstellung einschneidend verschlechtern, nicht verhindern kann.4 Mehrheitsbeschlüsse, insbesondere solche, die den Gesellschaftsver1 Das Problem des Minderheitenschutzes stellt sich insbesondere im hier erörterten Kontext. Daneben dient aber auch eine Beteiligung der Minderheit an der Geschäftsführung und Vertretung ihrem Schutz. Von maßgeblicher Bedeutung für einen effektiven Minderheitenschutz sind ferner die Informations- und Lösungsrechte sowie die actio pro socio. Probleme, die mit diesen Minderheitenrechten zusammenhängen, können im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht erschöpfend, sondern nur, soweit sie mit dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand, Mehrheitsentscheidungen, zusammenhängen, behandelt werden. 2 In diesem Sinne vor allem auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 1. (S. 407). 3 Dies betont auch das OLG Köln, DStR 1993, 405, 406.
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trag ändern, dürfen nicht grenzenlos zulässig sein. Ihnen müssen, um die Minderheit effektiv zu schützen, Schranken gesetzt werden. Wo diese Schranken allerdings zu ziehen sind, lässt sich der Rechtsprechung nicht eindeutig entnehmen. Auch ist das Verhältnis der Grenzen der Mehrheitsmacht zueinander nach wie vor ungeklärt. Dies liegt daran, dass der Gesetzgeber sich mit der Regelung des schwerfälligen Einstimmigkeitsprinzips begnügt hat und der Mehrheitskompetenz, soweit sie gesellschaftsvertraglich vorgesehen ist, abgesehen von §§ 134, 138 BGB nur ungeschriebene Schranken gesetzt sind. Zu diesen zählt der Bestimmtheitsgrundsatz. Der Bestimmtheitsgrundsatz geht auf eine Entscheidung des RG aus dem Jahre 1915 zurück.5 Weiter entwickelt wurde der Bestimmtheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des RG zu mehrheitlichen Beitragserhöhungsbeschlüssen.6 In den angegebenen Entscheidungen spricht das RG aber nicht ausdrücklich vom „Bestimmtheitsgrundsatz“. Vielmehr ist dieser Terminus eine Schöpfung von Harry Westermann.7 Der Bestimmtheitsgrundsatz beantwortet die Frage, ob der Mehrheitsbeschluss sich auf eine hinreichende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung stützen kann. Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz muss sich die Mehrheitsklausel eindeutig auch auf den in Rede stehenden Beschlussgegenstand erstrecken. Anderenfalls fehlt der Mehrheit die Beschlusskompetenz, da das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) gilt. Der Bestimmtheitsgrundsatz war früher eine allgemein anerkannte Schranke der Mehrheitsmacht. Nach ihm musste die Mehrheitsklausel eindeutig auch den konkreten Beschlussgegenstand umfassen. Der Bestimmtheitsgrundsatz steht aber seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts im Kreuzfeuer der Kritik.8 Auch in jüngerer Zeit ist diese Kritik nicht verstummt, sondern eher noch stärker geworden.9 Dies liegt unter anderem 4 Die Minderheit ist im Anschluss an Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 3. a) (S. 417) als der Personenkreis in einer Gesellschaft oder Körperschaft zu definieren, der dauernd und institutionell keinen Einfluss auf die Willensbildung in dem Verband gewinnen kann, und dessen Gesellschaftsangelegenheiten daher ständig von der Mehrheit mitbesorgt werden. 5 RGZ 87, 261 (allerdings für eine GmbH); für eine Personengesellschaft erstmals RGZ 91, 166, 168. 6 Vgl. RGZ 151, 321, 327; 163, 385, 391; ferner die Darstellung der „Beitragspflichtfälle“ des RG bei Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 10 ff. 7 Harry Westermann, Hdb. der Personengesellschaften, Bd. 1, Stand 1971, Rdnr. 274. 8 Vgl. etwa Autenrieth, DB 1983, 1034 f.; Brändel, in FS Stimpel, S. 99, 103 f.; Fischer, in FS Barz, S. 33, 40 ff.; Hadding, ZGR 1979, 636, 643 f.; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 714 f.; Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 406 f.; Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371 ff.; Mecke, BB 1988, 2258, 2261 ff. 9 Den Bestimmtheitsgrundsatz ablehnend etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 81; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 41 f.); Hey, Freie
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wohl daran, dass die Rechtsprechung den Bestimmtheitsgrundsatz auch als materielles Korrektiv („verdeckte Inhaltskontrolle“) angewendet hat.10 Zu untersuchen ist also, ob angesichts der verstärkten Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz noch festgehalten werden kann oder ob er zumindest in seinem Anwendungsbereich zu reduzieren ist. Diese Frage hat auch der BGH in seiner Entscheidung vom 10. 10. 199411 aufgeworfen, bislang aber nicht beantwortet. Eine weitere ungeschriebene Schranke der Mehrheitsmacht ist die Kernbereichslehre. Die Kernbereichslehre dient als inhaltliches oder materielles Korrektiv von Mehrheitsbeschlüssen. Bislang ist aber nicht abschließend geklärt, was unter dem schillernden Begriff des „Kernbereichs“ der Gesellschafterrechte zu verstehen ist, in den nicht ohne weiteres durch Mehrheitsbeschluss eingegriffen werden darf. Auch die Rechtsprechung des BGH ist insoweit nicht einheitlich. Von der h. A. in der Literatur wird nunmehr zwischen einem unverzichtbaren, einem unentziehbaren und einem stimmrechtsfesten Kernbereich unterschieden. Zum unverzichtbaren Kernbereich gehören danach die zwingenden Mitgliedschaftsrechte, die auch durch den Gesellschaftsvertrag und einstimmig gefasste Gesellschafterbeschlüsse nicht abbedungen werden können, wie z. B. die Teilhabe an der gesellschaftsinternen Willensbildung. Diese Rechte dürfen daher erst recht nicht durch bloßen Mehrheitsbeschluss eingeschränkt werden. Anderes soll für die unentziehbaren (bzw. mehrheitsfesten) Rechte, wie z. B. das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung, gelten. Sie können durch den Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden. Eingriffe in diese Rechte, die auch zum „Kernbereich“ gezählt werden, sind aber nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zulässig. Die Rechtsprechung und h. A. in der Literatur begründen hier ein Zustimmungserfordernis, das sich nicht eindeutig dem Gesetz entnehmen lässt. Bei der letzten Kategorie, der weder unverzichtbaren noch unentziehbaren, aber stimmrechtsfesten Mitgliedschaftsrechte, muss der Gesellschafter lediglich zwingend mit abstimmen dürfen. Gesichert ist lediglich das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung.
Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 274 ff.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 87 ff. m. w. N.; Staub/ders. § 119 Rdnr. 38 f. 10 Als Beispiel hierfür nennt Ulmer (MünchKomm z. BGB § 709 Rdnr. 88 in Fn. 171) die Entscheidung des BGH vom 10. 05. 1976, BB 1976, 948. In der Entscheidung wurde die mehrheitliche Rücklagenbildung unter Durchbrechung der gesellschaftsvertraglichen Regelung als von der Mehrheitsklausel gedeckt, eine mehrheitliche Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels dagegen als unzulässig angesehen, ohne dass sich aus der Mehrheitsklausel Anhaltspunkte für diese Differenzierung ergaben. 11 NJW 1995, 194 f.
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Das Nebeneinander dieser drei Kernbereiche wirft bislang ungelöste Abgrenzungsprobleme auf. Unter Berücksichtigung der „Dreiteilung“ des Kernbereichs soll daher eine Einteilung der Mitgliedschaftsrechte versucht werden. Neben dem Kernbereichsbegriff ist aber auch der dogmatische Ansatzpunkt der Kernbereichslehre zu klären. Geht es bei der Kernbereichslehre um eine Überprüfung der Wirksamkeit der Mehrheitsermächtigung (Klauselkontrolle) oder aber um die Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses (Beschlusskontrolle)? Diese Frage, ob die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen bereits auf Klauselebene oder aber auf Beschlussebene ansetzt, ist höchst streitig. Während einige davon ausgehen, dass für den unverzichtbaren und unentziehbaren Kernbereich schon gar keine Mehrheitskompetenz wirksam begründet werden kann und der Mehrheitsbeschluss daher mangels hinreichender Kompetenzgrundlage rechtswidrig ist, gehen andere davon aus, dass auch für Beschlüsse, die in den unentziehbaren Kernbereich der Mitgliedschaft eingreifen, bei Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes wirksam eine Mehrheitskompetenz begründet werden kann, dass aber dennoch – etwa in Analogie zu §§ 35 BGB, 53 Abs. 3 GmbHG, 180 Abs. 1 AktG – zu Eingriffen in den unentziehbaren Kernbereich zusätzlich die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich ist. Diese im Rahmen der Untersuchung der Kernbereichslehre zu diskutierende Frage ihres Anknüpfungspunktes betrifft auch das sehr problematische Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, auf das in einem eigenen Abschnitt (dazu § 6) zurückzukommen sein wird. Setzt die Kernbereichslehre genauso wie der Bestimmtheitsgrundsatz bereits auf Klauselebene an, ist eine Abgrenzung der Kontrollinstitute besonders schwierig: Einige Autoren meinen gar, dass dann mit der Kernbereichslehre wohl nur eine folgenlose Begriffsvertauschung, nicht aber ein wirklich anderer Ansatz als der Bestimmtheitsgrundsatz verbunden wäre.12 Sie verkennen, dass es auch auf Klauselebene verschiedene Kontrollansätze geben kann.13 Es soll daher eine Abgrenzung von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre versucht werden. Als weiteres ungeschriebenes Instrumentarium des materiellen Minderheitenschutzes ist die Treuepflicht der Gesellschafter (§ 242 BGB) zu nennen. Diese zwingt als allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Grundsatz die beschließende Mehrheit dazu, auch die Interessen der überstimmten Minderheit bei der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung angemessen zu berücksichtigen.14 12
Vgl. hierzu unten § 6 III. in Fn. 23 m. N. Vgl. aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen § 305c Abs. 1 BGB – § 307 ff. BGB. 14 Daneben ist keine allgemeine Billigkeitskontrolle entsprechend dem Rechtsgedanken des § 315 BGB erforderlich, a. A. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S. 43. 13
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Verhält die Mehrheit sich nicht diesem flexiblen Maßstab entsprechend, ist die Stimmabgabe der Mehrheitsgesellschafter nichtig und der Mehrheitsbeschluss damit rechtswidrig. Auch die Treuepflicht ermöglicht daher eine materielle Beschlusskontrolle, die in Zukunft stärker in den Blickpunkt rücken sollte.15 Die Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen anhand der generalklauselartigen Treuepflicht muss aber konkretisiert werden, damit die praktischen Ergebnisse vorhersehbar werden. Allein die Faustregel, dass die Mehrheit die Minderheit nicht unverhältnismäßig benachteiligen darf, erscheint als ungenügend. Es müssen Fallgruppen gebildet werden.16 Sodann soll als ungeschriebenes Korrektiv von Mehrheitsbeschlüssen der Gleichbehandlungsgrundsatz untersucht werden. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz darf die Mehrheit die Minderheit nicht ohne sachlichen Grund schlechter stellen, es sei denn, die Minderheit stimmt der Ungleichbehandlung zu.17 Es gilt für Mehrheitsentscheidungen ein Willkürverbot. Spezielle Ausprägung dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes im Personengesellschaftsrecht sind insbesondere §§ 706 Abs. 1, 722 Abs. 1 BGB, wonach die Gesellschafter, soweit nichts anderes vereinbart ist, gleiche Beiträge zu leisten bzw. eine gleiche Gewinnbeteiligung haben. Schließlich soll auf die Sittenwidrigkeitsschranke (§ 138 BGB) für Mehrheitsentscheidungen eingegangen werden.
II. Das Ziel der vorliegenden Arbeit Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die dargestellten im Wesentlichen ungeschriebenen Schranken der Mehrheitsmacht aufzuzeigen, zu diskutieren und in ein vernünftiges und sachgerechtes Verhältnis zu bringen. Es soll als Ergebnis der vorliegenden Arbeit ein System der Beschlusskontrolle entwickelt werden. Deutlich machen will die vorliegende Arbeit, wofür und zu wessen Schutz die Rechtsprechung und Literatur die jeweiligen Schranken der Mehr-
15 Schon Fischer, in FS Barz, S. 33, 47 forderte 1974 die Rechtsprechung auf, dem rechtlichen Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht bei vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen erhöhtes Augenmerk zuzuwenden. Dieser Forderung haben sich insbesondere Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715 ff.; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 278 f., 340 ff.; Roth, JBl 2005, 80 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 2. a) (S. 412) angeschlossen. Vgl. ferner vor allem aber auch BGHZ 71, 53, 57 f. Der BGH wirft a. a. O. die Frage auf, ob der Bestimmtheitsgrundsatz immer in seiner Absolutheit gilt oder unter Berücksichtigung der Treuepflicht aufgelockert werden sollte. 16 Vgl. hierzu die Fallgruppenbildung unten § 7 III. 4. 17 BGHZ 120, 141, 150; OLG München, NZG 2001, 558, 560; von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 133; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 35; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 252; die Zustimmung zur Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz kann auch antizipiert im Gesellschaftsvertrag erklärt werden, siehe nur Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 179.
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heitsmacht entwickelt haben. Dabei geht es um den Schutzzweck der einzelnen Schranken. Im Hinblick auf die Schutzrichtung der Schranken soll zwischen formellen und materiellen Schranken der Mehrheitsmacht unterschieden werden, da auch der Gesellschafterbeschluss eine formellrechtliche und eine materiellrechtliche Seite hat. Erstere meint das Verfahren und die Förmlichkeiten, die bei der Herbeiführung des Gesellschafterbeschlusses einzuhalten sind, und letztere den Inhalt des Entschlusses der Gesellschaftergesamtheit und seine Wirkung.18 Formelle Schranken sind somit solche, die die Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses von bestimmten Formvoraussetzungen, wie einem bestimmten Verfahrensablauf, abhängig machen. Dagegen geht es bei materiellen Schranken um die Kontrolle des Beschlussinhalts und seine Wirkung auf die Minderheitsgesellschafter. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf den Schranken vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse liegen, da hier die Minderheit typischerweise am schwersten getroffen wird. Nur am Rande sind die bei Geltung des Mehrheitsprinzips auftauchenden Probleme im Bereich der Geschäftsführung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
III. Die möglichen Ansatzpunkte für eine Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen Auszugehen ist davon, dass es in ganz grundsätzlicher Hinsicht zwei mögliche Ansatzpunkte für einen Schutz gegenüber Mehrheitsbeschlüssen gibt, die den Gesellschaftsvertrag ändern.19 Zum einen die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsermächtigung, die den Mehrheitsbeschluss überhaupt erst legitimiert. Die Mehrheitsklausel muss auf ihre Reichweite und Wirksamkeit hin überprüft werden (Kompetenz- oder Klauselkontrolle). Auf dieser Stufe ist die Frage zu beantworten, ob der Gesellschaftsvertrag für den konkreten Beschlussgegenstand auch tatsächlich vom gesetzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) abweicht. Der Mehrheitsbeschluss muss sich auf eine ausreichende gesellschaftsvertragliche Mehrheitsermächtigung stützen können. Sicher ist, dass Mängel der Mehrheitsklausel zur Unwirksamkeit des Beschlusses führen.
18 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 8; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 9. 19 Vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 14 f.; H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 517; ferner oben § 1 I. zur Frage des dogmatischen Ansatzpunktes der Kernbereichslehre.
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Zum anderen wird der konkrete Mehrheitsbeschluss seinem Inhalt nach zu überprüfen sein. Auf dieser zweiten Stufe der Beschlusskontrolle geht es um die Frage, ob die Mehrheit im jeweiligen Einzelfall von der Mehrheitsermächtigung ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht hat, also um eine Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses.
IV. Ausgangsfälle Veranschaulicht werden soll die im Rahmen der vorliegenden Arbeit behandelte Problematik des Schutzes der Minderheit bei Personengesellschaften gegenüber Mehrheitsbeschlüssen anhand folgender drei signifikanter Ausgangsfälle, die natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie ließen sich beliebig ergänzen.20 Fall 1 A, B und C haben sich zu einer Maler-GbR zusammengetan. Um künftig mehr Aufträge erledigen zu können, beschließen A und B gegen den Willen des C eine Beitragserhöhung. C hat Zweifel, dass der Auftragsboom anhält. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden. Muss auch C Beiträge nachzahlen? Anmerkung zum Fall 1 Klar ist, dass es nicht richtig sein kann, dass A und B den C grenzenlos zu Beitragsnachzahlungen verpflichten können, nur weil C sich pauschal mit Mehrheitsentscheidungen einverstanden erklärt hat. Dies könnte für C den finanziellen Ruin bedeuten. Zudem könnte C, wenn die mehrheitliche Beitragserhöhung seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt, von den Mehrheitsgesellschaftern A und B aus der Gesellschaft heraus gedrängt werden. Folglich muss C vor grenzenlosen Beitragserhöhungsbeschlüssen geschützt werden. Dies ist im Ergebnis unstreitig.21 Heftig diskutiert wird aber, ob der Bestimmtheitsgrundsatz oder die Kernbereichslehre hierfür das richtige Schutzinstrument ist. Dazu nimmt die vorliegende Arbeit in den §§ 4–6 Stellung.
20 Vgl. auch das einführende Beispiel bei Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 2 f., anhand dessen Gillot u. a. das schwierige Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre veranschaulicht. 21 Vgl. nur Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 60, 61 („weitgehende Einigkeit“).
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Fall 2 Wegen der verheerenden finanziellen Situation in der Gesellschaft werden die gesellschaftsvertraglich geregelten Entnahmerechte der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss beschränkt. Dem Mehrheitsbeschluss liegt eine dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechende Ermächtigung zugrunde. Die Entnahmerechte der Minderheit werden aber, ohne dass das auf den ersten Blick erkennbar ist, dadurch, dass dem geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter als Ausgleich für seine Tätigkeit für die Gesellschaft vom Jahresgewinn vorab ein überhöhter Betrag zugesprochen wird, stärker beschränkt als die der Mehrheit. Praktisch bleibt kein Restgewinn für die Verteilung auf die anderen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Festkapitalanteile mehr übrig. Anmerkung zum Fall 2 Vorgegeben ist hier zwar, dass die Mehrheitsklausel dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt.22 Werden die Entnahmerechte der Minderheit im Einzelfall unzumutbar beschränkt, ist der Beschluss aber dennoch unwirksam. Problematisch ist hier, ob das zuständige Gericht die Unwirksamkeit des Beschlusses wahlweise aus der Kernbereichslehre, der Treuepflicht oder der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes herleiten kann. Dringend erwünscht wäre hier eine klare Abgrenzung. Diese versucht die vorliegende Arbeit, in den §§ 5, 7 und 8 vorzunehmen. Fall 3 Die Lederwaren OHG besteht aus den Gesellschaftern A, B und C. C beteiligt sich gleichzeitig an einem anderen ortsansässigen Konkurrenzunternehmen. Da A und B fürchten, C werde Interna an die Konkurrenz weitergeben, wollen sie ihn von der Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen ausschließen und gleichzeitig seine Informationsansprüche stark begrenzen. Sie fragen sich, ob bzw. inwieweit dies rechtlich zulässig ist. Anmerkung zum Fall 3 Aufgeworfen ist hier die Frage, ob das Teilnahmerecht des C an den Gesellschafterversammlungen sowie seine Informationsansprüche zum unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft gehören, in den auch mit Zustimmung des C nicht eingegriffen werden darf. Die Frage, inwieweit dies der Fall ist, versucht die vorliegende Arbeit im § 5 zu beantworten. 22 Zu diesem Erfordernis vgl. nur von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 122 Rdnr. 13 a. E.
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Soweit man die Zugehörigkeit der Rechte des C zum unverzichtbaren Kernbereich verneint, geht es im Fall 3 um das Problem, ob und unter welchen Voraussetzungen A und B das Teilnahme- bzw. Informationsrecht des C durch Mehrheitsbeschluss ohne seine (antizipierte) Zustimmung beschränken können. Zu diesem Problem wird ebenfalls im § 5 Stellung genommen.
V. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Teile, einen Grundlagen- und einen Hauptteil. Dabei geben die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für eine Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen, die Mehrheitsklausel und der Mehrheitsbeschluss, den Aufbau und den Gang der Untersuchung in beiden Teilen der Arbeit vor. Im Grundlagenteil widmet sich ein Abschnitt der Mehrheitsklausel (§ 2) und ein Abschnitt dem Mehrheitsbeschluss (§ 3). Im Hauptteil der Arbeit ist zwischen Schranken der Mehrheitsmacht, die auf der Ebene der Mehrheitsklausel und solchen, die auf Beschlussebene ansetzen, zu unterscheiden. Vorgelagert ist insoweit die Prüfung der Frage, ob die Mehrheit eine ausreichende Beschlusskompetenz hatte. Ohne Beschlusskompetenz wäre der Mehrheitsbeschluss schon formell rechtswidrig und nichtig. Auf den Inhalt des Mehrheitsbeschlusses müsste nur noch hilfsweise abgestellt werden. Zunächst sind im Hauptteil der Arbeit daher die Schranken der Mehrheitsmacht zu diskutieren, die bei der Mehrheitsklausel ansetzen. Als solche kommt zunächst der Bestimmtheitsgrundsatz (dazu §§ 4, 6) in Betracht. Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz muss sich die Mehrheitsklausel unzweideutig auch auf den in Rede stehenden Beschlussgegenstand erstrecken. Freilich wird aber auch zu diskutieren sein, ob nicht die Kernbereichslehre (dazu §§ 5, 6) auch ein Korrektiv für Mehrheitsklauseln ist. So gilt nach einer Interpretation der Kernbereichslehre die Mehrheitsklausel grundsätzlich nur für solche Beschlussgegenstände, die nicht den „Kernbereich“ der Mitgliedschaft betreffen.23 Die Kernbereichslehre begrenze die privatautonome Vereinbarung des Mehrheitsprinzips. Anschließend sind die Schranken zu diskutieren, die auf eine Inhaltskontrolle des konkreten Mehrheitsbeschlusses abzielen. Als solche sind vor allem die gesellschafterliche Treuepflicht (dazu § 7) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu § 8) zu nennen. Die Sittenwidrigkeitsschranke des § 138 Abs. 1 BGB tritt dahinter zurück (dazu § 9). Die Arbeit schließt mit einer Darstellung des Systems der Beschlusskontrolle (§ 10). 23 Zu diesem Verständnis der Kernbereichslehre siehe unten § 5 III. 1. b); § 5 III. 2. b) m. N.
1. Teil
Grundlagen Zunächst sollen im nachfolgenden Grundlagenteil einige Vorfragen behandelt werden, deren Erörterung für das Verständnis der Untersuchung der Schranken der Mehrheitsmacht unerlässlich ist. Es erfolgen Ausführungen sowohl zur Mehrheitsklausel (dazu § 2) als auch zum Mehrheitsbeschluss (dazu § 3), zwischen denen streng zu unterscheiden ist.1
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse Mit der Mehrheitsklausel sehen die Gesellschafter für die Beschlussfassung das Mehrheitsprinzip vor, welches die gesellschaftsinterne Willensbildung erleichtern soll. Mehrheitsentscheidungen sind bei Personengesellschaften anders als bei den Kapitalgesellschaften2 nur zulässig, wenn gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip eingeführt wurde. Die gesetzliche Zuständigkeitsordnung geht bei den Personengesellschaften vom schwerfälligen Einstimmigkeitsprinzip aus.
I. Die gesetzliche Zuständigkeitsordnung bei Personengesellschaften 1. Das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip Bei den Personengesellschaften gilt nach der gesetzlichen Grundkonzeption für alle Gesellschafterbeschlüsse das Einstimmigkeitsprinzip. Der Gesetzgeber schreibt grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter für einen Gesellschafterbeschluss vor.3 Er hat sich dafür entschieden, dass grundsätzlich jeder Gesellschafter an den Abstimmungen teilnehmen und für den konkreten Be1 Zur Notwendigkeit gedanklich zwischen der Mehrheitsklausel und dem Mehrheitsbeschluss zu unterscheiden vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 7; oben § 1 III. 2 Vgl. §§ 47, 53 GmbHG, 133, 179 AktG usw. 3 So besonders deutlich OLG Zweibrücken, OLGZ 1975, 402, 403.
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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schluss stimmen muss.4 Für Geschäftsführungsfragen ergibt sich das Erfordernis einstimmiger Entscheidungen unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB). Dagegen ist der Geltungsgrund des Einstimmigkeitsprinzips für Vertragsänderungen nur bei den Personenhandelsgesellschaften unzweifelhaft. § 119 Abs. 1 HGB (i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) gilt nicht bloß für die Geschäftsführung, sondern für alle und damit auch für vertragsändernde Gesellschafterbeschlüsse. Das Erfordernis der Einstimmigkeit für einen vertragsändernden Beschluss kann bei den Personenhandelsgesellschaften also bereits aus § 119 Abs. 1 HGB abgeleitet werden.5 Für die GbR ist der Geltungsgrund des Einstimmigkeitsprinzips für Vertragsänderungen dagegen umstritten. Nach Ansicht von Ulmer6 ergibt sich das Erfordernis der Einstimmigkeit für Vertragsänderungen bei der GbR „aus der Struktur der GbR als persönlicher Zusammenschluss auf vertraglicher Grundlage ohne Verselbständigung zur juristischen Person“. Nach Ansicht von Wawrzinek aus der Natur der Sache.7 Beiden Ansichten ist nicht zuzustimmen. Für Änderungen des Gesellschaftsvertrags bei der GbR schreibt das Gesetz selbst zwar nicht in §§ 705 ff. BGB – § 709 BGB gilt nur für die Geschäftsführung8 – wohl aber in § 311 Abs. 1 BGB für Vertragsänderungen das Einverständnis aller Gesellschafter vor. Nach § 311 Abs. 1 BGB, der einen allgemeinen Grundsatz des Vertragsrechts enthält, müssen alle Gesellschafter an einer Abänderung oder Aufhebung des Gesellschaftsvertrags mitwirken. Es ist ein Abänderungsvertrag erforderlich. Da die Willensbildung im Gesellschaftsrecht durch Beschlussfassung erfolgt, würde auch ein einstimmiger Abänderungsbeschluss genügen. Unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip ist die gesellschaftsinterne Willensbildung schwerfällig: Schon eine Stimmenthaltung oder die bloße Nichtteilnahme an der Abstimmung wirkt wie eine Ablehnung und führt dazu, dass kein einstimmiger Beschluss zustande kommt.9 Nicht zur Mitwirkung an der Abstimmung berufen sind nur die gesellschaftsvertraglich vom Stimmrecht ausgeschlossenen10 oder die von einem gesetzlichen Stimmverbot betroffenen11 4
Vgl. Motive zum BGB, Bd. 2, S. 602 f. § 119 HGB verdrängt § 311 Abs. 1 BGB, vgl. unten § 2 II. 2. 6 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 81. 7 Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 139. 8 Vgl. die nunmehr amtliche Überschrift des § 709 BGB. 9 Vgl. den Wortlaut von §§ 709 Abs. 1 2. HS BGB, 119 Abs. 1 HGB; von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 122; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 39. 10 Zur Wirksamkeit eines gesellschaftsvertraglichen Stimmrechtsausschlusses siehe unten § 5 IV. 1. b) aa). 11 Stimmverbote enthält das Gesetz für den Fall von Interessenkollisionen für die GbR in den §§ 712 Abs. 1, 715, 737 S. 2 BGB und für die Personenhandelsgesell5
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1. Teil: Grundlagen
Gesellschafter. Auch bei der Verhinderung eines Gesellschafters oder bei besonderer Eilbedürftigkeit ist das Einstimmigkeitsprinzip zu wahren.12 Es charakterisiert die Personengesellschaft als Arbeits- und Haftungsgemeinschaft.13 Lediglich in Geschäftsführungsfragen relativiert das Gesetz bei den Personenhandelsgesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. §§ 115 Abs. 1, 164 HGB). Bei Geschäftsführungsfragen darf der Kommanditist grundsätzlich nicht mitstimmen (§ 164 HGB). 2. Die Notwendigkeit eines Schutzes der Mehrheitsinteressen unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip Das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) ist so ausgestaltet, dass die Minderheit jeden ihr nicht zusagenden Beschluss verhindern kann. Unter dem gesetzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip stellt sich folglich das Problem eines Schutzes berechtigter Mehrheitsinteressen. Die Mehrheit muss unter dem Einstimmigkeitsprinzip davor geschützt werden, dass ein einzelner Gesellschafter in illoyaler Weise notwendige Entscheidungen, etwa in Geschäftsführungsfragen oder über die Anpassung der Gesellschaft an veränderte Umstände, verhindert, indem er dagegen stimmt oder missbräuchlich die Mitwirkung an der Beschlussfassung verweigert. Dieses Problem einer Zustimmungspflicht kraft Treuepflicht bzw. eines Anspruchs auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bzw. einer ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) soll im Rahmen dieser Untersuchung aber weitestgehend ausgeklammert werden.14 Es soll im Rahmen dieser Untersuchung vorwiegend um die Frage des Minderheitenschutzes und nicht um den Schutz berechtigter Mehrheitsinteressen gehen.
schaften daneben in den §§ 113 Abs. 2, 117, 127, 140 Abs. 1 HGB. Gleichwohl ist diese Regelung fragmentarisch. Der gesetzlichen Regelung ist keine Verallgemeinerung i. S. eines allgemeinen Stimmrechtsausschlusses bei Interessenkollisionen zu entnehmen. Problematisch ist deshalb, ob man im Recht der Personengesellschaften einzelne kapitalgesellschaftsrechtliche Bestimmungen, die über die genannten personengesellschaftsrechtlichen Bestimmungen hinaus ein Stimmverbot vorsehen, analog anwenden kann. Jedenfalls soweit über die Entlastung eines Gesellschafters, über die Befreiung von einer Verbindlichkeit oder über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen ihn abgestimmt werden soll, bejaht die h. M. in Analogie zu §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG einen Stimmrechtsausschluss, vgl. etwa RGZ 136, 236, 245; BGHZ 48, 251, 256; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 49 („Gesamtanalogie“); Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 26 m. w. N. 12 von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 13. 13 von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 13. 14 Vgl. zum Schutz der Mehrheitsinteressen unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip die eingehenden Untersuchungen von Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 201 ff; Zöllner, Anpassung, S. 1 ff. Siehe aber auch unten § 4 VI. 2. d) cc) m. w. N.
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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3. Abdingbarkeit des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips Das Problem des Minderheitenschutzes stellt sich bei den Personengesellschaften, wenn der Gesellschaftsvertrag von den §§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB abweicht und das Mehrheitsprinzip vorsieht. Eine solche Vereinbarung ist grundsätzlich zulässig.15 Für die Abdingbarkeit des Einstimmigkeitsprinzips spricht, dass den Gesellschaftern im Innenverhältnis eine sehr weitgehende Ausgestaltungsfreiheit zukommt.16 Für die OHG und die KG ergibt sich dies schon aus § 109 HGB, wonach § 119 Abs. 1 HGB keine Anwendung findet, soweit nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit zu entscheiden hat. Die Freiheit, durch Vertrag Mehrheitsentscheidungen zuzulassen, wird mit Recht als ein „fester Bestandteil des Rechts der Personengesellschaften“ angesehen.17 Die Zulässigkeit von gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklauseln ergibt sich zugleich daraus, dass der Gesetzgeber für den Fall einer solchen Mehrheitsklausel mit den §§ 709 Abs. 2 BGB, 119 Abs. 2 HGB Auslegungsregeln für die Berechnung der Mehrheit bereithält.18 Könnte gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip nicht vorgesehen werden, wären die Auslegungsregeln der §§ 709 Abs. 2 BGB, 119 Abs. 2 HGB überflüssig. Die Mehrheitsklausel ist auch nicht generell sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB), denn das, was bei den Kapitalgesellschaften die gesetzliche Regel bildet, kann bei den Personengesellschaften nicht generell gegen die guten Sitten verstoßen und nichtig sein.19 15 Soweit nicht vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse betroffen sind, ist die Abdingbarkeit des Einstimmigkeitsprinzips unstreitig, vgl. etwa BGHZ 85, 350, 354; BayObLG, BB 1987, 711, 713, das sich darüber hinaus auch für die Zulässigkeit des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen ausspricht; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 34; Koller in Koller/Roth/Morck § 105 Rdnr. 40, § 119 Rdnr. 9; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, C. I. 6. a) (S. 112); Hk-BGB/Saenger § 709 Rdnr. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. a) (S. 453); Jauernig/Stürner §§ 709–713 Rdnr. 8; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 31. 16 In diesem Sinne auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 4 f. 17 BGHZ 85, 350, 354; Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 11; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. a) (S. 453). 18 Dies betonen auch Flume, PersGes, § 14 I. (S. 208 f.); Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 271; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 86 f.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 5; Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 30. 19 A. Hueck, OHG, § 11 IV. (S. 177); Immenga, ZGR 1974, 385, 390; Köhler, JA 1983, 168, 169; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 89; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 5. Streitig ist aber, ob das Mehrheitsprinzip auch für Beschlüsse vereinbart werden kann, die den Kernbereich der Mitgliedschaft betreffen. Hier gehen einige Autoren davon aus, dass bereits die Mehrheitsklausel insoweit nichtig sei, vgl. bereits oben § 1 I. Zur
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1. Teil: Grundlagen
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern und eine Blockade der Gesellschaft durch Einzelne zu verhindern, das Mehrheitsprinzip vereinbart werden kann. Dies gilt auch für die kleineren gesetzestypischen Personengesellschaften. Dabei wird in der Vertragspraxis häufig auch von den Auslegungsregeln der §§ 709 Abs. 2 BGB, 119 Abs. 2 HGB abgewichen, wonach die Mehrheit im Zweifel nach Köpfen zu berechnen ist, und die Berechnung der Mehrheit nach Kapitalanteilen festgelegt.20
II. Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse Fraglich ist aber, ob auch Änderungen des Gesellschaftsvertrags mit Mehrheit beschlossen werden können oder ob hierfür zwingend die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Denn es handelt sich bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags um weit reichende, den Einzelnen womöglich sehr stark belastende Entscheidungsgegenstände: Das Problem des Minderheitenschutzes stellt sich vor allem, wenn die Mehrheitsgesellschafter mit ihrer Abstimmungsmacht durch Vertragsänderung auch auf die innere Struktur der Gesellschaft, namentlich auf die Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter einwirken können. 1. Meinungsstand a) Keine Einstimmigkeit für vertragsändernde Beschlüsse Nach der ständigen Rechtsprechung des RG21 und des BGH22 und der herrschenden Meinung im Schrifttum23 erfordert die Abänderung des Gesellschaftsvertrages nicht zwingend einen einstimmigen Beschluss. Der Beschluss soll vielmehr auch mit Mehrheit gefasst werden können, wenn der Gesellschaftsvertrag dies in hinreichend bestimmter Weise vorsehe. Die Zulässigkeit des Mehr-
Begründung beruft man sich dabei teilweise auch auf die Sittenwidrigkeitsschranke des § 138 Abs. 1 BGB, vgl. aber dazu, dass die Kernbereichslehre eine eigenständige Schranke der Gestaltungsfreiheit im Personengesellschaftsrecht ist, unten § 5 III. 1. a). 20 Vgl. nur Hk-BGB/Saenger § 709 Rdnr. 2; Palandt/Sprau § 709 Rdnr. 2. 21 RGZ 91, 166, 167 f.; 114, 393, 395; 151, 321, 327; 163, 385, 391. 22 BGHZ 8, 35, 39; 20, 363, 369; 48, 251, 253; 57, 350, 354; 66, 82, 85; so auch das BayObLG, BB 1987, 711, 713. 23 Siehe etwa Barbasch, Familien-KG, S. 68; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 5; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 37; Soergel/Hadding § 709 Rdnr. 40; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 34; G. Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 6 Rdnr. 9, § 14 Rdnr. 11; Koller in Koller/Roth/Morck § 119 Rdnr. 9, § 105 Rdnr. 40, der allerdings nur außerhalb des Kernbereichs das Mehrheitsprinzip zulassen will [dazu unten § 5 III. 1. b); § 5 III. 2. b)]; Roitzsch, Minderheitenschutz, S. 39; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. b) (S. 454); U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 362 f.; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 100.
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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heitsbeschlusses sei dann eine Folge aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, da die Gesellschaftermehrheit ihre Herrschaftsmacht mit der Mehrheitsklausel aus einer privatautonomen Entscheidung aller Gesellschafter ableiten könne.24 Lediglich eine schrankenlose Unterwerfung der Minderheit unter die Mehrheit verstoße – weil zu weitgehend – gegen die guten Sitten (§ 138 BGB).25 Eine sachlich unbegrenzte Einschränkung der wirtschaftlichen und persönlichen Freiheit des Einzelnen könne nicht gebilligt werden.26 Im Übrigen erlaube es die Privatautonomie, dass die Gesellschafter auch für Vertragsänderungen vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) abweichen. So hat die Rechtsprechung etwa wiederholt eine mehrheitlich beschlossene Beitragserhöhung für zulässig erachtet, wenn der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auch die Beitragserhöhung durch Mehrheitsbeschluss vorsah und insoweit eine Obergrenze enthielt.27 Das Verbot einer Beitragserhöhung ohne den Willen des betroffenen Gesellschafters (§ 707 BGB) stehe dem nicht entgegen. Von der Vorschrift des § 707 BGB könne im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden.28 Es kann aber nach dieser h. A., um weitere Beispiele zu nennen, auch die Änderung des Gesellschaftszwecks oder die Auflösung der Gesellschaft einem Mehrheitsbeschluss überlassen werden.29 Teilweise wird daneben vorgetragen, die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse ergebe sich aus §§ 315, 317 BGB.30 Da diese Normen von der Zulässigkeit einer Vereinbarung in einem allgemeinen schuldrechtlichen Vertrag ausgingen, dass ein Vertragspartner die Leistung des anderen bestimmen darf (vgl. §§ 315 Abs. 1, 317 Abs. 1 BGB), bestünden keine Bedenken dagegen, dass ein Gesellschafter die Konkretisierung seiner Rechtsstellung dann in die Hände anderer legt, wenn er bei Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung überstimmt wird.31 24
RGZ 91, 166, 167; BGHZ 8, 35, 39. Allgemeine Ansicht, siehe etwa RGZ 91, 166, 168 f.; 151, 321, 327; 163, 385, 391; BGHZ 8, 35, 41 f.; 81, 263, 266; RGRK/von Gamm § 707 Rdnr. 4; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 56; G. Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 14 Rdnr. 11; Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 101. 26 BGHZ 8, 35, 41. 27 So schon RGZ 91, 166, 168; 151, 321, 326 f. Dem RG folgend u. a. BGH, WM 1976, 1053, 1055 rechte Spalte; ZIP 2005, 1455, 1456. Vgl. dazu, dass sich Abweichungen von § 707 BGB eindeutig aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben müssen, ferner BGH, NJW 1983, 164; OLG München, NZG 2004, 807. 28 Allgemeine Ansicht, siehe nur BGH, ZIP 2005, 1455, 1456; Hk-BGB/Saenger § 707 Rdnr. 2; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 707 Rdnr. 8 m. w. N. 29 Siehe die Rechtsprechungsnachweise bei Brändel, in FS Stimpel, S. 95, 96. 30 RGZ 91, 166, 167; von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 122; Brändel, in FS Stimpel, S. 95; Jüdel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 43 f.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 152 f. 31 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 152 f. 25
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1. Teil: Grundlagen
b) Änderungen des Gesellschaftsvertrags nur durch Abänderungsvertrag Zu untersuchen ist aber, ob dieser h. A. gefolgt werden kann oder ob man mit einer Ansicht im früheren Schrifttum Änderungen des Gesellschaftsvertrags einer Personengesellschaft durch Mehrheitsbeschluss generell für unzulässig halten muss.32 Nach dieser letztgenannten Ansicht im früheren Schrifttum müssen die Voraussetzungen eines Abänderungsvertrages (§ 311 Abs. 1 BGB) erfüllt sein, der aber das Einverständnis aller Gesellschafter voraussetzt. Ähnlich will auch Flume33 vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse nur zulassen, die das „korporative Element“ betreffen.34 Das Mehrheitsprinzip könne bei Personengesellschaften für Vertragsänderungen grundsätzlich keine Geltung beanspruchen: Unzulässig seien vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse, die in die Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters eingreifen.35 Für unmittelbare Eingriffe in die Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters, wie z. B. für Änderungen der Haftsumme eines Kommanditisten, Schmälerungen der Gewinnbeteiligung oder des Anteils am Auseinandersetzungsguthaben, sei gemäß § 311 Abs. 1 BGB ein Abänderungsvertrag zwischen den Beteiligten erforderlich.36 Gegen die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsentscheidungen wird eingewandt, dass § 311 Abs. 1 BGB den allgemeinen Grundsatz enthalte, dass zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich sei.37 Auch das Gesellschaftsverhältnis sei ein Schuldverhältnis.38 Der Einordnung des Gesellschaftsvertrags als schuldrechtlicher Vertrag stehe nicht entgegen, dass der Gesellschaftsvertrag nicht nur Schuldverhältnis sei, sondern dass der Gesellschaftsvertrag daneben auch die Grundlage für den Personenverband bilde, also organisationsrechtliche Regelungen enthalte.39 Nur „soweit das Gesetz ein anderes vorschreibe“ sei daher gemäß § 311 Abs. 1 zweiter HS BGB eine Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbe32 Für eine generelle Unzulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse vor allem: Cosack § 110 I. 1. a); Goldmann § 119 Rdnr. 6; Makower § 119 Rdnr. 1; siehe aber auch die weiteren Nachweise aus dem älteren Schrifttum bei U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 362 in Fn. 7. 33 Flume, PersGes, § 14 III. (S. 213 ff.); ders., in FS Rittner, S. 119, 124. 34 Für die Publikumspersonengesellschaften zustimmend Wawrzinek, S. 149 f.; ähnlich auch Röttger, Kernbereichslehre, S. 144 ff. 35 Flume, PersGes, § 14 III. (S. 219). 36 Flume, PersGes, § 14 III. (S. 217 f.). 37 Flume, in FS Rittner, S. 119, 124 für § 305 BGB a. F. 38 Flume, in FS Rittner, S. 119, 124. 39 Überwiegend wird der Gesellschaftsvertrag sogar als gegenseitiger Vertrag i. S. der §§ 320 ff. BGB angesehen, siehe etwa RGZ 76, 276, 279; 147, 340, 341 f.; BGH, NJW 1951, 308; Palandt/H. Heinrichs Einf v § 320 Rdnr. 6; Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 10 (Streitig).
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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schluss zulässig.40 § 119 HGB schreibe aber nichts anderes vor.41 In § 119 HGB sei nur bestimmt, dass der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse das Mehrheitsprinzip vorsehen könne.42 Zudem wird gegen die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse eingewandt, dass es den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts widerspreche, ungewisse Verpflichtungen in der Zukunft zu übernehmen, Verpflichtungen, über deren Inhalt andere entscheiden.43 Der Inhalt der Vertragsfreiheit gewährleiste nicht, auf eben diese Freiheit zu verzichten und sich einer unbestimmten Mehrheit zu unterwerfen.44 Aus dem Wesen der Personengesellschaft ergebe sich, dass eine Beschlussfassung über die Grundlagen der Gesellschaft grundsätzlich in der Hand aller Gesellschafter liege.45 Auch auf die §§ 315, 317 BGB könne für die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse nicht zurückgegriffen werden. Die §§ 315, 317 BGB setzten eine Leistungsbeziehung voraus, das Gesellschaftsverhältnis begründe aber gerade keine solche Leistungsbeziehung.46 Im Ergebnis müsse zwischen dem Korporationsrecht unterschieden werden, wo satzungsändernde Mehrheitsbeschlüsse gemäß §§ 33 Abs. 1 BGB, 179 Abs. 1 und 2 AktG und § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG bereits gesetzlich vorgesehen seien, und dem Personengesellschaftsrecht, wo vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse nicht anerkannt werden dürften.47 Für diese Unterscheidung spreche, dass die mehrheitlich beschlossenen Satzungsänderungen im Korporationsrecht nicht auch die persönlichen Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Korporation beträfen.48 2. Eigene Stellungnahme Nach richtiger Ansicht kann der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft auch durch Mehrheitsbeschluss geändert werden. 40
Flume, in FS Rittner, S. 119, 124. Flume, in FS Rittner, S. 119, 124. 42 Flume, in FS Rittner, S. 119, 124; ähnlich ders., PersGes, § 14 III. (S. 216). 43 U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 362. 44 Flume, PersGes, § 14 III. (S. 215). 45 Meyer-Ladewig, BB 1969, 1005, 1007. 46 Flume, PersGes, § 14 III. (S. 215). 47 Flume, PersGes, § 14 III. (S. 215). 48 Siehe Flume, PersGes, § 14 III. (S. 215), der aber Mehrheitsentscheidungen, die den „Status der Gesellschaft, so die Auflösung, die Aufnahme oder Entlassung von Gesellschaftern, die Umwandlung einer OHG in eine KG, die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft“ dem Bereich der korporativen Elemente zurechnen und daher insoweit Mehrheitsbeschlüsse zulassen will [PersGes, § 14 III. (S. 216 f.)]. 41
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1. Teil: Grundlagen
Die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse bei Personengesellschaften lässt sich zwar nicht, wie teilweise vertreten,49 den §§ 315, 317 BGB entnehmen. Die §§ 315, 317 BGB füllen die bis dahin offene vertragliche Vereinbarung lediglich aus, ändern die Vereinbarung aber nicht. Die Bestimmung der Leistung gemäß § 315 Abs. 1 BGB stellt keine Vertragsänderung dar.50 Zu denken wäre daher allenfalls an eine analoge Anwendung der §§ 315, 317 BGB. Die analoge Anwendung der §§ 315, 317 BGB scheitert aber daran, dass Änderungen des Gesellschaftsvertrags nicht bloß Leistungsbestimmungen darstellen, sondern auch den Status und die Rechtsstellung des Gesellschafters betreffen können.51 Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit der Interessenlage. Damit kann der Rechtsgedanke der §§ 315, 317 BGB nicht auf jedwede Art von Änderungen des Gesellschaftsvertrags ausgedehnt werden.52 Die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse könnte sich aber aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergeben. Die Vertragsfreiheit gewährt den Gesellschaftern im Innenverhältnis eine sehr weitgehende Ausgestaltungsfreiheit.53 Die Gesellschafter können von den das Innenverhältnis betreffenden Vorschriften der §§ 705 ff. BGB; 105 ff., 161 ff. HGB in aller Regel gesellschaftsvertraglich abweichen. Dies ergibt sich positivrechtlich für die OHG aus § 109 HGB und für die KG aus § 163 HGB. Die das Innenverhältnis betreffenden Vorschriften sind grundsätzlich dispositiv.54 Die vertragliche Ausgestaltungsfreiheit55 der Gesellschafter ist im Innenverhältnis – abgesehen von einigen Spezialregelungen,56 dem Grundsatz der Verbandssouveränität und dem Prinzip der Selbstorganschaft – lediglich durch die allgemeinen Schranken der 49
Siehe die Nachweise oben § 2 Fn. 30. So zutreffend Flume, PersGes, § 14 III. (S. 215); Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 34. 51 Vgl. Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 34. 52 So im Ergebnis auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 34. 53 Dass für das Innenverhältnis Vertragsfreiheit besteht, betont in diesem Zusammenhang besonders deutlich A. Hueck, OHG, § 11 IV. (S. 176 f.). 54 Für alle Personengesellschaften: Stengel, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 2; für die GbR: Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 52; Happ, in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 5 Rdnr. 41; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 132 f.; für die OHG: MünchKomm z. HGB/Enzinger § 109 Rdnr. 1; Hopt in Baumbach/Hopt § 109 Rdnr. 2; Koller in Koller/Roth/Morck § 109 Rdnr. 1; Mayen in Ebenroth/Boujong/Joost § 109 Rdnr. 2 ff.; für die KG: MünchKomm z. HGB/Grunewald § 163 Rdnr. 1; Hopt in Baumbach/Hopt § 163 Rdnr. 1; Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost § 163 Rdnr. 1 f. Dagegen sind bei OHG und KG die das Außenverhältnis betreffenden §§ 123 ff. HGB aus Verkehrsschutzgesichtspunkten zwingend. 55 Allgemein zum viel diskutierten Problem der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht siehe nur die Habilitationsschriften von Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen; Teichmann, Gestaltungsfreiheit; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit. 56 Vgl. §§ 723 Abs. 3, 716 Abs. 2 BGB usw. 50
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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§§ 134, 138 BGB und die Kernbereichslehre begrenzt.57 Auch von dem gesetzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip für Vertragsänderungen (§§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) können die Gesellschafter kraft der ihnen zukommenden Privatautonomie also abweichen und gesellschaftsvertraglich vorsehen, dass die Mehrheit auch über Änderungen des Gesellschaftsvertrags entscheidet. Eine solche abweichende Vereinbarung, die das Mehrheitsprinzip auch für Vertragsänderungen vorsieht, wäre nicht generell sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und nichtig: Das Mehrheitsprinzip stellt bei Körperschaften gemäß §§ 33 Abs. 1 BGB, 179 Abs. 1 und 2 AktG, 53 Abs. 1 und 2 GmbHG auch für Satzungsänderungen die gesetzliche Regel dar, und kann daher bei Personengesellschaften auch insoweit nicht generell sittenwidrig und nichtig sein.58 Die Einführung des Mehrheitsprinzips auch für Vertragsänderungen ist daher von der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter umfasst. Auch § 311 Abs. 1 BGB steht der Zulässigkeit von vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen im Personengesellschaftsrecht nicht, wie Flume meint,59 entgegen. Gemäß § 311 Abs. 1 BGB erfordert die Abänderung des Gesellschaftsvertrags zwar grundsätzlich wiederum einen Vertrag, der das Einverständnis aller Gesellschafter voraussetzt. Denn auch der Gesellschaftsvertrag ist nicht nur die „Verfassung“ der Personengesellschaft, sondern vor allem auch ein schuldrechtlicher Vertrag, auf den grundsätzlich die Regeln des allgemeinen Schuldrechts und damit auch § 311 Abs. 1 BGB Anwendung finden. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesellschaftsvertrag gegenseitige Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander zur Förderung des gemeinsamen Zwecks begründet, sowie aus dem Aufbau und der Systematik des BGB.60 § 119 HGB bestimmt für die Personenhandelsgesellschaften aber „etwas anderes“ i. S. von § 311 Abs. 1 zweiter HS BGB. § 119 Abs. 2 HGB setzt voraus, dass gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip eingeführt werden kann, da 57 Zu den Schranken der Vertragsfreiheit vgl. neben den genannten Habilitationsschriften für die GbR: MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 132 ff.; für die OHG: MünchKomm z. HGB/Enzinger § 109 Rdnr. 6 ff.; Hopt in Baumbach/Hopt § 109 Rdnr. 3; Koller in Koller/Roth/Morck § 109 Rdnr. 2 ff.; für die KG: Staub/Schilling § 163 Rdnr. 6; Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost § 163 Rdnr. 3 ff. Die Kernbereichslehre ist also nicht nur Schranke der Mehrheitsmacht, sondern auch ein streng zu beachtendes Korrektiv für die vertragliche Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses. Problematisch ist das Verhältnis zu § 138 BGB, vgl. dazu unten § 5 III. 1. a). 58 Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 106; Immenga, ZGR 1974, 385, 390; Köhler, JA 1983, 168, 169; U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 363; Torggler, in FS Schönherr, S. 237, 244. Zur Sittenwidrigkeit einer Mehrheitsklausel siehe aber auch unten § 9 I. 59 Flume, in FS Rittner, S. 119, 124. 60 Vgl. die Einordnung der §§ 705 ff. BGB in den Abschnitt „Einzelne Schuldverhältnisse“ und ferner im Einzelnen MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 155 ff.
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1. Teil: Grundlagen
§ 119 Abs. 2 HGB gerade für diesen Fall eine Auslegungsregel enthält. Eine Einschränkung der Zulässigkeit des Mehrheitsprinzips nur für Geschäftsführungsmaßnahmen und sonstige organisatorische Maßnahmen ist § 119 Abs. 2 HGB nicht zu entnehmen. Das Erfordernis eines Abänderungsvertrags wird bei den Personenhandelsgesellschaften also durch § 119 HGB verdrängt. Nur bei der GbR ergibt sich aus § 311 Abs. 1 BGB das grundsätzliche Erfordernis eines Abänderungsvertrags. Die im Vergleich zu § 119 Abs. 2 HGB ansonsten inhaltsgleiche Auslegungsregel des § 709 Abs. 2 BGB gilt nur für die Beschlussfassung in Geschäftsführungsangelegenheiten.61 Damit ist aber noch nicht gesagt, dass bei der GbR von der Grundregel des § 311 Abs. 1 BGB nicht gesellschaftsvertraglich abgewichen werden dürfte. Die Zulässigkeit einer solchen vertraglichen Abweichung ergibt sich vielmehr auch hier aus dem bereits angesprochenen Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dafür spricht neben den bereits genannten Argumenten, dass die Vertragsfreiheit generell die Möglichkeit umfasst, für Vertragsänderungen Abläufe vorzusehen, die von den Erfordernissen des § 311 Abs. 1 BGB abweichen.62 Schließlich ist auch das letztgenannte Argument von Flume gegen die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse nicht überzeugend. Der These Flumes, dass zwischen dem Korporations- und dem Personengesellschaftsrecht unterschieden werden müsse, da satzungsändernde Mehrheitsentscheidungen bei den Korporationen nicht die persönlichen Rechtsverhältnisse der Mitglieder beträfen, kann nicht zugestimmt werden. Diese These Flumes ist unschwer zu widerlegen: Denn auch im Verbandsrecht sind satzungsändernde Mehrheitsbeschlüsse denkbar, die die persönliche Rechtsstellung des Korporationsmitglieds betreffen.63 Signifikantes Beispiel dafür ist vor allem ein Kapitalerhöhungsbeschluss mit gleichzeitigem Bezugsrechtsausschluss i. S. von § 186 Abs. 3 AktG. Bei einem Kapitalerhöhungsbeschluss mit gleichzeitigem Bezugsrechtsausschluss wird derart stark in die Rechtsstellung des Aktionärs eingegriffen („Verwässerung seines Anteils“), dass der Bezugsrechtsausschluss eines sachlichen Grundes bedarf (sog. Lehre von der sachlichen Rechtfertigung).64 61
Vgl. die amtliche Überschrift von § 709 BGB. Vgl. aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen § 308 Nr. 4 BGB, wonach in AGB die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die Leistung zu modifizieren oder von ihr abzuweichen, nur dann unwirksam ist, wenn sie für den Vertragspartner unzumutbar ist. 63 Vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 12, der darauf hinweist, dass die Hauptversammlung einer AG mit einem Beschluss zur Gewinnverteilung in die Rechte des Einzelnen eingreift, da zu den persönlichen Rechten des Aktionärs auch die Gewinnbeteiligung gehört. 64 Zur Lehre von der sachlichen Rechtfertigung vgl. grundlegend BGHZ 71, 40, 43 ff. („Kali + Salz“); ferner BGHZ 83, 319, 321 ff. („Holzmann“); 120, 141, 145 f.; 125, 239, 241; OLG Braunschweig, AG 1999, 84, 86 linke Spalte; OLG Stuttgart, AG 1998, 529, 531 linke Spalte; Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 513 ff.; ausführlich 62
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Ein Vergleich mit der Situation bei rechtsfähigen Verbänden, wo satzungsändernde Mehrheitsbeschlüsse gemäß §§ 33 Abs. 1 BGB, 179 Abs. 1 und 2 AktG, 53 Abs. 1 und 2 GmbHG bereits gesetzlich vorgesehen sind, könnte daher umgekehrt für die Zulässigkeit von vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen auch bei Personengesellschaften sprechen. Dieser Vergleich liegt zumindest bei Publikumspersonengesellschaften nahe, bei denen, wie bei größeren Kapitalgesellschaften (AG, KGaA), typischerweise die bloße Kapitalanlage im Vordergrund steht65 und die auch sonst weitestgehend einer Kapitalgesellschaft angenähert sind. Bei Publikumspersonengesellschaften ist daher in Anlehnung an körperschaftliche Grundsätze auch die Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen nichts Ungewöhnliches.66 Wegen der Sonderstellung der Publikumspersonengesellschaft lässt sich daraus aber wohl nicht die Zulässigkeit von vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen auch bei anderen gesetzestypischen Personengesellschaften ableiten. Gegen diesen Schluss spricht, dass Vertragsänderungen angesichts der grundsätzlich unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter bei den Personengesellschaften in ihren Auswirkungen erheblich gravierender sind als Satzungsänderungen bei Kapitalgesellschaften oder Vereinen.67 3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Gesellschafter kraft der ihnen zukommenden Privatautonomie auch für Änderungen des Gesellschaftsvertrags Mehrheitsentscheidungen vorsehen können. Mehrheitsbeschlüsse, die den Gesellschaftsvertrag ändern, sind damit nicht generell unzulässig. Hinzuweisen ist aber darauf, dass für Gesellschafterversammlungen, in denen über Änderungen des Gesellschaftsvertrags entschieden werden soll, das Einberufungsverfahren einem bestimmten Mindeststandard genügen muss. Änderungen des Gesellschaftsvertrags sind weit reichende, den einzelnen Gesellschafter womöglich stark belastende Beschlussgegenstände. Daher kann die Einberufung zur Gesellschafterversammlung hier nicht formlos erfolgen, sondern es ist zumindest auch die Tagesordnung in der Einberufung anzugeben, insbesondere Liebert, Bezugsrechtsausschluss, S. 85 ff.; MünchKomm z. AktG/Peifer § 186 Rdnr. 71 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 III. 2. b) (S. 447); sowie unten § 7 III. 1. b), 2. Einschränkend freilich BGHZ 136, 133, 135 ff. („Siemens/Nold“). 65 Bei einer GmbH, mit der ein mittelständisches Unternehmen betrieben wird, steht für den einzelnen Gesellschafter freilich in der Regel nicht die bloße Kapitalanlage, sondern das unternehmerische Tätigwerden im Vordergrund. 66 Zur Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel bei Publikumspersonengesellschaften siehe im Einzelnen unten § 2 IV. 2. 67 Im Ergebnis ähnlich Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 35, der zu Recht darauf aufmerksam macht, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund ihrer grundsätzlich unbeschränkten persönlichen Haftung erhöht schutzbedürftig sind.
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1. Teil: Grundlagen
wenn eine Änderung des Gesellschaftsvertrags Gegenstand eines Mehrheitsbeschlusses werden soll.68 Dies gehört zum Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ladung69 und ist damit formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertragsänderungsbeschluss. Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ladung ist ferner, dass in der Tagesordnung auch der wesentliche mögliche Beschlussinhalt dargestellt wird. Es muss ein Entwurf der Vertragsänderung beigefügt werden. Schließlich müssen die Gesellschafter zwischen der Einladung und dem Termin für die Versammlung eine angemessene Frist für eine ausreichende Vorbereitung haben.70 Nur unter diesen erschwerten Einberufungsvoraussetzungen kann die Mehrheit eine Änderung des Gesellschaftsvertrags beschließen.
III. Gründe dafür, vom Einstimmigkeitsprinzip abzuweichen und gesellschaftsvertraglich Mehrheitsentscheidungen zuzulassen In der Praxis besteht ein Bedürfnis dafür, von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) abzuweichen.71 Es wird regelmäßig vereinbart, dass in der Gesellschafterversammlung sowohl über Geschäftsführungsmaßnahmen als auch über Vertragsänderungen mit Mehrheit entschieden wird.72 Das Einstimmigkeitsprinzip hat sich gegenüber dem für die 68
Vgl. OLG Düsseldorf, NZG 2000, 588, 589; Palandt/Sprau Vorb v § 709 Rdnr.
10. 69 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 49; so wohl auch BGH, NJW 1995, 1353, 1356 für schwerwiegende Maßnahmen. 70 BGH, NJW 1995, 1353, 1355 f.; Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 7. 71 Zur wirtschaftlichen Notwendigkeit dafür, vom Einstimmigkeitsprinzip abzuweichen, vgl. Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 12 ff. 72 Vgl. exemplarisch die Formulierungsvorschläge für Personengesellschaftsverträge in den folgenden Vertragshandbüchern: Oldenburg, in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, II. 3. (S. 99 ff.); Riegger, in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, III. 3. (S. 219 ff.); Reichert in Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 63 (S. 1250 ff.). Alle enthalten eine Mehrheitsklausel, vgl. Oldenburg, in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, II. 3. (S. 101); Riegger, in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, III. 3. (S. 222 f.); Reichert in Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 63 (S. 1256). Es wird dort regelmäßig in etwa die folgende Formulierung für eine Mehrheitsklausel vorgeschlagen: § X Gesellschafterbeschlüsse (1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlussfassung. (2) Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit des abstimmenden Festkapitals gefasst. Einer Mehrheit von drei Vierteln des abstimmenden Festkapitals bedürfen jedoch folgende Maßnahmen: a) die Änderung des Gesellschaftsvertrags b) die Ausschließung einzelner Gesellschafter c) die Auflösung der Gesellschaft . . .
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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Willensbildung flexibleren Mehrheitsprinzip73 als zu schwerfällig erwiesen, da jeder Gesellschafter durch Verweigerung der Mitwirkung oder der Zustimmung alle, auch zwingend notwendige Gesellschafterbeschlüsse verhindern kann. Es kann unschwer zu einer Blockade der Gesellschaft kommen.74 Besonders stark ist das Bedürfnis dafür, vom Einstimmigkeitsprinzip abzuweichen und Mehrheitsentscheidungen zuzulassen, im Bereich der Geschäftsführung.75 Hier liegt es auf der Hand, dass nicht für jedes Tagesgeschäft die Zustimmung aller Gesellschafter eingeholt werden kann. Soweit nicht jeder persönlich haftende Gesellschafter ohnehin allein zur Geschäftsführung befugt ist (also insbesondere bei ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen i. S. von § 116 Abs. 1 und 2 HGB), muss hier durch die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft verbessert werden.76 Aber auch soweit es um Vertragsänderungen geht, besteht ein Bedürfnis dafür, Mehrheitsentscheidungen zuzulassen. Das Einstimmigkeitsprinzip erschwert unnötig die Entscheidung über Anpassungen des Gesellschaftsvertrags. Es geht von der Erwartung aus, dass man sich bei einer gesetzestypischen Arbeits- und Haftungsgemeinschaft aufgrund der engen persönlichen Bindung der Gesellschafter schon einigt. Unter dem Einstimmigkeitsprinzip ist, wenn sich auch nur ein Gesellschafter weigert, an der Anpassung des Gesellschaftsvertrags mitzuwirken, die Vertragsänderung gescheitert. Das Einstimmigkeitsprinzip privilegiert somit einseitig das Beharrungsinteresse, also das Festhalten am status quo, gegenüber den Veränderungsinteressen der Mehrheit, indem es dem Einzelnen eine sehr starke Vetoposition gegenüber der Mehrheit einräumt.77 Ein Grund für diese Privilegierung ist nicht ohne weiteres gegeben.78 Die Mehrheitsgesellschafter können mit dem Mehrheitsbeschluss durchaus berechtigte Anpassungsinteressen verfolgen. Denn der ausgehandelte ursprüngliche Konsens in Form des Gesellschaftsvertrags der Personengesellschaft überholt sich mit der Zeit. Er stellt lediglich eine Momentaufnahme dar.79 Die Gesellschafter sind im heutiEine empirische Untersuchung der Frage, inwieweit in der Praxis das Einstimmigkeitsprinzip abbedungen wird, ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit damit nicht erforderlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass in der Praxis die Formulierungsvorschläge der Vertragshandbücher in der Regel als Grundlage genommen werden. 73 Vgl. dazu, dass das Mehrheitsprinzip das flexiblere Instrument der Willensbildung ist, schon Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 382 f.; ferner Röttger, Kernbereichslehre, S. 84. 74 Zur Schwerfälligkeit des Einstimmigkeitsprinzips vgl. bereits oben § 2 I. 1., 2. 75 Ebenso Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 47; zu den Geschäftsführungsmaßnahmen als Beschlussgegenstand siehe unten § 3 III. 1. 76 Etwas zurückhaltender Hk-BGB/Saenger § 709 Rdnr. 2. 77 In diesem Sinne auch Flume, PersG, § 14 I. (S. 207 f.); Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 382 f. 78 Besonders kritisch Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 380 ff. 79 Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 25.
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1. Teil: Grundlagen
gen Geschäftsleben in aller Regel darauf angewiesen, auf Änderungen am Markt flexibel reagieren zu können. Deshalb muss der Gesellschaftsvertrag häufig an die veränderten Verhältnisse angepasst werden.80 Diesem Umstand trägt auch das Kapitalgesellschaftsrecht Rechnung. Das Gesetz sieht hier für Entscheidungen über Satzungsänderungen gemäß §§ 179 AktG, 53 Abs. 1 und 2 GmbHG, 16 Abs. 2 GenG ausdrücklich das Mehrheitsprinzip vor. Auch für Vertragsänderungen ist es daher ratsam, Mehrheitsentscheidungen zuzulassen, damit beispielsweise eine notwendige Kapitalerhöhung nicht am entgegenstehenden Willen eines Einzelnen scheitert, wenn zusätzlicher Kapitalbedarf entsteht. Dies gilt insbesondere für Massengesellschaften, die nicht dem gesetzlichen Leitbild der Arbeits- und Haftungsgemeinschaft entsprechen und die entweder auf den Beitritt möglichst vieler Anleger ausgerichtet sind, die dann nur kapitalmäßig beteiligt sind (sog. Publikumspersonengesellschaften)81 oder aber wie angewachsene Familiengesellschaften körperschaftlich strukturiert sind.82 Familiengesellschaften sind zwar Unternehmen, an denen ausschließlich oder überwiegend durch Verwandtschaft und Eheschließung untereinander verbundene Personen beteiligt sind.83. Im Laufe der Jahre wachsen Familiengesellschaften durch Erbfolge aber häufig an.84 Es kommt über die Jahre hinweg zu einer Zersplitterung der Gesellschaftsanteile. Die Familiengesellschaft weist dann häufig körperschaftliche Strukturen und wie die Publikumspersonengesellschaften sehr hohe Mitgliederzahlen auf.85 Es handelt sich dann wie bei der Publikumspersonengesellschaft um eine Massengesellschaft, bei der schon per definitionem so viele Teilhaber Mitglied sind, dass ein nachträglicher Abänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB), der das Einverständnis aller Gesellschafter voraussetzt, oder ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen erscheint. Das Einstimmigkeitsprinzip ist bei diesen Massengesellschaften nicht praktikabel.86 Die gesellschaftsinterne Willensbildung muss hier in der Praxis daher durch Mehrheitsbeschluss erfolgen können. 80 Dazu, dass der Gesellschaftsvertrag während seiner Laufzeit fortwährend an veränderte Umstände angepasst werden muss, vgl. nur Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 25; Zöllner, Anpassung, S. 1 ff. 81 Zum Begriff der Publikumspersonengesellschaft siehe ferner unten § 4 VII. 1. c). Dort wird die Publikumspersonengesellschaft von der gesetzestypischen Personengesellschaft abgegrenzt. 82 Vgl. Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 13 ff.; ferner schon Flume, PersGes, § 14 I. (S. 208): Bei diesen Massengesellschaften ist es jedenfalls angemessener, dass die Minderheit sich der Mehrheitsentscheidung fügt, als dass die Minderheit oder ein einzelner Gesellschafter der Mehrheit seinen Willen aufzwingt. 83 Barbasch, Familien-KG, S. 1; Langenfeld, Hdb. Familienunternehmen, I Rdnr. 2 ff. 84 Dies betont auch Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 13 f. 85 Zur körperschaftlichen Struktur angewachsener Familiengesellschaften vgl. im Einzelnen Barbasch, Familien-KG, S. 17 ff. 86 Vgl. Flume, PersGes, § 14 I. (S. 208).
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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Festzuhalten ist, dass die meisten Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften nicht grundlos eine Mehrheitsklausel enthalten, wonach die Beschlüsse der Gesellschafter mit einfacher oder mit einer wie auch immer gearteten qualifizierten Mehrheit gefasst werden können. Solche Mehrheitsklauseln erhöhen, wie aufgezeigt, die (Re-)Aktionsfähigkeit der Gesellschaft. Sie ermöglichen insbesondere auch die Anpassung des Gesellschaftsvertrags an veränderte Umstände.
IV. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel Eine ausdrückliche Mehrheitsklausel ist auch bei Personengesellschaften nicht immer zu verlangen. Die Praxis hat auch aus steuerrechtlichen Gründen ganz unterschiedliche Formen von Personengesellschaften hervorgebracht, für die die gesetzlichen Regeln des Personengesellschaftsrechts nicht immer passen.87 Die Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel hängt folglich von der Realstruktur der Personengesellschaft ab: Es ist zwischen gesetzestypischen (dazu 1.), Publikums- (dazu 2.) und sonstigen körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, wie angewachsenen Familiengesellschaften (dazu 3.), zu unterscheiden. Bei Publikums- und sonstigen körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften wirft das Einstimmigkeitsprinzip angesichts der häufig sehr großen Mitgliederzahlen besondere Probleme auf.88 1. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel bei gesetzestypischen Personengesellschaften Bei gesetzestypischen Personengesellschaften ergibt sich die Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel daraus, dass gemäß §§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB für die Beschlussfassungen in der Gesellschafterversammlung das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Einem Gesellschafterbeschluss müssen danach alle Gesellschafter, die zur Mitwirkung bei der Beschlussfassung berufen sind, zustimmen. Es ist, wenn der Gesellschaftsvertrag die Beschlussfassung nicht re87 Neben den genannten steuerrechtlichen Erwägungen dürften für die Wahl der Rechtsform einer Personengesellschaft insbesondere auch organisations- und haftungsrechtliche Erwägungen leitend sein. Vgl. allgemein zu den vielen unterschiedlichen Aspekten die bei der Rechtsformwahl beachtet werden müssen, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II. 2. (S. 98 ff.) m. w. N.; speziell für Familienunternehmen Langenfeld, Hdb. Familienunternehmen, I Rdnr. 5 ff. 88 Eingehend zur Abgrenzung von gesetzestypischen und Publikumspersonengesellschaften unten § 4 VII. 1. c). Zu den Wesensmerkmalen einer körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft siehe unten § 4 VII. 2. b). Praktischer Hauptfall einer körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft, die keine Publikumspersonengesellschaft ist, dürfte die angewachsene Familiengesellschaft sein. Wann eine angewachsene Familiengesellschaft vorliegt, wurde oben erläutert.
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1. Teil: Grundlagen
gelt, Einstimmigkeit der Gesellschafter erforderlich.89 Um Mehrheitsentscheidungen fällen zu können, müssen die Gesellschafter also das Einstimmigkeitsprinzip abbedingen und gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip vorsehen. Erforderlich ist grundsätzlich eine Mehrheitsklausel im ursprünglichen Gesellschaftsvertrag, wobei sich auch aus einer erläuternden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) die Geltung des Mehrheitsprinzips ergeben kann.90 Ausreichend ist ferner, dass die Gesellschafter nachträglich durch einstimmigen Beschluss, der gleichzeitig die Voraussetzungen eines Abänderungsvertrages i. S. von § 311 Abs. 1 BGB erfüllt, oder durch mehrjährige Übung, z. B. dadurch, dass sie bei ihren Beschlüssen immer die Mehrheit entscheiden lassen,91 stillschweigend das Mehrheitsprinzip einführen. Im letzteren Fall müssen aber tatsächlich alle Gesellschafter die Geltung des Mehrheitsprinzips vorbehalts- und widerspruchslos hingenommen haben.92 2. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel bei Publikumspersonengesellschaften Für die Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel ist bei Publikumspersonengesellschaften zwischen dem Bereich der Geschäftsführung und Vertragsänderungen zu unterscheiden. Für Geschäftsführungsmaßnahmen ist bei Publikumspersonengesellschaften eine Mehrheitsklausel regelmäßig nicht erforderlich. Die Anlagekommanditisten sind an der Geschäftsführung nicht beteiligt (§ 164 HGB), so dass die Komplementäre die Geschäfte der Gesellschaft im üblichen Rahmen alleine führen (vgl. §§ 115, 161 Abs. 2 HGB). Für außergewöhnliche Geschäfte müssen sie allerdings vor der Durchführung93 die Zustimmung aller Kommanditisten einholen (vgl. § 116 HGB), da außergewöhnliche Geschäfte mit einem maximalen Ri-
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BayObLG, BB 1987, 711. OLG Jena, NZG 1998, 343, 345 mit zustimmender Anm. Michalski, NZG 1998, 346 f. 91 RGZ 151, 321, 327; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 5; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 34, § 105 Rdnr. 62; Klauss/Mittelbach, KG, Rdnr. 176 a. E.; a. A. für eine Publikumspersonengesellschaft aber BGH, NJW 1990, 2684, 2685, weil dort der Gesellschaftsvertrag schriftlich geändert werden müsse; vgl. zur nachträglichen Änderung des Gesellschaftsvertrags durch schlüssiges Verhalten ferner BGH, NJW 1966, 826 (Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels durch schlüssiges Verhalten); BGHZ 70, 331, 332 (Änderung des Gesellschaftszwecks); sowie BGHZ 132, 263, 271 = NJW 1996, 1678, 1680; BGH, NZG 2005, 345 („Alleinvertretungsbefugnis“); 625. 92 OLG Köln, NZG 1998, 767, 769. 93 Siehe dazu, dass die Zustimmung vorher einzuholen ist, nur RGZ 158, 302, 306; BGHZ 76, 160, 164. 90
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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siko verbunden sind.94 Diese Zustimmung kann nach dem Gesellschaftsvertrag einer Mehrheitsentscheidung unterworfen werden.95 Für Änderungen des Gesellschaftsvertrags dagegen kommt es auf die vom BGH in seinem Urteil vom 13. 03. 197896 in einem obiter dictum aufgeworfene Frage an, ob nicht in Anlehnung an § 179 Abs. 2 AktG das Mehrheitsprinzip für Vertragsänderungen selbst dann gelten sollte, wenn der Gesellschaftsvertrag ansonsten schweigt.97 Auf diese Frage, die der BGH bislang nicht ausdrücklich beantwortet hat, soll im Folgenden eingegangen werden. Es ist für die Frage des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes, der für Publikumspersonengesellschaften vom BGH aufgegeben wurde,98 von maßgeblicher Relevanz, ob das Mehrheitsprinzip bei Publikumspersonengesellschaften für Änderungen des Gesellschaftsvertrags auch ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung gilt.99 Die Äußerungen des BGH zu der Frage der Geltung des Mehrheitsprinzips bei Publikumspersonengesellschaften ohne besondere Vereinbarung sind nicht ganz widerspruchsfrei. So ist der BGH in der Entscheidung vom 14. 11. 1994100 offenbar davon ausgegangen, dass die Einführung des Mehrheitsprinzips von einer ausdrücklichen Vereinbarung abhängt: „Dem trägt der Gesellschaftsvertrag Rechnung und lässt Mehrheitsentscheidungen zu.“ Dagegen neigt der BGH in anderen Entscheidungen offenbar der Ansicht zu, die von der Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen ohne ausdrückliche Vereinbarung ausgeht. So hat der BGH in der Entscheidung vom 30. 03. 1998101 die Ansicht vertreten, dass bei einer Publikumsgesellschaft die Mehrheit nicht nach der Zahl der stimmberechtigten Mitglieder, sondern nach der Zahl der teilnehmenden Gesellschafter zu berechnen sei. Dabei weicht der BGH von der Auslegungsregel des § 709 Abs. 2 BGB ab, weil diese Regel auf eine Publikumspersonengesellschaft mit ihrer Vielzahl anonymer Mitglieder nicht passe. Es fänden vielmehr die Regeln entsprechende Anwendung, die für 94 Zu Art und Umfang außergewöhnlicher Geschäfte i. S. von § 116 Abs. 2 HGB siehe stellvertretend MünchKomm z. HGB/Jickeli § 116 Rdnr. 31 ff. mit Beispielen. 95 Koller in Koller/Roth/Morck § 116 Rdnr. 2; Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 141. 96 BGHZ 71, 53 = NJW 1978, 1316. 97 BGHZ 71, 53, 58. 98 Zur Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes für Publikumspersonengesellschaften durch den BGH siehe unten § 4 VII. 1. a). 99 Zum Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes siehe unten § 4 VII. Dort wird auch auf die Konsequenzen dessen eingegangen, dass der BGH offenbar bei Publikumspersonengesellschaften von der Geltung des Mehrheitsprinzips ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung ausgeht. 100 BGH, NJW 1995, 1353, 1355. 101 BGH, NJW 1998, 1946, 1947 f.; vgl. aber auch BGH, NJW 1982, 2495, 2496, wo der BGH ausführt, dass es bei einer Publikums-KG gar nicht anders sein könne, als dass vom Einstimmigkeitsprinzip abgewichen werde.
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das insofern rechtsähnliche Kapitalgesellschaftsrecht gelten würden.102 Danach sei aber nur die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen maßgeblich (vgl. §§ 47 Abs. 1 GmbHG, 133 Abs. 1 AktG).103 a) Meinungsstand im Schrifttum Im Schrifttum ist die Frage, ob bei Publikumspersonengesellschaften das Mehrheitsprinzip für Vertragsänderungen ohne besondere Vereinbarung gilt, streitig. aa) Keine Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen ohne gesonderte Vereinbarung Nach einer Ansicht gilt das Mehrheitsprinzip für Änderungen des Gesellschaftsvertrags auch bei Publikumspersonengesellschaften nie ohne besondere Vereinbarung.104 Argumentiert wird im Wesentlichen wie folgt: Die Herausbildung eines für Publikumspersonengesellschaften geltenden Sonderrechts finde an den nach der gesetzlichen Regelung grundlegenden Prinzipien des Gesellschaftsrechts seine Grenze.105 Zu diesen grundlegenden Prinzipien zähle auch das Einstimmigkeitsprinzip, das für alle Personengesellschaften gelte.106 Es sei folglich nicht Aufgabe der Gerichte, in Abweichung von §§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB bei Publikumspersonengesellschaften das Mehrheitsprinzip für Vertragsänderungen auch bei Fehlen einer Mehrheitsklausel einzuführen.107 Dafür sei aus Gründen der Rechtssicherheit vielmehr eine Entscheidung des Gesetzgebers erforderlich.108 Bei einem gesellschaftsinternen Konflikt über eine Änderung des Gesellschaftsvertrags privilegiert diese Ansicht damit das durch das Einstimmigkeitsprinzip geschützte Beharrungsinteresse des Einzelnen gegenüber dem Veränderungsinteresse der Mehrheit der Ge102
BGH, NJW 1998, 1946, 1948. BGH, NJW 1998, 1946, 1948. 104 Brändel, in FS Stimpel, S. 95, 102 f.; Hadding, ZGR 1979, 636, 646; Hermanns, ZGR 1996, 103, 107 f., Kort, DStR 1993, 438; Michalski, WiB 1997, 1, 5; Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 101; Röttger, Kernbereichslehre, S. 155; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 221; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 5 f.; gegen die analoge Anwendung der Mehrheitsregelungen aus dem Körperschaftsrechts auch Harry Westermann, in FS Hengeler, S. 240, 247; gegen die globale Übernahme des körperschaftlichen Mehrheitsprinzips auf Publikumspersonengesellschaften auch Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 154 ff., der aber im Einzelfall den Gesellschaftsvertrag ergänzend auslegen will. 105 Röttger, Kernbereichslehre, S. 155. 106 So besonders deutlich Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 101. 107 Hermanns, ZGR 1996, 103, 107 f. 108 Hermanns, ZGR 1996, 103, 107 f. 103
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sellschafter, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich für Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip vorgesehen ist. Denjenigen, die vertragsändernde Mehrheitsentscheidungen bei Publikumspersonengesellschaften auch ohne eindeutige rechtsgeschäftliche Entscheidung der Gesellschafter zulassen wollen, wirft Hadding vor, dass sie außer Acht ließen, dass das Vorrangverhältnis vertraglicher Gestaltung gegenüber der gesetzlichen Regelung bei den Personengesellschaften (§§ 705 BGB, 109, 163 HGB) genau umgekehrt sei wie bei der AG (§ 23 Abs. 5 AktG).109 Man könne daher bei Publikumspersonengesellschaften nicht auf eine vertragliche Grundlage für das Mehrheitsprinzip verzichten.110 Schließlich wird nach Ansicht von Späth der tatsächliche Wille der Gesellschafter nicht hinreichend berücksichtigt, wenn man bei Publikumspersonengesellschaften auf eine gesonderte Vereinbarung des Mehrheitsprinzips verzichtet: Die Gesellschafter hätten in aller Regel bewusst keine Mehrheitsklausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen.111 Folgerichtig müsse man, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung des Mehrheitsprinzips fehle, von der Geltung des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips ausgehen. bb) Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen bei Publikumspersonengesellschaften auch ohne gesonderte Vereinbarung Im Vordringen befindlich ist demgegenüber die Ansicht, dass das Mehrheitsprinzip bei Publikumspersonengesellschaften für Vertragsänderungen auch ohne gesonderte Vereinbarung gilt.112 Dabei wird teilweise sogar angenommen, dass das Mehrheitsprinzip für Vertragsänderungen auch dann gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag für entsprechende Beschlüsse ausdrücklich Einstimmigkeit verlangt, weil eine solche Bestimmung der richterlichen Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags nach § 242 BGB nicht Stand halte.113
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Hadding, ZGR 1979, 636, 646; ihm folgend Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 156. Hadding, ZGR 1979, 636, 646. 111 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 6. 112 Siehe etwa Brandes, WM 1987 Sonderbeil. Nr. 1 S. 11; Dietrich, PublikumsKG, S. 110 ff.; MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 112; Hopt in Baumbach/Hopt Anh § 177a Rdnr. 69b; Kellermann, in FS Stimpel, S. 295, 301; Koller in Koller/Roth/Morck § 161 Rdnr. 12; Rabl, Kommanditistenschutz, S. 35 ff.; Staub/ Schilling Anh. § 161 Rdnr. 25; U. H. Schneider, AG 1979, 57, 61; Stimpel, in FS Fischer, S. 771, 779; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 94; Wiedemann, JZ 1978, 612. 113 MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 112; vgl. zur Nichtigkeit des Einstimmigkeitserfordernisses für die Abberufung eines Gesellschaftergeschäftsführers BGHZ 102, 172, 178 ff. 110
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1. Teil: Grundlagen
Begründet wird die Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen bei Publikumspersonengesellschaften ohne eindeutige vertragliche Grundlage entweder mit einer konkludenten Zulassung des Mehrheitsprinzips114 oder mit einer ergänzenden Auslegung des Gesellschaftsvertrags der Publikumspersonengesellschaft115 oder mit einer analogen Anwendung des § 179 Abs. 2 AktG116 oder mit einer auf § 242 BGB gestützten Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags117. Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass das Einstimmigkeitsprinzip für Publikumspersonengesellschaften, auch soweit es um Änderungen des Gesellschaftsvertrags geht, ungeeignet sei und daher nicht gelten könne. Mehrheitsentscheidungen seien bei Publikumspersonengesellschaften wie bei Kapitalgesellschaften selbstverständlich.118 Dies sei eine konsequente Fortbildung der Wertung, die bei Publikumspersonengesellschaften zur Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes geführt habe.119 Bei einer Publikumspersonengesellschaft bestünde zwischen den vielen beteiligten Gesellschaftern in aller Regel keinerlei persönliche Vertrauensbasis.120 Die Gesellschafter hätten allein aufgrund ihrer Bereitschaft zur Kapitalleistung zueinander gefunden.121 Im Falle eines Konflikts über eine Anpassung der Gesellschaft an geänderte Verhältnisse könne man daher unter dem Einstimmigkeitsprinzip keine konstruktiven Lösungen erwarten.122 Dies führe womöglich sogar dazu, dass nicht einmal an krisenhaften Zuständen etwas geändert werden könne.123 Die Situation bei einer Publikumspersonengesellschaft sei daher mit der bei einer großen Kapitalgesellschaft vergleichbar, wo das Mehrheitsprinzip für Satzungsänderungen gemäß §§ 53 GmbHG, 179 AktG die gesetzliche Regel sei.124
114 Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 112 f.; so wohl auch Stimpel, in FS Fischer, S. 771, 779. 115 So vor allem Dietrich, Publikums-KG, S. 110 ff.; U. H. Schneider, AG 1979, 57, 61. 116 So vor allem Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 69 f.; Rabl, Kommanditistenschutz, S. 35 ff.; im Ergebnis auch Reuter, GmbHR, 1981, 129, 131, der § 278 Abs. 3 AktG auf Publikumspersonengesellschaften analog anwenden will. 117 So vor allem Hopt in Baumbach/Hopt Anh § 177a Rdnr. 69b; Staub/Schilling Anh. § 161 Rdnr. 25. 118 Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31. 119 Staub/Schilling Anh. § 161 Rdnr. 25; U. H. Schneider, AG 1979, 57, 61; für Publikumspersonengesellschaften wurde der Bestimmtheitsgrundsatz von BGHZ 71, 53, 58 f. aufgegeben. Siehe dazu unten § 4 VII. 1. a). 120 U. H. Schneider, AG 1979, 57, 61. 121 U. H. Schneider, AG 1979, 57, 61. 122 Dietrich, Publikums-KG, S. 112 („funktionsunfähig“). 123 Vgl. BGHZ 71, 53, 58; BGH, NJW 1985, 972, 973. 124 Rabl, Kommanditistenschutz, S. 37.
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b) Eigene Stellungnahme Der letztgenannten Ansicht ist vor allem aus Praktikabilitätsgründen zu folgen, da das Einstimmigkeitsprinzip Publikumsgesellschaften, die regelmäßig auf den Beitritt einer (unbestimmten) Vielzahl von Gesellschaftern angelegt sind, lähmen würde. Die Untergrenze für eine (unbestimmte) Vielzahl von Gesellschaftern dürfte bei etwa 50 Gesellschaftern liegen.125 Eine besondere Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen muss folglich bei Publikumspersonengesellschaften nicht verlangt werden. Aus der Öffnung der Publikumspersonengesellschaft gegenüber einer möglichst großen Anzahl in aller Regel lediglich kapitalmäßig beteiligter Anleger ergibt sich, dass hier für Vertragsänderungen nicht das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) gelten soll,126 sondern das Mehrheitsprinzip. Dies ergibt sich aber nicht, wie der BGH meint, aus einer „Anlehnung an § 179 Abs. 2 AktG“ und auch nicht wie Hopt und Schilling meinen aus der Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags.127 Der methodische Ansatz bei der Inhaltskontrolle überzeugt nicht. Schilling128 lehnt eine ergänzende Auslegung des Gesellschaftsvertrags einer Publikumspersonengesellschaft mit unzureichender Begründung ab. Seiner Ansicht nach kann man nicht im Wege der (ergänzenden) Auslegung des Gesellschaftsvertrags das Mehrheitsprinzip bei Publikumspersonengesellschaften einführen, weil die Verfasser und Urheber des Gesellschaftsvertrags das Mehrheitsprinzip und damit die Disposition der Kommanditisten über den Gesellschaftsvertrag gerade nicht gewollt hätten. Er schließt sich insoweit in der Sache der oben wiedergegebenen Argumentation Späths129 an. Die Geltung des Mehrheitsprinzips ergebe sich aber aus einer an Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichteten Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags. Dabei wird aber übersehen, dass der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft nach ganz h. A.130 nicht wie von Schilling vorgenommen subjektiv, sondern objektiv auszulegen ist. Vor allem aber übersieht dieser Ansatz, dass die Inhaltskontrolle lediglich eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag kippen, nicht aber schaffen kann.131
125
Vgl. unten § 4 VII. 1. c) m. N. Das Einstimmigkeitsprinzip wird für die Publikums-KG bei Maßnahmen der Geschäftsführung, die den Rahmen des gewöhnlichen Handelsgewerbes der Gesellschaft nicht überschreiten, schon ausdrücklich vom HGB korrigiert. Bei der Publikums-KG gilt für die Anleger i. d. R. § 164 HGB, der sie von der Beschlussfassung in Geschäftsführungsangelegenheiten ausschließt. 127 Nachweise oben § 2 Fn. 117. 128 A. a. O. (§ 2 Fn. 117). 129 A. a. O. (§ 2 Fn. 111). 130 Vgl. nur BGH, ZIP 1999, 1391, 1393; 2005, 1455, 1456; MünchKomm z. HGB/ Grunewald § 161 Rdnr. 108 m. w. N. 126
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1. Teil: Grundlagen
Vielmehr ist der Gesellschaftsvertrag der Publikumspersonengesellschaft ergänzend auszulegen: Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesellschaftsvertrags.132 Sie liegt wohl darin, dass die Gründungsgesellschafter die Schwierigkeiten nicht ausreichend bedacht und berücksichtigt haben, die sich bei unerwarteten Veränderungen und in krisenhaften Situationen aus der Geltung des Einstimmigkeitsprinzips für Änderungen des Gesellschaftsvertrags ergeben. Keine planwidrige Unvollständigkeit läge indes vor, wenn die getroffene Regelung nach dem Willen der Parteien bewusst abschließend sein sollte.133 Wenn die Parteien bewusst auf eine Mehrheitsklausel verzichtet hätten, käme eine ergänzende Auslegung somit nicht in Betracht. Einen solchen bewussten Verzicht auf die Mehrheitsklausel kann man entgegen Späth134 in aller Regel aber nicht unterstellen, wenn der Gesellschaftsvertrag lediglich keine Mehrheitsklausel enthält, da das Einstimmigkeitsprinzip bei Publikumspersonengesellschaften schon vom Ansatz her nicht überzeugt.135 Denn Publikumspersonengesellschaften sind wie Aktiengesellschaften auf den Beitritt einer Vielzahl von Anlegern ausgerichtet. Der Gesellschaftsvertrag der Publikumspersonengesellschaft enthält, da er das Mehrheitsprinzip nicht vorsieht, in aller Regel also eine Lücke. Dem hypothetischen Willen der Parteien am besten gerecht wird das Mehrheitsprinzip (§ 179 Abs. 2 AktG), da Einstimmigkeit bei Publikumspersonengesellschaften von teilweise über 100 Anlegern nicht zu erzielen wäre. Das Einstimmigkeitsprinzip jedenfalls entspräche nicht dem hypothetischen Willen eines vernünftigen Gründungsgesellschafters136 im Zeitpunkt des Vertragsschlusses137, der auch auf die zukünftige Weiterentwicklung der von ihm ins Leben gerufenen Publikumsgesellschaft bedacht sein wird. Unter dem Einstimmigkeitsprinzip wäre nämlich eine Beschlussfassung weitestgehend unmöglich. Das Einstimmigkeitsprinzip verlangt gemäß §§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 HS 2 131 Darauf weist zu Recht MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 112 in Fn. 241 hin. 132 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGHZ 127, 138, 142; BGH, NJW 2002, 2310 jeweils m. w. N.; ferner Hk-BGB/Dörner § 157 Rdnr. 4; Palandt/H. Heinrichs § 157 Rdnr. 3. 133 BGH, NJW 1985, 1835, 1836; OLG Hamm, NJW-RR 2004, 298, 299; Palandt/ H. Heinrichs § 157 Rdnr. 3 a. E. 134 A. a. O. (§ 2 Fn. 111). 135 Vgl. auch Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 113: Anzunehmen, dass die Gründungsgesellschafter von der Geltung des Einstimmigkeitsprinzips ausgehen, wäre lebensfremd. 136 Zur objektiven Auslegung der Gesellschaftsverträge von Massengesellschaften vgl. die Nachweise oben § 2 Fn. 130. 137 Vgl. dazu, dass bei der ergänzenden Vertragsauslegung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, nur BGHZ 123, 281, 285; Palandt/H. Heinrichs § 157 Rdnr. 7; a. A. Hk-BGB/Dörner § 157 Rdnr. 4: Zeitpunkt der ergänzenden Auslegung.
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BGB, 119 Abs. 1 HGB zumindest eine geschlossene Beteiligung an der Abstimmung. Angesichts des großen Kreises von Kommanditisten bei einer Publikumsgesellschaft ist diese praktisch aber nicht erreichbar.138 Eine Publikumspersonengesellschaft ist ähnlich einer AG auf den Beitritt einer (unbestimmten) Vielzahl von Anlegern ausgerichtet. Selbst Gesellschaftsverträge, die sich unstreitig inhaltlich überholt haben und Grund für krisenhafte Zustände sind, könnten daher nicht geändert werden.139 Eine vernünftige Fortentwicklung der Gesellschaft wäre bei Geltung des Einstimmigkeitsprinzips unmöglich. Dies kann aber nicht hingenommen werden und auch nicht der hypothetische Wille eines vernünftigen Gründungsgesellschafters sein. Ferner spricht für diese ergänzende Auslegung des Gesellschaftsvertrags einer Publikumspersonengesellschaft, dass bei Publikumspersonengesellschaften das Mehrheitsprinzip dem Anlegerschutz dient.140 Das Mehrheitsprinzip ist nicht selten das effizienteste Mittel, den Anlagegesellschaftern die Möglichkeit zu eröffnen, auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, Beschlüsse zu fassen und damit notwendige Vertragsänderungen durchzusetzen.141 Die Anlagegesellschafter dürfen nicht Opfer einer unzureichenden Vorausplanung der Gründungsgesellschafter werden, die möglicherweise nicht die notwendige Voraussicht besessen haben, um das Mehrheitsprinzip einzuführen.142 Auch die KGaA (§ 278 AktG), bei der schon von Gesetzes wegen das Mehrheitsprinzip (§ 179 Abs. 2 AktG) gilt, zeigt, dass bei Publikumsgesellschaften das Mehrheitsprinzip am ehesten dem vernünftigen Willen der Gesellschafter gerecht wird.143 Festzuhalten ist daher, dass bei einer Publikumspersonengesellschaft grundsätzlich kraft ergänzender Auslegung (§ 157 BGB) von der Geltung des Mehrheitsprinzips auch ohne gesonderte Vereinbarung auszugehen ist. Eine Publikumspersonengesellschaft ist schon als solche vom Einstimmigkeitsprinzip (§§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) abgerückt, es gilt das Mehrheitsprinzip. Für Änderungen des Gesellschaftsvertrags ist gemäß § 179 Abs. 2 S. 1 AktG, der dem hypothetischen Willen eines vernünftigen Grün-
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Vgl. BGHZ 71, 53, 58; 85, 350, 358 f.; oben § 2 III. Vgl. BGHZ 71, 53, 58; BGH, NJW 1985, 972, 973. 140 So auch Hopt in Baumbach/Hopt Anh § 177a Rdnr. 69b; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 49; Staub/Schilling Anh § 161 Rdnr. 25; ausführlich zur Eignung des Mehrheitsbeschlusses als Instrument des Kapitalanlegerschutzes Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 104 ff.: Zum einen könnten die Kapitalanleger mit einem Mehrheitsbeschluss Lücken im Gesellschaftsvertrag ausfüllen und zum anderen könnte sie benachteiligende Regelungen abschaffen. 141 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 94; Staub/ders. § 119 Rdnr. 49. 142 So auch Brändel, in FS Stimpel, S. 95, 100; Stimpel, in FS Fischer, S. 771, 778. 143 A. A. Kort, DStR 1993, 438. 139
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1. Teil: Grundlagen
dungsgesellschafters am besten entspricht, aber eine qualifizierte 3/4-Mehrheit erforderlich.144 3. Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, wie angewachsenen Familiengesellschaften Auch bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, wie vor allem angewachsenen Familiengesellschaften, stellt sich angesichts der häufig sehr großen Mitgliederzahl ähnlich wie bei den Publikumspersonengesellschaften die bisher nicht behandelte Frage, ob man nicht auch ohne eine ausdrückliche Mehrheitsklausel in Abweichung vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip von der Geltung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen ausgehen sollte. Bei einer OHG, die von ursprünglich 3 Mitgliedern auf über 100 Gesellschafter anwächst, ist das Einstimmigkeitsprinzip für die Willensbildung zu schwerfällig. Vertragsanpassungen müssen hier auch ohne ausdrückliche vertragliche Grundlage durch Mehrheitsbeschluss möglich sein. Die Mehrheitsgesellschafter auf einen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder auf einen Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung zu verweisen wäre nicht sachgerecht.145 Methodisch kommt vielmehr eine Lösung über die ergänzende Auslegung des Gesellschaftsvertrags (§ 157 BGB) in Betracht. Voraussetzung einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung ist „eine planwidrige Unvollständigkeit“ des Gesellschaftsvertrags.146 Diese liegt bei der angewachsenen, körperschaftlich strukturierten Familiengesellschaft darin, dass der kleine Kreis der ursprünglichen Gründungsgesellschafter die Schwierigkeiten, die sich später bei notwendigen Vertragsänderungen unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip ergeben, nicht bedacht hat. Familiengesellschaften werden nicht selten von 3–4 Familienmitgliedern gegründet, deren Anteile im Wege der Erbfolge147 dann aber über die Jahre hinweg zersplittert werden. So wächst die Gesellschaft über die Jahre hinweg nicht selten auf über 100 Gesellschafter an. Bei einer so großen Gesellschafterzahl ist das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip, das die Zustimmung jedes Gesellschafters verlangt, nicht praktikabel. Es gilt das für die Publikumspersonengesellschaft, insbesondere zur Lähmung der gesellschaftsinternen Willens144 So im Ergebnis auch MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 112 a. E.; Hopt in Baumbach/Hopt Anh § 177a Rdnr. 69b a. E. 145 Zu diesen Instrumentarien für einen Schutz der Mehrheitsinteressen unten § 4 VI. 2. d) cc). 146 Siehe die Nachweise oben § 2 Fn. 132. 147 Zur Vererbung der Anteile an einem Familienunternehmen, das i. d. R. in der Rechtsform der GmbH & Co. KG betrieben wird, vgl. im Einzelnen von Rechenberg, GmbHR 2005, 386, 388 ff.
§ 2 Die Mehrheitsklausel, Voraussetzung für Mehrheitsbeschlüsse
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bildung Gesagte entsprechend. Demnach ist der Gesellschaftsvertrag bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, wenn er nicht ausdrücklich Mehrheitsentscheidungen vorsieht, (nachträglich) lückenhaft geworden. Grundlage für die danach notwendige Ergänzung des Vertragsinhalts ist der hypothetische Parteiwille.148 Es ist darauf abzustellen, welche Regelung die Gründungsgesellschafter bei angemessener Abwägung ihrer Interessen getroffen hätten, wenn sie die drohende Lähmung der gesellschaftsinternen Willensbildung, vorausgesehen hätten.149 Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass sie in diesem Fall das Mehrheitsprinzip vereinbart hätten. Bei körperschaftlich strukturierten Familiengesellschaften sind daher, auch wenn der Gesellschaftsvertrag schweigt, kraft ergänzender Vertragsauslegung (§ 157 BGB) Vertragsänderungsbeschlüsse mit qualifizierter 3/4 Mehrheit möglich (vgl. § 179 Abs. 2 AktG). 4. Zusammenfassung zur Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Mehrheitsbeschlüsse nur dann zulässig sind, wenn der Gesellschaftsvertrag das Mehrheitsprinzip in Abweichung vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) vorsieht. Hierfür ist grundsätzlich eine ausdrückliche Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag erforderlich. Diese ist aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich die Einführung des Mehrheitsprinzips aus der (ergänzenden) Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt. Dies ist bei Publikumspersonengesellschaften anzunehmen, bei denen Einstimmigkeit in der Praxis nicht zu erwarten wäre und bei denen daher für Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip (§ 179 Abs. 2 AktG) gilt. Auch bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften bedarf es aus ähnlichen Erwägungen heraus keiner Mehrheitsklausel.
148 149
Vgl. statt aller nur Hk-BGB/Dörner § 157 Rdnr. 4 m. w. N. Vgl. nur Erman/Armbrüster § 157 Rdnr. 21 m. w. N.
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1. Teil: Grundlagen
§ 3 Der Mehrheitsbeschluss, die konkrete Entscheidung im Einzelfall Eine Arbeit, die sich mit den Schranken von Mehrheitsbeschlüssen befasst, muss zuvor klären, was unter einem Mehrheitsbeschluss zu verstehen ist. Im Folgenden soll daher der Mehrheitsbeschluss definiert werden. Dabei ist auch kurz auf die streitige Frage einzugehen, welche Rechtsnatur Mehrheitsbeschlüsse haben (Vertrag, Gesamtakt oder Sozialakt, dazu nachfolgend I.). Erläutert werden soll aber auch das Erfordernis der Stimmenmehrheit (dazu II.). Anschließend soll dargelegt werden, welche Gegenstände einer Mehrheitsentscheidung zugänglich sind (dazu folgend III.). Dabei sollen die potentiellen Gegenstände von Mehrheitsbeschlüssen, Geschäftsführungsangelegenheiten, organisatorische Maßnahmen und Vertragsänderungen, voneinander abgegrenzt werden, weil auch der Bestimmtheitsgrundsatz insoweit unterscheidet1 und die Kernbereichslehre nur eine Schranke für vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse darstellt. Abschließend soll als Überleitung in den Hauptteil der Arbeit die besondere Problematik des Minderheitenschutzes bei den Personengesellschaften aufgezeigt werden (dazu folgend IV.).
I. Begriff und Rechtsnatur von Mehrheitsbeschlüssen Mehrheitsbeschlüsse sind alle Entscheidungen, die von den Gesellschaftern innerhalb oder außerhalb der Gesellschafterversammlung mit Mehrheit getroffen werden. Jeder Mehrheitsbeschluss stellt die Zusammenfassung mehrerer Willenserklärungen – der Stimmabgabe der einzelnen Mehrheitsgesellschafter – dar. Mehrheitsbeschlüsse können, da immerhin die Mehrheit für sie gestimmt hat, eine gewisse Richtigkeitsgewähr für sich in Anspruch nehmen.2 Der Mehrheitsbeschluss ist von der Mehrheitsklausel zu unterscheiden.3 Die Mehrheitsklausel ist die Legitimationsgrundlage des Mehrheitsbeschlusses, der Beschluss die konkrete Entscheidung im Einzelfall. Für die Rechtsnatur des Mehrheitsbeschlusses ist von maßgeblicher Bedeutung, dass die Gesellschafter anders als bei einem Vertragsschluss keine korrespondierenden, sondern gleichlautende, der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung dienende Willenserklärungen abgeben.4 Die Stimmabgabe erfolgt auch 1
Siehe dazu unten § 4 III. Zur Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsbeschlüssen vgl. BGHZ 76, 352, 353 für den Auflösungsbeschluss bei einer GmbH; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 4. (S. 460 f.); für das Recht der GmbH Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 55 m. w. N. Kritisch gegenüber der Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsbeschlüssen aber Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 276 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. c) aa) (S. 304 f.). 3 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 7. 2
§ 3 Der Mehrheitsbeschluss, die konkrete Entscheidung im Einzelfall
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nicht wie bei einem Vertrag gegenüber den anderen Gesellschaftern, sondern gegenüber dem Versammlungsleiter.5 Daher wird der Beschluss zu Recht nicht als Vertrag, sondern als ein mehrseitiges Rechtsgeschäft sui generis (Gesamtakt) behandelt.6 Beschlüsse binden grundsätzlich auch Minderheiten, die dagegen gestimmt oder sich enthalten haben.7 Auch die hier vor allem interessierenden Gesellschafterbeschlüsse, die eine Änderung des Gesellschaftsvertrags zum Gegenstand haben, sind Rechtsgeschäfte eigener Art und nicht als Abänderungsverträge i. S. von § 311 Abs. 1 BGB zu qualifizieren.8 Das Argument, Beschlüsse, die den Gesellschaftsvertrag ändern, hätten Vertragsqualität, weil sich die Gesellschafter hier als Ergebnis gemeinsamen Aushandelns auf einen geänderten Vertragsinhalt einigen, überzeugt nicht. Wesensmerkmal eines Beschlusses ist es gerade, dass er grundsätzlich auch Personen bindet, die ihm nicht zugestimmt haben, die sich also der Stimme enthalten oder dagegen gestimmt haben.9 Letztlich tragen nur die Stimmen des oder der Mehrheitsgesellschafter den Mehrheitsbeschluss, auch wenn 4 Vgl. Larenz/Wolf, BGB-AT, § 23 Rdnr. 19; Medicus, BGB-AT, Rdnr. 205. Alle Gesellschafter erklären also z. B. „Ich stimme dem Grundstückskauf zu.“ Der Beschluss ist die Zusammenfassung dieser Erklärungen. Bei einem Kaufvertragsabschluss dagegen erklärt der Käufer „Ich will kaufen.“ und der Verkäufer „Ich will verkaufen.“ 5 Vgl. für das Vereinsrecht Larenz/Wolf, BGB-AT, § 10 Rdnr. 64, § 23 Rdnr. 19. 6 So im Grundsatz die h. A., vgl. etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 9 f.; ders., Mehrheitsbeschlüsse, S. 3; Palandt/H. Heinrichs Überbl v § 104 Rdnr. 12; Ihring, Mehrheitsbeschlüsse, S. 18, 20, 23; Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 76; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I. 2. a) (S. 436); Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 7; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 7 f.; Winnefeld, DB 1972, 1053, 1056. A. A. aber H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 484 a. E., der davon ausgeht, dass auch Gesellschafterbeschlüsse, die nicht den Gesellschaftsvertrag ändern, zumindest vertragsähnlich sind; ferner RGZ 122, 367, 369, wo noch davon die Rede ist, dass Beschlüsse keine Rechtsgeschäfte sind. 7 Vgl. Soergel/Hadding § 709 Rdnr. 24; Palandt/H. Heinrichs Überbl v § 104 Rdnr. 12; für Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vgl. ferner BGH, NJW 1998, 3713, 3715. Anders nur nach §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB, die die Zustimmung aller Gesellschafter verlangen. Einstimmige Beschlüsse erfüllen zugleich auch die Voraussetzungen eines Abänderungsvertrags, vgl. oben § 2 I. 1. Missverständlich daher Soergel/Hadding a. a. O., der einstimmigen Beschlüssen nur dieselbe Wirkung wie Abänderungsverträgen attestiert. 8 Für die Qualifikation als Abänderungsvertrag aber BGH, NJW 1961, 724; Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 2; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 25; Koller in Koller/Roth/Morck § 119 Rdnr. 1; Palandt/Sprau Vorb v § 709 Rdnr. 11; Ulmer, in FS Niederländer, S. 415, 426 f.; Staub/ders. § 119 Rdnr. 8; H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 484: es gelten daher grundsätzlich die §§ 145 ff. BGB. Die Gesellschafter sollen sich bei vertragsändernden Beschlüssen vertraglich auf den neuen Vertragsinhalt einigen (so etwa Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2091 f.; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 8). Die Vertragsqualität entfalle auch nicht allein dadurch, dass die Gesellschafter bezüglich des in Frage stehenden Beschlussgegenstands eine Mehrheitsentscheidung vorgesehen haben. 9 Vgl. die Nachweise oben § 3 Fn. 7.
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1. Teil: Grundlagen
er eine Vertragsänderung zum Gegenstand hat. Verträge binden demgegenüber nur denjenigen, der zugestimmt hat (vgl. §§ 145 ff. BGB). Sie setzen eine Willensübereinstimmung voraus. Mehrheitsbeschlüsse, auch solche, die den Gesellschaftsvertrag ändern, haben daher keine Vertragsqualität.10 Bejahte man die Vertragsqualität von Vertragsänderungsbeschlüssen, müsste man konsequenterweise wohl auch gemäß § 311 Abs. 1 BGB Einstimmigkeit verlangen.11 Willenserklärung ist die Stimmabgabe der einzelnen Gesellschafter, weil sie darauf gerichtet ist, die Beschlusswirkung herbeizuführen.12 Auf die Stimmabgabe sind daher auch die Regeln über Rechtsgeschäfte (§§ 105, 116 ff. BGB) anzuwenden.13 Insbesondere kann die Stimmabgabe auch wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder wegen Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) anfechtbar sein,14 nicht aber der Beschluss selbst15.
II. Stimmenmehrheit Mehrheitsbeschlüsse müssen mit der in der Klausel festgelegten Mehrheit ergehen. Die Mehrheitsklausel kann eine einfache oder eine qualifizierte Mehrheit vorsehen. Für Änderungen des Gesellschaftsvertrags und sonstige weit reichende Beschlussgegenstände wird regelmäßig eine qualifizierte Mehrheit wie im Verbandsrecht16 vorgesehen. Zwingend ist dies jedoch nicht.17 Auch über Änderungen des Gesellschaftsvertrags kann, sofern die Mehrheitsklausel dies vorsieht, mit einfacher Mehrheit entschieden werden.18 Dies entspricht im We10 Gegen die Vertragsqualität von vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen auch Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 3; Soergel/Hadding § 709 Rdnr. 24; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 215; Ulmer, in FS Niederländer, S. 415, 429 f.; wohl auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 8 II. 4. b) (S. 699). Einstimmige Beschlüsse erfüllen dagegen zugleich auch die Voraussetzungen eines Abänderungsvertrags i. S. von § 311 Abs. 1 BGB. 11 Das vertritt aber nur eine Mindermeinung. Richtigerweise können Vertragsänderungen auch mit Mehrheit beschlossen werden, siehe dazu oben § 2 II. 12 H. A., siehe etwa RGZ 118, 67, 69; BGHZ 14, 264, 267; 48, 163, 173; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 7 m. w. N. in Fn. 16; ders., Mehrheitsbeschlüsse, S. 51; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 37; Hk-BGB/Saenger Vor §§ 709–713 Rdnr. 11; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 193; H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 483. 13 Hk-BGB/Saenger Vor §§ 709–713 Rdnr. 11. 14 BGHZ 14, 264, 267; OLG München, WM 1984, 260, 262; Hk-BGB/Saenger Vor §§ 709–713 Rdnr. 11; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 194. 15 RGZ 115, 378, 385 (für den Hauptversammlungsbeschluss einer AG); BGHZ 14, 264, 267; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I. 2. a) (S. 436). 16 Vgl. §§ 33 BGB, 53 Abs. 2 GmbHG, 179 Abs. 2 AktG, 16 Abs. 2 GenG. 17 So besonders deutlich Kort, DStR 1993, 401, 404; Harry Westermann, in FS Hengeler, S. 240, 247; a. A. aber wohl Wilhelm, Problematik der Massen-KG, S. 115, der in Anlehnung an § 179 Abs. 2 AktG fordert, dass der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit vorsehen muss.
§ 3 Der Mehrheitsbeschluss, die konkrete Entscheidung im Einzelfall
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sentlichen der Rechtslage im Verbandsrecht, wo gleichfalls für Satzungsänderungen durch privatautonome Vereinbarung vom Erfordernis der qualifizierten Mehrheit abgewichen werden kann.19 Auch im Verbandsrecht besteht kein übergeordnetes Prinzip, wonach für Satzungsänderungen eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist.20 Eine zwingende qualifizierte Mehrheit ist bei den Personengesellschaften nur bei Umwandlungsentscheidungen vorgesehen (vgl. §§ 43 Abs. 2 S. 2, 217 Abs. 1 S. 3 UmwG).21 Aber auch für Änderungen des Unternehmensgegenstands dürfte in analoger Anwendung der §§ 53 Abs. 2 GmbHG, 179 Abs. 1 und 2 AktG die 3/4 Mehrheit auch bei Personengesellschaften die zulässige Untergrenze bilden.22 Berechnet werden kann die Mehrheit nach der Zahl der Gesellschafter, nach Kapitalbeteiligung oder nach Gewinnbeteiligung.23 Das Gesetz geht dabei davon aus, dass im Zweifel die Zahl der Gesellschafter maßgeblich ist (vgl. §§ 709 Abs. 2 BGB, 119 Abs. 2 HGB: Berechnung nach Köpfen). Auch diese Bestimmungen sind aber abdingbar.24
18 Ganz h. A., siehe etwa Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 160 ff.; Fischer, LM Nr. 1 zu § 119 HGB; Kort, DStR 1993, 401, 404; U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 362 f.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 8; Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 153, 159 für die Publikumspersonengesellschaft; Harry Westermann, in FS Hengeler, S. 240, 247; so im Ergebnis auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 3. b) (S. 460); ders., ZHR 158 (1994), 205, 225, der zwar Bedenken gegen die Praxis äußert, dass bei den Personengesellschaften anders als im Verbandsrecht über Vertragsänderungen mit einfacher Mehrheit entschieden werden kann, diese Praxis aber gleichwohl akzeptiert, da bei Personengesellschaften der Bestimmtheitsgrundsatz gelte, wonach eine unzweideutige Mehrheitsermächtigung für Vertragsänderungen zu verlangen ist. 19 Vgl. für die AG den eindeutigen Wortlaut von § 179 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach nur für Änderungen des Unternehmensgegenstands zwingend eine qualifizierte Kapitalmehrheit erforderlich ist; MünchKomm z. AktG/Stein § 179 Rdnr. 88 ff.; a. A. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 16 II. 3. b) (S. 460) mit unzutreffendem Verweis auf § 23 Abs. 5 S. 1 AktG; siehe für das Vereinsrecht, bei dem sich die Möglichkeit einer Absenkung des Mehrheitserfordernisses aus § 40 BGB ergibt, nur Palandt/H. Heinrichs § 33 Rdnr. 2; Schwarz in Bamberger/Roth § 33 Rdnr. 5. Anders ist die Rechtslage im GmbH-Recht: Dort ist das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit zwingend, siehe KG, NJW 1959, 1446, 1447; Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rdnr. 13; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 78; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rdnr. 32. 20 Zutreffend Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 152. 21 Es handelt sich um Ausnahmevorschriften, denen kein allgemeines Rechtsprinzip entnommen werden kann, mit dem die 3/4 Mehrheit als zulässige Untergrenze für Vertrags- und Strukturänderungen begründet werden könnte, a. A. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 6 II. 2. b) (S. 542). 22 Zehetner, ecolex 1997, 358. 23 Vgl. MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 97. 24 Unstreitig, siehe die oben in § 2 Fn. 20 Genannten.
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1. Teil: Grundlagen
III. Mögliche Gegenstände von Mehrheitsentscheidungen Zulässig sind Mehrheitsentscheidungen grundsätzlich bei allen die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten. Sie sind vielfach auch schon bei einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung im Gesetz vorgesehen: bei der GbR z. B. für alle Maßnahmen gemeinschaftlicher Geschäftsführung (§ 709 BGB), für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis (§ 712 Abs. 1 BGB) und für die Entziehung der Vertretungsbefugnis (§ 715 i. V. m. § 712 BGB), bei der OHG und der KG z. B. für alle Maßnahmen außergewöhnlicher Geschäftsführung (§ 116 Abs. 2 HGB) und nach § 113 Abs. 2 HGB für die Geltendmachung des Eintrittsrechts nach § 113 Abs. 1 HGB (jeweils i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB für die KG). Gegenstand eines Mehrheitsbeschlusses der Personengesellschafter können sowohl Geschäftsführungsangelegenheiten (dazu nachfolgend 1.) als auch rein organisatorische Maßnahmen, die nicht Geschäftsführungsmaßnahme, sondern Grundlagengeschäft sind (dazu folgend 2.), als auch Änderungen des Gesellschaftsvertrags sein (dazu folgend 3.).25 1. Geschäftsführungsangelegenheiten Gesetzlich vorgesehen sind Gesellschafterbeschlüsse vor allem für Maßnahmen der gemeinschaftlichen Geschäftsführung (§ 709 BGB). Was Geschäftsführung ist, wird aber gesetzlich nicht definiert. Überwiegend werden Maßnahmen der Geschäftsführung negativ abgegrenzt. Geschäftsführungsmaßnahmen sind danach solche Maßnahmen tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art, die vom Gesellschaftszweck gedeckt sind und die nicht die Grundlagen der Gesellschaft betreffen.26 Ein Beschluss betrifft insbesondere dann die Grundlagen der Gesellschaft, wenn er den Gesellschaftsvertrag ändert.27 Keine Geschäftsführungsangelegenheit betreffen also u. a. Beschlüsse über die Aufnahme eines neuen Gesellschafters, über die Erhöhung der Beiträge oder über die Änderung des Gesellschaftszwecks.28 Zu den Grundlagenge25 Die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse wurde oben § 2 II. bereits bejaht. 26 Ganz h. A., siehe etwa Staudinger/Habermeier § 709 Rdnr. 1; Hk-BGB/Saenger Vor §§ 709–713 Rdnr. 2; Sauter, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 25 f.; Schulze-Osterloh, in FS Hadding, S. 637, 639; Palandt/Sprau Vorb v § 709 Rdnr. 1; Jauernig/Stürner § 709 Rdnr. 6; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 7. 27 Hk-BGB/Saenger Vor §§ 709–713 Rdnr. 6; Sauter, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 26; vgl. auch Schulze-Osterloh, in FS Hadding, S. 637, 639: Änderungen des Gesellschaftsvertrags sind selbstverständlich keine Geschäftsführungsmaßnahmen.
§ 3 Der Mehrheitsbeschluss, die konkrete Entscheidung im Einzelfall
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schäften werden aber auch alle weiteren Beschlüsse gerechnet, die – ohne den Gesellschaftsvertrag zu ändern – das Gesellschaftsverhältnis und seine Gestaltung betreffen. Es handelt sich um die organisatorischen Maßnahmen, die sogleich nachfolgend behandelt werden. Positiv umfasst die Geschäftsführung nach der oben angegebenen Definition bei unternehmerisch tätigen Personengesellschaften vor allem die Leitung der Produktion und der kaufmännischen Organisation, die Vermarktung, die Führung der Bücher und den Abschluss von Rechtsgeschäften, wie insbesondere die Anstellung neuer Mitarbeiter oder den Abschluss von Kaufverträgen.29 2. Organisatorische Maßnahmen Zulässig sind Gesellschafterbeschlüsse auch bei rein organisatorischen Maßnahmen. Die hier einzuordnenden Beschlüsse haben weder eine Geschäftsführungsangelegenheit noch eine Vertragsänderung zum Gegenstand.30 Sie unterscheiden sich von Geschäftsführungsangelegenheiten dadurch, dass sie nicht das Handeln der Gesellschafter zur Förderung des gemeinsamen Zwecks betreffen, sondern sich auf die Organisation der Gesellschaft sowie auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander beziehen.31 Es handelt sich um Grundlagengeschäfte, die keine Änderung des Gesellschaftsvertrags zum Inhalt haben.32 Im Einzelnen fallen hierunter Beschlüsse über die Bilanzfeststellung und Gewinnverwendung, über die Entlastung der Geschäftsführer, über die Geltendmachung des Auskunftsrechts (§ 713 i. V. m. § 666 BGB), über die Durchführung von Wahlen und über die Einforderung von Beiträgen sowie schließlich die Entscheidung über außergewöhnliche, nicht von der Geschäftsführungsbefugnis gedeckte Geschäfte.33
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Vgl. Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 11 a. E. („Grundlagengeschäfte“). Vgl. U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 359; Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 18; Schulte, Schrankenproblematik, S. 14. 30 Röttger, Kernbereichslehre, S. 81; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 55. 31 Siehe nur MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 55, der nicht vom Handeln der Gesellschafter, sondern vom „Handeln der Gesamthand“ spricht (Gesamthandstheorie). 32 Vgl. MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 55. 33 Vgl. etwa Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 31 a. E.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 55; Staub/ders. § 119 Rdnr. 14; a. A. aber K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. b) (S. 454), der in den aufgeführten Beschlussgegenständen z. T. auch Gegenstände der Geschäftsführung sieht, wie insbesondere in der Bilanzfeststellung. 29
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1. Teil: Grundlagen
3. Änderungen des Gesellschaftsvertrags Ein Beschluss ändert den Gesellschaftsvertrag, wenn ein „echter“ Bestandteil des Gesellschaftsvertrags aufgehoben oder abgeändert wird.34 Als echte Bestandteile des Gesellschaftsvertrags werden angesehen35: – die notwendigen Vertragsbestandteile („essentialia negotii“), die sich für die GbR aus § 705 BGB, für die OHG aus § 105 Abs. 1 HGB und für die KG aus § 161 Abs. 1 HGB ergeben, – die nicht notwendigen Vertragsbestandteile („accidentalia negotii“), soweit sie nach dem Willen der Gesellschafter vertragsmäßig garantiert sein sollen – und schließlich die dispositiven Regeln der §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB und 161 ff. HGB. Bezieht sich ein Beschluss auf einen notwendigen Bestandteil des Gesellschaftsvertrags, so hat dieser Beschluss immer vertragsändernden Charakter. Notwendige Bestandteile des Gesellschaftsvertrags sind diejenigen, die den Personenzusammenschluss erst zu einer Personengesellschaft machen,36 bei einer GbR also gemäß § 705 BGB die Festlegung des gemeinsamen Zwecks und die Pflicht der Gesellschafter, den gemeinsamen Zweck zu fördern. Bei der OHG ist zusätzlich die Ausrichtung des Zwecks der Gesellschaft auf den Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 105 Abs. 1 HGB) notwendiger Vertragsbestandteil oder die Ausrichtung der Gesellschaft darauf, eigenes Vermögen zu verwalten (§ 105 Abs. 2 HGB n. F.). Bei einer KG ist zusätzlich zu den Genannten notwendiger Vertragsinhalt, dass die Haftung der Kommanditisten auf eine bestimmte Einlage beschränkt ist (§ 161 Abs. 1 HGB). Ändert der Beschluss dagegen nicht notwendige Bestandteile des Gesellschaftsvertrags („accidentalia negotii“), wie z. B. Regelungen über die Geschäftsführung und Vertretung, über Rechnungslegung und Gewinnverteilung, über Vertragsdauer und Vertragsänderungen und über Gesellschafterwechsel und Abfindungsansprüche,37 oder hebt er sie auf, so kommt es auf den Willen der Gesellschafter an.38 Denn nicht jede Änderung eines im Gesellschaftsvertrag aufgenommenen Gegenstands ist gleichzeitig auch eine „echte“ Änderung des 34 Vgl. die Begrifflichkeit in BGHZ 18, 205, 207. Zwischen echten und unechten Satzungsänderungen wird auch im Aktien- sowie im GmbH-Recht unterschieden, vgl. für das Aktienrecht nur MünchKomm z. AktG/Stein § 179 Rdnr. 22 ff.; für das GmbH-Recht nur Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rdnr. 10a ff. 35 Vgl. Menk, Verhältnis Bestimmtheitsgrundsatz zur Kernbereichslehre, S. 6 f.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 9 f. Siehe aber auch U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 359 f., der als „echten“ Vertragsbestandteil nur die geborenen und gekorenen Satzungsbestandteile ansieht. 36 Vgl. nur MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 128. 37 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 130. 38 Vgl. Schulte, Schrankenproblematik, S. 17.
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Gesellschaftsvertrags.39 In den Gesellschaftsvertrag werden häufig auch Bestimmungen eingefügt, die nicht das gesellschaftsrechtliche Verhältnis der Gesellschafter zueinander oder zur Gesellschaft betreffen und überhaupt nicht im Gesellschaftsvertrag enthalten zu sein brauchen, um rechtliche Wirkung zu entfalten,40 wie etwa rein schuldrechtliche Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander.41 Solche Bestimmungen werden, wie Ulmer formuliert,42 im Gesellschaftsvertrag lediglich „verlautbart“. Sie sind kein „echter“ Bestandteil des Gesellschaftsvertrags. Die im Vertrag nur „verlautbarten“ Regelungen haben keinen gesellschaftsvertraglichen Charakter im materiellen Sinne. Für die Frage, ob die anderen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommenen nicht notwendigen Vertragsbestandteile (s. o.) die Voraussetzungen eines „echten“ Vertragsbestandteils erfüllen, ist letztlich maßgebend, welche Bedeutung die Gesellschafter der betreffenden Klausel beigemessen haben.43 Die Klausel ist nur dann „echter“ Vertragsbestandteil, wenn die Gesellschafter die Regelung vertragsmäßig garantieren wollten.44 Denn ein „echter“ Vertragsbestandteil kann grundsätzlich nur durch einstimmigen Abänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) bzw. Beschluss angetastet werden. Mehrheitsbeschlüsse sind nach dem Bestimmtheitsgrundsatz nur insoweit zulässig, wie der Mehrheitsbeschluss in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen und der Beschlussgegenstand hinreichend konkretisiert ist. So kann – um zwei Beispiele aus der Praxis zu nennen – auch die Höhe des Arbeitslohnes eines Kommanditisten vertragsmäßig garantiert sein oder die personelle Besetzung eines Beirats zu einem echten Vertragsbestandteil erhoben werden.45 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es bei Beschlüssen, die nicht notwendige Bestandteile des Gesellschaftsvertrags („accidentalia negotii“) betreffen, auf die Auslegungsfrage ankommt, inwiefern die Gesellschafter der Regelung
39 BGH, WM 1970, 246, 247; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rdnr. 2, die aber – ohne Abweichung in der Sache – nicht zwischen „echten“ und „unechten“ Vertragsbestandteilen, sondern zwischen formellen und materiellen Vertragsbestandteilen unterscheiden; Schulte, Schrankenproblematik, S. 17; Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, § 53 Rdnr. 9; Winkler, DNotZ 1969, 394. 40 Dies betont auch Schulte, Schrankenproblematik, S. 17. 41 Vgl. zu den im Gesellschaftsvertrag womöglich enthaltenen rein schuldrechtlichen Vereinbarungen Winkler, DNotZ 1969, 394, 401; für das GmbH-Recht auch Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rdnr. 5. 42 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 53 Rdnr. 9. 43 U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 360; Schulte, Schrankenproblematik, S. 17; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 9. 44 Menk, Verhältnis Bestimmtheitsgrundsatz zur Kernbereichslehre, S. 8; ähnlich Schulte, Schrankenproblematik, S. 17. 45 U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 360; vgl. aber auch BGH, WM 1970, 246, 247 f.
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1. Teil: Grundlagen
maßgebliche Bedeutung beigemessen haben, so dass sie als „echter“ Vertragsbestandteil „garantiert“ werden sollte. Die letzte Kategorie betrifft Beschlüsse, die die bislang geltenden dispositiven Vorschriften der §§ 705 ff. BGB bzw. 105 ff. HGB bzw. §§ 161 ff. HGB abbedingen und eine abweichende Regelung in den Gesellschaftsvertrag einführen. Es wird mit dem Beschluss eine weitere nicht notwendige Vertragsbestimmung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen, die wiederum „echter“ Vertragsbestandteil ist, soweit sie nach dem Willen der Gesellschafter maßgebliche Bedeutung hat.
IV. Notwendigkeit eines Schutzes der Minderheit insbesondere vor vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen Wie in der Einführung bereits angeklungen ist, werfen Mehrheitsentscheidungen das grundsätzliche Problem auf, wie überstimmte Gesellschafter vor Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen bewahrt werden können. In besonderem Maße stellt sich dieses Problem, wenn sich feste Mehrheitsstrukturen gebildet haben, also dann, wenn entweder ein Gesellschafter oder eine Gruppe von Gesellschaftern die Gesellschafterversammlungen beherrscht.46 Solche festen Mehrheitsstrukturen können sich dadurch bilden, dass ein einzelner Gesellschafter, wenn nach Kapitalanteilen abgestimmt wird, eine Mehrheitsbeteiligung erwirbt oder wenn sich einzelne Gesellschafter untereinander zur Stimmbindung verpflichten.47 Bei einer solchen Konstellation sind die Gesellschafterbeschlüsse faktisch einseitige Anordnungen der Mehrheit.48 Es ist nur eine formelle Beteiligung der Minderheitsgesellschafter an den im Grunde sinnlosen49 Abstimmungen gesichert. Die Minderheit kann lediglich mit abstimmen. Eine Beeinflus46
Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 I. 1. (S. 406). Solche Stimmbindungsverträge sind grundsätzlich zulässig, vgl. etwa BGHZ 48, 163, 167 f.; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 35 ff.; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 38; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 21; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 87 (S. 38); Palandt/Sprau Vorb v § 709 Rdnr. 14; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 60, § 717 Rdnr. 20 ff.; Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 21. Durch den Stimmbindungsvertrag verpflichtet sich der Gesellschafter, von seinem Stimmrecht in einem bestimmten Sinne Gebrauch zu machen. Stimmbindungsverträge sind vor allem verbreitet, um den Einfluss einer bestimmten Gesellschaftergruppe, wie z. B. einer Familie zu erhalten. Allerdings darf der Stimmbindungsvertrag nicht den Kernbereich der Mitgliedschaft entwerten (so zutreffend MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 37; Timm/Schöne in Bamberger/ Roth § 709 Rdnr. 46). 48 Dies betonen auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 40; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 1. (S. 406), Bd. 2, § 4 I. 3. c) aa) (S. 305). 49 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 I. 1. (S. 406). 47
§ 3 Der Mehrheitsbeschluss, die konkrete Entscheidung im Einzelfall
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sung des Abstimmungsergebnisses ist der Minderheit dagegen nur möglich, wenn sie die Mehrheitsgesellschafter überzeugt. Die Mehrheitsgesellschafter können sich aber einfach den Argumenten der Minderheit verschließen. Es ist daher evident, dass einem Machtmissbrauch der Mehrheit in einem solchen Fall vorgebeugt werden muss. Verhindert werden muss, dass die feste Mehrheit einseitig zu Lasten der Minderheit die innere Struktur der Gesellschaft ändert und die mitgliedschaftlichen Rechte der Minderheitsgesellschafter entwertet. Besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang weit reichende Änderungen des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, wie z. B. die Ausschließung einzelner Gesellschafter, die Änderung des Gesellschaftszwecks oder des Unternehmensgegenstands, der Ausschluss jeglicher Abfindung, die Verkürzung des Gewinnentnahmerechts durch Bildung nicht notwendiger Rücklagen oder Beitragserhöhungen.50 Als Korrelat der Entscheidungsgewalt der Gesellschaftermehrheit, der sich der einzelne Gesellschafter unterwirft, wenn er der Personengesellschaft beitritt, müssen also Begrenzungen der Mehrheitsmacht aufgestellt werden. Dies ist mit Wiedemann51 als eine „rechtsethisch notwendige Ergänzung des Mehrheitsprinzips“ zu bezeichnen.52 In jedem Fall bringt das Mehrheitsprinzip nämlich die Gefahr, überstimmt zu werden, mit sich und zudem stellt sich das Problem des Minderheitenschutzes in besonderem Maße bei den Personengesellschaften, weil die für die Personengesellschaften geltenden Gesetze für diese Situation keine ausdrücklichen Schutzvorschriften enthalten.53 Wenn gesellschaftsvertraglich das Mehrheitsprinzip vereinbart wurde, ist der Gesellschafter bei einer Personengesellschaft gesetzlich schlechter geschützt als der Kleinaktionär bei einer großen AG.54 Dies liegt daran, dass der Gesetzgeber sich mit der Regelung des Einstimmigkeitsprinzips begnügt hatte (§§ 311 Abs 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB).55 Nach diesem gesetzlichen Leitbild werden Beschlüsse von sämtlichen zur Beschlussfassung berufenen Gesellschaftern einstimmig gefasst.56 Für den Gesetzgeber stellte sich daher das Problem eines Schutzes der Minderheit vor Mehrheitsbeschlüssen, insbesondere solchen, die den Gesellschaftsvertrag ändern, nicht. Rechtsprechung und Rechtswissenschaft waren und sind 50
Vgl. Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 40. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 1. (S. 405), Bd. 2, § 4 I. 3. c) aa) (S. 304 f.). 52 Zum Minderheitenschutz als rechtsethisches Prinzip vgl. auch Wiedemann, ZGR 1980, 149, 155 ff. für das Recht der Kapitalgesellschaften. 53 Vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 14. 54 Fischer, ZHR 130 (1968), 359, 366; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 14. 55 von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 123; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 14. 56 Vgl. im Einzelnen oben § 2 I. 1. 51
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1. Teil: Grundlagen
somit weitestgehend auf sich gestellt. Sie haben die folgenden ungeschriebenen, zu weiten Teilen auf Richterrecht beruhenden Schranken der Mehrheitsmacht entwickelt, um den erforderlichen Minderheitenschutz bei den Personengesellschaften sicherzustellen. Diese Schranken der Mehrheitsmacht sollen im nun folgenden Hauptteil der Arbeit im Einzelnen untersucht werden.
2. Teil
Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen § 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen Als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen soll zunächst der sog. Bestimmtheitsgrundsatz untersucht werden. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist eine formelle Schranke für Mehrheitsentscheidungen. Er setzt bei der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel an und reduziert ihren Geltungsbereich. Die Reichweite der Mehrheitsklausel wird auf solche Beschlussgegenstände begrenzt, die unzweifelhaft von der Mehrheitsklausel erfasst sind.1 Auf diese Weise entzieht der Bestimmtheitsgrundsatz der Mehrheit bei einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel, die lediglich festlegt, dass Beschlüsse mit Stimmenmehrheit gefasst werden, die Entscheidungszuständigkeit für jegliche Art von Grundlagengeschäften, wie vor allem Vertragsänderungen. Es gilt für diese von der Mehrheitsklausel nicht erfassten Beschlussgegenstände das den Einzelnen schützende Einstimmigkeitsprinzip.2 Bloßen Mehrheitsentscheidungen fehlt insoweit die Kompetenzgrundlage. Beim Bestimmtheitsgrundsatz steht also die formelle Legitimation der jeweiligen Mehrheitsentscheidung in Rede (Kompetenzkontrolle).
I. Problemorientierte Vorgehensweise Das eigene Gesamtkonzept zum Bestimmtheitsgrundsatz soll im Folgenden Schritt für Schritt anhand der einzelnen Streitpunkte entwickelt werden. Dazu bietet sich die folgende Untergliederung an: Zunächst soll die Entstehung und Entwicklung des Bestimmtheitsgrundsatzes anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung skizziert werden (dazu II.). Anschließend sollen die inhaltlichen Anforderungen, die der Bestimmtheitsgrundsatz an die gesellschaftsvertragliche Einführung des Mehrheitsprinzips stellt, konkretisiert werden (dazu III.). Drittens soll zur Frage der dogmatischen Herleitung des Bestimmtheitsgrundsatzes Stellung genommen werden (dazu IV.): 1 Siehe zu den Bestimmtheitsanforderungen an eine Mehrheitsklausel im Einzelnen unten § 4 III. 2 Siehe zum Einstimmigkeitsprinzip oben § 2 I. 1.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Lässt sich dem rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt der Mehrheitsklausel eine antizipierte Zustimmung der Minderheit oder aber die Einräumung von Gestaltungsmacht entnehmen? Lässt sich damit begründen, warum die Mehrheitsklausel im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes restriktiv auszulegen ist? Danach soll die Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes geklärt werden (dazu V.). In diesem Kontext ist auf folgende Fragen einzugehen: Inwieweit kann der Bestimmtheitsgrundsatz der Minderheit Schutz gegenüber vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen gewähren (dazu V. 2.)? Ist der Bestimmtheitsgrundsatz eine unverzichtbare, bindende Formalregel des Minderheitenschutzes, mit der die Rechtsprechung eine (verdeckte) inhaltliche Beschlusskontrolle vornimmt, oder aber eine spezielle Auslegungsregel für die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel (dazu V. 1.)? Untersucht werden soll in diesem Abschnitt aber auch, ob der Bestimmtheitsgrundsatz ein Katalogprinzip ist (dazu V. 3.). Verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz wirklich, dass der Gesellschaftsvertrag eine abschließende Liste von Beschlussgegenständen enthält, die Mehrheitsbeschlüssen zugänglich sein sollen? Mit diesem entwickelten Verständnis vom Bestimmtheitsgrundsatz soll zur heute sehr streitigen Frage Stellung genommen werden, ob der Bestimmtheitsgrundsatz in seiner bisherigen Form beizubehalten oder aber zugunsten einer Beschlusskontrolle anhand anderer Kriterien aufzugeben ist oder aber zumindest in seinem Anwendungsbereich einzuschränken ist (dazu VI.). Hierzu ist es auch erforderlich auf die Alternativkonzepte der Kritiker des Bestimmtheitsgrundsatzes einzugehen (dazu VI. 1.). Die Auseinandersetzung mit der Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz erfordert des Weiteren auch ein Eingehen auf die Reaktion der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die den Bestimmtheitsgrundsatz für Publikumspersonengesellschaften aufgegeben hat (dazu VII. 1.). Fraglich ist, ob diese höchstrichterliche Rechtsprechung auf körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften zu übertragen ist (dazu VII. 2.) und wo dann überhaupt noch der Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes liegt. Anschließend soll diskutiert werden, ob auf den Bestimmtheitsgrundsatz verzichtet werden kann (dazu VIII.). Endlich soll das eigene Gesamtkonzept zum Bestimmtheitsgrundsatz zusammengefasst werden (dazu IX.).
II. Entstehung und Entwicklung des Bestimmtheitsgrundsatzes Seine Wurzeln hat der Bestimmtheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des RG. Schon das RG legte Mehrheitsklauseln bei Personengesellschaftsverträgen eng aus und entzog damit u. U. der Mehrheit die erforderliche gesellschaftsvertragliche Ermächtigung. Sie wendete bei der Bestimmung der Reichweite einer Mehrheitsklausel damit im Ergebnis den sog. Bestimmtheitsgrundsatz an.3 Aus-
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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gangspunkt dieser reichsgerichtlichen Rechtsprechung waren Fälle zu mehrheitlich beschlossenen Beitragserhöhungen.4 In einem dieser Fälle, in dem es um die Erhöhung einer Beitragspflicht durch Mehrheitsbeschluss ging und die Gesellschafter nichts weiter getan hatten, als dass sie vertraglich Mehrheitsbeschlüsse über Abänderungen des Gesellschaftsvertrags zugelassen hatten, entschied das RG, dass das nicht ausreiche.5 Es hätte auch der Abbedingung der angeführten Gesetzesvorschrift (§ 707 BGB) bedurft, weil die Frage der Beitragspflichten, wie sich aus dieser Bestimmung ergebe, eine Sonderstellung einnehme.6 Die allgemein gehaltene Mehrheitsklausel könne daher nur auf die sonstigen im Gesellschaftsvertrag behandelten Gegenstände, „wie die Organisation der Gesellschaft, die Inventur und die Aufnahme neuer und die Ausschließung alter Mitglieder bezogen werden.“7 Diese Rechtsprechung des RG zum Bestimmtheitsgrundsatz wurde vom BGH übernommen und in der Folgezeit weiter verfeinert.8 Der BGH formulierte den Bestimmtheitsgrundsatz wie folgt: Aus dem Gesellschaftsvertrag muss sich unzweideutig ergeben, dass die Zulässigkeit des Mehrheitsbeschlusses auch gerade für die im jeweiligen Einzelfall in Betracht kommende Maßregel gelten soll.9 Denn: „Dieser Rechtsprechung (gemeint ist die zuvor dargestellte Rechtsprechung des RG) liegt der zutreffende Gesichtspunkt zugrunde, dass eine unbeschränkte Unterwerfung der Minderheit unter den Willen der Mehrheit, soweit sie sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten (§ 138 BGB) hält, einer besonders sorgfältigen Prüfung bedarf, ob auch wirklich der erklärte Wille der Gesellschafter bei der Vielgestaltigkeit und der weit tragenden Bedeutung der in Betracht kommenden Beschlussgegenstände jeden dieser Gegenstände erfasst hat.“10 Um den Gefahren eines schrankenlosen Mehrheitsprinzips zu begegnen, sei es besser, Mehrheitsentscheidungen durch die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes überhaupt unmöglich zu machen, als sie unbegrenzt zuzulassen.11 Schließlich seien bei Personengesellschaften die Gefahren für die Minderheit bei einem Missbrauch größer als bei Kapitalgesellschaften. 12 Missbräuchliche 3 RGZ 91, 166, 168; 114, 393, 395; 151, 321, 327; 163, 385, 391. Freilich ohne vom „Bestimmtheitsgrundsatz“ zu sprechen. Der Begriff Bestimmtheitsgrundsatz geht zurück auf Harry Westermann, Hdb. der Personengesellschaften, Bd. 1, Stand 1971, Rdnr. 274, vgl. bereits oben § 1 I. m. N. 4 RGZ 91, 166, 168; 151, 321, 327; 163, 385, 391. 5 RGZ 91, 166, 168. 6 RGZ 91, 166, 168. 7 RGZ 91, 166, 168. 8 Siehe BGHZ 8, 35, 41; 48, 251, 253; BGH, WM 1973, 100, 101 f.; NJW-RR 1987, 285. 9 BGHZ 8, 35, 41 f. 10 BGHZ 8, 35, 41. 11 BGHZ 71, 53, 57. 12 Vgl. BGHZ 71, 53, 57.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Eingriffe drohten hier typischerweise nicht nur der Vermögensbeteiligung, sondern auch dem persönlichen Lebensbereich des Gesellschafters, soweit er mit seiner Beteiligung an der Geschäftsführung gleichzeitig seinen Beruf ausübe.13 Auch im Schrifttum war der Bestimmtheitsgrundsatz bis Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts fast allgemein anerkannt.14 Ihm wurde für das Recht der Personengesellschaften „fundamentale Bedeutung“ zugesprochen.15 Mit der Zeit entwickelte die Kautelarjurisprudenz jedoch umfangreiche Kataloge von Beschlussgegenständen, die Mehrheitsbeschlüssen zugänglich sein sollten. Der Bestimmtheitsgrundsatz hat dadurch an Bedeutung verloren: Er kann die ihm ursprünglich zugedachte Funktion eines effektiven Minderheitenschutzes nicht oder kaum noch erfüllen. Nach Ansicht der Kritiker des Bestimmtheitsgrundsatzes hat die Kautelarjurisprudenz den Bestimmtheitsgrundsatz gar ausgehebelt. Zudem setzte sich in der Literatur zusehends die Einsicht durch, aufgrund der Auflistung aller nur denkbaren Beschlussgegenstände in der Mehrheitsklausel habe der Bestimmtheitsgrundsatz seine ursprüngliche Warnfunktion für die Minderheit verloren. Seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts steht der Bestimmtheitsgrundsatz daher im Kreuzfeuer der literarischen Kritik.16 Auch in jüngster Zeit ist diese Kritik nicht verstummt, sondern eher noch stärker geworden. Infolge dieser Kritik im Schrifttum hat der BGH im Jahre 1978 den Bestimmtheitsgrundsatz für Publikumspersonengesellschaften ganz aufgegeben.17 In mittlerweile ständiger Rechtsprechung18 geht er davon aus, dass die Verhältnisse bei Publikumspersonengesellschaften anders liegen: Die Notwendigkeit, den Gesellschaftsvertrag durch Mehrheitsbeschluss ändern zu können, sei hier offensichtlich.19 Eine einstimmige Beschlussfassung ließe sich bei der großen Anzahl von Kommanditisten praktisch nicht erreichen.20 Mit dem Ein13 BGHZ 71, 53, 57; die erhöhte Schutzbedürftigkeit des Minderheitsgesellschafters bei einer Personengesellschaft betonen aus diesem Grund auch von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 123; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 714; Marburger, NJW 1984, 2252, 2253; Picot, BB 1993, 13, 15; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 14. 14 Siehe aus dem damaligen Schrifttum etwa Coing, ZGR 1978, 659, 673; Immenga, ZGR 1974, 385, 418 ff.; Kraft, in FS Fischer, S. 321, 326 ff.; U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 371 ff.; Schulte, Schrankenproblematik, S. 164, wonach bei der Einführung von Mehrheitskompetenzen unbestritten der durch eine „Steigerungstrias“ geprägte Bestimmtheitsgrundsatz gilt; Spengler, in FS Möhring, S. 165, 174 f.; Harry Westermann, in FS Hengeler, S. 240, 247, 248, der den Bestimmtheitsgrundsatz als „allgemein anerkannt“ bezeichnet; siehe aber auch die weiteren Schrifttumsnachweise bei Leenen, in zweite FS Larenz, Fn. 17. 15 Formulierung von Martens, DB 1973, 413, 414. 16 Siehe die Nachweise oben § 1 Fn. 8. 17 BGHZ 71, 53; vgl. Koch, NJW 1986, 1651, 1654 f. m. w. N. 18 BGH, NJW 1991, 691, 692; vgl. auch BGH, NJW 1985, 972, 973. 19 BGHZ 71, 53, 58.
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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stimmigkeitsprinzip wären nicht einmal Änderungen durchzubringen, die zweifelsfrei im Interesse aller Gesellschafter lägen.21 Daher führe die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes hier zu einer Lähmung der Gesellschaft: Eine vernünftige Fortentwicklung der Gesellschaft wäre unmöglich. Nicht einmal an krisenhaften Zuständen ließe sich etwas ändern.22 Für gesetzestypische Personengesellschaften hat der BGH den Bestimmtheitsgrundsatz dagegen bislang nicht aufgegeben.23 In der Entscheidung vom 10. 10. 199424 hat der BGH aufgrund der starken Kritik im Schrifttum insoweit aber Zweifel am Bestimmtheitsgrundsatz erkennen lassen. Er hat die Frage offen gelassen, ob angesichts dieser Kritik noch am Bestimmtheitsgrundsatz festzuhalten ist oder ob er aufzugeben ist oder zumindest in seinem Anwendungsbereich einzuschränken ist.25 Die sich nach dem Sachverhalt eigentlich ergebende Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Mehrheitsermächtigung wurde dabei vom BGH bewusst offen gelassen. Auch in der Entscheidung vom 29. 03. 199626 ist der BGH ähnlich verfahren: Er hat eine Auseinandersetzung mit der Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz vermieden und seine Urteilsfindung gleichermaßen auf den Bestimmtheitsgrundsatz wie auf die Kernbereichslehre gestützt.27 Unklar ist damit, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung bei gesetzestypischen Personengesellschaften Mehrheitsklauseln auch in Zukunft an dem Bestimmtheitsgrundsatz messen will.
III. Die Bestimmtheitsanforderungen an eine Mehrheitsklausel nach dem Bestimmtheitsgrundsatz Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz sind Mehrheitsklauseln bei Gesellschaftsverträgen deshalb restriktiv auszulegen, weil nicht angenommen werden kann, dass sich die Minderheit allgemein der Gefahr einer Majorisierung aussetzen will. Je größer die von dem Mehrheitsbeschluss ausgehenden Gefahren nach der Art des Beschlussgegenstandes sind, desto weniger kann angenommen werden, dass sich die Minderheitsgesellschafter auch insoweit Mehrheitsentscheidungen unterwerfen wollten.28 Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz sollen Mehr20
BGHZ 71, 53, 58. BGHZ 71, 53, 58. 22 BGHZ 71, 53, 57; BGH, NJW 1985, 972, 973. 23 A. A. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 63 m. w. N.: zwar nicht ausdrücklich, aber „in der Sache“. 24 BGH, NJW 1995, 194 = ZIP 1994, 1942 = ZGR 1996, 103 = WM 1994, 2244 = JZ 1995, 312 = BB 1994, 2372 = DB 1995, 90 = LM Nr. 32 zu § 119 HGB = WiB 1995, 160 = MDR 1995, 162. 25 Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Frage erfolgt unten § 4 VI. 26 BGHZ 132, 263. 27 BGHZ 132, 263, 268 f. 21
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
heitsbeschlüsse bei Personengesellschaften also nur dann zulässig sein, falls sich – zumindest im Wege der Auslegung des Gesellschaftsvertrags (§§ 133, 157 BGB) – unzweideutig eine Erstreckung der Mehrheitsklausel auch auf den in Rede stehenden Beschlussgegenstand ergibt.29 Es gilt insoweit ein Drei-StufenSystem30 oder eine Steigerungstrias31: – Wenn der Gesellschaftsvertrag lediglich eine pauschale Bestimmung enthält, dass die Gesellschafter mit Mehrheit entscheiden, so deckt eine solche Klausel im Zweifel nur Beschlüsse über die laufende Geschäftsführung, nicht aber über Änderungen des Gesellschaftsvertrags und sonstige Grundlagengeschäfte.32 Auch außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen (i. S. von § 116 Abs. 2 HGB) sind nicht von einer ganz pauschalen Mehrheitsermächtigung gedeckt.33 – Sieht der Gesellschaftsvertrag aber ausdrücklich vor, dass auch Vertragsänderungen mehrheitlich beschlossen werden können, so erfasst diese Bestimmung im Zweifel nur übliche Vertragsänderungen.34 – Soll nach dem Willen der Gesellschafter auch für ungewöhnliche Vertragsänderungen ein Mehrheitsbeschluss ausreichen, so muss sich dies für jeden einzelnen Beschlussgegenstand aus dem Gesellschaftsvertrag entweder ausdrücklich oder im Wege der Auslegung unzweideutig ergeben.35 28 Vgl. H. P. Westermann, in FS BGH, S. 245, 265, der wohl deshalb umso höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Mehrheitsermächtigung stellt, je mehr der Beschlussgegenstand den Kernbereich an Gesellschafterrechten berührt. 29 Auf die Frage, ob der Bestimmtheitsgrundsatz zur Aufnahme eines Katalogs von Beschlussgegenständen zwingt, soll hier zunächst nicht weiter eingegangen werden. Siehe dazu unten § 4 V. 3. 30 Michalski, WiB 1997, 1, 3. 31 Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 110; Immenga, ZGR 1974, 385, 418; Marburger, NJW 1984, 2252, 2253; Martens, DB 1973, 413, 416; Schulte, Schrankenproblematik, S. 164. 32 Siehe etwa BGH, WM 1961, 303, 304; Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 31; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 37; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 17; Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 101; Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 11. Die Unterscheidung zwischen Geschäftsführungsangelegenheiten und Grundlagenbeschlüssen ist schon in der Rechtsprechung des RG angelegt, vgl. RGZ 114, 393, 395. Im Zusammenhang mit Mehrheitsentscheidungen ist die Unterscheidung zwischen Geschäftsführungsangelegenheiten und Vertragsänderungen deshalb überzeugend, weil eine Vertragsänderung ohne Zustimmung aller Beteiligten, also durch bloßen Mehrheitsbeschluss, ungewöhnlich ist, vgl. nur A. Hueck, OHG, § 11 IV. (S. 177). 33 Österr. OGH, GesRZ 1975, 99; a. A. aber A. Hueck, OHG, § 11 IV. 3. (S. 178); Schulte, Schrankenproblematik, S. 165. 34 Zuletzt BayObLG, ZIP 2005, 164, 166 m. w. N.; siehe ferner etwa OLG Zweibrücken, OLGZ 1975, 402, 403; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 17; Michalski, WiB 1997, 1, 3; Picot, BB 1993, 13, 14. 35 Siehe etwa BGHZ 8, 35, 41 f.; 85, 350, 355 f.; BGH, WM 1966, 707; NJW 1988, 411, 412; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 37; Schlegelberger/Martens
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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1. Das Urteil des BayObLG vom 10. 11. 2004, ZIP 2005, 164 Ein anschauliches Beispiel dafür, dass sich durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags die unzweideutige Erstreckung der Mehrheitsklausel auf ungewöhnliche Vertragsänderungen ergeben kann, ist das Urteil des BayObLG vom 10. 11. 2004.36 In dieser Entscheidung ging es um die mehrheitlich beschlossene Umwandlung einer KG in eine GmbH & Co. KG. Der sich gegen den Umwandlungsbeschluss wehrende Minderheitsgesellschafter machte u. a. geltend, dass die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes entspreche. Dies verneinte das BayObLG zu Recht. Es legte den in der einschlägigen Mehrheitsklausel enthaltenen Begriff „Abtretung von Gesellschaftsbeteiligungen“ zutreffend dahingehend aus, dass dieser auch die Aufnahme neuer Gesellschafter, im vorliegenden Fall also die Aufnahme der eigens zuvor gegründeten GmbH als Komplementär, deckte.37 Denn die Aufnahme neuer Gesellschafter ist mit dem Fall des Gesellschafterwechsels vergleichbar, der mit der Formulierung „Abtretung von Gesellschaftsbeteiligungen“ nach dem Sinnzusammenhang des Vertrags wohl gemeint war.38 Zudem konnte die Mehrheit nach der insoweit ausdrücklichen Mehrheitsklausel sogar die Auflösung der Gesellschaft beschließen, was deutlich einschneidender gewesen wäre.39 2. Begriff der außergewöhnlichen Vertragsänderungen Besonders bei den außergewöhnlichen Vertragsänderungen (3. Stufe) hat der Bestimmtheitsgrundsatz praktische Bedeutung erlangt. Was aber sind außergewöhnliche Vertragsänderungen, bei denen ein Mehrheitsbeschluss nur genügt, wenn sich ein dahin gehender Wille der Gesellschafter zweifelsfrei dem Gesellschaftsvertrag entnehmen lässt? Im Schrifttum finden sich dafür zahlreiche Ansätze. Das Adjektiv „üblich“ wird dabei nicht nur in einem empirischen Sinne, sondern auch in einem normativen Sinne verstanden. D. h., was eine „übliche“ Vertragsänderung ist, ist § 119 Rdnr. 17; Michalski, WiB 1997, 1, 3; Picot, BB 1993, 13, 14; Schulte, Schrankenproblematik, S. 167; Palandt/Sprau § 705 Rdnr. 16; Timm/Schöne in Bamberger/ Roth § 709 Rdnr. 37 a. E. 36 ZIP 2005, 164. 37 Insoweit aber kritisch Werner, GmbHR 2005, 366, 367, da die Mehrheitsklausel nicht explizit auch für die Umwandlung der Gesellschaft das Mehrheitsprinzip vorsah. Vgl. dazu, dass sich durch Auslegung die Erstreckung der Mehrheitsklausel auf einen bestimmten Beschlussgegenstand ergeben kann, ferner unten § 4 V. 3. zur Frage, ob der Bestimmtheitsgrundsatz ein Katalogprinzip ist. 38 BayObLG, ZIP 2005, 164, 166. 39 BayObLG, ZIP 2005, 164, 166.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
nicht bloß eine Tatfrage, die das Gericht (bzw. das Schiedsgericht) durch ein Gutachten zu klären hat, wie oft die streitige Änderung schon bei anderen Gesellschaften durchgeführt worden ist, sondern ist vor allem auch eine Wertungsfrage. Nach Ansicht von Habermeier ist eine mehrheitlich beschlossene Vertragsänderung dann ungewöhnlich, wenn sie die Rechtsstellung des einzelnen Mitgesellschafters wesentlich berührt.40 Maßgeblich dafür, ob die Rechtsstellung des einzelnen Mitgesellschafters wesentlich berührt ist, können aber nur die Umstände des jeweiligen Einzelfalles sein: So werden beispielsweise bei einer PublikumsKG für die Änderung des Gesellschaftszwecks andere Maßstäbe zu gelten haben als bei einer gesetzestypischen Arbeits- und Haftungsgemeinschaft. Daher erscheint die von Habermeier angebotene Definition konkretisierungsbedürftig und allein kaum subsumtionsfähig. Ein anderer Ansatz im Schrifttum41 will diejenigen Maßnahmen, die von der allgemeinen Mehrheitsklausel – weil ungewöhnlich – nicht mehr getragen werden, in zwei Gruppen einordnen: Zum einen handele es sich um Mehrheitsbeschlüsse, die in besonders tief greifender Weise in die persönliche Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters eingreifen, d. h. die Gesellschafterrechte und -pflichten, die dem Gesellschafter auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft zustehen, in erheblicher Weise verändern. Zum anderen aber seien es Beschlüsse, die die Grundstruktur der Gesellschaft in erheblicher Weise verändern. Zwar sei auch bei diesen Maßnahmen die Rechtsstellung der Gesellschafter betroffen, dieses sei aber nicht unmittelbarer Zweck der Beschlüsse, sondern nur eine notwendige mittelbare Folge. Dieser letztgenannte Grundansatz liegt wohl auch der Rechtsprechung zugrunde. Die Vermutung liegt nahe, dass die Rechtsprechung bei ihrer Einzelfallwürdigung unausgesprochen von diesem Ansatz ausgeht.42 Da eine weitergehende Konkretisierung nicht möglich ist, ist diesem Ansatz zu folgen.43 Die Rechtsprechung hat die Frage, wann eine Vertragsänderung ungewöhnlich ist, daher wohl zu Recht nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles entschieden und sollte dies auch in Zukunft so handhaben.44 Die damit viel40 Staudinger/Habermeier § 709 Rdnr. 50. „Wesentlich“ ist unzweifelhaft auch ein normativer Begriff. 41 Menk, Verhältnis Bestimmtheitsgrundsatz zur Kernbereichslehre, S. 45 f.; Röttger, Kernbereichslehre, S. 116; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 18. 42 Vgl. den nachfolgenden Katalog von ungewöhnlichen Vertragsänderungen, der sich der Rechtsprechung entnehmen lässt. 43 Vgl. Schulte, Schrankenproblematik, S. 169: „Welche Mehrheitsbeschlüsse gewöhnliche Vertragsänderungen und welche Mehrheitsentscheide ungewöhliche Änderungen des Vertrags zum Inhalt haben, lässt sich nach allgemeiner Meinung nicht generell sagen.“
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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leicht in gewissem Maße verbundene Rechtsunsicherheit wird durch die erhöhte Einzelfallgerechtigkeit aufgewogen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass Rechtsprechung und Schrifttum bereits einen umfangreichen Katalog ungewöhnlicher Vertragsänderungen herausgebildet haben.45 Mit diesem Katalog kann der Rechtsberater seinen Mandanten wohl in aller Regel hinreichend darüber aufklären, welche Vertragsänderungen er – weil ungewöhnlich – in die Mehrheitsklausel aufnehmen sollte, wenn er die möglichst weitgehende Geltung des Mehrheitsprinzips will. Danach werden insbesondere folgende Vertragsänderungen für ungewöhnlich erachtet: – Beitragserhöhungen,46 – Nachschusspflichten für einen Kommanditisten,47 – die Änderung der Gewinnverteilung,48 – die Bildung nicht notwendiger Rücklagen,49 – die Ausschließung einzelner Gesellschafter,50 – die Aufnahme neuer Gesellschafter,51 – Bestimmungen über die Art der Auseinandersetzung,52 – Änderungen des Gesellschaftszwecks,53 – Erweiterungen des Unternehmensgegenstands,54 – die Konzernierung der Personengesellschaft,55 – die Veräußerung des Handelsgeschäfts,56 44 Im Ergebnis ähnlich Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 111: Die Beschlussgegenstände, die zu den außergewöhnlichen vertragsändernden Maßnahmen zu zählen sind, müssen im Einzelfall aufgrund der Umstände des Einzelfalls und der Interessenlage bestimmt werden. 45 Vgl. die Kataloge ungewöhnlicher Vertragsänderungen i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Hennerkes/Binz, BB 1983, 713; Michalski, WiB 1997, 1, 3; Röttger, Kernbereichslehre, S. 115; Schulte, Schrankenproblematik, S. 170 f.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 16 f. 46 RGZ 91, 166, 168 f.; 151, 321, 326 f.; 163, 385, 391; BGHZ 8, 35, 41; OLG Stuttgart, NZG 2000, 835, 836; Palandt/Sprau § 705 Rdnr. 16, § 707 Rdnr. 2. 47 OLG München, NZG 2004, 807. 48 BGH, WM 1975, 662 f.; BB 1976, 948; WM 1986, 1556, 1557; OLG Hamm, BB 1978, 120, 121. 49 BGH, WM 1976, 661, 662 f.; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 38. 50 BGHZ 8, 35, 42; Koller in Koller/Roth/Morck § 119 Rdnr. 9. 51 BayObLG, ZIP 2005, 164, 166; OLG Zweibrücken, OLGZ 1975, 402, 403 f.; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 78. 52 RGZ 114, 393, 395; BGH, WM 1966, 707. 53 BGHZ 8, 35, 39. 54 Österr. OGH, ecolex 1997, 356, 357. 55 Ebenroth, in FS Boujong, S. 99, 107 m. w. N. 56 Gk-HGB/Ensthaler § 119 Rdnr. 20.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
– die Auflösung der Gesellschaft,57 – die Fortsetzung der Gesellschaft nach Auflösung,58 – die Änderung der Folgen einer vertragsmäßig ausgesprochenen Kündigung,59 – die Vertragsverlängerung,60 – die Umwandlung einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft oder in eine andere Personengesellschaft,61 – die Beschränkung der actio pro socio sowie der Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis,62 – die Gestattung einer im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehenen Entnahme,63 – die Herabsetzung eines bestimmten Mehrheitserfordernisses,64 – die Einführung der Abstimmung nach Köpfen,65 – die Abberufung aus einem Beirat aufgrund einer Klausel über Entziehung der persönlich haftenden Gesellschafterstellung und Geschäftsführung,66 – die Schaffung und Beseitigung von Vorzugs- und Sonderrechten (§ 35 BGB),67 – Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz68 – und der Entzug des Informationsrechts69.
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OLG Celle, NZG 2000, 586, 587; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 35. BGHZ 8, 35, 43 = NJW 1953, 102; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 38. 59 BGHZ 48, 251, 254 = NJW 1967, 2157. 60 BGH, NJW 1973, 1602; OLG Düsseldorf, NJW 1977, 2216. 61 BGHZ 85, 350, 356 f.; BGH, BB 1983, 722 für die Umwandlung einer KG in eine GmbH; OLG Düsseldorf, BB 1983, 459 für die Umwandlung einer KG in eine GmbH & Co. KG.; Binnewies, GmbHR 1997, 727, 732; vgl. für die formwechselnde Umwandlung ferner Joost in Lutter, UmwG, Bd. 2, § 217 Rdnr. 11 m. w. N. Ungewöhnliche Vertragsänderung ist auch eine Verschmelzung i. S. von § 43 UmwG, die auch unter den Oberbegriff Umwandlung fällt, vgl. § 1 Abs. 1 UmwG sowie Ihrig in Semler/Stengel, UmwG, § 43 Rdnr. 31 m. w. N. Für einen Verschmelzungsbeschluss i. S. von § 43 UmwG reicht es jedoch aus, dass sich die Mehrheitsklausel zusammenfassend auf Umwandlungsbeschlüsse (Spaltung, Formwechsel und Verschmelzungen) bezieht, vgl. MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 93; Priester, DStR 2005, 788, 790 f.; H. Schmidt in Lutter, UmwG, § 43 Rdnr. 12; ders., in FS Brandner, S. 133, 145 jeweils m. w. N. (streitig). 62 BGH, NJW 1985, 2830, 2831. 63 BGH, NJW-RR 1986, 1417, 1418; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 35. 64 BGH, NJW 1988, 411, 412; Palandt/Sprau § 705 Rdnr. 16. 65 Österr. OGH, WM 1986, 40, 42 f. 66 BGH, WM 1973, 100, 101. 67 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 78. 68 BGHZ 8, 35, 42; 132, 263, 268; BGH, NJW 1994, 194, 195 f. 69 BGH, NJW 1995, 194, 195; von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 125. 58
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Eine nähere Analyse der Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz führt zu der Feststellung, dass Vertragsänderungen im Zweifel als solche ungewöhnlichen Inhalts eingestuft werden und damit nur bei ausdrücklicher Erwähnung im Vertrag mehrheitlich beschlossen werden können.70 Die Rechtsprechung geht insoweit von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB aus, wonach für Vertragsänderungen eben im Zweifel das Einstimmigkeitsprinzip gilt.
IV. Dogmatische Herleitung des Bestimmtheitsgrundsatzes Untersucht werden muss jetzt, warum die Mehrheitsklauseln gerade im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes einschränkend auszulegen sind. Damit ergibt sich die Frage der dogmatischen Herleitung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Mit ihr hängt die andere Frage zusammen, worauf die Verbindlichkeit der Mehrheitsentscheidung insbesondere auch für die dissentierenden Gesellschafter beruht. Dafür werden im Schrifttum drei unterschiedliche Ansätze genannt: 1. Theorie der antizipierten Zustimmung Ein Ansatz im Schrifttum sieht in der antizipierten Zustimmung der Minderheitsgesellschafter die dogmatische Rechtfertigung des Bestimmtheitsgrundsatzes. a) Darstellung der Theorie Nach der Theorie der antizipierten Zustimmung beruht die Verbindlichkeit der Mehrheitsentscheidung für die überstimmten Gesellschafter auf ihrer antizipierten Zustimmung. Die überstimmten Gesellschafter hätten bereits durch die gesellschaftsvertragliche Zulassung von Mehrheitsentscheidungen für einen konkreten Beschlussgegenstand künftigen Mehrheitsbeschlüssen vorweg ihre Zustimmung erteilt. „Die konkreten Vertragsänderungen werden schon bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages von allen Vertragspartnern beschlossen und lediglich im späteren Stadium von der Mehrheit rechtstechnisch ausgelöst und endgültig in Kraft gesetzt.“71 Das Erfordernis der unzweideutigen Erstreckung 70
Vgl. Sauter, in Hdb. Personengesellschaften, § 2 Rdnr. 61. Formulierung von Martens, DB 1973, 413, 415; der Theorie der antizipierten Zustimmung folgen aber auch Immenga, ZGR 1974, 385, 419; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 2. a) (S. 411 f.) und wohl auch BGHZ 71, 53, 57; 85, 350, 356. Nach BGHZ 85, 350, 356 kann nur dann davon ausgegangen werden, dass der Gesellschafter das Für und Wider gerade dieser Änderung abgewogen und ihr im Vertrag vorweg seine Zustimmung erteilt hat, wenn die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Ohne diese antizipierte Zustimmung 71
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
der Mehrheitsklausel auf den in Rede stehenden Beschlussgegenstand ergebe sich daraus, dass die überstimmten Gesellschafter jedenfalls antizipiert der Vertragsänderung zugestimmt haben müssen. Die Theorie der antizipierten Zustimmung erscheint so als „ein verlängertes Einstimmigkeitsprinzip“.72 Die künftigen Mehrheitsbeschlüsse sind bei Vertragsschluss gleichsam dadurch schon im Voraus vereinbart, dass der Gesellschaftsvertrag für einen bestimmten Beschlussgegenstand Mehrheitsentscheidungen zulässt. b) Die Kritik an der Theorie der antizipierten Zustimmung Die Theorie der antizipierten Zustimmung wird im Schrifttum als dogmatische Rechtfertigung für den Bestimmtheitsgrundsatz heute überwiegend abgelehnt.73 Kritisiert wird, dass die Theorie der antizipierten Zustimmung in Wahrheit ein verlängertes Einstimmigkeitsprinzip sei, da alle Gesellschafter jedenfalls antizipiert der später nur mehrheitlich gefassten Vertragsänderung zugestimmt haben müssten.74 Im Grunde – so wird argumentiert – lasse die Theorie der antizipierten Zustimmung also gar keine Mehrheitsentscheidungen zu, sondern konstruiere einen nicht gegebenen einstimmigen Beschluss.75 Mit der Mehrheitsklausel wollten die Gesellschafter vom Einstimmigkeitsprinzip aber gerade abweichen. Gehe man von einer antizipiert erklärten Zustimmung zu dem später gefassten Mehrheitsbeschluss aus (so die Theorie der antizipierten Zustimmung), müsse folgerichtig nicht nur die Aufzählung der Beschlussgegenstände verlangt werden, sondern zumindest auch eine grobe Skizzierung des zulässigen Beschlussinhalts.76 Erst dann ließe sich nicht nur fiktiv von einem vorweggenomkönnten die Gesellschafter später die Vertragsänderung von vornherein nicht mit Mehrheit, sondern nur einverständlich regeln. 72 Wiedemann, JZ 1983, 559. 73 Siehe etwa Dürrschmidt, JuS 1997, 15, 16; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 81, 66; Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 376 f.; Marburger, NJW 1984, 2252, 2254; Menk, Verhältnis Bestimmtheitsgrundsatz zur Kernbereichslehre, S. 70 f.; Roth, JBl 2005, 80, 81 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c) (S. 455 f.); ders., ZHR 158 (1994), 205, 212 f.; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 51; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88. Anders im Rahmen der Kernbereichslehre; dort gilt die Theorie der antizipierten Zustimmung nach ganz h. A. auf einmal doch, siehe dazu unten § 5 III. 2. c) cc). 74 So vor allem Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 376 f.; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 212; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 78. 75 So besonders deutlich Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 22. 76 Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 376; Schiemann, AcP 185 (1985), 73, 75; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 212; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 78 f.; vgl. auch BGHZ 85, 350, 356, wo der BGH ver-
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menen Einverständnis mit der konkreten Vertragsänderung sprechen.77 Die Theorie der antizipierten Zustimmung stelle damit nicht zu erfüllende Anforderungen und sei daher abzulehnen. Aber auch in ihrem weiteren Gedankengang sei die Theorie der antizipierten Zustimmung bedenklich. Sie stelle, ohne dafür eine Begründung anzubieten, die fiktive vorweg erteilte Zustimmung über den durch die Gegenstimme (oder vielleicht sogar durch die Stimmenthaltung) deutlich gewordenen entgegengesetzten aktuellen Willen des Gesellschafters. Könne oder müsse man nicht sogar in der Gegenstimme bzw. Stimmenthaltung gerade den Widerruf der antizipierten Zustimmung sehen?78 Dafür spreche, dass anderenfalls jede spätere Abstimmung sinnwidrig wäre. c) Eigene Stellungnahme zur Theorie der antizipierten Zustimmung Die im Schrifttum geäußerte Kritik erkennt zutreffend, dass der Vereinbarung der Mehrheitsklausel von der Theorie der antizipierten Zustimmung eine viel zu weit reichende Bedeutung beigemessen wird.79 Zu berücksichtigen ist, dass bei der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips für den einzelnen Gesellschafter in aller Regel die folgenden Punkte ungewiss bleiben80: Erstens weiß er nicht, ob und wann (und insbesondere bei Beitragserhöhungen auch wie oft) ihn ein durch die Mehrheitsklausel ermöglichter Rechtsnachteil treffen wird, zweitens wird ihm unklar bleiben, ob ihn das gegen seinen Willen treffen wird und drittens kann er nicht wissen, in welcher konkreten Situation, mit welchem Inhalt und welchen Auswirkungen das geschehen wird. Ferner werden sich die vertragsschließenden Parteien bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags angesichts der Komplexität der Entscheidungssituation auf langt, dass der mit Mehrheit beschlossene Eingriff in die Stellung des Gesellschafters schon im Gesellschaftsvertrag konkret geregelt ist. 77 K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 212; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 78 f.; kritisch gegenüber einer antizipierten Zustimmung aber auch Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 407; Mecke, BB 1988, 2258, 2264 f. Nach der zutreffenden Ansicht von Hüffer und Mecke hat die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips bloß eine begrenzte Tragweite. Sie bezieht sich in der Regel nur auf das „ob“ des Mehrheitsbeschlusses, nicht aber auf dessen Inhalt. 78 Vgl. Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 216; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 21 f. 79 Vgl. Marburger, NJW 1984, 2252, 2254; Roth, JBl 2005, 80, 81 f., der wohl zutreffend auch auf Erkenntnisse der modernen Risikoforschung hinweist, die belegen, dass die Menschen mit der Einschätzung und Verarbeitung von zukünftigen Ungewissheiten (= Risiken) schlicht überfordert sind, was für die vorliegend zu prüfende Unterwerfung unter eine Mehrheitsklausel Zurückhaltung gebietet; vgl. ferner Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 51. 80 Vgl. zum Folgenden Roth, JBl 2005, 80, 81 f.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
die Kernelemente konzentrieren müssen.81 Nicht selten wird daher bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags die Frage der Geltung des Mehrheitsprinzips nur am Rande behandelt werden. Ob für die Beschlussfassungen das Mehrheitsoder das Einstimmigkeitsprinzip gilt, werden die Gesellschafter in ihre Überlegungen zwar einbeziehen, es wird aber erst später, wenn Unstimmigkeiten zwischen den Gesellschaftern auftreten, besonders ins Bewusstsein der Gesellschafter rücken. Legt man die Mehrheitsklausel somit entsprechend den auch für Gesellschaftsverträgen maßgeblichen allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB aus, stimmen die widerstrebenden Gesellschafter mit der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips dem später gefassten Beschluss solange nicht zu, wie nicht einmal der zulässige Beschlussinhalt angegeben wird.82 Weiter ist wohl Voraussetzung einer antizipierten Zustimmung, dass sich der Mehrheitsklausel die möglichen Anlässe der vorgesehenen zukünftigen Mehrheitsbeschlüsse, etwa für Beitragserhöhungen, entnehmen lassen. Beispiel: „Beitragserhöhungen durch Mehrheitsbeschluss erfolgen bei zusätzlichem Kapitalbedarf für die Anschaffung von . . .“. Alles, was der Mehrheitsklausel im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) in der Regel entnommen werden kann, ist aber der erkennbar gewordene Wille der Gesellschafter, mit der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips die Gesellschaft handlungsfähig zu halten und daher mit der Mehrheitsklausel ein erleichtertes Verfahren der Beschlussfassung vorzusehen. Nicht Inhalt der Mehrheitsklausel ist, dass die Gesellschafter einem später zu fassenden Beschluss vorweg ihre Zustimmung erteilen, wenn nicht einmal der zulässige Beschlussinhalt präzisiert ist. Dies ist dann in der Tat eine bloße Fiktion der Theorie der antizipierten Zustimmung. Darauf machen die Gegner dieser Theorie zu Recht aufmerksam. Nicht zuzustimmen ist freilich dem Argument von Enzinger und Späth gegen die Theorie der antizipierten Zustimmung, die Gegenstimme bei der Beschlussfassung müsse als Widerruf der antizipierten Zustimmung aufgefasst werden.83 Gemäß § 183 S. 1 BGB ist die antizipierte Zustimmung zwar grundsätzlich bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts, hier also bis zur Beschlussfassung, frei widerruflich. Ein konkludenter Ausschluss (§ 183 S. 1 zweiter HS BGB) der Widerrufsmöglichkeit besteht aber regelmäßig dann, wenn die vorherige Zustimmung im Interesse des Zustimmungsempfängers, hier also der anderen Gesellschafter, abgegeben wird und Interessen des zustimmenden Minderheitsgesellschafters an der Widerrufsmöglichkeit nicht überwiegen.84 Beide Vorausset81
Zutreffend Roth, JBl 2005, 80, 82. Vgl. zu den Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung i. S. der Kernbereichslehre unten § 5 III. 2. c) ee). Dort gilt die Theorie der antizipierten Zustimmung auf einmal doch. 83 Nachweise oben § 4 Fn. 78. 82
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zungen sind hier wohl zu bejahen: Die „ermächtigten“ Gesellschafter haben grundsätzlich ein gleichermaßen anzuerkennendes Interesse daran, den Gesellschaftsvertrag durch Mehrheitsbeschluss, auch soweit dazu die Zustimmung der Minderheitsgesellschafter erforderlich ist, an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Deshalb wird man einen Widerruf der antizipierten Zustimmung nur anerkennen können, wenn sich die Verhältnisse, die für die Erteilung der Zustimmung ausschlaggebend waren, grundlegend geändert haben, also bei Vorliegen eines wichtigen Grundes.85 Somit ist festzuhalten, dass bei hinreichender Bestimmtheit dem Gesellschaftsvertrag womöglich eine antizipierte Zustimmung der Minderheit entnommen werden kann. Mit der bloßen Vereinbarung des Mehrheitsprinzips hat dies aber nichts zu tun. Demzufolge sollen die Fragen, ob und unter welchen (Bestimmtheits-)Voraussetzungen eine antizipierte Zustimmung der Minderheit angenommen werden kann, hier offen bleiben und erst unten im Rahmen der Untersuchung der Kernbereichslehre diskutiert werden, da die antizipierte Zustimmung jedenfalls im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes irrelevant ist.86 Nach alledem ist die Theorie der antizipierten Zustimmung als dogmatische Rechtfertigung für den Bestimmtheitsgrundsatz abzulehnen. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der Mehrheitsermächtigung87 lässt sich nicht mit der Konstruktion begründen, dass die Mehrheitsklausel nur für die Beschlussgegenstände gelte, denen die Gesellschafter schon antizipiert zugestimmt haben. Die Theorie der antizipierten Zustimmung konstruiert einen nicht gegebenen einstimmigen Beschluss. 2. Theorie der Gestaltungsmacht Andere Autoren deuten die gesellschaftsvertragliche Mehrheitskompetenz als Gestaltungsmacht. Darin, dass die Gestaltungsmacht der Mehrheit hinreichend bestimmt eingeräumt werden müsse, liege die dogmatische Begründung des Bestimmtheitsgrundsatzes.88
84 Zu diesen Voraussetzungen für einen stillschweigenden Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit vgl. nur Hk-BGB/Dörner § 183 Rdnr. 5; Palandt/H. Heinrichs § 183 Rdnr. 2 i. V. m. § 168 Rdnr. 6; Soergel/Leptien § 183 Rdnr. 4; Erman/Palm § 183 Rdnr. 4; einschränkend freilich MünchKomm z. BGB/Schramm § 183 Rdnr. 15. 85 Siehe dazu, dass trotz eines rechtsgeschäftlichen Ausschlusses der Widerrufsmöglichkeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Widerruf zulässig ist, nur BGH, NJW 1980, 2708, 2709; Soergel/Leptien § 183 Rdnr. 4; MünchKomm z. BGB/ Schramm § 183 Rdnr. 15. 86 Zu diesen Fragen unten § 5 III. 2. c). 87 Dazu oben § 4 III. 88 So besonders deutlich Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 110.
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a) Darstellung der Theorie Die Theorie der Gestaltungsmacht besagt, dass die Minderheit mit der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips der jeweiligen Mehrheit eine „Gestaltungsbefugnis“ einräumt.89 Die Minderheit unterwerfe sich der späteren Mehrheitsentscheidung durch den Beitritt in die Gesellschaft oder durch die nachträgliche Vereinbarung des Mehrheitsprinzips bereits vorab.90 Gestaltungsbefugnis sei nach der auf Seckel91 zurückgehenden, aber auch heute noch gebräuchlichen Definition92 die Befugnis, durch einseitiges Rechtsgeschäft ein Recht zu begründen, aufzuheben oder zu ändern. Die Entscheidungsbefugnis der Gesellschaftermehrheit weise alle diese Merkmale eines Gestaltungsrechts auf.93 Die Mehrheitsklausel räume der Mehrheit die Befugnis ein, ohne Mitwirkung des oder der Betroffenen Rechtsverhältnisse zu begründen (Beispiel: Aufnahme neuer Gesellschafter), zu ändern (z. B. Erhöhung der Beiträge) oder aufzuheben (z. B. durch Ausschluss einzelner Gesellschafter).94 Diese Gestaltungsbefugnis müsse der Mehrheit „zweifelsfrei“ eingeräumt werden.95 Nur dann könne davon gesprochen werden, dass sich die Minderheit der Mehrheitsgestaltung „unterworfen“ hat.96 Somit ergibt sich nach der Theorie der Gestaltungsmacht vergleichsweise zwanglos das Eindeutigkeitserfordernis des Bestimmtheitsgrundsatzes.
89 Dafür von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 125 f.; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, S. 9, 28 ff., 32 f.; ders., in FS Dölle, S. 41 ff.; Dürrschmidt, JuS 1997, 15, 16; Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 197 f.; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 128 ff.; Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 108 f.; Marburger, NJW 1984, 2252, 2254; Mecke, BB 1988, 2258, 2261; Menk, Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre, S. 62 ff.; Röttger, Kernbereichslehre, S. 90 f.; Schulte, Schrankenproblematik, S. 24 ff.; Thiele, Zustimmungen, S. 47 f.; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 146; ders., GesRZ 1986, 74, 79 f.; vgl. aber auch Martens, DB 1973, 413, 415, der die Gestaltungsmachttheorie wenig überzeugend mit der Theorie der antizipierten Zustimmung verquicken will. 90 Marburger, NJW 1984, 2252, 2254. 91 Seckel, in FS Koch, S. 205, 210. 92 Siehe Larenz/Wolf, BGB-AT, § 15 Rdnr. 65; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 129; Palandt/H. Heinrichs § 194 Rdnr. 3; Henrich in Bamberger/Roth § 194 Rdnr. 17. 93 Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 130; Menk, Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre, S. 68 ff. 94 Vgl. Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 130; Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 108. 95 Marburger, NJW 1984, 2252, 2254. 96 Marburger, NJW 1984, 2252, 2254.
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b) Die Kritik an der Gestaltungsmachttheorie Gegen die Gestaltungsmachttheorie wird eingewandt, dass die jeweilige Mehrheit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht konkretisierbar sei und mangels Rechtssubjektivität als Träger eines Gestaltungsrechts ausscheide.97 Die Mehrheit sei eine rein rechnerische Größe, die sich bei den Abstimmungen in den Gesellschafterversammlungen jeweils unterschiedlich zusammensetze.98 Träger des Gestaltungsrechts könne allenfalls jeder einzelne Gesellschafter sein, mit der Besonderheit, dass er zur Ausübung des Gestaltungsrechts einer mehrheitsbildenden Zahl weiterer Gesellschafter bedürfe.99 c) Eigene Stellungnahme In der Diskussion um die Gestaltungsmachttheorie wurde versucht, das Hauptargument der Kritiker der Gestaltungsmachttheorie, dass es keinen Träger für das Gestaltungsrecht gebe, zu widerlegen. Im Ausgangspunkt wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass zwar nicht eine unbestimmte Mehrheit, wohl aber die Gesellschafterversammlung als Träger des Gestaltungsrechts in Betracht kommt.100 Übersehen wurde dabei jedoch, dass die Versammlung aller Gesellschafter gemäß §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB ohnehin das Recht der Beschlussfassung hat. Der gesellschaftsvertraglichen Einräumung eines Gestaltungsrechts an die Gesellschafter bedarf es also gar nicht, sie haben das Recht zur Beschlussfassung schon kraft Gesetzes.101 Das nahm die ursprüngliche Gestaltungsmachttheorie aber auch nicht an, sondern sie beruhte gerade auf der Einräumung eines Gestaltungsrechts an die Mehrheit. Damit stand sie im Einklang mit dem rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt der Mehrheitsklausel. Nach der Mehrheitsklausel soll ja gerade die Mehrheit und nicht die Gesellschafterversammlung (= die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit) zur Beschlussfassung berufen sein. Zudem aber beruht die Annahme, dass die Minderheit der Mehrheit mit der Vereinbarung der Mehrheitsklausel von Anfang an ein Gestaltungsrecht einräumt, auf einer bloßen Willensfiktion (ebenso wie die Theorie von der antizipierten Zustimmung!).102 Denn alle Gesellschafter einigen sich mit der Mehr97
Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 377 f.; Schiemann, AcP 185 (1985), 73, 75. Torggler, in FS Schönherr, S. 237, 239 f. 99 Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 378. 100 Mecke, BB 1988, 2258, 2261 in Fn. 25; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 78 f. 101 Vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 24. 102 So im Ergebnis auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 24. Vgl. aber auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c) 98
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heitsklausel zunächst lediglich gemeinsam auf das Mehrheitsprinzip und damit auf einen bestimmten Modus der Beschlussfassung. Mehr kann der Mehrheitsklausel auch im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) in aller Regel nicht entnommen werden. Im Zeitpunkt der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips ist noch gar nicht abzusehen, wer später bei Abstimmungen in der Mehrheit sein wird und damit Träger eines Gestaltungsrechts sein soll. Denkbar wäre allenfalls, dass sich die Gesellschafter gegenseitig für den Fall, dass sie selbst in der Minderheit sind, aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) Gestaltungsmacht einräumen.103 Dies wäre im Ergebnis aber gleich zu achten mit einer antizipierten Zustimmung der Minderheit zu dem Eingriff in ihre Rechtsstellung.104 Eine antizipierte Zustimmung kann dem rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt der Mehrheitsklausel, wie bereits oben zur Theorie der antizipierten Zustimmung dargelegt wurde, in aller Regel aber nicht entnommen werden: Es lässt sich der Mehrheitsklausel zumindest dann, wenn nicht einmal der mögliche Inhalt späterer Beschlüsse präzisiert wird, weder eine antizipierte Zustimmung noch die „antizipierte Einräumung von Gestaltungsmacht“ entnehmen.105 Diese Annahmen würden dem zum Ausdruck gekommenen Willen der Gesellschafter nicht gerecht werden. Die Gesellschafter wollten sich mit der Mehrheitsklausel lediglich auf einen bestimmten Modus der Beschlussfassung einigen. Im Ergebnis ist daher auch die Gestaltungsmachttheorie abzulehnen. 3. Vereinbarung einer Verfahrensregel Zu untersuchen bleibt die Verfahrensregeltheorie. Liefert sie eine hinreichende dogmatische Begründung für den Bestimmtheitsgrundsatz? a) Darstellung der Ansicht, die die Mehrheitsklausel als bloße Verfahrensregel ansieht Die heute wohl h. A. sieht die Mehrheitsklausel als eine wertneutrale Verfahrensregel an.106 Als Verfahrensregel sei die Mehrheitsklausel verbindlich, weil die Gesellschafter sich mit ihr einverständlich darauf verständigt haben, in der (S. 455 f.), der neben anderen die Mehrheitsklausel lediglich als eine „wertneutrale“ Verfahrensregel ansieht und sich damit gegen die Gestaltungsmachttheorie ausspricht. 103 So der Vorschlag von Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 130. 104 Ebenso Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 25. 105 Zur Ablehnung der Theorie der antizipierten Zustimmung siehe oben § 4 IV. 1. c); vgl. aber auch die inhaltlichen Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung zu einem Eingriff in ein unentziehbares Kernbereichsrecht, die unten § 5 III. 2. c) ee) untersucht werden.
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Gesellschafterversammlung mit Mehrheit zu entscheiden. Der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips könnten aber keine materiell rechtlichen Inhalte, also weder eine antizipierte Zustimmung der später überstimmten Gesellschafter107 noch die Einräumung einer Gestaltungsbefugnis, entnommen werden. Es sei von zentraler Bedeutung, zwischen der Einräumung des Mehrheitsprinzips als Verfahrensregel und dem konkreten Inhalt des Mehrheitsbeschlusses zu unterscheiden.108 b) Kritik Diese Sichtweise der heute wohl h. A., wonach die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips lediglich verfahrensrechtliche Auswirkungen hat, ist bislang kaum kritisiert worden. Hingewiesen wurde aber darauf, dass die Verfahrensregeltheorie lediglich eine Funktionsbeschreibung der Mehrheitsklausel abgebe, ohne eine Begründung dafür bieten zu können, warum die Verfahrensregel materiell rechtliche Bindung auch für die dissentierenden Gesellschafter habe.109 Daher liefere die Verfahrensregeltheorie auch keine dogmatische Rechtfertigung für den Bestimmtheitsgrundsatz. c) Eigene Stellungnahme Die Mehrheitsklausel ist lediglich eine Verfahrensregel. Die Gesellschafter sehen mit der Mehrheitsklausel einen bestimmten Modus der Beschlussfassung vor, weitere insbesondere materiell rechtliche Inhalte sind der Mehrheitsklausel dagegen in aller Regel nicht zu entnehmen. Einer Mehrheitsklausel, die für bestimmte Beschlussgegenstände Mehrheitsentscheidungen vorsieht, kann man nicht – auch nicht im Wege der Auslegung – ohne weiteres eine antizipierte Zustimmung der Minderheit oder eine Gestaltungsbefugnis der Mehrheit entnehmen. Die Mehrheitsklausel selbst ist grundsätzlich „wertneutral“.110 Ziel der Einführung des Mehrheitsprinzips ist nur die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu verbessern.111 Es geht nicht darum, dass die Gesellschafter bereits 106 Grundlegend Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 379; Leenen folgend u. a.: Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 68; Schiemann, AcP 185 (1985), 73, 75; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c) (S. 455); Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 25 f.; Torggler, in FS Schönherr, S. 237, 240; im Ergebnis ganz ähnlich K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 214 f., wo die Mehrheitsklausel als eine Ermächtigung der Mehrheit zur Beschlussfassung verstanden wird. 107 Dürrschmidt, JuS 1997, 15, 16; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 212 f. 108 Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 379; Torggler, in FS Schönherr, S. 237, 240. 109 Mecke, BB 1988, 2258, 2261; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 79. 110 Formulierung von Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 378 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c) (S. 455 f.); Torggler, in FS Schönherr, S. 237, 240.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
einen bestimmten Willen bezüglich einer bestimmten Vertragsänderung äußern. Wenn kritisiert wird, dies gebe lediglich eine Funktionsbeschreibung der Mehrheitsklausel ab, so ist dies zutreffend, aber kein Grund gegen, sondern einer für die Verfahrensregeltheorie, da sie als einzige eben den wirklichen Inhalt der Mehrheitsklausel erfasst. Streng zu trennen sind die formale Seite der Mehrheitsklausel, die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips, und die inhaltliche Seite der Mehrheitsklausel, nämlich dass ihr unter strengen Bestimmtheitsanforderungen schon der Wille zu bestimmten Vertragsänderungen entnommen werden kann.112 Soweit es um den Bestimmtheitsgrundsatz geht, ist nur die formale Seite der Mehrheitsklausel von Bedeutung.113 Unzutreffend ist dagegen der Einwand von M. Winter und Mecke, die materiell rechtliche Bindung des Mehrheitsbeschlusses für die überstimmten Gesellschafter bleibe unter Zugrundelegung der Verfahrensregeltheorie offen.114 Die materiell rechtliche Bindung der Minderheit an die Mehrheitsentscheidung ergibt sich daraus, dass sich auch die überstimmten Gesellschafter mit einem vereinfachten Verfahren der Beschlussfassung einverstanden erklärt haben. Auch sie haben Mehrheitsbeschlüsse hingenommen. Es wäre dann ihrerseits widersprüchlich, wenn sie einerseits Mehrheitsbeschlüsse vorsehen, andererseits sich aber auf den Standpunkt stellen, sie hätten nie damit gerechnet, später einmal überstimmt zu werden (Gesichtspunkt des venire contra factum proprium, § 242 BGB). Insoweit ist die Verfahrensregeltheorie zu ergänzen. 4. Zwischenergebnis Die dogmatische Rechtfertigung des Bestimmtheitsgrundsatzes ist nicht, wie von der Theorie der antizipierten Zustimmung oder der Gestaltungsmachttheorie vorgeschlagen, der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel zu entnehmen. Diese beiden Theorien überzeugen nicht. Die Mehrheitsklausel ist lediglich eine Verfahrensregel. Bei dem Verständnis der Mehrheitsklausel lediglich als Verfahrensregel kann sie den Bestimmtheitsgrundsatz dogmatisch aber nicht begründen. Bevor also zur dogmatischen Legitimation des Bestimmtheitsgrundsatzes abschließend Stellung genommen werden kann, muss auf die Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes eingegangen werden. Die Frage, ob der Be111
Vgl. statt vieler nur Hk-BGB/Saenger § 709 Rdnr. 2. Vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 25 f. 113 Auf die inhaltliche Seite der Mehrheitsklausel ist bei der Kernbereichslehre zurückzukommen, da dort nach h. A. die Theorie der antizipierten Zustimmung gilt, die oben § 4 IV. 1. c) abgelehnt wurde, vgl. im Einzelnen unten § 5 III. 2. c). 114 Nachweise oben § 4 Fn. 109. 112
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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stimmtheitsgrundsatz dogmatisch gerechtfertigt werden kann, soll sodann im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Kritik abschließend beantwortet werden.115
V. Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes Klärungsbedürftig ist die Frage, welche Funktion dem Bestimmtheitsgrundsatz in einem effektiven System der Beschlusskontrolle zukommt. Es ist zu untersuchen, welcher Zweck hinter den Bestimmtheitsanforderungen an die vertragliche Mehrheitsermächtigung steht. Die Klärung ist auch deshalb erforderlich, um die am Bestimmtheitsgrundsatz geäußerte Kritik zu verstehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. 1. Unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes oder Auslegungsregel Die Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes wird vor dem Hintergrund der Freudenberg-Entscheidung des BGH vom 15. 11. 1982116 diskutiert. Zunächst ist daher diese Entscheidung näher zu beleuchten. a) Die Freudenberg-Entscheidung des BGH vom 15. 11. 1982 – BGHZ 85, 350 In der Freudenberg-Entscheidung hatte der BGH die Frage aufgeworfen, ob der Bestimmtheitsgrundsatz nur eine Auslegungsregel und deshalb ein ausdrücklicher Verzicht auf seine Anwendung zulässig und wirksam sei oder ob er als eine formale Regel des Minderheitenschutzes unverzichtbar sei.117 Diese Frage nach der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes wurde vom BGH trotz der Annahme eines Verzichts der Gesellschafter auf die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes118 im Ergebnis aber offengelassen, da die Parteien den Bestimmtheitsgrundsatz weder als Auslegungsregel noch als unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes hätten abbedingen können. Auch eine Auslegungsregel unterliegt nicht der Disposition der Parteien.119 Auslegungsregeln sind unabhängig vom Parteiwillen anzuwenden. Das Gericht muss im Rahmen der Auslegung der Mehrheitsklausel immer auch eine umfas115
Siehe unten § 4 VI. 2. h). BGHZ 85, 350 = NJW 1983, 1056. 117 BGHZ 85, 350, 357. 118 BGHZ 85, 350, 359. 119 Marburger, ZGR 1989, 146, 153; vgl. aber auch K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 220, wonach die Abbedingung einer Auslegungsregel gegenstandslos wäre. 116
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
sende Interessenabwägung vornehmen.120 Das Ergebnis dieser Interessenabwägung können die Parteien nicht durch Abbedingung des Bestimmtheitsgrundsatzes vorwegnehmen.121 Formulierungen wie „auf den Bestimmtheitsgrundsatz wird verzichtet“ oder „der Mehrheitsentscheidung unterliegen auch ungewöhnliche Vertragsänderungen“ besagen für sich genommen, auch wenn man den Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel versteht, noch gar nichts.122 Im Schrifttum herrscht denn auch weitgehend Einigkeit, dass sich der BGH in der Freudenberg-Entscheidung nur rechtstechnisch vergriffen hat.123 Der vom BGH betonte Gegensatz zwischen Auslegungsregel und unverzichtbarer formaler Regel des Minderheitenschutzes besteht so nicht. Die Frage hätte lauten müssen, ob die Mehrheitsklausel den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügt, nicht aber, ob sie ihn entweder als Auslegungsregel abbedingen oder als unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes nicht abbedingen konnte.124 Denn die Parteien können auch auf die Anwendung einer Auslegungsregel nicht verzichten. b) Die Entscheidung des BGH vom 15. 06. 1987 – BGH, NJW 1988, 411 In der späteren Entscheidung vom 15. 06. 1987125 ist der BGH auf die Differenzierung zwischen Auslegungsregel und unverzichtbarer, formaler Regel des Minderheitenschutzes nicht mehr eingegangen. Der BGH beschäftigte sich in der Entscheidung vielmehr erneut mit der Frage, ob die Gesellschafter den Bestimmtheitsgrundsatz wirksam abbedungen haben.126 Als Voraussetzung für einen solchen Verzicht formulierte der BGH, dass die Gesellschafter zumindest eine ungefähre Vorstellung davon haben müssten, welchen für sie nachteiligen Beschlüssen sie sich mit dem Verzicht aussetzen.127 Mit der Bejahung einer Verzichtsmöglichkeit hat der BGH den Bestimmtheitsgrundsatz aber auch in der Entscheidung vom 15. 06. 1987 nicht als Auslegungsregel eingeordnet. Denn auch auf die Anwendung einer Auslegungsregel hätten die Gesellschafter aus den oben genannten Gründen nicht verzichten können. 120
Vgl. H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 523. Zur streitigen Frage, ob die Gesellschafter auf den Bestimmtheitsgrundsatz verzichten können, siehe eingehend unten § 4 VIII. 122 Zutreffend Marburger, ZGR 1989, 146, 153. 123 Vgl. etwa Marburger, ZGR 1989, 146, 153 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. e) (S. 459); ders., ZHR 158 (1994), 205, 219; Scholz/ders., GmbHG, Anh. § 45 Rdnr. 24; H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 523. 124 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. e) (S. 459). 125 BGH, NJW 1988, 411. 126 So der Leitsatz der Entscheidung BGH, NJW 1988, 411. 127 BGH, NJW 1988, 411, 412. 121
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass der BGH die in der Freudenberg-Entscheidung aufgeworfene Frage nach der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes bislang nicht ausdrücklich beantwortet hat. Dementsprechend ist die Frage nach der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes umstritten. c) Meinungsstand aa) Unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes Zum Teil wird der Bestimmtheitsgrundsatz als bindende Formalregel des Minderheitenschutzes angesehen, auf die nicht verzichtet werden könne.128 Eine Auslegungsregel sei der Bestimmtheitsgrundsatz schon deshalb nicht, weil seine Anforderungen an die Bestimmtheit einer Mehrheitsermächtigung deutlich über die Anforderungen der einfachen Auslegung hinausgingen: Die einfache Auslegung sei darauf gerichtet, den „wirklichen Willen“ der Parteien zu ermitteln (§ 133 BGB).129 Der Bestimmtheitsgrundsatz setze aber erst dann ein, wenn sich dem Gesellschaftsvertrag entnehmen lasse, dass die Gesellschafter allgemein auch für Vertragsänderungen Mehrheitsbeschlüsse genügen lassen wollten.130 Die Auslegung der Mehrheitsklausel sei an diesem Punkt in Wahrheit aber beendet:131 Es könne nicht bezweifelt werden, dass die Gesellschafter den Sammelbegriff „Vertragsänderungen“ richtig verstanden hätten. Bezweifelt werde auch vom BGH, z. B. in der Grundsatzentscheidung vom 12. 11. 1952132, lediglich, ob sich die Gesellschafter das Ausmaß der Mehrheitsunterwerfung angesichts der unübersehbaren unter den Sammelbegriff „Vertragsänderungen“ subsumierbaren Beschlussgegenstände vergegenwärtigt hätten.133 Dies rechtfertige aber nicht die Anwendung einer Auslegungsregel, die naturgemäß nur dann zur Anwendung komme, wenn die vorangegangene Auslegung der Parteivereinbarung zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt habe.134 128 Siehe etwa Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 254 ff.; Hadding, ZGR 1979, 636, 642; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 37; Kort, DStR 1993, 401, 403; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 2. a) (S. 411). Gegen die Qualifizierung des Bestimmtheitsgrundsatzes als Auslegungsregel im Ergebnis aber u. a. auch Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 41 f.); Mecke, BB 1988, 2258, 2261 f., die sich aber für eine Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes aussprechen. 129 Hadding, ZGR 1979, 636, 642. 130 Hadding, ZGR 1979, 636, 642. 131 Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 254; Hadding, ZGR 1979, 636, 642; Mecke, BB 1988, 2258, 2261; vgl. zum Argument, der Bestimmtheitsgrundsatz sei abzuschaffen, weil ein allgemein gehaltene Mehrheitsklausel eindeutig sei, auch unten § 4 VI. 2. a). 132 BGHZ 8, 35, 41 f. 133 Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 254.
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In diesem Sinne eindeutig sei aber eine Mehrheitsklausel, die allgemein Vertragsänderungen zulässt.135 Eine solche Klausel könne nur so verstanden werden, dass jede – und nicht nur jede nicht wesentliche – Vertragsänderung durch Mehrheitsbeschluss erfolgen könne. Da das Auslegungsergebnis eindeutig sei, komme ein Rückgriff auf eine Auslegungsregel wie den Bestimmtheitsgrundsatz nicht in Betracht.136 Es gehe daher beim Bestimmtheitsgrundsatz nicht um die Ermittlung des Inhalts der Mehrheitsklausel, sondern es werde mit dem Bestimmtheitsgrundsatz im Interesse des Minderheitenschutzes ein besonderes Erfordernis für die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips aufgestellt, das über die bloße Eindeutigkeit der Klausel hinausgehe. Ansonsten könnte dem Bestimmtheitsgrundsatz angeblich auch schon dadurch die Grundlage entzogen werden, dass die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auf seine Anwendung verzichten.137 Ein solcher Verzicht wäre womöglich schon in einem umfangreichen Beschlusskatalog zu sehen.138 Bei dem Bestimmtheitsgrundsatz handele es sich daher um eine Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags, die darauf gerichtet sei, die Gesellschafter vor sich selbst zu schützen.139 Der Bestimmtheitsgrundsatz schränke die Vertragsfreiheit ein. Nicht ohne Grund verweise die Rechtsprechung, z. B. in der Grundsatzentscheidung vom 12. 11. 1952140, für die Rechtfertigung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf § 138 Abs. 1 BGB und damit auf eine Norm, die anerkanntermaßen eine Grenze der Vertragsfreiheit darstelle.141 134
Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 254. So vor allem Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 41 f.); Mecke, BB 1988, 2258, 2261; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 90, die mit dieser Begründung die Abschaffung des Bestimmtheitsgrundsatzes fordern, dazu unten § 4 VI. 2. a). Vgl. aber auch M. Winter, GesRZ 1986, 74, 80. M. Winter geht a. a. O. offenbar auch davon aus, dass eine Mehrheitsklausel eindeutig ist, die z. B. für „jede denkbare Änderung des Gesellschaftsvertrags und auch für sonstige Beschlüsse ungewöhnlichen Inhalts“ einen Mehrheitsbeschluss zulässt, da er eine restriktive Auslegung dieser Klausel generell für ausgeschlossen hält. 136 Als Gebot restriktiver Auslegung soll der Bestimmtheitsgrundsatz außerhalb formaler Auslegungsregeln stehen, siehe MünchKomm z. BGB/Ulmer, 3. Aufl., § 709 Rdnr. 76 in Fn. 158b. 137 So allerdings nur Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715. Zur Frage, ob auf den Bestimmtheitsgrundsatz wirklich verzichtet werden kann, siehe unten § 4 VIII. 138 Kort, DStR 1993, 401, 403. Dem ist aber nicht zu folgen. Denn, wenn die Mehrheitsklausel einen langen Beschlussgegenstandskatalog enthält, wird man i. d. R. nur sagen können, dass die Gesellschafter die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes erfüllen, nicht aber, dass sie ihn gleichzeitig abbedingen wollen. 139 Hadding, ZGR 1979, 636, 642; so im Ergebnis auch Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 262: Bestimmtheitsanforderungen ergeben sich aus § 138 Abs. 1 BGB. 140 BGHZ 8, 35, 41. 141 Hadding, ZGR 1979, 636, 642. 135
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bb) Auslegungsregel Die h. A. in Rechtsprechung142 und Schrifttum143 versteht den Bestimmtheitsgrundsatz dagegen als eine Zusammenfassung spezifischer Auslegungsregeln für die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Mehrheitsklausel. Aufbauend auf dem Grundsatz, dass die Mehrheitskompetenz nicht weiter reichen könne als ihre Ermächtigung, verlange der Bestimmtheitsgrundsatz nicht mehr und nicht weniger, als dass der Beschluss eindeutig von der Ermächtigung gedeckt sei.144 Gegenstand der Auslegung sei die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel und Ziel der Auslegung sei es, ihre Reichweite zu ermitteln. Eine Mehrheitsklausel, die allgemein Vertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluss zulässt, ist nach dieser h. A. einschränkend auszulegen (§§ 133, 157 BGB).145 Eine solche Mehrheitsklausel sei nicht eindeutig, so dass die Auslegung beendet wäre. Der BGH führt dazu in seiner Grundsatzentscheidung vom 12. 11. 1952146 aus, „dass eine unbeschränkte Unterwerfung der Minderheit unter den Willen der Mehrheit, soweit sie sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten hält (§ 138 BGB), der besonders sorgfältigen Prüfung bedarf, ob auch wirklich der erklärte Wille der Gesellschafter bei der Vielgestaltigkeit und der weit tragenden Bedeutung der in Betracht kommenden Beschlussgegenstände jeden dieser Gegenstände erfasst hat.“ Daher müsse sich aus dem Gesellschaftsvertrag 142 BGHZ 8, 35, 42; 48, 251, 253; BGH, WM 1973, 100, 101; BayObLG, ZIP 2005, 164, 166; wohl auch BGHZ 85, 350, 356. A. A. aber Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 37 ff. (insbesondere S. 65; 78 f.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 2. a) (S. 411), die zu Unrecht behaupten, die höchstrichterliche Rechtsprechung behandele den Bestimmtheitsgrundsatz als unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes. Dazu steht vor allem die Grundsatzentscheidung des BGH vom 12. 11. 1952, BGHZ 8, 35, 41 f. in Widerspruch, wonach die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Mehrheitsermächtigung eindeutig als Auslegungsproblem behandelt wird. Vgl. aber auch BGHZ 85, 350, 356, wo betont wird, dass es ausreicht, dass sich durch Auslegung die unzweideutige Erstreckung der Mehrheitsklausel auf den konkreten Beschlussgegenstand ergibt. 143 Siehe etwa Brändel, in FS Stimpel, S. 95, 103; Coing, ZGR 1978, 659, 673; Dürrschmidt, JuS 1997, 15, 17; Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 34; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 78 f.; Fischer, in FS Barz, S. 33, 41, Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 162, 223; Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 110; Hermanns, ZGR 1996, 103, 106; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 7 II. 5. (S. 73); Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 375; Marburger, NJW 1984, 2252, 2256 f.; Martens, DB 1973, 413, 414; Schlegelberger/ders. § 119 Rdnr. 17; Menk, Verhältnis Bestimmtheitsgrundsatz zur Kernbereichslehre, S. 38; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 218; Spengler, in FS Möhring, S. 165, 175; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 29; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 37; wohl auch Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 11; Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 30. Vgl. eingehend zum Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel aber auch Schulte, Schrankenproblematik, S. 176 ff., 198 ff., 224. 144 Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 11; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 218. 145 Vgl. A. Hueck, OHG, § 11 IV. (S. 177 ff.). 146 BGHZ 8, 35, 41 f.
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zweifelsfrei ergeben, dass das Mehrheitsprinzip auch für den konkreten Beschlussgegenstand gelte. d) Eigene Stellungnahme Die h. A. versteht den Bestimmtheitsgrundsatz zu Recht als Auslegungsregel, die sich auf die Bestimmung der Reichweite der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsermächtigung zu beschränken hat. Der Bestimmtheitsgrundsatz will nicht die Privatautonomie bzw. die Vertragsfreiheit der Gesellschafter einschränken, soweit das Mehrheitsprinzip in Frage steht. Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz gelten vielmehr folgende Auslegungsregeln: 1. Eine Mehrheitsklausel erfasst im Zweifel nur Fragen der laufenden Geschäftsführung, nicht aber Vertragsänderungen. 2. Für Vertragsänderungen gilt die Mehrheitsklausel in der Regel nur, wenn dies im Gesellschaftsvertrag hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist. 3. Mehrheitsbeschlüsse über außergewöhnliche Vertragsänderungen schließlich sind im Zweifel nur dann zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag eindeutig die mehrheitliche Beschlussfassung über den betreffenden Gegenstand zulässt. Dafür spricht auch die oben wiedergegebene Argumentation derjenigen Autoren, die den Bestimmtheitsgrundsatz als unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes ansehen und seine Abschaffung mit der Begründung befürworten, dass er sich nicht auf die Bestimmung der Reichweite der Mehrheitsklausel beschränke, sondern zu einer verdeckten Inhaltskontrolle führe.147 Diese Argumentation ist im Ergebnis unlogisch, denn einerseits wird der Bestimmtheitsgrundsatz als unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes angesehen und andererseits genau deshalb die Abschaffung des Bestimmtheitsgrundsatzes befürwortet. Es kann beim Bestimmtheitsgrundsatz nicht um mehr als die Forderung nach der Eindeutigkeit der vertraglichen Mehrheitsermächtigung gehen. Wenn sich durch Auslegung unzweideutig die Erstreckung der Mehrheitskompetenz auf einen bestimmten Beschlussgegenstand ergibt, ist die formale Kompetenzkontrolle für den die Minderheit belastenden Beschlussgegenstand beendet. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist kein Instrument der Inhaltskontrolle. Wenn die 147 Von den Autoren, die den Bestimmtheitsgrundsatz als bindende Formalregel des Minderheitenschutzes ansehen, sprechen sich u. a. Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 41 f.); Hadding, ZGR 1979, 636, 644; Mecke, BB 1988, 2258, 2261 f. im Ergebnis für die Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes aus. Siehe zum Argument, der Bestimmtheitsgrundsatz sei abzuschaffen, weil er zu einer verdeckten Inhaltskontrolle des Beschlusses führe, auch unten § 4 VI. 2. f).
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Mehrheitsklausel eindeutig ist, ist für den Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel kein Raum. Zu prüfen ist folglich, ob einer Mehrheitsklausel, die ihrem Wortlaut nach allgemein für jede Art von Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip vorsieht, im Wege restriktiver Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ein gegenüber dem Wortlaut eingeschränkter Sinn beizumessen ist. Die Auslegung hat dabei am Wortlaut der Mehrheitsklausel anzusetzen.148 Der Wortlaut der Mehrheitsklausel ist (scheinbar) eindeutig. Er sieht allgemein, ohne eine einschränkende Formulierung, für jede Änderung des Gesellschaftsvertrags das Mehrheitsprinzip vor. Falsch wäre es aber, an dieser Stelle, wie von Grunewald und anderen vorgeschlagen,149 die Auslegung abzubrechen. Denn mit der Würdigung des Wortlauts der Mehrheitsklausel ist nur der erste Schritt der Auslegung vollzogen worden, die Auslegung ist aber nicht beendet. § 133 BGB verbietet es ausdrücklich, „am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften zu bleiben.“ Die bloße Buchstabeninterpretation von Mehrheitsklauseln ist verboten.150 Daher ist eine Auslegungsbedürftigkeit der Mehrheitsklausel trotz des (scheinbar) eindeutigen Wortlauts im Wege der Auslegung151 zu bejahen.152 Die Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen ist einschränkend auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Ansatzpunkt für eine solche einschränkende Auslegung ist, dass eine entsprechende Mehrheitsklausel als sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) zu beurteilen wäre, da die Unterwerfung der Minderheit unter den Mehrheitswillen zu weit ginge.153 Es ist nach allgemeiner Ansicht154 mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar, dass sich die Minderheitsgesellschafter für jede Art von Vertragsänderungen umfassend der Mehrheitsherrschaft ausliefern. 148 Vgl. BGH, NJW 1995, 1212, 1213; 1998, 2966; 2001, 144; 2535 jeweils m. w. N.; Hk-BGB/Dörner § 133 Rdnr. 4; Palandt/H. Heinrichs § 133 Rdnr. 14; MünchKomm z. BGB/Mayer-Maly/Busche § 133 Rdnr. 52; zum Folgenden auch Röttger, Kernbereichslehre, S. 151 ff. 149 Nachweise oben § 4 Fn. 135. 150 Zum Verbot der Buchstabeninterpretation siehe nur BGH, NJW 2002, 1260, 1261; Palandt/H. Heinrichs § 133 Rdnr. 14; MünchKomm z. BGB/Mayer-Maly/Busche § 133 Rdnr. 51. 151 Es ist wohl unstreitig, dass die Frage, ob eine Mehrheitsklausel eindeutig oder bloß scheinbar eindeutig ist, eine Auslegungsfrage ist, vgl. etwa Hk-BGB/Dörner § 133 Rdnr. 3; Palandt/H. Heinrichs § 133 Rdnr. 6; MünchKomm z. BGB/MayerMaly/Busche § 133 Rdnr. 46. 152 Vgl. dazu, dass der Wortlaut keine starre Grenze für die Auslegung ist, BGHZ 86, 41, 46; BGH, NJW-RR 1996, 1458; NJW 2002, 1260, 1261; BayObLG, NJW-RR 1997, 329 f.; Brox, BGB AT, Rdnr. 127; Hk-BGB/Dörner § 133 Rdnr. 3; Palandt/H. Heinrichs § 133 Rdnr. 6; MünchKomm z. BGB/Mayer-Maly/Busche § 133 Rdnr. 46; Erman/Palm § 133 Rdnr. 11: im Grunde ist daher jede Willenserklärung auslegungsbedürftig. 153 So im Ansatz auch Röttger, Kernbereichslehre, S. 153.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Daher kann den Gesellschaftern nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) nicht unterstellt werden, dass sie sich angesichts der zahllosen und weit reichenden Beschlussgegenstände, die unter den Begriff „Vertragsänderung“ subsumierbar sind, schrankenlos der Mehrheitsmacht unterwerfen wollten. Der mutmaßliche vernünftige Wille der Parteien geht nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) nicht dahin, mit einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel umfassende Regelungsbefugnisse an die Mehrheit zu delegieren. Nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) ist die Mehrheitsklausel vielmehr so auszulegen, dass ihre Einstufung als sittenwidrig vermieden wird.155 Typischerweise werden die Gesellschafter also, wenn sie dem Wortlaut nach pauschal für Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip vorsehen, nur gewöhnliche Vertragsänderungen im Auge haben. Zweck der Mehrheitsklausel ist es nicht, global für alle nur denkbaren Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip einzuführen.156 Die restriktive Auslegung der Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen ist auch wegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) geboten.157 Der Gesetzgeber räumt mit dem Einstimmigkeitsprinzip dem Schutzinteresse des Einzelnen grundsätzlich den Vorrang vor den Veränderungsinteressen der Mehrheit ein. Er betrachtet die Geltung des Mehrheitsprinzips bei Personengesellschaften als gefahrvoll.158 Bei einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen ist daher auch aus diesem Grund besondere Zurückhaltung geboten. Sie kann nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) nicht ohne weiteres so verstanden werden, dass sie jede weit reichende Vertragsänderung durch Mehrheitsbeschluss zulässt. Auch angesichts der gesetzgeberischen Wertentscheidung für das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) ist die Mehrheitsklausel somit typischerweise nur vom Wortlaut her eindeutig. Es blei154 Siehe dazu, dass eine Mehrheitsklausel nicht zu einer schrankenlosen Mehrheitsmacht führen darf, oben § 2 II. 1. a) m. N. Grundsätzlich ist die Mehrheitsklausel auch für Vertragsänderungen indes nicht sittenwidrig; siehe oben § 2 II. 2. 155 Vgl. dazu, dass, wenn mehrere Auslegungen in Betracht kommen, nach Treu und Glauben i. d. R. diejenige geboten ist, die die Nichtigkeit der Klausel vermeidet, BGH, NZG 2005, 593, 594; Erman/Armbrüster § 157 Rdnr. 7; MünchKomm z. BGB/ Mayer-Maly/Busche § 157 Rdnr. 13; ferner Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung, S. 31 ff., der auch den Bestimmtheitsgrundsatz als Gebot einschränkender Auslegung von Mehrheitsklauseln versteht: Der Bestimmtheitsgrundsatz sei „eine spezielle Ausprägung der nichtigkeitsvermeidenden Interpretation“ im Recht der OHG. 156 Vgl. dazu, dass bei der Prüfung, ob eine Vertragsklausel eindeutig ist, vor allem auch der mit der Klausel verfolgte Zweck beachtlich ist, BGHZ 2, 379, 385; 20, 109, 110; Hk-BGB/Dörner § 133 Rdnr. 5; Palandt/H. Heinrichs § 133 Rdnr. 18. 157 Die gesetzgeberische Grundentscheidung für das Einstimmigkeitsprinzip prägt maßgeblich die gesamte hier bestehende Interessenlage der Parteien. Vgl. dazu, dass die Interessenlage der Parteien Maßstab dafür ist, ob eine Klausel wirklich oder nur scheinbar eindeutig ist, BGHZ 21, 319, 328; BGH, NJW 2000, 2099; 2002, 440; 1260, 1261; Hk-BGB/Dörner § 133 Rdnr. 5; Palandt/H. Heinrichs § 133 Rdnr. 18. 158 So auch BFH, NJW 2001, 1086, 1088; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 37.
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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ben Zweifel, ob sich die Minderheit tatsächlich auch für ungewöhnliche Vertragsänderungen des Schutzes des Einstimmigkeitsprinzips begeben und einer Mehrheitsentscheidung unterwerfen wollte. Der Bestimmtheitsgrundsatz reduziert eine Mehrheitsklausel, die sich vom Wortlaut her allgemein auf Änderungen des Gesellschaftsvertrags bezieht, somit zu Recht im Wege der einschränkenden Auslegung auf den gegenüber der Sittenwidrigkeitsschranke des § 138 Abs. 1 BGB haltbaren Kern, der nur gewöhnlichen Vertragsänderungen. Der Bestimmtheitsgrundsatz steht damit im Einklang mit der gesetzeskonformen Auslegung von Rechtsgeschäften, wonach im Zweifel der Auslegung der Vorzug gebührt, die die Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der Mehrheitsklausel vermeidet.159 Eine methodische Alternative zur einschränkenden Auslegung der Mehrheitsklausel i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes wäre nur die Klausel insgesamt für sittenwidrig und nichtig zu erklären und sodann zu prüfen, ob sie geltungserhaltend auf den gegenüber § 138 Abs. 1 BGB haltbaren Kern reduziert werden könnte.160 Indes verbietet sich diese Vorgehensweise, soweit die Mehrheitsklausel i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes einschränkend ausgelegt werden kann, da die Klausel dann nicht für nichtig erklärt werden kann. Endlich spricht für die einschränkende Auslegung von Mehrheitsklauseln i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes, dass nur dann, wenn die Gesellschafter unzweideutig die Erstreckung der Mehrheitskompetenz auf einen bestimmten Beschlussgegenstand vorgesehen haben, sichergestellt ist, dass die Gesellschafter kraft der ihnen bei der Ausgestaltung ihres Gesellschaftsverhältnisses zustehenden Vertragsfreiheit den Beschlussgegenstand zur mehrheitlichen Beschlussfassung freigegeben haben.161 Hinter den Bestimmtheitsgrundsatz geschaltet ist dann aber noch die Ausübungskontrolle anhand der Kernbereichslehre, dem Treupflichtgedanken und dem Gleichheitssatz.162 2. Nur formale Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses Fraglich ist, inwieweit die im Bestimmtheitsgrundsatz zusammengefassten Auslegungsregeln für die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel die Minderheit vor vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen schützen können. Für die Be-
159 Vgl. zur gesetzeskonformen Auslegung von Rechtsgeschäften BGHZ 134, 325, 329; BGH, NJW 2003, 819, 820 rechte Spalte oben; Palandt/H. Heinrichs § 133 Rdnr. 24; MünchKomm z. BGB/Mayer-Maly/Busche § 133 Rdnr. 56. 160 Röttger, Kernbereichslehre, S. 153. 161 So zutreffend A. Hueck, OHG, § 11 IV. (S. 178); Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31. 162 In diesem Sinne Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31; ders., in FS BGH, S. 245, 265.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
antwortung dieser Frage hat erneut der Bedeutungsgehalt der Mehrheitsklausel maßgebliche Relevanz. a) Darstellung der h. A., wonach der Bestimmtheitsgrundsatz nur zu einer formalen Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses führt Nach ganz h. A.163 führt der Bestimmtheitsgrundsatz nur zu einer formalen Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses, weil auch die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips selbst in aller Regel keine materiell rechtliche Bedeutung habe, sondern mit der Mehrheitsklausel allein eine Ermächtigungsgrundlage für spätere Mehrheitsbeschlüsse geschaffen werde. K. Schmidt spricht insoweit sogar davon, dass der Bestimmtheitsgrundsatz auf die „Banalität“ zurückzuführen sei, dass die Mehrheitskompetenz nicht weiter reichen könne als ihre Ermächtigung.164 Die Diskussion um den Bestimmtheitsgrundsatz befasse sich allein mit der Frage, welcher Art die Grenzen seien, die dieser Grundsatz der Ermächtigung setzt.165 Unter Zugrundelegung dieser h. A. stellt der Bestimmtheitsgrundsatz eine allein formelle Voraussetzung wirksamer Mehrheitsentscheidungen auf: Die Bestimmtheit der Mehrheitsermächtigung. Der notwendige inhaltliche Schutz der Minderheitsgesellschafter gegen in ihre Rechte eingreifende Mehrheitsbeschlüsse sei von diesen rein formellen Mehrheitsvoraussetzungen zu unterscheiden.166 Materiellen Minderheitenschutz 163 Siehe grundlegend Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 387; ferner von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 127; Dürrschmidt, JuS 1997, 15, 16; Hadding, ZGR 1979, 636, 643; Hermanns, ZGR 1996, 103, 106; Hopt in Baumbach/ Hopt § 119 Rdnr. 37; Kellermann, DNotZ 1989, Heft 13, 89, 93 f.; Mecke, BB 1988, 2258, 2262; Michalski, WiB 1997, 1, 7; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 33; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c) (S. 455); ders., ZHR 158 (1994), 205, 214, 215 ff., 224; ders., JZ 1995, 313, 314. Im Ergebnis auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 53, der aber die Begrifflichkeit der h. A. kritisiert. Späth (Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 26) argumentiert, dass es nicht richtig ist, dass der Bestimmtheitsgrundsatz zu einer formalen Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses führt, da der Mehrheitsbeschluss nicht Gegenstand der Kontrolle ist. Dieser Einwand überzeugt nicht. Anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes wird mittelbar auch der Mehrheitsbeschluss kontrolliert. Es geht darum, ob die Mehrheit eine ausreichende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung für den konkreten Beschlussgegenstand hat. 164 K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 215. 165 K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 215. 166 Zur Notwendigkeit des ergänzenden Schutzes durch andere Institute vgl. von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 127; Kellermann, DNotZ 1989, Heft 13, 89, 93 f.; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 224 f.; Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. a) (S. 302). Zur beschränkten Schutzwirkung des Bestimmtheitsgrundsatzes vgl. vor allem K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 224; Marburger, NJW 1984, 2252, 2257, der darauf hinweist,
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könne der Bestimmtheitsgrundsatz bei der heutigen Vertragsgestaltungspraxis, die alle möglichen Beschlussgegenstände in der Mehrheitsklausel aufliste, nicht gewähren.167 Der inhaltliche Schutz des Minderheitsgesellschafters richte sich vor allem nach der Kernbereichslehre, der gesellschafterlichen Treuepflicht und dem Gleichbehandlungsgrundsatz. b) Eigene Stellungnahme Für die Frage, welche Schutzwirkung der Bestimmtheitsgrundsatz hat, ist davon auszugehen, dass die Mehrheitsklausel eine bloße Verfahrensregel ist (Verfahrensregeltheorie). Dies wurde oben bereits ausführlich begründet.168 Entgegen den vor allem früher vertretenen Ansichten hat die Mehrheitsklausel grundsätzlich keine materiell rechtliche Bedeutung, etwa in der Form einer antizipierten Zustimmung oder in der Einräumung eines Gestaltungsrechts an die beschließende Mehrheit. Als Verfahrensregel bezieht sich die Mehrheitsklausel grundsätzlich nur auf das Verfahren der Beschlussfassung.169 Damit dienen – logisch zwingend – auch die spezifischen Auslegungsregeln des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Mehrheitsklausel lediglich der Klärung der Verfahrensfrage, ob die Mehrheit eine hinreichende Kompetenz zur Beschlussfassung hat oder aber ob gemäß §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB Einstimmigkeit erzielt werden muss (Kompetenzkontrolle). Anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes wird der Mehrheitsbeschluss daraufhin kontrolliert, ob er sich im Gesellschaftsvertrag auf eine hinreichende Ermächtigung stützen kann. Der Bestimmtheitsgrundsatz allein vermittelt damit keinen effektiven und ausreichenden Schutz der Minderheit. Vielmehr können die im Bestimmtheitsgrundsatz zusammengefassten Auslegungsregeln die Mehrheitsentscheidung nur formell legitimieren. Die beschränkte, allein formelle Schutzwirkung des Bestimmtheitsgrundsatzes liegt auf der Hand170: In der heutigen Vertragspraxis ist es üblich, alle nur denkbaren Beschlussgegenstände als Gegenstand von Mehrheitsbeschlüssen in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Im Extremfall könnte die Mehrheitsklausel entsprechend dem hier aufgestellten Beschlussgegenstandskatalog171 folgenden Inhalt haben: „Alle das Gesellschaftsverhältnis dass trotz Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes die Frage nach den absoluten Schranken der Mehrheitsherrschaft bleibt. Zu dieser Frage wird später im Rahmen der Kernbereichslehre Stellung genommen, vgl. unten § 5 IV. 1. 167 So namentlich K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 224 ff. Dies sieht wohl aber auch die Rechtsprechung so. Gleichwohl hebt sie den Schutzcharakter des Bestimmtheitsgrundsatzes hervor, vgl. BGHZ 85, 350, 356; BayObLG, ZIP 2005, 164, 166; so auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. a) (S. 302). 168 Siehe oben § 4 IV. 169 Die Mehrheitsklausel ist als bloße Verfahrensregel grundsätzlich „wertneutral“, siehe oben § 4 IV. 3. 170 K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 224.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
betreffenden Beschlüsse einschließlich jeder Vertragsänderung, jeder Beitragserhöhung, jeder Änderung des Gesellschaftszwecks . . . können von den Gesellschaftern mit einfacher Mehrheit gefasst werden“.172 Es ist evident, dass der Bestimmtheitsgrundsatz bei einer solchermaßen präzisen Mehrheitsklausel die Minderheit nicht effektiv und ausreichend schützen kann.173 Angesichts dieser beschränkten, allein formellen Schutzwirkung des Bestimmtheitsgrundsatzes ist die Notwendigkeit eines ergänzenden materiellen Minderheitenschutzes durch andere Institute, wie insbesondere die Kernbereichslehre, offenbar. c) Zwischenergebnis Die im Bestimmtheitsgrundsatz zusammengefassten Auslegungsregeln schützen die Minderheit allein in formeller Hinsicht. Die Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses durch den Bestimmtheitsgrundsatz beschränkt sich auf die Frage, ob die Mehrheit eine ausreichende Kompetenz zur Beschlussfassung hat. Der Bestimmtheitsgrundsatz muss durch andere Schutzinstitute ergänzt werden, die die Minderheit in materieller Hinsicht schützen. 3. Der Bestimmtheitsgrundsatz ein Katalogprinzip? Neuerdings wird auch diskutiert, ob der Bestimmtheitsgrundsatz ein Katalogprinzip ist. In dieser Diskussion geht es um die Frage, ob der Bestimmtheitsgrundsatz zur Aufnahme eines abschließenden Katalogs möglicher Beschlussgegenstände in den Gesellschaftsvertrag zwingt (Katalogprinzip). Davon geht offenbar Renkl174 aus, der meint, der Vertrag müsse die Beschlussgegenstände umreißen, über die mit Mehrheit beschlossen werden kann. a) Der Bestimmtheitsgrundsatz ist kein Katalogprinzip Dagegen hat insbesondere K. Schmidt darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes ist, dafür zu sorgen, dass die Gesellschafter die einzelnen Beschlussgegenstände, für die Mehrheitsbeschlüsse ausreichen sollen, akribisch genau in der Mehrheitsklausel auflisten.175 Ein solcher Beschlussgegenstandskatalog in der Mehrheitsklausel sei entbehrlich.176 171
Siehe oben § 4 III. Vgl. K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 224. 173 Darauf weist zutreffend auch K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 224 hin; so besonders deutlich aber auch Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 42); dies., Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, S. 285 f., die daher für eine Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft eintritt, dazu ausführlich unten § 4 VI. 1. b). 174 Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 102 m. w. N. 172
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Dieser im Vordringen befindlichen Ansicht ist zuzustimmen. Die Katalogpraxis der Kautelarjurisprudenz, die alle erdenklichen Beschlussgegenstände in die Mehrheitsklausel aufnimmt, ist nicht zwingend. Der BGH hat es gleich mehrfach ausreichen lassen, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag der Wille der Gesellschafter zur mehrheitlichen Beschlussfassung für den konkreten Beschlussgegenstand unzweideutig durch Auslegung ergibt.177 Als signifikantes Beispiel dafür ist insbesondere auch die Grundsatzentscheidung des BGH vom 12. 11. 1952 zum Bestimmtheitsgrundsatz178 zu nennen. In dieser Grundsatzentscheidung nahm der BGH an, dass sich der Wille der Gesellschafter, auch für den konkreten Umwandlungsbeschluss mit Mehrheit entscheiden zu wollen, aus dem in zahlreichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck desselben sowie aus der Berücksichtigung der dort gegebenen besonderen Umstände ergab. Auch aus der Auslegung des Gesellschaftsvertrags kann sich daher die Geltung des Mehrheitsprinzips für den konkreten Beschlussgegenstand ergeben.179 b) Überflüssigkeit der Beschlussgegenstandskataloge? Zu erörtern bleibt aber die Frage, ob die Beschlussgegenstandskataloge der Kautelarpraxis aus anwaltlicher Sicht damit überflüssig sind oder ob sie vielleicht doch eine gewisse Berechtigung für sich in Anspruch nehmen können. Sollte der Rechtsberater, wie es bei K. Schmidt180 anklingt, seinem Mandanten davon abraten, einen Katalog möglicher Beschlussgegenstände in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, wenn er die möglichst weitgehende Geltung des Mehrheitsprinzips will? Sollte man der Einfachheit halber, wie K. Schmidt vorschlägt, in Zukunft besser nur auf das GmbH-Recht verweisen?181 Beide aufgeworfenen Fragen dürften zu verneinen sein182: Die Kautelarjurisprudenz scheint gut beraten, auch in Zukunft die möglichen Beschlussgegen175 K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 206 ff.; K. Schmidt folgend von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 124; Goette, in FS Sigle, S. 145, 159, der darauf hinweist, der Gesellschaftsvertrag müsse nicht unbedingt die „Zauberworte“ (gemeint sind die einzelnen Beschlussgegenstände) enthalten; Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1132. 176 K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 206. 177 BGHZ 8, 35, 43 f.; 85, 350, 356. 178 BGHZ 8, 35, 43 f. 179 Siehe zuletzt auch BayObLG, ZIP 2005, 164, 166. 180 A. a. O. oben § 4 Fn. 176. 181 Ein Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Mehrheitsklausel findet sich bei K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 207. 182 Für die Auflistung der möglichen Beschlussgegenstände im Gesellschaftsvertrag im Ergebnis auch Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 67; Knöchlein, DNotZ
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stände möglichst detailliert in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Als Vorbild mag der hier aufgestellte Katalog ungewöhnlicher Vertragsänderungen i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes dienen.183 Die Beschlussgegenstandskataloge haben aus anwaltlicher Sicht durchaus ihre Berechtigung. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung legt Mehrheitsklauseln im Zweifel eng aus.184 Dies darf bei einer vorausschauenden Vertragsgestaltung nicht unberücksichtigt bleiben. Zur Streitvermeidung empfiehlt sich bei der Abfassung der Mehrheitsklausel eine klare Sprache.185 Im Einzelfall kann es zu unnötigen, kostspieligen Prozessen führen, wenn sich die überstimmte Minderheit gegenüber der Mehrheit darauf beruft, der Gesellschaftsvertrag weiche für den konkreten Beschlussgegenstand nicht hinreichend deutlich vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) ab.186 Die Verwendung einer klaren Sprache überfordert die Verfasser von Vertragsurkunden auch nicht,187 da die wichtigsten gängigen Handbücher188 und Kommentare189 entsprechende, wenn auch nicht immer ganz vollständige, Kataloge von ungewöhnlichen Vertragsänderungen aufgestellt haben. Schließlich entsteht durch die Auflistung der Beschlussgegenstände in der Mehrheitsklausel aber auch niemandem ein Nachteil. Die Gerichte legen Mehrheitsklauseln, die einen Beschlussgegenstandskatalog enthalten, nicht dahingehend aus, dass die Auflistung des einen Beschlussgegenstands in der Mehrheitsklausel der Ausschluss des anderen Beschlussgegenstands ist („expressio unius est exclusio alterius“).190 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass der mit der Vorbereitung des Vertrags befasste Rechtsanwalt oder Notar gut beraten scheint, die möglichen Beschlussgegenstände, die dem Mehrheitsprinzip unterliegen sollen, in der Mehrheitsklausel aufzulisten. 1996, 481, 482; Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1133; Plückelmann in MAH Personengesellschaftsrecht § 4 Rdnr. 16; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 101. 183 Siehe oben § 4 III. 184 Darauf weisen in diesem Zusammenhang zu Recht auch Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1133 hin. 185 Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1133; ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. a) (S. 302): Der Bestimmtheitsgrundsatz diene dem Rechtsfrieden, da er eine klare Aussage zur Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen in Personengesellschaften verlange. 186 In diesem Sinne auch Merkel, NJW 1968, 1366, 1367. 187 A. A. aber K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 206. 188 Sauter, in Hdb. Personengesellschaften, § 2 Rdnr. 61 (aber unvollständig). 189 Vgl. MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 78; Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 11 (aber unvollständig); Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38 a. E.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 85. Vgl. auch den hier oben § 4 III. aufgestellten Katalog von ungewöhnlichen Vertragsänderungen. 190 Vgl. nur die oben § 4 V. 3. a) dargelegte Grundsatzentscheidung des BGH vom 12.11.1952.
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4. Zusammenfassende Würdigung der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes Der Bestimmtheitsgrundsatz ist auf seine eigentliche Funktion zu reduzieren. Es geht bei dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht um antizipierte Zustimmungen der Minderheit zu Vertragsänderungen oder Gestaltungsbefugnisse der Mehrheit, sondern allein um die formelle Frage, ob die Mehrheit eine hinreichende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung für den gefassten Mehrheitsbeschluss hat und damit um eine Kompetenzfrage. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Mehrheitsklausel selbst lediglich eine Verfahrensregel ist. Für die Beantwortung dieser Kompetenzfrage stellt der Bestimmtheitsgrundsatz spezifische Auslegungsregeln auf. Es geht, wie der BGH ausgeführt hat,191 beim Bestimmtheitsgrundsatz um die „besonders sorgfältige Nachprüfung“, ob die Minderheit sich für den konkreten Beschlussgegenstand auch tatsächlich der Mehrheit unterworfen hat. Die restriktiven Auslegungsregeln des Bestimmtheitsgrundsatzes berücksichtigen dabei, dass das Gesetz im Grundsatz vom Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) ausgeht und eine uneingeschränkte Unterwerfung der Minderheit unter den Willen der Mehrheit daher nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) in aller Regel nicht gewollt sein kann. Sie wäre im Übrigen auch sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB). Angesichts der Rechtsprechungspraxis, Mehrheitsklauseln einschränkend auszulegen, ist die Kautelarjurisprudenz gut beraten, einen Katalog von Beschlussgegenständen in die Mehrheitsklausel aufzunehmen, auch wenn der BGH den Bestimmtheitsgrundsatz nicht als zwingendes Katalogprinzip handhabt.
VI. Beibehaltung, Aufgabe oder weitere Einschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes Nachdem nun geklärt ist, dass der Bestimmtheitsgrundsatz eine allein formelle Schranke für Mehrheitsbeschlüsse ist, soll im Folgenden auf die vom BGH in seiner Entscheidung vom 10. 10. 1994192 aufgeworfene, aber bislang offen gelassene Frage, ob der Bestimmtheitsgrundsatz beizubehalten, aufzugeben oder in Zukunft auf den Kernbereich der Mitgliedschaft zu beschränken ist, eingegangen werden. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit der umfangreichen Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz. 191 BGHZ 8, 35, 41; vgl. aber auch BGHZ 48, 251, 253, wonach angesichts der unübersehbaren Möglichkeiten von Gesellschaftsvertragsänderungen nicht ohne weiteres von einer uneingeschränkten Unterwerfung der Minderheit unter den Willen der Mehrheit ausgegangen werden kann. 192 BGH, NJW 1995, 194.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
1. Die Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz Wie der BGH in seiner Fragestellung bereits angedeutet hat, zielt die Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz193 entweder auf eine völlige Aufgabe oder aber auf eine weitere Einschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes, nämlich auf den Kernbereich der Mitgliedschaft. Im Folgenden sollen daher zunächst die beiden unterschiedlichen Alternativkonzepte der Kritiker getrennt untersucht werden [dazu folgend a)–b)]. Deutlich gemacht werden soll, welche Relevanz die Kritik hat und welche Konsequenzen mit ihr verbunden sind. Dabei soll auch geprüft werden, ob die Alternativkonzepte überzeugen [dazu a) cc)–gg); b) cc)]. Erst anschließend soll zu den Argumenten derjenigen, die die Aufgabe oder aber die weitere Einschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes fordern, im Einzelnen Stellung genommen werden (dazu 2.). a) Die Forderung nach einer Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes und die damit verbundenen Auswirkungen aa) Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes Zunehmend wird die völlige Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes gefordert.194 Der Schutz der Minderheit gegenüber vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen sei durch andere Institute zu gewährleisten. Vorgeschlagen wird dafür entweder die Kernbereichslehre195 oder die gesellschafterliche Treuepflicht196 oder eine materielle Beschlusskontrolle anhand von § 138 BGB197 oder der 193
Vgl. bereits oben § 1 I. m. N. Siehe etwa Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 61 ff.; Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 247; Soergel/Hadding § 709 Rdnr. 41; ders., ZGR 1979, 636, 646; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 274.; Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 407; Koller in Koller/Roth/Morck § 119 Rdnr. 9; Mecke, BB 1988, 2258 + 2263; ders., ZHR 153 (1989), 35, 43; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 87 ff.; Staub/ders. § 119 Rdnr. 38 f.; ders., ZHR 161 (1997), 102, 122 f.; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 82; in der Sache auch für eine völlige Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes Brändel, in FS Stimpel, S. 95, 104; für die Familien KG auch Barbasch, Familien-KG, S. 76. 195 So vor allem MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 90 f.; ders., ZHR 161 (1997), 102, 122; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 82; wohl auch Langenfeld, Hdb. Familienunternehmen, I/Rdnr. 20.5: tatsächlich zweifelhaft, welche Funktion der Bestimmtheitsgrundsatz noch neben der Kernbereichslehre habe. Für die Ersetzung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Kernbereichslehre aber auch Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 73 ff., 247, der wie Ulmer und Winter neben der Kernbereichslehre aber auch die Treuepflicht verstärkt anwenden will. 196 So vor allem Fischer, in FS Barz, S. 33, 47; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715 ff.; und aus jüngster Zeit Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 278 f., S. 340 ff.; Roth, JBl 2005, 80 ff.; vgl. dazu, dass die Treuepflicht bei der Beschlusskontrolle stärkere Beachtung finden sollte, auch schon oben § 1 I. 194
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Gleichbehandlungsgrundsatz198 oder die parallele Anwendung dieser Schutzinstitute.199 bb) Konsequenzen einer Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes Folge der völligen Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes wäre, dass die Prüfung der vertraglichen Ermächtigung der Gesellschafter zu Mehrheitsbeschlüssen unter Einschluss von Vertragsänderungen als Teil des normalen Vorgangs der Vertragsauslegung nach den hierfür geltenden Auslegungskriterien zu behandeln wäre.200 Demzufolge würde eine Kompetenzkontrolle nicht stattfinden, wenn die Gesellschafter pauschal in Abweichung vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) das Mehrheitsprinzip vorgesehen haben. Eine Prüfung, ob die Mehrheitsklausel für den konkreten Beschlussgegenstand auch tatsächlich vom Einstimmigkeitsprinzip abweicht, fände in diesem Fall nicht statt. Grenze der Zulässigkeit der gesellschaftsvertraglichen Einführung des Mehrheitsprinzips wäre hier nur eine dahingehend verstandene Kernbereichslehre, die in einem bestimmten Kernbereich schon die Mehrheitsklausel für unwirksam hält201 sowie das Verbot schrankenloser Unterwerfung unter den Mehrheitswillen (§ 138 BGB). Verallgemeinernd kann man sagen, dass die Kompetenz der Mehrheit bei einer Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen werden würde, sondern nur die Ausübung dieser Kompetenz im Einzelfall (sog. Ausübungskontrolle). Die maßgebliche Schranke für Mehrheitsentscheidungen wäre diese Beschlusskontrolle. cc) Keine bloße Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses Die Beschränkung auf die Inhaltskontrolle von Mehrheitsentscheidungen (materielle Beschlusskontrolle) überzeugt bei den Personengesellschaften aber schon im Ansatz nicht.202 Würde man bei den Personengesellschaften wie bei den Kapitalgesellschaften allein eine solche materielle Beschlusskontrolle praktizieren, negierte man einen grundlegenden Unterschied zwischen den Personengesellschaften, bei denen das Mehrheitsprinzip nur kraft Vereinbarung gilt, und 197
So vor allem Soergel/Hadding § 709 Rdnr. 41; ders., ZGR 1979, 636, 647. Autenrieth, DB 1983, 1034, 1035. 199 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 61 ff., 73. 200 Vgl. Ulmer, ZHR 161 (1997), 102, 122 f., der der Sache nach den Bestimmtheitsgrundsatz in Wahrheit aber auf den Kernbereich der Mitgliedschaft beschränken will. 201 Dazu unten § 5 III. 1. b). 202 Dagegen auch Goette, in FS Sigle, S. 145, 156 ff., der in einem ersten Schritt die Klausel und in einem zweiten Schritt den Beschlussinhalt kontrollieren will. 198
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
den Kapitalgesellschaften, bei denen das Mehrheitsprinzip schon kraft Gesetzes (vgl. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 GmbHG sowie §§ 133, 179 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 AktG) gilt. Bei den Personengesellschaften ist folglich anders als bei den Kapitalgesellschaften auch eine Kontrolle der Kompetenzgrundlage erforderlich. Bei der Kontrolle der Kompetenzgrundlage ist zu prüfen, in welchem Umfang die Gesellschafter dem Veränderungs- den Vorrang vor dem Beharrungsinteressse einräumen wollten.203 Dem entspricht es, dass das Personengesellschaftsrecht grundsätzlich den Gesellschaftern selbst die Aufgabe zuweist, in privatautonomer Gestaltung festzulegen, dass und in welchem Umfang sie sich des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips begeben wollen, welches die Wahrung ihres Individualinteresses sichert.204 Dagegen würde bei einer Beschränkung auf die Inhaltskontrolle allein das Gericht anhand vager Kriterien den Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit entscheiden. Zudem würde die Beschränkung auf die Inhaltskontrolle der Mehrheitsentscheidung anhand von Treuepflichtkriterien wie „Geeignetheit“, „Erforderlichkeit“ und „Angemessenheit“ (Maßstab Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) zu Rechtsunsicherheit führen.205 Die Rechtsprechung müsste diese generalklauselartigen Begriffe erst noch konkretisieren. Die Ergebnisse wären daher nicht vorhersehbar. Demgegenüber kann sich die Kompetenzkontrolle am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes auf eine austarierte, ständige höchstrichterliche Rechtsprechung stützen, die sich an formal gesicherten Kategorien der Vertragsauslegung orientiert.206 Schließlich ist die Inhaltskontrolle für den Minderheitsgesellschafter insoweit nachteilig, dass er bei der Inhaltskontrolle im Einzelfall die Unzumutbarkeit und Rechtswidrigkeit des Mehrheitsbeschlusses darlegen und im Streitfall auch beweisen muss.207 Bei der Kompetenzkontrolle am Maßstab des Bestimmtheits203 Vgl. Goette, in FS Sigle, S. 145, 157 f., der in der Prüfung dieser Frage die Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes erblickt. 204 Dies betont auch Goette, in FS Sigle, S. 145, 157 f. 205 Darauf weisen zutreffend auch Goette, in FS Sigle, S. 145, 157; Marburger, NJW 1984, 2252, 2257; Schiessl, DB 1986, 735, 737 hin. 206 Marburger, ZGR 1989, 146, 150. 207 Ebenso Goette, in FS Sigle, S. 145, 158 f.; a. A. aber Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2 § 4 I. 3. d) (S. 307). Wiedemann hält auch im Rahmen der Inhaltskontrolle die Mehrheitsgesellschafter für beweispflichtig. Dies ergebe sich daraus, dass Mehrheitsbeschlüsse Ausnahmecharakter hätten. Es reiche daher aus, wenn der Minderheitsgesellschafter im Prozess vorträgt, dass seine Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Die Mehrheitsgesellschafter müssten dann das Gegenteil nachweisen. Gegen die Ansicht Wiedemanns spricht die Richtigkeitsgewähr, die Mehrheitsbeschlüssen grundsätzlich zukommt, zur Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen vgl. oben § 3 I.; unten § 7 III. 2. Mit dieser Richtigkeitsgewähr des Mehrheitsbeschlusses verträgt es sich nicht, dass die Mehrheit die ordnungsgemäße
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grundsatzes trifft ihn hingegen lediglich eine leicht zu erfüllende Darlegungslast. Dieser genügt der Minderheitsgesellschafter bereits dann, wenn er im Prozess geltend macht, das Einstimmigkeitsprinzip sei für den konkreten Beschlussgegenstand nicht wirksam außer Kraft gesetzt worden.208 Es ist dann Sache der Mehrheit zu beweisen, dass der Gesellschaftsvertrag auch für den in Rede stehenden Beschlussgegenstand vom gesetzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip abweicht.209 Der Bestimmtheitsgrundsatz ermöglicht insoweit also einen effektiveren Schutz der Minderheit. Festgehalten sei an dieser Stelle aber zunächst nur Folgendes: Die Inhaltskontrolle hat gegenüber der Kompetenzkontrolle auch Nachteile. Bei einer völligen Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes klaffte im effektiven System der Beschlusskontrolle eine Lücke. Der Schutz der Minderheit wäre ergänzungsbedürftig. dd) Besondere Lückenhaftigkeit des Minderheitenschutzes bei einer Beschränkung auf eine Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen am Maßstab von § 138 Abs. 1 BGB Besonders augenscheinlich wäre diese Lücke im System der Beschlusskontrolle, wenn man anstelle des Bestimmtheitsgrundsatzes lediglich auf die Sittenwidrigkeit des Mehrheitsbeschlusses abstellen wollte. Für eine solche materielle Beschlusskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB anstelle des Bestimmtheitsgrundsatzes spricht sich vor allem Hadding210 aus. Er argumentiert, dass § 138 BGB die Rechtsprechung, auch soweit Mehrheitsbeschlüsse bei Personengesellschaften zu prüfen sind, zu richterlicher Tatbestandsbildung ermächtigt.211 In dieser Tatbestandsbildung sei der Schutz der Minderheit bei Personengesellschaften gegenüber Mehrheitsbeschlüssen zu suchen. Dieses Alternativkonzept von Hadding ist aber besonderer Kritik ausgesetzt. Hadding übersieht, dass es sich bei § 138 Abs. 1 BGB um eine Norm handelt, die nur die ultima ratio sein kann, da sie schon vom Tatbestand her zu grobmaschig ist.212 Es bedarf in jedem Fall auch anderer Schranken, die bereits früher eingreifen. Dafür spricht vor allem auch, dass § 138 BGB im allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs steht und in der Tat anerkannt ist, dass die Interessenabwägung im Prozess beweisen muss. Der Mehrheitsbeschluss spricht grundsätzlich für sich. 208 So schon RGZ 151, 321, 327; vgl. aber auch Goette, in FS Sigle, S. 145, 158 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. a) (S. 302). 209 So ausdrücklich RGZ 151, 321, 327. 210 Siehe die Nachweise oben § 4 Fn. 197. 211 Hadding, ZGR 1979, 636, 647. 212 So auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 172 m. w. N.; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 291.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Schwelle der Sittenwidrigkeit sehr hoch anzusiedeln ist. § 138 Abs. 1 BGB ist nur dann einschlägig, wenn gegen die Grundprinzipien unserer Rechts- und Sittenordnung verstoßen wird.213 Bei der Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen kann daher nicht auf einmal ein strengerer Maßstab angelegt werden.214 Zwar hat auch der BGH in der Grundsatzentscheidung vom 12. 11. 1952 zum Bestimmtheitsgrundsatz, wo es um die Umwandlung einer Personengesellschaft durch Mehrheitsbeschluss ging, § 138 BGB herangezogen, um die grundsätzliche Zulässigkeit der Unterwerfung der Minderheit unter die Mehrheit zu prüfen,215 die Grenze der Sittenwidrigkeit erscheint aber dennoch nur als ultima ratio. ee) Keine Beschränkung auf eine Inhaltskontrolle am Maßstab der Treuepflicht Auch der Vorschlag, den Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen durch die Treuepflicht zu ersetzen, vermag nicht zu überzeugen. Die Treuepflicht ist nicht dazu geeignet, den Bestimmtheitsgrundsatz abzulösen.216 Das Problem des Minderheitenschutzes gegenüber Mehrheitsbeschlüssen lässt sich nicht allein mit dem konturlosen Treugedanken lösen, weil dann die Prozessrisiken nicht hinreichend überschaubar wären.217 Es würde große Rechtsunsicherheit eintreten. ff) Keine Ablösung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch den Gleichbehandlungsgrundsatz Ebenfalls kann der Vorschlag von Autenrieth218, den Bestimmtheitsgrundsatz durch den Gleichbehandlungsgrundsatz abzulösen, nicht überzeugen. Autenrieth schlägt für die Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen am Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes folgende Prüfungsreihenfolge vor219:
213 Allgemeine Ansicht, vgl. nur Hk-BGB/Dörner § 138 Rdnr. 1; Palandt/H. Heinrichs § 138 Rdnr. 1; Erman/Palm § 138 Rdnr. 1; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 291. 214 Vgl. Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 291. 215 BGHZ 8, 35, 41; vgl. auch BGHZ 31, 381, 385; 44, 158, 161. 216 So auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 61. 217 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 84; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 73. Enzinger a. a. O. schlägt zur Konkretisierung des Treuepflichtgedankens daher die Bildung von Fallgruppen vor, vgl. dazu unten § 7 III. 4. 218 Autenrieth, DB 1983, 1034, 1035. 219 Vgl. Autenrieth, DB 1983, 1034, 1035, der von einer „Schrankentrias“ spricht.
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1. Zunächst sei das konkret betroffene Mitgliedschaftsrecht und die entsprechende Rechtsnorm zu ermitteln. Sodann sei der in der Rechtsnorm zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke zur Gleichbehandlung zu beachten. 2. In einem zweiten Schritt sei zu prüfen, ob es eine sachliche Rechtfertigung für die Abweichung von der gesetzlichen Vorschrift gebe. 3. Schließlich sei die Stellung des Minderheitsgesellschafters zu beachten. Auf dieser dritten Stufe erfolge eine Abwägung zwischen den Mehrheitsinteressen und dem Schutzbedürfnis des Einzelnen. Der Vorschlag von Autenrieth, den Bestimmtheitsgrundsatz durch den Gleichbehandlungsgrundsatz abzulösen, beruht auf einer unrichtigen Bewertung des Bestimmtheitsgrundsatzes.220 Verkannt wird, dass es beim Bestimmtheitsgrundsatz nur um die Kompetenzkontrolle, nicht aber um die Kontrolle des Beschlussinhalts geht. Maßstab für eine inhaltliche Beschlusskontrolle ist aber der Gleichbehandlungsgrundsatz. Daher ist schon der dogmatische Ansatz der beiden Schutzinstrumente ein anderer. Im Übrigen würde eine Ablösung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch den Gleichbehandlungsgrundsatz zu einem mangelnden Minderheitenschutz führen.221 Ziel des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es nur, die sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung eines Minderheitsgesellschafters zu verhindern. Dagegen bietet der Gleichbehandlungsgrundsatz keinen effektiven Minderheitenschutz vor mehrheitlichen Beitragserhöhungsbeschlüssen, die allen Gesellschaftern gleichermaßen zusätzliche Leistungspflichten auferlegen. Auch insoweit muss die Minderheit aber u. U. geschützt werden.222 gg) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die Alternativkonzepte der Kritiker, die den Bestimmtheitsgrundsatz völlig aufgeben wollen, nicht überzeugen. Eine Beschränkung auf die Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses ist nicht zu befürworten.
220 In diesem Sinne auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 82. 221 Ähnlich Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 82. 222 Vgl. den einführenden Fall 1 oben § 1 IV.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
b) Beschränkung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft und die damit verbundenen Folgen aa) Beschränkung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft Wieder andere wollen den Bestimmtheitsgrundsatz nicht aufgeben, sondern lediglich in seinem Anwendungsbereich einschränken bzw. modifizieren. Der Bestimmtheitsgrundsatz sei nur anzuwenden, soweit der Kernbereich der Gesellschafterrechte betroffen sei.223 Dogmatischer Ansatz dieses Vorschlages, den Bestimmtheitsgrundsatz auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände zu beschränken, ist, dass bei Mehrheitsbeschlüssen, die in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte der Minderheit eingreifen, nach der Kernbereichslehre eine antizipierte Zustimmung der überstimmten Minderheitsgesellschafter erforderlich ist, wenn der Gesellschafter nicht in der Gesellschafterversammlung oder danach zustimmt.224 Da die antizipierte Zustimmung strengen Anforderungen genügen muss,225 greift dieser Lösungsansatz hier auf den Bestimmtheitsgrundsatz zurück,226 will ihn in Wirklichkeit aber sogar erweitern (erweiterter Bestimmtheitsgrundsatz): Danach kann eine antizipierte Zustimmung des Minderheitsgesellschafters nur angenommen werden, wenn die Mehrheitsklausel nicht nur den konkreten Beschlussgegenstand aufführt, sondern auch den zulässigen Beschlussinhalt soweit präzisiert, dass der Eingriff in den Kernbereich nach Art, Umfang und Folgen bestimmbar ist.227 Allein die Bezeichnung des Beschlussgegenstandes genügt diesem Erfordernis jedenfalls nicht.228 Soweit der Kernbereich betroffen ist, will dieser Ansatz also den Bestimmtheitsgrundsatz, der sich eigentlich auf die Prüfung der 223 Dafür spricht sich eine beachtliche Mindermeinung aus, vgl. etwa Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 84 (S. 43); Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 408; Koller in Koller/Roth/Morck § 109 Rdnr. 5, der ansonsten den Bestimmtheitsgrundsatz ablehnt (a. a. O. § 119 Rdnr. 9); Löffler, NJW 1989, 2656, 2661; Mecke, BB 1988, 2258, 2263 ff.; Michalski, WiB 1997, 1, 9; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 91 f., der sich widersprüchlicherweise bei § 709 Rdnr. 90 aber für eine völlige Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes ausspricht; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 84; ähnlich auch Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715 ff. 224 Siehe zu diesem dogmatischen Ansatz Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 408; Michalski, WiB 1997, 1, 9; zum Erfordernis antizipierter Zustimmungen vgl. im Einzelnen unten § 5 III. 2. c) m. N. 225 Einige Autoren halten eine antizipierte Zustimmung gar für unzulässig, dazu unten § 5 III. 2. c) aa). Jedenfalls aber sind strenge Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung zu stellen. Zu den inhaltliche Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung siehe im Einzelnen unten § 5 III. 2. c) ee). 226 Michalski, WiB 1997, 1, 9. 227 Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 408; Michalski, WiB 1997, 1, 9. 228 Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 408; Michalski, WiB 1997, 1, 9 m. w. N.
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Legitimationsgrundlage des Mehrheitsbeschlusses beschränkt, erweitern (erweiterter Bestimmtheitsgrundsatz). bb) Konsequenzen einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft Folge der Beschränkung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft wäre insbesondere, dass eine Mehrheitsklausel, die allgemein auch für Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip vorsieht, nicht generell einschränkend ausgelegt werden dürfte. Sie dürfte nur insoweit in ihrem Geltungsbereich reduziert werden, wie der Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist. Darin soll gerade der Vorteil dieses Alternativkonzepts liegen: Bei einer Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände könnten die Gesellschafter schon mit einer allgemein gehaltenen Klausel für Vertragsänderungen wirksam Mehrheitsbeschlüsse vorsehen, soweit sie nicht den Kernbereich betreffen. Der Bestimmtheitsgrundsatz würde nur solche Mehrheitsbeschlüsse verhindern, bei denen tatsächlich wesentliche Interessen der Minderheitsgesellschafter betroffen sind.229 Der Mehrheitsklausel würde dadurch soweit wie möglich Geltung verschafft. Dies sei sachgerecht, da die vertragliche Vereinbarung einer Mehrheitsklausel grundsätzlich gegen ein einseitiges Festhalten an dem Beharrungsinteresse spreche und die Bereitschaft der Gesellschafter zu Veränderungen beweise.230 Im Ergebnis heben die Vertreter dieser Ansicht daher hervor, dass mit der Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände keine folgenlose Begriffsvertauschung verbunden sei.231 Vermieden werde mit einer Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände vielmehr, dass der Bestimmtheitsgrundsatz Mehrheitsbeschlüsse unmöglich mache, durch die der Minderheitsgesellschafter gar nicht in seiner Rechtsstellung berührt ist. cc) Eigene Stellungnahme Der Lösungsansatz, der den Bestimmtheitsgrundsatz auf den Kernbereich der Mitgliedschaft beschränken will, kann nicht die behaupteten Vorteile in An229 Vgl. Michalski, WiB 1997, 1, 9, der darin das entscheidende Argument für eine Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände sieht. 230 Michalski, WiB 1997, 1, 9. 231 Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 408.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
spruch nehmen. Mit der Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft werden letztlich nur zwei Begriffe ausgetauscht. Auch nach dem Bestimmtheitsgrundsatz wird eine Mehrheitsklausel, die pauschal auch für Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip vorsieht, bei der Auslegung nicht schon generell in Frage gestellt, sondern nur soweit „ungewöhnliche Vertragsänderungen“ in Rede stehen. Warum der Begriff „Kernbereich der Mitgliedschaft“ dem Terminus „ungewöhnliche Vertragsänderungen“ vorzuziehen sein sollte, wurde bislang nicht überzeugend dargelegt. Vielmehr ist gegen den Vorschlag, den Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände zu reduzieren, einzuwenden, dass er von einem diffusen Kernbereichsbegriff ausgeht, der im Wesentlichen auf die Struktur und Regelung der konkreten Gesellschaft und den Bedeutungsgrad der konkret betroffenen Rechtsposition abstellt.232 Die Befürworter stellen lediglich allgemein fest, dass solche Rechtspositionen in den Kernbereich fallen, die innerhalb der konkreten Gesellschaft für den einzelnen Gesellschafter von grundsätzlicher Bedeutung sind.233 Sie unterlassen es, den Kernbereich genauer zu umreißen und beschäftigen sich nicht ausreichend mit der Frage, ob die Begriffe „Kernbereich“ und „ungewöhnliche Vertragsänderung“ sich decken und ob der „Kernbereich“ nicht vielleicht enger ist. Angesichts dieser Unbestimmtheit eines solchen Kernbereichsbegriffs geht sein Aussagegehalt nicht über die Begriffsbedeutung der „ungewöhnlichen Vertragsänderung“ hinaus, für die nach dem Bestimmtheitsgrundsatz eine eindeutige Beschlusskompetenz im Gesellschaftsvertrag enthalten sein muss.234 Es kann deshalb auch nicht verwundern, dass diejenigen ungewöhnlichen Vertragsänderungen, die in der Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz herausgestellt worden sind, nunmehr als Konkretisierung des Kernbereichs vertreten werden.235 Aus diesen Gründen beruht diese „Kernbereichslehre“ in Wahrheit nicht auf einer Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes, sondern auf seiner Bestätigung und Fortentwicklung.236 Dies verkennen die Befürworter dieser „Kernbereichslehre“ aber. Sie lehnen den Bestimmtheitsgrundsatz zunächst ausdrücklich ab, um ihn dann bei der Kernbereichslehre mit der Forderung nach einer hinreichend bestimmten Mehrheitsermächtigung doch wieder seinem sachlichen Gehalt nach einzuführen.237 Diese Lösung ist inkonsequent: Die gegen die gene232
Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21. Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21. 234 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 81 a. E.; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21. 235 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21. 236 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21. 237 Vgl. Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21; so etwa der Sache nach widersprüchlich MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 90, 91 f. Denn Ulmer gibt den 233
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relle Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes vorgetragenen Einwände werden im Zusammenhang mit kernbereichsrelevanten Beschlussgegenständen auf einmal vernachlässigt, obwohl Gründe für eine unterschiedliche Behandlung nicht ersichtlich sind.238 Wenn es nämlich richtig ist, dass der Bestimmtheitsgrundsatz im Belieben der Vertragsgestaltungspraxis steht, dann ist zu erwarten, dass auch Vertragsänderungen innerhalb des Kernbereichs lediglich Gegenstand rechtsformaler Vertragstechnik werden, wenn man den Minderheitenschutz der „Kernbereichslehre“ auf eine hinreichend bestimmte Ermächtigung beschränkt.239 Die angeblichen Mängel des Bestimmtheitsgrundsatzes, als formalem Schutzprinzip, würden damit nicht ausgeräumt.240 Man muss also entweder mit den Argumenten gegen den Bestimmtheitsgrundsatz ernst machen, oder aber man befürwortet die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes.241 Einen überzeugenden Mittelweg, wie den Vorschlag, den Bestimmtheitsgrundsatz nur anzuwenden, soweit der Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist, gibt es nicht.242 Schließlich bestehen gegen die Zusammenführung von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre methodische Bedenken. Bevor der Beschlussinhalt geprüft werden kann, muss die Reichweite der Mehrheitskompetenz ermittelt werden. Dazu, aber auch nur dazu dient der richtig verstandene Bestimmtheitsgrundsatz. Die Legitimationsgrundlage von Mehrheitsbeschlüssen liegt allein in der gesellschaftsvertraglichen Einführung des Mehrheitsprinzips. Zunächst muss also anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes geklärt werden, ob die Mehrheit überhaupt eine ausreichende Kompetenz hat. Dazu ist die Mehrheitsklausel auszulegen. Erst dann ist in einem zweiten Schritt der Inhalt des Mehrheitsbeschlusses bzw. die Wirksamkeit der Mehrheitsklausel anhand der Kernbereichslehre zu kontrollieren. Dem Bestimmtheitsgrundsatz jedenfalls kann das Erfordernis einer antizipierten Zustimmung der Minderheit nicht entnommen werden. Ein erweiterter Bestimmtheitsgrundsatz in diesem Sinne, soweit der Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist, ist abzulehnen.243 Die Vermischung der Ansätze Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre durch die Beschränkung des BestimmtBestimmtheitsgrundsatz in Wahrheit nicht auf, wie er bei § 709 Rdnr. 90 behauptet, sondern entwickelt ihn im obigen Sinne fort (vgl. insbesondere § 709 Rdnr. 92). 238 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 81; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21; ähnlich aber auch Staudinger/Habermeier § 709 Rdnr. 51. 239 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21. 240 Zutreffend Roth, JBl 2005, 80, 83. 241 So zutreffend MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 81; ähnlich Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21; zu den Argumenten gegen den Bestimmtheitsgrundsatz sogleich. 242 Ebenso besonders deutlich MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 81. 243 Dagegen auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 145 ff.
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heitsgrundsatzes auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände überzeugt daher auch in methodischer Hinsicht nicht. Im Ergebnis ist der Vorschlag, den Bestimmtheitsgrundsatz auf kernbereichsrelevante Beschlussgegenstände zu beschränken, somit abzulehnen. Entweder ist der Bestimmtheitsgrundsatz aufzugeben oder aber in seiner bisherigen Form als formelle Schranke beizubehalten. Diese Frage soll im Folgenden beantwortet werden. Dies erfordert ein Eingehen auf die Argumente der Kritiker des Bestimmtheitsgrundsatzes. 2. Die Argumente der Kritiker des Bestimmtheitsgrundsatzes Wie dargestellt, wird anstelle des Bestimmtheitsgrundsatzes für den Schutz der Minderheit gegenüber mehrheitlich beschlossenen Vertragsänderungen eine Vielzahl von unterschiedlichen Lösungen angeboten. Einig sind sich die Kritiker, die eine völlige Aufgabe oder Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsat-zes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft fordern, aber darüber, dass der Bestimmtheitsgrundsatz hergebrachten Verständnisses für den notwendigen Minderheitenschutz bei Personengesellschaften kein geeigneter Lösungsansatz ist. Ihre Ablehnung beruht im Wesentlichen auf den folgenden acht Erwägungen244: a) Eindeutigkeit der Mehrheitsklausel aa) Darstellung Einige Autoren gehen davon aus, dass eine Mehrheitsklausel, die allgemein Vertragsänderungen zulässt, eindeutig ist.245 Eine solche Klausel könne nur so verstanden werden, dass jede – und nicht nur jede nicht wesentliche – Vertragsänderung durch Mehrheitsbeschluss erfolgen könne.246 Da das Auslegungsergebnis eindeutig sei, komme ein Rückgriff auf eine Auslegungsregel wie den Bestimmtheitsgrundsatz nicht in Betracht.247 bb) Eigene Stellungnahme Richtig an dieser Kritik ist ihr Ansatzpunkt, nämlich dass für den Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel kein Raum wäre, wenn die Mehrheitsklausel 244 Vgl. Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 146 ff.; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 79 ff. und Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 29 ff. 245 Nachweise oben § 4 Fn. 135. 246 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 41 f.). 247 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 41 f.).
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eindeutig ist. Ob eine Mehrheitsklausel, die ihrem Wortlaut nach allgemein auch für Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip vorsieht, eindeutig ist, ist aber eine Auslegungsfrage. Zu dieser Auslegungsfrage wurde bereits oben im Zusammenhang mit der Frage, ob der Bestimmtheitsgrundsatz eine unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes oder aber eine Auslegungsregel ist, wie folgt Stellung genommen248: Dargelegt wurde, dass aus den vom BGH in der maßgeblichen Grundsatzentscheidung vom 12. 11. 1952249 angeführten Gründen eine Mehrheitsklausel, die sich allgemein auf „Vertragsänderungen“ bezieht, nicht in dem Sinne eindeutig ist, dass die Auslegung beendet wäre. Nachgewiesen wurde vielmehr, dass eine Vertragsbestimmung, die Mehrheitsentscheidungen über Änderungen des Gesellschaftsvertrags zulässt, einschränkend auszulegen ist. Es kann den Gesellschaftern nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) nicht unterstellt werden, dass sie sich angesichts der zahllosen und weit reichenden Beschlussgegenstände, die unter den Begriff „Vertragsänderung“ subsumierbar sind, schrankenlos der Mehrheitsmacht unterwerfen wollten. Eine solche schrankenlose Unterwerfung der Minderheit wäre im Übrigen nach allgemeiner Ansicht auch zu weitgehend und daher sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und nichtig. Nahe liegend ist daher die einschränkende sittenkonforme Auslegung dahin gehend, dass der durchschnittliche Gesellschafter mit einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen nur gewöhnliche Vertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluss zulassen will. Im Ergebnis ist deshalb mangels Eindeutigkeit der allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen Raum für eine Auslegungsregel wie den Bestimmtheitsgrundsatz, der der geschilderten Interessenlage angemessen Rechnung trägt. Den Kritikern, die den Bestimmtheitsgrundsatz aufgeben wollen, weil eine allgemein gehaltene Mehrheitsklausel auch für Vertragsänderungen eindeutig sei, ist nicht zu folgen. b) Widerspruch zum Willen der Gesellschafter, die im Gesellschaftsvertrag deutlich gemacht haben, vom Einstimmigkeitsprinzip abweichen zu wollen aa) Darstellung Einige Autoren gehen davon aus, dass der Bestimmtheitsgrundsatz dem Willen der Gesellschafter widerspricht, da die Gesellschafter durch die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips im Gesellschaftsvertrag deutlich gemacht haben, vom Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) abweichen zu wollen. Die Gesellschafter wollten möglichen Veränderungsinteressen den 248 249
Siehe oben § 4 V. 1. d). BGHZ 8, 35, 41 f.
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Vorrang vor dem Beharrungsinteresse Einzelner einräumen.250 Dazu stehe es im Widerspruch, wenn der Bestimmtheitsgrundsatz einen Mehrheitsbeschluss nur erlaube, wenn der Beschlussgegenstand ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag genannt sei.251 Der Bestimmtheitsgrundsatz bevorzuge zu Unrecht das Konsensprinzip.252 bb) Eigene Stellungnahme Der Bestimmtheitsgrundsatz steht nicht im Widerspruch zum Willen der Gesellschafter. Er bevorzugt nicht zu Unrecht das Konsensprinzip. Zweck der Mehrheitsklausel ist es zwar, den Gesellschaftsvertrag durch Mehrheitsbeschluss leichter an veränderte Umstände anpassen zu können. Die Gesellschafter wollen mit einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen aber nicht global den Veränderungsinteressen den Vorrang vor dem Beharrungsinteresse, also dem Festhalten am status quo, einräumen. Gegenüber einer solchen Willensfiktion ist vielmehr gerade bei Personengesellschaften Zurückhaltung geboten, da das Mehrheitsprinzip bei Personengesellschaften u. U. für die Minderheitsgesellschafter mit erheblichen (auch finanziellen) Risiken verbunden ist. Es gibt bei Personengesellschaften anders als bei Kapitalgesellschaften gemäß §§ 53 Abs. 3 GmbHG, 179 Abs. 3 AktG usw. keinen gesetzlich geregelten Minderheitenschutz, etwa gegenüber mehrheitlich beschlossenen Beitragserhöhungen. Der Gesetzgeber hat sich mit der Regelung des Einstimmigkeitsprinzips (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) begnügt, damit aber grundsätzlich auch die möglichen Beharrungs- bzw. Schutzinteressen der Minderheit in sehr weitem Umfang anerkannt. Diese Schutzinteressen der Minderheit werden umso stärker, je weniger deutlich die Mehrheitsklausel und damit die vertraglich erklärte Abweichung vom Einstimmigkeitsprinzip ist. Denn dann treten auch die Veränderungsinteressen der Gesellschafter jedenfalls für ungewöhnliche Beschlussgegenstände im Gesellschaftsvertrag nicht hinreichend hervor, was aber angesichts der grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertentscheidung für das Einstimmigkeitsprinzip und der zahllosen, weit reichenden ungewöhnlichen Beschlussgegenstände zu verlangen ist. Die restriktive Auslegung einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes widerspricht also nicht dem richtig verstandenen Willen der Gesellschafter. Soweit die Gesellschafter ihre Veränderungsinteressen im Gesellschaftsvertrag aber durch einen Katalog von Beschlussgegenständen hinreichend deutlich machen, lässt jedenfalls auch der Bestimmtheitsgrundsatz Mehrheitsbeschlüsse 250 Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 383, 390 f.; Mecke, BB 1988, 2258, 2262 f. 251 Mecke, BB 1988, 2258, 2262 f.; ähnlich auch Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 (S. 42). 252 Mecke, BB 1988, 2258, 2262 f.
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weitestgehend uneingeschränkt zu. Auch insoweit steht der Bestimmtheitsgrundsatz daher nicht im Widerspruch zum Willen der Gesellschafter. c) Verlust der Warnfunktion durch die Vertragsgestaltungspraxis aa) Darstellung der Kritik Nach Ansicht vieler Kritiker ist die Warnfunktion, die der Bestimmtheitsgrundsatz für die Gesellschafter etablieren will, durch die kautelarjuristischen Anstrengungen und den damit verbundenen Aufzählungen denkbarer Beschlussgegenstände, die von der Mehrheitsklausel erfasst werden sollen, verloren gegangen.253 Nach mittlerweile allgemeiner Ansicht könne der Bestimmtheitsgrundsatz deshalb auch die ihm ursprünglich zugedachte Funktion eines effektiven materiellen Minderheitenschutzes nicht erfüllen.254 Die Kautelarpraxis stelle umfangreiche Kataloge von Beschlussgegenständen auf, die Mehrheitsentscheidungen zugänglich sein sollen. Daher sei die Schutzwirkung des Bestimmtheitsgrundsatzes in Anbetracht der heutigen Vertragspraxis verbraucht.255 Besonders deutlich werde die fehlende Warnfunktion, wenn der Gesellschafter seine Beteiligung an der Gesellschaft geerbt habe oder aber (etwa im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) geschenkt bekommen habe.256 Hier trete der Gesellschafter automatisch (etwa im Wege der Universalsukzession gemäß § 1922 Abs. 1 BGB) in eine Gesellschafterstellung ein, auf deren Ausgestaltung er gar keinen Einfluss hatte. Teilweise wird aber auch vertreten, dass der Bestimmtheitsgrundsatz nie eine Warnfunktion erfüllt habe.257 Selbst wenn die möglichen Beschlussgegenstände ausdrücklich im Vertrag genannt seien, könne man nicht annehmen, dass die Gesellschafter das Für und Wider einer eventuell erst Jahre später erforderlich werdenden Vertragsänderung bedacht haben.258 Dieser Schluss sei schon wegen der in aller Regel nicht vorhersehbaren Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die die Vertragsanpassung erst erforderlich machten, 253 Siehe etwa Fischer, in FS Barz, S. 33, 41 f.; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 714; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 274 f.; Leenen, zweite FS für Larenz, S. 371, 387, 389; Mecke, BB 1988, 2258, 2262; Rabl, Kommanditistenschutz, S. 34; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 87 m. w. N.; Staub/ders. § 119 Rdnr. 36; Weipert, in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 14 Rdnr. 49; Wiedemann, ZGR 1977, 690, 694; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 82; so wohl auch OLG Köln, DStR 1993, 405, 406. 254 Besonders deutlich Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 275. 255 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 64. 256 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c) (S. 456). 257 Mecke, BB 1988, 2258, 2262. 258 Mecke, BB 1988, 2258, 2262.
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nicht gerechtfertigt.259 Man müsse in Betracht ziehen, dass eine eröffnete Vertragsänderung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vernünftig und angemessen, einige Jahre später jedoch unzumutbar sein könne.260 bb) Zurückweisung der Kritik Der Kritik, der Bestimmtheitsgrundsatz habe seine Warnfunktion verloren, ist vor allem Marburger entgegen getreten.261 Er hat sich darum bemüht, dieses Argument der Kritiker zu widerlegen. Seiner Ansicht nach hat der Bestimmtheitsgrundsatz seine Warnfunktion nicht verloren. Man könne nicht einerseits zum Schutz der Minderheit die möglichst detaillierte Auflistung aller Beschlussgegenstände in der Mehrheitsklausel verlangen und anschließend dieser Auflistung jegliche Warnfunktion absprechen.262 Das Bestimmtheitserfordernis ermögliche es jedem Gesellschafter, Klarheit über die Reichweite der Mehrheitsklausel zu gewinnen. Dieser Zweck werde auch bei einer umfassenden Auflistung der Beschlussgegenstände gewährleistet. Es könne von den Gesellschaftern erwartet werden, sich über die rechtlichen Folgen zu informieren.263 Schließlich sei unbeachtlich, dass diejenigen, die ihren Gesellschaftsanteil durch Erbfolge oder durch Schenkung erworben haben, nicht in gleicher Weise geschützt werden können, da sie als bloße Rechtsnachfolger keine bessere Rechtsposition beanspruchen könnten als der Erblasser oder der Schenker.264 Einen Grund, sie besser zu stellen, gebe es nicht. cc) Eigene Stellungnahme Die Kritik, der Bestimmtheitsgrundsatz habe nie eine Warnfunktion erfüllt, überzeugt nicht. In aller Regel werden die Gesellschafter bei Vertragsschluss das Für und Wider der Einführung des Mehrheitsprinzips für die konkreten Beschlussgegenstände in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Sie werden sich vernünftigerweise einen Überblick über das sie möglicherweise treffende Risiko einer Beteiligung an der Gesellschaft verschaffen. Dabei werden sie auch das Risiko, später einmal überstimmt zu werden, in ihre Überlegungen einbeziehen. Wenn die Mehrheitsklausel einen überlangen Beschlussgegenstandskatalog enthält, wissen die Gesellschafter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wenigstens, worauf sie sich einlassen. Zudem ist zu beachten, dass den Gesellschaftern bei 259 260 261 262 263 264
Mecke, BB 1988, 2258, 2262. Mecke, BB 1988, 2258, 2262. Marburger, NJW 1984, 2252, 2256. Marburger, NJW 1984, 2252, 2256. Marburger, NJW 1984, 2252, 2256. Marburger, NJW 1984, 2252, 2256; so auch Schiessl, DB 1986, 735, 736 f.
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Abschluss des Gesellschaftsvertrags in aller Regel entweder anwaltlicher oder notarieller Rat zur Seite steht, auch wenn der Abschluss des Gesellschaftsvertrags grundsätzlich formfrei möglich ist. Zutreffend ist indes, dass die Gesellschafter nicht den konkreten Inhalt der später zu fassenden Mehrheitsbeschlüsse allein anhand der hinreichend bestimmten Mehrheitsklausel überblicken können. Dies ist und war aber auch nie Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes. Der Bestimmtheitsgrundsatz soll die Gesellschafter nur davor warnen, dass im Hinblick auf einzelne ungewöhnliche Beschlussgegenstände das Risiko des Überstimmtwerdens droht. Insoweit erfüllt der Bestimmtheitsgrundsatz die ihm zugedachte Warnfunktion.265 Man kann auch nicht davon ausgehen, dass allein durch die Aufzählung aller erdenklichen Beschlussgegenstände, die Mehrheitsbeschlüssen zugänglich sein sollen, diese Warnfunktion verloren gegangen ist. Der Bestimmtheitsgrundsatz mag zwar zu langen Listen von Beschlussgegenständen in der Mehrheitsklausel führen. Dies ist aber allein kein überzeugendes Argument dafür, den Bestimmtheitsgrundsatz „über Bord zu werfen“266: Die Gesellschafter, die zudem in aller Regel anwaltlich oder notariell beraten sein werden, haben aufgrund der Auflistung der Beschlussgegenstände die Möglichkeit, sich über die Folgen der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips zu informieren und sich Klarheit zu verschaffen. Darauf wird sie wohl auch der Rechtsberater hinweisen. Diesem Ziel dient der Bestimmtheitsgrundsatz, so dass er trotz aller Kritik in mehr oder weniger großem Umfang eine materielle Funktion erfüllt, nämlich die Verbesserung der Informationslage für die Vertragsschließenden. Der Bestimmtheitsgrundsatz hat entgegen der vorgebrachten Kritik insoweit trotz (oder: gerade wegen!) der Auflistung aller erdenklichen Beschlussgegenstände im Gesellschaftsvertrag nach wie vor eine wichtige Warnfunktion. Das gilt entgegen den Kritikern auch für den Fall des Erwerbs einer Gesellschafterstellung im Wege der Erbfolge oder Schenkung. Auch hier können der Erbe oder der Beschenkte den Katalog von Beschlussgegenständen, die Mehrheitsbeschlüssen zugänglich sein sollen, im Gesellschaftsvertrag einsehen und sich auf diesem Wege Klarheit über das Risiko einer Beteiligung an der Gesellschaft verschaffen. Dies ermöglicht es ihnen, besser über die erforderliche Annahme der Erbschaft (§§ 1942 ff. BGB) oder der Schenkung entscheiden zu können.
265 Neben Marburger, NJW 1984, 2252, 2256 bejahen im Schrifttum im Ergebnis vor allem auch von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 131; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 163 f.; U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 366; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, S. 222; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 2. a) (S. 411), Bd. 2, § 4 I. 3. a) (S. 302) die Warnfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes. 266 Formulierung von Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 39.
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Im Ergebnis erfüllt der Bestimmtheitsgrundsatz nach wie vor eine wichtige Warnfunktion. d) Verhinderung notwendiger Gesellschafterbeschlüsse aa) Darstellung der Kritik In der Literatur wird der Bestimmtheitsgrundsatz teilweise für anpassungsfeindlich gehalten, weil der Bestimmtheitsgrundsatz, wenn der betreffende Beschlussgegenstand nicht ausdrücklich in der Mehrheitsklausel genannt werde, womöglich notwendige Beschlüsse und Vertragsänderungen verhindere.267 Der Minderheitenschutz durch den Bestimmtheitsgrundsatz sei durch Inflexibilität erkauft.268 Der Bestimmtheitsgrundsatz habe sich als viel zu eng erwiesen und privilegiere zu Unrecht das Einstimmigkeitsprinzip, obgleich es genauso legitim sei, im Gesellschaftsvertrag Mehrheitsentscheidungen vorzusehen, wie einen Gesellschafterbeschluss von der Zustimmung aller Gesellschafter abhängig zu machen.269 Die Befürworter des Bestimmtheitsgrundsatzes gingen aber vom Einstimmigkeitsprinzip als gesetzlicher Regel aus und unterstellten so den Gesellschaftern ein risikoscheues Verhalten, obwohl zum Leitbild des Unternehmers gerade dessen Risikobereitschaft gehöre.270 In diesem Zusammenhang müsse auch beachtet werden, dass die Einführung von Mehrheitsentscheidungen die Anpassung an veränderte Umstände und die Fortentwicklung der Gesellschaft bis hin zur aktiven Rettung einer in Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft ermögliche.271 Auch die Einführung des Mehrheitsprinzips verfolge daher ein sehr berechtigtes Anliegen der Gesellschafter. Die zu starke Betonung des Einstimmigkeitsprinzips durch den Bestimmtheitsgrundsatz könne dagegen im Extremfall sogar eine Blockade der Gesellschaft durch die Minderheit zur Folge haben. Durch eine solche Blockade der Minderheit werde das von den Gesellschaftern der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Vermögen aber erst recht in seinem Bestand bedroht, weil etwa die Möglichkeit der Sanierung durch einen einzelnen Gesellschafter untergraben werde.272 Besonders schlimm sei in diesem Kontext, dass die Minderheit bei strenger Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes Mehrheitsbeschlüsse, die of267
Siehe etwa Barbasch, Familien-KG, S. 74; Hadding, ZGR 1979, 636, 643; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 276; Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 390; Mecke, BB 1988, 2258, 2262; Rabl, Kommanditistenschutz, S. 34; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 87. 268 Insoweit steht auch Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 39 dem Bestimmtheitsgrundsatz kritisch gegenüber. 269 Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 276. 270 Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 387. 271 Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 276.
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fensichtlich im Interesse der Gesellschaft liegen, sogar dann verhindern könne, wenn eigene schutzwürdige Belange überhaupt nicht betroffen seien.273 Schließlich sei es häufig allein eine Frage des Zufalls, ob ein Beschlussgegenstand in der Mehrheitsklausel aufgeführt werde oder nicht.274 bb) Zurückweisung der Kritik Auch das Argument der Bestimmtheitsgrundsatz sei aufzugeben, weil er womöglich notwendige Mehrheitsbeschlüsse verhindere, ist nicht unwidersprochen geblieben.275 Zutreffend sei zwar, dass sich der Bestimmtheitsgrundsatz nicht am Leitbild des risikofreudigen, flexibel reagierenden Unternehmers orientiere. Dies sei aber schon dadurch gerechtfertigt, dass auch der Gesetzgeber nicht von diesem Leitbild ausgehe, sondern grundsätzlich die Beharrungsinteressen des Einzelnen privilegiere, indem er mangels abweichender Vereinbarung vom Einstimmigkeitsprinzip ausgehe (vgl. §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB).276 Der Gesetzgeber verhindere damit auch wirklich notwendige Vertragsänderungen nicht, da in diesem Fall die Gesellschafter kraft ihrer Treuepflicht dem Beschluss der Mehrheit zustimmen müssten.277 cc) Eigene Stellungnahme Der Kritik, der Bestimmtheitsgrundsatz blockiere womöglich die Gesellschaft, ist nicht zuzustimmen. Zu folgen ist den Argumenten derjenigen, die diese Kritik zurückweisen. Auszugehen ist davon, dass das gesetzliche Leitbild im Personengesellschaftsrecht das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) ist.278 Diese gesetzgeberische Wertentscheidung kann auch nur durch den Ge272 Auf diesen Gesichtspunkt macht Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 276, aufmerksam. Er meint dieser Gesichtspunkt sei auch dem BGH nicht verborgen geblieben, weil dieser den Bestimmtheitsgrundsatz für Publikumspersonengesellschaften aufgegeben habe. 273 So etwa Barbasch, Familien-KG, S. 74; Hadding, ZGR 1979, 636, 643; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715; Mecke, BB 1988, 2258, 2262; Michalski, WiB 1997, 1, 9: daher Beschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf den Kernbereich der Mitgliedschaft; Rabl, Kommanditistenschutz, S. 34; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 86. 274 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 87. 275 Dagegen u. a. Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 162 f.; Marburger, NJW 1984, 2252, 2255 f.; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 20. 276 Marburger, NJW 1984, 2252, 2255 f.; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 20. 277 Marburger, NJW 1984, 2252, 2256; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 20. 278 Kraffel/König, DStR 1996, 1130; dagegen aber offenbar Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 31 a. E. Nach Ansicht von Ulmer lässt sich dem § 119 Abs. 1 HGB keine gesetzgeberische Wertentscheidung zugunsten des Einstimmigkeitsprinzips entnehmen.
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setzgeber selbst korrigiert werden. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, die grundlegenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen in Frage zu stellen. Die einzelnen Gesellschafter müssen, wenn sie vertraglich vom grundsätzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip abweichen wollen, dies für jeden einzelnen in Betracht kommenden Beschlussgegenstand hinreichend deutlich machen. Ob sie für den konkreten Beschlussgegenstand wirklich vom Einstimmigkeitsprinzip abgewichen sind und das Mehrheitsprinzip eingeführt haben, ist eine Frage der Auslegung des Gesellschaftsvertrags. Hierfür stellt der Bestimmtheitsgrundsatz in Zweifelsfällen sachgerechte Auslegungsregeln auf, die zutreffend die gesetzgeberische Wertentscheidung berücksichtigen, dass im Personengesellschaftsrecht für einen Gesellschafterbeschluss gemäß §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB im Grundsatz die Zustimmung aller erforderlich ist. Der Bestimmtheitsgrundsatz verhindert damit zwar bei einem schlecht formulierten Gesellschaftsvertrag u. U. notwendige Mehrheitsbeschlüsse. Dies ist aber immer noch besser als vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse, die typischerweise in Rechte der Minderheit eingreifen, schrankenlos zuzulassen.279 Nicht zuzustimmen ist insofern auch der Kritik, die Minderheitsgesellschafter oder womöglich sogar ein einzelner Gesellschafter alleine könnten bei Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes auch Änderungen des Gesellschaftsvertrags verhindern, bei denen es gar keinen vernünftigen Grund zu einem Widerspruch gibt. Dadurch wird die Inflexibilität des Bestimmtheitsgrundsatzes überbetont. Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz gilt bei einer nicht hinreichend bestimmten Mehrheitsermächtigung für den konkreten Beschlussgegenstand zwar das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip, es sei denn, die Berufung auf den Bestimmtheitsgrundsatz ist im Einzelfall wegen ganz besonderer Umstände ausnahmsweise treuwidrig.280 Auch unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip sind Vertragsänderungen, die zweifellos im Interesse aller sind, aber nicht generell unmöglich, da die Minderheit solchen Änderungen zustimmen muss. Anerkannt ist nämlich, dass, soweit die Anpassung an die geänderten Verhältnisse zwingend geboten und dem Widerstrebenden auch unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist, aus der gesellschaftsrechtlichen
Ulmer verkennt dabei aber, dass das Gesetz selbst schon insoweit das Einstimmigkeitsprinzip privilegiert, als das selbiges ohne Mehrheitsklausel oder sonstige gesellschaftsvertragliche Abbedingung gilt, vgl. zum gesetzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip oben § 2 I. 1. 279 So im Ergebnis auch BGHZ 71, 53, 57. 280 Dazu, dass die Berufung auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen darf: BayObLG, ZIP 2005, 164, 166. In der Entscheidung führt das BayObLG zutreffend aus, dass es sich als widersprüchliches Verhalten darstellt, wenn die Minderheitsgesellschafter zunächst an der Gründung einer Komplementär-GmbH mitwirken, anschließend aber ohne nachvollziehbaren Grund unter Berufung auf den Bestimmtheitsgrundsatz den Eintritt der eigens dafür gegründeten GmbH in die KG blockieren.
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Treuepflicht eine Zustimmungspflicht zur Vertragsänderung erwachsen kann.281 Eine Zustimmungspflicht kann sich danach insbesondere in dem Fall ergeben, dass die Vertragsänderung zur Erhaltung des bereits Geschaffenen dringend geboten ist.282 Durchzusetzen ist diese Zustimmungspflicht grundsätzlich mittels Leistungsklage gerichtet auf Abgabe der Zustimmungserklärung (§ 894 ZPO).283 Nur ausnahmsweise soll bei der Publikumspersonengesellschaft das Bestehen der Zustimmungspflicht für die Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses ausreichen.284 Ferner ist unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip eine Anpassung des Gesellschaftsvertrags an veränderte Umstände über das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) möglich, auch gegen den Willen des Minderheitsgesellschafters.285 Die Voraussetzungen sind aber sehr eng. Ein An281 H. A., siehe etwa BGHZ 64, 253, 257; BGH, NJW 1985, 972, 973; 974 f.; 1995, 194, 195; NZG 2005, 129: Unter engen Voraussetzungen muss der OHG-Gesellschafter der aus Alters- und Krankheitsgründen gewünschten Vorwegnahme einer gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeregelung zustimmen; BGH, ZIP 2005, 1455, 1456 f.: Pflicht, einer Beitragserhöhung zuzustimmen; OLG Hamm, NZG 2000, 252, 253, das eine Zustimmungspflicht aber nur bejaht, wenn die derzeitige Regelung der Treuepflicht widerspricht und für den betroffenen Gesellschafter eine unzumutbare Situation besteht; OLG Stuttgart, NZG 2000, 835, 836; OLG München, NZG 2001, 558; DB 1997, 567: ein Kommanditist ist aber nur „ganz ausnahmsweise“ gehalten, einer Vertragsänderung zuzustimmen; Flume, in FS Rittner, S. 119 ff.; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 201 ff.; Hopt in Baumbach/Hopt § 105 Rdnr. 64; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, C. II. 2. b) (S. 116 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 IV. (S. 126 ff.); Palandt/Sprau § 705 Rdnr. 15; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 106 m. w. N. Eine Zustimmungspflicht kraft Treuepflicht im Ergebnis ablehnend aber Kollhosser, in FS H. Westermann, S. 275 ff.; ders., in FS Bärmann, S. 533 ff.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 62 ff. 282 BGH, NJW 1985, 974 f. 283 So etwa Boujong in Ebenroth/Boujong/Joost § 105 Rdnr. 71; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 107; besonders deutlich H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 536. Differenzierend nunmehr aber MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 240 f. m. w. N., der mit einer im Vordringen befindlichen Meinung bei Geschäftsführungsfragen vom Erfordernis einer Zustimmungsklage absehen will. 284 BGH, NJW 1985, 974 f. Ob dieser Entscheidung des BGH zuzustimmen ist, ist indes fraglich. Man könnte sich fragen, ob die Mehrheitsgesellschafter bei einer Publikumspersonengesellschaft nicht in Eilfällen auf das einstweilige Verfügungsverfahren gemäß § 940 ZPO verwiesen werden sollten und dadurch ausreichend geschützt sind. Dieses Problem soll hier jedoch nicht weiter untersucht werden. 285 Vgl. dazu Baier, NZG 2004, 356 ff.; Riesenhuber, BB 2004, 2697 ff. Vor dem SMG sprach man vom Wegfall der Geschäftsgrundlage. Das Rechtsinstitut war nicht kodifiziert. Seine Grundlage war § 242 BGB. Gleichwohl war die Anpassung von Verträgen wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage allgemein anerkannt (vgl. erstmals RGZ 103, 328, 332; ferner BGHZ 47, 48, 51 f.; 83, 251, 254 f.; 89, 226, 238; 128, 230, 239; BGH, NJW 2001, 1204, 1205; Palandt/H. Heinrichs, § 313 Rdnr. 1/2). In der Kodifikation des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB liegt wohl ein großes Verdienst der Schuldrechtsreform vom 01. 01. 2002 (vgl. zur Entstehung des § 313 BGB ausführlich H. Heinrichs, in FS Heldrich, S. 187 ff.).
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spruch auf Anpassung des Gesellschaftsvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage setzt die Unzumutbarkeit der bisherigen Regelung voraus (§ 313 Abs. 1 letzter HS BGB). Unzumutbar ist die bisherige Regelung aber nur dann, wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag zu „untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen“ führen würde.286 Zudem besteht nach § 313 BGB zunächst nur eine Neuverhandlungspflicht.287 Daher bildet dieses Institut wohl keine echte Alternative zur Zustimmungspflicht kraft Treuepflicht,288 steht aber trotzdem als zusätzliches Schutzinstrumentarium für die Mehrheitsinteressen unter dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip zur Verfügung. Abschließend ist u. U., wenn sich der Gesellschaftsvertrag zweifellos überholt hat, eine ergänzende Auslegung des Gesellschaftsvertrags (§ 157 BGB) i. S. des Mehrheitsinteresses möglich.289 Festgehalten werden kann somit, dass der Bestimmtheitsgrundsatz unstreitig notwendigen Vertragsänderungen nicht im Wege steht. Im Ergebnis zwingt daher auch das Argument der Kritiker, dass der Bestimmtheitsgrundsatz anpassungsfeindlich sei, nicht zur Aufgabe dieses Grundsatzes. e) Nur formale Beschlusskontrolle aa) Darstellung Der Bestimmtheitsgrundsatz geht nach Ansicht einiger Kritiker aber auch deshalb zu weit, weil er die Beschlusskontrolle in den formalen Bereich vorver286 BGHZ 84, 1, 9; Palandt/H. Heinrichs § 313 Rdnr. 19; Hk-BGB/Schulze § 313 Rdnr. 15 m. w. N. 287 Dies ist freilich sehr streitig, aber die wohl überzeugendere Ansicht, siehe etwa grundlegend Eidenmüller, ZIP 1995, 1063, 1067 f.; Horn, AcP 181 (1981), 255, 276 ff.; wie hier auch H. Heinrichs, in FS Heldrich, S. 183, 195 ff. m. w. N.: Eine Neuverhandlungspflicht entspricht der internationalen Rechtsentwicklung und es sollte zunächst Sache der Parteien und nicht des Gerichts sein, den Gesellschaftsvertrag an die veränderte Umstände anzupassen; vgl. ferner Palandt/ders. § 313 Rdnr. 29; Larenz/ Wolf, BGB-AT, § 38 Rdnr. 45; Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2699; für § 60 Abs. 1 VwVfG auch Lorenz, DVBl. 1997, 865, 870 f.; a. A. aber Grüneberg in Bamberger/ Roth § 313 Rdnr. 85; Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 925; MünchKomm z. BGB/Roth § 313 Rdnr. 93, die eine Neuverhandlungspflicht ablehnen, weil das Gesetz eine solche Pflicht nicht vorsehe. Kritisch gegenüber der Lehre von den Neuverhandlungspflichten auch Martinek, AcP 198 (1998), 330, 363 ff. 288 Ähnlich MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 231; a. A. aber Baier, NZG 2004, 356, 359, der der Anpassung des Gesellschaftsvertrags über das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage sogar einen breiteren Anwendungsbereich zuspricht als der Zustimmungspflicht kraft Treuepflicht; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 62 ff., der eine Zustimmungspflicht kraft Treuepflicht zu Unrecht ablehnt und daher über die Störung der Geschäftsgrundlage lösen will. 289 Kritisch dazu Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 217 ff. m. w. N.
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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lagert.290 Dadurch werde eine materielle Entscheidung darüber verhindert, ob die beschlossene Vertragsänderung notwendig sei und die wirklich für die Entscheidung ausschlaggebenden Wertungsmaßstäbe bzw. Argumente würden durch die Anwendung der Leerformel nicht transparent gemacht.291 Aus nur formalen Gründen würden womöglich auch Beschlüsse, die inhaltlich voll in Ordnung, ja für das Unternehmen eventuell sogar überlebensnotwendig seien, als unwirksam erachtet.292 Bei einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel entziehe der Bestimmtheitsgrundsatz der Mehrheit die Zuständigkeit für sämtliche Vertragsänderungen, ohne dass überhaupt geprüft worden sei, ob der jeweilige Beschluss rechtlich schutzwürdige Interessen der Minderheit konkret beeinträchtige.293 Wiederholt wird in diesem Zusammenhang das Argument, der Bestimmtheitsgrundsatz machte dadurch sogar Änderungen, die zweifelsfrei im Interesse aller Gesellschafter lägen, unmöglich, obwohl es hier in materieller Hinsicht keinen Grund zu einem Widerspruch gebe.294 bb) Eigene Stellungnahme Oben wurde bereits dargelegt, dass das Argument, der Bestimmtheitsgrundsatz mache Änderungen unmöglich, die zweifelsfrei im Interesse aller Gesellschafter liegen, nicht überzeugt.295 Richtig an dieser Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz ist aber, dass selbiger nur zu einer formalen Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses führt.296 Es geht beim Bestimmtheitsgrundsatz darum, ob die Mehrheitsgesellschafter eine hinreichende vertragliche Ermächtigung für den Eingriff in die Rechte der Minderheit haben. Dies ist eine Frage der Auslegung des Gesellschaftsvertrags. Eine solche formale Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses rechtfertigt sich schon aus der gesetzgeberischen Wertentscheidung, bei Personengesellschaften grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter für einen Beschluss zu verlangen (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB). Danach kann die Mehrheit eben nur Beschlüsse fassen, soweit der Gesellschaftsvertrag hinreichend deutlich von dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1, 119 Abs. 1 HGB) abweicht. Die Antwort auf die Auslegungsfrage, ob der Gesellschaftsvertrag auch für den konkreten Beschlussgegenstand von §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 290 Siehe etwa Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 274 f.; Roth, JBl 2005, 80, 81; Schiessl, DB 1986, 735, 736; U. H. Schneider, AG, 1979, 57, 60. 291 U. H. Schneider, AG, 57, 60; Ulmer, BB 1976, 950. 292 Schiessl, DB 1986, 735, 736. 293 Hadding, ZGR 1979, 636, 643; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715; Roth, JBl 2005, 80, 81; ähnlich auch U. H. Schneider, AG 1979, 57, 60. 294 Siehe etwa Schiessl, DB 1986, 735, 736. 295 Vgl. oben § 4 VI. 2. d) cc). 296 Siehe oben § 4 V. 2.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Abs. 1 HGB hinreichend deutlich abweicht und eine Mehrheitsentscheidung zulässt, geben in Zweifelsfällen aber nur die im Bestimmtheitsgrundsatz zusammengefassten Auslegungsregeln. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten: Es ist richtig, dass der Bestimmtheitsgrundsatz zu einer lediglich formalen Beschlusskontrolle führt. Diese formale Beschlusskontrolle ist aber aufgrund der §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB gerechtfertigt. f) Verdeckte Inhaltskontrolle aa) Darstellung Häufig wird eingewandt, dass die Rechtsprechung unter der formalen Schranke des Bestimmtheitsgrundsatzes in Wahrheit eine verdeckte Inhaltskontrolle des Gesellschafterbeschlusses betreibe.297 Der Bestimmtheitsgrundsatz verhindere, dass die entscheidenden Wertungsgrundlagen offen gelegt werden und eine sachgerechte inhaltliche Beschlusskontrolle praktiziert werde.298 Der Bestimmtheitsgrundsatz selbst sei in Wahrheit bloß eine Leerformel.299 Die Rechtsprechung lasse bei der „Auslegung“ der jeweils im Streit befindlichen Mehrheitsklausel mehr oder weniger stillschweigend materielle Gerechtigkeitsaspekte einfließen.300 Dadurch werde in Wahrheit eine richterliche Kontrolle des Inhalts von Mehrheitsbeschlüssen praktiziert, die letztlich allein auf dem Gedanken des Minderheitenschutzes beruhe.301 Als Beispiel für eine solche verdeckte Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses wird die Entscheidung des BGH vom 10. 05. 1976302 genannt, in der die mehrheitliche Rücklagenbildung unter Durchbrechung der gesellschaftsvertraglichen Regelung als von der Mehrheitsklausel gedeckt, eine mehrheitliche Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels dagegen als unzulässig angesehen wurde, wobei sich für diese Differenzierung aus der Mehrheitsklausel keine Anhaltspunkte ergaben.303 297 Siehe etwa Hadding, ZGR 1979, 636, 642 f.; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715 m. w. N.; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 274; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88; ders., BB 1976, 950; Wiedemann, ZGR 1977, 690, 694; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 30; ders., GesRZ 1986, 74, 80. 298 Darauf weisen vor allem MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 87 a. E.; M. Winter, Treubindungen, S. 30 f. hin. Vgl. ferner Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 714 f.; Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 389 f.; Mecke, BB 1988, 2258, 2262; anders aber nunmehr K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 215 f. 299 Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 274; Ulmer, BB 1976, 950. 300 Wiedemann, ZGR 1977, 690, 694. 301 Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 274. 302 BB 1976, 948.
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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bb) Eigene Stellungnahme Wenn die Rechtsprechung unter dem Deckmantel des Bestimmtheitsgrundsatzes eine verdeckte Kontrolle des Beschlussinhalts betreibt, so liegt darin in der Tat ein Missbrauch des Bestimmtheitsgrundsatzes.304 Prüfungsmaßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes ist allein die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel und nicht der konkrete Beschlussinhalt. Es geht beim Bestimmtheitsgrundsatz nur um die Frage, ob die Mehrheit auch für den konkreten Beschlussgegenstand zur Entscheidung berufen war. Denn der Bestimmtheitsgrundsatz ist lediglich eine spezielle Auslegungsregel für gesellschaftsvertragliche Mehrheitsermächtigungen.305 Ist die Mehrheit z. B. zur Beschlussfassung über Beitragserhöhungen nach dem Gesellschaftsvertrag berufen, so steht jedenfalls der Bestimmtheitsgrundsatz einem inhaltlich überzogenen Beitragserhöhungsbeschluss nicht im Wege. Die Beschlussfolgen sind für die Auslegung der Mehrheitsklausel nur insoweit relevant, wie sie abstrakt mit dem konkreten Beschlussgegenstand, etwa Umwandlungsentscheidungen, zusammen hängen. Denn bei der Auslegung einer Vertragsbestimmung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und daher auch die Folgen eines Mehrheitsbeschlusses für die Minderheit in einem bestimmten Bereich. Wenn die Minderheit ein Mehrheitsbeschluss daher in einem bestimmten Bereich generell besonders hart treffen sollte, so liegt darin ein Indiz dafür, dass sie sich insoweit des Schutzes des Einstimmigkeitsprinzips nicht begeben wollte und dass die Mehrheit insoweit keine Beschlusskompetenz hat. Der Missbrauch des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelfall zwingt aber nicht zu seiner generellen Aufgabe. Die von der Rechtsprechung praktizierte verdeckte Inhaltskontrolle im Einzelfall vermag eine Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht zu rechtfertigen. Im aufgezeigten abstrakten Umfang sind auch die Beschlussfolgen für die Auslegung der Mehrheitsklausel relevant. Das Einfließen von materiellen Wertungen ist unvermeidlich, wenn es um die Antwort auf die Frage geht, ob eine Vertragsänderung „außergewöhnlich“ ist.
303 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88 in Fn. 171; ders., BB 1976, 950; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 30; ders., GesRZ 1986, 74, 80. 304 Richtig ist wohl, dass die Entscheidung des BGH vom 10. 05. 1976, BB 1976, 948 ein Beispiel für eine solche unzulässige verdeckte Inhaltskontrolle ist; a. A. Ganssmüller, GmbHR 1977, 62 f., der das Urteil für zutreffend hält. 305 Siehe dazu oben § 4 V. 1.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
g) Unterlaufen der streitverhindernden Funktion der Mehrheitsklausel aa) Darstellung der Kritik Weiter unterläuft der Bestimmtheitsgrundsatz nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht die streitverhindernde Funktion, die der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen zukommen soll.306 Mit der Einführung des Mehrheitsprinzips bezweckten die Gesellschafter, den Streit um Änderungen zu verhindern, die Einbußen für den einzelnen Gesellschafter mit sich brächten.307 Hätten die überstimmten Gesellschafter die Möglichkeit, mittels des Bestimmtheitsgrundsatzes die zuvor getroffene Vereinbarung zu umgehen, so würde im Streit um die Kompetenzgrundlage des Mehrheitsbeschlusses genau der Konflikt ausgetragen, der durch die vorherige Einführung des Mehrheitsprinzips im Interesse aller hätte vermieden werden sollen.308 bb) Eigene Stellungnahme So weit geht der Regelungsgehalt der Mehrheitsklausel nicht. Mit der Mehrheitsklausel wollen die Gesellschafter für die Beschlussfassung das Mehrheitsprinzip vorsehen. Sie bezwecken damit aber nicht Streitigkeiten um mehrheitlich beschlossene Vertragsänderungen in Zukunft zu verhindern, die sie ihrem sachlichen Gehalt nach nicht einmal kennen. Mit der Mehrheitsklausel wollen die Gesellschafter lediglich die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft verbessern.309 Demzufolge haben die Minderheitsgesellschafter mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aber auch keine „Waffe zur Hand“, die ihnen durch die Mehrheitsklausel eigentlich genommen werden sollte. Dem Argument, der Bestimmtheitsgrundsatz unterlaufe die streitverhindernde Funktion der Mehrheitsklausel, ist nicht zuzustimmen. Richtig ist vielmehr das Gegenteil: Dadurch, dass der Bestimmtheitsgrundsatz eine klare Aussage zur Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen verlangt, dient er dem Rechtsfrieden.310
306
Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 391. Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 391. 308 Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 391. 309 Vgl. oben § 4 IV. 3. m. N., wo bereits zum Erklärungsgehalt der Mehrheitsklausel in diesem Sinne Stellung genommen wurde. 310 In diesem Sinne auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. (S. 302). 307
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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h) Fehlen dogmatischer Legitimation aa) Darstellung Häufig wird gegen den Bestimmtheitsgrundsatz eingewendet, für die von ihm an die Einführung des Mehrheitsprinzips gestellten Anforderungen gebe es keine hinreichende dogmatische Grundlage.311 Die Theorie der antizipierten Zustimmung sei abzulehnen, weil sie nicht zu erfüllende Anforderungen stelle. Gehe man von einer antizipierten Zustimmung der überstimmten Gesellschafter aus, so müsse nicht nur die Auflistung der Beschlussgegenstände, sondern zumindest auch die grobe Skizzierung der zulässigen Beschlussinhalte verlangt werden.312 Man könne aber auch nicht von der Einräumung eines Gestaltungsrechts an die Mehrheit sprechen. Denn habe die Minderheit tatsächlich der Mehrheit ein Gestaltungsrecht eingeräumt, könne sich der Schutz der Minderheit nur nach den beweglichen Schranken, wie z. B. der Treuepflicht, richten.313 In Wahrheit sei die Mehrheitsklausel lediglich eine Verfahrensregel. Daher sei aber dogmatisch nicht klar, weshalb diese bloße Verfahrensregel i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes restriktiv auszulegen sei. bb) Eigene Stellungnahme Richtig ist an dieser Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz, dass in der Tat weder die Theorie der antizipierten Zustimmung, noch die Gestaltungsmachttheorie noch die Verfahrensregeltheorie – wie oben dargelegt – eine hinreichende dogmatische Begründung für den Bestimmtheitsgrundsatz anbieten können.314 Gleichwohl ist die dogmatische Legitimation des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht zweifelhaft. Er ist als Auslegungsregel einzuordnen. Jede gesellschaftsvertragliche Bestimmung und damit auch eine Mehrheitsklausel bedarf, sofern sie nicht eindeutig ist, der Auslegung (§§ 133, 157 BGB). Bei dieser Auslegung der Mehrheitsklausel kommt der Wertentscheidung des Gesetzgebers, dem Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) bei Personengesellschaften grundsätzlich den Vorrang vor dem Mehrheitsprinzip einzuräumen, wesentliche Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hat der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Gesellschafter den Vorrang vor dem Interesse der Mehrheit eingeräumt, auf Veränderungen flexibel und schnell reagieren zu können.315 Er 311 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 81; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88; Weipert, in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 14 Rdnr. 53. 312 Siehe die Nachweise oben § 4 Fn. 76. 313 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 88. 314 Zur Theorie der antizipierten Zustimmung siehe oben § 4 IV. 1., zur Gestaltungsmachttheorie siehe oben § 4 IV. 2. und zur Verfahrensregeltheorie siehe oben § 4 IV. 3.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
hat ein Regel-Ausnahmeverhältnis von Einstimmigkeits- und Mehrheitsprinzip geschaffen. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers darf bei der Auslegung der Mehrheitsklausel nicht unberücksichtigt bleiben: In der Mehrheitsklausel muss deutlich zum Ausdruck kommen, in welchem Umfang die Gesellschafter auf den Schutz des Einstimmigkeitsprinzips verzichten und sich Mehrheitsentscheidungen unterwerfen wollen. Der als Auslegungsregel einzuordnende Bestimmtheitsgrundsatz ist damit auch dogmatisch gerechtfertigt. 3. Zusammenfassende Würdigung der Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz überzeugt nicht. Der Bestimmtheitsgrundsatz sollte nicht aufgegeben, sondern als Auslegungsregel beibehalten werden.316 Wenn man den Bestimmtheitsgrundsatz nämlich auf ein seiner Funktion entsprechendes Verständnis (formelle Schranke) zurückführt, können die Argumente der Kritiker des Bestimmtheitsgrundsatzes widerlegt werden. Für die Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes sprechen somit die besseren Argumente, sie sollen im Folgenden zusammengestellt werden: 1. Die Zulassung von Mehrheitsentscheidungen bedarf einer gesellschaftsvertraglichen Grundlage. Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz gemäß §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB im Grundsatz vom Einstimmigkeitsprinzip ausgeht. Die Reichweite dieser Mehrheitsklausel ist Gegenstand der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB (formale Beschlusskontrolle). Bei dieser Auslegung ist die gesetzgeberische Wertentscheidung zugunsten des Einstimmigkeitsprinzips (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) zu beachten. Das Gesetz wertet das Schutzinteresse der Minderheit bei Personengesellschaften grundsätzlich höher als das für die Minderheit mit u. U. erheblichen Risiken verbundene Verände-
315 Zutreffend Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 55. Vorher hat sich der Gesetzgeber eingehend beraten, vgl. von Lutz, Protokolle, S. 198 ff. 316 Für die Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes im Ergebnis auch die wohl noch h. A. im Schrifttum, siehe etwa von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 131; Dürrschmidt, JuS 1997, 15, 16; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen, § 119 Rdnr. 19; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 167; Goette, in FS Sigle, S. 145, 156 ff.; Herrmans, ZGR 1996, 103, 115; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 39; Kort, DStR 1993, 401, 438; Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1131; Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 387; Loritz, JZ 1986, 1073, 1081; Marburger, NJW 1984, 2252, 2254 ff.; ders., ZGR 1989, 146, 149 ff.; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 19 f.; Röttger, Kernbereichslehre, S. 154; Schiessl, DB 1986, 735, 737; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Anh. § 45 Rdnr. 24; ders., Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c), d) (S. 455 ff.); ders., ZHR 158 (1994), 205, 215 ff.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 29 ff.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 33; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. a) (S. 302).
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rungs- oder Anpassungsinteresse der Mehrheit. Die Mehrheitsklausel ist daher i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes restriktiv auszulegen. 2. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass auch Änderungen des Gesellschaftsvertrags mit Mehrheit beschlossen werden können, so bezieht sich diese vertragliche Regelung im Zweifel nur auf gewöhnliche Vertragsänderungen. Denn eine allgemein gehaltene Mehrheitsklausel darf nicht zu einer schrankenlosen Mehrheitsmacht führen, die sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) wäre. Die Klausel ist einschränkend auszulegen. Angesichts der zahllosen, weit reichenden Beschlussgegenstände, die an sich unter den Sammelbegriff „Vertragsänderungen“ subsumiert werden können, ist der Wortlaut der Mehrheitsklausel nur scheinbar eindeutig. Dem Gesellschafter kann zumindest in der Regel nicht unterstellt werden, dass er bei einer solchen Klausel auch an ungewöhnliche Vertragsänderungen gedacht hat. 3. Diese Restriktion des Geltungsbereichs von Mehrheitsklauseln durch den Bestimmtheitsgrundsatz ermöglicht es den Gesellschaftern, womöglich auch erst unter Zuhilfenahme der im Schrifttum aufgestellten Beschlussgegenstandskataloge, kraft privatautonomer Gestaltung festzulegen, inwieweit sie sich des Schutzes des Einstimmigkeitsprinzips begeben und mehrheitliche Beschlussfassungen über wesentliche Vertragsänderungen zulassen wollen. Dem entspricht es, dass es zunächst Aufgabe der Gesellschafter und nicht der Gerichte ist, den Veränderungsinteressen den Vorrang vor den Beharrungsinteressen einzuräumen. 4. Für den Ansatz des Bestimmtheitsgrundsatzes schon bei der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel spricht, dass eine Beschlusskontrolle, die sich auf eine Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränkt, im besonderen Maße zu Rechtsunsicherheit führt.317 Nach den Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit oder des Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) lassen sich die Ergebnisse nur schwer vorhersehen. Daher bedarf es der Ergänzung der Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses durch den Bestimmtheitsgrundsatz.318 Bei einer Beschränkung auf die Inhaltskontrolle negierte man auch einen grundlegenden Unterschied zwischen den Personengesellschaften, bei denen das Mehrheitsprinzip nur kraft Vereinbarung gilt, und den Kapitalgesellschaften, bei denen das Mehrheitsprinzip schon kraft Gesetzes gilt. 5. Gegenüber der Inhaltskontrolle hat der Bestimmtheitsgrundsatz zudem den Vorteil, dass der Minderheitsgesellschafter nicht Tatsachen vortragen und ggf. beweisen muss, aus denen sich die materielle Rechtswidrigkeit des Mehrheitsbe317
Vgl. oben § 4 VI. 1. a) m. N. Auf die streitige Frage, wie genau das Zusammenspiel zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und Inhaltskontrolle aussieht, wird unten § 6; § 7 V. 2. eingegangen. 318
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schlusses ergibt.319 Es reicht vielmehr aus, dass der Minderheitsgesellschafter vorträgt, das Einstimmigkeitsprinzip der §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB sei für den konkreten Beschlussgegenstand nicht wirksam außer Kraft gesetzt. Die Abbedingung des Einstimmigkeitsprinzips müssen dann die Mehrheitsgesellschafter im konkreten Streitfall nachweisen. 6. Im Personengesellschaftsrecht ist anders als im Aktien- oder GmbH-Recht ein Minderheitenschutz gesetzlich nicht vorgesehen. Einem Machtmissbrauch der Mehrheit muss aber gerade auch hier vorgebeugt werden, zumal hier missbräuchliche Eingriffe nicht nur der Vermögensbeteiligung, sondern auch dem persönlichen Lebensbereich des Gesellschafters drohen, soweit er mit seiner Beteiligung an der Gesellschaft gleichzeitig seinen Beruf ausübt.320 7. Es ist immer noch besser, Mehrheitsbeschlüsse durch Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes zu erschweren als sie grenzenlos zuzulassen. Angesichts der dem gesetzlichen Leitbild entsprechenden personalistischen Struktur der Personengesellschaften muss darauf vertraut werden, dass sich die Gesellschafter auch vertraglich auf eine dringend gebotene Vertragsänderung einigen.321 Unter Umständen besteht ja auch eine Pflicht, notwendigen Vertragsänderungen zuzustimmen. 8. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfüllt eine wichtige Warnfunktion. Einem Katalog von Beschlussgegenständen im Gesellschaftsvertrag kann der potentielle Mitgesellschafter entnehmen, welches Risiko die Beteiligung an der Gesellschaft für ihn haben mag. Er weiß, worauf er sich einlässt. Der potentielle Mitgesellschafter kann sich darauf einstellen, dass jedenfalls über die aufgeführten Beschlussgegenstände hinaus nicht mit Mehrheit beschlossen werden kann.322 Auf diese Weise gibt der Bestimmtheitsgrundsatz dem potentiellen Mitgesellschafter eine Beurteilungsgrundlage dafür, über den Beitritt in die Gesellschaft zu entscheiden. Dies gilt insbesondere auch für denjenigen, der die Beteiligung an der Gesellschaft erbt oder im Wege der Schenkung erlangt, da die Erbschaft ausgeschlagen werden kann (§§ 1942 ff. BGB) und die Schenkung der Annahme bedarf. 9. Schließlich spricht für den Bestimmtheitsgrundsatz, dass er sich auf eine fast 100 jährige ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zurückgehend auf eine Entscheidung des RG aus dem Jahre 1915323 stützen kann. Ohne gewichtige Argumente, die nicht ersichtlich sind, sollte diese höchstrichterliche Rechtsprechung nicht aufgegeben werden.324
319 320 321 322 323
Vgl. oben § 4 VI. 1. a) cc) m. N. BGHZ 71, 53, 57. BGHZ 71, 53, 57. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. a) (S. 302). RGZ 87, 261.
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Im Ergebnis weisen daher drei obergerichtliche Entscheidungen aus jüngerer Zeit, die sich für eine Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes ausgesprochen haben, den richtigen Weg.325 Es bleibt zu hoffen, dass auch der BGH, der angesichts der starken literarischen Kritik offenbar schwankt,326 bei einer weiteren Befassung am Bestimmtheitsgrundsatz festhält.
VII. Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes Im Folgenden soll der Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes abgesteckt werden. Dafür ist davon auszugehen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung als Reaktion auf die starke Kritik den Bestimmtheitsgrundsatz für Publikumspersonengesellschaften ausdrücklich aufgegeben hat.327 Gerade weil am Bestimmtheitsgrundsatz jedenfalls für gesetzestypische Personengesellschaften festzuhalten ist, drängt sich die Frage auf, ob die Zurücknahme des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes für Publikumspersonengesellschaften durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gerechtfertigt ist (dazu folgend 1.). Anschließend soll überlegt werden, ob der Bestimmtheitsgrundsatz auch für sonstige körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften aufzugeben ist (dazu folgend 2.).
324 Auf Vertrauensschutz könnte sich die Minderheit, wenn der BGH sich gleichwohl entschließen sollte, den Bestimmtheitsgrundsatz aufzugeben, indes nicht berufen. Denn zunächst in den Urteilen vom 13. 03. 1978, BGHZ 71, 53, 57 und vom 15. 11. 1982, BGHZ 85, 350, 356 und später auch noch im Urteil vom 10. 10. 1994, BGH, NJW 1995, 194 f. hat der BGH den Bestimmtheitsgrundsatz in Frage gestellt und Zweifel erkennen lassen, ob noch an ihm festzuhalten ist. Ein Vertrauensschutz der Minderheit entfällt damit. Zum Vertrauensschutz gegenüber einer rückwirkenden Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung vgl. für das Privatrecht nur Rüberg, Vertrauensschutz, S. 59 ff., 190 ff., der insoweit zu Recht eine restriktive Linie vertritt. 325 OLG München, DStR 1992, 1102; BB 1994, 1466; OLG Celle, NZG 2000, 586, 587, das aber zu Unrecht meint, auch der BGH habe am Bestimmtheitsgrundsatz festgehalten. In der vom OLG Celle angeführten Entscheidung (BGH, NJW 1995, 194 f.) hat der BGH gerade dahin stehen lassen, ob der Bestimmtheitsgrundsatz angesichts der starken Kritik im Schrifttum noch Geltung beansprucht, vgl. oben § 4 II. Für eine Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes ferner: LG Köln, DB 1992, 265, 266. 326 Vgl. BGH, NJW 1995, 194 f. 327 Zur Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die höchstrichterliche Rechtsprechung siehe oben § 4 II.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
1. Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Publikumspersonengesellschaften a) Die Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Publikumspersonengesellschaften durch die höchstrichterliche Rechtsprechung Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die zuvor dargestellte Kritik des Schrifttums am Bestimmtheitsgrundsatz offenbar zur Kenntnis genommen. So hat der BGH für den Bereich der Publikumspersonengesellschaften den Bestimmtheitsgrundsatz in mittlerweile ständiger Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben.328 Das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) überzeuge hier schon im Ansatz nicht. Die Notwendigkeit, den Gesellschaftsvertrag durch Mehrheitsbeschluss ändern zu können, sei bei Publikumspersonengesellschaften offensichtlich. Bei dem großen Kreis von Kommanditisten lasse sich schon eine geschlossene Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen praktisch nicht erreichen. Daher wären mit dem Einstimmigkeitsprinzip nicht einmal Vertragsänderungen durchzubringen, die zweifelsfrei im Interesse aller Gesellschafter lägen und bei denen es offensichtlich keinen Grund zum Widerspruch gäbe. Eine vernünftige Fortentwicklung der Gesellschaft wäre unmöglich. Selbst an krisenhaften Zuständen könnte nichts geändert werden.329 b) Die Kritik an dieser Rechtsprechung Während das ganz überwiegende Schrifttum330 und auch die Obergerichte331 dieser Rechtsprechung des BGH gefolgt sind und der Aufgabe des Bestimmt328 BGHZ 71, 53, 58; BGH, NJW 1985, 972, 973; 1991, 691, 692. Vgl. aber auch BGHZ 66, 82, 85 f., wonach ein mehrheitlicher Kapitalerhöhungsbeschluss bei einer Publikumspersonengesellschaft entgegen dem Bestimmtheitsgrundsatz früheren Verständnisses auch ohne Festsetzung einer Obergrenze für die Kapitalerhöhung wirksam ist, wenn der Beschluss nur das Recht zur erhöhten Kapitalbeteiligung begründet und dieses Recht jedem Kommanditisten entsprechend der Höhe seiner bisherigen Beteiligung eingeräumt wird. Nach hiesigem Verständnis ergibt sich das Erfordernis einer Obergrenze ohnehin nicht aus dem Bestimmtheitsgrundsatz; vgl. ferner BGHZ 69, 160, 165 f., wonach ein mit 3/4 Mehrheit gefasster Fortsetzungsbeschluss bei einer Publikumspersonengesellschaft nicht am Bestimmtheitsgrundsatz zu messen ist. 329 BGHZ 71, 53, 57; BGH, BB 1985, 423, 424; so besonders deutlich auch Henze in Ebenroth/Boujong/Joost § 177a Anh. B Rdnr. 34; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 20 III. 4. (S. 294). 330 Siehe etwa von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 129; Binz/ Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 68 ff.; Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 32; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 88; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 167; MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 112; Hadding, ZGR 1979, 636, 644 f.; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost § 177a Anh. B Rdnr. 34; Hopt in Baumbach/Hopt § 177a Rdnr. 69a; Kort, DStR 1993, 401, 403 f.; Kübler, Gesellschafts-
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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heitsgrundsatzes bei Publikumspersonengesellschaften zugestimmt haben, fordert Späth332 die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes auch auf Publikumspersonengesellschaften. Er argumentiert, dass mit Hilfe der Publikumspersonengesellschaft versucht werde, das Steuerrecht zu umgehen.333 Der Gesellschafter solle die Vorteile einer bloßen Kapitalanlage als Kommanditist haben, dazu in unzulässiger Weise aber auch die steuerrechtlichen Vorteile der Gesellschaftereigenschaft i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.334 Daher dürfe die Publikumspersonengesellschaft von der Rechtsprechung als gesonderte Gesellschaftsform nicht anerkannt werden. Es müsse strikt das Personengesellschaftsrecht (§§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB, 161 ff. HGB) und damit auch § 709 Abs. 1 BGB bzw. § 119 Abs. 1 HGB angewendet werden.335 Das wichtigste Argument für eine Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes auch bei Publikumspersonengesellschaften ist nach Ansicht von Späth aber die fehlende Rechtssicherheit, wenn für gesetzestypische Personengesellschaften der Bestimmtheitsgrundsatz gilt, bei Publikumspersonengesellschaften hingegen nicht.336 Wer könne schon sagen, wann eine Publikumspersonengesellschaft vorliege? Es gleiche daher einem Roulettespiel, z. B. bei einer Gesellschaft mit 11 Mitgliedern unter Berufung auf den Bestimmtheitsgrundsatz vor Gericht zu ziehen.337 c) Eigene Stellungnahme Der Standpunkt von Späth überzeugt nicht. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist bei Publikumspersonengesellschaften nicht anzuwenden. Zuzugeben ist zwar, dass es keine allseits akzeptierte Definition der Publikumspersonengesellschaft recht, § 20 III. 4. (S. 293 f.); Marburger, NJW 1984, 2252, 2255; Röttger, Kernbereichslehre, S. 154 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. d) bb) (S. 457 ff.); ders., ZHR 158 (1994), 205, 220 ff.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 39; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 49; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 101; Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 145. 331 Siehe etwa OLG Köln, NJW-RR 1991, 491; NZG 1999, 769, 772; KG, Urt. v. 21. 01. 2005 – 14 U 180/03, Volltext bei juris (für einen geschlossenen Immobilienfonds). 332 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 48 ff.; kritisch gegenüber der Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes aber auch U. H. Schneider, ZHR 142 (1978), 228, 253: Der BGH habe mit dem Bestimmtheitsgrundsatz „eine der Tragsäulen des für Individualgesellschaften entwickelten Minderheitenschutzes aufgegeben.“ Zutreffend weist U. H. Schneider a. a. O. darauf hin, dass der Minderheitenschutz bei Publikumspersonengesellschaften daher auf andere Weise sichergestellt werden muss. 333 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 49. 334 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 49. 335 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 49. 336 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 49. 337 Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 49.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
gibt338 und dass folglich mit der Unterscheidung zwischen gesetzestypischen Personengesellschaften und Publikumspersonengesellschaften eine gewisse Rechtsunsicherheit verbunden ist. Klar ist aber, dass die Publikumspersonengesellschaft eine Personengesellschaft ist, die vom gesetzlichen Leitbild entscheidend abweicht und auf die daher nicht ohne weiteres die Regeln der §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB, 161 ff. HGB Anwendung finden können.339 Die Publikumspersonengesellschaft ist in der Regel als KG oder GmbH & Co. KG ausgestaltet und zur Kapitalansammlung auf den Beitritt einer (unbestimmten) Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter Kommanditisten als Anlagegesellschafter angelegt.340 Sie ist keine dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Arbeits- und Haftungsgemeinschaft. Die Struktur der Publikumspersonengesellschaft entspricht eher der einer größeren Kapitalgesellschaft, wie z. B. einer AG oder einer KGaA.341 Unklar ist an dieser Definition der Publikumspersonengesellschaft allenfalls, wann von einer (unbestimmten) Vielzahl von rein kapitalistisch beteiligten Kommanditisten gesprochen werden kann. Insoweit ist aber dem BGH zu folgen, der eine KG mit 50 Gesellschaftern zu Recht schon als Publikumspersonengesellschaft behandelt hat.342 Damit dürfte die untere Grenze ziemlich genau getroffen sein.343 Mit Hilfe dieser Definition bereitet die Abgrenzung der Publikumspersonengesellschaft von anderen Personengesellschaften keine wirklichen unüberwindbaren Schwierigkeiten. Man kann nicht mit Späth von einer Rechtsunsicherheit sprechen, die die Ausmaße eines „Roulettespiels“ hätte. Wirklich problematisch ist lediglich der Fall einer offenen Publikums-KG, die in den ersten beiden Jahren etwa 40 Anlagekommanditisten hat und im dritten Jahr auf etwa 60 anwächst. Im Ergebnis schlägt auch der steuerrechtliche Einwand Späths gegen die Anerkennung eines Sonderrechts für Publikumspersonengesellschaften nicht durch. 338
Vgl. nur MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 101. Vgl. dazu, dass die §§ 161 ff. HGB für eine Publikums-KG nur begrenzt passen, Dietrich, Publikums-KG, S. 13 ff.; vgl. ferner zur Anwendbarkeit körperschaftlicher Normen auf eine Publikumspersonengesellschaft Kindl, WuB II F. § 273 AktG 1.03., 961, 963 f. 340 Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt § 177a Rdnr. 52; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 161 Rdnr. 87; Koller in Koller/Roth/Morck § 161 Rdnr. 3; Palandt/ Sprau § 705 Rdnr. 47. 341 Michalski, OHG-Recht, § 119 Rdnr. 11; Rabl, Kommanditistenschutz, S. 1. 342 BGHZ 64, 238, 239 ff. Die Zahl ist freilich etwas willkürlich. Im Übrigen reicht es auch aus, dass die Gesellschaft auf eine Beteiligung einer Vielzahl von Kommanditisten „angelegt“ ist. 343 So auch MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 102. Jedenfalls bei einer KG mit bloß 20 Gesellschaftern lässt sich nicht von einer Publikumsgesellschaft sprechen (BGH, NJW-RR 1990, 474 f.), so dass auch das von Späth gewählte Beispiel für das „Roulettespiel“ zumindest ungeschickt ist. 339
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Grundsätzlich bestehen bei der Publikumspersonengesellschaft zwar steuerliche Vorteile gegenüber Kapitalgesellschaften, vor allem durch die sofortige Verrechenbarkeit etwaiger Verluste bei Vorhandensein anderer positiver Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 3 EStG).344 Die Verrechenbarkeit der Verluste wird aber nunmehr durch den neu eingefügten § 15a EStG erheblich eingeschränkt.345 Ein Ausgleich von Verlusten ist nach § 15a EStG nur bis zur Höhe des Kapitalkontos, das im Wesentlichen der geleisteten Einlage des Kommanditisten entspricht, bzw. einer höheren im Handelsregister eingetragenen Einlage zulässig.346 Zudem schränkt § 2b EStG die Berücksichtigung der Verluste bei sog. Verlustzuweisungsgesellschaften ein und es gab zwischenzeitlich Verrechnungsbeschränkungen für die Personengesellschafter durch die Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG a. F.347 Gegen ein Sonderrecht für Publikumspersonengesellschaften bestehen also auch steuerrechtlich in Wahrheit keine durchgreifenden Bedenken. Zuzustimmen ist vielmehr der Sonderbehandlung der Publikumspersonengesellschaft durch die Nichtgeltung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Der Bestimmtheitsgrundsatz überzeugt bei Publikumspersonengesellschaften schon im Ansatz nicht, da er Anforderungen an eine Klausel festlegt, die bei Publikumspersonengesellschaften gar nicht erforderlich ist. Denn bei Publikumspersonengesellschaften gilt kraft ergänzender Auslegung des Gesellschaftsvertrags (§ 157 BGB) für die Beschlussfassungen i. d. R. ohnehin nicht das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (§§ 311 Abs. 1, 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB),348 sondern das Mehrheitsprinzip. Bei Publikumspersonengesellschaften muss jedes Mitglied wegen der Vielzahl der Gesellschafter folglich mit Mehrheitsentscheidungen rechnen.349 Damit verträgt sich keine einschränkende Auslegung von Mehrheitsklauseln i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes. Das einzelne Mitglied muss bei einer Publikumspersonengesellschaft nicht vor einer möglichen Fremdbestimmung gewarnt und geschützt werden.350 Es kann sich nicht darauf berufen, bei einer allgemein gehaltenen Mehrheitsklausel nur an Maßnahmen der laufen344 Zur Attraktivität der Publikums-GmbH & Co. KG aus steuerrechtlicher Sicht vgl. Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 18 ff., wenngleich sich die Rechtslage teilweise durch den neuen § 2b EStG geändert hat. Dazu im Folgenden. 345 Vgl. zu § 15a EStG Birk, Steuerrecht, Rdnr. 1023–1025; Wüst, ZHR 152 (1988), 215, 219. 346 Vgl. nur Birk, Steuerrecht, Rdnr. 1023–1025. 347 Siehe dazu nur Seeger in Schmidt, EStG, § 2 Rdnr. 60 ff. 348 Zur Geltung des Mehrheitsprinzips kraft ergänzender Vertragsauslegung bei Publikumspersonengesellschaften siehe oben § 2 IV. 2. 349 U. H. Schneider, AG 1979, 57, 60. 350 Ähnlich Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 113: Mit der Geltung des Mehrheitsprinzips als Regelform verliere der Bestimmtheitsgrundsatz seine Berechtigung, weil das Mitglied mit mehrheitlicher Beschlussfassung zu rechnen hat; U. H. Schneider, AG 1979, 57, 60.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
den Geschäftsführung gedacht zu haben. Somit gibt es für den Bestimmtheitsgrundsatz bei Publikumspersonengesellschaften keine Rechtfertigung.351 Seine Anwendung würde bei Publikumspersonengesellschaften dazu führen, dass die Anlagegesellschafter letztlich unter unzureichend formulierten Gesellschaftsverträgen der Gründungsgesellschafter zu leiden hätten.352 Der erforderliche Minderheitenschutz muss bei Publikumspersonengesellschaften folglich auf andere Weise sichergestellt werden.353 Die Nichtanwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf Publikumspersonengesellschaften darf nicht zu einem mangelnden Minderheitenschutz bzw. zu einer schrankenlosen Mehrheitsherrschaft führen. Dieses Problem hat auch der BGH gesehen, als er den Bestimmtheitsgrundsatz für Publikumspersonengesellschaften aufgegeben hat. Er hat deshalb vorgeschlagen, den Bestimmtheitsgrundsatz bei Publikumspersonengesellschaften durch ein außerordentliches Austrittsrecht zu ersetzen.354 Nach Ansicht des BGH ist ein ausreichender Minderheitenschutz gewahrt, wenn den überstimmten Kommanditisten, die i. d. R. nur vermögensmäßig beteiligt sind, bei wesentlicher Umgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses das Recht eingeräumt wird, aus der Gesellschaft gegen angemessene Abfindung (§ 738 BGB i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB) auszuscheiden. Begründet wird dies damit, dass die überstimmten Kommanditisten nur unter den im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Bedingungen beigetreten sind und sie daher ohne ihre Zustimmung nicht an ein tief greifend umgestaltetes Gesellschaftsverhältnis gebunden bleiben können.355 Gegen dieses Lösungskonzept des BGH wendet Reuter zu Unrecht ein, dass man damit der Mehrheit die Möglichkeit einräumen würde, sich einseitig von der vertraglichen Grundlage zu lösen.356 Die Minderheit könnte nur mit einem Austritt reagieren. Reuter verkennt, dass der Minderheit ein Wahlrecht zusteht, entweder in der Gesellschaft zu verbleiben oder aber gegen Abfindung (§ 738 BGB i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB) aus der Gesellschaft auszuscheiden.357 351 Zur dogmatischen Legitimation des Bestimmtheitsgrundsatzes bei gesetzestypischen Personengesellschaften vgl. oben § 4 VI. 2. h). 352 von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 129. 353 Darauf weisen zutreffend neben BGHZ 71, 53, 59 ff. auch U. H. Schneider, ZHR 142 (1978), 228, 253; Wawrzinek, Anlegerschutz, S. 146 hin. 354 BGHZ 71, 53, 60 f.; so wohl auch BGHZ 85, 350, 361; KG, Urt. v. 21. 01. 2005 – 14 U 180/03, Volltext bei juris; dem Weg des BGH zustimmend Schlarmann, BB 1979, 192, 194; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 94 (allerdings nur vorbehaltlich einer Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen im Hinblick auf mehrheitsfeste Sonderrechte und bewegliche Schranken); Wiedemann, JZ 1978, 612, 613. Letzterer spricht sich allerdings nicht für ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund, sondern für ein Abfindungsrecht aus. 355 BGHZ 71, 53, 61. 356 Reuter, Gutachten B zum 55. DJT, S. B 61.
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Neben dem außerordentlichen Kündigungsrecht ist die Minderheit bei Publikumspersonengesellschaften durch die Kernbereichslehre,358 die Treuepflicht und bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags wohl vorrangig359 durch die an Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichtete verstärkte Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags geschützt.360 Das vom BGH gewährte außerordentliche Austrittsrecht macht diese richterrechtliche Inhaltskontrolle keineswegs überflüssig.361 Die verschärfte, im Wesentlichen auf richterrechtlichen Grundsätzen beruhende Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags ist bei Publikumspersonengesellschaften zur Wiederherstellung der Vertragsgerechtigkeit erforderlich.362 Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die der Publikumspersonengesellschaft beitretenden Anleger typischerweise keinerlei Chance haben, auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrags Einfluss zu nehmen und dass der ursprüngliche Vertragsinhalt daher einseitig durch die Gründungsgesellschafter bestimmt wird.363 Durch diese verschärfte Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags (§ 242 BGB) wird bei Publikumspersonengesellschaften mittelbar ein ausreichender Minderheitenschutz erreicht. Vertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluss sind danach unwirksam, soweit sie zu unangemessenen, gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende Vertragsbedingungen führen.364
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In diesem Sinne auch Rabl, Kommanditistenschutz, S. 46. Zur Kernbereichslehre bei Publikumspersonengesellschaften siehe unten § 5 V. 359 Den Vorrang der Inhaltskontrolle betont etwa Kort, DStR 1993, 438, 439. 360 Vgl. zur an Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichteten vertraglichen Inhaltskontrolle bei Publikumspersonengesellschaften BGHZ 64, 238, 241 ff.; 102, 171, 177; 104, 50, 53 f.; BGH, NJW 2001, 1270, 1271; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 161 Rdnr. 95; MünchKomm z. BGB/Grunewald § 161 Rdnr. 116 ff. Im Ergebnis eine richterliche Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags bei Publikumspersonengesellschaften ablehnend aber Hille, Inhaltskontrolle, S. 183 f.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 95 ff., da die richterliche Inhaltskontrolle dem im Personengesellschaftsrecht vorherrschenden Grundsatz der Privatautonomie widerspreche. Wegen § 310 Abs. 4 S. 1 BGB findet auch bei vorformulierten Publikumspersonengesellschaftsverträgen keine AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB statt. Vgl. zur Inhaltskontrolle des Vertragsinhalts bei Publikumspersonengesellschaften am Maßstab von Treu und Glauben auch unten § 5 V. 2. Die richterrechtliche Inhaltskontrolle am Maßstab von Treu und Glauben bei Publikumspersonengesellschaften ist, soweit es um den Minderheitenschutz gegenüber Mehrheitsbeschlüssen geht, gleichwohl ein Randproblem. Zu diesem Randproblem soll daher im Rahmen dieser Untersuchung nicht umfassend Stellung genommen werden. 361 In diesem Sinne auch Kort, DStR 1993, 438, 439. 362 Vgl. grundlegend BGHZ 64, 238, 242. 363 Vgl. nur Henze in Ebenroth/Boujong/Joost § 177a Anh. B Rdnr. 24. 364 Zur Angemessenheit einzelner gesellschaftsvertraglicher Regelungen vgl. Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 250 ff. 358
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
d) Zwischenergebnis Mit dem BGH und der ganz überwiegenden Ansicht im Schrifttum ist anzunehmen, dass der Bestimmtheitsgrundsatz bei Publikumspersonengesellschaften anders als bei gesetzestypischen Personengesellschaften nicht anzuwenden ist. Der Bestimmtheitsgrundsatz hätte bei der Publikumspersonengesellschaft zur Folge, dass eine vernünftige Fortentwicklung der Gesellschaft unmöglich wäre und selbst an krisenhaften Zuständen nichts geändert werden könnte. Mit dieser Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes ist bei Publikumspersonengesellschaften kein mangelnder Minderheitenschutz verbunden, da die Kommanditisten bei grundlegender Umgestaltung ein außerordentliches Kündigungsrecht haben und ein mittelbarer Minderheitenschutz über die an Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichtete Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags erreicht wird. 2. Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes auch bei Kommanditgesellschaften mit einer großen Zahl von Gesellschaftern? a) Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes durch den BGH auch bei Kommanditgesellschaften mit einer großen Zahl von Gesellschaftern? Bei der Diskussion des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes wird zwischen Publikums- und sonstigen körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften unterschieden. Letztere sind zwar nicht wie Publikumspersonengesellschaften auf den Beitritt einer (unbestimmten) Vielzahl von Anlegern ausgerichtet, aber über die Jahre hinweg auf anderem Wege, wie z. B. durch Erbfolge, angewachsen.365 Es handelt sich vorwiegend um körperschaftlich strukturierte Familiengesellschaften. Der BGH soll nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht auch für diese Kommanditgesellschaften mit einer großen Anzahl von Gesellschaftern den Bestimmtheitsgrundsatz aufgegeben haben.366 Dies soll der Freudenberg-Entscheidung des BGH367 zu entnehmen sein. In der Freudenberg-Entscheidung368 hält der BGH aber an der grundsätzlichen Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes bei körperschaftlich strukturierten 365 Vgl. die Beschreibung der körperschaftlich strukturierten Familien-Kommanditgesellschaften oben § 2 III. 366 Siehe etwa Binz/Sorg, GmbH & Co. KG § 13 Rdnr. 72; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 273; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 40; Kort, DStR 1993, 438, 439; Kraffel/König, DStR 1996, 1130; Marburger, NJW 1984, 2252, 2255; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 17; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. d) bb) (S. 457). 367 BGHZ 85, 350 (355 ff.).
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Kommanditgesellschaften fest.369 Dies ergibt sich daraus, dass der BGH im zu entscheidenden Fall nur ausnahmsweise einen Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz annimmt,370 weil bei der KG aufgrund ihrer Mitgliederzahl einverständliche Entscheidungen nicht zu erwarten sind und weil die Gesellschafter eindeutig zum Ausdruck gebracht haben, den Bestimmtheitsgrundsatz nicht gelten lassen zu wollen. Sie sahen nachträglich vor, dass die Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 75 % den Gesellschaftsvertrag „in allen ihr richtig erscheinenden Punkten“ ändern kann.371 Der BGH hat in der Entscheidung gerade nicht den für Publikumspersonengesellschaften geschaffenen Bereich, in dem der Bestimmtheitsgrundsatz nicht anzuwenden ist, erweitert. b) Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes bei körperschaftlich strukturierten Kommanditgesellschaften Zu erörtern bleibt aber gleichwohl, ob die Unanwendbarkeit des Bestimmtheitsgrundsatzes auf körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften, die in der Regel als KG oder GmbH & Co. KG ausgestaltet sind, erstreckt werden sollte. Dafür spricht vor allem, dass der Bestimmtheitsgrundsatz Anforderungen an eine Klausel festlegt, die bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften nicht erforderlich ist, da dort i. d. R. schon kraft ergänzender Vertragsauslegung (§ 157 BGB) das Mehrheitsprinzip gilt.372 Die Rechtslage bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften ist insoweit mit der bei Publikumspersonengesellschaften vergleichbar: So hat denn auch der BGH in der Freudenberg-Entscheidung deshalb einen Verzicht der Parteien auf den Bestimmtheitsgrundsatz angenommen, weil das Einstimmigkeitsprinzip bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften mit über 100 Mitgliedern die gleichen Probleme bereitet, wie bei einer Publikumspersonengesellschaft.373 Die große, körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft ist mit der Publikumspersonengesellschaft strukturell vergleichbar, da auch sie im Wesentlichen wie eine größere Kapitalgesellschaft (AG oder KGaA) organisiert ist.374 Bei großen, 368
BGHZ 85, 350 (355 ff.). Vgl. Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 68 f.; ferner Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 67 ff.; insbesondere S. 70. 370 BGHZ 85, 350, 358. 371 BGHZ 85, 350, 357. 372 Zur Geltung des Mehrheitsprinzips kraft ergänzender Vertragsauslegung bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften ohne ausdrückliche Vereinbarung siehe oben § 2 IV. 3. 373 Vgl. BGHZ 85, 350, 358. 374 Zur strukturellen Vergleichbarkeit von Publikumspersonengesellschaft und großer körperschaftlich strukturierter Personengesellschaft vgl. im Einzelnen Göbel, 369
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, an denen teilweise über 100 Gesellschafter beteiligt sind, sind einverständliche Entscheidungen nicht zu erwarten. Der Bestimmtheitsgrundsatz kann hier nicht angewendet werden, da es anderenfalls unmöglich wäre, die Gesellschaft an veränderte Umstände anzupassen, wenn der Beschlussgegenstand nicht ausdrücklich in die Mehrheitsklausel aufgenommen ist. Selbst an krisenhaften Zuständen könnte bei Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes womöglich nichts geändert werden. Somit ist bei der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft die Interessenlage mit der bei einer Publikumspersonengesellschaft vergleichbar. Zu fragen bleibt lediglich, ob es zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen würde, wenn bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften der Bestimmtheitsgrundsatz nicht anwendbar ist, bei gesetzestypischen Personengesellschaften hingegen schon. Zur Beantwortung dieser Frage ist auf die Definition der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft einzugehen und zu fragen, ob mit dieser eine deutliche Unterscheidbarkeit der körperschaftlich strukturierten von der gesetzestypischen Personengesellschaft gewährleistet ist. Eine Personengesellschaft ist körperschaftlich strukturiert, wenn sie durch die Größe ihrer Mitgliederzahl und durch ihre körperschaftliche Verfassung (wie z. B. Kommanditistenversammlung, Verwaltungsrat, Vorstand) vom gesetzlichen Leitbild der Arbeitsund Haftungsgemeinschaft abweicht.375 Damit sind körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften, die mindestens 50 Mitglieder haben müssen, unschwer von gesetzestypischen Personengesellschaften (kleine Mitgliederzahl, „Arbeits- und Haftungsgemeinschaft“) abzugrenzen, so dass der Bestimmtheitsgrundsatz im Ergebnis auch bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften nicht anzuwenden ist. 3. Ergebnis: Der Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes Der Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes ist sehr eng: 1. Bei Publikumspersonengesellschaften ist der Bestimmtheitsgrundsatz nicht anzuwenden. Dies liegt daran, dass hier kraft ergänzender Auslegung des Gesellschaftsvertrags (§ 157 BGB) ohnehin nicht das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) gilt, sondern kraft ergänzender Vertragsauslegung das Mehrheitsprinzip (§ 179 Abs. 2 AktG). Der BestimmtMehrheitsentscheidungen, S. 153 f., vgl. aber auch die Analyse der Struktur der großen Familien-KG bei Barbasch, Familien-KG, S. 23 f. 375 Zu dieser Definition der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft vgl. BGHZ 85, 350; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, E. V. 2. (S. 249); Marburger, NJW 1984, 2252, 2255.
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heitsgrundsatz legt damit Anforderungen an eine Klausel fest, die bei Publikumspersonengesellschaften gar nicht erforderlich ist. 2. Auch bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften wäre die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes angesichts großer Mitgliederzahlen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes würde zu einer Lähmung der Gesellschaft führen. Daher ist der Bestimmtheitsgrundsatz auch hier aufzugeben. 3. Bei gesetzestypischen Personengesellschaften besitzt der Bestimmtheitsgrundsatz dagegen sein „letztes Reservoir“. Hier ist die Rechtmäßigkeit eines Mehrheitsbeschlusses davon abhängig, dass die Mehrheitsklausel für den konkreten Beschlussgegenstand hinreichend bestimmt eine Mehrheitsentscheidung vorsieht. Eine Lähmung der gesetzestypischen Personengesellschaft tritt durch die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes in aller Regel nicht ein.
VIII. Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz Schließlich ist der vom BGH in der Freudenberg-Entscheidung376 aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob auf den Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel „verzichtet“ werden kann oder ob der Bestimmtheitsgrundsatz als formale Regel des Minderheitenschutzes unverzichtbar ist. Angesichts des hier vertretenen Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes stellt sich diese Frage nur bei gesetzestypischen Personengesellschaften. 1. Möglichkeit eines Verzichts Die Möglichkeit eines Verzichts auf den Bestimmtheitsgrundsatz wird vor allem in der Rechtsprechung vertreten. So hatte der BGH in der FreudenbergEntscheidung377 einen Verzicht der Parteien auf die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes angenommen, da die Parteien nachträglich die Geltung des Mehrheitsprinzips ausgeweitet hatten.378 Sie hatten vereinbart, dass die Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 75 % der in der Gesellschafterversammlung anwesenden Stimmen beschließen kann, den Gesellschaftsvertrag „in allen ihr richtig erscheinenden Punkten“ zu ändern.379 In der Entscheidung vom 15. 06. 1987380 hat der BGH erneut die Frage nach der Möglichkeit eines solchen Verzichts aufgeworfen, im Ergebnis aufgrund der 376 377 378 379 380
BGHZ 85, 350, 357 = NJW 1983, 1056, 1058. BGHZ 85, 350. BGHZ 85, 350, 359. BGHZ 85, 350, 351 f. BGH, NJW 1988, 411.
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Umstände des Einzelfalls einen Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz aber abgelehnt.381 Damit ist festzuhalten, dass der BGH die grundsätzliche Möglichkeit eines Verzichts auf den Bestimmtheitsgrundsatz bejaht. Dem sind im Schrifttum – soweit ersichtlich – in dieser Allgemeinheit nur Hennerkes/ Binz382, Sauter383 und Brändel384 gefolgt. Letzterer will einen Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz anders als der BGH sogar schon dann annehmen, wenn im Gesellschaftsvertrag „vorbehalt- und einschränkungslos“ Mehrheitsbeschlüsse vorgesehen sind.385 2. Eigene Stellungnahme: Auf den Bestimmtheitsgrundsatz kann nicht verzichtet werden Die Annahme eines Verzichts auf den Bestimmtheitsgrundsatz insbesondere in der Freudenberg-Entscheidung des BGH386 überzeugt in methodischer Hinsicht nicht. Auf die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes kann nicht verzichtet werden,387 da der Bestimmtheitsgrundsatz eine Auslegungsregel ist.388 Eine Auslegungsregel gilt aber nach ansonsten allgemeiner Ansicht unabhängig vom Parteiwillen. Im Rahmen der Auslegung muss das Gericht eine umfassende Interessenabwägung vornehmen. Das Ergebnis dieser Interessenabwägung kann dem mit der Sache befassten Gericht nicht vorgegeben werden.389 Vor allem würde auch die Warnfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes leer laufen, wenn die Gesellschafter pauschal auf die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes dadurch verzichten könnten, dass sie vorbehalt- und einschränkungslos das Mehrheitsprinzip für Vertragsänderungen vorsehen oder ausdrücklich einen Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz erklären.390 Denn die Warnfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes besteht gerade darin, die Gesellschafter vor sich selbst zu schützen, indem sie alle einzelnen ungewöhnlichen Be381
BGH, NJW 1988, 411, 412. Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 715. 383 Sauter, in Hdb. Personengesellschaften, § 2 Rdnr. 62. 384 Brändel, in FS Stimpel, S. 95, 103. 385 Brändel, in FS Stimpel, S. 95, 103. 386 BGHZ 85, 350, 359. 387 So zu Recht das ganz überwiegende Schrifttum, siehe etwa Hopt in Baumbach/ Hopt § 119 Rdnr. 37; Marburger, ZGR 1989, 146, 153; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 23; Röttger, Kernbereichslehre, S. 156 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Anh. § 45 Rdnr. 24; ders., Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. e) (S. 459); ders., ZHR 158 (1994), 205, 218 f.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 52; Weipert, in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 14 Rdnr. 49. 388 Siehe oben § 4 V. 1. 389 So zutreffend H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 523. 390 In diesem Sinne auch Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 23. 382
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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schlussgegenstände, für die das Mehrheitsprinzip gelten soll, im Gesellschaftsvertrag auflisten müssen. Die Minderheitsgesellschafter würden ansonsten übereilt Regelungsbefugnisse an die Mehrheit delegieren, ohne die Möglichkeit zu haben, sich über das Ausmaß ihrer Unterwerfung im Gesellschaftsvertrag zu vergewissern. Daher müsste auch eine Mehrheitsklausel, die vorbehalt- und einschränkungslos das Mehrheitsprinzip für Vertragsänderungen vorsieht, i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes restriktiv ausgelegt werden.391 Sie bezöge sich angesichts der gesetzgeberischen Wertentscheidung für das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) nicht ohne weiteres auch auf ungewöhnliche Beschlussgegenstände. Eine Mehrheitsklausel, die ausdrücklich einen Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz erklärte, wäre indessen schon deshalb unbeachtlich, weil der Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel nicht der Disposition der Parteien unterliegt. 3. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich als Zwischenergebnis festhalten: Auf den Bestimmtheitsgrundsatz kann nicht verzichtet werden. Eine Mehrheitsklausel kann dem Bestimmtheitsgrundsatz zwar genügen, ihn aber nicht ausschließen, da der Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel unabhängig vom Willen der Parteien gilt. 4. Genügt eine Verweisung auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG dem Bestimmtheitsgrundsatz? a) Darstellung der Ansicht, die sich für die Möglichkeit einer Pauschalverweisung auf das GmbH-Recht ausspricht Der Sache nach bejahen aber auch die Autoren, die bei der GmbH & Co. KG für den KG-Vertrag eine bloße Verweisung auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG ausreichen lassen wollen,392 die Möglichkeit eines Verzichts auf den Bestimmt391
Vgl. nur Marburger, ZGR 1989, 146, 153 f. („dieselben Anforderungen“). So vor allem K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 206 ff.; 228 für den bei Familiengesellschaften verbreiteten Typus der personenidentischen GmbH & Co. KG; im Ergebnis auch ders., Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. b) (S. 455). K. Schmidt folgend u. a. MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 88; MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 62; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost § 177a Anh. A Rdnr. 122; Hopt in Baumbach/Hopt Anh § 177a Rdnr. 25; wohl auch Goette, in FS Sigle, S. 145, 159, der unter Berufung auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 12. 11. 1952 in einer Mehrheitsklausel, nach der das Einstimmigkeitsprinzip „soweit zulässig“ aufgehoben und entsprechend § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG das Mehrheitsprinzip eingeführt werden soll, eine ausreichende Legitimationsgrundlage für alle erdenklichen Mehr392
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
heitsgrundsatz.393 Einer solchen Verweisung auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG stehe der Bestimmtheitsgrundsatz deshalb nicht entgegen, weil er kein Katalogprinzip sei.394 Daher dürfe dem Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft nicht mehr an Bestimmtheit abverlangt werden als dem GmbHG.395 Das Gemeinte könne bei einer Verweisung auf das GmbHG zwar nicht dem Gesellschaftsvertrag selbst, sondern nur dem Gesetz entnommen werden. Dies reiche aber aus, da dem Gesellschafter eine gewisse Beschäftigung mit dem Vertrag und der Bedeutung seiner Regelungen zuzumuten sei.396 b) Eigene Stellungnahme Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Auch bei der GmbH & Co. KG sind Mehrheitsklauseln im KG-Vertrag, auch wenn sie pauschal auf das GmbHG Bezug nehmen, einschränkend auszulegen, soweit es sich nicht um eine Publikums- oder aber um eine körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft handelt. Dem Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft muss auch hier zum Schutz der Minderheit mehr an Bestimmtheit abverlangt werden als § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG. Dies ergibt sich daraus, dass es im Personengesellschaftsrecht anders als im GmbH-Recht gemäß § 53 Abs. 3 GmbHG keinen gesetzlich geregelten Minderheitenschutz gibt.397 Daher ist die Unterscheidung bei der GmbH & Co. KG zwischen der Satzung der GmbH und dem KG-Vertrag sachgerecht. Der KG-Vertrag kann nicht einfach auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG Bezug nehmen (auch dann nicht, wenn im KG-Vertrag auch auf § 53 Abs. 3 GmbHG verwiesen ist, weil § 53 Abs. 3 GmbHG seinem Wortlaut nach nur für Beitragserhöhungsbeschlüsse gilt). Denn bei Personengesellschaften wäre es besonders gefährlich, eine Pauschalverweisung auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG ausreichen zu lassen. Der potentielle Minderheitsgesellschafter könnte einer solchen Pauschalverweisung auf das GmbH-Recht nicht entnehmen, für welche konkreten Beschlussgegenstände das ihn gesetzlich allein schützende Einstimmigkeitsprinzip nicht gelten soll. Die Warn- und Schutzfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes liefe leer.398
heitsbeschlüsse sieht. Zu prüfen sei nur, ob von der Mehrheitskompetenz ordnungsgemäß Gebrauch gemacht wurde. 393 Vgl. BGH, NJW 1988, 411 f., wo der BGH in einem Verweis auf das Recht der KGaA einen möglichen Verzicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz sieht. Zu dieser Entscheidung vgl. auch oben § 4 V. 1. b). 394 So etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. b) (S. 455); zur Frage, ob der Bestimmtheitsgrundsatz ein Katalogprinzip ist, siehe auch oben § 4 V. 3. 395 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. b) (S. 455). 396 MünchKomm z. HGB/Grunewald § 161 Rdnr. 2. 397 Vgl. dazu oben § 3 IV.
§ 4 Der Bestimmtheitsgrundsatz als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Wenn man also die gesellschaftsvertragliche Verweisung auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG ausreichen lassen will,399 gibt man in der Sache den Bestimmtheitsgrundsatz auf. Das wollen diejenigen Autoren, die eine Verweisung auf § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG ausreichen lassen wollen, aber nicht. Sie sprechen sich an anderer Stelle400 ausdrücklich für eine Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes aus. Im Ergebnis ist also auch eine Mehrheitsklausel im KG-Vertrag einer GmbH & Co. KG, die pauschal auf das GmbHG verweist, einschränkend auszulegen. Sie kann nach Treu und Glauben nicht ohne weiteres so verstanden werden, dass sie allgemein für alle Änderungen des Gesellschaftsvertrags das Mehrheitsprinzip vorsieht.
IX. Die Ergebnisse der Untersuchung des Bestimmtheitsgrundsatzes Das wesentliche Ergebnis der Untersuchung des Bestimmtheitsgrundsatzes sei an den Anfang gestellt. Es ist, dass der Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel für gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklauseln beizubehalten ist. In § 4 VI. wurde deutlich, dass die am Bestimmtheitsgrundsatz geäußerte, allerdings zunehmende Kritik nicht überzeugt. Für die Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes sprechen die besseren Argumente.401 Auch der BGH sollte sich bei einer weiteren Befassung eindeutig hinter den Bestimmtheitsgrundsatz als Auslegungsregel stellen. Gezeigt wurde, dass der Bestimmtheitsgrundsatz auch nicht dergestalt einzuschränken ist, dass er nur für den Kernbereich der Mitgliedschaft gilt. Daneben wurde an mehreren Stellen deutlich, dass der Bestimmtheitsgrundsatz nicht den materiellen Schutz der Minderheit zum Ziel hat. Herausgearbeitet wurde, dass es beim Bestimmtheitsgrundsatz allein um eine zu beantwortende Kompetenzfrage geht, nämlich um die durch Auslegung zu ermittelnde Frage, ob die Mehrheit eine hinreichende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung für den in Frage stehenden Beschluss hat.
398 Siehe dazu, dass der Bestimmtheitsgrundsatz trotz der heutigen Kautelarpraxis, alle erdenklichen Beschlussgegenstände in die Mehrheitsklausel aufzunehmen, nach wie vor eine wichtige Warn- und Schutzfunktion erfüllt, oben § 4 VI. 2. c). 399 K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 206 ff. 400 Goette, in FS Sigle, S. 145, 156 ff.; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 214 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 16 II. 2. c) (S. 455 f.); Scholz/ders., GmbHG, Anh. § 45 Rdnr. 24. 401 Siehe die oben unter § 4 VI. 3. aufgeführten Argumente für die Beibehaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Diese Grundannahme, dass der Bestimmtheitsgrundsatz lediglich der Kompetenzkontrolle dient, deutete sich schon bei der Untersuchung der inhaltlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (§ 4 III.) an: Gezeigt wurde hier, dass sich die inhaltlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes in einer dreistufigen Prüfung zusammenfassen lassen: Deutlich wurde, dass sich eine Mehrheitsklausel, die lediglich pauschal festlegt, dass Beschlüsse mit Mehrheit gefasst werden, nur auf Geschäftsführungsmaßnahmen, nicht aber auf Grundlagengeschäfte wie insbesondere Vertragsänderungen bezieht. Eine Mehrheitsklausel, die allgemein auch für Vertragsänderungen das Mehrheitsprinzip vorsieht, bezieht sich nur auf gewöhnliche Vertragsänderungen. Herausgestellt wurde, dass die Abgrenzung gewöhnlicher von ungewöhnlichen Vertragsänderungen besondere Probleme bereitet und letztlich eine Wertungsfrage ist, die im Einzelfall entschieden werden muss. Gezeigt wurde hier, dass die Rechtsprechung zu den ungewöhnlichen Vertragsänderungen i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes wohl zum einen Vertragsänderungen rechnet, die in besonders tief greifender Weise in die Rechtsstellung des Gesellschafters eingreifen, und zum anderen solche, die die Gesellschaft grundlegend umstrukturieren. Der gedankliche Ansatzpunkt dafür, dass der Bestimmtheitsgrundsatz allein der Kompetenzkontrolle dient, wurde bei der Untersuchung der dogmatischen Herleitung des Bestimmtheitsgrundsatzes (§ 4 IV.) entwickelt. Hier wurde gezeigt, dass die Mehrheitsklausel eine „wertneutrale“ Verfahrensregel ist. Deutlich wurde, dass, wenn im Gesellschaftsvertrag das Mehrheitsprinzip auch für Vertragsänderungen vorgesehen ist, dies in aller Regel keine materiell rechtliche Bedeutung hat. Gezeigt wurde, dass der Mehrheitsklausel grundsätzlich keine antizipierte Zustimmung der Minderheit (so aber die Theorie der antizipierten Zustimmung) oder ein Gestaltungsrecht der Mehrheit (so aber die Gestaltungsmachttheorie) zu entnehmen ist. Die Mehrheitsklausel selbst ist vielmehr grundsätzlich nur eine „wertneutrale“ Verfahrensregel. Ihr rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt geht allein dahin, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu verbessern. Endgültig ergab sich die Grundannahme, dass der Bestimmtheitsgrundsatz allein der Kompetenzkontrolle dient, dann bei der Untersuchung der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes (§ 4 V.). Dort hatte sich gezeigt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz keine unverzichtbare formale Regel des Minderheitenschutzes, sondern lediglich eine Auslegungsregel für die Mehrheitsklausel ist. Deutlich wurde hier, dass eine pauschale Mehrheitsklausel für Vertragsänderungen einschränkend auszulegen ist. Damit war klar, dass der Bestimmtheitsgrundsatz nur der Kompetenzkontrolle dient. Ferner wurde im Rahmen der Untersuchung der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes gezeigt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz deswegen kein Katalogprinzip ist, weil sich auch durch Auslegung die Erstreckung der Mehrheitsklau-
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sel auf einen bestimmten Beschlussgegenstand ergeben kann (§ 4 V. 3.). Gleichwohl wurde deutlich, dass die Kautelarpraxis mit Recht Beschlussgegenstandskataloge aufstellt. Die Erkenntnis, dass der Bestimmtheitsgrundsatz allein der Kompetenzkontrolle dient, prägte dann wesentlich die nachfolgende Untersuchung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Daraus wurde zum einen abgeleitet, dass der Bestimmtheitsgrundsatz kein Instrument für eine „verdeckte Inhaltskontrolle“ des Mehrheitsbeschlusses ist und dass lediglich die abstrakten Beschlussfolgen bei der einschränkenden Auslegung der Mehrheitsklausel zu berücksichtigen sind. Zum anderen ergibt sich daraus, dass der Bestimmtheitsgrundsatz mit dem Erfordernis einer antizipierten Zustimmung zu Mehrheitsbeschlüssen nichts zu tun hat. Deshalb verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz entgegen anders lautender Rechtsprechung, etwa des RG zu mehrheitlich beschlossenen Beitragserhöhungen, auch nicht, dass der zulässige Beschlussinhalt bereits der Mehrheitsklausel entnommen werden kann. Dem Bestimmtheitsgrundsatz ist genügt, wenn sich die eindeutige Erstreckung der Mehrheitskompetenz auf den in Rede stehenden Beschlussgegenstand unzweideutig der Mehrheitsklausel entnehmen lässt. So hat sich gezeigt, dass das Erfordernis einer Obergrenze für mehrheitliche Beitragserhöhungsbeschlüsse entgegen anders lautender Rechtsprechung insbesondere des RG nichts mit dem Bestimmtheitsgrundsatz zu tun hat. Besondere Bedeutung hatte die Erkenntnis, dass der Bestimmtheitsgrundsatz lediglich der Kompetenzkontrolle dient, aber auch für die Widerlegung der weiteren Argumente der Kritiker des Bestimmtheitsgrundsatzes. Im Rahmen der Untersuchung des Anwendungsbereichs des Bestimmtheitsgrundsatzes war dagegen auf Erkenntnisse aus dem Grundlagenteil der vorliegenden Arbeit zurückzugreifen (§ 4 VII.). Hier hat sich gezeigt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz auf Publikumspersonengesellschaften nicht anwendbar ist, da bei Publikumspersonengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) schon vom Ansatz her nicht überzeugt und daher kraft ergänzender Vertragsauslegung (§ 157 BGB) das Mehrheitsprinzip gilt. Der Bestimmtheitsgrundsatz formuliert damit Anforderungen an eine Klausel, die bei Publikumspersonengesellschaften gar nicht erforderlich ist, und hat hier keine Legitimationsgrundlage. Zudem wurde deutlich, dass durch die Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes für Publikumspersonengesellschaften kein mangelnder Minderheitenschutz droht, da die an Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichtete verschärfte Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags bei Publikumspersonengesellschaften mittelbar die Minderheit vor allzu weitgehenden Vertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluss schützt. Deutlich wurde auch, dass der Bestimmtheitsgrundsatz auf sonstige körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften, wie etwa angewachsene Familiengesellschaften, nicht angewendet werden kann, da dies angesichts großer Mitgliederzahlen die Gesellschaft lähmen würde.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Schließlich wurde im Rahmen der Untersuchung des Bestimmtheitsgrundsatzes gezeigt, dass auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht verzichtet werden kann, da eine Auslegungsregel nicht der Disposition der Parteien unterliegt und da anderenfalls die Warnfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes leer liefe (§ 4 VIII.). Festgehalten wurde, dass eine Mehrheitsklausel dem Bestimmtheitsgrundsatz zwar genügen, ihn aber nicht ausschließen kann.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen1 Versteht man den Bestimmtheitsgrundsatz im hier vertretenen Sinne als allein formale Begrenzung der Mehrheitsmacht,2 blieb die eigentlich interessantere Frage der materiellen Begrenzung der Mehrheitsmacht bislang unbeantwortet. Die materielle oder inhaltliche Grenze der Mehrheitsmacht richtet sich vornehmlich nach der Kernbereichslehre.3 Die Kernbereichslehre ist eine Individualschutzregel4, die den Minderheitenschutz durch den Bestimmtheitsgrundsatz ergänzt. Sie räumt dem einzelnen Mitglied einzelne subjektive Rechte ein, die nicht ohne weiteres durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden dürfen. Als Individualschutzregel kennzeichnet die Kernbereichslehre einen besonders geschützten Teilbereich der Individualsphäre des Gesellschafters gegenüber der Kollektivmacht der Gesellschaft. Grundgedanke der Kernbereichslehre ist, dass die Beteiligung als Gesellschafter, auch als Kommanditist, nicht völlig der Mitgliedschaftsrechte (Vermögens-, Verwaltungs- und Lösungsrechte) entkleidet werden darf.5 Denn ansonsten würde die Gesellschafterstellung den Charakter als Mitgliedschaft6 verlieren. Dem Gesellschafter muss daher ein unantastbarer „Kernbereich“ von Mitgliedschaftsrechten verbleiben.
1 Die Kernbereichslehre wird im Folgenden nur daraufhin untersucht, inwieweit sie die Minderheit vor (vertragsändernden) Mehrheitsbeschlüssen schützt. Nicht Gegenstand der Untersuchung ist die Kernbereichslehre im Zusammenhang mit Vertreterklauseln. Zur Kernbereichslehre als Schranke einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht vgl. im Einzelnen Menk, Verhältnis Bestimmtheitsgrundsatz zur Kernbereichslehre, S. 133 ff.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 245 ff. 2 Siehe oben § 4 V. 2. 3 Diejenigen oben genannten Autoren, die sich für eine Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes aussprechen, halten die Begrenzung der gesellschaftsvertraglich eingeräumten Mehrheitsmacht ohnehin allein durch die Kernbereichslehre und die Ausübungskontrolle für überzeugend, vgl. z. B. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 61 ff.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 83 ff. (S. 41 ff.); MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 90 ff.; Staub/ders. § 119 Rdnr. 38 f.; vgl. aber auch BGH, NJW 1995, 194, 195. 4 Zur Unterscheidung zwischen Individual- und Minderheitenschutz vgl. grundlegend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 3. b) (S. 418); ferner Röttger, Kernbereichslehre, S. 4; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 40. 5 Reinhardt, Anlegerschutz, S. 61 f. 6 Was im Einzelnen die Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft ausmacht, ist sehr streitig und soll hier nicht weiter untersucht werden (vgl. dazu Beuthien, NJW 2005, 855, 857 f.; ausführlich Röttger, Kernbereichslehre, S. 54 ff.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 179 ff. m. w. N.). Für die folgende Untersuchung der Kernbereichslehre wird davon ausgegangen, dass die Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft sowohl ein Rechtsverhältnis zwischen den einzelnen Gesellschaftern untereinander begründet, aus dem sich subjektive Rechte und Pflichten für den Einzelnen ergeben, als auch ein subjektives Recht des Einzelnen ist. So auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 I. (S. 549 f.) m. w. N. zum Meinungsstreit. Die einzelnen sich aus
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
I. Entstehung und Entwicklung der Kernbereichslehre Ausgangspunkt und Grundlage der Kernbereichslehre war eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1956 zu den Grenzen des Stimmrechtsausschlusses eines Kommanditisten.7 Der BGH entschied, dass das Stimmrecht eines Kommanditisten nicht ausgeschlossen werden könne, soweit Gesellschafterbeschlüsse in Frage stehen, die in die Rechtsstellung des Kommanditisten als solche eingreifen.8 Der Kommanditist müsse bei Eingriffen in den Kernbereich seiner Rechte zumindest mit abstimmen dürfen.9 Zu diesem Kernbereich zählte der BGH u. a. das Gewinnbeteiligungsrecht sowie den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben.10 Eine Zustimmungspflicht zu Eingriffen in den Kernbereich in Analogie zu §§ 53 Abs. 3 GmbHG, 35 BGB lehnte der BGH damals aber noch ausdrücklich ab.11 Insoweit vollzog der BGH in seinen Urteilen vom 05. 11. 198412 und vom 19. 11. 198413 eine entscheidende Wende. Er ging in diesen Urteilen davon aus, dass vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse nicht zulässig sind, soweit sie direkt in die Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter eingreifen und deren rechtliche oder vermögensmäßige Stellung in der Gesellschaft verschlechtern.14 Der BGH erweiterte damit den Kernbereichsbegriff.15 Der Kernbereich wurde nicht mehr nur als die Summe von Rechten verstanden, bei denen dem Minderheitsgesellschafter zwingend ein Stimmrecht verbleiben muss, sondern erkannt wurde, dass das bloße Stimmrecht dem Minderheitsgesellschafter wenig nützt, wenn sich feste Mehrheiten gegen ihn gebildet haben und er daher regelmäßig überstimmt wird. Dem Minderheitsgesellschafter stehe deshalb auch ein unverder Mitgliedschaft ergebenden Rechte werden bei der Bestimmung der jeweiligen Kernbereiche benannt, siehe unten § 5 IV. 7 BGHZ 20, 363, 369 f. Die Entscheidung ist in der Literatur auf beinahe allgemeine Zustimmung gestoßen; vgl. nur Soergel/Hadding § 709 Rdnr. 30; Hermanns, ZGR 1996, 103, 108 m. w. N.; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 46; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 I. 1. b) (S. 362). Kritisch aber Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 184 ff.: die Entscheidung stelle eher eine Bestätigung für die Lehre vom Bestimmtheitsgrundsatz als eine Begründung des Verbots des Stimmrechtsausschlusses im Kernbereich der Gesellschafterrechte dar. 8 BGHZ 20, 363, 369 f.; so später auch BGH, WM 1987, 689, 690. 9 In diesem Sinne verwendet auch BGH, WM 1987, 689, 690 den Begriff „Kernbereich“ der Mitgliedschaft. 10 BGHZ 20, 363, 369 f. 11 BGHZ 20, 363, 369. 12 BGH, NJW 1985, 972. 13 BGH, NJW 1985, 974. 14 BGH, NJW 1985, 972, 973; 1985, 974; vgl. aber auch schon BGH, WM 1975, 662, 663. 15 Zum Kernbereichsbegriff unten § 5 II., III.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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fügbarer Kernbestand von Rechten zu.16 Ein Mehrheitsbeschluss, der in diesen Kernbestand von sog. unentziehbaren Rechten eingreife, bedürfe grundsätzlich der Zustimmung der betroffenen Minderheitsgesellschafter.17 Diese Linie verfolgte der BGH in seinem Urteil vom 10. 10. 199418 weiter. Er entschied, dass Mehrheitsbeschlüsse, die in die individuelle Rechts- oder Vermögensstellung des Gesellschafters eingreifen, auch bei Unanwendbarkeit des Bestimmtheitsgrundsatzes besonderer Rechtfertigung bedürfen.19 Die betroffenen Minderheitsgesellschafter müssten, soweit das Recht nicht zu den ohnehin überhaupt unverzichtbaren Rechten gehöre, dem Kernbereichseingriff entweder antizipiert zugestimmt haben oder die Minderheitsgesellschafter müssten kraft ihrer Treuepflicht den Mehrheitsbeschluss im überwiegenden Gesellschaftsinteresse hinzunehmen haben.20 Zwar lasse sich der Kreis dieser unentziehbaren Kernbereichsrechte nicht abstrakt und ohne Berücksichtigung der konkreten Realstruktur der jeweiligen Personengesellschaft und der besonderen Stellung des betroffenen Gesellschafters bestimmen.21 Jedenfalls müsse angesichts der Bedeutung dieses Rechts auch das Informationsrecht des Kommanditisten zum unentziehbaren Kernbereich gezählt werden.22 Den bisherigen Abschluss dieser Entwicklung markiert die jüngste Entscheidung des BGH vom 29. 03. 199623 zur mehrheitlichen Bilanzfeststellung bei einer KG. Der BGH führte hier aus, dass die Bilanzfeststellung das Gewinnrecht der Minderheitsgesellschafter tangiere, das zu den unentziehbaren Rechten gehöre.24 Daher sei für einen mehrheitlichen Bilanzfeststellungsbeschluss erforderlich, dass sich die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel auf das zum Kernbereich gehörende Recht beziehe (Bestimmtheitsgrundsatz) und Ausmaß und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lasse.25 Diesen Anforderungen entspreche die Mehrheitsklausel aber nicht, so dass der mehrheitliche Bilanzfeststellungsbeschluss unwirksam sei.
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BGH, NJW 1985, 972, 973. BGH, NJW 1985, 974. 18 BGH, NJW 1995, 194; siehe zu dieser Entscheidung auch eingehend unten § 6 I. 19 BGH, NJW 1995, 194, 195. 20 BGH, NJW 1995, 194, 195; vgl. aber auch schon BGH, NJW 1985, 972, 973; NJW 1985, 974. 21 BGH, NJW 1995, 194, 195 linke Spalte. 22 BGH, NJW 1995, 194, 195 rechte Spalte. 23 BGHZ 132, 263. 24 BGHZ 132, 263, 268. 25 BGHZ 132, 263, 268. 17
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
II. Unbestimmtheit des Kernbereichsbegriffs Das Hauptproblem der Kernbereichslehre liegt in der Unbestimmtheit des Kernbereichsbegriffs begründet, der dem geschriebenen Recht unbekannt ist.26 Bezeichnend ist insoweit die resignierende Feststellung, dass der Kernbereich sich nicht fixieren lasse.27 Unter dem Terminus „Kernbereich der Mitgliedschaft“ werden ganz unterschiedliche Mitgliedschaftsrechte zusammengefasst, die einen besonderen Bestandsschutz genießen sollen.28 Wenn man von einem Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft spricht, ist nicht klar, welche Rechtsfolge damit verbunden ist. Hauptaufgabe der Untersuchung in diesem Abschnitt der Arbeit ist es daher, den „Kernbereich der Mitgliedschaft“, der Mehrheitsbeschlüssen entzogen ist, näher zu umreißen. Dabei soll in zwei Schritten vorgegangen werden. Gewählt wird eine deduktive Vorgehensweise. Das bedeutet, dass in einem ersten Schritt zunächst abstrakt definiert werden soll, was unter dem Begriff „Kernbereich der Mitgliedschaft“ zu verstehen ist und geklärt werden soll, welche Schrankenfunktion die Kernbereichslehre hat (dazu III.) und erst anschließend die einzelnen Mitgliedschaftsrechte daraufhin untersucht werden sollen, ob und inwieweit sie zum Kernbereich gehören (dazu IV.).
III. Dreiteilung des Kernbereichs in einen unverzichtbaren, einen unentziehbaren und einen stimmrechtsfesten Kernbereich Abstrakt lässt sich der Kernbereich der Mitgliedschaft nur schwer umschreiben. Der BGH hat als Kernbereich, die jedem Gesellschafter nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag zustehenden Mitgliedschaftsrechte, die die Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft maßgeblich prägen, bezeichnet.29 Dieser Kernbereich von Gesellschafterrechten müsse bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss respektiert werden.30 Es stehe den Minderheitsgesellschaftern insoweit ein „unverfügbarer Kernbereich von Rechten“ zu.31 26 Siehe dazu, dass der Kernbereichsbegriff dem geschriebenen Recht unbekannt ist, von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 145; Röttger, Kernbereichslehre, S. 95. 27 Immenga, ZGR 1974, 385, 416 f.; vgl. auch Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38: eine allgemein gültige Definition des Kernbereichs hat sich nicht durchsetzen können. 28 Vgl. Hermanns, ZGR 1996, 103, 110: „Der Begriff des Kernbereichs ist nicht eindeutig“; Schlegelberger/Martens § 109 Rdnr. 17; ders., in FS 100 Jahre GmbHG, S. 607, 626. 29 Vgl. BGH, NJW 1985, 972, 973; 974; 1995, 194, 195; ferner ebenso wie der BGH u. a. MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 64 m. w. N.; Koller in Koller/ Roth/Morck § 109 Rdnr. 5; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 21.
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Wenn in der Literatur von diesem „unverfügbaren Kernbereich von Rechten“ gesprochen wird, ist indes selten dasselbe gemeint: Die Terminologie ist sehr uneinheitlich: So meinen einige, wenn sie vom Kernbereich sprechen, allein die stimmrechtsfesten Rechte, also die Rechte, bei deren Entzug dem Gesellschafter zwingend ein Stimmrecht zustehen muss.32 Andere hingegen wollen den Kernbereich auf die unverzichtbaren Gesellschafterrechte reduziert wissen und verwenden daher den Kernbereichsbegriff auch nur in diesem Sinne.33 Wieder andere wollen den Kernbereich zweiteilen:34 Es sei lediglich zwischen den mehrheitsfesten und den verzichtsfesten Gesellschafterrechten zu unterscheiden.35 Mehrheitsfest seien die Mitverwaltungs- und Vermögensrechte, die entweder eine Teilnahme am innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess ermöglichen oder den Vermögenswert einer Beteiligung maßgeblich prägen.36 Dagegen seien die Rechte, die eine präventive oder repressive Kontrolle der Mehrheitsmacht durch die Minderheiten ermöglichen, unverzichtbar.37 Zum Teil wird der Kernbereich schließlich als die Rechte umschrieben, die zwar abdingbar sind, dem betroffenen Gesellschafter aber nur mit seiner Zustimmung entzogen werden können.38 Aufgrund dieser zahlreichen, unterschiedlichen Auffassungen ist es nicht übertrieben, von einer unübersichtlichen Rechtslage zu sprechen, die nicht befriedigen kann. Wie gewinnt der Kernbereich also Konturen? Welche Schrankenfunktion hat die Kernbereichslehre?
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BGH, NJW 1985, 972, 973. BGH, NJW 1985, 972, 973. 32 So vor allem Immenga (ZGR 1974, 385, 404 ff.), der zwischen der Kernbereichslehre und den unentziehbaren Rechten differenziert. Dabei versteht Immenga, wie auch Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 25, den Kernbereich im antiquierten Sinne lediglich als die stimmrechtsfesten Mitgliedschaftsrechte. 33 So vor allem Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 186, 226 f. sowie Röttger, Kernbereichslehre, S. 159 ff., die den Kernbereich der Mitgliedschaft nur im Hinblick auf „zwingende Mitgliedschaftsrechte“ konkretisieren. 34 Siehe etwa Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 53; Hermanns, ZGR 1996, 103, 111 f.; Schmitz, Grundlagengeschäft, S. 102. Die stimmrechtsfesten Mitgliedschaftsrechte zählen Goette, Hermanns und Schmitz jeweils a. a. O. nicht mehr zum Kernbereich der Mitgliedschaft. 35 Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 53; Hermanns, ZGR 1996, 103, 111 f. 36 Schmitz, Grundlagengeschäft, S. 102. 37 Schmitz, Grundlagengeschäft, S. 102. 38 Siehe etwa Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 65; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 84 ff. (S. 42 ff.); Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 245 f. 31
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Konturen gewinnt dieser „unverfügbare Kernbereich von Rechten“, wenn man eine Dreiteilung der Gesellschafterrechte vornimmt.39 Unterschieden werden muss zwischen einem unverzichtbaren, einem unentziehbaren und einem stimmrechtsfesten Kernbereich von Mitgliedschaftsrechten, weil diese Unterscheidung unter Wertungsgesichtspunkten sachgerecht ist.40 Die jeweiligen Kernbereiche haben eine unterschiedliche Schrankenfunktion.41 Dies gilt es im Folgenden darzulegen. 1. Der unverzichtbare, zwingende Kernbereich der Mitgliedschaft a) Charakter der unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte Der „engste Kernbereich“ von Rechten sind die unverzichtbaren, zwingenden Mitgliedschaftsrechte. Charakteristikum dieser Rechte ist, dass es sich um elementare Mitgliedschaftsrechte handelt, ohne die der einzelne Gesellschafter keine Kontroll- und keine Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft zur Steuerung seiner Haftungslage hätte.42 Diese Rechte sind privatautonomen Vereinbarungen folglich schlechthin entzogen.43 Die Privatautonomie, deren Haupterscheinungsform die Vertragsfreiheit ist, ist, soweit die unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte betroffen sind, eingeschränkt. Es kann lediglich auf die Ausübung dieser unverzichtbaren Kernbereichsrechte im Einzelfall verzichtet werden.44 Zu den unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten sind daher solche Rechte zu zählen, 39 Für diese Dreiteilung spricht sich auch die wohl h. A. im Schrifttum aus, vgl. etwa von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 150 ff.; Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 38 ff.; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 68 ff.; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 24 ff.; ders., DB 1973, 413, 416 ff.; Michalski, WiB 1997, 1, 8 f.; Picot, BB 1993, 13, 17 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. (S. 470). Im Ergebnis ähnlich Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 84 ff. (S. 42 ff.), die unter dem Kernbereich selbst aber nur die unentziehbaren Rechte versteht. 40 Auch der Rechtsprechung des BGH lässt sich in einer Gesamtschau diese Dreiteilung des Kernbereichs entnehmen, vgl. die Darstellung oben § 5 I. So unterscheidet der BGH in der Entscheidung vom 10. 10. 1994, NJW 1995, 194, 195 zwischen einem unverzichtbaren und einem unentziehbaren Kernbereich, in den grundsätzlich nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafter eingegriffen werden darf. Daneben hat der BGH in der Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1956, BGHZ 20, 363, entschieden, dass manche Beschlussgegenstände stimmrechtsfest sind. 41 Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. (S. 470). 42 Darin sehen MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 68; Schlegelberger/ Martens § 119 Rdnr. 25 die Gemeinsamkeit der unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte. 43 In einem ähnlichen Sinne wird der Begriff „Kernbereich“ im Verfassungsrecht verwendet. Aus Art. 1 Abs. 1 GG (i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) leitet das BVerfG ab, dass der letzte „Kernbereich“ privater Lebensgestaltung der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen sei, vgl. BVerfGE 80, 367, 373 f.; 109, 279 („Großer Lauschangriff“); BVerfG Urt. v. 27. 07. 2005 – 1 BvR 668/04, Volltext bei juris.
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in die auch mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters nicht eingegriffen werden darf. Die unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte sind insbesondere auch nicht durch den Gesellschaftsvertrag abdingbar.45 Das Gesetz enthält (vgl. z. B. §§ 716 Abs. 2, 118 Abs. 2 HGB), soweit die unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte betroffen sind, eine zwingende Schranke für die inhaltliche Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags. Auch mit einer privatautonom wirksamen Erklärung oder durch Abänderungsvertrag gemäß § 311 Abs. 1 BGB kann der einzelne Gesellschafter folglich nicht auf das zwingende Mitgliedschaftsrecht verzichten. Erst recht ist eine Verkürzung dieser Rechte durch Mehrheitsbeschluss unzulässig. Zu Unrecht ist daher die Diskussion aufgekommen, ob der unverzichtbare „Kernbereich“ der Mitgliedschaft eine absolute Grenze für vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse bilde oder ob auch der engste Kernbereich der Mitgliedschaft unter sehr engen Voraussetzungen relativierbar sei. Einige Autoren wollen eine Relativierbarkeit auch des verzichtsfesten Kernbereichs bejahen.46 Sie argumentieren, dass eine antizipierte Zustimmung für einen Eingriff in den unverzichtbaren Kernbereich allein zwar nicht ausreiche.47 Wenn aber kein milderes Mittel zur Verfügung stehe und der Eingriff auch im Übrigen verhältnismäßig sei, könne in den verzichtsfesten Kernbereich durch Mehrheitsbeschluss eingegriffen werden.48 Dies ergebe sich daraus, dass kein Recht vorbehaltlos gewährleistet sei.49 Diese Ansicht überzeugt nicht. Der engste Kernbereich ist, wie aufgezeigt, schlicht unverzichtbar. In ihn kann demzufolge auch unter engsten Verhältnismäßigkeitsvoraussetzungen nicht durch Mehrheitsbeschluss eingegriffen werden. Denn wenn in den engsten Kernbereich der Mitgliedschaft auch durch Abänderungsvertrag schlicht nicht eingegriffen werden darf, sind hier erst recht keine Mehrheitsbeschlüsse zuzulassen, egal unter welchen engen Voraussetzungen.50 Dadurch werden auch keine Missbrauchsmöglichkeiten geschaffen.51 Soweit nämlich die Ausübung des Mitgliedschaftsrechts, etwa des Informationsrechts wegen der Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen, für die Gesell44 Zutreffend von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 153; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 25 a. E.: Der einzelne Gesellschafter kann sich z. B. verpflichten, anlässlich einer konkreten Auseinandersetzung nicht mittels der actio pro socio vorzugehen; Wälzholz in Sudhoff, Familienunternehmen, § 16 Rdnr. 64; a. A. aber MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 69. 45 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. a) (S. 470). 46 So etwa Hermanns, ZGR 1996, 103, 113; Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1132; Roth, JBl 2005, 80, 83; Schmitz, Grundlagengeschäft, S. 102 f. 47 Vgl. zur antizipierten Zustimmung unten § 5 III. 2. c). 48 Hermanns, ZGR 1996, 103, 113; Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1132. 49 Schmitz, Grundlagengeschäft, S. 102 f. 50 Dies sieht wohl auch das BayObLG, ZIP 2005, 164, 165 m. w. N. so. 51 Diese Gefahr sehen aber die Vertreter einer Relativierbarkeit auch des engsten Kernbereichs, vgl. die Nachweise oben § 5 Fn. 46.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
schaft unzumutbar ist, muss der Gesellschafter kraft Treuepflicht (§ 242 BGB) von der Rechtsausübung im Einzelfall Abstand nehmen. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte generell der Disposition der Parteien entzogen sind. Dies allerdings, wie noch zu zeigen sein wird,52 nicht immer in vollem Umfang. Einzelne Mitgliedschaftsrechte haben häufig auch nur einen zwingenden Kernbestand. Die Statuierung unverzichtbarer Mitgliedschaftsrechte schützt den einzelnen Gesellschafter nicht nur vor vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen in diesem Bereich, sondern vor allem auch vor sich selbst. In diesem Grundsatz des Selbstschutzes des Gesellschafters ist die Begründung für einen unverzichtbaren Kernbereich zu sehen.53 Die Kernbereichslehre begrenzt die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter, weil der Einzelne sich nicht selbst entmündigen darf. Der unverzichtbare Kernbereich der Mitgliedschaft stellt neben den allgemeinen Schranken der Vertragsfreiheit (§§ 134, 138 BGB) eine eigenständige, spezifisch gesellschaftsrechtliche Schranke für die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter dar.54 Nicht alle Verletzungen des unverzichtbaren Kernbereichs sind zugleich sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB), wenngleich es hier einzelne Überschneidungen gibt.55 Es handelt sich um zwei sich nur teilweise deckende Kreise.56 Als Beispiele für solche unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte, die generell weder durch Mehrheitsbeschluss noch durch den Gesellschaftsvertrag wirksam abbedungen werden können, werden genannt57:
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Vgl. unten § 5 IV. 1. Vgl. BGHZ 20, 363, 369: Eine unbegrenzte Einschränkung der persönlichen Freiheit des Einzelnen darf nicht geduldet werden; vgl. zu dieser Begründung für die Unverzichtbarkeit einzelner Mitgliedschaftsrechte ferner Hüffer, ZHR 151 (1987), 396, 408; Immenga, ZGR 1974, 385, 422; Roitzsch, Minderheitenschutz, S. 42; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 45; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 I. 1. b) (S. 362). Anders aber Fastrich, Funktionales Rechtsdenken am Beispiel des Gesellschaftsrechts, S. 13 ff.: Hinter der Kernbereichslehre stehe der funktionale Gedanke, dass einige Mitgliedschaftsrechte nicht abdingbar seien, weil anderenfalls der Gesellschafter seine Rechte nicht mehr sachgemäß wahrnehmen könne und damit die Funktionsfähigkeit und die Sicherungsmechanismen der Gesellschaft untergraben würden (funktionaler Ansatz). 54 H. A., vgl. etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 109 Rdnr. 23; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 109 Rdnr. 3, 6; Mayen in Ebenroth/Boujong/Joost § 109 Rdnr. 17; Staub/Ulmer § 109 Rdnr. 36; sowie die oben in § 2 Fn. 57 Genannten. A. A. aber Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 236 ff., der die Kernbereichslehre als ungeschrieben Schranke der Vertragsfreiheit ablehnt. 55 Ähnlich Staub/Ulmer § 109 Rdnr. 36. 56 Zur Sittenwidrigkeitsschranke für Mehrheitsbeschlüsse siehe unten § 9. 57 Vgl. den Katalog bei Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 200. 53
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– das Stimmrecht sowie das Zustimmungserfordernis des Gesellschafters zu Beschlüssen, die unmittelbar in seine Rechtsstellung eingreifen,58 – das Informationsrecht der Gesellschafter in den Grenzen der §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB,59 – das Teilnahmerecht des Gesellschafters an Versammlungen,60 – das Rede- und Antragsrecht des Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung als notwendiges Mitverwaltungsrecht,61 – die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie die Beachtung der Treuepflichtschranken,62 – das Recht, rechtswidrige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung angreifen zu können,63 – das Lösungsrecht des Gesellschafters (§§ 723 Abs. 1 und 3 BGB, 133 Abs. 1 und 3 HGB),64 – das Verbot der Hinauskündigung aus freiem Ermessen, also ohne wichtigen Grund,65
58 Röttger, Kernbereichslehre, S. 171 ff., 216; vgl. zu weiteren unverzichtbaren Zustimmungsvorbehalten Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 193 f., 227, der zu Recht die Ansicht Röttgers a. a. O., bei jeder Vertragsänderung stehe dem Gesellschafter ein zwingender Zustimmungsvorbehalt zu, ablehnt. 59 BGH, NJW 1973, 1602; von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 154; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 68; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 190 f., 227; Staub/Schilling § 163 Rdnr. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. a) (S. 470 f.). 60 RGZ 167, 65, 73 („schwerste Bedenken“ gegen einen völligen Ausschluss des Teilnahmerechts); siehe ferner von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 24; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 191, 227; Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1132; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 25; Röttger, Kernbereichslehre, S. 190 ff., 216. 61 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 68 m. w. N.; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 191, 227; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 53; Röttger, Kernbereichslehre, S. 192, 216. 62 Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 53; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 41: auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Treuepflicht kann nur im Einzelfall verzichtet werden. 63 BGH, NJW 1995, 1218, 1219; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 193, 227; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 86 (S. 44); Picot, BB 1993, 13, 17; Röttger, Kernbereichslehre, S. 204 f., 217; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 94; vgl. für die GmbH aber auch die grundlegende Entscheidung BGHZ 14, 264, 273. 64 Röttger, Kernbereichslehre, S. 206 ff., 217; Staub/Schilling § 163 Rdnr. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. a) (S. 471); vgl. aber auch BGH, NJW 1973, 1602 und für die GmbH BGHZ 116, 359, 369 m. w. N. 65 Fastrich, Funktionales Rechtsdenken am Beispiel des Gesellschaftsrechts, S. 13; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 53; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 25.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
– der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben bzw. auf Abfindung im Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft66 – und das Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 Abs. 2 BGB.67 Sehr streitig ist dagegen, ob auch die actio pro socio ein unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht ist. Die h. M. spricht sich insoweit für eine entsprechende Anwendung der §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB aus, wonach die actio pro socio nur für den Fall eines Verdachts unredlichen Geschäftsführungs- oder sonstigen Gesellschafterverhaltens unverzichtbar ist.68 Dabei dürfte es sich nur um eine geringfügige Verschärfung der ohnehin an eine actio pro socio zu stellenden Anforderungen handeln.69 Auf die Einordnung der Mitgliedschaftsrechte und damit auch der actio pro socio wird unten aber noch ausführlich eingegangen.70 b) Schrankenfunktion des unverzichtbaren Kernbereichs Soweit es um unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte geht, ist nicht erst der Beschluss, sondern bereits die Klausel nichtig (Klauselkontrolle). Vertragliche Abreden, die unverzichtbare Rechte aufheben oder unzulässig einschränken, sind nichtig. Dies muss dann erst recht für Vereinbarungen gelten, die die Mehrheit zu einem solchen Eingriff ermächtigen. Probleme mit § 139 BGB, der bei Teilnichtigkeit grundsätzlich die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts anordnet, gibt es nicht.71 Die Mehrheitsklausel kann entsprechend dem mutmaßlichen Parteiwillen im Übrigen, also insbesondere auch für den unentziehbare und bloß stimmrechtsfeste Rechte betreffenden Klauselteil, aufrechterhalten werden (vgl. § 139 zweiter HS BGB).
66 Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 188 f., 227; Röttger, Kernbereichslehre, S. 164 ff., 216. 67 Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 190, 200, 227. 68 Siehe etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 68; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 28; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 192 f., 227; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 25 m. w. N.; Röttger, Kernbereichslehre, S. 193 ff., 216 f.; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 41; eingehend zur Einordnung der actio pro socio auch Hermanns, Unverzichtbare Mitverwaltungsrechte, S. 14 ff. 69 Vgl. zu den Anforderungen an die actio pro socio unten § 5 IV. 1. c) aa). 70 Siehe unten § 5 IV. 71 Zu diesem Ergebnis kommt auch Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 203 ff.
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2. Der relativierbare Kernbereich der Mitgliedschaft: Die unentziehbaren, mehrheitsfesten Mitgliedschaftsrechte a) Charakter der unentziehbaren Kernbereichsrechte Neben dem unverzichtbaren und damit schlechthin unabdingbaren Kernbereich von Mitgliedschaftsrechten steht ein relativierbarer, aber Mehrheitsbeschlüssen grundsätzlich nicht offener Kernbereich. Der erweiterte Kernbereich der Mitgliedschaft umfasst auch die sog. unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte. Dies sind solche Kernbereichsrechte, die zwar gesellschaftsvertraglich abdingbar sind, aber dem betroffenen Gesellschafter grundsätzlich nicht ohne seine Zustimmung durch Mehrheitsbeschluss genommen werden können.72 Zur Verkürzung oder Schmälerung des mehrheitsfesten Kernbereichsrechts bedarf es der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters.73 Der betroffene Gesellschafter hat bei unmittelbaren Eingriffen in seine unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte ein aus der Mitgliedschaft abzuleitendes Zustimmungsrecht („Vetorecht“).74 Dieses Zustimmungsrecht macht Mehrheitsbeschlüsse grundsätzlich unmöglich, weshalb die unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte auch als „mehrheitsfest“ bezeichnet werden.75 Eine Zustimmungsbedürftigkeit besteht jedoch nicht bei bloß mittelbaren Eingriffen in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte, wie etwa der Zulassung neuer Gesellschafter wegen der damit grundsätzlich verbundenen Verminderung der Stimm- und Gewinnquote, der Änderung der Firma, dem Eintritt einer GmbH als nicht stimmberechtigter und nicht am Gewinn beteiligter Komplementärin und der gleichzeitigen Umwandlung der Stellung eines Mitgesellschafters vom Komplementär zum Kommanditisten, da dies den Minderheitenschutz überdehnen würde.76
72 Bereits § 186 Abs. 2 ALR kannte gesellschaftsrechtliche Rechte, welche nicht sämtlichen Mitgliedern, sondern nur einem oder dem anderen unter ihnen, als Mitgliede zukommen und denselben, wider ihren Willen, durch bloße Stimmenmehrheit nicht genommen oder eingeschränkt werden können. 73 Die Frage, ob auch zur Verkürzung oder Schmälerung des unentziehbaren Mitgliedschaftsrechts die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich ist, wird freilich nicht einheitlich beantwortet. Wie hier wohl die überwiegende Ansicht, vgl. etwa Kort, DStR 1993, 401, 402; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. b) (S. 302). A. A. Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 46 f.: Zustimmung nur bei vollständiger Aufhebung der unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte erforderlich. 74 Zu diesem aus der Mitgliedschaft abzuleitendem Zustimmungsrecht vgl. noch unten § 5 IV. 1. b) bb). 75 Hermanns, ZGR 1996, 103, 111. 76 Zutreffend BayObLG, ZIP 2005, 164, 165: Die aufgezählten Maßnahmen haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Minderheitsgesellschafter und sind deshalb nicht zustimmungsbedürftig; vgl. ferner dazu, dass nur unmittelbare Eingriffe in den unentziehbaren Kernbereich eine Zustimmungsbedürftigkeit begründen, Staub/Ulmer § 109 Rdnr. 37; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 3 III. 2. d) bb) (S. 220); M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 138.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Fehlt die Zustimmung der Minderheit zu dem Mehrheitsbeschluss, ist dieser bis zur Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zunächst schwebend unwirksam.77 Durch nachträgliche Genehmigung kann der betroffene Gesellschafter den Mehrheitsbeschluss gemäß § 184 BGB von Anfang an (ex tunc) wirksam werden lassen. Verweigert er aber die Genehmigung, wird der Mehrheitsbeschluss, der in ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht eingreift, endgültig unwirksam. Das betroffene Mitglied kann gegen den Beschluss vorgehen. Zu diesen unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten, die grundsätzlich der Mehrheitsdisposition entzogen sind, werden z. B. gezählt78: – die Vorzugs- und Sonderrechte des einzelnen Gesellschafters i. S. von § 35 BGB,79 – das Stimmrecht,80 – das Gewinnbeteiligungsrecht,81 – bereits entstandene Ansprüche,82 – das Liquidationserlösrecht,83 – das Informationsrecht,84 – das Geschäftsführungsrecht und das Recht auf Vertretung der Gesellschaft,85 – das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten,86
77 MünchKomm. z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 70, 104; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 53 m. w. N. 78 Vgl. MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 72. 79 Röttger, Kernbereichslehre, S. 173; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) aa) (S. 471). 80 BGH, NJW 1995, 194, 195; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 70, 72; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) bb) (S. 472): soweit es nicht unverzichtbar ist; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42. 81 BGH, NJW 1995, 194, 195; BGHZ 132, 263, 268: daher ist eine Mehrheitsentscheidung bei der Bilanzfeststellung, wenn sie das Gewinnbeteiligungsrecht tangiert, zustimmungsbedürftig; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 27; Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 12; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42. 82 BGH, WM 1975, 662, 663; NJW 1985, 974 („Zinsanspruch“); Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 12. 83 BGH, NJW 1995, 194, 195; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 70, 72; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 29; Röttger, Kernbereichslehre, S. 172 m. w. N. 84 BGH, NJW 1995, 194, 195; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 36; Hk-BGB/ Saenger § 705 Rdnr. 12; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38. 85 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 27; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 70, 72 m. w. N.; Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 12; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 3 III. 2. d) bb) (S. 220). 86 K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1861 f., 1863.
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– Bestimmungen über den Zweck der Gesellschaft entsprechend § 33 Abs. 1 S. 2 BGB,87 – die Auflösung der Gesellschaft,88 – der Schutz vor mehrheitlicher Vertragsverlängerung sowie die Änderung von Kündigungsfolgen,89 wie vor allem die Herabsetzung des Abfindungsguthabens,90 – außerhalb der Publikumsgesellschaften auch die Zusammensetzung der Gesellschaft91 – und schließlich – aufgrund der Wertung des § 707 BGB – auch das Belastungsverbot, also das Verbot, dem Mitglied durch Mehrheitsbeschluss zusätzliche Leistungspflichten aufzuerlegen.92 Bemerkenswert ist, dass sich die Reichweite des unverzichtbaren und des unentziehbaren Kernbereichs zusammengenommen weitgehend mit der dritten Stufe des Bestimmtheitsgrundsatzes (ungewöhnliche Vertragsänderungen) deckt.93 Der besondere Schutz des unentziehbaren Kernbereichs kann sich daher nur aus den Anforderungen an die Zustimmung ergeben. Denn eine hinreichend bestimmte Mehrheitsermächtigung ist nach dem Bestimmtheitsgrundsatz (dritte Stufe!) für einen wirksamen Mehrheitsbeschluss ohnehin erforderlich. Die Anforderungen an die Zustimmung sollen nach der Bestimmung der Schrankenfunktion des unentziehbaren Kernbereichs [dazu folgend b)] genauer untersucht werden [dazu folgend c)]. b) Schrankenfunktion des unentziehbaren Kernbereichs Soweit der unentziehbare Kernbereich betroffen ist, ist der dogmatische Ansatzpunkt der Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen sehr 87 Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 40; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 84; a. A. Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 29: bloß stimmrechtsfester Beschlussgegenstand. 88 Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 93. 89 Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42. 90 Röttger, Kernbereichslehre, S. 172; Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 716. 91 Palandt/Sprau § 705 Rdnr. 16a; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38 a. E.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 93; vgl. aber auch Hennerkes/Binz, BB 1983, 713, 716 f., die insoweit auf die Umstände des Einzelfalls abstellen wollen, aber dann wohl auch zu diesem Ergebnis kommen müssten. 92 OLG Stuttgart, MDR 2000, 778; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 27; Picot, BB 1993, 13, 17 rechte Spalte; Röttger, Kernbereichslehre, S. 173 m. w. N.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 16 III. 3. b) cc) (S. 473). 93 Vgl. Heid, Mehrheitsbeschluss und Inhaltskontrolle, S. 111; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42; vgl. ferner zu den Vertragsänderungen, die als ungewöhnlich i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes angesehen werden, oben § 4 III. 2.
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streitig.94 Diskutiert wird, ob die Kernbereichslehre insoweit wie der Bestimmtheitsgrundsatz schon bei der Mehrheitsklausel ansetzt und damit schon die Kompetenz der Mehrheit zur Beschlussfassung in Frage stellt oder ob die Kernbereichslehre erst auf Beschlussebene ansetzt und damit zu einer Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses führt. Diese Frage betrifft auch das problematische Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre, auf das im folgenden § 6 noch zurück zu kommen sein wird. Geht man nämlich davon aus, dass die Kernbereichslehre, auch soweit der unentziehbare Kernbereich betroffen ist, bereits auf Klauselebene ansetzt, so erweist sich eine Abgrenzung der Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung i. S. der Kernbereichslehre zu den Bestimmtheitsanforderungen an die Kompetenzbegründung, für die der Bestimmtheitsgrundsatz gilt, als besonders schwierig. Daher soll die Kernbereichslehre, soweit der unentziehbare Kernbereich betroffen ist, im Folgenden in das System der Beschlusskontrolle eingeordnet werden. aa) Korrektiv auf Klauselebene Nach einer Ansicht setzt die Kernbereichslehre bereits bei der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsermächtigung an und nicht erst bei der Frage der Wirksamkeit des konkreten Mehrheitsbeschlusses.95 Der Geltungsbereich der Mehrheitsermächtigung ende grundsätzlich am Kernbereich der Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters.96 Für Vertragsänderungen, die den Kernbereich der Mitgliedschaft beträfen, könne gesellschaftsvertraglich keine Mehrheitskompetenz begründet werden. Es sei, soweit der unentziehbare Kernbereich betroffen sei, schon die Mehrheitsklausel grundsätzlich unwirksam, so dass es insoweit beim gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) verbleibe.97 Das Zustimmungserfordernis für Eingriffe in den mehrheitsfesten Kernbereich ergebe sich danach aus der Fortgeltung des Einstimmigkeitsprinzips. Solle die Mehrheitsklausel auch für Vertragsänderungen gelten, die den Kernbereich der Mitgliedschaft betreffen, müsse die Mehrheitsklausel strengen Bestimmtheitsanforderungen genügen, die im Wesentlichen denen des (erweiterten) Bestimmtheitsgrundsatzes entsprechen, d. h. die Mehrheitsklausel 94
Vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 92. OLG Hamm, DB 1989, 815 mit Anm. Tiedtke, DB 1989, 813 ff.; vgl. auch OLG Köln, DStR 1993, 405, 406; Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 72 ff.; MünchKomm z. HGB/ders., § 119 Rdnr. 64: Enzinger sieht in der Kernbereichslehre eine „zwingende Grenze bei der Begründung von Mehrheitskompetenzen“; Happ, in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 5 Rdnr. 68; für den Ansatz bei der Mehrheitsklausel offenbar auch Stengel, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 11, 457; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 91 f. 96 Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 72 f.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 91. 97 Vgl. OLG Hamm, DB 1989, 815; OLG Köln, DStR 1993, 405, 406. 95
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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müsse sich ausdrücklich auch auf den Eingriff in das mehrheitsfeste Kernbereichsrecht beziehen und Ausmaß und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lassen.98 bb) Korrektiv auf Beschlussebene Nach a. A. ist die Kernbereichslehre ein Korrektiv auf Beschlussebene.99 Sie dient der inhaltlichen bzw. materiellen Beschlusskontrolle.100 Aus Gründen des Selbstschutzes der Gesellschafter101 ergebe sich als zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit konkreter Beschlüsse, die in den unentziehbaren Kernbereich eingreifen, ein Zustimmungserfordernis. Dogmatische Grundlage des Zustimmungserfordernisses seien die §§ 35 BGB, 53 Abs. 3 GmbHG, 180 Abs. 1 AktG, die das Belastungsverbot als allgemeines verbandsrechtliches Prinzip enthielten und auch auf Personengesellschaften zu übertragen seien.102 Es sei danach ein bindender Rechtssatz, dass für manche weit reichenden Beschlüsse die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich sei, insbesondere wenn dem betroffenen Gesellschafter dadurch zusätzliche Pflichten auferlegt würden (vgl. §§ 53 Abs. 3 GmbHG, 180 Abs. 1 AktG). Die gesellschaftsvertragliche Einführung des Mehrheitsprinzips auch für Eingriffe in den mehrheitsfesten Kernbereich wird dagegen nicht in Frage gestellt. cc) Eigene Stellungnahme Soweit der unentziehbare Kernbereich betroffen ist, also die Zustimmung des betroffenen Minderheitsgesellschafters erforderlich ist, ist dem Ansatz der Vorzug zu geben, der die Kernbereichslehre als Instrument der Beschlusskontrolle einordnet. Anders als im unverzichtbaren Kernbereich ist hier nicht bereits die Mehrheitsermächtigung unwirksam. Denn, wenn man im unentziehbaren Kernbereich bereits der Mehrheitsklausel die Wirksamkeit versagen würde, wäre nicht bloß die Zustimmung des betroffenen Minderheitsgesellschafters erforderlich, sondern es würde das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip fortgelten. Folgerichtig bedürfte es der Zustimmung aller Gesellschafter (vgl. §§ 709 Abs. 1 98
Vgl. OLG Hamm, DB 1989, 815. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 4. (S. 460 f.); Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 92; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 52. 100 Hermanns, ZGR 1996, 103, 114; Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1131; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 92. 101 Vgl. Immenga ZGR 1974, 385, 424. 102 Wiedemann, WM 1992, Sonderbeil. Nr. 7 S. 28: Rechtsverkürzende oder pflichtenmehrende Verträge oder Beschlüsse zulasten Dritter würden diesem Prinzip widersprechen. 99
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
BGB, 119 Abs. 1 HGB) und nicht bloß des tatsächlich betroffenen Gesellschafters. Soll aber nur in den unentziehbaren Kernbereich eines Gesellschafters eingegriffen werden, leuchtet es nicht ein, warum alle Gesellschafter, also auch die, die gar nicht in ihren Interessen beeinträchtigt werden, dem Mehrheitsbeschluss zustimmen sollten. Dagegen spricht auch, dass für viele Beschlussgegenstände, über die dann bei Personengesellschaften einstimmig zu beschließen wäre, bei den Kapitalgesellschaften das Mehrheitsprinzip gilt. Beispielsweise wäre bei der Entscheidung über Kapitalerhöhungen bei Personengesellschaften Einstimmigkeit erforderlich, während über Kapitalerhöhungen gegen Einlagen bei der AG gemäß § 182 AktG mit 3/4 Mehrheit entschieden wird. Sogar eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss ist bei der AG gemäß § 186 Abs. 3 S. 2 AktG mit 3/4 Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zulässig. Stärkstes Argument dagegen, dass die Kernbereichslehre bereits zu einer Klauselkontrolle führt, ist aber die Geltung der Kernbereichslehre im Recht der GmbH.103 Freilich ist die Geltung der Kernbereichslehre im Recht der GmbH streitig. Die richtige wohl h. A. erkennt aber auch im GmbH-Recht einen Kernbereich der Mitgliedschaft an, in den nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingegriffen werden darf.104 Für die Anerkennung des unentziehbaren Kernbereichs der Mitgliedschaft im Recht der GmbH spricht,105 dass Satzungsänderungen, die nicht zu einer Leistungsvermehrung, sondern zu einer Verkürzung der Rechte der Gesellschafter führen, nicht unter § 53 Abs. 3 GmbHG fallen.106 Ein effektiver Minderheitenschutz im Recht der GmbH setzt daher die Anerkennung eines unentziehbaren Kernbereichs voraus. Das Argument von Martens107 gegen die Geltung der Kernbereichslehre im GmbHRecht, dass das Kapitalgesellschaftsrecht vom Mehrheitsprinzip geprägt sei, 103 Vgl. K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 228, der die Kernbereichslehre daher zu Recht und konsequent als eigenständige Schutzregel einordnet. Siehe dazu, dass die Kernbereichslehre eine eigenständige Schutzregel neben dem Bestimmtheitsgrundsatz ist, noch unten § 6 III. 104 Siehe etwa Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rdnr. 13 ff.; Martens, FS 100 Jahre GmbHG, S. 607, 624 f.; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 53 Rdnr. 39; Rowedder/Zimmermann, GmbHG, § 53 Rdnr. 50; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 52; vgl. ferner die in § 5 Fn. 109 Genannten. Gegen die Geltung der Kernbereichslehre im GmbH-Recht aber Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 31; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 418. 105 Auch das BezG Dresden (GmbHR 1994, 123, 124) bejaht offenbar die Geltung der Kernbereichslehre im Recht der GmbH: „Das [. . .] Vorerwerbsrecht ist jedoch als relativ unentziehbares Recht anzusehen. Ein solches ist nicht nur gegeben, wenn es dem Kernbereich der Mitgliedschaft zuzurechnen ist, sondern auch wenn es dem Individualinteresse der Mitglieder dient.“ Im Folgenden legt das BezG Dresden die Satzung dahingehend aus, dass das Vorerwerbsrecht unentziehbar sein sollte. 106 Siehe nur BGH, NJW 1992, 893. 107 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 31.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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überzeugt nicht. Die Kernbereichslehre ist ein rechtsformübergreifendes Prinzip und damit auch bei den Kapitalgesellschaften eine notwendige Schranke des Mehrheitsprinzips.108 Folglich bedarf es auch im Recht der GmbH beim Eingriff in den unentziehbaren Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte einer Zustimmung des Betroffenen,109 obgleich das Mehrheitsprinzip gemäß §§ 47, 53 GmbHG dort schon kraft Gesetzes gilt und eine Mehrheitsklausel daher gar nicht erforderlich ist. Im Recht der GmbH kann sich das Zustimmungserfordernis demnach auch nicht aus der Nichtgeltung des Mehrheitsprinzips für bestimmte Beschlussgegenstände ergeben, die zum Kernbereich der Mitgliedschaft zählen. Dann spricht aber alles dafür, dass auch im Recht der Personengesellschaften das Zustimmungserfordernis zu Eingriffen in den Kernbereich der Mitgliedschaft ein zusätzliches Erfordernis neben der wirksamen Vereinbarung des Mehrheitsprinzips ist. Die dogmatische Grundlage dieses Zustimmungserfordernisses wird bei der Bestimmung des unentziehbaren Kernbereichs für die einzelnen Beschlussgegenstände gesondert zu untersuchen sein. Es verbieten sich allgemeine Aussagen. c) Die Zustimmung zu Eingriffen in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte Wie oben aufgezeigt wurde, erfordert ein Beschluss, der unmittelbar in ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht eingreift, zwingend die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters. Anderenfalls ist der Beschluss bis zur Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung schwebend unwirksam. Es stellt sich hier insbesondere die praktisch bedeutsame Frage, ob und in welcher Form diese Zustimmung auch antizipiert erklärt werden kann. Die praktische Bedeutung dieser Frage liegt darin, dass die Mehrheit ohne die aktuelle Einwilligung des betroffenen Gesellschafters den Eingriff beschließen könnte, wenn dieser vorab wirksam seine Zustimmung erteilt hätte. Eine solche antizipierte Zustimmung könnte man unter engen Voraussetzungen womöglich schon der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel entnehmen.
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So auch Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 52 f. Wohl h. A., vgl. etwa Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rdnr. 89; Hueck/ Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rdnr. 16; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 46; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 54; Scholz/H. Winter, GmbHG, § 14 Rdnr. 35 ff.; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 137 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rdnr. 19. 109
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
aa) Unzulässigkeit einer antizipierten Zustimmung Teilweise wird vertreten, eine im Voraus erteilte Zustimmung sei generell unzulässig.110 Die Zustimmung sei eine auf Aufhebung eines Rechtes gerichtete Verfügung, die nicht auf „Vorrat“ abgegeben werden könne.111 Für Eingriffe in den Kernbereich sei demzufolge das aktuelle Einverständnis der betroffenen Gesellschafter erforderlich. Dafür spreche, dass eine im Gesellschaftsvertrag geregelte künftige Mehrheitsentscheidung über bestimmte Erhöhungen der Haftsumme der Kommanditisten (§§ 171, 172 HGB) im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags vernünftig und angemessen sein könne, Jahre später bei der Beschlussfassung jedoch bereits unzumutbar erscheinen könne.112 Vor allem aber wird bezweifelt, dass der Gesellschaftsvertrag eine ausreichende Legitimationsbasis für eine antizipierte Zustimmung bieten könne.113 Insbesondere bei Publikums- oder großen Familiengesellschaften komme dem ausgehandelten Gesellschaftsvertrag wegen der mangelnden Sachkunde der Kommanditisten und der i. d. R. ungünstigen Verhandlungsposition der Minderheitsgesellschafter keine ausreichende Richtigkeitsgewähr zu.114 Somit sei in jedem Fall die aktuelle Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich. bb) Zulässigkeit antizipierter Zustimmungen Nach h. A. in Rechtsprechung und Literatur kann dagegen die erforderliche Zustimmung zu Eingriffen in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte bereits vorweg erteilt werden.115 Es muss nicht in jedem Fall ein aktuelles Einverständnis 110 Siehe etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 66; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 184 f.; Immenga, ZGR 1974, 385, 425; Martens, DB 1973, 413, 417 f. (abweichend aber Schlegelberger/ders. § 119 Rdnr. 28); für Publikumspersonengesellschaften Mecke, ZHR 153 (1989), 35, 46; Reuter, Gutachten B zum 55. DJT, S. B 61; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I. 2. a) (S. 411 f.), Bd. 2, § 4 I. 3. b) (S. 303), da sonst keine trennscharfe Abgrenzung des Zustimmungserfordernisses der Kernbereichslehre vom Bestimmtheitsgrundsatz möglich sei [differenzierend aber ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 IV. 1. (S. 393 ff.)]; für die große Familien-KG lehnt auch Barbasch, Familien-KG, S. 85, eine antizipierte Zustimmung im Gesellschaftsvertrag ab, da dem Gesellschaftsvertrag der großen Familien-KG keine Richtigkeitsgewähr und Legitimationswirkung zukomme; weitere Nachweise finden sich bei Löffler, NJW 1989, 2656, 2661 in Fn. 79. 111 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 66. 112 Immenga, ZGR 1974, 385, 425. 113 Vgl. Barbasch, Familien-KG, S. 85; Immenga, ZGR 1974, 385, 423 ff. 114 Barbasch, Familien-KG, S. 85; Immenga, ZGR 1974, 385, 424 f. 115 Siehe etwa BGH, WM 1975, 662, 663; NJW 1995, 194, 195; ZIP 2005, 1455, 1456; OLG Stuttgart, NZG 2000, 835, 836; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 65; Hermanns, ZGR 1996, 103, 113; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 36; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 84 (S. 43); Kraffel/König, DStR 1996, 1130;
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der überstimmten Minderheit vorliegen. Vielmehr soll die Zustimmung der betroffenen Gesellschafter grundsätzlich antizipiert auch schon im Gesellschaftsvertrag möglich sein. Eine entsprechende Erklärung werde dann sowohl einer Ermächtigung zur Mehrheitsentscheidung als auch dem Einstimmigkeitsprinzip i. S. eines antizipierten Einverständnisses gerecht.116 Für diese prinzipielle Zulässigkeit einer in der Mehrheitsklausel liegenden antizipierten Zustimmung führt die h. A. an, dass auch im Kapitalgesellschaftsrecht bei § 53 Abs. 3 GmbHG und bei § 180 Abs. 1 AktG allgemein anerkannt sei, dass die Zustimmung zu Satzungsänderungen auch antizipiert erklärt werden könne.117 Es sei dann aber nicht einzusehen, warum dies im Personengesellschaftsrecht anders sein sollte.118 cc) Eigene Stellungnahme: Anwendung der Theorie der antizipierten Zustimmung im Rahmen der Kernbereichslehre Im Ergebnis wendet die h. A., indem sie antizipierte Zustimmungen zu Eingriffen in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte zulässt, im Rahmen der Kernbereichslehre die Theorie der antizipierten Zustimmung an, die oben als dogmatische Begründung für den Bestimmtheitsgrundsatz abgelehnt wurde.119 Einzelheiten der Anforderungen an eine vorweg erteilte Zustimmung sind danach streitig.120 Geprüft werden soll an dieser Stelle zunächst nur, ob der Lehre von Löffler, NJW 1989, 2656, 2661; Mecke, BB 1988, 2258, 2268; Röttger, Kernbereichslehre, S. 148; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) dd) (S. 474); ders., ZHR 158 (1994), 205, 226 ff.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 91 f.; Wälzholz in Sudhoff, Familienunternehmen, § 11 Rdnr. 64; Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 83. 116 Mecke, BB 1988, 2258, 2263 f.; Röttger, Kernbereichslehre, S. 147 ff.; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 227; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38. 117 Löffler, NJW 1989, 2656, 2661. Zur Zulässigkeit antizipierter Zustimmungen bei Kapitalgesellschaften vgl. für die GmbH: Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rdnr. 17; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 51; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 53 Rdnr. 47; Rowedder/Zimmermann, GmbHG, § 53 Rdnr. 57; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rdnr. 42; für die AG: RGZ 121, 238, 244; Hüffer, AktG, § 180 Rdnr. 8; MünchKomm z. AktG/Stein § 180 Rdnr. 31 („unstreitig“). 118 Löffler, NJW 1989, 2656, 2661. 119 Vgl. Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 215 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) dd) (S. 474); ders., ZHR 158 (1994), 205, 226; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 47; zur Ablehnung der Theorie der antizipierten Zustimmung als dogmatische Rechtfertigung für den Bestimmtheitsgrundsatz siehe oben § 4 IV. 1. 120 Dazu noch unten § 5 III. 2. c) ee).
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
der antizipierten Zustimmung im Rahmen der Kernbereichslehre zuzustimmen ist, obgleich sie im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes abzulehnen ist. Als dogmatische Rechtfertigung für den Bestimmtheitsgrundsatz ist die Theorie der antizipierten Zustimmung abzulehnen, weil die Verbindlichkeit des Mehrheitsprinzips nicht auf der antizipierten Zustimmung der Gesellschafter beruht.121 Der Erklärungsgehalt der Mehrheitsklausel ist grundsätzlich darauf beschränkt, der Mehrheit eine Kompetenz zur Beschlussfassung einzuräumen. Eine schon im Ansatz andere Beurteilung ist jedoch geboten, soweit es um die materielle Wirksamkeit von Beschlüssen122 über die Aufhebung oder Einschränkung von unentziehbaren Rechten geht. Hier bestehen, wie bereits ausgeführt,123 keine Bedenken, die Mehrheitsklausel, als antizipierte Zustimmung zu werten, vorausgesetzt sie ist hinreichend bestimmt. Die Ablehnung der Theorie der antizipierten Zustimmung als generelle dogmatische Grundlage des Mehrheitsprinzips ändert nichts daran, dass die Mehrheitsklausel für bestimmte Eingriffe in unentziehbare Rechte eine wirksame vorweg erteilte Zustimmung enthalten kann. Denn die unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte stehen zur vertraglichen Disposition der Gesellschafter. Sie können schon bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags einvernehmlich ausgeschlossen oder beschränkt werden. Anstelle eines Verzichts auf das unentziehbare Mitgliedschaftsrecht im Gesellschaftsvertrag muss dann aber im Gesellschaftsvertrag auch lediglich eine Ermächtigung vereinbart werden können, aufgrund derer die Gesellschaftermehrheit in Zukunft über dieses an sich mehrheitsfeste Recht disponieren kann.124 Durchgreifende Bedenken dagegen, diese Ermächtigung bei hinreichender Bestimmtheit als antizipierte Zustimmung der Minderheit zu dem Eingriff zu werten, bestehen nicht. Der Mehrheitsbeschluss erschöpft sich dann ja nur in der Durchführung der im Gesellschaftsvertrag bereits enthaltenen Regelung.125 Auch der von der erstgenannten Ansicht angeführte Fall einer nachträglichen Unzumutbarkeit ist kein tragfähiges Argument gegen die Zulassung einer antizipierten Zustimmung. Im Fall einer nachträglichen Änderung sind die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) direkt oder analog anwendbar. Nach diesen Grundsätzen gilt z. B. eine antizipierte Zustimmung zu Beitragserhöhungen in einem gewissen Umfang nicht mehr, wenn sich nachträglich die Vermögensverhältnisse eines Minderheitsgesellschafters nachhaltig
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Siehe oben § 4 IV. 1. Vgl. dazu, dass es im unentziehbaren Kernbereich um die Wirksamkeit des konkreten Mehrheitsbeschlusses geht, oben § 5 III. 2. b). 123 Vgl. dazu, dass bei hinreichender Bestimmtheit der Mehrheitsklausel eine antizipierte Zustimmung entnommen werden kann, bereits oben § 4 IV. 1. 124 Ähnlich Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 28. 125 In diesem Sinne auch Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 28. 122
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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verschlechtern und damit die Geschäftsgrundlage der antizipierten Zustimmung zur Beitragserhöhung entfällt. Das Hauptargument derjenigen, die eine antizipierte Zustimmung ablehnen, nämlich die mangelnde Richtigkeitsgewähr einiger Gesellschaftsverträge, insbesondere bei Publikums- und großen Familiengesellschaften ist dagegen nicht so leicht von der Hand zu weisen. Richtig ist, dass in diesen Fällen einzelne Gesellschafter, insbesondere die Anlegerkommanditisten, keinen ausreichenden Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags haben. Aus der mangelnden Richtigkeitsgewähr dieser Gesellschaftsverträge kann man jedoch nicht auf die generelle Unzulässigkeit antizipierter Zustimmungen schließen. Es handelt sich vielmehr um Ausnahmen, was insbesondere an der Sonderstellung der Publikumspersonengesellschaften deutlich wird. Somit ist nicht ersichtlich, warum bei Personengesellschaften eine vorweg erteilte Zustimmung generell unzulässig sein sollte, während sie nach allgemeiner Meinung bei einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der §§ 53 Abs. 3 GmbHG, 180 Abs. 1 AktG zulässig ist. Gründe für eine solche Unterscheidung sind nicht gegeben. Folglich ist, soweit Eingriffe in den unentziehbaren Kernbereich in Rede stehen, die Theorie der antizipierten Zustimmung anzuwenden. dd) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Minderheitsgesellschafter Mehrheitsbeschlüssen, die in den unentziehbaren Kernbereich ihrer Gesellschafterstellung eingreifen, auch antizipiert zustimmen können (Theorie der antizipierten Zustimmung). ee) Die inhaltlichen Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung Problematisch sind aber die inhaltlichen Anforderungen, die an eine antizipierte Zustimmung zu stellen sind. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass die antizipierte Zustimmung inhaltlich denselben Anforderungen gerecht werden muss wie die aktuelle Zustimmung.126 Art und Umfang der etwaigen Einschränkung der Rechte durch Mehrheitsbeschluss müssen danach im Gesellschaftsvertrag derart präzisiert werden, dass einem späteren Mehrheitsbeschluss keine eigenständige Regelungsbedeutung mehr zukommt, sich dieser Mehrheitsbeschluss vielmehr in der Durchführung der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Regel erschöpft.127 Der 126 Löffler, NJW 1989, 2656, 2661; Mecke, BB 1988, 2258, 2263 m. w. N.; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 83.
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Mehrheitsbeschluss ändert nicht den Gesellschaftsvertrag, sondert führt ihn gleichsam lediglich aus. Soll die vorweggenommene Zustimmung danach bereits in der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung des Mehrheitsprinzips liegen, müssen strenge Bestimmtheitsanforderungen erfüllt sein,128 d. h. das Mehrheitsprinzip muss sich unzweideutig auch auf das in Rede stehende unentziehbare Mitgliedschaftsrecht erstrecken129 und zusätzlich ist zumindest noch erforderlich, dass die Mehrheitsklausel Ausmaß und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lässt.130 Insbesondere in Fällen einer mehrheitlichen Beitragserhöhung sind an eine antizipierte Zustimmung hohe Anforderungen zu stellen, weil sich damit ein besonders intensiver Eingriff in die Mitgliedschaft verbindet.131 Allein der Auflistung eines Beschlussgegenstands in der Mehrheitsklausel jedenfalls kann man keinen Verzicht auf das unentziehbare Mitgliedschaftsrecht entnehmen,132 sondern nur die Begründung einer entsprechenden Mehrheitskompetenz. Die eindeutige Mehrheitskompetenz für Eingriffe in den unentziehbaren Kernbereich genügt zwar den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes, bedeutet aber keinen vorweggenommenen Verzicht auf das mehrheitsfeste Recht. Die eindeutige Kompetenzzuweisung relativiert also nicht, wie Ulmer formuliert, die Mehrheitsfestigkeit der entsprechenden Kernbereichsrechte.133 Es lässt sich somit weder einer Mehrheitsklausel, die allgemein auch für Vertragsänderungen Mehrheitsentscheidungen vorsieht, noch einer in der die kernbereichsrelevanten Beschlussgegenstände einzeln aufgelistet sind, generell eine antizipierte Zustimmung entnehmen.134 Der Gesellschafter muss in diesen Fällen aktuell der konkreten Beschlussfassung zustimmen. 127 von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 152; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 28; Röttger, Kernbereichslehre, S. 147 f.; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 55. 128 Insoweit kann man von einem erweiterten Bestimmtheitsgrundsatz sprechen, vgl. oben § 4 VI. 1. b). Da der Bestimmtheitsgrundsatz nur der Kompetenzkontrolle dient, es hier aber um die materielle Zulässigkeit des Mehrheitsbeschlusses geht, ist der Begriff erweiterter Bestimmtheitsgrundsatz indes wenig überzeugend. 129 Insoweit gilt der Bestimmtheitsgrundsatz, vgl. zu dessen Bestimmtheitsanforderungen an Mehrheitsklauseln oben § 4 III. 130 Ganz h. A., vgl. etwa BGHZ 132, 263, 268; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 65; Koller in Koller/Roth/Morck § 109 Rdnr. 5; Lorz, in FS Boujong, S. 319, 320; Mecke, BB 1988, 2258, 2263; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 281; Schulte in Sudhoff, Personengesellschaften, § 12 Rdnr. 44; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 55. 131 Vgl. Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42; vgl. zu den Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung für eine mehrheitliche Beitragserhöhung unten § 5 IV. 2. b). 132 Wie hier MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 70; Löffler, NJW 1989, 2656, 2661; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38; a. A. aber wohl Erman/ H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31. 133 Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42. 134 Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 38; a. A. offenbar Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31, der solche Mehrheitsklauseln ausreichen lassen will.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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ff) Zusammenfassung zur antizipierten Zustimmung in unentziehbare Kernbereichsrechte Die Minderheitsgesellschafter können Mehrheitsbeschlüssen, die in ihre unentziehbaren Kernbereichsrechte eingreifen, auch schon vorweg ihre Zustimmung erteilen. An diese antizipierte Zustimmung sind freilich hohe Anforderungen zu stellen. Nicht ausreichend ist die bloße Auflistung des Beschlussgegenstands in der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel. Hinzukommen muss vielmehr auch die Eingrenzung des zulässigen Beschlussinhalts. Bei den unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten besteht dann in Wahrheit aber kein materiellrechtlicher Schutz der Minderheit. Sie sind durchaus gegen den aktuellen Willen des Gesellschafters entziehbar, wenn der Gesellschaftsvertrag die Entziehung durch Mehrheitsbeschluss vorsieht und den aufgezeigten strengen Bestimmtheitsanforderungen entspricht. 3. Die stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände a) Charakter der stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände Den äußersten Kernbereich bilden die stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände. Bei diesen stimmrechtsfesten Beschlussgegenständen hat jeder Gesellschafter in Anlehnung an die Grundsatzentscheidung des BGH vom 14. 05. 1956135 lediglich ein zwingendes Recht auf Beteiligung an der Willensbildung.136 Das Stimmrecht kann für die stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände nicht ausgeschlossen werden. Die stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände bilden daher sowohl eine Schranke für die Zulässigkeit eines vertraglichen Stimmrechtsausschlusses (Stimmrechtsausschlussklauseln) als auch für Mehrheitsbeschlüsse. Soweit über stimmrechtsfeste Beschlussgegenstände in der Gesellschafterversammlung abgestimmt wird, muss der Gesellschafter zwingend mitwirken können.137 Sofern der Gesellschafter nicht mit abstimmen durfte und die Mehrheitsverhältnisse sich möglicherweise verändert hätten, wenn der Ausgeschlossene mit abgestimmt hätte, ist der Beschluss formell rechtswidrig und nichtig – nicht jedoch, wenn der Verstoß gar nicht kausal war, weil dann die Mehrheit ohne weiteres denselben Beschluss noch einmal fassen könnte. Ebenso ist der Fall zu behandeln, dass das Stimmrecht durch die Wahl des Abstimmungstermins vereitelt wird. In jedem Fall aber muss der Gesellschafter ordnungsgemäß zur Gesellschafterversammlung geladen werden, um dort (zu135
BGHZ 20, 363, 369 f. Vgl. zu dieser Entscheidung auch oben § 5 I. Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 29; Röttger, Kernbereichslehre, S. 103 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. c) (S. 475). 137 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 29; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. c) (S. 475). 136
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
mindest durch eine Teilnahme an der Beratung) die Chance zu haben, auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen.138 Entgegen der Ansicht von Hermanns139 hat der stimmrechtsfeste Kernbereich auch neben dem unentziehbaren Kernbereich eigenständige Bedeutung. Denn bei Geltung des Mehrheitsprinzips besteht ein erheblicher qualitativer Unterschied zwischen der Gewährleistung eines zwingenden Stimm- und eines zwingenden Zustimmungsrechts.140 Das bloße Stimmrecht schließt bei Geltung des Mehrheitsprinzips nicht aus, dass der Gesellschafter überstimmt wird. Lediglich bei Geltung des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips bieten beide Kernbereiche den gleichen Schutz. Richtig ist es daher, den unentziehbaren Kernbereich enger als den stimmrechtsfesten Kernbereich zu ziehen. In diese Kategorie der stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände fallen nur solche Beschlussgegenstände, bei denen die beabsichtigte Regelung für die Gesellschaft oder die einzelnen Gesellschafter von wesentlicher Bedeutung ist.141 Die hier einzuordnenden Beschlussgegenstände sind zwar nicht unmittelbar auf die Veränderung der Mitgliedschaft gerichtet, sie wirken sich aber wegen ihrer Bedeutung für die Vertragsgrundlage mittelbar in besonderer Weise auf sie aus.142 Hierher sollen insbesondere die folgenden Beschlussgegenstände gehören: – die strukturelle Neuausrichtung der Gesellschaft, insbesondere durch Änderung des Gesellschaftszwecks,143 – die Umwandlung einer OHG in eine KG oder in eine GmbH & Co. KG sowie die sonstigen Fälle des Formwechsels nach dem UmwG144
138 Zum Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ladung, wenn es um vertrags- bzw. strukturändernde Mehrheitsbeschlüsse geht, siehe oben § 2 II. 3. 139 Hermanns, ZGR 1996, 103, 110. 140 Darauf weist zutreffend von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 148 hin. 141 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 29; ähnlich Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 43. 142 Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 43. 143 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 29; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 43. Dagegen macht Enzinger (MünchKomm z. HGB § 119 Rdnr. 77) geltend, die stimmrechtsfesten Rechte hätten keinerlei praktische Bedeutung, da das Stimmrecht bei Beschlüssen, die in den Kernbereich der Mitgliedschaft eingreifen, zu den unentziehbaren Gesellschafterrechten gehöre. 144 Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 43; siehe ferner dazu, dass das Stimmrecht bei Umwandlungsbeschlüssen nicht ausgeschlossen werden kann, weil dort der Kernbereich der Gesellschafterrechte betroffen ist, für die formwechselnde Umwandlung i. S. des § 217 UmwG Schlitt in Semler/Stengel, UmwG, § 217 Rdnr. 12; Joost in Lutter, UmwG, § 217 Rdnr. 6 jeweils m. w. N. und für die Verschmelzung i. S. des § 43 UmwG Ihrig in Semler/Stengel, UmwG, § 43 Rdnr. 17 m. w. N.; H. Schmidt in Lutter, UmwG, § 43 Rdnr. 9; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 43 Rdnr. 11.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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– und schließlich die Entscheidung über Kündigung bzw. Auflösung der Gesellschaft sowie die Ausschließung von Mitgesellschaftern145. b) Schrankenfunktion der stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände „Stimmrechtsfest“ ist ein ganz unglücklicher Terminus. Er bedeutet, dass der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung mitdiskutieren und mit abstimmen darf. Seine Gegenstimme ist aber, wenn sich feste Mehrheiten gebildet haben, völlig uninteressant, es entscheidet die Mehrheit.146 Der Minderheitsgesellschafter wird einfach überstimmt. Sog. stimmrechtsfeste Rechte begründen daher offensichtlich keinen materiellen Schutz vor Mehrheitsentscheidungen, sondern sichern nur einen bestimmten formellen Ablauf der Beschlussfassung. Die Kategorie der stimmrechtsfesten Beschlussgegenstände bildet somit primär keine Grenze für Mehrheitsbeschlüsse, sondern eine für gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsausschlussklauseln.147 Soweit es um Mehrheitsbeschlüsse geht, hat die Anerkennung eines stimmrechtsfesten Kernbereichs daher auch nur eine formelle Schutzfunktion. 4. Zusammenfassende Würdigung Zusammenfassend ergibt sich bei dieser Dreiteilung des Kernbereichs der Mitgliedschaft eine jeweils sehr unterschiedliche Schutzintensität,148 die unter Wertungsgesichtspunkten sachgerecht ist. Der Kernbereich ist also die terminologische Zusammenfassung unterschiedlichster Rechte.149 Nach der Dreiteilung des Kernbereichs der Mitgliedschaft ist der Kernbereich sowohl Inbegriff zwingender, elementarer Mitgliedschaftsrechte, als auch Grenze der Mehrheitsmacht als auch Stimmrechtsschranke.150 Während einige Mitgliedschaftsrechte generell unverzichtbar sind, kann in andere mit Zustimmung eingegriffen werden und in dritte kann gar auch ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters durch Mehrheitsbeschluss eingegriffen werden; erforderlich ist nur, dass der Gesellschafter mit abstimmen konnte. Der Schutz der Minderheit im Personengesellschaftsrecht gegenüber Mehrheitsbeschlüssen ist daher nach Intensitätsgraden abgestuft.151 145
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. c) (S. 475). Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 47; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 I. 1. (S. 362). 147 Vgl. zur Zulässigkeit des Stimmrechtsausschlusses unten § 5 IV. 1. b) aa). 148 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. (S. 470). 149 Siehe bereits die Nachweise oben § 5 Fn. 28. 150 Zu den unterschiedlichen in der wissenschaftlichen Diskussion vertretenen Facetten des Kernbereichs vgl. auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 181 f. 151 So zutreffend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. (S. 470 ff.). 146
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Dies macht eine Abgrenzung der einzelnen Kernbereiche erforderlich. Sie soll im Folgenden versucht werden.
IV. Bestimmung des Kernbereichs der Mitgliedschaft Der Kernbereich der Mitgliedschaft soll nachfolgend in drei Schritten bestimmt werden. Zunächst soll der unverzichtbare Kernbereich abgesteckt werden, weil er den größten Schutz gewährt. Dabei soll die herkömmliche Einteilung der Mitgliedschaftsrechte in Mitverwaltungs-, Vermögens-, Klage- und Lösungsrechte übernommen werden.152 Es ist, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich eine Wertung vornimmt, die Bedeutung des einzelnen Mitgliedschaftsrechts für die persönliche Stellung des Gesellschafters zu gewichten. Womöglich ist, auch wenn das Gesetz ansonsten schweigt, die Abbedingung des Mitgliedschaftsrechts sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und damit nichtig. Soweit im Rahmen dieser Untersuchung möglich, soll auch die Stellung des betroffenen Gesellschafters in der Gesellschaft, etwa als Kommanditist oder persönlich haftender Gesellschafter, für den Kernbereichsschutz berücksichtigt werden. Sicher ist nämlich, dass der Kernbereichsschutz beim Kommanditisten geringer ist als bei einem persönlich haftenden Gesellschafter.153 In einem zweiten Schritt soll der unentziehbare Kernbereich der Mitgliedschaft bestimmt werden. Dabei wird bereits auf Ergebnisse der Untersuchung des unverzichtbaren Kernbereichs zurückgegriffen werden können. Allerdings sind dort auch weitere Beschlussgegenstände in den Blick zu nehmen. Abschließend soll der stimmrechtsfeste Kernbereich der Mitgliedschaft umrissen werden. Bei dieser dreischrittigen Bestimmung des Kernbereichs werden die Besonderheiten, die sich aus der jeweiligen Realstruktur der Gesellschaft ergeben, vorerst ausgeblendet. Unterstellt werden soll eine gesetzestypische Personengesellschaft. Zum besonderen Kernbereichsschutz bei Publikumspersonen- und sonstigen körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, wie angewachsenen Familiengesellschaften, soll abschließend Stellung genommen werden.
152 Vgl. nur Röttger, Kernbereichslehre, S. 70: diese Einteilung ist „der Sache nach allgemein anerkannt“; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 II. (S. 365 f.), Bd. 2, § 3 III. 1. a) (S. 209 f.). 153 Vgl. zum Kernbereich der Kommanditistenstellung ausführlich Dietrich, Publikums-KG; S. 69 ff.; Immenga, ZGR 1974, 385, 404 ff., der aber einen anderen terminlogischen Ansatz als den hier gewählten hat, vgl. oben § 5 Fn. 32.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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1. Bestimmung des unverzichtbaren Kernbereichs a) Die Mitgliedschaft als solche Zum unverzichtbaren Kernbereich gehört die Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft als solche. Sie ist insoweit zwingend geschützt, als sie nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund (durch Mehrheitsbeschluss oder durch einen einzelnen Gesellschafter) entzogen werden darf.154 Ausschlussklauseln, wonach ein Gesellschafter ohne wichtigen Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen bzw. hinausgekündigt werden kann, sind grundsätzlich sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und nichtig.155 Nur ausnahmsweise, wenn besondere sachlich gerechtfertigte Gründe (z. B. die Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Gesellschafters), die Ausschlussklausel ohne wichtigen Grund rechtfertigen, ist diese wirksam.156 Denn das Damoklesschwert des jederzeit möglichen Ausschlusses verhindert die sachgerechte Wahrnehmung der einzelnen Mitgliedschaftsrechte und kann daher in aller Regel nicht hingenommen werden.157 Es übt einen unzulässigen Druck auf die Entscheidungsfreiheit des Betreffenden aus.158 b) Mitverwaltungsrechte Aus der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft folgen Mitverwaltungsrechte. Zu diesen Mitverwaltungsverwaltungsrechten zählen das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung, die Zustimmungsrechte zu Eingriffen in den unentziehbaren Kernbereich, die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen, und die Informationsrechte.159 aa) Das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung Ausgangspunkt der Kernbereichslehre war die im Jahre 1956 vom BGH entschiedene Frage160 der Zulässigkeit des Stimmrechtsausschlusses. Zunächst soll 154
So im Ergebnis auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 194 ff. Mittlerweile ständige Rechtsprechung, siehe etwa BGHZ 81, 263, 265 ff.; 105, 213, 216 ff.; 107, 351, 353; ferner AnwK-BGB/Looschelders § 138 Rdnr. 203; HkBGB/Saenger § 737 Rdnr. 5; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 737 Rdnr. 26; ausführlich zu dieser Problematik Behr, ZGR 1990, 370 ff.; Schulte, Schrankenproblematik, S. 109 ff.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 737 Rdnr. 17 ff. 156 BGHZ 105, 213, 216 ff.; BGH, NJW-RR 1996, 234, 235; zustimmend Timm/ Schöne in Bamberger/Roth § 737 Rdnr. 26; Palandt/Sprau § 737 Rdnr. 5. 157 BGH, WM 2005, 802, 803 („Damoklesschwert“). 158 AnwK-BGB/Looschelders § 138 Rdnr. 203. 159 Vgl. nur Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 16. 155
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daher untersucht werden, inwieweit das Stimmrecht durch Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen werden kann. Das Stimmrecht hat einen verzichtsfesten Kern. Es kann gesellschaftsvertraglich nicht ausgeschlossen werden, soweit Beschlüsse in Rede stehen, die direkt in die Rechts- oder Vermögensstellung des betroffenen Gesellschafters eingreifen, indem sie ihm etwa zusätzliche Pflichten auferlegen (Kernbereich des Stimmrechts).161 Denn der Ausschluss des Stimmrechts darf nicht zu einer unzulässigen Abhängigkeit der stimmrechtslosen Gesellschafter von der Willkür der anderen Gesellschafter führen162 und deshalb gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) verstoßen. Gleichwohl ist der Stimmrechtsausschluss auch für den persönlich haftenden Gesellschafter grundsätzlich zulässig.163 Das Stimmrecht ist im Grundsatz nicht als unverzichtbares mitgliedschaftliches Grundrecht sondern nur als unentziehbares Kernbereichsrecht einzuordnen164, obgleich die Teilnahme an Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung für das Beteiligungsrisiko eines gemäß § 128 HGB (analog) mit seinem gesamten Privatvermögen persönlich haftenden165 Gesellschafters ganz wesentlich ist. Man denke nur an Änderungen des Zwecks der Gesellschaft. Dass ein Stimmrechtsausschluss generell möglich ist, zeigen die §§ 710, 711 BGB, wonach auch ein persönlich haftender Gesell160
BGHZ 20, 363. Hierüber besteht weitgehend Einigkeit, vgl. BGHZ 20, 363, 369 f.; Gk-HGB/ Ensthaler § 119 Rdnr. 5; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 75 m. w. N. in Fn. 313, 314; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 13; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. c) (S. 475); Palandt/Sprau Vorb v § 709 Rdnr. 12; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 48; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 63. Jedoch kann in einer personenidentischen GmbH & Co. KG das Stimmrecht der Komplementär GmbH auch für Beschlüsse, die in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte derselben eingreifen, ausgeschlossen werden, siehe BGH, NJW 1993, 2100. Weitergehend hält dagegen Staub/Schilling § 163 Rdnr. 10 das Stimmrecht des Kommanditisten bei jeder Änderung des Gesellschaftsvertrags für unverzichtbar. 162 BGHZ 20, 363, 369 f. 163 A. A. von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 26; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 3 III. 2. d) cc) (S. 221), der das Stimmrecht des persönlich haftenden Gesellschafters, wenn über Vertragsänderungen entschieden wird, für den persönlich haftenden Gesellschafter für unverzichtbar hält, da er im Außenverhältnis die Haftung für die Geschicke der Gesellschaft übernimmt. 164 So auch BGH, NJW 1995, 194, 195; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 72; Lockowandt, Stimmrechtsbeschränkungen, Kernbereichslehre und Stimmrechtsausschluss, S. 193; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 27; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) bb) (S. 472): soweit es nicht unverzichtbar ist; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42. 165 Zur früher streitigen Konstruktion der Haftung des Gesellschafters einer GbR: Doppelverpflichtungs- oder Akzessoritätstheorie? vgl. nur BGHZ 146, 341; Kindl, WM 2000, 697 ff. Zu Recht wird heute überwiegend die Akzessoritätstheorie vertreten, die von einer akzessorischen Haftung der GbR-Gesellschafter analog § 128 HGB ausgeht (so auch Kindl a. a. O.). 161
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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schafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden kann und daher insoweit auch kein Stimmrecht hat.166 Die Zulässigkeit eines gesellschaftsvertraglichen Stimmrechtsausschlusses darf aber nicht zu Wertungswidersprüchen führen. Der für gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklauseln entwickelte und zu befürwortende Bestimmtheitsgrundsatz ist aus diesem Grunde auch auf den Stimmrechtsausschluss anzuwenden.167 Der Stimmrechtsausschluss hat annähernd den gleichen Effekt wie die gesellschaftsvertragliche Zulassung von Mehrheitsbeschlüssen.168 Sowohl der Stimmrechtsausschluss als auch die Zulassung von Mehrheitsbeschlüssen führen dazu, dass die anderen Gesellschafter gegen den Willen des Betroffenen beschließen können. In beiden Fällen ist das Stimmrecht des einzelnen Gesellschafters „weniger wert“. Es macht bei festen Mehrheiten nur rechtstechnische Unterschiede, ob die Minderheit vom Stimmrecht ausgeschlossen wird und so formell einstimmig beschlossen wird oder der Gesellschaftsvertrag das Mehrheitsprinzip vorsieht und so die Gegenstimme des Minderheitsgesellschafters regelmäßig unbeachtlich ist. Im praktischen Ergebnis weichen beide Gestaltungen vom im Personengesellschaftsrecht gesetzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB) ab, das die Mitwirkung aller Gesellschafter bei der Beschlussfassung vorsieht, und sind daher i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes einschränkend auszulegen169: Der einfache Stimmrechtsausschluss bezieht sich danach nur auf Geschäftsführungsangelegenheiten. Soll dem Gesellschafter auch für Grundlagenentscheidungen das Stimmrecht entzogen werden, so muss ihm das Stimmrecht auch für die Grundlagenentscheidungen, wie insbesondere Vertragsänderungen, unzweideutig entzogen werden. Soll nach dem Willen der Gesellschafter der Stimmrechtsausschluss schließlich auch für ungewöhnliche Vertragsänderungen gelten, so muss sich dies unzweideutig – sei es auch nur durch Auslegung – aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben.
166
Vgl. MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 63. So zu Recht vor allem auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 186; Immenga, ZGR 1974, 385, 423; Koller in Koller/Roth/Morck § 119 Rdnr. 2; Schlegelberger/ Martens § 119 Rdnr. 28; ders., DB 1973, 413, 417 f.; Menk, Verhältnis Bestimmtheitsgrundsatz zur Kernbereichslehre, S. 120 ff.; Röttger, Kernbereichslehre, S. 157 m. w. N.; Wälzholz in Sudhoff, Familienunternehmen, § 11 Rdnr. 88 f. mit Formulierungsvorschlag für eine dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Stimmrechtsausschlussklausel. 168 Vgl. Immenga, ZGR 1974, 385, 422 f.; Martens, DB 1973, 413, 417 f. 169 Vgl. Martens, DB 1973, 413, 418; Wälzholz in Sudhoff, Familienunternehmen, § 11 Rdnr. 88. 167
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bb) Zustimmungsrecht Wenn Mehrheitsbeschlüsse den Kernbereich der Rechts- und Vermögensstellung der Minderheit betreffen, steht den Minderheitsgesellschaftern zwingend ein Zustimmungsrecht zu.170 Dieses Zustimmungsrecht ist unverzichtbar und kann daher insbesondere auch nicht im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden, weil anderenfalls die Minderheit bei einem in der gesellschaftsvertraglichen Praxis nicht unüblichen langen Katalog von ungewöhnlichen Beschlussgegenständen in der Mehrheitsklausel auf „Gedeih und Verderb“ der Mehrheit ausgeliefert wäre. Das insoweit auch bestehende zwingende Stimmrecht reicht für den Schutz des Minderheitsgesellschafters wegen der Gefahr, überstimmt zu werden, nicht aus. cc) Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis Der persönlich haftende Gesellschafter kann grundsätzlich von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft gesellschaftsvertraglich in vollem Umfang ausgeschlossen werden (vgl. §§ 710, 714 BGB, 114 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB). Dem steht auch das Prinzip der Selbstorganschaft nicht entgegen,171 da aus dem Prinzip der Selbstorganschaft für vertragliche Regelungen der Geschäftsführungsbefugnis nur folgt, dass in jedem Fall ein Gesellschafter (allein oder zusammen mit anderen) zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft in der Weise berechtigt sein muss, dass er nicht von der Zustimmung eines gesellschaftsfremden Dritten abhängig ist.172 Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ist somit kein unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht. Soweit dem Personengesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag oder kraft Gesetzes aber das Recht zur Geschäftsführung und damit auch zur Vertretung der Gesellschaft zusteht, kann ihm dieses grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden (vgl. §§ 712 Abs. 1 BGB, 117, 127 HGB).173 Indes kann der Gesellschaftsvertrag die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis materiell und verfahrens170 Vgl. Röttger, Kernbereichslehre, S. 130 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 3 III. 2. a) (S. 213); ders., WM 1992, Sonderbeil. Nr. 7, S. 24 ff.; oben § 5 III. 2. 171 Röttger, Kernbereichslehre, S. 170. 172 Einzelheiten zum und Kritik am Prinzip der Selbstorganschaft bei Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 41 ff. (S. 24 ff.). Der Grundsatz der Selbstorganschaft ist nach zutreffender Ansicht wegen der unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter zwingend und damit eine Schranke der Vertragsfreiheit vgl. BGHZ 51, 198, 200; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 109 Rdnr. 19; von Gerkan in Röhricht/ Graf von Westphalen § 109 Rdnr. 5; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 203; Mayen in Ebenroth/Boujong/Joost § 109 Rdnr. 14 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 213 ff. 173 Zu den Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes vgl. Hk-BGB/ Saenger § 712 Rdnr. 1, § 723 Rdnr. 4, der zu Recht auch darauf hinweist, dass die in
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mäßig erleichtern.174 Auch eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, wonach die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis auch ohne besonderen Grund durch Mehrheitsbeschluss mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit entzogen werden kann, ist zulässig.175 Für den Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis durch Mehrheitsbeschluss ist dann auch nicht die Zustimmung des Betroffenen erforderlich, da mit dem Entzug der Geschäftsführungsbefugnis kein Eingriff in den mehrheitsfesten Kernbereich der Mitgliedschaft verbunden ist.176 Zwar ist das Geschäftsführungsrecht für einen geschäftsführenden Gesellschafter deshalb von maßgeblicher Bedeutung, weil darin nicht selten seine Berufsausübung liegen wird. Wenn ihm aber von vornherein die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nur unter dem Vorbehalt des Entzugs durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt wurde, hat der geschäftsführende Gesellschafter keine gesicherte Rechtsposition. Unverzichtbar ist das Notgeschäftsführungsrecht gemäß § 744 Abs. 2 BGB,177 das richtigerweise auch analog für die Personengesellschaften gilt,178 weil dort die Geschäftsführung nicht abschließend geregelt ist. Das Notgeschäftsführungsrecht darf ohnehin nur zur Erhaltung der Gesellschaft ausgeübt werden (vgl. § 744 Abs. 2 BGB).179 Das Notgeschäftsführungsrecht gehört daher zum unverzichtbaren Kernbereich.
§ 712 Abs. 1 BGB aufgezählten Fälle für das Vorliegen eines wichtigen Grundes bloß exemplarisch sind; sowie Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 712 Rdnr. 11 f. m. w. N. 174 Wohl unstreitig, siehe nur BGH, NJW 1998, 1225, 1226; Hopt in Baumbach/ Hopt § 117 Rdnr. 12, § 127 Rdnr. 12; Koller in Koller/Roth/Morck § 117 Rdnr. 5, § 127 Rdnr. 5 175 Dass gesellschaftsvertraglich auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes für den Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis völlig verzichtet werden kann, ist die ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGHZ 68, 212, 215; 81, 263, 266 f.; 105, 213, 217; 107, 351, 356; BGH, NJW 1998, 1225, 1226 m. w. N.; siehe ferner Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 196. A. A. Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 233 f., der die entsprechende Vereinbarung für sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und nichtig hält. 176 So auch Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S. 41; a. A. aber Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 712 Rdnr. 2, denen aber insoweit zuzustimmen ist, als dass besondere Anforderungen an die vertragliche Konkretisierung der Eingriffsbefugnis zu stellen sind. Der Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ist eine ungewöhnliche Vertragsänderung i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes. 177 So auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 190. 178 Siehe etwa RGZ 112, 361, 367; BGHZ 17, 181, 183; Hk-BGB/Saenger § 709 Rdnr. 1, § 744 Rdnr. 4; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 744 Rdnr. 5; kritisch aber Erman/Aderhold § 744 Rdnr. 9, da im Personengesellschaftsrecht die Geschäftsführung abschließend geregelt sei; einschränkend auch BGHZ 39, 14, 20; MünchKomm z. BGB/K. Schmidt §§ 744, 745 Rdnr. 50: Notgeschäftsführungsrecht bloß subsidiär. 179 Zum Begriff der Erhaltungsmaßnahme i. S. des § 744 Abs. 2 BGB vgl. statt vieler OLG Hamm, NZG 2000, 642, 643; Hk-BGB/Saenger § 744 Rdnr. 4.
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dd) Das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen einschließlich des Rede- und Antragsrechts Das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen ist gesetzlich nicht normiert, gleichwohl in seinem Kern aber ein für alle Gesellschaftsformen allgemein anerkanntes, unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht.180 Bei der Teilnahme an Gesellschafterversammlungen steht das Interesse des Gesellschafters im Vordergrund, sich über die geschäftspolitischen Vorgänge in der Gesellschaft, deren Mitglied er ist, zu unterrichten.181 Die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen ist untrennbarer Bestandteil jeder Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft. Das Recht zur Teilnahme besteht daher selbst dann, wenn die Gesellschafter wirksam vom Stimmrecht ausgeschlossen sind.182 Denn ein Gesellschafter wäre kein Gesellschafter mehr, hätte er nicht wenigstens die Möglichkeit, mit den anderen Gesellschaftern auf den Gesellschafterversammlungen wichtige Informationen zu sammeln, Meinungen auszutauschen, geschäftspolitische Trends zu entwickeln und Stimmungen zu erkunden.183 Das erklärt sich auch daraus, dass das Teilnahmerecht an Versammlungen unbedingt erforderlich ist, um die weiteren Mitgliedschaftsrechte, wie insbesondere die Informationsrechte (z. B. §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB), sinnvoll ausüben zu können184. Das Informationsrecht nützt dem Gesellschafter nur insoweit, als er weiß, welche Informationen er von der Geschäftsführung haben will.185 Zum unverzichtbaren Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen gehört nicht nur die körperliche Anwesenheit in der Versammlung, sondern auch das Recht, sich dort zu äußern (Rederecht). Das Rederecht ist essentiell, um eigene Ansichten in die Diskussion einzubringen und andere für den eigenen Standpunkt gewinnen zu können.186 Das Rederecht in der Gesellschafterversammlung 180 Siehe etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 68; Immenga, ZGR 1974, 385, 414; Röttger, Kernbereichslehre, S. 190 f. m. w. N.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. a) (S. 471); Schulte, Schrankenproblematik, S. 39; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 20, 41; für die GmbH: BGHZ 14, 264, 270 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdnr. 15, der aber zu Recht auch darauf aufmerksam macht, dass das Teilnahmerecht an Versammlungen durch die Satzung geordnet und näher geregelt werden darf. Nur in den „Kernbereich“ des Teilnahmerechts darf nicht eingegriffen werden. Im Schulfall des an der Gesellschaft beteiligten Konkurrenten kann die Berufung auf das Teilnahmerecht, wenn wettbewerbsrelevante Fragen beraten werden, rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) sein. 181 Vgl. Röttger, Kernbereichslehre, S. 190 ff. 182 So zu Recht MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 49; Müller, in Hdb. Personengesellschaften, § 4 Rdnr. 87; Renkl, Gesellschafterbeschluss, S. 83; für die GmbH BGH, WM 1985, 567, 568. Zum Ausschluss des Stimmrechts siehe oben § 5 IV. 1. b) aa). 183 Vgl. Immenga, ZGR 1974, 385, 414; Röttger, Kernbereichslehre, S. 191; Schulte, Schrankenproblematik, S. 39. 184 Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 191. 185 Röttger, Kernbereichslehre, S. 191.
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ist daher auch für denjenigen unverzichtbar, der nur als Kommanditist beteiligt ist, oder für denjenigen, dessen Stimme gar nicht zur Entscheidung beitragen kann.187 Die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen umfasst endlich das unverzichtbare Recht, dort Anträge (nicht nur im Rahmen der Tagesordnung) zu stellen und diese kurz zu begründen. Zutreffend wird dies damit begründet, dass nur so dem stimmrechtslosen Gesellschafter ein Mindesteinfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft dadurch erhalten bleibt, dass er auf die Willensbildung der stimmberechtigten Gesellschafter einwirkt.188 Vor einer unzulässigen Ausübung des Antragsrechts, etwa um den funktionsgerechten Ablauf der Versammlung zu stören, schützt die gesellschafterliche Treuepflicht (§ 242 BGB).189 ee) Die Informationsrechte Bei den Informationsrechten ist zwischen den Informationsrechten der persönlich haftenden Gesellschafter gemäß §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB, dem Informationsrecht der Kommanditisten gemäß § 166 Abs. 1 und 3 HGB und dem allgemeinen Auskunftsanspruch zu unterscheiden. (1) Die Informationsrechte gemäß §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB Die persönlich haftenden Gesellschafter haben gemäß §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB das höchstpersönliche Recht190, sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten, die Geschäftsbücher und die Papiere der Gesellschaft einzusehen und sich aus ihnen eine Übersicht über den Stand des Gesellschaftsvermögens anzufertigen, auch soweit sie von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Sie haben bei der OHG und der KG gemäß § 118 Abs. 1 HGB (i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) zusätzlich das Recht, sich aus den Handels-
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Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 191; Immenga, ZGR 1974, 385, 415. Zutreffend Immenga, ZGR 1974, 385, 415. 188 Immenga, ZGR 1974, 385, 414 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 282; Röttger, Kernbereichslehre, S. 192; Schulte, Schrankenproblematik, S. 40. 189 Immenga, ZGR 1974, 385, 415; Röttger, Kernbereichslehre, S. 192. Vgl. aber auch BGHZ 44, 245, 252. Zur gesellschafterlichen Treuepflicht als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen siehe unten § 7. 190 Dem Gesellschafter bleibt es aber unbenommen, zur Ausübung der Kontrollrechte einen Sachverständigen für die Buchführung oder einen Berater hinzuziehen (BGHZ 25, 115, 123; Hk-BGB/Saenger § 716 Rdnr. 2; im Einzelnen ders., NJW 1992, 348 ff.). 187
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
büchern und den Papieren der Gesellschaft eine Bilanz sowie einen Jahresabschluss anzufertigen. Diese Informationsrechte dienen vor allem der Kontrolle der Geschäftsführung und werden daher vom Gesetz191 auch als Kontrollrechte bezeichnet. Sie sind grundsätzlich lediglich mehrheitsfeste und keine unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte,192 auch wenn der BGH in seiner Entscheidung vom 10. 10. 1994 zu Recht die besondere Bedeutung der Informationsrechte für den Schutz der typischerweise nicht an der Geschäftsführung beteiligten Minderheit betont hatte.193 Die Zulässigkeit eines vertraglichen Ausschlusses der genannten Informationsrechte ergibt sich im Umkehrschluss aus §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB. Die Vorschriften setzen voraus, dass die vorstehend genannten Informationsrechte vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden können.194 Gemäß §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB kann der Gesellschafter die Informationsrechte nach §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB aber trotz eines vertraglichen Ausschlusses geltend machen, wenn Grund zu der Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht. Nach allgemeiner Ansicht sind die §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB im Interesse einer effektiven Kontrolle der Geschäftsführung extensiv auszulegen.195 Erforderlich und ausreichend ist danach ein glaubhaft vorgetragener und von der Gegenseite nicht ausgeräumter Verdacht der unredlichen Geschäftsführung.196 In diesen von §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB gezogenen Grenzen ist das Informationsrecht des persönlich haftenden Gesellschafters unverzichtbar. Im übrigen lediglich mehrheitsfesten Bereich können die Informationsrechte gemäß §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters durch Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen oder beschränkt werden.197. Das Zustimmungserfordernis zu Eingriffen in die Informationsrechte der §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB ergibt sich aus dem vom BGH zu Recht betonten wichtigen Kontrollcharakter des Informationsrechts.198 Eine Kontrolle der geschäftsführenden Gesellschafter ist aus Gründen des Minderheitenschutzes dringend geboten. 191
Vgl. die amtliche Überschrift von § 716 BGB. Vgl. zur Abdingbarkeit des Informationsrechts gemäß §§ 716 BGB, 118 HGB nur Hopt in Baumbach/Hopt § 118 Rdnr. 17; Hk-BGB/Saenger § 716 Rdnr. 2 a. E.; Schulte, Schrankenproblematik, S. 40 f. 193 BGH, NJW 1995, 194, 195. 194 Schulte, Schrankenproblematik, S. 41. 195 Vgl. nur von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 172; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 118 Rdnr. 33 f.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 716 Rdnr. 19. 196 Vgl. BGH, WM 1984, 807, 808; von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 172; Hopt in Baumbach/Hopt § 118 Rdnr. 18; Timm/Schöne in Bamberger/ Roth § 716 Rdnr. 12 a. E. 197 So im Ergebnis auch BGH, NJW 1995, 194, 195; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 V. 3. (S. 1398); Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 42, letzterer allerdings ohne Begründung sowie die weiteren Nachweise oben § 5 Fn. 84. 192
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Auf der anderen Seite kann es dem einzelnen Gesellschafter im Einzelfall gemäß § 242 BGB verwehrt sein, das Informationsrecht geltend zu machen, wenn es besonders nahe liegt, dass der einzelne Gesellschafter die Informationen missbraucht, etwa weil er als Konkurrent an einem anderen Unternehmen beteiligt ist.199 In diesem Fall besteht dann sicherlich auch ein berechtigtes Interesse für einen nachträglichen Ausschluss oder eine Beschränkung des Informationsrechts durch Mehrheitsbeschluss. (2) Die Informationsrechte des Kommanditisten Bei den Informationsrechten des Kommanditisten ist zwischen den ordentlichen und den außerordentlichen Informationsrechten zu unterscheiden. Das ordentliche Informationsrecht des Kommanditisten besteht gemäß § 166 Abs. 1 HGB darin, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Die in § 118 Abs. 1 HGB dem persönlich haftenden Gesellschafter eingeräumten weiteren Unterrichtungs- und Einsichtsrechte stehen dem Kommanditisten gemäß § 166 Abs. 2 HGB aber nicht zu. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes hat der Kommanditist gemäß § 166 Abs. 3 HGB ein außerordentliches Informationsrecht. Er kann beantragen, dass das zuständige Amtsgericht (§ 145 Abs. 1 FGG) im FGG-Verfahren die Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresabschlusses oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlegung der Bücher und Papiere anordnet. Es ist heute allgemeine Ansicht, dass dieses außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten sowohl für den Fall, dass der Verdacht unredlicher Geschäftsführung im Raume steht, als auch für den Fall, dass ein sonstiger wichtiger Grund i. S. von § 166 Abs. 3 HGB vorliegt, nicht abdingbar ist.200 In beiden Fällen geht es um einen zwingenden Mindestschutz des Kommanditisten. Streitig ist dagegen der zwingende Umfang des ordentlichen Informationsrechts des Kommanditisten nach § 166 Abs. 1 HGB.201 Die früher herrschende und auch heute noch vertretene Ansicht ging davon aus, dass § 166 Abs. 1 HGB nachgiebiges Recht sei.202 Sie stützte sich auf den Normaufbau des § 166 HGB. Unabdingbar scheint danach nur das bei Vorliegen eines wichtigen Grun198
BGH, NJW 1995, 194, 195. Zu den sachlichen Schranken der Ausübung der Informationsrechte vgl. nur MünchKomm z. HGB/Enzinger § 118 Rdnr. 29 m. w. N. 200 BGH, NJW 1975, 1318, 1319; OLG Hamm, BB 1970, 509, 510; MünchKomm z. HGB/Grunewald § 166 Rdnr. 48: „unstreitig“; Hahn, BB 1997, 741, 742 f.; Hopt in Baumbach/Hopt § 166 Rdnr. 19; Immenga, ZGR 1974, 385, 405; Röttger, Kernbereichslehre, S. 190 m. w. N.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rdnr. 58; ders., Gesellschaftsrecht, § 53 III. 3. d) (S. 1543). 201 Offen lassend OLG Hamm, NZG 1998, 27. 199
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des gegebene außerordentliche Informationsrecht nach § 166 Abs. 3 HGB zu sein. Der nicht zur Disposition stehende Kernbereich des Informationsrechts scheint in § 166 Abs. 3 HGB festgelegt zu sein. Im neueren Schrifttum wird die Unverzichtbarkeit des ordentlichen Informationsrechts des Kommanditisten indes zu Recht ganz überwiegend bejaht.203 Der in das GmbHG neu eingefügte § 51a GmbHG erfordert eine Neubewertung. Darauf hat auch der BGH in seinem Urteil vom 11. 07. 1988204 in einem obiter dictum aufmerksam gemacht. Er hat die Frage aufgeworfen, ob nicht in Anlehnung an den damals neu eingefügten § 51a GmbHG auch das ordentliche Informationsrecht des Kommanditisten gemäß § 166 Abs. 1 HGB zumindest in seinem Kernbestand unverzichtbar sei.205 Der BGH hat die Frage im Ergebnis zwar offen gelassen, es wäre aber widersprüchlich, dem Kommanditisten, der in der GmbH & Co. KG zugleich GmbH-Gesellschafter ist, unbeschränkte Unterrichtungsbefugnisse nach § 51a GmbHG einzuräumen, dem Nur-Kommanditisten jedoch lediglich die abdingbaren Informationsrechte nach § 166 Abs. 1 HGB zuzubilligen.206 Die Unverzichtbarkeit des ordentlichen Informationsrechts des Kommanditisten ergibt sich aus der vom BGH erwogenen207 analogen Anwendung von 202 BayObLG, WM 1988, 1789, 1790; Hahn, BB 1997, 741, 742; Hopt in Baumbach/Hopt § 166 Rdnr. 18; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, E. II. 2. c) (S. 238); Schlegelberger/Martens § 166 Rdnr. 40; siehe ferner die Schrifttumsnachweise bei BGH, NJW 1989, 225; vgl. schließlich auch Röttger, Kernbereichslehre, S. 189. 203 Siehe etwa Grunewald, ZGR 1989, 545, 550; MünchKomm z. HGB/dies. § 166 Rdnr. 48; Reuter, in FS Steindorff, S. 229, 242 f.; Schiessl, NJW 1989, 1597, 1598, der auch darauf hinweist, dass das Informationsrecht des Kommanditisten zum „Kernbereich“ der Mitgliedschaft gehört, der Mehrheitsbeschlüssen entzogen ist; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rdnr. 58; ders., Gesellschaftsrecht, § 53 III. 3. d) (S. 1543); Veltins/Hikel, DB 1989, 465, 466; Wiedemann, WM 1992, Sonderbeil. Nr. 7, S. 45. 204 BGH, NJW 1989, 225. 205 BGH, NJW 1989, 225. 206 So zu Recht Wiedemann, WM 1992, Sonderbeil. Nr. 7, S. 45. Ein Wertungswiderspruch zum unbeschränkt haftenden Gesellschafter, dessen Informationsrecht in den Grenzen von §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB abdingbar ist, ergibt sich dadurch nicht. Die Informationsrechte des persönlich haftenden Gesellschafters nach §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB gehen inhaltlich weit über das Informationsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 1 HGB hinaus. Aufgrund der Regelung in § 166 Abs. 1 HGB ist das Informationsrecht des Kommanditisten nicht i. S. von § 51a Abs. 1 GmbHG zu erweitern (vgl. dazu aber BGH, NJW 1992, 1890, 1891 m. w. N.). Bei Publikumskommanditgesellschaften kann freilich das Einsichtsrecht, nicht aber das Auskunftsrecht der Kommanditisten, ausgeschlossen werden (MünchKomm z. HGB/Grunewald § 166 Rdnr. 50 m. w. N.). Zulässig ist hier die Schaffung eines Organs, das an Stelle der Kommanditisten das Einsichtsrecht ausübt. 207 BGH, NJW 1989, 225 f. Für die analoge Anwendung von § 51a GmbHG auch Koller in Koller/Roth/Morck § 166 Rdnr. 7; Wiedemann, WM 1992, Sonderbeil. Nr. 7, S. 45; ausdrücklich gegen die analoge Anwendung von § 51a GmbHG aber Hahn, BB 1997, 741, 743; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 250 f.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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§ 51a Abs. 3 GmbHG. Das HGB ist in § 166 planwidrig lückenhaft, denn es enthält keinen dem § 51a Abs. 3 GmbHG vergleichbaren Absatz, obwohl der moderne Gesetzgeber Informationsrechte, also auch das des Kommanditisten, als unverzichtbares Instrument des Minderheitenschutzes betrachtet.208 Diese Wertung des modernen Gesetzgebers lässt sich zweifelsfrei der Ausgestaltung des Informationsrechts des GmbH-Gesellschafters in § 51a GmbHG entnehmen. Der moderne Gesetzgeber hat hier ausdrücklich klargestellt, dass das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters unabdingbar ist (§ 51a Abs. 3 GmbHG).209 Diese Bewertung des modernen Gesetzgebers sollte im Wege der analogen Anwendung des § 51a Abs. 3 GmbHG auch für das ordentliche Informationsrecht des Kommanditisten übernommen werden, da Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters und des Kommanditisten nicht ersichtlich sind und daher auch die Interessenlagen vergleichbar sind.210 Insbesondere lässt sich der analogen Anwendung des § 51a Abs. 3 GmbHG nicht entgegenhalten, dass der Kommanditist häufig nur an einer Kapitalanlage interessiert sei, während der Gesellschafter einer GmbH typischerweise eine engere Beziehung zu „seiner Gesellschaft“ habe.211 Denn vor allem der besonders auf die Informationsrechte nach § 51a GmbHG angewiesene Minderheitsgesellschafter in der GmbH hält seinen Geschäftsanteil bei Fehlen unternehmerischer Interessen nicht selten auch nur als Kapitalanlage.212 Gleichwohl hat der Gesetzgeber ihm das nach § 51a GmbHG unverzichtbare Informationsrecht eingeräumt. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass auch das ordentliche Informationsrecht des Kommanditisten (§ 166 Abs. 1 HGB) im Grundsatz unverzichtbar ist. Eine Abdingbarkeit ist nur anzuerkennen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Kommanditist die Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der KG einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird.213 Ein solcher Fall mag insbesondere dann gegeben sein, wenn der Kommanditist gleichzeitig als Konkurrent an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist.214
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Vgl. BGH, NJW 1989, 225; ferner BGH, NJW 1995, 194, 195. Zur Bedeutung des § 51a Abs. 3 GmbHG vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rdnr. 50; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51a GmbHG, Rdnr. 2. 210 Ähnlich Reuter, in FS Steindorff, S. 229, 242 f.: § 51a GmbHG muss als jüngere gesetzliche Wertung Konsequenzen für die Abdingbarkeit des individuellen Informationsrechts auch im Personengesellschaftsrecht nach sich ziehen. 211 Vgl. BGH, NJW 1989, 225, 226; dafür aber Hahn, BB 1997, 741, 743. 212 Vgl. BGH, NJW 1989, 225, 226. Dies verkennt Hahn, BB 1997, 741, 743. 213 So im Ergebnis auch Koller in Koller/Roth/Morck § 166 Rdnr. 7; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost § 177a Anh A Rdnr. 109. 214 Vgl. Koller in Koller/Roth/Morck § 166 Rdnr. 7. 209
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
(3) Der allgemeine Auskunftsanspruch Über die §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB hinaus ist ein allgemeiner Auskunftsanspruch anerkannt.215 Danach kann der Gesellschafter nicht nur Einsicht in Geschäftsunterlagen nehmen, sondern von den geschäftsführenden Gesellschaftern auch Auskunft verlangen, wenn entweder Bücher und Papiere nicht vorhanden sind oder diese, etwa wegen Unvollständigkeit, keine geeignete Aufklärung über die Geschäftsvorgänge ermöglichen.216 Dieser allgemeine Auskunftsanspruch steht auch Kommanditisten zu.217 Er wird durch § 166 Abs. 2 HGB, der sich nur auf die ausdrücklich in § 118 Abs. 1 HGB normierten weiteren Rechte bezieht, nicht ausgeschlossen.218 Streitig ist die rechtsdogmatische Grundlage des allgemeinen Auskunftsanspruchs. Einige wollen den allgemeinen Auskunftsanspruch aus § 713 i. V. m. § 666 BGB ableiten,219 andere halten eine entsprechende Anwendung der §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB für geboten220 und wieder andere wollen das Auskunftsrecht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableiten.221 Da es hier aber nur um die Verzichtsfestigkeit des allgemeinen Auskunftsanspruchs geht, kann die rechtsdogmatische Grundlage dahin stehen. Unabhängig davon, ob man die rechtsdogmatische Grundlage des allgemeinen Auskunftsanspruchs in § 713 i. V. m. § 666 BGB oder in §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB analog oder in § 242 BGB sieht, ist ein Ausschluss des allgemeinen Auskunftsanspruchs nach richtiger Ansicht entsprechend §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB insoweit nicht zulässig, als der Verdacht unredlicher Geschäftsführung im Raume steht.222 Dafür spricht, dass sich den §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB das allgemeine Rechtsprinzip entnehmen lässt, dass bei Annahme unredlicher Geschäftsführung eine Information über innere Angelegenheiten der
215 BGH, BB 1972, 1245, 1246; Hk-BGB/Saenger § 716 Rdnr. 1; K. Schmidt, Informationsrechte, S. 63 f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 21 III. 1. e) (S. 627), § 47 V. 3. (S. 1398); MünchKomm z. BGB/Ulmer § 716 Rdnr. 12. 216 Vgl. nur OLG Stuttgart, NZG 2002, 1105, 1106; Hk-BGB/Saenger § 716 Rdnr. 1. 217 BGH, MDR 1984, 27; OLG Stuttgart, NZG 2002, 1105, 1106; MünchKomm z. HGB/Grunewald § 166 Rdnr. 11 ff. m. w. N.: aber kein generelles § 51a GmbHG entsprechendes Auskunftsrecht. 218 Streitig; wie hier Hopt in Baumbach/Hopt § 166 Rdnr. 12 m. w. N. 219 So wohl BGHZ 14, 53, 59, 60; H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 22 Rdnr. 443 a. E. 220 So wohl MünchKomm z. BGB/Ulmer § 716 Rdnr. 12, der im Rahmen von § 716 Abs. 1 BGB ausnahmsweise einen Auskunftsanspruch anerkennt; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 II. 2. a) bb) (S. 376). 221 Michalski, OHG-Recht, § 118 Rdnr. 13; Hk-BGB/Saenger § 716 Rdnr. 1. 222 Vgl. Schulte, Schrankenproblematik, S. 43 f.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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Gesellschaft grundsätzlich nicht verweigert werden darf.223 Diese Vorschriften sind daher auf den Ausschluss des allgemeinen Auskunftsanspruchs analog anzuwenden. c) Die mitgliedschaftlichen Klagerechte aa) Actio pro socio Die actio pro socio gibt dem einzelnen Gesellschafter das Recht, Verbindlichkeiten eines Mitgesellschafters gegenüber der Gesellschaft (Sozialverbindlichkeiten) im eigenen Namen einzuklagen.224 Der einzelne Gesellschafter muss allerdings auf Leistung in das Gesellschaftsvermögen klagen.225 Die actio pro socio dient dem Minderheitenschutz.226 Dafür spricht vor allem, dass die actio pro socio entgegen der h. A.227 nur subsidiär eingreift.228 Grundsätzlich obliegt es gemäß §§ 709 Abs. 1 BGB, 114 Abs. 1 HGB den geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschaftern Ansprüche der Gesellschaft zu verfolgen. Der Kläger muss daher die Notwendigkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs der Gesellschaft im Wege der actio pro socio darlegen.229 Der praktisch wohl bedeutsamste Grund für die Geltendmachung des Anspruchs im Wege der actio pro socio ist, dass die eigentlich berufenen geschäftsführenden Gesellschafter die Anspruchsverfolgung widerrechtlich ablehnen.230 223
Immenga, ZGR 1974, 385, 404. BGHZ 25, 47; Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 14; grundlegend zur actio pro socio Hadding, Actio pro socio. Die Begrifflichkeit „actio pro socio“ hat sich eingebürgert. Der Vorschlag, stattdessen von „actio pro societate“ zu sprechen, erscheint wenig weiterführend. Beide Begrifflichkeiten haben ihren Sinn. 225 BGHZ 25, 47; Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 14. 226 Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 117; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 207 m. w. N. 227 Die h. A. geht davon aus, dass es sich bei der actio pro socio nicht um einen Fall der Prozessstandschaft handelt, so aber K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV. 4. b) (S. 637); Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 117 m. w. N., sondern dass die Sozialansprüche gleichzeitig auch Individualansprüche des Gesellschafters sind, siehe etwa BGHZ 25, 47, 49; Kreutz, in FS Hadding, S. 513, 526. Daher sei die Klage ohne weiteres zulässig, vgl. etwa BGHZ 25, 47, 49 f. Jedoch soll nach dem BGH a. a. O. der in Anspruch Genommene in materieller Hinsicht („Aktivlegitimation“) einwenden können, dass die Geltendmachung des Anspruchs gegen die gesellschaftsinterne Regelung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis oder gegen die Treuepflicht verstoße. Dies lässt sich auch nach Ansicht von Kreutz a. a. O. rechtfertigen. 228 Zutreffend MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 205, 210 m. w. N.; Erman/ H. P. Westermann § 705 Rdnr. 59: Notkompetenz. 229 So die zutreffende Mindermeinung, siehe statt aller nur MünchKomm z. BGB/ Ulmer § 705 Rdnr. 205, 210 m. w. N. 224
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Die besondere Bedeutung der actio pro socio für den Schutz der Minderheit in der Personengesellschaft wird aber auch daran deutlich, dass der einzelne Gesellschafter mit ihr ohne zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung, die von den Mehrheitsgesellschaftern beherrscht wird, Ansprüche der Gesellschaft durchsetzen kann.231 Ungeachtet dieser herausragenden Bedeutung der actio pro socio für den Minderheitenschutz und die Kontrolle der Geschäftsführung vertreten einige Autoren, dass die actio pro socio als Teil des Innenverhältnisses der Gesellschaft vollständig abdingbar sei.232 Dem kann aber nicht gefolgt werden. Die actio pro socio ist ein so wichtiges Instrument des Minderheitenschutzes und Kontrollrecht des einzelnen Gesellschafters, dass sie in ihrem Kernbereich verzichtsfest ist.233 Der Kernbereich der actio pro socio ergibt sich dabei aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB,234 weil die actio pro socio, wie das Informationsrecht, vor allem ein Kontrollrecht der Minderheit gegenüber der Geschäftsführung darstellt.235 Sie wurde vor allem entwickelt, um die missbräuchliche Nichtgeltendmachung eines Anspruchs durch die geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter zu verhindern.236 Die actio pro socio ist danach nicht abdingbar, wenn der Verdacht unredlicher Geschäftsführung im Raume steht. Für die Unabdingbarkeit der actio pro socio spricht aber auch die Verpflichtung der Gesellschafter gemäß § 705 BGB auf einen gemeinsamen Zweck. Die gemeinsame Zweckverfolgung, die nicht selten in der gemeinsamen Gewinn230
Vgl. OLG Düsseldorf, NZG 2000, 475; Erman/H. P. Westermann § 705 Rdnr.
59. 231
Vgl. Immenga, ZGR 1974, 385, 411. Hadding, Actio pro socio, S. 65 m. w. N.; A. Hueck, OHG, § 18 II. 3. (S. 267); Soergel/Schultze- von Lasaulx, 10. Aufl., § 705 Rdnr. 59. 233 So auch die wohl h. A. in der Literatur, siehe etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 105 Rdnr. 199; Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 233, der aber nicht ganz klar behauptet, dass die spezifische Mehrheitsproblematik deshalb entfalle. Verkannt wird dabei, dass die actio pro socio jenseits des Kernbereichs eingeschränkt werden kann und dass sich insoweit die Mehrheitsproblematik stellt (Zustimmung der Minderheit ist erforderlich!); Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 192 f.; Hopt in Baumbach/Hopt § 109 Rdnr. 37; Immenga, ZGR 1974, 385, 412 f.; Flume, PersGes, § 10 IV. (S. 144); Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 25; Röttger, Kernbereichslehre, S. 202 ff.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 122 m. w. N. Der BGH hat die Frage bislang offen gelassen, vgl. BGH, WM 1973, 1291, 1292; NJW 1985, 2830, 2831. 234 Vgl. Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 192; Immenga, ZGR 1974, 385, 412 f.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 209; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 5 III. 2. b) (S. 274). 235 Den Charakter der actio pro socio als Kontrollrecht der Minderheit betont insbesondere Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 IV. 1. c) (S. 460). Wiedemann a. a. O. leitet daraus auch die Verzichtsfestigkeit der actio pro socio ab. 236 Vgl. Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 116 m. w. N. 232
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erzielung besteht, setzt voraus, dass bestehende (vermögensrechtliche) Ansprüche der Gesellschaft durchsetzbar sein müssen, auch wenn sie sich gegen Mitgesellschafter oder die Geschäftsführung richten.237 Es kann nicht sein, dass ein Anspruch der Gesellschaft „brach liegt“, nur weil die geschäftsführenden Gesellschafter sich, etwa aus persönlichen Motiven, weigern, ihn durchzusetzen. Der Schadensersatzanspruch könnte sich ja auch gerade gegen die geschäftsführenden Gesellschafter selbst richten,238 wenn sie gegen ihre gesellschaftsvertragliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung schuldhaft verstoßen haben und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entstanden ist (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB). Dies dürfte sogar ein Hauptanwendungsfall der actio pro socio sein.239 Daneben hat die actio pro socio praktische Bedeutung vor allem für die Beitragspflichten der Gesellschafter (vgl. § 705 BGB a. E.).240 Welcher Gesellschafter sich in der Zukunft vertragswidrig verhalten wird, ist nicht vorhersehbar. Daher ist es erforderlich, schon die vollständige Abbedingung der actio pro socio – sei es durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss – für unzulässig zu halten.241 bb) Die Befugnis zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Beschlüssen Im Personengesellschaftsrecht kann jeder Gesellschafter die Nichtigkeit bzw. schwebende Unwirksamkeit eines Beschlusses242 durch Erhebung einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO, die gegen die Mitgesellschafter zu richten ist, geltend machen.243 Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse wird 237
Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 192; Röttger, Kernbereichslehre, S. 203. Vgl. den Fall BGHZ 25, 47. 239 Vgl. Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 116 a. E.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 204. 240 Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 14. 241 So im Ergebnis auch Röttger, Kernbereichslehre, S. 204. 242 Nach richtiger h. A. führt die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses zu dessen Nichtigkeit bzw. wenn eine erforderliche Zustimmung fehlt, zu dessen schwebender Unwirksamkeit, vgl. stellvertretend Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 61 ff.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 105 ff. jeweils m. w. N. Die Ansicht, die wie das Aktiengesetz gemäß §§ 243 ff. eine Kategorie von bloß anfechtbaren Beschlüssen einführen will, wenn das Mehrheitsprinzip vereinbart ist, ist für die Personengesellschaften abzulehnen, so auch die h. A., siehe nur Stengel, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 461; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 709 Rdnr. 65; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 93; gegen ein allgemeines Anfechtungsklageerfordernis bei der GmbH auch Casper, ZHR 163 (1999), 54, 72 ff., 86. Freilich spricht sich für die Anwendung der aktienrechtlichen Anfechtungsklage (§§ 241 ff. AktG) im Personengesellschaftsrecht eine beachtliche Mindermeinung aus, siehe etwa MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 98 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 II. 3. (S. 447 ff.), § 21 V. 2. (S. 646 f.) jeweils m. w. N. Eine eingehende Untersuchung des Beschlussmängelrechts ist im Rahmen der vorliegenden Abhandlung nicht möglich. 238
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
man in aller Regel zu bejahen haben, weil Beschlüsse der Gesellschafterversammlung oder von anderen Gesellschaftsorganen, wie z. B. einem Beirat, für die Gesellschafter von zentraler Bedeutung sind und von daher in der Regel ein ganz wesentliches Interesse daran besteht, Unklarheiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses durch ein gerichtliches Feststellungsurteil zu beseitigen.244 Die Befugnis zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen ist zwingender Natur und damit ein unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht. Eine längere Ungewissheit über die Rechtmäßigkeit oder die Wirksamkeit eines Beschlusses kann im Interesse der Gesellschaftsorganisation und der einzelnen Gesellschafter nicht hingenommen werden.245 Indes kann der Gesellschaftsvertrag die Erhebung der Klage von der Durchführung eines internen Vorverfahrens oder der Einhaltung bestimmter Fristen abhängig machen, da sich aus der Unzulässigkeit der Feststellungsklage keine materiellrechtlichen Folgen ergeben.246 Insbesondere wird ein nichtiger Beschluss durch das Entfallen der Feststellungsklagemöglichkeit nicht existent und ein schwebend unwirksamer nicht wirksam.247 Es tritt keine Heilung ein. Anders wäre dies nur, wenn man eine Kategorie von bloß anfechtbaren Beschlüssen befürwortet.248 d) Lösungsrechte Zu den Lösungsrechten des Gesellschafters zählen das ordentliche (§§ 723 Abs. 1 S. 1 BGB, 132 HGB) und das außerordentliche Kündigungsrecht (§§ 723 Abs. 1 S. 2 BGB). Daneben sieht das Gesetz für die Personenhandelsgesellschaften ein außerordentliches Auflösungsklagerecht vor (§ 133 HGB), das im Folgenden aber zusammen mit dem außerordentlichen Kündigungsrecht auf seine Verzichtsfestigkeit untersucht werden soll. 243 H. A., vgl. etwa BGH, NJW 1999, 3113, 3115; Goette in Ebenroth/Boujong/ Joost § 119 Rdnr. 75; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 32; Kindl, WiB 1996, 74 f.; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 13; Hk-ZPO/Saenger § 256 Rdnr. 4; Stengel, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 65; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 113. 244 Ähnlich Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 193; Röttger, Kernbereichslehre, S. 205. 245 So auch Röttger, Kernbereichslehre, S. 205. 246 Vgl. nur Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 193; Röttger, Kernbereichslehre, S. 205; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 IV. 2. a) (S. 465). Siehe zur Zulässigkeit der Vereinbarung einer angemessenen Ausschlussfrist für die Feststellungsklage ferner BGH, NJW 1995, 1218, 1219; OLG Stuttgart, NZG 2000, 835, 836. 247 Vgl. dazu, dass das Entfallen der Klagemöglichkeit gegen den Beschluss keine materiellrechtlichen Auswirkungen hat, nur Röttger, Kernbereichslehre, S. 205; Staub/ Ulmer § 119 Rdnr. 93. 248 Röttger, Kernbereichslehre, S. 205.
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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aa) Das ordentliche Kündigungsrecht Das ordentliche Kündigungsrecht ist bei der GbR gemäß § 723 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Kündigung der Gesellschaft gerichtet. Das heißt, dass mit der Kündigung die GbR aufgelöst wird und die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern stattfindet.249 Dagegen ist bei den Personenhandelsgesellschaften seit der Neufassung des § 131 HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz die Fortsetzung der Gesellschaft bei einer Kündigung des Gesellschafters der gesetzliche Regelfall (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 3 HGB, sog. Austrittskündigung). Auf diese ordentlichen Kündigungsrechte (§§ 723 BGB, 132 HGB) können die Gesellschafter gemäß § 723 Abs. 3 BGB (i. V. m. § 105 Abs. 2 HGB) nicht verzichten, sie gehören zum unverzichtbaren Kernbereich. Für die Unverzichtbarkeit der ordentlichen Kündigungsrechte spricht der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass das Eingehen persönlicher oder wirtschaftlicher Bindungen ohne zeitliche Begrenzung und ohne Kündigungsmöglichkeit mit der persönlichen Freiheit der Vertragsparteien unvereinbar ist und von ihnen daher nicht wirksam vereinbart werden kann.250 Zulässig sind lediglich gewisse Beschränkungen dieser ordentlichen Kündigungsrechte.251 So sind bei der GbR Fortsetzungsklauseln (vgl. § 736 Abs. 1 BGB), wonach lediglich der kündigende Gesellschafter ausscheidet und die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt wird, zulässig und verbreitet.252 Die Zulässigkeit von Fortsetzungsklauseln bei der GbR ergibt sich aus § 736 Abs. 1 BGB und aus dem Vergleich mit der Rechtslage bei den Personenhandelsgesellschaften, bei denen die Austrittskündigung nunmehr der gesetzliche Regelfall ist (vgl. § 131 HGB n. F.). Daneben kann das Recht zur ordentlichen Kündigung dadurch ausgeschlossen werden, dass die Gesellschaft nur für eine bestimmte Zeit eingegangen wird, weil bei befristeten Gesellschaften die §§ 723 BGB, 132 HGB nicht gelten.253 Dadurch darf aber keine unzumutbar lange Bindung des Gesellschafters herbeigeführt werden, weil dies auf eine unzulässige Umgehung der §§ 724 BGB, 134 HGB hinausliefe, die die §§ 723 Abs. 1 S. 1 BGB, 132 HGB auch dann für anwendbar erklären, wenn die Gesellschaft für die Lebenszeit des Gesellschaf249 Vgl. Hk-BGB/Saenger § 723 Rdnr. 1 (Umwandlung in „Abwicklungsgesellschaft“). 250 Vgl. zu diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der eine zeitlich unbegrenzte Bindung bei Dauerschuldverhältnissen ausschließt und in § 723 Abs. 3 BGB wie auch in anderen Kündigungsvorschriften des BGB, wie z. B. §§ 624, 671 Abs. 3 BGB, zum Ausdruck kommt, etwa BGHZ 50, 316, 322; 126, 226, 230 f.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 723 Rdnr. 27; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 723 Rdnr. 61. 251 Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 198. 252 Ebenso Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 198; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 7 IV. 1. a) (S. 668). 253 Zu diesem Problemfeld Erman/H. P. Westermann § 723 Rdnr. 22.
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ters eingegangen wird.254 Gemäß dem Rechtsgedanken der §§ 724 BGB, 134 HGB sind Befristungen der Gesellschaft über 30 Jahre hinaus demnach grundsätzlich unzulässig.255 bb) Das außerordentliche Kündigungsrecht Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes hat der Gesellschafter ein außerordentliches Kündigungs- bzw. Auflösungsklagerecht (§§ 723 Abs. 1 S. 2, 3 BGB, 133 HGB), welches gemäß §§ 723 Abs. 3 BGB, 133 Abs. 3 HGB unverzichtbar ist. Der kündigungswillige Gesellschafter darf bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht an der sofortigen Auflösung der Gesellschaft oder im Fall einer Fortsetzungsklausel, die auch hier zulässig ist, nicht am sofortigen Ausscheiden aus der Gesellschaft gehindert werden.256 Auch durch vermögensmäßige Nachteile darf der Gesellschafter nicht von einer außerordentlichen Kündigung abgehalten werden.257 Hinnehmbar sind allein gewisse Modifikationen des außerordentlichen Kündigungs- bzw. Auflösungsklagerechts,258 wie die bereits erwähnte Fortsetzungsklausel, die Vereinbarung bestimmter Verfahrensvoraussetzungen für die außerordentliche Kündigung, wie die Einhaltung einer bestimmten Form oder in sehr engen Grenzen der Ausschluss bestimmter Umstände (z. B. Unrentabilität des Unternehmens) als wichtige Kündigungsgründe259. e) Vermögensrechte Zu den Vermögensrechten zählen das Recht auf Gewinnbeteiligung und der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. Diese beiden Rechte sollen im Folgenden auf ihren Kernbereich hin untersucht werden. 254
MünchKomm z. BGB/Ulmer § 723 Rdnr. 65. So auch die heute h. A., vgl. etwa BGH, WM 1967, 315, 316; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 198 f.; Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 945 f.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 723 Rdnr. 29, § 724 Rdnr. 1; Erman/H. P. Westermann § 723 Rdnr. 22. Einschränkend aber MünchKomm z. BGB/Ulmer § 723 Rdnr. 66. 256 Darauf weist zutreffend MünchKomm z. BGB/Ulmer § 723 Rdnr. 74 hin. 257 Darauf wird im Zusammenhang mit dem Abfindungsanspruch noch zurückzukommen sein, siehe unten § 5 IV. 1. e) bb). 258 Zu den zulässigen Modifikationen des außerordentlichen Kündigungsrechts vgl. Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 199; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 723 Rdnr. 31. 259 Im Einzelnen sehr streitig. Wie hier stark einschränkend auch Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 723 Rdnr. 31; Erman/H. P. Westermann § 723 Rdnr. 24 beide m. w. N. Wohl großzügiger als hier jedoch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 199; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 723 Rdnr. 75. Richtig ist sicherlich, dass die Gesellschafter in engen Grenzen regeln dürfen, welche Störungen welchen Ausmaßes sie hinzunehmen bereit sind. 255
§ 5 Die Kernbereichslehre als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen
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aa) Das Recht auf Gewinnbeteiligung Das Recht auf Gewinnbeteiligung ist die vermögensrechtliche Teilhabe am Gesellschaftsertrag. Diese vermögensrechtliche Teilhabe am Gesellschaftsertrag ist nicht notwendiges Merkmal des Gesellschaftsverhältnisses. Voraussetzung eines Gesellschaftsverhältnisses ist zwar eine gemeinsame Zweckverfolgung (vgl. §§ 705 BGB, 105, 161 HGB). Für diese gemeinsame Zweckverfolgung ist aber nicht entscheidend, dass alle Gesellschafter auch am Gewinn beteiligt sind.260 Daher ist das Recht auf Gewinnbeteiligung in vollem Umfang abdingbar. Der oder die Minderheitsgesellschafter können von der Beteiligung am Gewinn durch Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen werden. Das Recht auf Gewinnbeteiligung gehört nicht zum zwingenden, wohl aber zum unentziehbaren Kernbereich, da die Gewinnbeteiligung – insbesondere bei wirtschaftlich ausgerichteten Gesellschaften – i. d. R. das Motiv für den Beitritt zur Gesellschaft bilden dürfte. bb) Der Abfindungsanspruch Dagegen darf der Anspruch auf Abfindung (§ 738 BGB) beim Ausscheiden aus der Gesellschaft bei wirtschaftlich ausgerichteten Gesellschaften nicht beliebig ausgeschlossen werden.261 Es sind die Schranken der §§ 138 Abs. 1, 723 Abs. 3 BGB zu beachten.262 Der Ausschluss jeglicher Abfindung erfüllt grundsätzlich den Tatbestand der Sittenwidrigkeit und ist damit nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).263 Darüber hinaus darf der Gesellschafter nicht faktisch daran gehindert werden, das ihm zustehende Kündigungsrecht (§ 723 BGB) auszuüben, weil das Kündigungsrecht gemäß § 723 Abs. 3 BGB unverzichtbar ist.264 Der Gesellschafter darf nicht durch wirtschaftliche Nachteile, wie einen Ausschluss oder eine übermäßige Beschränkung des Anspruchs auf das Abfindungsguthaben, an einer möglichen Kündigung gehindert und so gezwungen werden, in der Gesellschaft 260 Heute ganz h. A.:, vgl. etwa BGH, NJW 1987, 3124, 3125; Röttger, Kernbereichslehre, S. 162 f.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 146 f.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 149 ff.; a. A. aber noch RGZ 95, 147, 149; RG, JW 1930, 2655. 261 Vgl. Hk-BGB/Saenger § 738 Rdnr. 6; im Einzelnen MünchKomm z. BGB/Ulmer § 738 Rdnr. 39 ff. 262 Vgl. nur Koller in Koller/Roth/Morck § 131 Rdnr. 17 m. w. N. 263 H. M., siehe statt aller nur AnwK-BGB/Looschelders § 138 Rdnr. 204; Timm/ Schöne in Bamberger/Roth § 738 Rdnr. 31 beide m. w. N. Dagegen sind bloße Abfindungsbeschränkungen grundsätzlich nicht sittenwidrig, vgl. nur Palandt/H. Heinrichs § 138 Rdnr. 85 m. w. N. Zudem ist der Abfindungsausschluss bei Regelungen auf den Todesfall nicht sittenwidrig. 264 Dazu oben § 5 IV. 1. d).
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zu verbleiben.265 Abfindungsklauseln dürfen nicht zu einer unter 50 % des Anteilswertes liegenden Abfindung führen.266 Insbesondere ist daher die Vereinbarung der Abfindung zum Buchwert bei einem solchermaßen erheblichen Abweichen vom tatsächlichen Anteilswert als Umgehung von § 723 Abs. 3 BGB unwirksam.267 Die Buchwertklausel darf ferner nicht an das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund268 und auch nicht an das Hinauskündigungsrecht ohne wichtigen Grund gekoppelt werden269. Eine Koppelung der Buchwertklausel an das Hinauskündigungsrecht ohne wichtigen Grund könnte die anderen Gesellschafter zu rechtsmissbräuchlichen Kündigungen verleiten.270 In diesen Grenzen der §§ 138 Abs. 1, 723 Abs. 3 BGB gehört das Recht auf Abfindung bei wirtschaftlich ausgerichteten Gesellschaften somit zum unverzichtbaren Kernbereich. Bei ideellen Gesellschaften ist das Recht auf Abfindung dagegen grundsätzlich nur unentziehbar. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Abfindungsanspruchs ist bei ideellen Gesellschaften, wenn der betroffene Gesellschafter zustimmt, grundsätzlich zulässig ist.271 f) Ergebnis: Der unverzichtbare Kernbereich Zum unverzichtbaren Kernbereich gehören neben dem zwingend geschützten Bereich der Mitgliedschaft als solcher die folgenden elementaren Mitgliedschaftsrechte:
265 Vgl. Hk-BGB/Saenger § 723 Rdnr. 7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV. 2. c) cc) (S. 1486 f.), der indes anders als die h. M. die Nichtigkeit der Abfindungsklausel nicht mit einer unzulässigen Umgehung der §§ 723 Abs. 3 BGB, 133 Abs. 3 HGB, sondern mit der Sittenwidrigkeitsschranke (§ 138 Abs. 1 BGB) begründen will. Dem ist der BGH (BGHZ 126, 226, 230 ff.) teilweise gefolgt. Zumindest, wenn die Abfindungsklausel erst im Laufe der Zeit zu einer unzulässigen Abfindungsbeschränkung führe, könne dies nicht als eine faktische Beeinträchtigung des Kündigungsrechts analog § 723 Abs. 3 BGB gewertet werden. 266 Str., wie hier Ulmer, ZHR 161 (1997), 102, 124; vgl. auch OLG Hamm, DStR 2003, 1178 f. (Wert); a. A. etwa Hopt in Baumbach/Hopt § 131 Rdnr. 64: keine feste Grenze. Auf die komplizierte Berechnung des Anteilswertes kann hier nicht weiter eingegangen werden, vgl. dazu nur Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung, S. 31 ff. 267 BGHZ 116, 359; Hk-BGB/Saenger § 723 Rdnr. 7. 268 Siehe nur OLG Naumburg, NZG 2001, 658; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 139 (S. 69). 269 BGH, NJW 1979, 104; OLG Naumburg, NZG 2001, 658; Palandt/Sprau § 738 Rdnr. 7. Kritisch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV. 2. c) bb) (S. 1485 f.) m. w. N. 270 BGH, NJW 1979, 104. 271 H. M., vgl. nur BGHZ 135, 387, 390 f.; AnwK-BGB/Looschelders § 138 Rdnr. 205; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung, S. 255; Hk-BGB/Saenger § 738 Rdnr. 6.
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– das Stimmrecht, soweit Beschlüsse in Rede stehen, die direkt in die Rechtsoder Vermögensstellung des betroffenen Gesellschafters eingreifen, – das Zustimmungsrecht zu Eingriffen in den unentziehbaren Kernbereich, – das Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 BGB, – das Recht auf Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen einschließlich des Rede- und Antragsrechts, – die Informationsrechte gemäß §§ 716 Abs. 1 BGB, 118 Abs. 1 HGB in den Grenzen der §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB, – das ordentliche und außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten gemäß § 166 HGB, – der allgemeine Auskunftsanspruch für den Fall des Verdachts unredlicher Geschäftsführung, – die actio pro socio bei begründetem Verdacht unredlicher Geschäftsführung, – die Befugnis zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Beschlüssen, – das Recht auf Abfindung, – und schließlich das ordentliche und das außerordentliche Kündigungsrecht.
2. Bestimmung des unentziehbaren Kernbereichs Festgestellt werden kann hier bereits, dass die folgenden Mitgliedschaftsrechte, soweit sie nicht unverzichtbar sind, zum unentziehbaren Kernbereich gehören: – das Stimmrecht, – die Informationsrechte, – die actio pro socio, – das Recht auf Gewinnbeteiligung – und das Recht auf Abfindung, – nicht jedoch die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, die häufig auch zum unentziehbaren Kernbereich gerechnet wird. Daneben kommen als unentziehbare Kernbereichsrechte noch die folgenden in Betracht: a) Sonderrechte Sonderrechte sind solche mitgliedschaftlichen Vorrechte, die nach dem Gesellschaftsvertrag nicht ohne Zustimmung des Begünstigten entzogen werden
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können, also mehrheitsfest ausgestaltet sind.272 Gesellschaftsvertragliche Sonderrechte können bei der Personengesellschaft z. B. ein mitgliedschaftliches Mitarbeitsrecht,273 das Vorrecht auf die eigene Bestellung als Geschäftsführer und die hierfür festgesetzte Geschäftsführervergütung,274 das Recht auf Leitung der Gesellschafterversammlungen, ein erhöhtes Stimmrecht (sog. Mehrfachstimmrecht), Rechte auf Belieferung der Gesellschaft oder auf eine erhöhte Liquidationsquote sein.275 Grund für die Einräumung solcher Sonderrechte werden häufig besondere Leistungen oder Fähigkeiten des einzelnen Gesellschafters sein.276 Ein Eingriff in diese Vorzugsrechte erfordert analog § 35 BGB die Zustimmung des Begünstigten, da § 35 BGB einen auch auf Personengesellschaften, bei denen mehrheitliche Beschlussfassung vereinbart ist, verallgemeinerungsfähigen Grundsatz enthält.277 Sonderrechte sind in der Terminologie der Kernbereichslehre dementsprechend unentziehbare Mitgliedschaftsrechte. b) Das Recht, vor grenzenlosen Beitragserhöhungen verschont zu bleiben Beitragserhöhungen sind nicht nur Erhöhungen oder Verschärfungen von bereits bestehenden Leistungspflichten, sondern auch die Begründung neuer Pflichten, wie z. B. Nachschuss- oder Verlustausgleichspflichten.278 Die Beschlussfassung über Beitragserhöhungen kann durch Mehrheitsbeschluss erfolgen.279 Voraussetzung dafür ist nach ganz h. A. aber, dass der betroffene Gesell-
272 So das heutige Verständnis, vgl. Hk-BGB/Dörner § 35 Rdnr. 1; Palandt/H. Heinrichs § 35 Rdnr. 1. Anders aber früher. Früher wurde im Körperschaftsrecht versucht, mit Hilfe des Sonderrechtsbegriffs alle unantastbaren Mitgliedschaftsrechte zusammenzufassen, die nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden können, vgl. die früher vertretenen Sonderrechtstheorien. Man wollte das Problem des Individualschutzes mit Hilfe des Sonderrechtsbegriffs lösen. Diesem Ansatz hat Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 I. 1. a) (S. 359) m. w. N. auch zu den früher vertretenen Sonderrechtstheorien, zu Recht entgegengehalten, dass es schon sprachlich schwer fällt, unter dem Sonderrechtsbegriff allgemeine, aber unentziehbare Mitgliedschaftsrechte, wie etwa das Stimmrecht zusammenzufassen. 273 BGH, ZIP 2004, 2282, 2284. 274 Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S. 41. 275 Vgl. die Aufzählung von gesellschaftsvertraglichen Sonderrechten bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) aa) (S. 471 f.). 276 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 180; Schulte, Schrankenproblematik, S. 54 f. 277 Palandt/H. Heinrichs § 35 Rdnr. 4 m. w. N.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S. 41; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) aa) (S. 471); Spengler, in FS Möhring, S. 165, 179; Schulte, Schrankenproblematik, S. 54 ff. 278 Vgl. etwa Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 123, 130; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 707 Rdnr. 4.
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schafter der Beitragserhöhung zumindest antizipiert zugestimmt hat.280 Dazu müssen Beitragserhöhungen eindeutig in den Anwendungsbereich der Mehrheitsklausel einbezogen sein und die Mehrheitsklausel muss eine Obergrenze oder sonstige Kriterien enthalten, die das Erhöhungsrisiko des Gesellschafters begrenzen.281 Die Festlegung einer Obergrenze dient dazu, für den Minderheitsgesellschafter eine absolute Grenze seiner durch die Mitgliedschaft eintretenden Belastung zu bestimmen, die einer Änderung durch nachträgliche Mehrheitsentscheidung entzogen ist.282 Das Erfordernis dieser antizipierten Zustimmung ergibt sich aber nicht aus der Kernbereichslehre und erst recht nicht aus dem Bestimmtheitsgrundsatz283, sondern aus dem Belastungsverbot, das ein allgemeines Institut des gesamten Gesellschaftsrechts ist (vgl. §§ 707 BGB, 180 Abs. 1 AktG, 53 Abs. 3 GmbHG).284 Inhalt des Belastungsverbots ist, dass der Gesellschafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags soll überschauen können, welche Höhe seine Beitragspflicht erreicht.285 Er soll grundsätzlich nicht zu neuen Vermögensopfern gezwungen werden können. Folglich bedarf nach dem Belastungsverbot eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, die den Personengesellschaftern zusätzliche Pflichten auferlegt, der Zustimmung der Betroffenen (vgl. §§ 53 Abs. 3 GmbHG, 180 Abs. 1 AktG analog).286 Dieses Belastungsverbot zählt zum unentziehbaren Kernbereich. 279 Siehe nur Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S. 42 m. w. N.; Hk-BGB/Saenger § 707 Rdnr. 2. 280 BGH, ZIP 2005, 1455, 1456; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 707 Rdnr. 6. 281 H. A. , vgl. etwa RGZ 91, 166, 168; 151, 321, 327; 163, 385, 391; BGHZ 66, 82, 85; BGH, WM 1976, 1053, 1055; ZIP 2005, 1455, 1456: absolute Grenze, der durch die Mitgliedschaft eintretenden Belastung, die einer Änderung durch Mehrheitsentscheidung entzogen ist; OLG Stuttgart, NZG 2000, 835, 836; MDR 2000, 778; Barfuß, DB 1977, 571, 572; Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 53; von Falkenhausen/H. C. Schneider, Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 61 Rdnr. 109; Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 146, 198; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 61; Röttger, Kernbereichslehre, S. 147, 173; Hk-BGB/Saenger § 707 Rdnr. 2; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 225 ff.; U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 376; Palandt/Sprau § 707 Rdnr. 2; Stengel, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 410; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 125 f.; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 707 Rdnr. 9; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 707 Rdnr. 6; Wiedemann, ZGR 1977, 690, 692. A. A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 173 f.: Eine Begrenzung des Erhöhungsrisikos ist nicht zu verlangen. 282 BGH, ZIP 2005, 1455, 1456. 283 Vgl. oben § 4 IV. 1. zur Ablehnung der Theorie der antizipierten Zustimmung. Anders aber wohl die Rechtsprechung des RG zu mehrheitlichen Kapitalerhöhungsbeschlüssen, vgl. die Nachweise oben § 1 Fn. 5, 6. 284 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) cc) (S. 473); Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 707 Rdnr. 1; Erman/H. P. Westermann § 707 Rdnr. 1. 285 So Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 54. 286 Vgl. M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 136; a. A. noch BGHZ 20, 363, 369, vgl. dazu oben § 5 I.
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c) Bereits entstandene Ansprüche Mit Recht gehen der BGH und auch Saenger davon aus, dass bereits entstandene Ansprüche zum unentziehbaren Kernbereich der Mitgliedschaft zu zählen sind.287 Wenn man einem Gesellschafter nicht ohne seine Zustimmung neue Pflichten auferlegen kann, kann man ihm auch nicht bereits entstandene Ansprüche gegen die Gesellschaft einfach entziehen. Denn beides bedeutet einen direkten Eingriff in die Vermögensstellung des Gesellschafters als solche. d) Das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten Zum unentziehbaren Kernbereich der Mitgliedschaft gehört auch das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, das verfassungsrechtlich garantiert ist (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Die Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsklausel jedenfalls für bereits entstandene Streitigkeiten muss auf dem freien Willen des Betroffenen beruhen.288 Es ist daher die Zustimmung des Betroffenen erforderlich.289 Wenn dieser Satz nach richtiger Ansicht schon bei den Körperschaften gilt, so muss er erst recht auch bei den Personengesellschaften gelten.290 Dementsprechend ist die nachträgliche Einführung einer Schiedsgerichtsklausel durch Mehrheitsbeschluss wegen des damit verbundenen Eingriffs in den unentziehbaren Kernbereich nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zulässig. e) Auflösung der Gesellschaft Die Auflösung der Gesellschaft kann die Mehrheit ohne Zustimmung der Minderheitsgesellschafter beschließen. Die Entbehrlichkeit der Zustimmung lässt sich insoweit schon als argumentum a maiore ad minus aus §§ 723 BGB, 132 HGB herleiten:291 Wenn bereits die Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter zur Auflösung der Gesellschaft führt, reicht für die Auflösung der Gesellschaft erst recht ein Mehrheitsbeschluss. Mit dieser Argumenta287
Jeweils a. a. O. § 5 Fn. 82. BGHZ 144, 146, 148; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1861. 289 Sehr streitig, wie hier K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1861; für das Vereinsrecht auch BGHZ 144, 146, 149 f. allerdings nur für einen Monopolverein, bei dem ein Austritt unzumutbar ist; vgl. allgemein für das Körperschaftsrecht Musielak/Voit, ZPO, § 1066 Rdnr. 8: Nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel durch Mehrheitsbeschluss nur für künftige Streitigkeiten zulässig; weitergehend wollen indes Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Hk-ZPO/Saenger § 1066 Rdnr. 7 m. w. N. Mehrheitsbeschlüsse zulassen. Einstimmigkeit fordert dagegen Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rdnr. 7 m. w. N. 290 So der zutreffende Schluss von K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1863. 291 Zutreffend Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 197; Löffler, NJW 1989, 2656, 2659 f. 288
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tion scheidet die Auflösung der Gesellschaft auch als stimmrechtsfester Beschlussgegenstand aus. f) Änderungen des Gesellschaftszwecks Änderungen des Gesellschaftszwecks sind von bloßen Änderungen des Unternehmensgegenstands abzugrenzen.292 Eine Änderung des Unternehmensgegenstands liegt z. B. bei einem Branchenwechsel vor.293 Sie lässt den Gesellschaftszweck unberührt. Änderungen des Gesellschaftszwecks sind weiter reichende Änderungen, wie z. B. die Aufgabe der Gewinnerzielungsabsicht, die Einbeziehung der Personengesellschaft in einen Konzern sowie die Ausrichtung der Gesellschaft statt auf den Betrieb eines Handelsgewerbes auf die Vermögensverwaltung.294 Im letzteren Fall wird die Personenhandelsgesellschaft, wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen ist, automatisch zur GbR, weil sie gemäß § 105 Abs. 2 HGB n. F. kein Handelsgewerbe mehr betreibt. Diese Beispiele unterstreichen den fundamentalen Charakter von Änderungen des Gesellschaftszwecks. Es ist sachgerecht für so weit reichende Entscheidungen entsprechend § 33 Abs. 1 S. 2 BGB die Zustimmung aller Gesellschafter zu verlangen.295 Dafür spricht zudem, dass § 33 Abs. 1 S. 2 BGB ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip enthält, das auch für die Personengesellschaften Gültigkeit besitzt.296 Änderungen des Gesellschaftszwecks gehören demzufolge zum unentziehbaren Kernbereich. g) Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz Die Mitgliedschaftsrechte und Mitgliedschaftspflichten können im Gesellschaftsvertrag (ggf. auch nachträglich durch Abänderungsvertrag) ungleich ausgestaltet werden, da insoweit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz zukommt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz steht der Gewährung unterschiedlicher Rechte im Gesellschaftsvertrag nicht entgegen, wenn sie sachlich berechtigt ist und nicht den Charakter der Willkür trägt.297 So können Ungleichbehandlungen (etwa ein vertragliches Mehrstimm292
Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II. 3. (S. 64 ff.). Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II. 3. c) (S. 66). 294 Vgl. Löffler, NJW 1989, 2656, 2659. 295 So auch M. Winter, GesRZ 1986, 74, 84. 296 Vgl. Soergel/Hadding § 33 Rdnr. 5; Löffler, NJW 1989, 2656, 2659 (streitig). Gegen die analoge Anwendung von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB auf andere Gesellschaften als den Verein etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 3 I. 3. (S. 156), der meint, es handele sich bei § 33 Abs. 1 S. 2 BGB um eine Spezialvorschrift. 297 So auch BGHZ 116, 359, 373; MünchKomm z. HGB/Enzinger § 109 Rdnr. 20; weitergehend aber Schulte, Schrankenproblematik, S. 87 f.: Bei Abschluss des Gesell293
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
recht) daran anknüpfen, dass die Gesellschafter unterschiedliche Beiträge leisten oder die Anteile unterschiedlich hoch sind.298 Auch durch Mehrheitsbeschluss kann vom Gleichbehandlungsgrundsatz abgewichen werden, wenn die Schlechterstellung sachlich gerechtfertigt ist oder der betroffene Gesellschafter zustimmt. Wenn der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss ohne sachlichen Grund schlechter als die anderen gestellt wird, lässt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein besonderes Zustimmungserfordernis ableiten.299 Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gehören folglich zum unentziehbaren Kernbereich der Mitgliedschaft. h) Ergebnis: Der unentziehbare Kernbereich Neben den bereits oben genannten Mitgliedschaftsrechten gehören im Ergebnis noch die folgenden Mitgliedschaftsrechte bzw. Beschlussgegenstände zum unentziehbaren Kernbereich: – die Sonderrechte i. S. von § 35 BGB, – bereits entstandene Ansprüche, – das Belastungsverbot, – das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, – Änderungen des Gesellschaftszwecks – und Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz. 3. Bestimmung des stimmrechtsfesten Kernbereichs Als stimmrechtsfeste Beschlussgegenstände kommen die strukturelle Neuausrichtung der Gesellschaft sowie Umwandlungsentscheidungen in Betracht, nicht jedoch die Auflösung der Gesellschaft, die mit der obigen Begründung als stimmrechtsfester Beschlussgegenstand ausscheidet.300 a) Die strukturelle Neuausrichtung der Gesellschaft Bei der strukturellen Neuausrichtung der Gesellschaft ist zwischen Änderungen des Gesellschaftszwecks und Änderungen des Unternehmensgegenstands zu schaftsvertrags brauche der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht beachtet zu werden; Erman/H. P. Westermann § 705 Rdnr. 40: auf sachlich nachprüfbare Gründe komme es nicht an. 298 Vgl. Mayen in Ebenroth/Boujong/Joost § 109 Rdnr. 27; Stengel, in Hdb. Personengesellschaften, § 3 Rdnr. 456. 299 So im Ergebnis auch die Nachweise oben § 1 Fn. 17. 300 Siehe oben § 5 IV. 2. e).
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unterscheiden. Erstere sind zum unentziehbaren Kernbereich zu rechnen,301 während die Änderung des Unternehmensgegenstands bloß „stimmrechtsfest“ ist: Der Unternehmensgegenstand legt den Wirtschaftsbereich (= die Branche) fest, in dem die Gesellschaft am Markt auftritt (z. B. Fabrikation und Vertrieb von Textilien).302 Die Bestimmung des Unternehmensgegenstands hat insbesondere im Innenverhältnis für die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis grundlegende Bedeutung. Geschäftsführungsmaßnahmen sind nur im Rahmen des vereinbarten Tätigkeitsrahmens zulässig.303 Demgemäß ist die Änderung des Unternehmensgegenstands nur zulässig, wenn der einzelne Gesellschafter zwingend mit abstimmen konnte. b) Umwandlungsentscheidungen Umwandlungsentscheidungen, zu denen Verschmelzungen (§§ 39 ff. UmwG), Spaltungen (§§ 123 ff. UmwG) und Formwechsel (§§ 214 ff. UmwG) zu zählen sind, wirken sich mittelbar maßgeblich auf die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters aus. So sind mit der Verschmelzung (§§ 39 ff. UmwG) die Aufgabe der Beteiligung am übertragenden und der Erwerb einer neuen Beteiligung am übernehmenden oder neuen Rechtsträger verbunden (vgl. § 40 Abs. 1 UmwG). Daher gehören Umwandlungsentscheidungen zum stimmrechtsfesten Kernbereich. c) Ergebnis: Der stimmrechtsfeste Kernbereich Zum stimmrechtsfesten Kernbereich gehören: – Änderungen des Unternehmensgegenstands – und Umwandlungsentscheidungen.
V. Geltung der Kernbereichslehre auch bei Publikumspersonengesellschaften? Bereits mehrfach wurde betont, dass die Publikumspersonengesellschaft vom gesetzlichen Leitbild der Arbeits- und Haftungsgemeinschaft entscheidend abweicht.304 Bei Publikumspersonengesellschaften besteht in aller Regel keine 301
Siehe oben § 5 IV. 2. f). Zum Begriff des Unternehmensgegenstands siehe nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II. 3. b) (S. 65 f.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 6 III. 1. (S. 328 f.). 303 Vgl. zum Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis oben § 3 III. 1. 304 Vgl. vor allem oben § 4 VII. 1. c). 302
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persönliche Beziehung zwischen den Gesellschaftern. Es steht die bloße Kapitalansammlung aufgrund eines vorformulierten Gesellschaftsvertrags im Vordergrund. In aller Regel besteht die Publikumspersonengesellschaft aus einer Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter Kommanditisten, die auch lediglich Vermögensinteressen verfolgen (sog. Publikums-KG oder GmbH & Co. KG). Für Publikumspersonengesellschaften gilt deshalb ein Sonderrecht.305 Fraglich ist, ob die Kernbereichslehre sich mit diesem Sonderrecht verträgt. 1. Darstellung des Meinungsstands a) Der Kernbereich ist bei Publikumspersonengesellschaften enger zu ziehen Nach h. A. ist die Kernbereichslehre auch bei Publikumspersonengesellschaften anzuwenden.306 Zum System der Mitgliedschaftsrechte sei auch das Prinzip des Individualschutzes zu rechnen.307 Die Kernbereichslehre als Ausschnitt des Individualschutzes sei deshalb im Prinzip auch auf alle kapitalistisch strukturierten Gesellschaften und damit auch auf Publikumsgesellschaften anwendbar.308 Den Besonderheiten der Publikumspersonengesellschaften werde ausreichend Rechnung getragen, wenn man den Kernbereich der Mitgliedschaft bei der Publikumspersonengesellschaft enger ziehe als bei der gesetzestypischen Arbeitsund Haftungsgemeinschaft.309 So müsse der Kommanditist bei Publikumspersonengesellschaften nachteilige Veränderungen der Stimmverhältnisse oder der Gewinnverteilung durch den Beitritt neuer Anleger hinnehmen, da die Publikumspersonengesellschaft ja gerade auf die Aufnahme neuer Gesellschafter ausgerichtet sei.310 Auch mit dem Ausschluss insolventer Gesellschafter werde bei einer sanierungsbedürftigen Publikums-GbR nicht unzulässig in den Kernbereich der Mitgliedschaft der Gesellschafter eingegriffen, deren Haftungsanteil sich durch Anwachsung (§ 738 Abs. 1 S. 1 BGB) erhöht.311 305
Siehe oben § 4 VII. 1. Siehe etwa BGH, NJW 1985, 972, 973; 974, 975; OLG Köln, NZG 1999, 769, 772; KG, Urt. v. 21. 01. 2005 – 14 U 180/03, Volltext bei juris; Dietrich, PublikumsKG, S. 73 ff.; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 161 Rdnr. 118; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost § 177a Anh. B Rdnr. 37; Kort, DStR 1993, 438, 439; Löffler, NJW 1989, 2656, 2662; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) bb) (S. 479); Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 52 f. 307 Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 52. 308 In diesem Sinne Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 52. 309 Kort, DStR 1993, 438, 439; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 53. 310 Löffler, NJW 1989, 2656, 2662. 311 OLG Köln, NJW-RR 1994, 491, 492 mit kritischer Anm. Gummert, WiB 1994, 436 f. 306
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Ferner sind nach h. A. bei Publikumspersonengesellschaften Beitragserhöhungen durch Mehrheitsbeschluss auch ohne Angabe einer Obergrenze für Beitragserhöhungen in der Mehrheitsklausel zulässig, soweit dadurch lediglich das Recht und nicht die Pflicht des Gesellschafters zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung begründet wird.312 Dies folge daraus, dass für die Anleger bei einer Publikumspersonengesellschaft allein die Kapitalanlage im Vordergrund stehe und es sich allein um ein Nachschussrecht handele.313 Schließlich seien auch Änderungen des Gesellschaftszwecks durch Mehrheitsentscheidung ohne weiteres zulässig.314 Ähnliche Grundsätze sollen nach h. A. auch für körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften gelten, die wie Familiengesellschaften nicht auf den Beitritt einer unbestimmten Vielzahl von Anlegern ausgerichtet seien.315 Auch bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften stehe für die Kommanditisten keine unternehmerische Existenz auf dem Spiel.316 b) Schutz des Kernbereichs der Mitgliedschaft bei der Publikumspersonengesellschaft regelmäßig nicht veranlasst Dagegen sprechen sich andere Autoren gegen die Anwendung der Kernbereichslehre auf Publikumspersonengesellschaften aus.317 Der Minderheitsgesellschafter bei einer Publikumspersonengesellschaft sei vor Vertragsänderungen, die in den Kernbereich seiner Mitgliedschaft eingreifen, durch andere Institute zu schützen.318 Am besten gewähre man dem überstimmten Gesellschafter bei einem mehrheitlichen Eingriff in den Kernbereich seiner Mitgliedschaft ein außerordentliches Austrittsrecht.319 Daneben seien Mehrheitsentscheidungen bei Publikumspersonengesellschaften im Hinblick auf das Belastungsverbot (§ 707 BGB), mehrheitsfeste Sonderrechte und bewegliche Schranken zu kontrollieren.320 312 Siehe nur BGHZ 66, 82, 85 f.; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 13 Rdnr. 76; Gummert, in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 65 Rdnr. 18; weitergehend auch für Nachschusspflichten aber KG, Urt. v. 21. 01. 2005 – 14 U 180/03, Volltext bei juris, weil womöglich ein Sonderkündigungsrecht des überstimmten Gesellschafters bestehe und Nachschussregelungen eine sinnvolle Fortführung der Gesellschaft gewährleisten können. 313 BGHZ 66, 82, 85 f. 314 Löffler, NJW 1989, 2656, 2662. 315 Löffler, NJW 1989, 2656, 2662. 316 Löffler, NJW 1989, 2656, 2662. 317 Koller in Koller/Roth/Morck § 109 Rdnr. 5, § 161 Rdnr. 12; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 94, Staub/ders. § 119 Rdnr. 49. 318 Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 49 (Ausübungskontrolle). 319 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 94; Staub/ders. § 119 Rdnr. 49 a. E. 320 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 94.
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2. Eigene Stellungnahme Im Gegensatz zum Bestimmtheitsgrundsatz ist die Kernbereichslehre auch bei Publikumspersonengesellschaften anzuwenden. Zum Schutz des Anlagekommanditisten muss man zu Eingriffen in den unentziehbaren Kernbereich seiner Rechte gewisse Kautelen verlangen.321 Die entwickelten Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung gelten auch für Publikumspersonengesellschaften.322 Abgesehen von diesem Grundsatz, der die Bestimmtheit der Ermächtigung betrifft, ist die Kernbereichslehre bei Publikumspersonengesellschaften aber ersatzlos entbehrlich.323 Die Rechtsprechung hat für Publikumspersonengesellschaften richterrechtliche Grundsätze für eine Inhaltskontrolle (§ 242 BGB) entwickelt.324 Diese Inhaltskontrolle schützt zugleich vor Eingriffen in den unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft. Die Abbedingung unverzichtbarer Rechte des Anlagekommanditisten verstößt gegen diese richterrechtliche Schranke für die Vertragsgestaltung. Zu den unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten des Anlagekommanditisten gehören das Stimmrecht, soweit es um Eingriffe in den Kernbereich der Rechtsstellung geht, das Zustimmungsrecht zu Eingriffen in den unentziehbaren Kernbereich, das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen, das ordentliche und außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten, der allgemeine Auskunftsanspruch für den Fall des Verdachts unredlicher Geschäftsführung, die actio pro socio bei begründetem Verdacht unredlicher Geschäftsführung, die Befugnis zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Beschlüssen, das Recht auf Abfindung und schließlich das außerordentliche Kündigungsrecht.325 Von der Inhaltskontrolle nicht erfasste Fälle, in denen zum Schutz des Anlagekommanditisten vor Eingriffen in den unverzichtbaren Kernbereich seiner Rechte auf die Kernbereichslehre zurückgegriffen werden muss, gibt es nicht. Im Ergebnis sind daher auch bei Publikumspersonengesellschaften, soweit es um Eingriffe in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte geht, strenge Anforderungen an die Bestimmtheit der Mehrheitsklausel zu stellen. Es ist eine antizipierte Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich. Der besondere Schutz
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Ähnlich von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 161 Rdnr. 117. Vgl. BGH, ZIP 2005, 1455, 1456 für die Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung zu einer mehrheitlichen Beitragserhöhung. 323 So wohl auch Reinhardt, Anlegerschutz, S. 85. 324 BGHZ 104, 50, 53 f. m. w. N.; vgl. aber auch BGHZ 69, 160; 71, 53; 85, 351 usw. 325 Zum unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft vgl. oben § 5 IV. 1. f). Ein unverzichtbares Notgeschäftsführungsrecht ist dem Kommanditisten nicht zuzugestehen, da er kraft Gesetzes von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist (§ 164 HGB). 322
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eines unverzichtbaren Kernbereichs der Mitgliedschaft erscheint bei Publikumspersonengesellschaften jedoch regelmäßig nicht veranlasst.
VI. Ergebnisse der Untersuchung der Kernbereichslehre Geprägt war die Untersuchung der Kernbereichslehre davon, dass der Terminus „Kernbereich“ der Mitgliedschaft nicht eindeutig ist. Von einem Kernbereich der Mitgliedschaft kann in durchaus unterschiedlichem Sinne gesprochen werden. Es sollte daher nicht bloß vom „Kernbereich der Mitgliedschaft“, sondern besser von einem stimmrechtsfesten, einem unentziehbaren (= mehrheitsfesten) und einem unverzichtbaren Kernbereich gesprochen werden. Die einzelnen Kernbereiche haben eine unterschiedliche Schrankenfunktion. Im § 5 III. 1. wurde gezeigt, dass der unverzichtbare Kernbereich nicht nur eine Schranke für Mehrheitsbeschlüsse, sondern auch für vertragliche Abreden ist. Er fasst den zwingenden Mindestbestand an elementaren Mitgliedschaftsrechten zusammen. In diesem Sinne zwingend sind neben dem besonders geschützten Bereich der Mitgliedschaft als solcher: das Stimmrecht, soweit Beschlüsse in Rede stehen, die direkt in die Rechts- oder Vermögensstellung des betroffenen Gesellschafters eingreifen, das Zustimmungsrecht zu Eingriffen in den unentziehbaren Kernbereich, das Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 BGB, das Recht auf Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen einschließlich des Rede- und Antragsrechts, die Informationsrechte des persönlich haftenden Gesellschafters in den Grenzen der §§ 716 Abs. 2 BGB, 118 Abs. 2 HGB, das ordentliche und außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten gemäß § 166 HGB, der allgemeine Auskunftsanspruch für den Fall des Verdachts unredlicher Geschäftsführung, die actio pro socio bei begründetem Verdacht unredlicher Geschäftsführung, die Befugnis zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Beschlüssen, das Recht auf Abfindung sowie das ordentliche und das außerordentliche Kündigungsrecht. Für Eingriffe in diese unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechte kann keine wirksame Mehrheitskompetenz vereinbart werden. Die Kernbereichslehre ist insoweit ein Korrektiv auf Klauselebene. Der Geltungsbereich der Mehrheitsklausel endet am unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters. Es kann für Beschlussgegenstände, die den unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft betreffen, keine wirksame Mehrheitskompetenz begründet werden. Im § 5 III. 1. wurde auch dargelegt, dass insoweit das Verhältnis zur Sittenwidrigkeitsschranke (§ 138 BGB) problematisch ist. Wenn für unverzichtbare
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Mitgliedschaftsrechte das Mehrheitsprinzip vorgesehen wird, dürfte die Klausel insoweit regelmäßig auch sittenwidrig sein. Ferner wurde im § 5 III. 2. deutlich, dass die Mehrheitsgesellschafter zu unmittelbaren Eingriffen in den mehrheitsfesten Kernbereich der Zustimmung der betroffenen Minderheitsgesellschafter bedürfen. Dieses Zustimmungsrecht der Minderheit ist unverzichtbarer Bestandteil der Mitgliedschaft. Es ist eine notwendige Ergänzung zum Mehrheitsprinzip, da nicht hingenommen werden kann, dass auch der Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte der Mehrheitsdisposition unterliegt. Die Kernbereichslehre setzt, richtig verstanden, soweit dieser unentziehbare Kernbereich betroffen ist, auf Beschlussebene an. Nach der Kernbereichslehre ist ein Mehrheitsbeschluss, der in den mehrheitsfesten Kernbereich eingreift, nur wirksam wenn der betroffene Gesellschafter zugestimmt hat. Dieses Zustimmungserfordernis ist eine zusätzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die in den Kernbereich eingreifen. Indes wurde im § 5 III. 2. aber auch gezeigt, dass die Zustimmung der Minderheit schon vorab im Gesellschaftsvertrag erteilt werden kann (antizipierte Zustimmung). Dazu muss die Mehrheitsklausel jedoch strengen Bestimmtheitsanforderungen genügen, die über die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes hinausgehen, der nur eine unzweideutige Mehrheitskompetenz verlangt. Die Mehrheitsklausel muss Art und Umfang des zulässigen Eingriffs gegenständlich begrenzen. Im § 5 IV. 1. und 2. wurde nachgewiesen, dass zu diesem unentziehbaren Kernbereich die folgenden elementaren Mitgliedschaftsrechte gehören, soweit sie nicht unverzichtbar sind: das Stimmrecht, die Informationsrechte, die actio pro socio, das Recht auf Gewinnbeteiligung und das Recht auf Abfindung. Nicht zum unentziehbaren Kernbereich gehört die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, die häufig auch zum unentziehbaren Kernbereich gerechnet wird. Daneben sind die Sonderrechte i. S. von § 35 BGB, bereits entstandene Ansprüche, das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, das Belastungsverbot, Änderungen des Gesellschaftszwecks und Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz unentziehbar. Im § 5 III. 3. wurde gezeigt, dass der stimmrechtsfeste Kernbereich die Grenze für Stimmrechtsausschlussklauseln umschreibt, aber als Schranke der Mehrheitsmacht praktisch kaum eine Bedeutung hat, weil unter dem Mehrheitsprinzip das bloße Stimmrecht wenig nützt. Es schützt den Minderheitsgesellschafter nicht davor, überstimmt zu werden, so dass mit der Anerkennung eines stimmrechtsfesten Kernbereichs nur ein formeller Schutz verbunden ist. Zu diesem stimmrechtsfesten Kernbereich sind Strukturentscheidungen wie die Umwandlung und die strukturelle Neuausrichtung der Gesellschaft zu rechnen (§ 5 IV. 3.).
§ 6 Das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre
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§ 6 Das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre Bereits im Rahmen der Untersuchungen von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre wurde immer wieder auch zum Verhältnis der beiden Schutzregelungen zueinander Stellung genommen.1 An dieser Stelle soll daher auf den bereits erarbeiteten Gesamtkonzepten zum Bestimmtheitsgrundsatz und zur Kernbereichslehre aufgebaut werden.2 Eingegangen werden soll auf die Entscheidungen des BGH vom 10. 10. 19943 und vom 29. 03. 19964, in denen der BGH eine Abgrenzung von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre versucht hat.5 Diese beiden Entscheidungen waren schon in die Einzeluntersuchungen von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre einzuarbeiten. Nunmehr sollen sie für das Verhältnis der beiden Schutzregelungen fruchtbar gemacht werden (dazu I. und II.). Anschließend wird das eigene Konzept vom Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre als Ergebnis der Untersuchungen von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre dargestellt.
I. Das Urteil des BGH vom 10. 10. 1994 – NJW 1995, 194 Die für das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre wohl bedeutendste Entscheidung ist das Urteil des BGH vom 10. 10. 19946, eine Entscheidung, die in der Literatur auf ein sehr großes Echo gestoßen ist.7 1. Darstellung des Sachverhalts der Entscheidung In diesem Fall begehrte der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Mehrheitsbeschlusses, mit dem ihm das gesellschaftsvertraglich erweiterte Informationsrecht mit der Begründung, er betreibe Konkurrenz und könne die 1 Vgl. vor allem oben § 4 IV. 1.; § 5 III. 2. c) zur Geltung der Theorie der antizipierten Zustimmung und oben § 4 VI. 1. b) zum Vorschlag, den Bestimmtheitsgrundsatz auf den Kernbereich der Mitgliedschaft zu beschränken. 2 Vgl. jeweils die Zusammenfassungen. 3 BGH, NJW 1995, 194. 4 BGHZ 132, 263. 5 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. (S. 302 f.). 6 BGH, NJW 1995, 194. 7 Siehe etwa die Anmerkungen von Flume, ZIP 1995, 651; Goette, DStR 1995, 226; Hermanns, ZGR 1996, 103 ff.; Ott, WuB II G. § 119 HGB 1.95, 755 ff.; Priester, EWiR § 119 HGB 1/95, 73 f.; Roth, LM Nr. 32 zu § 119 HGB S. 4 ff.; K. Schmidt, JZ 1995, 313 f.; demselben, JuS 1995, 267. Vgl. ferner aber auch die Entscheidungsrezension von Dürrschmidt, JuS 1997, 15 ff. und die Stellungnahme zu dieser Entscheidung von Kraffel/König, DStR 1996, 1130 ff.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Informationen missbrauchen, entzogen wurde. Der Kläger hielt einen Anteil von 10 % an der Gesellschaft, während die beklagten Gesellschafter zusammen eine Anteilsmehrheit von 90 % hatten. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Bestimmung, wonach jeder Gesellschafter jederzeit berechtigt war, über die Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft zu verlangen und die Geschäftsbücher und Papiere der Gesellschaft zu überprüfen. Für Änderungen des Gesellschaftsvertrags war eine qualifizierte 3/4 Mehrheit vorgesehen. Gestützt auf diese Bestimmung beschlossen die beklagten Mehrheitsgesellschafter mit ihrer 90 %igen Anteilsmehrheit gegen die Stimmen des Klägers, diesen von den Informations- und Kontrollrechten auszuschließen und den Gesellschaftsvertrag dahingehend abzuändern, dass Informations- und Kontrollrechte nur Gesellschaftern zustehen, die mindestens 25 % des Gesellschaftskapitals halten. Der Kläger begehrte die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses.
2. Die maßgeblichen Erwägungen des BGH, soweit sie den Bestimmtheitsgrundsatz und die Kernbereichslehre betreffen Der BGH ging in seinen Urteilsgründen nicht auf den Bestimmtheitsgrundsatz ein. Er ließ ausdrücklich offen, ob am Bestimmtheitsgrundsatz in seiner bisherigen Form festzuhalten ist oder ob er vielleicht weiter einzuschränken oder gar aufzugeben ist, und prüfte den streitigen Mehrheitsbeschluss „nur“ anhand der Kernbereichslehre. Der zu entscheidende Fall erfordere kein Eingehen auf die Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz: Auch außerhalb des Bestimmtheitsgrundsatzes seien vertragsändernde Mehrheitsentscheidungen, die in die Rechtsstellung des Gesellschafters eingreifen, nicht unbegrenzt zulässig. Auch wenn der Gesellschaftsvertrag in Abkehr von dem das Recht der Personengesellschaften beherrschenden Einstimmigkeitsgrundsatz die Möglichkeit der Vertragsänderung durch Mehrheitsbeschluss generell vorsehe, müsse dem einzelnen Gesellschafter ein Kernbereich von Rechten verbleiben, der nicht zur Disposition der Mehrheit stehe. Dieser Kernbereich der danach auch außerhalb und folglich auch bei Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht ohne weiteres durch Mehrheitsbeschluss entziehbaren Rechte lasse sich nicht abstrakt und ohne Berücksichtigung der konkreten Struktur der jeweiligen Personengesellschaft und der besonderen Stellung des betroffenen Gesellschafters bestimmen. Neben den wenigen, überhaupt unverzichtbaren und schon deshalb unentziehbaren Rechten müssten zum Kernbereich der Mitgliedschaft eines Gesellschafters grundsätzlich auch die individuellen, dem Gesellschafter nach Gesetz bzw. Gesellschaftsvertrag zustehenden wesentlichen Gesellschafterrechte, die seine Stellung in der Gesellschaft maßgeblich prägen, gezählt werden. Eingriffe durch Mehrheitsbeschluss in die indi-
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viduelle Rechtsstellung des Gesellschafters, d. h. seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft, bedürften damit auch außerhalb der Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes besonderer Rechtfertigung. Auch wenn im Schrifttum in diesem Zusammenhang zumeist als Beispiele nur das Stimm-, das Gewinn-, das Geschäftsführungs- sowie das Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös etc. genannt würden, müsse dazu angesichts der Bedeutung dieses Rechts für den Schutz der Minderheit auch das Informationsrecht des Gesellschafters gerechnet werden. Danach könne es keinem ernstlichen Zweifel unterliegen, dass die im zu entscheidenden Fall von der Gesellschaftermehrheit beschlossene Verkürzung dieses Rechts auch bei Unanwendbarkeit des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht von der Mehrheitsklausel des Gesellschaftsvertrags gedeckt wäre, die lediglich pauschal die qualifizierte Mehrheit zur Beschlussfassung ermächtigte. Dafür spreche vor allem auch, dass die von der Mehrheit beschlossene Einschränkung dieses Rechts nicht für alle Gesellschafter gleichermaßen gelten solle, sondern bewusst und gewollt einen Eingriff in die bisherige Rechtsstellung allein des Klägers zum Ziel habe. Die Mehrheitsgesellschafter sollten ja gerade ihre erweiterten Informationsrechte behalten. Daher war der Mehrheitsbeschluss nach Ansicht des Senats auch gleichheitswidrig. Aufgrund dieser sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung sei es ohne Bedeutung, dass dem Kläger, nach der streitigen Auslegung der Beklagten, auch künftig die gesetzlichen Informationsrechte aus § 166 HGB verbleiben sollen. Entscheidend für die Beurteilung des Eingriffs unter dem bisher erörterten Gesichtspunkt sei allein die Tatsache, dass der angegriffene Mehrheitsbeschluss in der beschriebenen Weise unmittelbar darauf ziele, die dem Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag zustehende Rechtsposition in einschneidender Weise zu verkürzen. Bei dieser Sachlage wäre es erforderlich gewesen, dass der Kläger die Beschneidung seines Informationsrechts aus Treuepflichtgesichtspunkten hinzunehmen gehabt hätte. Die von der Gesellschaftermehrheit beschlossene Einschränkung oder sogar Beseitigung der Informationsrechte des Klägers könnte deshalb auch bei Nichtanwendbarkeit des Bestimmtheitsgrundsatzes nur Bestand haben, wenn sie im Gesellschaftsinteresse geboten und dem Kläger unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar gewesen wäre. Tatrichterlich habe das Berufungsgericht aber zutreffend festgestellt, dass gerade keine Zustimmungspflicht des Klägers aus Treuepflichtgesichtspunkten bestand. Aus diesen Gründen war nach Ansicht des Senats die Rechtswidrigkeit des Mehrheitsbeschlusses festzustellen, ohne dass es auf den Bestimmtheitsgrundsatz ankam.
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3. Wertung der Bedeutung des Urteils des BGH vom 10. 10. 1994 – NJW 1995, 194 für das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre Der BGH betont in der Entscheidung gleich mehrfach, dass auch bei Unanwendbarkeit des Bestimmtheitsgrundsatzes Mehrheitsbeschlüsse bei Personengesellschaften nicht grenzenlos zulässig sind. Auch soweit es auf den Bestimmtheitsgrundsatz gar nicht ankomme, wie dies z. B. bei Publikumspersonengesellschaften der Fall sei, sei ein Kernbereich von Gesellschafterrechten generell der Disposition der Mehrheit entzogen. Diese Aussage des BGH ist auch auf den Fall zu verallgemeinern, dass der Gesellschaftsvertrag den Bestimmtheitsgrundsatz einhält.8 Auch wenn der Gesellschaftsvertrag in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Form allgemein für Vertragsänderungen Mehrheitsentscheidungen vorsieht, ist der unverzichtbare Kernbereich von Gesellschafterrechten generell der Disposition der Mehrheit entzogen. Hierin liegt eine Kernaussage des BGH zum Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, die auch als solche in der Literatur erkannt wurde9: Der BGH schränkt den Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes mit dieser Aussage stark ein.10 Der Bestimmtheitsgrundsatz soll nicht dem materiellen Schutz der Minderheit, sondern allenfalls als formale Begrenzung der Mehrheitsmacht dienen.11 Dies wird in der Urteilsbegründung zwar nicht ausdrücklich so beim Namen genannt, ergibt sich aber aus dem Kontext der Entscheidung, wonach auch ein umfangreicher Katalog von Beschlussgegenständen im Gesellschaftsvertrag, die Mehrheitsentscheidungen zugänglich sein sollen, einen kompletten Entzug der Mitgliedschaftsrechte eines Gesellschafters nicht materiell rechtfertigen kann. Stets ist der Kernbereich der Mitgliedschaft zu beachten.12 Die Entscheidung geht daher im Ergebnis davon aus, dass Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre unterschiedliche Schutzfunktionen haben bzw. dass zwischen ihnen, wie K. Schmidt13 formuliert hat, ein „qualitativer Unter8 So auch K. Schmidt, JZ 1995, 313, 314, weil „der recht verstandene Bestimmtheitsgrundsatz den Kernbereich der Gesellschafterrechte nicht schützen kann und soll“. 9 Vgl. nur Hermanns, ZGR 1996, 103, 114 f.; Roth, LM Nr. 32 zu § 119 HGB S. 4, der allerdings, wie unten dargelegt wird, teilweise unrichtige Schlussfolgerungen zieht; K. Schmidt, JZ 1995, 313, 314; Scholz/ders., GmbHG, Anh. § 45 Rdnr. 24 a. E. 10 Vgl. Priester, EWiR § 119 HGB 1/95, 73, 74: „erkennbares Abrücken vom Bestimmtheitsgrundsatz“. 11 K. Schmidt, JZ 1995, 313, 314; ähnlich auch Flume, ZIP 1995, 651, 652. 12 Kraffel/König, DStR 1996, 1130, 1131; K. Schmidt, JZ 1995, 313, 314. 13 K. Schmidt, JZ 1995, 313, 314; vgl. zur unterschiedlichen Schutzfunktion von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre aber auch Timm/Schöne in Bamberger/ Roth § 709 Rdnr. 36.
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schied“ besteht. Dem folgend stehen nach dem Urteil des BGH vom 10. 10. 1994 Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre selbständig nebeneinander, eine Aussage, die in keiner anderen Entscheidung des BGH so deutlich anklingt. Auffallend ist, dass der BGH unter Rückgriff auf die Kernbereichslehre die Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses deutlich stärker in den Vordergrund gedrängt hat.14 Denn an sich hätte der Fall eine Auseinandersetzung mit der Kritik am Bestimmtheitsgrundsatz gefordert. Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz hätte die Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, die bloß pauschal für Vertragsänderungen eine qualifizierte 3/4 Mehrheit ausreichen ließ, dahingehend einschränkend ausgelegt werden müssen, dass sie sich nur auf übliche Vertragsänderungen bezog.15 Der Ausschluss des vertraglich erweiterten Informationsund Kontrollrechts des Kommanditisten ist jedoch, da wesentlich in die Rechtsstellung des Gesellschafters eingegriffen wird, wohl keine übliche Vertragsänderung in diesem Sinne. Somit wäre der Mehrheitsbeschluss der Beklagten nach dem Bestimmtheitsgrundsatz mangels gesellschaftsvertraglicher Ermächtigung unwirksam gewesen.16 Die stärkere Betonung der Inhaltskontrolle durch den BGH ist jedoch gleichwohl zu befürworten. Die Kautelarjurisprudenz ist zunehmend dazu übergegangen, dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Mehrheitsklauseln aufzustellen. Daher bedarf der Bestimmtheitsgrundsatz der Ergänzung durch die Inhaltskontrolle.17 Dies war in der Rechtsprechung des BGH bislang nicht hinreichend deutlich geworden und bedurfte daher der Feststellung.
14 Vgl. Kraffel/König, DStR 1996, 1130 ff.; Lindner-Figura, NZM 1999, 738, 740: aber keine Änderung der qualitativen Anforderungen an die Mehrheitsklausel; K. Schmidt, NJW 2000, 2927, 2930; Ulmer, ZHR 161 (1997), 102, 122: Übergang von der verkappten zur offenen Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen. 15 So im Ergebnis auch das Berufungsgericht (vgl. die Darstellung der Entscheidung des Berufungsgerichts bei BGH, NJW 1995, 194 = JZ 1995, 311, 312). A. A. aber K. Schmidt, JZ 1995, 314, 315. 16 So im Ergebnis auch das Berufungsgericht (vgl. die Wiedergabe der Entscheidung des Berufungsgerichts bei BGH, NJW 1995, 194 = JZ 1995, 311, 312). 17 Eine insoweit ähnliche Entwicklung gab es im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), vgl. Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 33 a. E., 39; Fischer, in FS Barz, S. 33, 41. Im AGB-Recht hatte die Rechtsprechung zunächst keine inhaltliche Kontrolle der AGB selbst vorgenommen, sondern die Kunden wurden mit einer auf § 242 BGB gestützten Unklarheitenregel geschützt. Auch hier war die Vertragsgestaltungspraxis aber schnell in der Lage die AGB ausreichend präzise auszugestalten. Die Unklarheitenregel gemäß § 242 BGB wurde ausgehebelt. Auch im AGB-Recht ist die Inhaltskontrolle angesichts der Vertragsgestaltungspraxis daher in den Vordergrund gerückt (grundlegend BGHZ 22, 90, 97 ff.). Sie führt zu einer materiellen Kontrolle der AGB, indem sie bestimmte Klauselinhalte für unwirksam erklärt.
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4. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Urteil des BGH vom 10. 10. 1994 maßgebliche Bedeutung für das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre hat. Der BGH hat in der Entscheidung das Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre neu bewertet. Er hat erkannt, dass es nicht Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes ist, den Kernbereich der Gesellschafterrechte vor vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen zu schützen und dass damit der Bestimmtheitsgrundsatz im hier vertretenen Sinne nur als formale Begrenzung der Mehrheitsmacht dient. Der materielle Minderheitenschutz soll nach dem Urteil des BGH vornehmlich durch die Kernbereichslehre und die Treuepflicht der Gesellschafter erfüllt werden. Daher ist der Entscheidung des BGH vom 10. 10. 1994 auch zu entnehmen, dass Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion selbständig nebeneinander stehen,18 sie also nicht miteinander zu verbinden sind.
II. Das Urteil des BGH vom 29. 03. 1996 – BGHZ 132, 263 In der Entscheidung vom 29. 03. 199619 hat der BGH offen gelassen, ob er den Mehrheitsbeschluss anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes oder anhand der Kernbereichslehre überprüft. 1. Darstellung der Entscheidung In der Entscheidung des BGH vom 29. 03. 199620 stellte sich die Frage, ob die Kommanditisten in der Gesellschafterversammlung mehrheitlich auch über die Bilanzfeststellung beschließen konnten, die u. a. auch für die Gewinnverteilung maßgeblich war. Der Gesellschaftsvertrag enthielt insoweit eine Bestimmung, wonach die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst wurden, soweit nicht über fünf Beschlussgegenstände abgestimmt wurde, für die ausdrücklich Einstimmigkeit gefordert war. Die Bilanzfeststellung gehörte nicht zu diesen fünf einstimmig zu fassenden Beschlussgegenständen.
18 So auch die Ansicht von K. Schmidt, JZ 1995, 313, 314; a. A. aber Roth, LM Nr. 32 zu § 119 HGB S. 5, der meint, der Bestimmtheitsgrundsatz sei nur ein Beurteilungskriterium im Rahmen der Kernbereichslehre. Die Ansicht Roths, der als einheitlichen Schutzgegenstand von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre den Kernbereich von Rechten ansieht, der nicht zur beliebigen Disposition der Mehrheit steht, ist aber abzulehnen, siehe auch unten § 6 III. 19 BGHZ 132, 263. 20 BGHZ 132, 263.
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Der BGH ging gleichwohl nicht davon aus, dass die Mehrheitsklausel die Bilanzfeststellung erfasste. Es komme auch nicht darauf an, ob man diese Regelung an dem so genannten Bestimmtheitsgrundsatz oder der Kernbereichslehre messe, denn nach der Bestimmung komme eine mehrheitliche Beschlussfassung für diesen Beschlussgegenstand auf keinen Fall in Betracht. Dies folge daraus, dass für die Wirksamkeit einer derartigen Klausel nach dem Bestimmtheitsgrundsatz auf jeden Fall die Angabe der Art des Beschlussgegenstandes erforderlich sei. Da die Bilanzfeststellung aber auch das Gewinnrecht der Gesellschafter beeinflusse, das zwar zu den verzichtbaren, jedoch unentziehbaren Gesellschafterrechten gehöre, müsse sich nach der Kernbereichslehre die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel auf das zum Kernbereich gehörende Recht beziehen und Ausmaß und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lassen.21 Diesen nach dem Bestimmtheitsgrundsatz bzw. der Kernbereichslehre geforderten Voraussetzungen genüge die Vertragsklausel jedoch nicht. 2. Wertung der Bedeutung des Urteils des BGH vom 29. 03. 1996 – BGHZ 132, 263 für das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre Der BGH lässt in der Entscheidung vom 29. 03. 1996 offen, ob er den Bestimmtheitsgrundsatz oder die Kernbereichslehre für vorzugswürdig hält. Er löst den Fall „doppelspurig“.22 Dargelegt wird in der Entscheidung, dass Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre unterschiedliche Anforderungen an Mehrheitsbeschlüsse stellen. So fordert der Bestimmtheitsgrundsatz eine zweifelsfreie Erstreckung der Mehrheitsklausel auf den in Frage stehenden Beschlussgegenstand, während nach der Kernbereichslehre bei Eingriffen in unentziehbare Rechte erforderlich ist, dass die Mehrheitsklausel sich unzweideutig auch auf das in Rede stehende unentziehbare Mitgliedschaftsrecht erstreckt und gleichzeitig Art und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lässt. Diese unterschiedlichen Anforderungen an eine Mehrheitsklausel, die der BGH einerseits dem Bestimmtheitsgrundsatz und andererseits der Kernbereichslehre entnimmt, unterstreichen das bereits oben zur Entscheidung des BGH vom 10. 10. 1994 gefundene Ergebnis, dass der BGH wohl davon ausgeht, mit Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre unterschiedliche Korrektive zur Verfügung zu haben. Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre dürften folglich auch 21
Dem BGH folgend und teilweise weitergehend OLG Karlsruhe, NZG 1999, 879,
880. 22 Formulierung von Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 54; vgl. ferner Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I. 3. b) (S. 302 f.). Wiedemann sieht a. a. O. in der „zweigleisigen“ Begründung der Entscheidung des BGH vom 29. 03. 1996, BGHZ 132, 263 sowohl über den Bestimmtheitsgrundsatz als auch über die Kernbereichslehre die Bestätigung von BGH, NJW 1995, 194 f.
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nach dieser Entscheidung des BGH vom 29. 03. 1996 selbständig nebeneinander stehen.
III. Ergebnis: Das eigene Konzept zum Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre Herausgearbeitet wurde, dass Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre selbständige Schutzregeln sind, die sich gegenseitig ergänzen.23 Dementsprechend wird das Verhältnis dieser Schutzregeln zueinander durch die dem jeweiligen Institut beigemessene Funktion bestimmt.24 Geht man von diesem Ansatz aus, ergibt sich folgendes Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre: Der Bestimmtheitsgrundsatz dient der Klausel- oder Kompetenzkontrolle.25 Er ist eine Auslegungsregel für die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsermächtigung und gibt demzufolge Aufschluss darüber, in welchem Umfang Kompetenzen der Mehrheit begründet wurden.26 Damit ist der Bestimmtheitsgrundsatz eine allein formelle Schranke für Mehrheitsentscheidungen.27 Gezeigt wurde, dass dieser formelle Schutz der Minderheit allein nicht ausreicht, um einen ef-
23 Dieses Ergebnis entspricht der bislang wohl h. A., vgl. etwa BayObLG, ZIP 2005, 164, 166; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 37 ff.; Hermanns, ZGR 1996, 103, 114 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) dd) (S. 474); ders., ZHR 158 (1994), 205, 227 f.; Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 50 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 I. 1. b) (S. 362). A. A. aber Goette, FS Sigle, S. 145, 153; Roth, LM Nr. 32 zu § 119 HGB S. 5; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 89 f., die davon ausgehen, dass es sich beim Bestimmtheitsgrundsatz und bei der Kernbereichslehre in Wahrheit um identische Kontrollinstrumente für Mehrheitsbeschlüsse handelt. Worin der sachliche Unterschied zwischen beiden Kontrollinstituten bestehe, werde nicht ersichtlich. Die Vertreter der Kernbereichslehre forderten, mehrheitliche Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft nur dann zuzulassen, wenn ihnen der betroffene Gesellschafter zugestimmt hat. Diese Zustimmung könne auch vorweg erteilt werden. An die Wirksamkeit einer antizipierten Zustimmung stellten die Vertreter der Kernbereichslehre aber genau die Anforderung – nämlich die Eindeutigkeit der Mehrheitsermächtigung –, die auch der Bestimmtheitsgrundsatz an die gesellschaftsvertragliche Einführung des Mehrheitsprinzips stelle. Zudem falle auf, dass die Vertreter der Kernbereichslehre immer zugleich Gegner des Bestimmtheitsgrundsatzes seien. 24 Vgl. zur formellen Schrankenfunktion vom Bestimmtheitsgrundsatz § 4 V. 2. und zur Schrankenfunktion der jeweiligen Kernbereiche oben § 5 III. 1. b); § 5 III. 2. b); § 5 III. 3. b). 25 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Klausel- und Beschlusskontrolle bereits oben § 1 III. und zur Einordnung des Bestimmtheitsgrundsatzes oben § 4 (vor I.). 26 Vgl. dazu, dass der Bestimmtheitsgrundsatz in Wahrheit nur eine Auslegungsregel ist, oben § 4 V. 1. 27 Vgl. dazu, dass der Bestimmtheitsgrundsatz zu einer lediglich formalen Beschlusskontrolle führt, oben § 4 V. 2.
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fektiven Minderheitenschutz zu gewährleisten.28 Neben dem Bestimmtheitsgrundsatz muss eine materielle Beschlusskontrolle praktiziert werden. Dargelegt wurde, dass diese materielle Beschlusskontrolle ausschnittweise durch die Kernbereichslehre stattfindet.29 Die Kernbereichslehre ist eine Individualschutzregel, die den Schutz durch den Bestimmtheitsgrundsatz ergänzt. Sie unterscheidet zwischen einem unverzichtbaren, einem unentziehbaren und einem stimmrechtsfesten Kernbereich. Ausgehend von dieser Dreiteilung des Kernbereichs sieht die ergänzende Schutzwirkung der Kernbereichslehre abhängig vom Beschlussgegenstand wie folgt aus: Gezeigt wurde, dass nach der Kernbereichslehre Mehrheitsbeschlüsse, die in den unverzichtbaren Kernbereich eingreifen, wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht, dessen Anwendungsbereich durch die Kernbereichslehre nicht unerheblich ausgeweitet wird, unwirksam sind.30 Folglich ist der Bestimmtheitsgrundsatz insoweit leer laufend.31 Eine Regelung, die zu gesetz- oder sittenwidrigen (§ 138 BGB) Beschlüssen ermächtigt, ist auch bei hinreichender Bestimmtheit im Ergebnis gegenstandslos. Auch mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters kann nicht in den unverzichtbaren Kernbereich eingegriffen werden.32 Der unverzichtbare Kernbereich stellt eine spezifisch gesellschaftsrechtliche Schranke für die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter dar. Dargelegt wurde, dass es neben dem unverzichtbaren einen unentziehbaren Kernbereich von Rechten gibt, in den nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingegriffen werden darf. Es ist insoweit die zumindest antizipierte Zustimmung des Minderheitsgesellschafters erforderlich, die auch bereits der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel zu entnehmen sein kann.33 Um die Mehrheitsklausel als antizipierte Zustimmung zu werten, muss sie dabei strengen Bestimmtheitsanforderungen genügen. Soweit dieser unentziehbare Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist, ist das Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre dagegen schwieriger auszuloten. Hier entzieht die Kernbereichslehre der Mehrheit die Legitimation, bei dem in Rede stehenden Beschlussgegenstand auch ohne die (vorherige) Zustimmung des Minderheitsgesellschafters eine verbindliche Entscheidung zu treffen.34 Da es insoweit auf die Bestimmtheit der Mehrheitser28
Vgl. oben § 4 V. 2. Vgl. zur Schrankenfunktion der drei unterschiedlichen Kernbereiche oben § 5 III. 1. b); § 5 III. 2. b); § 5 III. 3. b). 30 Vgl. zur Schrankenfunktion des unverzichtbaren Kernbereichs der Mitgliedschaft oben § 5 III. 1. b). 31 So besonders deutlich auch Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 59. 32 Vgl. im Einzelnen oben § 5 III. 1. 33 Vgl. zur Zulässigkeit sog. antizipierter Zustimmungen oben § 5 III. 2. c). 34 Vgl. Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 59; oben § 5 III. 2. 29
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mächtigung ankommt, sind die Bestimmtheitsanforderungen der Kernbereichslehre an eine antizipierte Zustimmung und die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes an die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips durcheinander geraten.35 Richtiger Ansicht nach hat die antizipierte Zustimmung i. S. der Kernbereichslehre aber nichts mit den Bestimmtheitsanforderungen an die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips, für die der Bestimmtheitsgrundsatz gilt, zu tun.36 Denn die antizipierte Zustimmung zum späteren Beschluss bedarf einer ganz anderen Bestimmtheit:37 Eine Mehrheitsermächtigung ist schon dann hinreichend bestimmt i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes, wenn sich aus ihr unzweideutig ergibt, dass auch für den konkreten Beschlussgegenstand ein Mehrheitsbeschluss ausreichen soll. Dagegen erfordert eine antizipierte Zustimmung zu einem Eingriff in ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht auch die Präzisierung des zulässigen Beschlussinhalts und u. U. auch die Festlegung des Zeitpunkts oder der Umstände, unter denen etwa eine Beitragserhöhung beschlossen werden darf. Die inhaltlichen Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung i. S. der Kernbereichslehre gehen also weit über das hinaus, was für eine hinreichend bestimmte Mehrheitsermächtigung i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes zu verlangen ist.38 Es besteht lediglich ein einziger Zusammenhang: Wenn dem Bestimmtheitserfordernis der Kernbereichslehre Genüge getan ist, dann sind in jedem Fall die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes erfüllt. Die Richtigkeit dieser Unterscheidung zwischen der Zustimmung zur Mehrheitsklausel und der Zustimmung zum späteren Beschluss wird dadurch bestätigt, dass die antizipierte Zustimmung zu Eingriffen in den unentziehbaren Kernbereich auch im GmbH-Recht erforderlich ist,39 da die Kernbereichslehre 35
Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) dd) (S. 474). So auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) dd) (S. 474); ders., ZHR 158 (1994), 205, 227 f. 37 Dies verkennt Roth, LM Nr. 32 zu § 119 HGB, S. 5, der meint, der Bestimmtheitsgrundsatz habe keine eigenständige Bedeutung. Einheitlicher Schutzgegenstand sowohl des Bestimmtheitsgrundsatzes als auch der Kernbereichslehre sei vielmehr nur der „Kernbereich von Rechten, der nicht zur Disposition der Mehrheit stehe“. Eingriffe in diesen Bereich von Rechten bedürften ohne ad hoc-Zustimmung des betroffenen Gesellschafters einer zusätzlichen Legitimation. Diese Legitimation könne sich entweder aus einer gemäß dem Bestimmtheitsgrundsatz konkretisierten Mehrheitsermächtigung oder aber aus einer inhaltlichen Rechtfertigung ergeben, die unter dem Begriff der Treuepflicht diskutiert werde. Der Bestimmtheitsgrundsatz erweise sich daher lediglich als eines von zwei Beurteilungskriterien innerhalb der Kernbereichslehre. Vgl. einerseits zu den Anforderungen an die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips oben § 4 III. und andererseits zu den Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung unten § 5 III. 2. c) ee). 38 So auch K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 227 f. 39 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III. 3. b) dd) (S. 474); ders., ZHR 158 (1994), 205, 228; zum Erfordernis einer antizipierten Zustimmung im GmbH-Recht siehe die Nachweise oben § 5 Fn. 104, 109. 36
§ 6 Das Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre
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ein rechtsformübergreifendes Prinzip ist. Im GmbH-Recht stellt sich das Problem des Bestimmtheitsgrundsatzes aber nicht, da dort kraft Gesetzes das Mehrheitsprinzip gilt (§§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 GmbHG) und sich damit eine Klauselkontrolle erübrigt. Die Zustimmung zur Mehrheitsklausel ist von der (antizipierten) Zustimmung zum späteren Mehrheitsbeschluss zu differenzieren, um die es bei der Kernbereichslehre geht. Dementsprechend müssen, um beispielsweise mehrheitlich die Beiträge zu erhöhen, zwei Legitimationsinstrumente zusammentreffen: Zum einen muss die Mehrheitsklausel als formale Ermächtigung Beitragserhöhungen zulassen und zum anderen muss die Mehrheitsklausel als vorweggenommene Zustimmung zu werten sein. Im stimmrechtsfesten Kernbereich schließlich sichert die Kernbereichslehre das zwingende Stimmrecht des Minderheitsgesellschafters und der Bestimmtheitsgrundsatz führt zur weitgehenden Geltung des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB). Die Mehrheitsklausel muss nur den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügen.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter Die Treuepflicht der Gesellschafter zielt wie die Kernbereichslehre auf eine materielle Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses. Sie stellt neben dem Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu § 8) eine sog. bewegliche Schranke von Mehrheitsbeschlüssen dar.1 Die beweglichen Schranken von Mehrheitsbeschlüssen sind solche, die zu einer Prüfung des Ergebnisses des Mehrheitsbeschlusses anhand aller Umstände des Einzelfalls führen.2 Sie sind generalklauselartig formuliert.3 Aufgabe dieser beweglichen Schranken ist es, das den Gesellschaftern eingeräumte Ermessen zu beschränken, um Missbräuchen der Stimmrechtsmacht vorzubeugen.4 Die beweglichen Schranken von Mehrheitsbeschlüssen sind erforderlich, um den notwendigen Minderheitenschutz bei den Personengesellschaften zu ergänzen.5 Die Kautelarpraxis hat die Kompetenzen der Mehrheit der Gesellschafter bei der Beschlussfassung in der Praxis stark erweitert, indem sie dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Mehrheitsklauseln aufgestellt hat. Auch soweit Beschlussgegenstände betroffen sind, die nicht zum Kernbereich der Mitgliedschaft gezählt werden, muss Missbräuchen dieser erweiterten Mehrheitskompetenzen vorgebeugt werden.6 Der materielle Schutz durch die Kernbereichslehre reicht nicht aus.7
I. Gang der Untersuchung der Treuepflicht Im Kern soll es bei der folgenden Untersuchung der Treuepflicht um die Frage gehen, inwieweit die Minderheit neben Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre durch die bewegliche Schranke der Treuepflicht vor Mehr-
1 A. A. Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 184 ff.: Schranke von Mehrheitsbeschlüssen sei allein § 138 Abs. 1 BGB. Eine materielle auf die Treuepflicht gestützte Beschlusskontrolle lehnt Gillot ohne überzeugende Begründung ab. 2 Vgl. zu den beweglichen Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht grundlegend Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 287 f. 3 Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 287 f. 4 Vgl. dazu, dass das Ermessen bei der Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung, treupflichtgebunden ist, Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 287. 5 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 100. 6 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 100. 7 Vgl. Roth, JBl 2005, 80, 83: Die Kernbereichslehre kann nur einen kategorischen Schutz anbieten. Ein Recht kann nur entweder zum Kernbereich gehören oder nicht. Diese Schwäche der Kernbereichslehre wurde hier immerhin durch eine Abstufung dreier Kernbereiche relativiert, vgl. oben § 5 III.
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter
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heitsbeschlüssen geschützt wird. Zu fragen ist, welche Rolle die das gesamte Gesellschaftsrecht prägende Treuepflicht bei der Beschlusskontrolle spielt. Dazu bietet sich die folgende Untergliederung an: Zunächst soll die dogmatische Herleitung der Treuepflicht als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen geklärt werden (dazu folgend II.). Anschließend soll der Inhalt der Treuepflichtschranke für Mehrheitsbeschlüsse untersucht werden (dazu III.). Es empfiehlt sich hier eine Auflistung typischer Verstöße gegen die Treuepflicht, um die bislang durch die Rechtsprechung noch kaum konkretisierte Schranke der Treuepflicht für die Praxis handhabbar zu machen (dazu III. 4.). Sodann sollen die Rechtsfolgen von Treuepflichtverstößen dargelegt werden (dazu IV.) Ferner soll aber auch zur Funktion der Treuepflicht im Rahmen der Beschlusskontrolle (dazu V.) Stellung genommen werden. An dieser Stelle soll die Frage nach dem Verhältnis der Treuepflicht zu Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre beantwortet werden (dazu V. 2., 3.). Die Untersuchung der Treuepflicht als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen schließt mit einer Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse.
II. Dogmatische Herleitung der Treuepflicht als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen Im Gesellschaftsrecht als Teil des Privatrechts, wo jeder grundsätzlich nur für sich selbst verantwortlich ist, versteht es sich nicht von selbst, warum die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung durch die Treuepflicht gebunden sein sollte und warum der einzelne Gesellschafter bei der Stimmabgabe auch die Gesellschaftsinteressen oder gar die Interessen der Mitgesellschafter zu beachten haben sollte. Das Stimmrecht ist ein eigennütziges Mitgliedschaftsrecht.8 Die Treuepflicht bedarf daher als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen besonderer dogmatischer Legitimation. 1. Herleitung der Treuepflichtbindung des einzelnen Gesellschafters a) Meinungsstand Die dogmatische Grundlage der Treuepflichtbindung des einzelnen Gesellschafters ist seit langem umstritten. Dieser Streit ist auch nicht bloß von dogmatischem Interesse.
8 Vgl. Goette in Ebenroth/Boujong/Joost § 119 Rdnr. 8; H. P. Westermann, Hdb. Personengesellschaften, I/§ 24 Rdnr. 494.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
aa) Herleitung der Treuepflicht aus § 242 BGB Hergeleitet wird die Treupflichtbindung der Gesellschafter vornehmlich aus einer besonders starken Ausprägung des § 242 BGB im Gesellschaftsrecht.9 Die Treuepflicht sei eine gesellschaftsrechtliche Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung enge sie den Ermessensspielraum des einzelnen Gesellschafters ein.10 bb) Grundlage der Treuepflicht ist die gesellschaftsvertragliche Zweckförderungspflicht Andere sehen die dogmatische Grundlage der Treuepflicht in der gesellschaftsvertraglichen Zweckförderungspflicht (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 705 BGB).11 Sie argumentieren, dass sich aus der Verpflichtung auf einen gemeinsamen Zweck gemäß § 705 BGB ergebe, dass der Gesellschafter nicht missbräuchlich die eigenen Interessen über die der Gesellschaft stellen dürfe.12 Der Gesellschafter müsse sich bei der Ausübung seines Stimmrechts vielmehr auch am Gesellschaftszweck orientieren, zu dessen Erreichung und Förderung er sich mit seinen Mitgesellschaftern zusammengeschlossen habe.13 cc) Gewohnheitsrecht Wieder andere Autoren gehen davon aus, dass die Treuepflicht angesichts ihrer unbestrittenen Geltung und jahrzehntelangen Anwendung zumindest zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist.14
9 So vor allem Koller in Koller/Roth/Morck § 105 Rdnr. 35; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, C. II. 2. b) (S. 116); Picot, BB 1993, 13, 16; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV. 1. a) (S. 587 f.); Torggler, in FS Schönherr, S. 237, 251; Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 101; Erman/H. P. Westermann § 705 Rdnr. 49. 10 Picot, BB 1993, 13, 16; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 288. 11 So vor allem Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 58; Hopt in Baumbach/Hopt § 109 Rdnr. 23; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 55 ff.; ähnlich bereits RG, JW 1935, 1773. 12 Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 58, 60. 13 Vgl. Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 60. 14 So Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 97 f. m. w. N.; Staub/Ulmer § 105 Rdnr. 233 a. E.; vgl. zur jahrzehntelangen Anwendung des Treupflichtgedankens aber auch MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 221.
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter
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b) Eigene Stellungnahme zur dogmatischen Herleitung der Treuepflicht Die dogmatische Herleitung der Treuepflicht aus der Zweckförderungspflicht gemäß § 705 BGB erweist sich als zu eng.15 Bei einer Treuepflicht, die als Pflicht verstanden würde, den gemeinsamen Zweck auf der Basis von Treu und Glauben zu fördern,16 ließen sich keine Zustimmungspflichten zu zwingend erforderlich gewordenen Vertragsänderungen ableiten.17 Der Gesellschafter wäre gemäß einer so verstandenen Treuepflicht nur dem bereits ausgehandelten Gesellschaftszweck verpflichtet. Vertragsänderungen aber überschreiten nicht selten den bislang ausgehandelten Gesellschaftszweck.18 Ferner ließen sich die Rücksichtspflichten im Verhältnis der Gesellschafter untereinander ebenfalls nicht auf die Zweckförderungspflicht gemäß §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 705 BGB zurückführen.19 Die Pflicht, den gemeinsam festgelegten Gesellschaftszweck zu fördern, beinhaltet nicht zugleich die Pflicht, auf die Belange der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen.20 Zudem handelt es sich bei den Rücksichtnahmepflichten um Nebenpflichten. Eine als Ausprägung der Zweckförderungspflicht gemäß § 705 BGB verstandene Treuepflicht wäre aber Hauptpflicht.21 Die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht verpflichtet die Mehrheitsgesellschafter bei der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung aber auch zur 15 So im Ergebnis auch Hüffer, in FS Steindorff, S. 59, 72; MünchKomm z. BGB/ Ulmer § 705 Rdnr. 222 a. E.; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 13. 16 So aber im Ergebnis Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 57. 17 So zutreffend MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 222; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 13; konsequenterweise lehnt denn auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 62 ff., der zu Unrecht von § 705 BGB als der dogmatischen Grundlage der Treuepflicht ausgeht, Zustimmungspflichten zu Vertragsänderungen auf Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht ab. Dazu, dass sich aufgrund der Treuepflicht auch eine Zustimmungspflicht zu zwingend erforderlichen Vertragsänderungen ergeben kann, siehe die Nachweise oben § 4 Fn. 281. Vgl. dort auch zur abweichenden Auffassung von Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 62 ff., der eine Zustimmungspflicht aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ablehnt. 18 A. A. offenbar Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 63, der aus der Zweckförderungspflicht im Einzelfall einen Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung ableiten will. 19 So zu Recht BGHZ 85, 350, 360; Hüffer, in FS Steindorff, S. 59, 70; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 222; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 13; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 349; a. A. aber Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 58 ff. Zu diskutieren wäre allenfalls eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern, soweit die Verfolgung des gemeinsamen Zwecks auch Rücksichtnahme ihnen gegenüber erfordert. 20 Hüffer, in FS Steindorff, S. 59, 70. 21 Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 58; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 104.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Rücksichtnahme gegenüber den Minderheitsgesellschaftern.22 Nur aufgrund der Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Minderheitsgesellschaftern sind der oder die Mehrheitsgesellschafter verpflichtet, auch die Minderheitsinteressen bei der Abstimmung über eine Vertragsänderung angemessen zu berücksichtigen und ist das Gericht befugt, nachzuprüfen, ob die Minderheitsinteressen angemessene Beachtung gefunden haben. Wollte man auf diese gerichtliche Nachprüfung verzichten,23 so wäre die Schranke der Treuepflicht als Grenze von vertragsändernden Mehrheitsentscheidungen weitgehend entwertet. Die Treuepflicht würde keine hinreichende Handhabe gegen Mehrheitsbeschlüsse bieten, die zwar im weitesten Sinne im Interesse der Gesellschaft erfolgen, den Einzelnen aber gleichwohl unzumutbar benachteiligen. Die dogmatische Herleitung der Treuepflicht aus der Zweckförderungspflicht gemäß §§ 161 Abs. 2 HGB, 105 Abs. 3 HGB, 705 BGB ist somit zu eng, sie überzeugt nicht. Die gesellschaftsvertragliche Treuepflichtbindung der Stimmrechtsausübung, um die es im Folgenden gehen soll, ist demgemäß aus § 242 BGB abzuleiten. Dafür spricht auch, dass immanente Inhaltsbegrenzung jeden Rechts und damit auch des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung der Vorbehalt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ist.24 Wie jede andere Rechtsausübung auch steht daher auch die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und ist damit, um in gesellschaftsrechtlichen Termini zu sprechen, treuepflichtgebunden.25
22 Dies ist heute die wohl allgemeine Ansicht: Vgl. für die Personengesellschaft etwa BGH, NZG 2003, 73; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 17 (S. 12 f.); Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 3, 13; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 4. c) (S. 465); Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 101; MünchKomm z. BGB/ Ulmer § 705 Rdnr. 229; im Ergebnis wohl auch Gillot, Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre, S. 183 ff., der aber die dogmatische Grundlage der Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern wenig überzeugend in § 138 Abs. 1 BGB sieht, da es letztlich nur um eine materielle Kontrolle des Beschlussinhalts, also um eine Schranke der „Beschlussfreiheit“ gehe. Auch für die AG ist seit der Linotype Entscheidung des BGH vom 01. 02. 1988, BGHZ 103, 184, 194 f. geklärt, dass die Treuepflicht auch gegenüber den anderen Aktionären besteht. 23 Einen derartigen Verzicht befürwortet Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 54. 24 So die Innentheorie, vgl. statt vieler nur BGHZ 30, 140, 145; BAG, BB 1995, 204; Palandt/H. Heinrichs § 242 Rdnr. 38 m. w. N. Auch die Rechtsausübung im Öffentlichen Recht steht unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. 25 Die gesellschafterliche Treuepflicht wird hier als allgemeine Konkretisierung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstanden. Die Unterscheidung zwischen der Treuepflicht und den Grundsätzen von Treu und Glauben überzeugt nicht, da sie rein begrifflich ist, vgl. dazu Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 335 ff.
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter
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2. Der dogmatische Bezugspunkt der Treuepflicht als Schranke von Mehrheitsbeschlüssen Der dogmatische Bezugspunkt der Treuepflicht ist nicht der gefasste Beschluss als solcher, sondern die in der Stimmabgabe liegende Willenserklärung des einzelnen Gesellschafters.26 Denn nicht der gefasste Beschluss als solcher ist treuepflichtgebunden, sondern nur das Abstimmungsverhalten des Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung. Geprüft wird also, ob der Abstimmende mit dem Inhalt seiner Abstimmung gegen die ihm auch den Minderheitsgesellschaftern gegenüber obliegende Treuepflicht verstoßen hat. Liegt ein solcher Verstoß gegen die Treuepflicht vor, ist die Stimmabgabe nichtig. Die Nichtigkeit der Stimmabgabe der Mehrheitsgesellschafter hat dann gleichzeitig die Unwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses zur Folge, weil der Mehrheitsbeschluss nicht die erforderliche Mehrheit erreicht hat. Es ist daher richtig, obgleich dogmatisch ungenau, verkürzt davon zu sprechen, dass die Treuepflicht zu einer Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses führt. Die Treuepflicht bildet eine Schranke von Mehrheitsbeschlüssen, indem sie das Ermessen des einzelnen Mehrheitsgesellschafters bei der Stimmrechtsausübung beschränkt.
III. Inhalt der Treuepflicht Wie aufgezeigt, steht die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung, wie jede andere Rechtsausübung auch, unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Mehrheitsgesellschafter dürfen ihr Stimmrecht nicht dazu missbrauchen, die Minderheit übermäßig zu benachteiligen. Sie müssen bei der Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung auch auf die Belange der Gesellschaft und der Mitgesellschafter angemessen Rücksicht nehmen. Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen ein Stimmrechtsmissbrauch in diesem Sinne anzunehmen ist. Unstreitig ist dabei, dass es von der Realstruktur der Gesellschaft abhängt, inwieweit auf Belange der Minderheitsgesellschafter Rücksicht zu nehmen ist.27 Je stärker die Personengesellschaft kapitalistisch ausgestaltet ist, desto schwächer ist die Treuepflichtbindung ausgeprägt.28 Bei Publikums- und körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften hat die Treuepflicht daher im Vergleich zur gesetzestypischen Personengesellschaft, die auf enge Beziehungen der Gesellschafter angelegt ist, geringere Bedeutung für die Beschlusskontrolle. 26 So zutreffend Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 55, 73. 27 Siehe nur Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 18; Saenger, Beteiligung Dritter bei Beschlussfassung und Kontrolle, S. 147, 150; Timm/Schöne in Bamberger/ Roth § 705 Rdnr. 102. 28 Picot, BB 1993, 13, 16; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 225.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Trotz der fehlenden persönlichen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern kann aber auch in Massengesellschaften nicht auf die Treuepflicht als Korrektiv für Mehrheitsbeschlüsse verzichtet werden.29 1. Meinungsstand Nicht abschließend geklärt sind die sich aus der Treuepflicht ergebenden inhaltlichen Schranken für Mehrheitsbeschlüsse. a) Verhältnismäßigkeitsprüfung Als Maßstab dafür, ob die Stimmrechtsausübung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wird in der jüngeren Lehre der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit herangezogen.30 Danach gliedert sich der Inhalt der Verhältnismäßigkeitsprüfung in drei Anforderungen an vertragsändernde Mehrheitsbeschlüsse, die in besonderem Maße in Rechte der Minderheit eingreifen:31 Die mehrheitlich beschlossene Vertragsänderung muss nach diesem Ansatz im Gesellschaftsinteresse liegen, sie muss erforderlich sein und einer Angemessenheitsprüfung Stand halten.32 aa) Sachlicher Grund Zunächst wird die Wirksamkeit einer mehrheitlich beschlossenen Vertragsänderung davon abhängig gemacht, dass sie im Gesellschaftsinteresse liegt (sachlicher Grund). Im Gesellschaftsinteresse soll jedes mit dem Eingriff in die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters angestrebte Ziel liegen, das dazu dient, im Rahmen des im Gesellschaftsvertrag festgelegten Unternehmensgegen29 So zutreffend MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 225; siehe auch oben § 4 VII. 1. c). 30 Siehe etwa Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 60; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 35, § 109 Rdnr. 25; Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 30 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 II. 3. b) (S. 435); M. Winter, GesRZ 1986, 74, 86; in diesem Sinne wohl aber auch BGHZ 85, 350, 360 f.; für eine Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sprechen sich ferner Heymann/Emmerich § 119 Rdnr. 35; von Gerkan in Röhricht/Graf von Westphalen § 119 Rdnr. 16, § 109 Rdnr. 18 f.; Staudinger/Habermeier § 709 Rdnr. 53 aus, freilich ohne die Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Treuepflicht zu verankern. Sie halten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für ein eigenständiges Rechtsinstitut. 31 Vgl. zur dreistufigen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Beschlusskontrolle etwa Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 25; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 101; Staub/ders. § 119 Rdnr. 54; sowie grundlegend Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 351 f. 32 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 101.
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter
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stands den Gesellschaftszweck zu fördern und zu verwirklichen.33 Von diesem Gesellschaftsinteresse zu differenzieren sei das Interesse einzelner Gesellschafter oder einer Gesellschaftergruppe. Inhaltlich bestehe im Hinblick auf den sachlichen Grund ein Ermessensspielraum der Mehrheitsgesellschafter (Einschätzungsprärogative).34 Klar sei nämlich, dass die Überprüfung des Mehrheitsbeschlusses auf seine Rechtmäßigkeit nicht zu einer allgemeinen Zweckmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte führen dürfe.35 Zweckmäßigkeitsentscheidungen, wie etwa die Frage, ob die B-KG in die A-GmbH umgewandelt werden soll36 oder ein Auflösungsbeschluss sowie Gesellschafterbeschlüsse, die die Zweckrichtung ändern oder ein neues Unternehmensziel wählen (zwecksetzende Entscheidungen), desgleichen zweckneutrale Entscheidungen, wie der Ausschluss eines Gesellschafters und die Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels, sollen die Gesellschafter treffen. Dem entspricht es, dass Wiedemann in diesen Fällen keine Bindung an den Verbandszweck annimmt.37 Zweckmäßigkeitsentscheidungen unterliegen als solche keiner gerichtlichen Überprüfung und sind daher vom Erfordernis eines sachlichen Grundes befreit. Sie müssen aber erforderlich und angemessen sein. bb) Erforderlichkeit Der mit der Regelung verbundene Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheit muss nach diesem Ansatz erforderlich sein, um das Regelungsziel zu erreichen. Erforderlich ist die Regelung danach nur, wenn der Mehrheit keine für die Minderheit schonendere, aber gleich geeignete Regelung zur Verfügung steht.38 Hier liegt das eigentliche Schwergewicht der Verhältnismäßigkeitsprüfung.39 Das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs verbietet beispielsweise eine Kapitalerhöhung durch Mehrheitsbeschluss, soweit sie nicht durch einen entsprechenden Kapitalbedarf veranlasst ist.40 Die Gerichte können den Kapitalbedarf nachprüfen. 33
Vgl. etwa Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 23. BGHZ 71, 40, 49 f.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 101; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 86. 35 So etwa BGHZ 71, 40, 49 f.; M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 143 f. 36 Gegen das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung von Umwandlungsbeschlüssen auch die ganz h. M., siehe nur Grunewald, in FS Röhricht, S. 129 f. m. w. N. 37 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 II. 3. b) (S. 434 f.). Für zweckgebundene Maßnahmen fordert Wiedemann, dass die Entscheidungsmacht so ausgeübt wird, wie das nach pflichtgemäßem Ermessen der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung am besten dient. 38 MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 101. 39 Vgl. M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 147. 40 Vgl. unten § 7 III. 4. d) m. N. 34
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
cc) Angemessenheit Schließlich sei Voraussetzung, dass die beabsichtigten Vorteile der Gesellschaft einerseits und die mit dem Eingriff verbundenen Nachteile der Minderheit andererseits in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Angemessenheitsprüfung erfordere eine umfassende Abwägung der berührten Interessen im konkreten Einzelfall.41 Im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung sei, soweit es um Vertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluss gehe, im konkreten Einzelfall das Veränderungsinteresse der Mehrheit gegen das Beharrungsinteresse der Minderheit abzuwägen. Bei dieser Interessenabwägung könne man weder der einen noch der anderen Seite pauschal den Vorrang einräumen. Grundsätzlich werde man aufgrund der privatautonomen Vereinbarung des Mehrheitsprinzips jedoch von der Berechtigung der Mehrheit zur Beschlussfassung auszugehen haben. Auf der anderen Seite aber gelte: Je schwerwiegender die Nachteile der Minderheit sind, umso größer müssen auch die Vorteile der Gesellschaft sein.42 Im Ergebnis übernehmen die Befürworter einer Verhältnismäßigkeitskontrolle im Wesentlichen die ursprünglich im Öffentlichen Recht für hoheitliche Eingriffe in Grundrechte des Bürgers entwickelten Schranken der Erforderlichkeit und Angemessenheit für die Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen bei Personengesellschaften, die in Mitgliedschaftsrechte des Einzelnen eingreifen.43 Diese Übernahme, so wird argumentiert, sei vernünftig und sachgerecht, weil es hier wie dort um die Ermessenskontrolle eines Machtträgers gehe.44 b) Konkretisierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die im Kapitalgesellschaftsrecht anerkannte Lehre vom Erfordernis sachlicher Rechtfertigung Daneben schlagen Enzinger, Ulmer und M. Winter vor, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die sog. Lehre vom Erfordernis sachlicher Rechtfertigung anzuwenden.45 Diese Lehre wurde ursprünglich im Kapitalgesellschaftsrecht entwickelt. Sie biete aber auch einen geeigneten Lösungsansatz für die Problematik des Minderheitenschutzes bei Personengesellschaften.46 41
Zu dieser Interessenabwägung vgl. Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen, S. 340 ff.; Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 383 ff. 42 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 30 a. E.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 101. 43 Vgl. MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 101 Fn. 203; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 86; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 351 f. 44 M. Winter, GesRZ 1986, 74, 86. 45 Zur Lehre von der sachlichen Rechtfertigung im Kapitalgesellschaftsrecht vgl. die Nachweise oben § 2 Fn. 64 und unten § 7 Fn. 50.
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2. Eigene Stellungnahme Dem Ansatz, der treuwidrig mit unverhältnismäßig gleichsetzt, ist für mehrheitlich beschlossene Vertragsänderungen zuzustimmen. Nicht überzeugend ist zwar das Argument von Martens für eine Verhältnismäßigkeitskontrolle von Mehrheitsentscheidungen, dass die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Privatrecht ohnehin allgemein anerkannt ist.47 Martens übersieht, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Privatrecht nur in besonderen Ausnahmefällen, wie etwa beim Ausschluss eines Gesellschafters,48 zum Tragen kommt.49 Für die grundsätzliche Gleichsetzung von treuwidrig und unverhältnismäßig spricht indes, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Instrumentarium der Beschlusskontrolle im Recht der Kapitalgesellschaften seit langem angewandt wird.50 Es erscheint daher nahe liegend, die Treuepflicht der Gesellschafter zueinander bei der Fassung von Beschlüssen auch bei Personengesellschaften durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu konkretisieren.51 Zuzustimmen ist auch dem Vorschlag von Enzinger, Ulmer und M. Winter, die Lehre von der sachlichen Rechtfertigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuwenden. Nach der Lehre vom Erfordernis sachlicher Rechtfertigung bedürfen Kapitalerhöhungsbeschlüsse im Aktienrecht einer sachlichen Rechtfertigung, wenn sie gleichzeitig das Bezugsrecht des einzelnen Aktionärs ausschließen.52 Der sachliche Grund für den Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 AktG) ist ein „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ für die Rechtmäßigkeit des entsprechenden Beschlusses. Übernommen wurde diese Lehre von 46 So etwa Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 261 ff.; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 100; M. Winter, GesRZ 1986, 74, 86; ders., Treubindungen im GmbHRecht, S. 142; offenbar auch Torggler, in FS Schönherr, S. 237, 252. 47 Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 31. 48 Vgl. BGHZ 16, 317, 322 f. 49 Vgl. Palandt/H. Heinrichs § 242 Rdnr. 54; Staudinger/J. Schmidt § 242 Rdnr. 779; ferner Medicus, AcP 192 (1992), S. 35 ff., der bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Zivilrecht völlig zu Recht eine restriktive Linie vertritt. 50 Vgl. die oben in § 2 Fn. 64 Genannten jeweils zu Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss (i. S. von § 186 Abs. 3 AktG). Vgl. ferner für das GmbH-Recht BGHZ 80, 69, 73 ff.; Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rdnr. 26; Martens, GmbHR 1984, 265, 269 f.: Verhältnismäßigkeitskontrolle bei Strukturentscheidungen; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 58. Anders aber noch das RG in der Hibernia-Entscheidung (RGZ 68, 235, 246): Jeder, der Aktien erwerbe, müsse sich damit abfinden, dass die Mehrheit der Aktienbesitzer über die Verwaltung der Gesellschaft und über das entscheide, was im Interesse ihrer Aktionäre zu unternehmen sei. Ein Mehrheitsbeschluss war danach auch wirksam, wenn er eines rechtfertigenden Grundes entbehrte und willkürlich war (vgl. auch RGZ 119, 248, 252 ff.). 51 Ähnlich Schlegelberger/Martens § 119 Rdnr. 31. 52 Vgl. die Nachweise oben § 2 Fn. 64. Keiner sachlichen Rechtfertigung bedarf jedoch ein Kapitalherabsetzungs- (BGHZ 138, 71 „Sachsenmilch“) sowie ein Auflösungsbeschluss (BGHZ 76, 352, 353; zustimmend Timm, JZ 1980, 665, 669, 671).
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der sachlichen Rechtfertigung auch für Beschlüsse über Strukturänderungen in der GmbH.53 Allgemein steht hinter der Lehre von der sachlichen Rechtfertigung die Überlegung, dass Willkürentscheidungen, die in besonderem Maße in die Rechte der Minderheit eingreifen, nicht hingenommen werden können und dass die mit der Geltung des Mehrheitsprinzips verbundene Einwirkungsmöglichkeit auf die Mitgliedschaftsrechte der Minderheit die Mehrheit zugleich dazu verpflichtet, von der Kompetenz zur Änderung der Satzungsgrundlage nur zum Nutzen der Gesellschaft Gebrauch zu machen.54 Diese Überlegung ist auch auf das Recht der Personengesellschaften zu übertragen, da Willkürentscheidungen auch hier auftreten können und aufgrund ihrer Anstößigkeit einer gleich gelagerten Rechtsregel zugeführt werden müssen. Verfehlt wäre es aber, generell eine sachliche Rechtfertigung für den Mehrheitsbeschluss zu verlangen und der Mehrheit damit eine allgemeine Rechtfertigungslast aufzuerlegen.55 Denn Beschlüsse bei Personengesellschaften tragen ihre Rechtfertigung grundsätzlich in sich selbst (Richtigkeitsgewähr).56 Dies gilt auch für Mehrheitsbeschlüsse, deren Legitimationsbasis darin besteht, dass sie eine vertragliche Grundlage haben und dass ihr Inhalt von dem Willen der Gesellschaftermehrheit getragen wird. Vereinfachend kann man sagen: „Mehrheit ist grundsätzlich erst einmal Mehrheit“. Mit dieser Richtigkeitsgewähr des Mehrheitsbeschlusses verträgt es sich nicht, generell eine sachliche Rechtfertigung für den Mehrheitsbeschluss zu verlangen und dadurch der Mehrheit eine Rechtfertigungslast aufzuerlegen. Eine andere Beurteilung ist freilich geboten, wenn der Mehrheitsbeschluss den Rechtskreis der Minderheit berührt, was typischerweise bei Vertragsänderungen der Fall ist. Dann muss er strengen Anforderungen genügen. Dafür ist zunächst ein sachlicher Grund für den Eingriff zu verlangen. Hier liegt folglich der Anwendungsbereich der Lehre von der sachlichen Rechtfertigung im Personengesellschaftsrecht. Darüber hinaus darf der Beschluss die Minderheit nicht im oben dargelegten Sinne unverhältnismäßig belasten. Klargestellt sei abschließend aber, dass nicht jeder Verstoß gegen Treu und Glauben bei der Beschlussfassung auf einem Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruht. Das ist nicht immer der Fall. Die Stimmrechtsaus53 Vgl. für die GmbH grundlegend BGHZ 80, 69, 73 ff. („Süßen“); ferner Hoffmann in Michalski, GmbHG, § 53 Rdnr. 105; sowie Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 58. 54 Vgl. M. Winter, Treubindungen im GmbH-Recht, S. 143, der dies damit begründet, dass die Mehrheitsgesellschafter eine „quasi treuhänderische Position“ hätten. 55 Gegen das generelle Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung für den Mehrheitsbeschluss auch Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 177 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II. 4. (S. 460 f.). 56 Zur Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsentscheidungen vgl. oben § 3 I.
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übung der Mehrheitsgesellschafter kann auch deshalb missbräuchlich sein, weil die Mehrheitsgesellschafter sich mit ihrem früheren Verhalten in Widerspruch setzen – dem Minderheitsgesellschafter wurde fünfmal die erbetene Befreiung vom Wettbewerbsverbot (§ 112 HGB) erteilt, beim sechsten Mal wird sie ihm bei gleicher Interessenlage verweigert. 3. Zwischenergebnis Auch im Recht der Personengesellschaften erlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz über die Treuepflichtbindung der Mehrheitsgesellschafter für die Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen maßgebliche Bedeutung, wenngleich hier auch von der Klauselkontrolle am Maßstab von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre auszugehen ist. Bei der Verhältnismäßigkeitskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen kann auf die im Rahmen der Lehre von der sachlichen Rechtfertigung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. 4. Typische Verstöße gegen die Treuepflichtbindung Um die generalklauselartige Treuepflicht für die Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen handhabbar zu machen, sollen im Folgenden typische Verstöße gegen die Treuepflicht aufgelistet werden. Dabei kann es angesichts der Breite der gesellschafterlichen Treuepflicht nicht um Vollständigkeit, sondern nur darum gehen, einige typische Verstöße gegen die Treupflichtbindung der Stimmrechtsausübung zu nennen. Exemplarisch seien die folgenden Fälle hervorgehoben:57 a) Die Mehrheit darf eine aus betriebswirtschaftlichen, rechtlichen oder sonstigen Gründen indizierte Umwandlung nicht dazu missbrauchen, nicht durch die Umwandlung selbst oder ihre Gründe notwendig veranlasste Vertragsänderungen zu beschließen.58 b) Die Aufhebung eines Wettbewerbsverbots für den Mehrheitsgesellschafter darf nicht dazu führen, dass die Gesellschaft zu einem abhängigen Unternehmen wird.59 c) Die Mehrheit handelt treuwidrig, wenn sie Jahresüberschüsse fortwährend in Rücklagen umstellt (Rücklagenbildung), um die Minderheit „auszuhungern“ und aus der Gesellschaft zu drängen.60 57 Vgl. auch die typischen Missbrauchskonstellationen bei Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 283 ff.; MünchKomm z. HGB/ders. § 119 Rdnr. 84 sowie den Rechtsprechungsüberblick bei Göbel, Mehrheitsentscheidungen, S. 103 ff. 58 BGHZ 85, 350, 360. 59 BGHZ 80, 69, 74 f.; Staub/Ulmer § 119 Rdnr. 54. 60 Janke, Treuepflicht, S. 65; vgl. auch MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 84.
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d) Unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht ist in der Regel auch ein mehrheitlicher Kapitalerhöhungsbeschluss, der nicht durch einen entsprechenden Kapitalbedarf der Gesellschaft veranlasst ist, sondern der Zurückdrängung finanzschwacher Minderheitsgesellschafter dient, unzulässig.61 Dagegen verstoßen Erhöhungen, die nicht der Förderung des Gesellschaftszwecks, sondern der Befriedigung der Gläubiger dienen sollen, regelmäßig nicht gegen die Treuepflicht.62 Die Gläubigerbefriedigung kann insbesondere, wenn sie der Sanierung der Gesellschaft dienen soll, ein durchaus legitimes Anliegen der Mehrheitsgesellschafter sein.63 Entscheidend ist hier daher, ob die Mehrheit mit der Kapitalerhöhung letztlich doch das Ziel verfolgt, finanzschwache Minderheitsgesellschafter zurückzudrängen.64 e) Die Mehrheitsgesellschafter dürfen nicht von einem gesellschaftsvertraglichen Ausschließungsrecht Gebrauch machen, obwohl das Interesse, das durch das Recht geschützt werden soll, weder verletzt noch gefährdet ist.65 Missbräuchlich, weil nur der Durchsetzung eigennütziger Interessen dienend, ist daher ein Mehrheitsbeschluss über die Ausschließung eines neu aufgenommenen Gesellschafters, der allein das Ziel verfolgt, Ansprüche dieses neu aufgenommenen Gesellschafters zu vereiteln.66 f) Schließlich handelt die Mehrheit regelmäßig treuwidrig, wenn sie einen Abschlussprüfer ohne wichtigen Grund abberuft,67 wenn sie das im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebene Mehrheitserfordernis absenkt,68 wenn sie trotz der Kündigung eines Minderheitsgesellschafters die Fortsetzung der Gesellschaft beschließt,69 wenn sie einen unliebsamen Gesellschafter i. V. m. einer 61 H. A., siehe etwa Soergel/Hadding § 707 Rdnr. 3; Timm/Schöne in Bamberger/ Roth § 707 Rdnr. 9; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 707 Rdnr. 7: Zudem müsse der Eingriff in die Rechte der Minderheit erforderlich und verhältnismäßig sein. 62 Die vermeintlich anders lautende BGH-Entscheidung vom 28. 09. 1978, NJW 1979, 419 steht dem nicht entgegen. Sie ist nur vor dem Hintergrund verständlich, dass einer der Mehrheitsgesellschafter zugleich Gläubiger war (zutreffend Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 297). 63 Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 152. 64 Ebenso Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 151 f. 65 Vgl. BGH, NJW 2004, 2013, 2015. 66 BGH, NJW 2004, 2013, 2015. In dieser Entscheidung (NJW 2004, 2013 = NZG 2004, 569) ließ der BGH daher dahingestellt, ob die Ausschließungsklausel, die den Altgesellschaftern den Ausschluss des neu eingetretenen Gesellschafters ohne wichtigen Grund in angemessener Frist ermöglichte, sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit nichtig war. Zur Frage der Wirksamkeit von Ausschließungsklauseln, insbesondere solchen, die die Ausschließung ohne wichtigen Grund vorsehen und damit die Ausschließung ins freie Ermessen der Mehrheit stellen, vgl. auch oben § 5 IV. 1. a) m. w. N. 67 BGH, WM 1991, 1951. 68 Vgl. BGH, NJW 1988, 411 f. („ungewöhnliche Vertragsänderung“ i. S. des Bestimmtheitsgrundsatzes). 69 Vgl. BGHZ 48, 251; Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 286 f.
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter
233
nachteiligen Buchwertklausel ausschließt70 und wenn sie bei der Geschäftsführung die Eigeninteressen über die der Gesellschaft stellt.71 Die Mehrheit muss sich in diesen Fällen rechtfertigen, da sie minderheitenschädigende Interessen verfolgt.72
IV. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht Verstoßen die Mehrheitsgesellschafter mit ihrer Stimmrechtsausübung gegen die Treuepflicht, so ist die primäre Rechtsfolge die Unwirksamkeit der Stimmabgabe.73 Darüber hinaus kann die treuwidrige Stimmrechtsausübung eine Vertragsverletzung darstellen und damit einen Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs. 1 BGB) der Minderheitsgesellschafter begründen, wenn diesen durch das missbräuchliche Abstimmungsverhalten ein Schaden entstanden ist und die Mehrheitsgesellschafter schuldhaft (§§ 708, 276 BGB) gehandelt haben.74 Bei besonders schwerwiegenden bzw. nachhaltigen Verstößen gegen die Treuepflicht ist ein wichtiger Grund zur Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§§ 712, 715 BGB) bzw. zum Ausschluss aus der Gesellschaft (§ 737 BGB) gegeben.75
V. Funktion der Treuepflichtschranke für Mehrheitsbeschlüsse Eingangs wurde die Frage nach der Funktion der Treuepflichtschranke aufgeworfen. Zu ihr soll nachfolgend Stellung genommen werden. 1. Ausübungskontrolle Die Treuepflicht dient der Ausübungskontrolle. Sie erfüllt als Schranke der Mehrheitsmacht die Funktion, der treuwidrigen Ausübung der Mehrheitskompetenz vorzubeugen.76 Vorteil der Treuepflicht ist, dass am Maßstab der Treue70
Besonders deutlich Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 289 f. Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 283 ff. 72 Vgl. MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 84. 73 H. A., vgl. etwa RGZ 158, 302, 310; Soergel/Hadding § 705 Rdnr. 64; Timm/ Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 107; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 239. 74 Timm/Schöne in Bamberger/Roth § 705 Rdnr. 107 a. E.; MünchKomm z. BGB/ Ulmer § 705 Rdnr. 242. 75 Schulte, Schrankenproblematik, S. 73. 76 Bereits oben § 4 VI. 2. d) cc) wurde dargelegt, dass die Treuepflicht auf der anderen Seite aber auch den Schutz der Minderheit durch Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre relativiert. Siehe dazu die Nachweise oben § 4 Fn. 281. 71
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
pflicht eine inhaltliche Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses möglich ist.77 Das Gericht hat anhand der Treuepflicht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der Mehrheitsbeschluss erforderlich und angemessen ist. Dazu erfolgt die oben im Einzelnen dargelegte Verhältnismäßigkeitsprüfung. Anhand dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung kann im Einzelfall sachgerecht entschieden werden.78 Weil die Schutzwirkungen von Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre beschränkt sind, hat diese Verhältnismäßigkeitskontrolle maßgebliche Bedeutung79: Der einzelne Gesellschafter kann ex ante das Mehrheitsprinzip als die am besten geeignete Form der Willensbildung hinnehmen, obwohl er damit gleichzeitig bewusst oder unbewusst das Risiko in Kauf nimmt, bei späteren Entscheidungen überstimmt zu werden. Der Krisenfall, vor dem die Minderheit geschützt werden muss, ist dann vor allem der, das die Mehrheit nicht mehr bona fide das gemeinsame Interesse verfolgt, zu dem man sich ursprünglich zusammengeschlossen hat, sondern treuwidrig eigene Vorteile erstrebt.80 Hiergegen können aber starre Schranken wie Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre keinen ausreichenden Schutz gewähren. Sie bedürfen folglich einer Ergänzung durch die bewegliche Schranke der Ausübungskontrolle. Jedoch ist diese Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht auf solche Evidenzfälle wie den krassen Missbrauch der Geschäftsführungsbefugnis durch Verfolgung allein eigener Interessen (z. B. Bezug von Waren zu überhöhten Preisen vom Unternehmen der Ehefrau) beschränkt.81 Nur bei einem deutlichen Überwiegen der Minderheitsinteressen wird man wegen Treuwidrigkeit einem Mehrheitsbeschluss die Wirksamkeit versagen können, wenn der Gesellschaftsvertrag für diesen Beschlussgegenstand hinreichend bestimmt das Mehrheitsprinzip vorsieht, weil die Treuepflicht Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist.82 Unterhalb dieser Schwelle richtet sich der Minderheitenschutz gegenüber Mehrheitsbeschlüssen nach dem Bestimmtheitsgrundsatz und der Kernbereichslehre.
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Autenrieth, DB 1983, 1034; vgl. zum Maßstab der Treuepflichtprüfung oben § 7
III. 78 Das meint Fischer, in FS Barz, S. 34, 36, wenn er davon spricht, die Treuepflicht sei mit einer „gewissen Elastizität“ anwendbar. 79 Vgl. zum folgenden Roth, JBl 2005, 80, 82 f. 80 Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 393. 81 Vgl. Roth, JBl 2005, 80, 84; zu weiteren Beispielen siehe oben § 7 III. 4. 82 Vgl. Roth, JBl 2005, 80, 84.
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter
235
2. Das Verhältnis der Ausübungskontrolle zum Bestimmtheitsgrundsatz Bei der Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht geht es nicht um die durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags zu ermittelnde Frage, ob die Mehrheit für den konkreten Beschlussgegenstand zuständig war, sondern allein um die Frage, ob die Mehrheit in loyaler Weise von der Mehrheitskompetenz Gebrauch gemacht hat. Da die Treuepflichtprüfung erst dann einsetzt, wenn feststeht, dass die Mehrheit eine gesellschaftsvertragliche Beschlusskompetenz hat, ist die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Kompetenzkontrolle anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes nachgelagert.83 Die Treuepflicht ist unproblematisch neben dem Bestimmtheitsgrundsatz anwendbar.84 Konkurrenzfragen stellen sich hier somit nicht. 3. Verhältnis der Treuepflicht zur Kernbereichslehre Die Treuepflicht ist auch neben der Kernbereichslehre anwendbar. Ein Beschluss (z. B. über die Erhöhung von Beiträgen) kann den Anforderungen der Kernbereichslehre (Zustimmung des Minderheitsgesellschafters) genügen, gleichwohl aber wegen Unverhältnismäßigkeit (z. B. der Beitragserhöhungsbeschluss ist nicht durch einen entsprechenden Kapitalbedarf veranlasst) oder Missbräuchlichkeit (z. B. der Beschluss dient der Herausdrängung eines finanzschwachen Minderheitsgesellschafters) treuwidrig und unwirksam sein. Die Schutzwirkungen der Treuepflicht und der Kernbereichslehre ergänzen sich also. Es handelt sich um eigenständige Schranken der Mehrheitsherrschaft. Im Übrigen gilt, was eingangs schon ausgeführt wurde: Die Kernbereichslehre schützt nur vor Eingriffen in den Kernbereich der Mitgliedschaft. Aber auch außerhalb des Kernbereichs muss die Minderheit vor Missbrauch durch bewegliche Schranken geschützt werden. Dieser Schutz ist durch eine Kontrolle des Inhalts des Mehrheitsbeschlusses auf Verstöße gegen die Treuepflicht zu bewirken.85 4. Relativierung des Minderheitenschutzes durch die Zustimmungspflicht kraft Treuepflicht Die Treuepflicht dient aber nicht nur der Ausübungskontrolle der Mehrheitskompetenz, sondern relativiert daneben auch den Minderheitenschutz durch die 83 So auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 61 f.; Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 31. 84 So im Ergebnis auch Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 62. 85 Vgl. MünchKomm z. BGB/Ulmer § 709 Rdnr. 100.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
Kernbereichslehre und den Bestimmtheitsgrundsatz.86 Die Treuepflicht schützt gleichzeitig auch die Interessen der Mehrheitsgesellschafter. Aus der Treuepflicht kann sich eine Zustimmungspflicht der Minderheit ergeben, etwa wenn die Regelung für den Fortbestand der Gesellschaft zwingend erforderlich ist.87 Hier liegt in der Rechtsprechung des BGH gar ein Hauptanwendungsfall der Treuepflicht.88 Die Treuepflicht bindet somit nicht nur die Mehrheit, sondern auch die Minderheit. Das ist gemeint, wenn von der Flexibilität der Treupflichtlösung gesprochen wird.89
VI. Ergebnisse der Untersuchung der Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht Oben wurde ausgeführt, dass die Treuepflicht im Kern daraufhin untersucht werden soll, inwieweit sie neben Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre die Minderheit vor Mehrheitsentscheidungen schützt. Deutlich wurde, dass Mehrheitsentscheidungen, auch soweit sie nicht den Kernbereich der Mitgliedschaft betreffen, einer Missbrauchskontrolle am Maßstab der Treuepflicht unterliegen. Die Treuepflicht engt bei der Stimmrechtsausübung den Ermessensspielraum des Einzelnen ein. Dieser darf nicht willkürlich die eigenen Interessen über die der Gesellschaft oder die der anderen Mitgesellschafter stellen. Im § 7 II. wurde gezeigt, dass die dogmatische Grundlage der Treupflichtbindung der Stimmrechtsausübung in § 242 BGB zu sehen ist und dass nicht der Mehrheitsbeschluss als solcher, sondern die Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung der Treupflichtbindung unterliegt. Im § 7 III. wurde deutlich, dass die Missbrauchskontrolle am Maßstab der Treuepflicht im Ergebnis zu einer Verhältnismäßigkeitsprüfung führt. Insbesondere bei vertragsändernden Mehrheitsbeschlüssen, die in besonderem Maße in Rechte der Minderheit eingreifen, ist eine strenge Kontrolle durchzuführen. Gezeigt wurde, dass insoweit auf die im Kapitalgesellschaftsrecht anerkannte Lehre von der sachlichen Rechtfertigung zurückzugreifen ist. Der Eingriff in die Rechte der Minderheit muss danach nicht nur im Gesellschaftsinteresse erforderlich, sondern auch angemessen sein.
86 Vgl. Roth, JBl 2005, 80, 84: Wenn die Minderheit zur Zustimmung verpflichtet ist, kann die Mehrheit im Einzelfall auch ohne jede vertragliche Grundlage Beschlüsse fassen. 87 Vgl. oben § 4 VI. 2. d) cc) m. N. in Fn. 281. 88 Vgl. die Nachweise oben § 4 Fn. 281. 89 Die Flexibilität der Treuepflicht betont insbesondere Leenen, in zweite FS Larenz, S. 371, 392 f. Nach Fischer, in FS Barz, S. 34, 36 ist die Treuepflicht mit einer „gewissen Elastizität“ anwendbar.
§ 7 Die Ausübungskontrolle anhand der Treuepflicht der Gesellschafter
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Schließlich wurde, nachdem im § 7 IV. typische Missbrauchsfälle aufgelistet wurden, im § 7 V. nachgewiesen, dass die Treuepflicht unproblematisch neben dem Bestimmtheitsgrundsatz, der zu einer bloßen Kompetenzkontrolle führt, und der Kernbereichslehre anwendbar ist. Während es beim Bestimmtheitsgrundsatz um die Auslegungsfrage geht, ob die Mehrheit eine ausreichende Beschlusskompetenz hat, geht es bei der Treuepflicht um die Frage, ob die Mehrheit im Einzelfall von der Mehrheitskompetenz ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht hat.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
§ 8 Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Schranke für Mehrheitsbeschlüsse Eine weitere inhaltliche Begrenzung der Mehrheitsherrschaft ist der Gleichbehandlungsgrundsatz.1 Danach ist es den Mehrheitsgesellschaftern verboten, die Minderheit ohne deren (antizipierte) Zustimmung willkürlich ungleich zu behandeln.2 Eine Ungleichbehandlung durch Mehrheitsbeschluss ist nur zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist oder die betroffenen Minderheitsgesellschafter zustimmen. Anderenfalls ist der Mehrheitsbeschluss rechtswidrig. Die Rechtsprechung hat den Gleichbehandlungsgrundsatz vor allem bei der verdeckten Gewinnausschüttung3, bei der ungleichen Ausgestaltung der Informationsrechte4 und bei Kapitalerhöhungsbeschlüssen mit gleichzeitigem Ausschluss des „Bezugsrechts“ zugunsten einiger Mitglieder angewendet5. Im zuletzt genannten Fall wurde ein Gleichheitsverstoß angenommen, weil einem Gesellschafter im Unterschied zu den anderen Gesellschaftern die Erbringung eines erhöhten Beitrags durch Mehrheitsbeschluss verweigert wurde und von der Höhe der Beiträge der Umfang der Gesellschafterrechte abhing.6
I. Dogmatische Herleitung Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Personengesellschaftsrecht ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Über den Geltungsgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes besteht demzufolge Streit. Einige wollen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 242 BGB herleiten.7 Andere sprechen von Gewohnheitsrecht.8 Wieder andere Autoren wollen den Gleichbehandlungsgrundsatz dem Gesellschaftsvertrag selbst entnehmen.9 Methodisch dürfte sich aber auch eine Rechtsanalogie zu §§ 706 Abs. 1, 709 Abs. 1, 722 Abs. 1, 734 1 Vgl. zum Gleichbehandlungsgrundsatz als Korrektiv von Mehrheitsbeschlüssen grundlegend G. Hueck, Der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung im Privatrecht, S. 41 f., S. 305 ff. Siehe aber auch oben § 5 IV. 2. g). 2 Nachweise oben § 1 Fn. 17. 3 BGH, WM 1960, 1007, 1009; WM 1972, 931, 933. 4 BGH, NJW 1995, 194, 195; vgl. auch Flume, ZIP 1995, 651, 652. 5 BGHZ 21, 354, 358; BGH, WM 1974, 1151, 1153 (KG); ausführlich dazu Struckmeier, Mehrheitliche Kapitalerhöhungen, S. 150 f. 6 BGH, WM 1974, 1151, 1153. 7 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rdnr. 25 (S. 16); G. Hueck, Der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung im Privatrecht, S. 107 ff. m. w. N. 8 Schlegelberger/Martens § 109 Rdnr. 127; in diese Richtung geht aber auch G. Hueck, Der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung im Privatrecht, S. 35, wonach der Gleichbehandlungsgrundsatz als allgemeines Prinzip im Personengesellschaftsrecht seit langem anerkannt ist. 9 Schulte, Schrankenproblematik, S. 86 f.
§ 8 Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Schranke für Mehrheitsbeschlüsse 239
BGB; §§ 114 Abs. 1, 119 Abs. 1, 121 Abs. 3, 122, 125 Abs. 1 HGB anbieten.10 Der Streit kann jedoch auf sich beruhen, da sich aus den unterschiedlichen Ansichten keine unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten lassen11 und die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht ernsthaft bezweifelt wird.
II. Sachliche Rechtfertigung Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nur verletzt, wenn die Minderheitsgesellschafter der Schlechterstellung nicht (antizipiert) zugestimmt haben, was zumindest voraussetzt, dass die Ungleichbehandlung ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist,12 und die Schlechterstellung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Eine sachliche Rechtfertigung ist anzunehmen, wenn der Mehrheitsbeschluss ein legitimes Gesellschaftsinteresse verfolgt, der Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter erforderlich und angemessen ist. Es findet daher, wie bei der Frage einer Treuepflichtverletzung, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt,13 wobei den Mehrheitsgesellschaftern auch hier ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum zuzubilligen ist.14 Auf die obigen Ausführungen zur Treuepflichtschranke kann daher verwiesen werden.15
III. Rechtsfolgen eines inhaltlichen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz führen zur Unwirksamkeit des Beschlusses, wenn dieser nicht gleichheitskonform ausgelegt werden kann.16 Unwirksamkeit bedeutet, dass der vor der Beschlussfassung bestehende Rechtszustand unverändert weiter besteht. Es steht den Parteien frei, sich auf eine Regelung zu einigen, die den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Dazu kann die Benachteiligung der Minderheit abgeschafft werden, oder aber es können alle gleichermaßen „benachteiligt“ werden. Auf diese Weise oder wenn die 10 So wohl Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 12 a. E. Weitere Herleitungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes und Nachweise finden sich bei MünchKomm z. HGB/Enzinger § 109 Rdnr. 20. 11 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 109 Rdnr. 20. 12 Vgl. Hk-BGB/Saenger § 705 Rdnr. 12 a. E. 13 MünchKomm z. HGB/Enzinger § 119 Rdnr. 85. 14 von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 135; Erman/H. P. Westermann § 709 Rdnr. 34. 15 Vgl. oben § 7 III. 16 Vgl. G. Hueck, Der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung im Privatrecht, S. 319; Schulte, Schrankenproblematik, S. 90 f.: Der Vorrang der gleichheitskonformen Auslegung ergibt sich daraus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz ein wichtiges Kriterium der wertenden Auslegung und damit auch ein Auslegungsprinzip ist; ferner MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 252.
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
übervorteilten Gesellschafter die Ungleichbehandlung nachträglich billigen, kann der unwirksame Beschluss geheilt werden. Rechtsdogmatisch handelt es sich also um einen Fall der schwebenden Unwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses.17 Darüber hinaus können die Minderheitsgesellschafter gegen die Mehrheitsgesellschafter und gegen die Gesellschaft wegen des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz (§§ 249 ff. BGB) haben.18 Voraussetzung dafür ist, dass die Mehrheitsgesellschafter schuldhaft (§ 708 BGB) den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt haben und dass den Minderheitsgesellschaftern aufgrund der Vertragsverletzung ein Schaden entstanden ist.
IV. Einordnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in das System der Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen Die Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist beschränkt. Der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist enger als der der Treuepflicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht einschlägig, wenn zwar formal Gleichheit gewahrt wird, aber dennoch einzelne Gesellschafter stärker als andere geschädigt werden (z. B. die Informationsrechte aller Gesellschafter werden durch Mehrheitsbeschluss eingeschränkt, die nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter sind aber ungleich stärker auf Informationen angewiesen als die aktiv mitgestaltenden Mitglieder).19 Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz scheidet auch aus, wenn die Mehrheit die Benachteiligung in gleicher Weise auf sich nimmt wie die übrigen Gesellschafter.20 Soweit aber die Minderheit tatsächlich ungleich behandelt wird, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz neben der Treuepflichtschranke anzuwenden. Beide Schranken führen im Regelfall zu sich deckenden Ergebnissen. Gleichwohl ist der Gleichbehandlungsgrundsatz als Schranke der Mehrheitsmacht nicht überflüssig, weil er Beweisvorteile bietet: Der Kläger braucht beim Gleichbehandlungsgrundsatz nur die Ungleichbehandlung darzulegen und zu beweisen; es ist dann Sache der Mehrheit, Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung vorzutragen und ggf. zu beweisen.21 17 So wohl auch G. Hueck, Der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung im Privatrecht, S. 319; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 252, die wie hier die Möglichkeit einer nachträglichen Heilung des gleichheitswidrigen Mehrheitsbeschlusses durch Zustimmung des benachteiligten Gesellschafters bejahen. 18 Zutreffend Schulte, Schrankenproblematik, S. 91; MünchKomm z. BGB/Ulmer § 705 Rdnr. 252. 19 von Åkerman, Kernbereich des Informationsrechts, S. 136; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 II. 2. b) (S. 429). 20 Vgl. Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 78; Zöllner, Schranken der Stimmrechtsmacht, S. 304.
§ 8 Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Schranke für Mehrheitsbeschlüsse 241
V. Ergebnisse der Untersuchung des Gleichbehandlungsgrundsatzes Die Ausübungskontrolle am Maßstab der Treuepflicht wird ergänzt durch den Gleichbehandlungsgrundsatz, der als Schranke von Mehrheitsentscheidungen allgemein anerkannt ist. Deshalb konnte die dogmatische Herleitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes offen bleiben. Im § 8 II. wurde gezeigt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz die sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der Minderheit verbietet. Ungleichbehandlungen mit Zustimmung der Minderheit sind jedoch zulässig. Diese Zustimmung kann auch vorweg im Gesellschaftsvertrag erklärt werden. Im § 8 III. wurden die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aufgezeigt, und im § 8 IV. wurde deutlich, dass der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes begrenzt ist.
21
Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 II. 2. b) (S. 430).
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
§ 9 Die Sittenwidrigkeitsschranke Die Sittenwidrigkeitsschranke begrenzt Mehrheitsbeschlüsse sowohl auf Klausel- als auch auf Beschlussebene. Die Bindung der Mehrheitsmacht an die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) ist allgemein anerkannt.1
I. Die Sittenwidrigkeitsschranke auf Klauselebene Zum einen ist das Sittengebot neben § 134 BGB die äußerste Zulässigkeitsschranke für die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips (Klauselkontrolle).2 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde bereits mehrfach betont, dass sich aus der vereinbarten Mehrheitskompetenz keine gegen die guten Sitten verstoßende Abhängigkeit des einzelnen Gesellschafters von der Willkür der anderen Mitglieder ergeben darf. Sittenwidrig ist beispielsweise das Sich-Aussetzen der potentiellen Willkür anderer Gesellschafter durch ein Hinauskündigungsrecht nach freiem Ermessen oder des Rechts der Mehrheit, den Gesellschaftsanteil in einen Kommanditanteil umzuwandeln.3 Darüber hinaus ist die Vereinbarung einer Mehrheitskompetenz für Eingriffe in den unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft regelmäßig zugleich sittenwidrig.4 Im Übrigen dürfte es in Zukunft durch die Anerkennung eines zwingenden und eines unentziehbaren Kernbereichs der Mitgliedschaft allerdings schwer fallen, im Einzelfall eine sittenwidrige Abhängigkeit der Minderheit zu bejahen. Die Sittenwidrigkeitsschranke ist daher nur die äußerste Grenze für die Zulässigkeit von Mehrheitsklauseln.5 Zu beachten ist auch, dass die Zulassung von Mehrheitsbeschlüssen über Angelegenheiten der Geschäftsführung nicht als sittenwidrig eingestuft werden kann, da die gesamte Geschäftsführung sogar einem Gesellschafter allein anvertraut werden kann.6 Erst recht müssen hier daher Mehrheitsentscheidungen möglich sein.7
1 Siehe etwa BGH, WM 1974, 1151; Hopt in Baumbach/Hopt § 119 Rdnr. 35; Koller in Koller/Roth/Morck § 119 Rdnr. 9, § 109 Rdnr. 2; Maiberg, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 77; Schulte, Schrankenproblematik, S. 68 ff.; Späth, Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss, S. 93 ff.; vgl. ferner oben § 2 II. 1. a) m. w. N. in Fn. 25. 2 Siehe die Nachweise oben § 2 Fn. 25. 3 Koller in Koller/Roth/Morck § 109 Rdnr. 2; für die Umwandlung des Gesellschaftsanteils in einen Kommanditanteil a. A. aber BGH, NJW 1973, 651. 4 Vgl. oben § 5 III. 1. a). 5 Siehe bereits oben § 4 VI. 1. a) dd) m. N. 6 Zutreffend Enzinger, Mehrheitsbeschlüsse, S. 164 f.; A. Hueck, OHG, § 11 IV. 2. (S. 176 f.); Schulte, Schrankenproblematik, S. 69 f. 7 Schulte, Schrankenproblematik, S. 70.
§ 9 Die Sittenwidrigkeitsschranke
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II. Die Sittenwidrigkeitsschranke auf der Ebene der Beschlusskontrolle Auch auf der Ebene der Beschlusskontrolle ist das Ergebnis der im Einzelfall beschlossenen Mehrheitsentscheidung am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB zu messen.8 Die Sittenwidrigkeitsschranke bildet auch hier neben § 134 BGB, der kaum praktische Relevanz haben dürfte, die äußerste Schranke für Mehrheitsentscheidungen. Für diese Schranke besteht deshalb ein Bedürfnis, weil nicht nur mehrheitliche Eingriffe in den unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft als sittlich anstößig erscheinen. Auf der Ebene der Beschlusskontrolle erlangt die Sittenwidrigkeitsschranke vielmehr z. B. auch bei Geschäftsführungsmaßnahmen Bedeutung, wenn die Mehrheitsgesellschafter in nicht mehr zu rechtfertigender Weise die persönlichen Eigeninteressen über die der Minderheit stellen und so der Minderheit Schaden zufügen (darin liegt zugleich auch eine Verletzung der Treuepflicht).9
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Vgl. nur BGH, WM 1974, 1151, 1153. So auch A. Hueck, OHG, § 11 IV. 2. (S. 176); Schulte, Schrankenproblematik, S. 70. 9
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2. Teil: Die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen
§ 10 Ergebnis der Untersuchung: Die Systematik der Beschlusskontrolle Ziel der vorliegenden Abhandlung war es, ein System der Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen zu entwickeln. Dazu wurden die Schranken der Mehrheitsmacht im Einzelnen untersucht und so das eigene Konzept zu den jeweiligen Schranken entwickelt. Deutlich wurde bei der Untersuchung, dass die herkömmlichen Schranken der Mehrheitsmacht überdacht und auf ihre jeweilige Funktion zurückgeführt werden sollten. Der Bestimmtheitsgrundsatz dient allein der Kompetenzkontrolle, wohingegen es bei der Kernbereichslehre vorwiegend um die materielle Rechtmäßigkeit des Mehrheitsbeschlusses geht. Wichtig ist daneben die auf die Treuepflicht und den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützte Ausübungskontrolle, die zu einer Kontrolle des Beschlussinhalts führt. Zusammenfassend stellt sich das im Rahmen der vorliegenden Untersuchung entwickelte System der Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen wie folgt dar:
I. Kompetenzkontrolle In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob der Mehrheitsbeschluss sich auf eine ausreichende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung stützen kann (Kompetenzkontrolle). Für diese Auslegungsfrage gilt vorrangig der Bestimmtheitsgrundsatz. Er ist – richtig verstanden – eine Auslegungsregel für die gesellschaftsvertragliche Mehrheitsermächtigung. Er schützt die Minderheit allein in formeller Hinsicht: Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz gilt eine allgemein gehaltene Mehrheitsklausel nur für Fragen der laufenden Geschäftsführung, nicht aber für Grundlagengeschäfte, wie insbesondere Vertragsänderungen. Soll die Mehrheitsklausel auch für Vertragsänderungen gelten, ist erforderlich, dass dies unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht wird. Bei ungewöhnlichen Vertragsänderungen ist zudem erforderlich, dass die Mehrheitsklausel den konkreten Beschlussgegenstand eindeutig erfasst. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist entgegen vielfältiger Kritik für gesetzestypische – nicht aber für Publikums- und körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften – beizubehalten. Auf ihn kann gesellschaftsvertraglich nicht verzichtet werden. Er ist unabdingbarer Bestandteil des notwendigen Minderheitenschutzes bei Personengesellschaften. Ergänzt wird die Kontrolle der Kompetenzgrundlage durch die Kernbereichslehre, da im unverzichtbaren Kernbereich keine wirksame Mehrheitskompetenz vereinbart werden kann. Der unverzichtbare Kernbereich der Mitgliedschaft ist eine Schranke der Vertragsfreiheit. Unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte können weder gesellschaftsvertraglich noch durch Mehrheitsbeschluss abbedungen wer-
§ 10 Ergebnis der Untersuchung: Die Systematik der Beschlusskontrolle
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den. Sie sind notwendiger Bestandteil der Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft. Äußerste Schranke für Mehrheitsklauseln sind schließlich §§ 134, 138 Abs. 1 BGB. Gemäß § 138 Abs. 1 BGB sind Mehrheitsklauseln nichtig, die zu einer schrankenlosen Mehrheitsmacht führen.
II. Beschlusskontrolle Auf der Ebene der Beschlusskontrolle ist der Inhalt des Mehrheitsbeschlusses zu kontrollieren. Für diese Beschlusskontrolle ist auszugehen von der Kernbereichslehre, wonach Mehrheitsbeschlüsse, die in den unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft eingreifen, schon allein deswegen unwirksam sind. Daneben begründet die Kernbereichslehre für Eingriffe in den unentziehbaren Kernbereich der Mitgliedschaft ein Zustimmungserfordernis des betroffenen Gesellschafters. Allerdings kann die Zustimmung auch schon vorab im Gesellschaftsvertrag erteilt werden (antizipierte Zustimmung). An eine solche antizipierte Zustimmung sind strenge Anforderungen zu stellen: Um die Mehrheitsklausel als antizipierte Zustimmung zu werten, muss sie eindeutig das zum unentziehbaren Kernbereich gehörende Recht erfassen und Ausmaß und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lassen. Bei den bloß stimmrechtsfesten Beschlussgegenständen ist Voraussetzung, dass der betroffene Gesellschafter mit abstimmen konnte. Rechtswidrig ist der Mehrheitsbeschluss insofern nur, wenn es auf die Stimme des Minderheitsgesellschafters ankam, was bei Geltung des Mehrheitsprinzips regelmäßig nicht der Fall sein wird. Ergänzt wird diese Beschlusskontrolle durch eine Missbrauchskontrolle am Maßstab der Treuepflicht (§ 242 BGB) und am Gleichbehandlungsgrundsatz und schließlich durch die Sittenwidrigkeitsschranke des § 138 Abs. 1 BGB und die Schranke des § 134 BGB. Die Sittenwidrigkeitsschranke stellt auch bei der Beschlusskontrolle die äußerste Schranke dar.
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Sachregister Abänderungsvertrag 33, 38 ff., 46, 48, 59 f., 65, 157, 201 actio pro socio 23, 78, 160, 189 ff., 197, 206, 207, 208 Auslegungsregel 35 f., 42, 49, 70, 89 ff., 94 f., 97 ff., 100, 103, 114 f., 122, 126 f., 129 f., 143 ff., 150, 216, 244 Ausübungskontrolle 97, 105, 151, 205, 220 ff., 233 ff., 241, 244 Bestimmtheitsgrundsatz – Anwendungsbereich 25, 49, 70, 73, 110 ff., 133 ff., 140 ff., 149, 212 – Beibehaltung, Aufgabe oder weitere Einschränkung 103 ff. – Bestimmtheitsanforderungen an eine Mehrheitsklausel 73 ff. – dogmatische Herleitung 79 ff. – Entstehung und Entwicklung 69, 70 ff. – Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes 70, 72, 88, 89 ff., 104, 146, 148 – Verzicht siehe dort – Warnfunktion siehe dort Eigennütziges Mitgliedschaftsrecht 221 Einstimmigkeitsprinzip – Abdingbarkeit 35 f. – Gründe für ein Abweichen vom Einstimmigkeitsprinzip 44 ff. Ergänzende Vertragsauslegung 34, 48, 54, 56 f., 105 f., 137, 141 f., 149 Familiengesellschaft 46 f., 56 f., 140, 145, 149, 168, 171, 176, 205 formale Beschlusskontrolle 97 ff., 124 ff., 130, 216
geltungserhaltende Reduktion 97 Geschäftsführungsbefugnis 62 f., 180 f., 203, 234 Geschäftsführungsmaßnahmen 28, 33, 42, 44 f., 48, 62 ff., 74, 148, 203, 243 Gestaltungsmachttheorie 83 ff., 88, 129, 148 gewöhnliche/ungewöhnliche Vertragsänderungen 73 ff., 90, 94, 96 f., 112, 115, 131, 148, 163, 179, 181, 232 Gleichbehandlungsgrundsatz – dogmatische Herleitung 238 f., 241 – Rechtsfolgen eines Verstoßes 239 f. – sachliche Rechtfertigung 109, 239 Informationsrecht 30 f., 78, 153, 157, 159, 162, 177, 182, 183 ff., 190, 197, 206 f., 208, 209, 211, 238, 240 Inhaltskontrolle 25, 26, 29, 31, 51 f., 53, 92, 94, 105 ff., 126 ff., 131, 139 f., 149, 164, 206, 213, 225 Kapitalerhöhung 42, 46, 134, 166, 205, 227, 229, 232, 238 Kapitalgesellschaften 32, 34 f., 39, 43, 46, 52, 67, 71, 78, 105 f., 116, 131, 136 f., 141, 166 f., 169, 171, 228, 229, 236 Kautelarjurisprudenz 72, 101, 103, 213 Kernbereich – Bestimmung des Kernbereichs 176 ff. – Dreiteilung des Kernbereichs 25 f., 154 ff., 175, 217 ff. – stimmrechtsfester Kernbereich siehe dort – Unbestimmtheit des Kernbereichsbegriffs 112, 154 – unentziehbarer Kernbereich siehe dort
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Sachregister
– unverzichtbarer Kernbereich siehe unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte Kernbereichslehre – Entstehung und Entwicklung 152 ff. – Geltung bei Publikumspersonengesellschaften 203 ff. Klauselkontrolle 26, 28, 160, 166, 219, 231, 242 Kommanditist 34, 38, 48, 53, 55, 64 f., 72, 77, 123, 134 ff., 140, 142, 151, 152 f., 161, 168, 171, 176, 178, 183, 185 ff., 188, 197, 204 f., 206, 207, 213, 214 Lehre von der sachlichen Rechtfertigung 42, 228 ff., 236 materielle Beschlusskontrolle 27, 104, 105, 107, 217 Mehrheitsbeschluss – Ansatzpunkte für eine Kontrolle 28 f. – Begriff 58 – mögliche Gegenstände von Mehrheitsbeschlüssen 62 ff. – Rechtsnatur 58 ff. Mehrheitsklausel – Eindeutigkeit 84, 92, 94 ff., 114 f., 131, 216, 244 – Erforderlichkeit 47 ff. – Verfahrensregel siehe dort Mehrheitsprinzip 23, 28, 31 f., 35 f., 38 f., 41 ff., 45 f., 48 f., 50 ff., 53 ff., 56 f., 67, 69, 71, 75, 77, 81 ff., 84, 86, 87 f., 92, 94 ff., 101 f., 105 f., 111 ff., 115 f., 118 ff., 122, 128 ff., 137, 141 ff., 147 ff., 165 ff., 170, 172, 174, 179, 191, 208, 216, 218 f., 228, 230, 234, 242, 245 Minderheitenschutz – Notwendigkeit bei Personengesellschaften 66 ff. Minderheitsgesellschafter 28, 66 f., 72 f., 75, 79, 82 f., 95, 98 f., 106 f., 109, 110 f., 116, 122 f., 128, 131 f., 145 f., 152 ff., 161, 165, 168, 170 f.,
173, 175, 179 f., 187, 195, 199 f., 203, 205, 208, 217, 219, 224 ff., 231 ff., 235, 238 ff., 245 Mitverwaltungsrechte 159, 177 ff. organisatorische Maßnahmen 62 f.
42, 58,
Privatautonomie 37, 41, 43, 94, 95, 139, 156 Publikumspersonengesellschaft – Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes 134 ff. – Erforderlichkeit einer Mehrheitsklausel 48 ff. – Geltung der Kernbereichslehre 203 ff. Richtigkeitsgewähr 58, 106, 168, 171, 230 Sittenwidrigkeit – Beschlusskontrolle 243 – Klauselkontrolle 242 Sonderrechte 78, 138, 162, 197 f., 202, 205, 208 Steigerungstrias 72, 74, 108 f. Stimmrecht 25, 33 f., 66, 152, 155, 159, 162, 173 f., 175, 177 ff., 182 f., 197, 198, 206, 207 f., 219 ff., 224 f., 230 f., 233, 236 stimmrechtsfester Kernbereich 25, 173 ff., 202 ff. Störung der Geschäftsgrundlage 34, 56, 123 f., 170 Theorie der antizipierten Zustimmung 79 ff., 86, 88, 129 f., 148, 169 ff., 199, 209 Treu und Glauben 53, 96, 103, 115, 122, 139 f., 147, 149, 188, 222 ff., 230, 234 Treuepflicht – dogmatische Herleitung 221 ff. – Funktion der Treuepflicht 233 ff.
Sachregister – Inhalt der Treuepflicht 225 ff. – Rechtsfolgen eines Verstoßes 233 unentziehbarer Kernbereich 25 f., 110, 153, 154 ff., 161 ff., 176, 177, 195, 197 ff., 206, 207 f., 217, 242, 245 unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte 25 f., 153, 155, 156 ff., 177 ff., 206, 207 f., 210, 212, 244 f. Verfahrensregel 86 ff., 99, 103, 129, 148 Verhältnis des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Kernbereichslehre 26, 164, 209 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 106, 131, 226 ff. Vertragsänderung – als Beschlussgegenstand 64 ff.
263
– Zulässigkeit einer Vertragsänderung durch Mehrheitsbeschluss 36 ff. Verzicht 89 ff., 143 ff. Warnfunktion – Verlust der Warnfunktion 117 ff. Willkürverbot 27, 230, 236, 238, 242 Zustimmung – antizipierte 31, 70, 79 f., 82 f., 86, 87, 103, 110, 148, 157, 164, 167 ff., 206, 208, 217 f., 238, 245 – Zustimmungsrecht 161, 174, 177, 180, 197, 206, 207, 208 Zustimmungsklage 123 Zustimmungspflicht 34, 123 f., 152, 211, 223, 235 f.